Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der ...
Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der ...
Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />
Berufsbildungswerke e. V.<br />
zum Modellprojekt<br />
Integration inklusive<br />
Integration junger Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung, Teilhabe am Arbeitsleben<br />
2009 - 2011<br />
Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung............................................................................................................. 1<br />
2 Projektbeschreibung............................................................................................ 2<br />
3 Zusammenfassung.............................................................................................. 4<br />
Exkurs: Die „zweite Schwelle“.............................................................................. 5<br />
4 Projektinput – das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden....................................................... 6<br />
4.1 Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden .................................................................... 8<br />
4.2 Wohn- und Lebenssituation.......................................................................... 8<br />
4.3 Geschlecht ................................................................................................... 8<br />
4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund ........................................... 9<br />
4.5 Wohnort und räumliche Mobilität.................................................................. 9<br />
4.6 Behin<strong>der</strong>ungen............................................................................................. 9<br />
4.7 Besuchte Schule ........................................................................................ 11<br />
4.8 Berufsfel<strong>der</strong> und Art des Ausbildungsabschlusses..................................... 11<br />
4.9 Sozialkompetenzen .................................................................................... 13<br />
4.10 Zusammenfassung..................................................................................... 13<br />
5 Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Integrationsprozesse............................. 14<br />
5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen.......................................................... 14<br />
5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen .................................................... 16<br />
5.3 Profil <strong>der</strong> BBW (allgemein) ......................................................................... 16<br />
5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs Regionen.. 19<br />
Hamburg............................................................................................................ 19<br />
Husum ............................................................................................................... 20<br />
Leipzig ............................................................................................................... 21<br />
Neuwied ............................................................................................................ 21<br />
Potsdam ............................................................................................................ 22<br />
Rummelsberg .................................................................................................... 23<br />
5.5 Vernetzung mit <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft........................................................ 24<br />
6 Integrationsprozesse ......................................................................................... 28<br />
6.1 Vorbereitung <strong>der</strong> Integration während <strong>der</strong> Ausbildung ............................... 29<br />
6.2 Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung ............................... 30<br />
6.3 Kontaktpflege im Projekt bei großen Distanzen zum Heimatort <strong>der</strong> jMmB . 31<br />
6.4 Integrationsunterstützung nach <strong>der</strong> Arbeitsaufnahme................................ 31<br />
6.5 Dienstleistungen für die Wirtschaft............................................................. 32<br />
6.6 Integrationsför<strong>der</strong>nde und –hemmende Faktoren in den Unternehmen..... 33<br />
För<strong>der</strong>leistungen ............................................................................................... 34<br />
Ausgleichsabgabe ............................................................................................. 34<br />
Kündigungsschutz ............................................................................................. 35<br />
Demografischer Wandel .................................................................................... 35<br />
Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung .......................................... 35<br />
Soziale Verantwortung ...................................................................................... 36<br />
Synergieeffekte durch Kooperation ................................................................... 37<br />
6.7 Abbrüche.................................................................................................... 38<br />
6.8 Zusammenfassung und Fazit ..................................................................... 38<br />
Exkurs: Ausbildungsberufe nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO ................................. 39<br />
7 Projekt-Output – eine Analyse erfolgreicher Integrationen ................................ 40<br />
7.1 Soziodemografische Aspekte..................................................................... 41<br />
7.2 Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung ............................................................. 42<br />
7.3 Berufliche Flexibilität und räumliche Mobilität............................................. 44
7.4 Ausbildungskonzepte und <strong>der</strong>en Wirkung .................................................. 45<br />
7.5 Berufsabschluss und die Nachfragesituation ............................................. 47<br />
7.6 Zusatzqualifikationen.................................................................................. 49<br />
7.7 Zusammenfassung..................................................................................... 49<br />
8 Transfer guter Praxis, Ausblick und Empfehlungen........................................... 51<br />
Empfehlungen ................................................................................................... 55<br />
Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. 57<br />
Literaturverzeichnis .................................................................................................. 58
1 Einleitung<br />
Der Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung über die Wirkung <strong>der</strong> Instrumente zur Sicherung von<br />
Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention (BT-Drucksache 16/6044 vom 02.07.2007)<br />
benennt unter den drei sozialpolitischen Schwerpunktthemen als ein herausragendes<br />
Handlungsfeld die Ausbildung junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung. Nach Auffassung <strong>der</strong><br />
Bundesregierung sollen zukünftig die „Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen des<br />
Erwerbslebens (wie von <strong>der</strong> Schule in die Ausbildung, von <strong>der</strong> Ausbildung in den Beruf) […]<br />
noch stärker berücksichtigt“ werden und Modellvorhaben verstärkt in <strong>der</strong> „Fläche erprobt“<br />
werden und die „Bildung von regionalen Netzwerken zu überregionalen weiterentwickelt<br />
werden“ (BT-Drucksache 16/6044).<br />
Das von <strong>der</strong> <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.) in<br />
Kooperation mit Wirtschaftsverbänden seit 2008 geplante und ab 2009 durchgeführte<br />
Modellprojekt „Integration inklusive – Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, Teilhabe<br />
am Arbeitsleben“ zielt genau auf die Verbesserung des Übergangs Ausbildung – Beruf sowie<br />
auf die Gestaltung effizienter Netzwerke ab.<br />
Die BAG BBW e. V. legt hiermit den Endbericht für das Kooperationsprojekt vor, das in<br />
sechs unterschiedlichen Regionen gemeinsam von den Berufsbildungswerken (BBW) und<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren durchgeführt wurde. Ziel des Berichts ist es,<br />
auf Basis <strong>der</strong> Fragestellungen sowie Ergebnisse <strong>der</strong> begleitenden Evaluation zur Verbreitung<br />
guter Praxis bei beruflichen Inklusionsprozessen beizutragen und damit die Umsetzung <strong>der</strong><br />
UN-Konvention 1 voranzubringen – insbeson<strong>der</strong>e „die gleichberechtigte Teilhabe behin<strong>der</strong>ter<br />
Menschen am Arbeitsleben“ (Art. 27).<br />
Die Form <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Projektergebnisse folgt dabei dem Integrationsweg <strong>der</strong><br />
teilnehmenden jungen Menschen in Arbeit und Beschäftigung. Dieser personenzentrierte<br />
Ansatz ist in <strong>der</strong> Lage, den gesamten Projektverlauf - mit sehr differenzierten<br />
Rahmenbedingungen in den einzelnen Regionen wie auf Seiten <strong>der</strong> Teilnehmenden - sowie<br />
die erzielten Ergebnisse abzubilden. Die Form <strong>der</strong> Darstellung ist kompatibel mit den<br />
Prozessebenen des Qualitätsmanagements in sozialen Organisationen. Bei <strong>der</strong> Evaluation<br />
werden daher Input, Strukturen, Prozess und Outcome betrachtet. Abgeschlossen wird die<br />
Darstellung mit einem Kapitel zum Ergebnistransfer.<br />
Die BAG BBW e. V. möchte sich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken, die zum<br />
Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Hierzu zählen neben dem Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales (BMAS) und <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (BA) auch <strong>der</strong><br />
Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Darüber hinaus richtet sich <strong>der</strong> Dank<br />
an die unmittelbaren Teilprojektpartner in den sechs Regionen. Deren gute regionale<br />
Zusammenarbeit hat sich mittlerweile so weiterentwickelt und gefestigt, dass die<br />
Kooperationspartner - auch über das Ende <strong>der</strong> Projektlaufzeit hinaus - als ein Netzwerk<br />
fungieren.<br />
Mit <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Projektergebnisse können nicht nur Projektteilnehmende an den<br />
sechs Modellstandorten profitieren, son<strong>der</strong>n zukünftig alle BBW-Absolventen/ -innen.<br />
1<br />
Berlin, Juni 2011<br />
1 Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,<br />
www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/monitoring-stelle.html.
2 Projektbeschreibung<br />
Das Modellprojekt „Integration inklusive – Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung,<br />
Teilhabe am Arbeitsleben“ zielte darauf ab, die Beschäftigungsquote junger Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung (jMmB) nach einer qualifizierten Berufsausbildung deutlich und nachhaltig zu<br />
verbessern.<br />
Die Instrumente <strong>der</strong> beruflichen Rehabilitation in den Berufsbildungswerken (BBW)<br />
umfassen im Rahmen <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Leistungen auch Integrationsaufgaben sechs Monate<br />
über den Ausbildungsabschluss hinaus. Diese Integrationsleistungen <strong>der</strong> deutschlandweit 52<br />
BBW werden jährlich evaluiert und dokumentiert. Über den Zeitraum von drei Jahren (2006-<br />
2008) betrachtet wurden im Mittel 58,3 % <strong>der</strong> Teilnehmenden von Ausbildungsmaßnahmen<br />
in den vom Wettbewerb bestimmten ersten Arbeitsmarkt integriert (vgl. Eichhorn/ Karbach<br />
2009). Weitere 15 % standen dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen wie Studium,<br />
Familienzeit usw. zunächst nicht zur Verfügung. Die Aufmerksamkeit im Projekt galt den<br />
jungen Menschen, die nach wie vor noch auf <strong>der</strong> Suche nach Arbeit waren (26,7 %) 2 .<br />
Als Zielgruppe entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen im Projekt waren insgesamt 360 junge<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung aus sechs BBW vorgesehen, die sechs Monate nach<br />
Ausbildungsabschluss in einem Berufsbildungswerk noch keine sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung gefunden haben.<br />
Im Rahmen des Projektes sollten speziell für diese Zielgruppe an <strong>der</strong> zweiten Schwelle die<br />
Integrationsleistungen <strong>der</strong> Berufsbildungswerke verbessert werden. Hierzu wurden mehrere<br />
Wege parallel verfolgt und evaluiert:<br />
• Ursachen für nicht gelungene Integrationen ermitteln<br />
• Analyse von Kompetenzprofilen <strong>der</strong> jungen Menschen und Anfor<strong>der</strong>ungsprofilen <strong>der</strong><br />
Wirtschaft<br />
• Integrationsför<strong>der</strong>nde Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
auch bei <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung und Nachbetreuung<br />
• Nachhaltige Kooperationsnetzwerke mit Verbänden <strong>der</strong> Wirtschaft stiften<br />
• Integrationshemmende und –för<strong>der</strong>nde Faktoren bei Betrieben ermitteln<br />
Wirksame Handlungskonzepte für die „zweite Schwelle“ sollen Eingang in die allgemeine<br />
Integrationsarbeit aller Berufsbildungswerke finden.<br />
Die evaluationsleitenden Fragestellungen waren im Einzelnen:<br />
1. Handelt es sich bei den nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach<br />
Ausbildungsabschluss noch nicht vermittelten Jugendlichen um einen Personenkreis<br />
mit einer beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsart? Ausgebildet werden in den<br />
Berufsbildungswerken junge Menschen mit Lern-, Körper-, Sinnes-, psychischer o<strong>der</strong><br />
Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung.<br />
2. Werden Berufsgruppen, auch in beson<strong>der</strong>s geregelten Ausbildungsberufen gemäß<br />
§ 66 BBiG o<strong>der</strong> § 42 m HwO, auf dem Arbeitsmarkt stärker nachgefragt?<br />
2 Im Vergleich dazu beträgt <strong>der</strong> Anteil integrierter Absolventen aller BBW im Jahr 2009 57,2 %. 13,6 %<br />
standen aus unterschiedlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weitere 29,2 % waren<br />
arbeitsuchend (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011a).<br />
2
3. In welchem Maße tragen individuelle berufliche Flexibilität und Mobilität zu<br />
Integrationserfolgen bei? (Regionale Arbeitsmarktsituation)<br />
4. Wird mit den zugrunde liegenden didaktischen Ausbildungskonzepten die<br />
Beschäftigungsfähigkeit hergestellt?<br />
5. Welche Rolle spielen sozio-demografische Daten?<br />
6. Gibt es im Rahmen <strong>der</strong> beruflichen Integration beson<strong>der</strong>e Hilfestellungen zur<br />
Erfüllung beson<strong>der</strong>er betrieblicher Anfor<strong>der</strong>ungen? (Nachqualifizierungen,<br />
Arbeitsassistenz u. a.)<br />
7. Werden zur beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung beson<strong>der</strong>e Kenntnisse verlangt? Kann mit Hilfe<br />
von Fort- und Weiterbildungsangeboten die Integrationschance verbessert werden?<br />
8. Gibt es beson<strong>der</strong>e integrationsför<strong>der</strong>nde Faktoren bei den Betrieben?<br />
Ein zentraler Bestandteil des Projektes war daher die begleitende Evaluation <strong>der</strong><br />
Vermittlungsverläufe. Die Analyse fand mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten statt, um<br />
die Vermittlungsprozesse aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu<br />
beleuchten. Berücksichtigt wurden die Resultate einer statistischen Auswertung soziodemografischer<br />
Daten <strong>der</strong> Projektteilnehmenden, die Ergebnisse einer Befragung <strong>der</strong><br />
Projektpartner (BBW und Unternehmensverbände) sowie <strong>der</strong> Unternehmen und die<br />
Erkenntnisse aus qualitativen Interviews mit erfolgreich integrierten Teilnehmenden.<br />
Das Projekt wurde zwischen dem 01.04.2009 und dem 31.03.2011 unter Beteiligung von<br />
sechs Unternehmensverbänden sowie sechs Berufsbildungswerken umgesetzt. Die BAG<br />
BBW e. V. übernahm bei dem Modellprojekt die umfangreichen Koordinationsaufgaben. Die<br />
Tabelle 1 zeigt die beteiligten Projektpartner. Dabei werden die BBW nach ihren Orten<br />
benannt 3 .<br />
Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus<br />
Mitteln des Ausgleichsfonds.<br />
Berufsbildungswerk<br />
Kooperieren<strong>der</strong><br />
Unternehmensverband<br />
3<br />
Bundesland<br />
Hamburg BVMW Regionalverband Hamburg Hamburg<br />
Husum<br />
Unternehmensverband Unterelbe-<br />
Westküste e. V.<br />
Schleswig-Holstein<br />
Leipzig L2 – agentur für taten GmbH Sachsen<br />
Neuwied BVMW Region Mittelrhein Rheinland-Pfalz<br />
Potsdam<br />
BVMW Regionalverband Brandenburg-<br />
West<br />
Brandenburg<br />
Rummelsberg IHK Nürnberg für Mittelfranken Bayern<br />
Tabelle 1: Beteiligte Projektpartner<br />
3 Soweit nicht an<strong>der</strong>s gekennzeichnet, wird diese Bezeichnung im Text weiter verwendet.
3 Zusammenfassung<br />
Mit dem Projekt „Integration inklusive“ sollte jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (jMmB), die<br />
mindestens sechs Monate nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss in einem BBW noch<br />
arbeitssuchend waren, <strong>der</strong> Zugang zu Beschäftigung und Einkommen ermöglicht werden.<br />
Erreicht werden sollte dieses zum einen durch eine intensive Begleitung und Unterstützung<br />
<strong>der</strong> jMmB bei <strong>der</strong> Arbeitssuche (Coaching), zum an<strong>der</strong>en durch eine enge Kooperation mit<br />
Unternehmen vor Ort (Netzwerke).<br />
Die insgesamt 319 am Projekt beteiligten jungen Menschen beendeten ihre Ausbildung<br />
überwiegend in den Jahren 2008 und früher. Von den Abschlussjahrgängen aller BBW aus<br />
den Jahren 2006 bis 2008 fanden durchschnittlich 58,3 % <strong>der</strong> Absolventen/ -innen innerhalb<br />
eines Jahres einen Arbeitsplatz.<br />
Durch intensives Coaching haben 134 <strong>der</strong> 319 Teilnehmenden (42 %) im Rahmen des<br />
Projektes eine Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt aufgenommen.<br />
Berücksichtigt man diese zusätzliche Integration im Projekt Integration inklusive, steigt die<br />
Integrationsquote <strong>der</strong> Abschlussjahrgänge 2006 bis 2008 auf 75,8 % (entspricht einem<br />
Zuwachs um + 30 %).<br />
Den Aussagen von Teilnehmenden in Telefoninterviews zufolge sind rund ein Drittel <strong>der</strong><br />
Integrationen primär den jMmB (und ihrer Initiative) zuzurechnen – damit verbleibt noch ein<br />
Zuwachs bei den Integrationen von + 20 % <strong>der</strong> primär vom Projekt induziert sein dürfte.<br />
Erfreulich ist dieses Ergebnis auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei den<br />
Teilnehmenden um junge Menschen mit deutlich schlechteren Startchancen als dem<br />
Durchschnitt <strong>der</strong> BBW-Auszubildenden handelt: sie sind deutlich älter, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Sprach-<br />
und Hörbehin<strong>der</strong>ten liegt höher als sonst in den BBW, ebenso wie <strong>der</strong> Anteil an<br />
Teilnehmenden mit einem GdB > 70. Auch <strong>der</strong> Besuch einer höheren Schule ist seltener<br />
vertreten.<br />
Der Integrationserfolg ist darüber hinaus aus einem weiteren Grund bemerkenswert: in den<br />
Jahren 2009 und 2010, als diese jMmB innerhalb <strong>der</strong> Projektlaufzeit ihre neue Arbeit<br />
aufnehmen konnten, waren die Auswirkungen <strong>der</strong> Finanz- und Wirtschaftskrise auf den<br />
Arbeitsmarkt deutlich zu spüren.<br />
Zu den Integrationsleistungen trugen die jMmB jedoch auch selbst wesentlich bei. Ihre<br />
Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln o<strong>der</strong> in einem an<strong>der</strong>en Berufsfeld als dem <strong>der</strong><br />
Ausbildung zu arbeiten, ist außerordentlich hoch. 44 % von ihnen konnten ihren jetzigen<br />
Arbeitgeber/ -innen während eines vorlaufenden Praktikums (unbezahlte Probearbeit) von<br />
ihrer Leistungsfähigkeit überzeugen.<br />
Die Wirksamkeit dieser erfolgreichen Integrationsarbeit kann nach Auffassung aller<br />
Beteiligten am Projekt nicht an kurzfristigen Effekten festgemacht werden, son<strong>der</strong>n zeigt sich<br />
in <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> Beziehungen gegenüber den Unternehmen wie auch gleichermaßen<br />
gegenüber den jMmB, die aus einem BBW kommen und Arbeit suchen. Eine <strong>der</strong>artige<br />
Integrationsarbeit erfor<strong>der</strong>t neben umfassenden fachlichen und praktischen Kenntnissen auf<br />
Seiten <strong>der</strong> handelnden Personen vor allem auch nachhaltige und verlässliche Netzwerk-<br />
Strukturen in <strong>der</strong> Region.<br />
Gelingt es regional, fachliche Expertise, erfor<strong>der</strong>liche Ressourcen sowie übergreifende<br />
Strukturen (wie beim Projekt Integration inklusive) unter einer gemeinsamen Zielsetzung<br />
zusammenzubringen, dann können auch im Falle von Personen mit „beson<strong>der</strong>en<br />
Vermittlungshemmnissen“ beachtliche Integrationsleistungen die Folge sein.<br />
4
Exkurs: Die „zweite Schwelle“<br />
Der Übergang von einer abgeschlossenen Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis wird<br />
als „zweite Schwelle“ bezeichnet. Dieser Übergangsprozess gelingt nur in wenigen Fällen<br />
reibungslos. Immer häufiger schließen sich an die Ausbildung Phasen einer befristeten<br />
Beschäftigung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit an, die langfristig auch zu Berufswechseln führen<br />
können (vgl. Dorau et al. 2006).<br />
Eine erfolgreiche Ausbildung (im dualen System) ist daher kein Garant für einen<br />
erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben mehr. Diskontinuierliche und prekäre<br />
Beschäftigungsverläufe nach dem Übergang an <strong>der</strong> zweiten Schwelle nehmen zu (vgl. Dorau<br />
et al. 2009).<br />
Dabei stellt ein Verlassen des erlernten Berufs laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsforschung (IAB) eine typische Folge von nicht gelungener Übernahme durch den<br />
Ausbildungsbetrieb und anschließen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit dar (vgl. Seibert/ Kleinert 2009).<br />
Unter den Gesichtspunkten <strong>der</strong> Integration in den Arbeitsmarkt werden zur Situation an <strong>der</strong><br />
zweiten Schwelle regelmäßig bundesweit Daten erhoben sowie ausgewertet, insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den jährlichen Berufsbildungsberichten des BIBB. Neben quantitativen Untersuchungen<br />
gibt es jedoch kaum biografisch orientierte Forschung zu dieser beson<strong>der</strong>en Lebensphase<br />
junger Menschen (vgl. Dorau et al. 2009, Blickwede 2005, Linten/ Prüstel 2011). Die<br />
Vermutung liegt nahe, dass gerade für jMmB, die sich in <strong>der</strong> Regel bis zum Berufsabschluss<br />
in vornehmlich exklusiven Systemen (mit einer gewissen Bindungs- und Betreuungskontinuität)<br />
bewegen, <strong>der</strong> Übergang in das inklusiv angelegte Beschäftigungssystem einen<br />
schwierigen Ablösungsprozess bedeuten dürfte (z.B. Anfor<strong>der</strong>ungen an die Selbständigkeit<br />
<strong>der</strong> jMmB).<br />
Eine aktuelle Arbeit zur Zukunftsplanung junger Menschen mit son<strong>der</strong>pädagogischem<br />
För<strong>der</strong>bedarf in Österreich zeigt, dass im Übergang von <strong>der</strong> Schule zum Beruf vielschichtige<br />
Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind, die sich nicht auf den Eintritt in die Arbeitswelt<br />
reduzieren lassen. Die primäre Tätigkeit <strong>der</strong> jungen Menschen wechselt von „Lernen“ zu<br />
„Arbeiten“. Darüber hinaus verän<strong>der</strong>n sich aber auch das Selbstbild und die Bedeutung<br />
sozialer Bezugsgrößen wie das Elternhaus (vgl. Haslberger 2010).<br />
Häufig werden in För<strong>der</strong>konzepten für die Integration von jMmB in Beschäftigung nur die<br />
weitere Qualifizierung o<strong>der</strong> passgenaue Vermittlung angeboten. Das Lebensalter <strong>der</strong> jungen<br />
Erwachsenen und die wi<strong>der</strong>sprüchlichen Erwartungen, denen diese in ihrer Biografie<br />
gegenüber stehen, werden jedoch kaum berücksichtigt (vgl. Blickwede 2005).<br />
5
4 Projektinput – das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
Das Ziel einer jeden Ausbildung ist die dauerhafte Integration junger Menschen in Arbeit.<br />
Dies gilt auch für eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk (BBW). Daher unterstützen<br />
und begleiten qualifizierte Integrationsfachkräfte <strong>der</strong> BBW die jMmB nach einer dort<br />
absolvierten Ausbildung für sechs Monate beim Übergang an <strong>der</strong> zweiten Schwelle. Danach<br />
stehen die Berufsbildungswerke bis zu sechs weitere Monate in losem Kontakt mit den<br />
Absolventen/ -innen, um <strong>der</strong>en Teilhabe und Integration im Blick zu haben.<br />
Das Projekt befasste sich mit jenen jungen Menschen, die auch sechs Monate nach einer<br />
BBW-Ausbildung nicht vermittelt waren. Zum einen ging es darum, Gründe zu ermitteln,<br />
warum diese jungen Menschen bisher keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sollte mit geeigneten Methoden und Instrumenten die Integration dieser jungen<br />
Menschen nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit beför<strong>der</strong>t werden.<br />
In diesem Kapitel geht es zunächst um das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden. Da neben<br />
berufsfachlichen Gesichtspunkten auch die persönlichen Kompetenzen <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
eine erfolgreiche Vermittlung entscheidend beeinflussen können, stehen diese zunächst im<br />
Fokus <strong>der</strong> Betrachtung. Die Untersuchungsfragen richten das Augenmerk neben den<br />
üblichen sozio-demografischen Merkmalen (Geschlecht, Alter, Ausbildungsabschluss,<br />
Migrationshintergrund und Wohnsituation) vor allem auf die Behin<strong>der</strong>ungsart und den<br />
Behin<strong>der</strong>ungsgrad sowie auf die Sozialkompetenzen, die häufig von Unternehmen<br />
nachgefragt werden. Diese Daten aus dem Projekt Integration inklusive werden im<br />
Folgenden nach Möglichkeit mit den Ergebnissen einer Studie des Instituts <strong>der</strong> deutschen<br />
Wirtschaft (IW-Absolventenbefragung) über die Absolventen/ -innen aller BBW verglichen<br />
(Neumann et al. 2010).<br />
An den sechs Standorten sollten je ca. 60 junge Menschen auf freiwilliger Basis für das<br />
Projekt gewonnen werden. Insgesamt waren so 360 Teilnehmende im Projekt vorgesehen 4 .<br />
Aufgrund <strong>der</strong> freiwilligen Teilnahme ergaben sich unterschiedliche Teilnehmendenzahlen für<br />
die einzelnen BBW. Die endgültige Verteilung auf die sechs Standorte ist Tabelle 2 zu<br />
entnehmen.<br />
BBW Hamburg 41<br />
BBW Husum 49<br />
BBW Leipzig 66<br />
BBW Neuwied 43<br />
BBW Potsdam 55<br />
BBW Rummelsburg 65<br />
gesamt 319<br />
Tabelle 2: Verteilung <strong>der</strong> Teilnehmenden auf die Projekt-BBW<br />
Die Eintritte in das Projekt Integration inklusive erfolgten im Zeitraum von April 2009 bis<br />
Dezember 2010, mit Hochphasen im Sommer 2009 sowie im Februar 2010 (vgl. Abbildung<br />
1). Ausschlaggebendes Kriterium für die Beteiligung am Projekt war eine mindestens sechs<br />
Monate andauernde Arbeitslosigkeit <strong>der</strong> Teilnehmenden nach bestandener<br />
Berufsabschlussprüfung einer BBW Ausbildung. Zu Projektbeginn standen die<br />
4 Die Teilnehmenden wurden von den beteiligten Berufsbildungswerken angesprochen. Die<br />
weitergehende Unterstützung und Begleitung im Integrationsprozess im Rahmen dieses Projektes<br />
wurde angeboten. Eine Beteiligung am Projekt erfolgte auf freiwilliger Basis.<br />
6
Abschlussjahrgänge 2008 und früher im Fokus. Um die Zahl <strong>der</strong> Teilnehmenden zu erhöhen,<br />
wurden auch die Abschlussjahrgänge 2009 und 2010 im Projekt berücksichtigt. Bis zum<br />
Ende des Jahres 2010 wurden insgesamt 319 Teilnehmende aufgenommen.<br />
Bei 60 Personen kam es zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Projekt. Die Gründe<br />
hierfür werden im Kapitel 7 Projekt-Output benannt.<br />
Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
13<br />
0<br />
7<br />
40<br />
11<br />
57<br />
19<br />
April 2009<br />
Mai 2009<br />
Juni 2009<br />
Juli 2009<br />
August 2009<br />
September 2009<br />
Oktober 2009<br />
13<br />
4<br />
19<br />
7<br />
38<br />
26<br />
19<br />
14<br />
9<br />
7<br />
14<br />
5 4<br />
0 0<br />
November 2009<br />
Dezember 2009<br />
Januar 2010<br />
Februar 2010<br />
März 2010<br />
April 2010<br />
Mai 2010<br />
Juni 2010<br />
Juli 2010<br />
August 2010<br />
September 2010<br />
Oktober 2010<br />
November 2010<br />
Dezember 2010<br />
Abbildung 1: Eintritte in das Projekt Integration inklusive im Zeitverlauf (N = 319, Stand 2011)<br />
Betrachtet man den Zeitpunkt, zu dem die Teilnehmenden des Projektes ihre Ausbildung im<br />
BBW aufgenommen haben, so ist festzustellen, dass dies zu drei Vierteln in den Jahren<br />
2005 und 2006 stattfand.<br />
15 % <strong>der</strong> Teilnehmenden waren nach Beendigung ihrer Ausbildung und vor Aufnahme in das<br />
Projekt bereits einmal erwerbstätig gewesen.<br />
Die Dauer <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit zwischen Ausbildungsende und <strong>der</strong> Projektaufnahme betrug<br />
bei den aufgenommenen Personen durchschnittlich 11 Monate. Die Abbildung 2 zeigt den<br />
Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit nach Jahren.<br />
Anzahl <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
7<br />
2006 o<strong>der</strong><br />
früher<br />
12<br />
92<br />
158<br />
2007 2008 2009 2010 keine Angabe<br />
Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
Abbildung 2: Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit (N = 318, Stand 2011)<br />
42<br />
7
Die folgenden sozio-demografischen Merkmale <strong>der</strong> 319 am Projekt teilnehmenden jMmB<br />
wurden kontinuierlich im Verlauf des Projektes erfasst. Die Daten wurden digital durch die<br />
Projektmitarbeitende vor Ort aufgenommen und für die weitere Auswertung anonymisiert.<br />
4.1 Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />
Über drei Viertel <strong>der</strong> Projektteilnehmenden sind höchstens 25 Jahre alt (vgl. Abbildung 3).<br />
Das durchschnittliche Alter liegt bei 24 Jahren. Werden die knapp 11 Monate erfolgloser<br />
Arbeitssuche berücksichtigt, liegt das durchschnittliche Alter zum Ausbildungsabschluss bei<br />
23 Jahren. Die IW-Absolventenbefragung weist ein durchschnittliches Alter bei Verlassen<br />
des BBW von 21 Jahren aus (Neumann et al. 2010). Das um zwei Jahre höhere Alter <strong>der</strong><br />
Projektteilnehmenden (im Vergleich zum Durchschnitt aller BBW-Absolventen/ -innen)<br />
übertrifft den Trend zunehmend älterer Auszubilden<strong>der</strong> in allen BBW (Seyd/ Schulz 2010).<br />
Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2<br />
14<br />
59<br />
67<br />
56<br />
48<br />
24<br />
17<br />
10<br />
8<br />
8<br />
5<br />
3 2<br />
0 0 0 0 0 0 0 1<br />
20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40<br />
Alter in Jahren<br />
Abbildung 3: Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden (N = 316, Stand 2011)<br />
4.2 Wohn- und Lebenssituation<br />
Wenn nach erfolgreicher Ausbildung keine unmittelbare Arbeitsaufnahme gelingt, kehren die<br />
meisten jMmB zunächst an ihren Heimatort zurück und leben dort bei ihren Eltern. Dies gilt<br />
für 62,9 % 5 . Je<strong>der</strong> dritte Teilnehmende verfügt dagegen zu diesem Zeitpunkt bereits über<br />
eine eigene Wohnung.<br />
22 von insgesamt 319 Teilnehmenden haben eigene Kin<strong>der</strong> (4,7 %) und 25 sind verheiratet<br />
o<strong>der</strong> leben in einer Partnerschaft (7,8 %).<br />
4.3 Geschlecht<br />
Zwei Drittel <strong>der</strong> im Projekt aufgenommenen jMmB sind männlich (66,1 %) und ein Drittel ist<br />
(33,9 %) weiblich. Diese Werte stimmen mit <strong>der</strong> Geschlechterverteilung unter allen BBW-<br />
Absolventen/ -innen überein (vgl. Eichhorn/ Karbach 2009; Neumann et al. 2010).<br />
5<br />
Der Vergleichswert aus dem Jahr 2010 für alle BBW-Absolventen/ -innen liegt bei 61,2 % (vgl.<br />
Eichhorn/ Schwarzer 2011b).
4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund<br />
Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> Teilnehmenden besitzt mit 96,2 % eine deutsche<br />
Staatsangehörigkeit. Nur 3,8 % geben keine deutsche Nationalität an. Der Anteil an<br />
Personen mit Migrationshintergrund liegt mit 13,4 % 6 allerdings erheblich höher. Im Vergleich<br />
zur Teilnehmereingangserhebung <strong>der</strong> BAG BBW e. V. und <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung ist<br />
dieser Anteil etwas höher. In <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung wurde ein Anteil <strong>der</strong> Migranten/<br />
-innen von 10,2 % erhoben (Neumann et al. 2010). Die Teilnehmereingangserhebung <strong>der</strong><br />
BAG BBW e. V. von 2009 weist einen Anteil von 11 % bei Teilnehmenden mit<br />
Migrationshintergrund aus, die ihre Ausbildung neu angefangen haben (vgl. Seyd/ Schulz<br />
2010).<br />
4.5 Wohnort und räumliche Mobilität<br />
42,3 % <strong>der</strong> Teilnehmenden haben einen Führerschein, von diesen verfügt wie<strong>der</strong>um rund<br />
je<strong>der</strong> Fünfte (22 %) auch über ein eigenes Fahrzeug. Die große Mehrheit gibt an, Fahrten mit<br />
dem Öffentlichen Verkehrsnetz (ÖPNV) seien ihnen möglich. Nur 3,5 % sehen keine<br />
Möglichkeit zur Benutzung des ÖPNV. Dennoch sind knapp 6 % <strong>der</strong> jMmB auf einen<br />
Fahrdienst angewiesen.<br />
Rund die Hälfte (51 %) <strong>der</strong> Teilnehmenden gibt an, zu einem Wohnortwechsel bereit zu sein,<br />
davon würde rund die Hälfte auch einen Umzug in ein an<strong>der</strong>es Bundesland in Betracht<br />
ziehen.<br />
4.6 Behin<strong>der</strong>ungen<br />
Im Rahmen des Projektes war zu untersuchen, ob es sich bei den noch nicht vermittelten<br />
Projektteilnehmenden um Personen mit beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsarten handelt. Zudem<br />
sollte analysiert werden, ob es eventuell einen Einfluss <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ungsart auf die<br />
Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong> jungen Menschen gibt. Abbildung 4 verdeutlicht, dass sehr<br />
unterschiedliche Behin<strong>der</strong>ungsarten im Projekt vertreten sind. Insgesamt ein Fünftel <strong>der</strong><br />
Teilnehmenden ist mehrfach beeinträchtigt. Beson<strong>der</strong>s häufig liegt bei einem Viertel <strong>der</strong><br />
Teilnehmenden eine Körperbehin<strong>der</strong>ung vor.<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
hörbehin<strong>der</strong>t<br />
64<br />
körperbehin<strong>der</strong>t<br />
85<br />
lernbehin<strong>der</strong>t<br />
42<br />
mehrfachbehin<strong>der</strong>t<br />
66<br />
neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />
9<br />
26<br />
psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />
18<br />
Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
sprachbehin<strong>der</strong>t<br />
16<br />
sehbehin<strong>der</strong>t<br />
Abbildung 4: Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (N = 318, Stand 2011)<br />
1<br />
keine Angabe<br />
6<br />
Der bundsweite Anteil an Schulabgängern/ -innen mit Migrationshintergrund beträgt 22 % für das<br />
Jahr 2010 (vgl. BIBB 2011).<br />
0
Die Anteile an Projektteilnehmenden mit einer Sprach- und Hörbehin<strong>der</strong>ung sowie mit einer<br />
neurologischen Behin<strong>der</strong>ung liegen im Vergleich zur IW-Absolventenbefragung höher.<br />
Dagegen sind die Anteile <strong>der</strong> Personen mit einer Lernbehin<strong>der</strong>ung bzw. einer psychischen<br />
Behin<strong>der</strong>ung deutlich geringer.<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
körperbehin<strong>der</strong>t<br />
sprach-/ hörbehin<strong>der</strong>t<br />
lernbehin<strong>der</strong>t<br />
neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />
10<br />
psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />
Integration inklusive<br />
IW-<br />
Absolventenbefragung<br />
sehbehin<strong>der</strong>t<br />
Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
Abbildung 5: Behin<strong>der</strong>ungsarten im Projekt Integration inklusive und <strong>der</strong> IW-<br />
Absolventenbefragung im Vergleich (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung:<br />
N = 1450, Stand 2011)<br />
Zusätzlich wurde im Projekt Integration inklusive <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) erfasst.<br />
Abbildung 6 zeigt, dass 41 % <strong>der</strong> Teilnehmenden einen GdB von mindestens 70 haben.<br />
22,8 % <strong>der</strong> Teilnehmenden haben keinen GdB.<br />
Anteil junger Menschen<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
Integration inklusive<br />
IW-<br />
Absolventenbefragung<br />
0 10 - 30 31 - 49 50 - 69 ab 70 k. A.<br />
Festgestellter Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB)<br />
Abbildung 6: Behin<strong>der</strong>ungsgrad im Projekt Integration inklusive und <strong>der</strong> IW-<br />
Absolventenbefragung (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung: N = 1450,<br />
Stand 2011)<br />
Eine anerkannte Schwerbehin<strong>der</strong>ung liegt vor, wenn <strong>der</strong> GdB 49 % übersteigt, was bei 188<br />
Teilnehmenden <strong>der</strong> Fall ist (58,9 %). Insgesamt hat mehr als ein Viertel einen GdB von 100.<br />
In <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung liegt bei 40,8 % eine anerkannte Schwerbehin<strong>der</strong>ung vor.<br />
Damit weisen die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive einen höheren Anteil an<br />
amtlich anerkannter Schwerbehin<strong>der</strong>ung auf. Dies zeigt sich auch im Vergleich zu den
Teilnehmenden, die in ein BBW eintreten. Hier lag die Quote bei den Teilnehmenden, die<br />
ihre Ausbildung in den Jahren 2005 bis 2008 begonnen haben, zwischen 26 % und 28 %<br />
(Seyd/ Schulz 2010). Im Jahr 2009 sank dieser Anteil auf 21 %.<br />
4.7 Besuchte Schule<br />
Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben mehrheitlich eine För<strong>der</strong>schule<br />
o<strong>der</strong> die Hauptschule besucht (vgl. Abbildung 7). Die Anteile sind hier, verglichen mit <strong>der</strong> IW-<br />
Absolventenbefragung, deutlich höher.<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
50%<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
För<strong>der</strong>schule<br />
Hauptschule<br />
Realschule<br />
Gesamtschule<br />
11<br />
Gymnasium<br />
Integration inklusive<br />
IW-Absolventenbefragung<br />
Sonstige<br />
Besuchte Schulart<br />
keine Angabe<br />
Abbildung 7: Besuchte Schularten im Projekt Integration inklusive und in <strong>der</strong> IW-<br />
Absolventenbefragung (Integration inklusive: N = 319, IW-Absolventenbefragung: N = 1450,<br />
Stand 2011)<br />
4.8 Berufsfel<strong>der</strong> und Art des Ausbildungsabschlusses<br />
Die Ausbildungsberufe <strong>der</strong> Berufsbildungswerke lassen sich in insgesamt 12 Berufsfel<strong>der</strong>n<br />
zusammenfassen. Im Projekt nicht vertreten war als einziges Berufsfeld <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />
Gesundheitsberufe. Zu den 12 Berufsfel<strong>der</strong>n kommen - zusammengefasst in einer weiteren<br />
Gruppe – noch die „sonstigen Berufe“ hinzu.<br />
Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben ihre Ausbildung in 11<br />
spezifischen Berufsfel<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> sonstigen Berufen absolviert. Am stärksten sind die<br />
Berufsfel<strong>der</strong> „Wirtschaft und Verwaltung (44,8 %)“, „Metalltechnik“ (25,4 %), „Ernährung und<br />
Hauswirtschaft“ (5 %) sowie „Holztechnik“ (5 %) vertreten (vgl. Abbildung 8).
Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung<br />
Art des Ausbildungsabschlusses<br />
Abschluss nach § 66 BBiG /<br />
§ 42m HwO<br />
12<br />
Vollqualifizierter<br />
Abschluss<br />
Gesamt<br />
Wirtschaft und Verwaltung 63 80 143<br />
Metalltechnik 38 43 81<br />
Elektrotechnik 4 4 8<br />
Bautechnik 5 0 5<br />
Holztechnik 10 6 16<br />
Textiltechnik und Bekleidung 2 6 8<br />
Drucktechnik 1 8 9<br />
Farbtechnik und<br />
Raumgestaltung<br />
3 9 12<br />
Körperpflege 0 1 1<br />
Ernährung und Hauswirtschaft 15 1 16<br />
Agrarwirtschaft 10 4 14<br />
Sonstige Berufe 0 6 6<br />
Gesamt 151 168 318<br />
Tabelle 3: Teilnehmende mit verschiedenen Ausbildungsabschlüssen nach Berufsfeld<br />
Im Vergleich zur Belegung <strong>der</strong> Berufsfel<strong>der</strong> aller BBW im Jahr 2008 fällt im Projekt<br />
Integration inklusive <strong>der</strong> hohe Belegungsanteil in den Bereichen „Wirtschaft und Verwaltung“<br />
sowie „Metalltechnik“ auf. Die Vergleichszahlen liegen im Berufsfeld „Wirtschaft und<br />
Verwaltung“ bei 25,5 % und in <strong>der</strong> Metalltechnik bei 16,4 % (Eichhorn/ Karbach 2009).<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
50%<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
Berufsfeld<br />
<strong>der</strong><br />
Ausbildung<br />
143<br />
Wirtschaft und<br />
Verwaltung<br />
81<br />
Metalltechnik<br />
16<br />
Ernährung und<br />
Hauswirtschaft<br />
16<br />
Holztechnik<br />
14<br />
Agrarwirtschaft<br />
12<br />
Farbtechnik und<br />
Raumgestaltung<br />
9<br />
Drucktechnik<br />
8<br />
Elektrotechnik<br />
8<br />
Textiltechnik und<br />
Bekleidung<br />
Abbildung 8: Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung (N = 319, Stand 2011)<br />
Wie bereits in Tabelle 3 sichtbar wird, lassen sich Unterschiede zwischen den Abschlüssen<br />
nach den unterschiedlichen Ausbildungsregelungen erkennen. Etwas weniger als die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Teilnehmenden im Projekt Integration inklusive hat einen „vollqualifizierenden“ Abschluss<br />
6<br />
Sonstiges<br />
5<br />
Bautechnik<br />
1<br />
Körperpflege
(49 %) im Sinne von § 5 BBiG/ § 25 HwO. Der Anteil <strong>der</strong> Ausbildungsabschlüsse nach § 66<br />
BBiG bzw. § 42m HwO beträgt 51 %. Nach <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> BAG BBW e. V. haben 2008 in<br />
allen BBW 54,4 % eine Ausbildung nach § 66 BBiG bzw. § 42 m HwO abgeschlossen (vgl.<br />
Eichhorn/ Karbach 2009). Damit ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Teilnehmenden mit einem<br />
„vollqualifizierenden“ Abschluss im Projekt Integration inklusive geringfügig höher.<br />
4.9 Sozialkompetenzen<br />
Wegen <strong>der</strong> begrenzten Ressourcen im Projekt konnten Sozialkompetenzen als „weiche“<br />
Faktoren nur im Ansatz erhoben werden. Hierbei war man auf Angaben Dritter (Arbeitgeber/<br />
-innen, Fachkräfte in den BBW) sowie auf Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
angewiesen.<br />
Bei einer Unternehmensbefragung sollten die Betriebe die soft skills ihrer im Zuge des<br />
Projektes eingestellten Mitarbeitenden einschätzen. Die 49 befragten Arbeitgeber/ -innen<br />
äußern sich recht zufrieden über die Fähigkeiten <strong>der</strong> jungen Menschen. Die Bewertungen<br />
sind durchweg positiv, sehr schlechte Beurteilungen wurden kaum abgegeben.<br />
Zusätzlich wurden mit einer Teilstichprobe <strong>der</strong> Projektteilnehmenden leitfadengestützte<br />
Telefoninterviews geführt. Daraus lassen sich wichtige Informationen aus <strong>der</strong> Perspektive<br />
<strong>der</strong> Teilnehmenden gewinnen, z. B. welche Sozialkompetenzen sie als relevant für die<br />
Berufstätigkeit halten. An erster Stelle steht dabei die Eigeninitiative.<br />
4.10 Zusammenfassung<br />
Die im Projekt erfassten sozio-demografischen Angaben zeigen im Vergleich zu an<strong>der</strong>en<br />
Daten, dass es sich bei den Projektteilnehmenden um einen Personenkreis handelt, <strong>der</strong><br />
mehr Unterstützung beim Übergang <strong>der</strong> zweiten Schwelle benötigt als an<strong>der</strong>e junge<br />
Menschen. Darauf weisen z.B. das höhere Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden, <strong>der</strong> etwas<br />
größere Anteil an Migranten/ -innen und <strong>der</strong> höhere Anteil an amtlich anerkannten<br />
Schwerbehin<strong>der</strong>ten, insbeson<strong>der</strong>e ab einem GdB > 70 hin.<br />
Weitere Einflussfaktoren für eine sechs Monate nach Ausbildungsabschluss noch nicht<br />
erfolgte unmittelbare Integration könnten die Behin<strong>der</strong>ungsart und die Wahl des Berufsfeldes<br />
sein. Bei den Projektteilnehmenden liegt vor allem ein höherer Anteil an Hör-, Sprach- und<br />
neurologischen Behin<strong>der</strong>ungen vor. Dass es für Absolventen/ -innen mit einer Seh-, Sprach-<br />
o<strong>der</strong> Hörbehin<strong>der</strong>ung tendenziell schwerer ist, unmittelbar nach Verlassen eine<br />
Beschäftigung zu finden, bestätigt die IW-Absolventenbefragung (Neumann et al., 2010). Die<br />
Studie zeigt auch, dass die Chancen einer unmittelbaren Arbeitsmarktintegration nach einer<br />
BBW-Ausbildung im Berufsfeld „Wirtschaft und Verwaltung“ am ungünstigsten sind<br />
(Neumann et al., 2010). Dies könnte den hohen Anteil von 44,8 % <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />
dieses Berufsfeldes im Projekt Integration inklusive erklären.<br />
Der Übergang in das Erwerbssystem nach einer erfolgreichen Ausbildung (zweite Schwelle)<br />
ist für alle Absolventen/ -innen eines BBW eine anspruchsvolle Herausfor<strong>der</strong>ung: dies um so<br />
mehr, da sie als junge Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auf ein Beschäftigungssystem stoßen,<br />
dass in großen Teilen nicht inklusiv ist.<br />
Mit <strong>der</strong> freiwilligen Beteiligung am Projekt haben die jMmB jedoch eine starke<br />
Eigenmotivation zum Ausdruck gebracht, trotz einer oftmals frustrierenden Phase <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung zu finden und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu<br />
stellen.<br />
13
5 Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong><br />
Integrationsprozesse<br />
Als das Projekt „Integration inklusive“ im Frühjahr 2009 in sechs Regionen seine Arbeit<br />
aufnahm, hatte die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise auch Deutschland erreicht.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e die exportabhängige Industrie musste Auftrags- und Umsatzeinbußen<br />
hinnehmen, so dass die Zahl offener Stellen vorübergehend sank, auch wenn über<br />
Kurzarbeit zahlreiche Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Insgesamt ergab sich so<br />
keine günstige Situation für den Berufseinstieg junger Fachkräfte. Die Auswirkungen <strong>der</strong><br />
Krise werden z.B. an <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Durchschnittswerte <strong>der</strong> Integrationen aller BBW-<br />
Absolventen/ -innen deutlich. Während in den Jahren 2008 und 2009 ihre Erwerbsquote<br />
jeweils über 60 % lag, sank diese im Jahr 2010 unter diesen Wert (vgl. Eichhorn/ Schwarzer<br />
2011a).<br />
Die Neueinstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wird jedoch neben den Auswirkungen<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftskrise am Arbeitsmarkt zunehmend auch vom demografischen Wandel<br />
beeinflusst. Die Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW Studie) zur Beschäftigung<br />
schwerbehin<strong>der</strong>ter Menschen am ersten Arbeitsmarkt (Fietz et al. 2011) zeigt, dass <strong>der</strong><br />
demografische Wandel neue Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Integration dieses Personenkreises<br />
mit sich bringt. Der Berufseinstieg wird dadurch erschwert, dass die Personalplanung von<br />
Unternehmen sich häufig auf den Arbeitsplatzerhalt für bereits beschäftigte<br />
schwerbehin<strong>der</strong>te sowie leistungsgewandelte Arbeitnehmer/innen konzentriert.<br />
Infolgedessen kommen kleinere Betriebe – unabhängig vom Wirtschaftszweig – für<br />
Neueinstellungen schwerbehin<strong>der</strong>ter Arbeitsuchen<strong>der</strong> immer weniger in Frage (vgl. Fietz et<br />
al. 2011).<br />
Im Folgenden werden die regionalen Rahmenbedingungen, unter denen das Projekt<br />
aufgebaut wurde, sowie die lokalen Umsetzungsvarianten differenziert dargestellt. Hierzu<br />
zählen die am Projekt beteiligten sechs Berufsbildungswerke und die kooperierenden<br />
Wirtschaftsverbände als Akteure sowie <strong>der</strong>en Netzwerkarbeit in den regionalen<br />
Arbeitsmärkten.<br />
An dieser Stelle soll zunächst auf ein strukturelles Defizit im Hinblick auf die Betreuung <strong>der</strong><br />
BBW-Absolventen/ -innen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung hingewiesen werden. Die<br />
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit sind eine genaue Ortskenntnis und<br />
gute Kontakte zur regionalen Wirtschaft. Dies ist beson<strong>der</strong>s bei räumlicher Nähe aller<br />
Beteiligten – BBW, Absolventen/ -innen, Unternehmen – möglich. Die Auszubildenden <strong>der</strong><br />
BBW stammen jedoch häufig aus weit entfernten Regionen und kehren nach Abschluss ihrer<br />
Ausbildung an ihren Heimatort zurück. Die unterstützenden Fachkräfte in den BBW müssen<br />
daher über große Distanzen hinweg zu den Absolventen/ -innen Kontakt halten. Darüber<br />
hinaus müssen die Ausbildungs-BBW die jMmB in regionale Arbeitsmärkte integrieren, zu<br />
denen sie kaum Zugang haben.<br />
5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen<br />
Mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern<br />
waren sechs sehr unterschiedliche Bundeslän<strong>der</strong> im Projekt vertreten. Für eine gezielte<br />
Auswertung <strong>der</strong> regionalen Situation wurde <strong>der</strong> jeweilige Kreis bzw. die Kommune<br />
betrachtet, in <strong>der</strong> sich das einzelne BBW befindet. Um mit den vorhandenen statistischen<br />
Angaben möglichst genaue Aussagen treffen zu können, wurde parallel auf die jeweils<br />
zuständigen Agenturbezirke zurückgegriffen (<strong>der</strong> Bezirk Freie Hansestadt Hamburg für das<br />
BBW Hamburg, <strong>der</strong> Bezirk Nordfriesland für das BBW Husum, <strong>der</strong> Bezirk Stadt Leipzig für<br />
14
das BBW Leipzig, <strong>der</strong> Bezirk Neuwied für das BBW Neuwied, <strong>der</strong> Bezirk Stadt Potsdam für<br />
das BBW Potsdam und <strong>der</strong> Bezirk Nürnberger Land für das BBW Rummelsberg). Hieraus<br />
ergab sich ein differenziertes Bild:<br />
Die Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschafts- und Finanzkrise hatten im Jahr des Projektbeginns<br />
(2009) überall steigende Arbeitslosenquoten zur Folge. Insgesamt zeigte sich <strong>der</strong><br />
Arbeitsmarkt jedoch uneinheitlich. Beson<strong>der</strong>s betroffen waren in allen sechs Projektregionen<br />
stark konjunkturabhängige Branchen, wie z.B. die fertigenden Berufe. Es gab allerdings auch<br />
Branchen, die von <strong>der</strong> Krise nicht tangiert wurden. Dazu gehören – ebenfalls unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Region – in beson<strong>der</strong>em Maße die Gesundheits- und Pflegeberufe wie auch<br />
gleichermaßen die Sozial- und Erziehungsberufe 7 . Als weitgehend robust gegenüber <strong>der</strong><br />
Wirtschaftskrise zeigten sich ferner spezialisierte Mechaniker- und<br />
Datenverarbeitungsberufe.<br />
Ausbildungen aus dem Bereich Wirtschaft und Verwaltung sind – mit Ausnahme <strong>der</strong> großen<br />
Dienstleistungszentren wie z.B. Hamburg – weniger stark an die Region gebunden, son<strong>der</strong>n<br />
überregional verteilt. Im Gastronomie- und Hotelbereich hingegen zeigt sich eine stärkere<br />
regionale Verortung.<br />
In den Regionen um die BBW Nürnberg und Neuwied, die beson<strong>der</strong>s durch technische,<br />
Fertigungs- und Bauberufe geprägt sind, mussten die krisenbedingten Einbrüche zusätzlich<br />
zu jahreszeitlichen Schwankungen hingenommen werden. So waren z.B. beson<strong>der</strong>s<br />
Zulieferbetriebe <strong>der</strong> Maschinenbau- und Automobilindustrie stark von <strong>der</strong> Krise betroffen. In<br />
Husum ist <strong>der</strong> Arbeitsmarkt stark vom Hotel- und Gastgewerbe sowie <strong>der</strong> Gastronomie<br />
geprägt, was sich merklich in <strong>der</strong> regionalen Arbeitsmarktsituation nie<strong>der</strong>schlägt.<br />
Nach dem bundesweiten Einbruch am Arbeitsmarkt Anfang 2010 stabilisierten sich die<br />
Beschäftigungsquoten bereits gegen Ende des Jahres wie<strong>der</strong>. So betrugen im Januar 2009<br />
die Arbeitslosenquoten in Hamburg 8,5 %, in Nordfriesland 9,2 %, in <strong>der</strong> Stadt Leipzig<br />
15,7 %, in Neuwied 6,7 %, in <strong>der</strong> Stadt Potsdam 9,1 % und im Nürnberger Land 3,8 % (vgl.<br />
Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2009). Nach dem Anstieg im<br />
Januar 2010, <strong>der</strong> sich vor allem in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n bemerkbar machte, sanken im<br />
Dezember 2010 in allen sechs Regionen die Arbeitslosenquoten. Den stärksten Rückgang<br />
meldeten dabei Potsdam mit 1,4 % und Leipzig mit 2,8 % (vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />
für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2010).<br />
7 Entsprechende Berufe werden in BBW nicht ausgebildet.<br />
15
5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen<br />
Bei <strong>der</strong> Auswahl und Konzeption <strong>der</strong> regionalen Netzwerke wurde von Seiten <strong>der</strong> BAG BBW<br />
e. V. darauf geachtet, dass sich in den Modellregionen ein breites Spektrum<br />
unterschiedlicher Strukturmerkmale wi<strong>der</strong>spiegelt (städtischer bzw. ländlicher Raum, neue<br />
und alte Bundeslän<strong>der</strong>, Behin<strong>der</strong>ungsarten, Berufsbil<strong>der</strong> usw.).<br />
Mit dem BVMW-Bundesverband sowie den Regionalverbänden des BVMW wurden für das<br />
Projekt kompetente Partner gefunden, welche über gute Kontakte zu Unternehmen verfügen.<br />
Vor Ort kooperierten die BBW und die Unternehmensverbände in unterschiedlicher Art und<br />
Weise und erarbeiteten netzwerkbildende Strukturen, die im Folgenden kurz dargestellt<br />
werden.<br />
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es in vier von sechs Regionen mit dem<br />
Projektbeginn im Frühjahr 2009 nicht sofort gelang, auf Seiten <strong>der</strong> Wirtschaft einen<br />
konzeptionell geeigneten Partner zu gewinnen. In <strong>der</strong> konkreten Umsetzung des<br />
Kooperationsnetzwerkes zwischen BBW und Wirtschaftsverband zeigte sich ferner, dass für<br />
ehrenamtlich arbeitende Verbände die Einstellung von hauptamtlichem Personal eine nicht<br />
zu unterschätzende Herausfor<strong>der</strong>ung darstellt. Dieser Faktor kann eine kontinuierliche<br />
partnerschaftliche Zusammenarbeit sowohl innerhalb des Verbandes wie auch mit<br />
hauptamtlichen Netzwerkpartnern erschweren.<br />
5.3 Profil <strong>der</strong> BBW (allgemein)<br />
Die teilnehmenden BBW verfügen als spezielle Einrichtungen <strong>der</strong> Rehabilitation über ein<br />
beson<strong>der</strong>es Profil, was sich im Spektrum <strong>der</strong> Berufe, die für Art und Schwere <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ungen in Betracht kommen, nie<strong>der</strong>schlägt. Pro BBW werden zwischen 20 und 50<br />
unterschiedliche, staatlich anerkannte Berufe zur Ausbildung angeboten. Hierzu zählen auch<br />
Berufsabschlüsse nach § 66 BBiG/ § 42 m HwO.<br />
Im gesamten Spektrum sind nahezu alle Berufsfel<strong>der</strong> wie Agrarwirtschaft, Bautechnik, Farb-<br />
und Raumgestaltung, Metalltechnik, Holztechnik, Drucktechnik, Elektrotechnik, Textiltechnik<br />
und Bekleidung, Ernährung und Hauswirtschaft, Gesundheit, Körperpflege bis zu Wirtschaft<br />
und Verwaltung vertreten. Nähere Angaben hierzu können Tabelle 4 (siehe nächste Seite)<br />
entnommen werden.<br />
16
BBW Hamburg Husum Leipzig Neuwied Potsdam<br />
Rummelsberg<br />
Bundesland Hamburg Schleswig-<br />
Holstein<br />
Sachsen Rheinland<br />
Arbeitslosenquote<br />
-Pfalz<br />
Brandenburg<br />
Bayern<br />
September 2010 in %<br />
(Bundesland)<br />
7,8 6,9 10,8 5,3 10,0 4,0<br />
Arbeitslosenquote<br />
September 2010 in %<br />
(Region)<br />
7,8<br />
(Hamburg)<br />
Profil des BBW nach Behin<strong>der</strong>ungsarten:<br />
6,1<br />
(Nordfriesland)<br />
17<br />
13,6<br />
(Leipzig)<br />
5,8<br />
(Neuwied)<br />
8,1<br />
(Potsdam)<br />
Lernbehin<strong>der</strong>ung x x x x x<br />
Körperbehin<strong>der</strong>ung<br />
Sinnesbehin<strong>der</strong>ung<br />
x x x x x<br />
(Hör-/ Sprach-/<br />
Sehbehin<strong>der</strong>ung)<br />
Psychische/<br />
x x x x x<br />
neurologische<br />
Beeinträchtigung<br />
x x<br />
Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung x x<br />
Ausbildungsberufsfel<strong>der</strong> in den BBW:<br />
Wirtschaft und<br />
Verwaltung<br />
x x x x x x<br />
Metalltechnik x x x x x x<br />
Elektrotechnik x x x<br />
Bautechnik x<br />
Holztechnik x x x x x<br />
Drucktechnik x x<br />
Farb- und<br />
Raumgestaltung<br />
x x x<br />
Textiltechnik und<br />
Bekleidung<br />
Gesundheit und<br />
Körperpflege<br />
x<br />
x x<br />
Ernährung und<br />
Hauswirtschaft<br />
x x x x x<br />
Agrarwirtschaft x x x x x<br />
Sonstiges x x x x x<br />
Anzahl <strong>der</strong> im BBW<br />
angebotenen Berufe<br />
21 50 33 34 30 29<br />
Auszubildende (Stand<br />
370 366 313 374 502 269<br />
Okt. 2010)<br />
Projektteilnehmende 41 49 66 43 55 65<br />
hiervon vermittelt 26 13 35 8 20 32<br />
Tabelle 4: Überblick zum Profil <strong>der</strong> BBW<br />
3,1<br />
(Nürnberger<br />
Land)
Als weitere Angebote <strong>der</strong> BBW-Träger stehen spezielle Berufsvorbereitende<br />
Bildungsmaßnahmen (BvB Reha) sowie Eignungsabklärungen (EA) und Arbeitserprobungen<br />
(AP) vor Ort zur Verfügung.<br />
Im BBW befinden sich unter einem Dach die berufspraktischen Ausbildungsstätten, ein<br />
Internat sowie rehabilitationsspezifische Fachabteilungen. Um die Ausbildung kompetenter<br />
Fachkräfte zu gewährleisten, verfügen alle BBW über eigene o<strong>der</strong> angeglie<strong>der</strong>te<br />
Berufsschulen 8 . Vielfältige Freizeit- und Sporteinrichtungen ergänzen das gemeinsame<br />
Leben und Lernen im Berufsbildungswerk.<br />
Die jMmB kommen - je nach Profil - aus den angrenzenden Bundeslän<strong>der</strong>n und wohnen<br />
während <strong>der</strong> Ausbildung meist im BBW. Unterschiedliche Wohnformen in<br />
Außenwohngruppen und im Internat sind möglich. Insbeson<strong>der</strong>e in städtischen<br />
Ballungsräumen gibt es neben <strong>der</strong> stationären Form auch eine Vielzahl von Auszubildenden<br />
als Tagespendler/ -in.<br />
Die jungen Menschen werden bei <strong>der</strong> Entwicklung ihrer Persönlichkeit im BBW umfassend<br />
unterstützt. Ein Team von Ausbildenden, Lehrenden, Ärzten/ -innen, Therapeuten/ -innen<br />
und Sozialpädagogen/ -innen berät sie umfassend und hilft ihnen je<strong>der</strong>zeit. Ziele und<br />
För<strong>der</strong>schritte werden im BBW individuell mit jedem erarbeitet und geplant. Die<br />
För<strong>der</strong>strategien sind auf die Belange und Kompetenzen <strong>der</strong> jungen Menschen sowie auf die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen des Arbeitsmarktes abgestimmt.<br />
Die praktische Ausbildung erfolgt in kleinen Gruppen durch pädagogisch geschulte<br />
Ausbildende und richtet sich nach dem individuellen Leistungsvermögen <strong>der</strong> jungen<br />
Menschen. Sie wird betriebsnah durchgeführt und umfasst ab dem ersten Ausbildungsjahr<br />
mehrwöchige Praktika in Betrieben. Bei den Praktika im letzten Ausbildungsjahr steht <strong>der</strong><br />
Aspekt einer anschließenden Vermittlung bereits im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Die BBW folgen dabei dem Ansatz, dass die Integrationsarbeit bereits mit dem Tag <strong>der</strong><br />
Aufnahme ins BBW beginnt. Richtschnur für die spätere Integration und Teilhabe bildet eine<br />
klare Orientierung an den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitswelt. So steht bei <strong>der</strong> Ansprache von<br />
Unternehmen nicht das BBW o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ungsspezifische Fragen im Vor<strong>der</strong>grund,<br />
son<strong>der</strong>n konkrete betriebliche Aufgabenstellungen. Davon ausgehend wird anschließend<br />
untersucht, welche dieser betrieblichen Aufgaben jMmB übernehmen können.<br />
In allen BBW gibt es Bereiche <strong>der</strong> Ausbildung, die an produktionsorientierten Lernorten<br />
stattfinden. Diese arbeiten wie Unternehmen <strong>der</strong> Privatwirtschaft, so dass reale<br />
Wertschöpfungsprozesse einschließlich <strong>der</strong> Kunden-/Auftraggeber-Beziehungen gegeben<br />
sind 9 . Beson<strong>der</strong>e Merkmale <strong>der</strong> Arbeit in den BBW sind die konsequente betriebliche<br />
Orientierung sowie die handlungsorientierte Verknüpfung von Ausbildungs- und Lehrplänen<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Lernorte. Eine beson<strong>der</strong>s innovative Ausgestaltung dieses Ansatzes<br />
findet sich im „Leipziger Modell“ zur Berufswegplanung von jMmB 10 .<br />
8<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Inklusion werden in den BBW-eigenen Berufsschulen auch zunehmend externe<br />
Schüler/ -innen aufgenommen.<br />
9<br />
Eine Auswahl solcher Bereiche sind: Industriemontage, Druckerei, Restaurant, Reisebüro-Filiale,<br />
Orthopädietechnikwerkstatt, Fahrradwerkstatt, Hotel, Kantine, Catering-Service, Friseursalon,<br />
Wäscherei sowie Dienstleistungen rund um Haus und Garten.<br />
10<br />
Dieses Modell des BBW Leipzig wendet sich zwar speziell an junge Menschen mit Sprach- und<br />
Hörbehin<strong>der</strong>ung; von den in Leipzig gemachten Erfahrungen mit <strong>der</strong> Berufswegeplanung konnten im<br />
Projekt jedoch alle BBW profitieren.<br />
18
Zur Unterstützung <strong>der</strong> Integration werden rechtzeitig vor Ausbildungsende alle sozialen<br />
Netzwerke <strong>der</strong> jMmB aktiviert und Informationsveranstaltungen bzw. Elterntage für Azubis<br />
mit ihren Bezugspersonen durchgeführt 11 .<br />
Die Integrationsarbeit in den BBW wird durch feste Ansprechpartner im BBW gesteuert und<br />
umgesetzt. Hierbei kommt vor allem das Konzept des Case-Management zum Tragen 12 . In<br />
den Gesprächen mit den (künftigen) Absolventen/ -innen wird auch die Suche nach<br />
möglichen Alternativen zu einer Tätigkeit im Ausbildungsberuf thematisiert und über die<br />
unterschiedlichen Beschäftigungsmodelle wie z. B. Zeitarbeit, saisonale Beschäftigung o<strong>der</strong><br />
Teilzeitbeschäftigung informiert. Ebenso erfolgt eine Beratung, welche zusätzlichen<br />
Qualifikationen für eine Integration sinnvoll sein könnten 13 .<br />
Zu einem professionellen Bewerbungstraining gehört in allen BBW auch das Einüben von<br />
Bewerbungssituationen, sei es telefonisch o<strong>der</strong> persönlich. Dies erfolgt teilweise mit<br />
externen Personalverantwortlichen (als Gegenüber <strong>der</strong> jMmB) und/o<strong>der</strong> Videounterstützung.<br />
Alle BBW verfolgen darüber hinaus das Ziel, die Teilnehmenden über das Ausbildungsende<br />
hinaus für sechs Monate (und auf freiwilliger Basis bis zu insgesamt einem Jahr) bis zur<br />
erfolgreichen Integration in Arbeit zu betreuen. Für die Aufgaben des<br />
Absolventenmanagements stehen beson<strong>der</strong>e Fachkräfte bzw. Abteilungen in den BBW zur<br />
Verfügung und es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Agenturen für Arbeit.<br />
Darüber hinaus beteiligen sich vier von den sechs BBW parallel am<br />
Integrationsprämienmodell 14 .<br />
Gute Kontakte bestehen von Seiten aller BBW zu den Prüfungsausschüssen <strong>der</strong> Kammern.<br />
Zahlreiche Lehrkräfte <strong>der</strong> BBW sind selbst Mitglied in den Prüfungsausschüssen <strong>der</strong><br />
Kammern. Diese auf Dauer angelegte Kooperation trägt zur Einbindung <strong>der</strong> BBW in die<br />
regionalen Wirtschaftsnetzwerke bei.<br />
5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs<br />
Regionen<br />
Hamburg<br />
Die Auszubildenden im BBW Hamburg sind zumeist Jugendliche mit Lernbehin<strong>der</strong>ungen<br />
(70 %), aber auch solche mit Sinnes- o<strong>der</strong> Körperbehin<strong>der</strong>ungen und zunehmend auch mit<br />
psychischen Behin<strong>der</strong>ungen. Insgesamt befinden sich regelmäßig ca. 500 Teilnehmende in<br />
den verschiedenen Qualifizierungen, davon ca. 420 in <strong>der</strong> Erstausbildung und 80 in<br />
Berufsvorbereitung (BvB), Arbeitserprobung o<strong>der</strong> Berufsfindung.<br />
Jährlich verlassen etwa 120 erfolgreiche Ausbildungsabsolventen/ -innen das BBW. Im Jahr<br />
2008 waren 46,6 % <strong>der</strong> Absolventen/ -innen des Abschlussjahrgangs erwerbstätig.<br />
Durch das Projekt entwickelte sich in Hamburg eine neue Zusammenarbeit des BBW mit<br />
dem Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (Regionalverband Hamburg). Der BVMW<br />
11 Das BBW Rummelsberg nutzt hierbei als ein wichtiges Instrument eine „Soziale Netzwerkkarte“, die<br />
alle Kontakte aus früheren Praktika, Familie und Freundeskreis mit hilfreichen Kontakten sowie die<br />
beruflichen Fakten wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
12 Die Bezeichnungen <strong>der</strong> Funktionsstellen weichen lokal voneinan<strong>der</strong> ab; gebräuchlich sind<br />
Bezeichnungen wie Bildungsbegleiter/ -in, Integrationskraft, JobCoach, Vermittlungscoach usw.<br />
13 So wird in einigen BBW zur Zeit beraten, im hauswirtschaftlichen Bereich z.B. den Pflegepass<br />
(200 h) obligatorisch als Zusatzqualifikation mit anzubieten.<br />
14 Von den am Projekt beteiligten BBW machen hiervon die BBW in Rummelsberg, Neuwied,<br />
Hamburg und Husum bereits Gebrauch. Integrationsprämien wirken sich in diesem Modell finanziell<br />
aus, wenn die bisherige Integrationsquote <strong>der</strong> BBW überschritten wird und <strong>der</strong> zusätzliche<br />
Verwaltungsaufwand refinanziert ist.<br />
19
Hamburg betreute ca. 60 Mitgliedsfirmen, die durch die Projektmitarbeitende auf das Projekt<br />
aufmerksam gemacht wurden.<br />
Im Verlauf des Projektes stellte sich allerdings heraus, dass das Profil <strong>der</strong> BBW-<br />
Absolventen/ -innen nur unzureichend zu <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Mitgliedsfirmen des<br />
Unternehmensverbandes passte. Die Hamburger BVMW-Mitgliedsunternehmen sind häufig<br />
im Dienstleistungssektor angesiedelte Kleinstunternehmen mit geringen<br />
Beschäftigungschancen. Viele <strong>der</strong> Absolventen/ -innen des BBW Hamburg schlossen<br />
dagegen ihre Ausbildung in an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n ab. Hierbei dominierten beson<strong>der</strong>s die<br />
Bereiche Metall- und Holztechnik. Aus diesem Grunde wurden von <strong>der</strong> Projektmitarbeitenden<br />
des BVMW verstärkt auch Firmen außerhalb des Verbands angesprochen.<br />
In Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit fand eine Veranstaltung mit allen sechs Hamburger<br />
Regionalgeschäftsführern des BVMW statt, auf <strong>der</strong> diese eingehend über das Projekt und<br />
dessen Zielsetzungen informiert wurden. Daraus wurde eine Präsentation des Projektes auf<br />
<strong>der</strong> Internetseite des regionalen Unternehmensverbandes entwickelt.<br />
Seit Jahren wird im BBW Hamburg für die Absolventen/ -innen <strong>der</strong> letzten Jahrgänge im<br />
Frühjahr eine Zeitarbeitsmesse durchgeführt. Dort, wie auch bei an<strong>der</strong>en regionalen<br />
Praktikums- und Jobbörsen, führten die jMmB Gespräche mit den für sie interessanten<br />
Firmen, um sich nach offenen Stellen sowie nach Ansprechpartnern im Personalbereich zu<br />
erkundigen. Hierbei wurden sie von den Integrationsmitarbeitenden des BVMW sowie des<br />
BBW unterstützt.<br />
Der Projektverlauf in Hamburg zeigte, dass bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit eines BBW mit einem<br />
Unternehmensverband das Profil des Verbandes ausreichend beachtet werden sollte. Auch<br />
die internen Strukturen eines solchen Verbandes müssen Beachtung finden. So ist es üblich,<br />
dass regionale Geschäftsführer eines Verbandes sich intensiv um die Mitgliedsfirmen in ihrer<br />
Region kümmern, während sie nur wenig Kontakt zu Mitglie<strong>der</strong>n außerhalb dieser Region<br />
haben.<br />
Husum<br />
Das Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk in Husum bildet Asthmatiker/ -innen, Allergiker/ -<br />
innen und junge Menschen mit Einschränkungen beim Lernen und körperlichen<br />
Behin<strong>der</strong>ungen sowie Hörschädigungen aus.<br />
Eine BBW-interne Abteilung von Integrationsberatern/ -innen unterstützt die jungen<br />
Menschen bei <strong>der</strong> Arbeitssuche und bietet auch Arbeitgebern/ -innen umfassende Beratung<br />
und Unterstützung. Die Integrationsquote ein Jahr nach Ausbildungsabschluss lag im Jahr<br />
2008 bei 45,7 %.<br />
Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> unterschiedlichen strukturellen Ausgangsbedingungen<br />
(hauptamtliche Organisation auf Seiten des BBW und ehrenamtliche Arbeit beim<br />
Unternehmensverband Westküste) gab es zunächst Anlaufschwierigkeiten, die jedoch im<br />
Dezember 2009 überwunden werden konnten.<br />
Der Erstkontakt zu den Betrieben in <strong>der</strong> Region wurde direkt durch die Geschäftsleitung des<br />
Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste e. V. getätigt. Anschließende<br />
Betriebsbesuche wurden von den Integrationsmitarbeitenden des BBW zusammen mit dem<br />
Unternehmensverband durchgeführt. Den Betrieben wurden die Aufgaben eines BBW sowie<br />
dessen Personaldienstleistungen (Vermittlung, Beratungs- und För<strong>der</strong>möglichkeiten,<br />
behin<strong>der</strong>tengerechte Ausstattung von Arbeitsplätzen, etc.) vorgestellt. Gemeinsam wurden<br />
Unternehmen zu ihren jeweiligen Bedarfen befragt. Die Gespräche zeigten, dass in den<br />
meisten Betrieben die Pflichtquote nicht erfüllt wurde. Die Unternehmen begrüßten die<br />
20
Bereitstellung von Praktikumsstellen als Möglichkeit, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung näher<br />
kennen zu lernen.<br />
Da sich zeigte, dass Wissensdefizite <strong>der</strong> Betriebe die Beschäftigungsmöglichkeit von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung erschweren, spielte die Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle für<br />
die beiden Teilprojektpartner. Um dem entgegenzuwirken, wurde das Projekt auf<br />
verschiedenen Veranstaltungen sowie durch Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und im<br />
Radio vorgestellt. In Kooperation zwischen dem BBW, dem Unternehmensverband und den<br />
lokalen Agenturen für Arbeit entstand <strong>der</strong> „Ratgeber für Arbeitgeber/ -innen in Schleswig-<br />
Holstein“. In dieser Broschüre werden in prägnanter Form die Hilfen bei <strong>der</strong> Einstellung von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die Arbeitsplatzausstattung für Schwerbehin<strong>der</strong>te, Hilfen im<br />
Arbeitsleben und die Ansprechpartner bei Fragen von Arbeitgebern/ -innen zu diesen<br />
Themen erläutert.<br />
Leipzig<br />
Das Berufsbildungswerk Leipzig ist auf Menschen mit Hör- und Sprachbehin<strong>der</strong>ung<br />
spezialisiert. In den Maßnahmen <strong>der</strong> Berufsvorbereitung und <strong>der</strong> Ausbildung befinden sich<br />
ca. 480 hör- und sprachgeschädigte junge Menschen. Jedes Jahr legen durchschnittlich 110<br />
Auszubildende ihre Prüfung ab. Für das Jahr 2008 beträgt die Integrationsquote des BBW<br />
Leipzig 55,5 % (in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ein Jahr nach<br />
Abschluss).<br />
Die Zusammenarbeit zwischen dem BBW Leipzig und <strong>der</strong> L2 – agentur für taten verläuft<br />
schon seit einigen Jahren sehr konstruktiv und erfolgreich. Es gibt ein gemeinsames Büro im<br />
BBW, in dem auch eine gemeinsame Software zur Personalvermittlung genutzt wird. Das<br />
Vermittlungskonzept <strong>der</strong> L2, das im Wesentlichen aus den Bereichen Profiling, Coaching,<br />
Workshops und Vermittlung besteht, wird auf alle Teilnehmenden aus dem BBW<br />
angewendet. Zur weiteren Professionalisierung wird ein geson<strong>der</strong>ter Gebärdensprachkurs<br />
für Mitarbeitende <strong>der</strong> L2 organisiert.<br />
Die BBW-Mitarbeitenden sind in den Stellenverteiler des Unternehmensverbandes<br />
aufgenommen. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden des<br />
Unternehmensverbandes und den Mitarbeitenden des BBW gestärkt und vereinfacht.<br />
Das gemeinsame Planen und Durchführen von Veranstaltungen (z. B. Bewerber-Frühstücke)<br />
und Gesprächen verschiedenster Art bildet einen wesentlichen Kern <strong>der</strong> Vermittlungsarbeit.<br />
Bei <strong>der</strong> Ansprache <strong>der</strong> Unternehmen stellen die Kooperationspartner nicht das Projekt in den<br />
Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n die Bewerbern/ -innen. Es ist üblich, dass Mitarbeitende aus <strong>der</strong> L2<br />
potenzielle Arbeitgeber/ -innen ansprechen, zu denen sie sehr gute Beziehungen haben, um<br />
sie für die Einstellung eines Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung zu gewinnen. Die Mitarbeitenden<br />
des BBW kommen bei Bedarf beratend hinzu. Die Rückmeldungen <strong>der</strong> Unternehmen sind<br />
überwiegend positiv. Erfahrungen des BBW Leipzig weisen darauf hin, dass es im<br />
handwerklichen Bereich wichtiger ist, junge und fachliche gut ausgebildete Bewerbende zu<br />
haben, als dass ihre Behin<strong>der</strong>ung eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt.<br />
Neuwied<br />
Das Berufsbildungswerk Heinrich-Haus bietet jungen Menschen mit (schweren)<br />
Körperbehin<strong>der</strong>ungen, Hör- und Sprachbehin<strong>der</strong>ungen, Lernbehin<strong>der</strong>ungen und im Einzelfall<br />
mit psychischen Behin<strong>der</strong>ungen ein spezialisiertes Rehabilitationsprogramm.<br />
Jährlich nutzen ca. 400 Teilnehmende die Qualifikationsangebote. Die berufsbildenden<br />
Maßnahmen an den unterschiedlichen Standorten des Berufsbildungswerkes werden zum<br />
Teil auch in Kooperation mit regionalen Unternehmen betrieblich durchgeführt.<br />
21
Durchschnittlich 110 Auszubildende absolvieren pro Jahr ihre Abschlussprüfung. Für den<br />
Abgangsjahrgang 2008 lag ein Jahr nach Ausbildungsende die Integrationsquote <strong>der</strong><br />
Absolventen/ -innen bei 43,6 % (sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse).<br />
Beson<strong>der</strong>e Merkmale des BBW Neuwied sind neben produktionsorientierten Lernorten in<br />
einer Vielzahl von Ausbildungsgängen 15 die verzahnte kaufmännische Ausbildung, das<br />
Angebot zum Führerscheinerwerb in <strong>der</strong> hauseigenen Fahrschule sowie das Konzept des<br />
festen Bewerbercoaches und (Nach-)Betreuers für jeden Teilnehmenden.<br />
Das BBW Neuwied ist Mitglied in <strong>der</strong> Initiative Mittelrhein sowie beim Bundesverband<br />
mittelständische Wirtschaft (BVMW Region Mittelrhein), dem kooperierenden<br />
Unternehmensverband während <strong>der</strong> Projektlaufzeit.<br />
Im Zuge des Projektes richtet sich die Unternehmenskommunikation neben zukünftigen<br />
Auszubildenden verstärkt auch an den Interessenten aus <strong>der</strong> Wirtschaft. Der BVMW<br />
Mittelrhein und die Initiative Mittelrhein gestalteten gemeinsam mit dem BBW<br />
öffentlichkeitswirksame und integrationsför<strong>der</strong>nde Aktivitäten. Deren Zusammenarbeit wird<br />
auch über die Projektlaufzeit hinaus fortgesetzt. Bei einer Anfang des Jahres 2011 im BBW<br />
stattfindenden Veranstaltung wurde eine gemeinsame Veranstaltungsreihe vereinbart.<br />
Potsdam<br />
Das Berufsbildungswerk im Oberlinhaus bildet junge Menschen mit Lern-, Körper-,<br />
psychischen, Sinnes- und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung aus. Der überwiegende Teil <strong>der</strong><br />
Auszubildenden stammt aus den Bundeslän<strong>der</strong>n Brandenburg und Berlin. Im BBW Potsdam<br />
können auch schwer körperbehin<strong>der</strong>te sowie psychisch behin<strong>der</strong>te junge Menschen eine<br />
Ausbildung absolvieren. So werden z.B. 120 Plätze für Rollstuhlfahrer/ -innen vorgehalten,<br />
zum Teil mit Arbeitsassistenz und Pflegebedarf, sowie Ausbildungsplätze für Autisten und<br />
Menschen mit ADHS.<br />
Jährlich befinden sich etwa 650 junge Menschen in Ausbildung o<strong>der</strong> nehmen an<br />
berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teil. Ca. 130 Auszubildende beenden jährlich<br />
erfolgreich ihre Ausbildung. Über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verfügen<br />
im Jahr 2008 43,7 % des Abschlussjahrgangs aus dem Vorjahr.<br />
Zwischen dem BBW Potsdam und dem BVMW Regionalverband Brandenburg West bestand<br />
schon vor Projektbeginn eine rege Zusammenarbeit. Diese ging über die Ebenen <strong>der</strong><br />
unmittelbaren Integrationsarbeit sowie begleitenden Öffentlichkeitsaktivitäten hinaus. So<br />
werden Unternehmer/ -innen in das BBW eingeladen o<strong>der</strong> Auszubildende des BBW<br />
besuchen im Gegenzug BVMW-Veranstaltungen, um ihre Kompetenzen und ihre qualifizierte<br />
BBW-Ausbildung vorzustellen. Die Präsentation dieses Netzwerkes wurde fester Bestandteil<br />
<strong>der</strong> Außendarstellung des BVMW Regionalverbandes Brandenburg West. Personalanfragen<br />
werden über den BVMW frühzeitig an das BBW weitergeleitet, woraufhin eine qualifizierte<br />
Beratung, z.B. zu För<strong>der</strong>möglichkeiten, erfolgt. Auch die Teilnahme von BBW-Vertreter/ -<br />
innen an Unternehmertreffen zum gegenseitigen Kennenlernen erweist sich als sehr sinnvoll,<br />
um neue Kontakte zu Firmen zu knüpfen. Die Erfahrungsberichte von Unternehmer/ -innen<br />
bei <strong>der</strong> Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sind hierbei ein Wegweiser für alle<br />
Beteiligten. Um das Profil <strong>der</strong> BBW und die Qualifikationen <strong>der</strong> Auszubildenden bekannt zu<br />
machen, werden oftmals Veranstaltungen des BVMW im BBW durchgeführt (z.B.<br />
Unternehmer-Frühstück im BBW mit anschließen<strong>der</strong> Hausführung).<br />
15 Beispiele solcher produktionsorientierter Lernorte sind eine Wäscherei, die Cafeteria in <strong>der</strong> Agentur<br />
für Arbeit o<strong>der</strong> die gastronomische Versorgung des Freizeitbads. Die Gärtnerei Cultera und die<br />
Kompetenzwerkstatt Metallbau bieten zudem ihre Arbeit externen Kunden an.<br />
22
Darüber hinaus arbeiten das BBW Potsdam und <strong>der</strong> BVMW Regionalverband Brandenburg<br />
West mit dem Arbeitskreis Wirtschaftsjunioren zusammen. Für Rollenspiele zur Simulation<br />
von Vorstellungsgesprächen kurz vor Ausbildungsende gewinnen die Integrationsfachkräfte<br />
des BBW meist Interviewer/ -innen aus <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />
Die Kontakte zu regionalen Unternehmen werden im BBW von den Fachkräften fortlaufend<br />
gepflegt und weiter ausgebaut. Durch die verstärkte Zusammenarbeit mit dem BVMW im<br />
Projekt wurde eine noch zielgenauere Informationspolitik zum Thema Beschäftigung von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung durch die Ansprache einzelner Unternehmen möglich. In den<br />
Medien des BVMW (z. B. in <strong>der</strong> Verbandszeitung „Der Mittelstand“) wird laufend über die<br />
Arbeit des BBW berichtet und es werden Best-Practice-Beispiele gelungener Integration<br />
vorgestellt.<br />
Das BBW Potsdam wird auch über die Projektlaufzeit hinaus an Veranstaltungen des BVMW<br />
teilnehmen, um als Ansprechpartner präsent zu bleiben. So können die Mitarbeitenden des<br />
BBW die Unternehmen auch künftig über alle Fragen <strong>der</strong> Beschäftigung von Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung „aus erster Hand“ informieren.<br />
Rummelsberg<br />
Das Berufsbildungswerk Wichernhaus Rummelsberg bildet junge Menschen mit einer<br />
Körperbehin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung aus. Für spezielle Personengruppen wie<br />
Epilepsiekranke, Schädel-Hirn-Verletzte, ADHS- und Adipositas-Betroffene werden eigene,<br />
auf die Behin<strong>der</strong>ungsart zugeschnittene Betreuungsprogramme vorgehalten. Die<br />
Maßnahmeteilnehmenden werden überwiegend aus dem Bundesland Bayern in das<br />
Berufsbildungswerk Wichernhaus Rummelsberg vermittelt.<br />
Insgesamt nehmen im Berufsbildungswerk Rummelsberg ca. 280 Teilnehmende jährlich an<br />
einer Ausbildung o<strong>der</strong> einer vorberuflichen Maßnahme teil. Pro Jahr absolvieren ca. 80<br />
Auszubildende ihre Abschlussprüfung. Ein Jahr nach dem Ausbildungsende 2008 haben<br />
48,1 % aller Absolventen/ -innen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen.<br />
Ursprünglich war angedacht, mit dem BVMW Bayern Nord als regionalem Partner zu<br />
kooperieren. Da sich dieser Kontakt als nicht tragfähig erwies, wurde eine Alternative<br />
gesucht. Mit <strong>der</strong> IHK Nürnberg für Mittelfranken wurde zum 01.10.2009 ein kompetenter<br />
Projektpartner gefunden.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> IHK Mittelfranken und dem BBW Rummelsberg erfolgt<br />
vorrangig in den Bereichen <strong>der</strong> Ausbildung, Prüfung und Integration. Zur<br />
Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung von jMmB pflegt das Netzwerk u.a. Kontakte zu den Agenturen für<br />
Arbeit, den Integrationsämtern sowie Behin<strong>der</strong>tenbeauftragten.<br />
Durch die Teilnahme an Fachmessen werden die qualifizierten Ausbildungen des BBW<br />
Rummelsberg bekannt gemacht, neue Kontakte geknüpft und Arbeitsstellen akquiriert.<br />
Offene Stellenangebote werden durch die Integrationsfachkräfte aus dem BBW mit den<br />
individuellen Profilen <strong>der</strong> Jugendlichen abgeglichen.<br />
Durch die regelmäßigen Kontakte zu Arbeitgebern/ -innen werden die Erwartungen <strong>der</strong><br />
Wirtschaft an Absolventen/ -innen noch stärker als bisher berücksichtigt, z.B. hinsichtlich<br />
beson<strong>der</strong>s relevanter Ausbildungsinhalte o<strong>der</strong> wünschenswerter (Zusatz-)Qualifikationen. In<br />
diesem Kontext wurde das Projekt auch im Personalleiterkreis <strong>der</strong> IHK präsentiert.<br />
Um ein noch präziseres Bild <strong>der</strong> Erwartungen <strong>der</strong> Wirtschaft an die Auszubildenden zu<br />
erhalten, führte das BBW Rummelsberg auch zwei Unternehmensbefragungen durch: Zum<br />
einen wurden Praktikumsbetriebe nach ihren Erfahrungen mit Praktikanten/ -innen und <strong>der</strong><br />
23
Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Arbeit des BBW befragt. In <strong>der</strong> zweiten Unternehmensbefragung<br />
wurden <strong>der</strong> Beratungsbedarf und Kooperationsmöglichkeiten mit dem BBW erhoben.<br />
Speziell für Bildungseinrichtungen und -träger wurde unter Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> IHK eine<br />
Informationsreihe zur Fachpraktiker-Ausbildung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) organisiert.<br />
Gemeinsam mit Unternehmen und Bildungseinrichtungen wurden neue Berufsbil<strong>der</strong><br />
entwickelt bzw. aktualisiert. Ziel hierbei ist, möglichst einheitliche Berufsbezeichnungen zu<br />
definieren, die die inhaltliche Nähe zu den „Voll-Berufen“ erkennen lassen 16 . Ergebnis dieser<br />
Arbeit sind lokal einheitliche Regelungen im Kammerbezirk zu den Berufen nach § 66 BBiG<br />
und § 42m HwO.<br />
Die Netzwerkarbeit und Öffentlichkeitsarbeit zwischen dem BBW Rummelsberg und <strong>der</strong> IHK<br />
Nürnberg für Mittelfranken soll fortgesetzt und weiter intensiviert werden.<br />
5.5 Vernetzung mit <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft<br />
Im März 2011 wurde seitens <strong>der</strong> BAG BBW e. V. eine Befragung zu den Unternehmenskontakten<br />
unter allen BBW durchgeführt 17 . Nach einer Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse verfügen<br />
die BBW durchschnittlich über 266 Betriebskontakte (vgl. Abbildung 9). Hiervon werden im<br />
Mittel 149 regelmäßig für Praktika genutzt. Hochgerechnet verfügen somit alle BBW<br />
gemeinsam über mehr als 14.300 Betriebskontakte; hiervon entfallen über 1.050 auf<br />
Großbetriebe 18 (> 250 Mitarbeitende).<br />
Anzahl an BBW<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
3<br />
7<br />
9<br />
1-50 51-100 101-200 201-400 >400 k.A.<br />
24<br />
10<br />
Anzahl an Kontaktaufnahmen zu KMU<br />
Abbildung 9: Anzahl <strong>der</strong> Unternehmenskontakte (Quelle: BAG BBW e. V.<br />
Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)<br />
16<br />
Nach Auskunft des BIBB gibt <strong>der</strong>zeit bundesweit über 1000 von einan<strong>der</strong> abweichende<br />
Berufsbezeichnungen, die nach und nach vereinheitlicht werden sollen.<br />
17<br />
An <strong>der</strong> Befragung haben 34 von 52 BBW teilgenommen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 65<br />
%.<br />
18<br />
Dazu gehören u.a. Bosch, Netzsch, Rehau-AG, Rosenthal AG, Lamilux, SKF, INA-Schaeffler,<br />
Michelin, Thyssen Krupp, Karlsberg, SAP, Festo, Dr. Theiss, Universitätskliniken, Terex, BMW,<br />
Siemens, MAN, Stadtsparkasse München, Rheinenergie, RWE Power, NDR, Hauni Maschinenbau,<br />
Airbus Deutschland, Still, Dussmann AG, Commerzbank, Dt. Extrakt-Kaffee GmbH, Beiersdorf,<br />
Karstadt, Lufthansatechnik, Metro. Continental, HEWI, Edeka, B. Braun AG, Bombardier, Daimler,<br />
Schenker, VK KS, Breer Gebäudedienste Heidelberg, Zehnacker Gebäu<strong>der</strong>einigung, Maschinenfabrik<br />
Gerd Mosca.<br />
4<br />
1
Neben den direkten Betriebskontakten, welche alle BBW auf den unterschiedlichen Ebenen<br />
(Leitung, Ausbildung, Integration) pflegen, sind die Einrichtungen intensiv in ihrem jeweiligen<br />
Wirtschaftsraum vernetzt:<br />
• Alle BBW unterhalten Kontakte zu den jeweils zuständigen Kammern und Innungen<br />
• Die Hälfte aller BBW unterhält Kontakte zur kommunalen Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
• Rund zwei Drittel aller BBW sind Mitglie<strong>der</strong> in wirtschaftsnahen Verbänden<br />
o davon zehn BBW bei Unternehmensverbänden (BVMW u.ä)<br />
o sowie sieben BBW bei Innungen<br />
• Nahezu die Hälfte aller BBW engagiert sich in Serviceclubs (Lions, Rotarier)<br />
• Ein Drittel <strong>der</strong> BBW nimmt regelmäßig an Wirtschaftsstammtischen o.ä. teil.<br />
• Über ein Drittel aller BBW sind zusätzlich aktiv, z.B. in Arbeitskreisen<br />
Schule/Wirtschaft, Frau & Wirtschaft, lokales Marketing, Wirtschaftsjunioren und<br />
Wirtschaftsclubs.<br />
In die Kontaktaufnahme und Pflege sind unterschiedliche Funktionsgruppen innerhalb eines<br />
BBW eingebunden (Leitung, mittlere Führungskräfte, Ausbildende sowie<br />
Integrationsfachkräfte). Die Kontaktpflege zu Verbänden und Institutionen ist vorrangig eine<br />
Angelegenheit <strong>der</strong> BBW-Leitung. Mittlere Führungskräfte und Ausbildende pflegen dagegen<br />
vorrangig die Kontakte zu den Betrieben und Kammern bzw. Innungen. Das Netzwerk <strong>der</strong><br />
Kontakte sowie die im BBW daran beteiligten Akteure können den folgenden Abbildungen<br />
entnommen werden.<br />
25
Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> Ausbildenden bestehen<br />
zu...<br />
Stammtische o.ä.<br />
Service-Clubs<br />
sonstiges<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Wirtschaftsverbände<br />
IHK<br />
100%<br />
50%<br />
0%<br />
26<br />
HWK<br />
Landwirtschaftskammer<br />
Innungen<br />
Unternehmen allg.<br />
Großbetriebe speziell<br />
Abbildung 10: Kontakte <strong>der</strong> Ausbildenden (Quelle: BAG BBW e. V. Unternehmensbefragung,<br />
eigene Auswertungen)<br />
Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> Integrationsfachkräfte<br />
bestehen zu ...<br />
Stammtische o.ä.<br />
Service-Clubs<br />
sonstiges<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Wirtschaftsverbände<br />
IHK<br />
100%<br />
50%<br />
0%<br />
HWK<br />
Landwirtschaftskammer<br />
Innungen<br />
Unternehmen allg.<br />
Großbetriebe speziell<br />
Abbildung 11: Kontakte <strong>der</strong> Integrationsfachkräfte (Quelle: BAG BBW e. V.<br />
Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)
Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> mittleren Führungsebene<br />
bestehen zu ...<br />
Stammtische o.ä.<br />
Service-Clubs<br />
sonstiges<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Wirtschaftsverbände<br />
IHK<br />
100%<br />
50%<br />
0%<br />
27<br />
HWK<br />
Landwirtschaftskammer<br />
Innungen<br />
Unternehmen allg.<br />
Großbetriebe speziell<br />
Abbildung 12: Kontakte <strong>der</strong> mittleren Führungsebene <strong>der</strong> BBW (Quelle: BAG BBW e. V.<br />
Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)<br />
Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> BBW-Leitung bestehen<br />
zu...<br />
Stammtische o.ä.<br />
Service-Clubs<br />
sonstiges<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
Wirtschaftsverbände<br />
IHK<br />
100%<br />
50%<br />
0%<br />
HWK<br />
Landwirtschaftskammer<br />
Innungen<br />
Unternehmen allg.<br />
Großbetriebe speziell<br />
Abbildung 13: Kontakte <strong>der</strong> BBW-Leitung (Quelle: BAG BBW e. V. Unternehmensbefragung,<br />
eigene Auswertungen)
6 Integrationsprozesse<br />
Die Begleitung von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (jMmB) an <strong>der</strong> zweiten Schwelle, das<br />
so genannte Übergangsmanagement, darf sich nicht in standardisierten Abfolgen von<br />
Maßnahmen erschöpfen. Die Unterstützung muss sich vielmehr auf die Ausgangssituation<br />
des Einzelnen beziehen, dessen Bedürfnisse und Potenziale berücksichtigen (vgl. Ben<strong>der</strong><br />
2010).<br />
Die Integrationsmitarbeitenden <strong>der</strong> BBW haben eine Schlüsselfunktion bei <strong>der</strong> Betreuung <strong>der</strong><br />
Absolventen/ -innen an <strong>der</strong> zweiten Schwelle. Sie begleiten die jungen Menschen nicht erst<br />
zum Abschluss ihrer Ausbildung, son<strong>der</strong>n schon sehr viel früher. Eine kontinuierliche<br />
Unterstützung ist von <strong>der</strong> ersten Praktikumssuche über die Stellenakquise bis zum<br />
Kontakthalten nach Arbeitsbeginn im Sinne einer Nachbetreuung möglich.<br />
Im Folgenden werden die im Projekt zum Tragen gekommenen Integrationsprozesse <strong>der</strong><br />
jMmB in chronologischer Reihenfolge und vorwiegend qualitativ dargelegt: es wird erörtert,<br />
welche Rollen dabei die BBW und die wirtschaftsnahen Verbände spielten, wie die konkrete<br />
Unterstützung <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen aussah, welche Faktoren in den Betrieben die<br />
Integration för<strong>der</strong>ten und schließlich auch, in welchen Fällen es zu Abbrüchen kam.<br />
Viele <strong>der</strong> Projektteilnehmenden benötigen nach den Monaten erfolgloser Arbeitssuche<br />
Motivationsunterstützung. Dies erscheint umso mehr nachvollziehbar, wenn man die Anzahl<br />
<strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme betrachtet (vgl. Abbildung 14):<br />
Anzahl an Teilnehmenden<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
8<br />
32<br />
50<br />
34<br />
43<br />
23<br />
27<br />
28<br />
20<br />
10<br />
Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme<br />
14<br />
10<br />
35<br />
12<br />
keine<br />
weniger als 9<br />
10 - 19<br />
20 - 29<br />
30 - 39<br />
40 - 49<br />
50 - 59<br />
60 - 69<br />
70 - 79<br />
80 - 89<br />
90 - 99<br />
mehr als 100<br />
unbekannt<br />
keine Angaben<br />
Abbildung 14: Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme (N = 319, Stand 2011)<br />
Die Telefoninterviews, die mit 50 Teilnehmenden geführt wurden, bestätigen diese Angaben:<br />
durchschnittlich benötigten die jMmB für die Stellensuche ein Jahr und schrieben bis zu 100<br />
Bewerbungen. Die erste Aufgabe <strong>der</strong> Integrationsmitarbeitenden war daher, ein<br />
Vertrauensverhältnis zu knüpfen, auf dem das Projekt aufbauen konnte. Dabei war es für die<br />
jMmB auch wichtig, sich zunächst <strong>der</strong> eigenen Stärken und Kompetenzen wie<strong>der</strong> zu<br />
vergewissern. Diese Beziehungsaufgabe übernahmen – mit zwei Ausnahmen 19 – die<br />
Projektmitarbeitenden aus den beteiligten BBW.<br />
Die Rückmeldungen <strong>der</strong> Projektmitarbeitenden zu den Integrationsprozessen zeigen, dass<br />
rund zwei Drittel <strong>der</strong> jungen Menschen konkrete Unterstützung bei Bewerbungen<br />
19 Diese Aufgabe übernahmen in Leipzig die L2 – agentur für taten und in Neuwied <strong>der</strong> BVMW.<br />
1
enötigen 20 . Die Integrationsfachkräfte nehmen dabei die Rolle eines „Coach“ ein bzw.<br />
fungieren als „Jobpaten“ gegenüber den Teilnehmenden. Diese brauchen eine/n<br />
Ansprechpartner/ -in, <strong>der</strong> sie über die Zeit begleitet, ihre Ressourcen und Probleme kennt<br />
und gemeinsam mit ihnen eine passende Bewerbungsstrategie – orientiert am Arbeitsmarkt -<br />
entwickelt. Hierbei erfolgt <strong>der</strong> persönliche Kontakt von Teilnehmenden und Mitarbeitenden<br />
regelmäßig und während <strong>der</strong> Arbeitssuche mindestens einmal im Monat. Ziel <strong>der</strong> Begleitung<br />
war, dass die jMmB in die Lage versetzt werden, bei <strong>der</strong> Jobsuche so selbstständig wie<br />
möglich vorzugehen.<br />
6.1 Vorbereitung <strong>der</strong> Integration während <strong>der</strong> Ausbildung<br />
Praktika haben ein beson<strong>der</strong>es Gewicht in <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> jungen Menschen auf eine<br />
Erwerbstätigkeit. Die am Projekt Integration inklusive beteiligten BBW haben daher<br />
zahlreiche Instrumente entwickelt, um den Auszubildenden bei <strong>der</strong> Suche eines geeigneten<br />
Praktikumsplatzes zu helfen. Ein Beispiel dafür sind die Aktivitäten des BBW Husum, das in<br />
jedem Ausbildungsjahr entsprechende Seminare anbietet. In den ersten beiden Jahren liegt<br />
<strong>der</strong> Schwerpunkt thematisch auf <strong>der</strong> Praktikumssuche, im letzten Ausbildungsjahr steht die<br />
Stellensuche selbst im Vor<strong>der</strong>grund. Ziel dieser Kurse ist es, dass Absolventen/ -innen schon<br />
während <strong>der</strong> Praktikumszeit ihre potentiellen Arbeitgeber/ -innen besser kennen lernen und<br />
eigene Netzwerke zu Betrieben aufbauen können.<br />
Die eigenständige Suche eines Praktikums stellt für die jMmB eine beson<strong>der</strong>e<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung dar, denn sie verlassen damit ihre vertraute Umgebung und kommen mit<br />
einer Arbeitswelt in Kontakt, die ihnen oftmals zunächst fremd ist. Hierbei machen sie ihre<br />
individuellen Erfahrungen, wie inklusiv die Mitwelt außerhalb des BBW ist und wie diese mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung umgeht. Daher sind Betriebspraktika in beson<strong>der</strong>em Maße geeignet, die<br />
Eigeninitiative zu för<strong>der</strong>n. Die Unterstützung <strong>der</strong> Suche durch Fachkräfte des BBW kann<br />
gerade während <strong>der</strong> ersten Schritte sinnvoll sein, um die jMmB nach und nach an eine<br />
größere Eigenständigkeit heranzuführen. Dies ist je nach Entwicklungsstand und den<br />
beson<strong>der</strong>en Umfeldbedingungen von Fall zu Fall individuell zu entscheiden.<br />
Spätestens mit dem dritten Ausbildungsjahr lernen die Auszubildenden weitere<br />
Unterstützungsangebote des BBW kennen. In dieser Phase bieten alle BBW, aufgrund <strong>der</strong><br />
zeitlichen Nähe zum Ausbildungsende, verstärkt Bewerbungstrainings an. Nach Aussage <strong>der</strong><br />
Projektpartner sind diese Trainings beson<strong>der</strong>s wirksam, wenn sie konkret auf die<br />
momentane regionale Arbeitsmarktsituation ausgerichtet sind. Um das Training so praxisnah<br />
wie möglich zu gestalten, bietet beispielsweise das BBW Potsdam Simulationen von<br />
Vorstellungsgesprächen mit externen Interviewern an, die häufig aus dem Personalbereich<br />
von Unternehmen kommen. An<strong>der</strong>e BBW wie<strong>der</strong>um ermöglichen den jMmB Stil-/<br />
Imageberatungen, trainieren professionelles Auftreten o<strong>der</strong> üben das<br />
Kommunikationsverhalten am Telefon. Im BBW Neuwied erhalten die Auszubildenden<br />
umfangreiche Informationen zum Erwerb und zur Finanzierung eines Führerscheines sowie<br />
eine Outfitberatung.<br />
Parallel zu diesen Gruppenaktivitäten, die den Auszubildenden eine realistische<br />
Einschätzung über ihre kommende Arbeitsplatzsuche vermitteln, reflektieren die jMmB in<br />
Einzelgesprächen mit den Integrationsfachkräften ihre Vorstellungen, Ziele und Fähigkeiten.<br />
20 Dies wird deutlich an einer insgesamt abnehmenden Zahl von Bewerbungen, die jedoch qualitativ<br />
besser vorbereitet und gezielter platziert sind.<br />
29
6.2 Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung<br />
Die Unterstützung <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen bei <strong>der</strong> Stellensuche nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />
wird durch eine Vielzahl individueller Angebote <strong>der</strong> BBW gewährleistet. Ein intensives<br />
Bewerbungscoaching 21 stellt den Beginn <strong>der</strong> Stellensuche und Vermittlung dar. Ein solches<br />
Coaching besteht in <strong>der</strong> Regel aus einer Analyse <strong>der</strong> individuellen Fähigkeiten <strong>der</strong><br />
Absolventen/ -innen, einer Überarbeitung <strong>der</strong> Bewerbungsunterlagen sowie einem gezielten<br />
Ausbau ihrer Kompetenzen. Anhand <strong>der</strong> im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung<br />
wird deutlich, dass dieser zusätzliche Ausbau an Kompetenzen äußerst sinnvoll ist, um die<br />
Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong> Teilnehmenden auszubauen.<br />
Beson<strong>der</strong>s geschätzt wird die Motivation <strong>der</strong> Teilnehmenden. Die überragende Mehrheit <strong>der</strong><br />
Unternehmen bescheinigt ihren neuen Mitarbeitenden hohe Leistungsbereitschaft (85 %)<br />
und ein gutes Durchhaltevermögen (80 %). Von 90 % <strong>der</strong> befragten Unternehmen wird auch<br />
die Teamfähigkeit <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen als durchwegs positiv bewertet.<br />
Für noch ausbaufähig halten etwa die Hälfte <strong>der</strong> befragten Unternehmen die<br />
Selbstständigkeit <strong>der</strong> Absolventen/ -innen. Auch bei <strong>der</strong> Konflikt- und Kritikfähigkeit sehen<br />
45 % bzw. 40 % <strong>der</strong> Betriebe noch Verbesserungsbedarf.<br />
In Hinblick auf die Wünsche <strong>der</strong> Unternehmen an ihre Mitarbeitenden ergab die Befragung,<br />
dass passgenaue fachliche Zusatzqualifikationen (z.B. Schweißerscheine, Stapler-<br />
Führerscheine o<strong>der</strong> kaufmännische Buchhaltungssoftware wie DATEV, SAP etc.) eine<br />
Einstellung erheblich begünstigen. Darüber hinaus legen Unternehmen großen Wert auf gute<br />
Leistungen im Bereich <strong>der</strong> Allgemeinbildung (Deutsch, Mathematik).<br />
In diesen spezifischen, für die Tätigkeiten am Arbeitsplatz benötigten Qualifikationen bilden<br />
die BBW die Teilnehmenden gezielt aus. Dazu stellen die BBW-Mitarbeitenden den Bedarf<br />
an Zusatzqualifikationen fest und unterstützen gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit die<br />
jungen Menschen beim Erwerb <strong>der</strong>selben. Beispiele aus den Projekt-BBW sind<br />
betriebsspezifische Schulungen zu Maschinen, Software, Aufklärung über finanzielle und<br />
technische Hilfsmittel am Arbeitsplatz und zu Verhaltensregeln im Betrieb.<br />
Neben dem Coaching ist die Stellenakquise ein weiterer Teil des Unterstützungsangebotes<br />
<strong>der</strong> BBW. Die Integrationsfachkräfte haben hierbei das Ziel, den Absolventen/ -innen<br />
konkrete Arbeitsmöglichkeiten (Stellen) aufzuzeigen und bei <strong>der</strong> Vermittlung zu assistieren.<br />
Das Bewerbungsverfahren bleibt jedoch in den Händen <strong>der</strong> jMmB, <strong>der</strong>en Selbstständigkeit<br />
gestärkt werden soll. Die Erfolgserlebnisse durch das eigene Handeln sollen die<br />
Absolventen/ -innen für künftige Bewerbungsphasen motivieren. Wichtige Elemente <strong>der</strong><br />
Stellenakquise sind allen beteiligten BBW zufolge die Unterstützung bei <strong>der</strong> Recherche und<br />
<strong>der</strong> Besuch von Unternehmen. Die genaue Form <strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Recherche ist bei<br />
den BBW unterschiedlich ausgestaltet. Die BBW Neuwied und Husum z.B. nutzen Internetbasierte<br />
Job-Portale, wie die Jobbörse <strong>der</strong> Arbeitsagentur, das Arbeitsmarktportal<br />
www.integrationsverbund.de o<strong>der</strong> www.meinestadt.de, für die Suche nach offenen Stellen.<br />
Gute Ergebnisse erzielt man dort auch durch die Suche auf den Internetseiten großer Firmen<br />
und öffentlicher Institutionen.<br />
Eine genaue Kenntnis, welche Medien und Portale von Unternehmen vor Ort genutzt<br />
werden, bildet die Basis für wirksame Bewerbungsstrategien. Einige BBW helfen ihren<br />
Absolventen/ -innen beim Veröffentlichen eines eigenen Bewerberprofils auf den<br />
einschlägigen Jobportalen. Das BBW Potsdam wie<strong>der</strong>um setzt auf die Veröffentlichung von<br />
21 Die BBW orientieren sich am Grundsatz des systemischen Coachings basierend auf den<br />
Erkenntnissen des Encouragements bzw. Empowerment.<br />
30
Bewerberprofilen auf <strong>der</strong> Internetseite des Berufsverbandes mittelständische Wirtschaft<br />
(BVMW), da <strong>der</strong> Verband regional eine hohe Akzeptanz und entsprechende Aufmerksamkeit<br />
genießt. Potenzielle Arbeitgeber/ -innen suchen eher auf dieser Seite als auf <strong>der</strong> BBW-<br />
Homepage.<br />
Neben dem Gebrauch <strong>der</strong> neuen Medien nutzen die BBW klassische Wege <strong>der</strong><br />
Stellenakquise. Diesbezüglich recherchiert z.B. das BBW Hamburg in <strong>der</strong> lokalen Presse.<br />
An<strong>der</strong>e wie das BBW Neuwied setzen zusätzlich auf die Pflege persönlicher Netzwerke. Alle<br />
BBW bieten den Stellensuchenden Hilfe bei <strong>der</strong> Interpretation von Stellenanzeigen an.<br />
Hierbei geht es insbeson<strong>der</strong>e um einen Abgleich des Bewerber- und des Stellenprofils.<br />
Ein weiterer Teil <strong>der</strong> Akquise ist <strong>der</strong> Besuch von Unternehmen auf Eigeninitiative <strong>der</strong><br />
Bewerber hin, um diese auf freie Stellen anzusprechen. Absolventen/ -innen können dabei<br />
von Integrationsmitarbeitenden begleitet werden, die sie unterstützen, ihr Anliegen<br />
vorzutragen. Zusätzlich begleiten die BBW die jungen Menschen zu Vorstellungsgesprächen<br />
und Gesprächen mit <strong>der</strong> Agentur für Arbeit. An<strong>der</strong>e bieten Unterstützung bei „telefonischer<br />
Kaltakquise“ an. Im BBW Leipzig z.B. erstellen die Absolventen/ -innen einen eigenen<br />
Leitfaden für ihre Telefon- bzw. E-Mail-Akquise.<br />
Das BBW Leipzig beschreitet im Absolventenmanagement einen eigenen Weg, indem es die<br />
konkreten Vermittlungsaktivitäten räumlich und organisatorisch von den an<strong>der</strong>en<br />
Unterstützungsleistungen des BBW trennt. Die Jugendlichen müssen sich so bei ihren<br />
Bewerbungen an einen „Dritten“ wenden, die L2 – agentur für taten. Auf diese Weise<br />
trainieren die Teilnehmenden ihre Selbstständigkeit beim Suchen einer Arbeitsstelle.<br />
6.3 Kontaktpflege im Projekt bei großen Distanzen zum Heimatort<br />
<strong>der</strong> jMmB<br />
Zwei von drei jMmB, die im Anschluss an die Ausbildung keinen Arbeitsplatz finden, kehren<br />
in ihren Heimatort zurück. Die Entfernung zum BBW ist häufig so groß, dass tägliches<br />
Pendeln nicht zumutbar ist. Die Integrationsfachkräfte gewährleisten die Betreuung <strong>der</strong><br />
Teilnehmenden in Fällen sehr großer räumlicher Distanz auf verschiedenen Wegen.<br />
So findet zuerst meist eine telefonische o<strong>der</strong> schriftliche Kontaktaufnahme durch das BBW<br />
statt. Kann <strong>der</strong> Absolvent/ die Absolventin erreicht werden, wird in <strong>der</strong> Regel ein<br />
persönliches Treffen geplant – zumeist auf individueller Ebene, in Einzelfällen aber auch im<br />
Rahmen von Veranstaltungen im BBW (Ehemaligentreffen, Tag <strong>der</strong> offenen Tür etc.). Bei<br />
diesem persönlichen Gespräch vor Ort erfolgen alle weiteren Absprachen mit dem jMmB<br />
über seine Teilnahme am Projekt.<br />
Das Telefon und die neuen Medien spielen beim Coaching über größere Entfernungen<br />
hinweg eine zentrale Rolle. In einigen Fällen wurden auch weitere persönliche Treffen im<br />
BBW o<strong>der</strong> in Ausnahmefällen auch bei den Teilnehmenden vor Ort zu Hause vereinbart.<br />
Wenn es nicht nur um individuelle, son<strong>der</strong>n übergreifende Fragen zu Bewerbungen ging,<br />
wurden diese Treffen im BBW häufig in Kleingruppen durchgeführt.<br />
6.4 Integrationsunterstützung nach <strong>der</strong> Arbeitsaufnahme<br />
Diese Phase kann als „Begleitung zur Stabilisierung“ beschrieben werden und beinhaltet die<br />
Fortsetzung des regelmäßigen Kontaktes zwischen dem BBW und den Absolventen/ -innen.<br />
Die Absolventen/ -innen benötigen auch nach Aufnahme einer Arbeit weitere Betreuung, um<br />
mögliche Krisen o<strong>der</strong> Konflikte <strong>der</strong> Einarbeitungsphase aufzufangen. Die Mitarbeitenden des<br />
BBW können dabei helfen, eventuelle Schwierigkeiten frühzeitig zu erfassen und so<br />
versuchen, vorbeugend einzuwirken. Probleme können so bearbeitet werden, bevor <strong>der</strong><br />
31
Verlust <strong>der</strong> Arbeitsstelle droht. Für die Kontaktpflege zwischen Integrationsfachkräften und<br />
den jMmB werden neben <strong>der</strong> Nutzung neuer Medien (z.B. E-Mail, facebook o<strong>der</strong> www.werkennt-wen.de)<br />
auch konventionelle Wege wie das Telefon genutzt. Die Betreuung umfasst<br />
außerdem die Unterstützung bei allen Fragen <strong>der</strong> eventuell erfor<strong>der</strong>lichen<br />
behin<strong>der</strong>tengerechten Arbeitsplatzanpassung im neuen Betrieb.<br />
Zusätzlich werden in einigen BBW Ehemaligentreffen organisiert, an denen auch zukünftige<br />
Absolventen/ -innen teilnehmen können. Die bereits erwerbstätigen Absolventen/ -innen<br />
können dort von ihrem Weg ins Arbeitsleben berichten und zukünftige Absolventen/ -innen<br />
erhalten Ideen und Motivation.<br />
An<strong>der</strong>e BBW machen positive Erfahrungen mit <strong>der</strong> Präsentation bzw. Veröffentlichung von<br />
„Erfolgsgeschichten“ (best-practice-Beispiele) ehemaliger Teilnehmen<strong>der</strong>. Diese dienen den<br />
neuen Absolventen/ -innen als Vorbild und sind motivationssteigernd.<br />
Darüber hinaus berichten verschiedene BBW von zusätzlichen organisatorischen o<strong>der</strong><br />
lebenspraktischen Hilfestellungen während <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung (Wohnungssuche,<br />
Führerschein, Anträge stellen). Solange diese weiteren Rahmenbedingungen für die jMmB<br />
nicht stimmig sind, läuft die Hilfestellung bei <strong>der</strong> Stellensuche oftmals ins Leere.<br />
Eine weitere, sehr wichtige Funktion <strong>der</strong> nachsorgenden Betreuung ist es, als konstante/r<br />
Ansprechpartner/ -in für die Absolventen/ -innen wie auch für die Unternehmen zur<br />
Verfügung zu stehen. Die BBW- Mitarbeitenden pflegen dabei im Hintergrund den Kontakt zu<br />
Absolventen/ -innen sowie zu den Arbeitgebern/ -innen. Den Arbeitgebern/ -innen hilft dabei<br />
ein/e einheitliche/r und ihnen persönlich bekannte/r Ansprechpartner/ -in auf Seiten des<br />
BBW, wenn es um konkrete Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung geht.<br />
Dies gilt sowohl für die Phase <strong>der</strong> Einstellung und Einarbeitung als auch danach.<br />
Die vorgestellten Instrumente lassen sich unter dem Aspekt des „För<strong>der</strong>ns und For<strong>der</strong>ns“<br />
zusammenfassen. Die Unterstützung umfasst weitreichende Hilfeleistungen, zielt jedoch<br />
zugleich auf die Stärkung <strong>der</strong> Selbstständigkeit <strong>der</strong> jMmB ab. Nicht Fürsorge, son<strong>der</strong>n<br />
Ermöglichung von Teilhabe ist das Ziel <strong>der</strong> Integrationsprozesse.<br />
6.5 Dienstleistungen für die Wirtschaft<br />
Um eine nachhaltige Vermittlung <strong>der</strong> Absolventen/ -innen zu gewährleisten und die<br />
Integrationsquote weiter zu verbessern, sind die BBW mit Unternehmen,<br />
Unternehmensverbänden und Vermittlungsdienstleistern vielfältig vernetzt (siehe Kapitel 5<br />
Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Integrationsprozesse). Jedes BBW pflegt eigene<br />
regionale und überregionale Netzwerke. Gemeinsamkeiten stellen dabei die Kontakte zu<br />
Institutionen wie den lokalen Agenturen für Arbeit, den Integrationsämtern und -fachdiensten,<br />
Verbänden, Kammern, etc., sowie den Familien <strong>der</strong> jungen Menschen dar.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> wirtschaftsnahen Netzwerke übernehmen die BBW als Personaldienstleister<br />
beim Thema Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung vielfältige Aufgaben. Hierbei kommen beson<strong>der</strong>s<br />
folgende Aspekte zum Tragen:<br />
• Die BBW können durch Aufklärung Unternehmen von <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Absolventen/ -innen überzeugen und damit zum Abbau von Vorbehalten gegenüber<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung beitragen.<br />
• Innerhalb <strong>der</strong> Netzwerke werden dauerhafte Kontakte zu Unternehmen geknüpft,<br />
welche die Akquise von Arbeitsplätzen auch für künftige Absolventen/ -innen<br />
erleichtern.<br />
32
• Die Kooperation mit Unternehmen kann in eine gemeinsame, aufeinan<strong>der</strong><br />
abgestimmte Personalentwicklung einmünden.<br />
• Die BBW erhalten von Betrieben kontinuierlich wichtige Hinweise zur Verbesserung<br />
ihrer Ausbildungsqualität.<br />
Das Themenspektrum zur Beratung von Unternehmen vor <strong>der</strong> Einstellung eines BBW-<br />
Absolventen/ -innen ist sehr vielseitig. Die Inhalte richten sich nach den Bedürfnissen des<br />
jeweiligen Unternehmens. Als Beispiel für einen Beratungskatalog kann <strong>der</strong> „Ratgeber für<br />
Arbeitgeber in Schleswig- Holstein“ genannt werden, den das BBW Husum und <strong>der</strong><br />
Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e. V. in Kooperation mit <strong>der</strong> Agentur für Arbeit,<br />
dem Integrationsamt u. a. erarbeitet hat. Diese Broschüre umfasst in kompakter Form alles<br />
Wissenswerte zur Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung und bildete die Vorlage für<br />
eine Arbeitgeberinformation, die jetzt von allen BBW genutzt wird. Ein weiteres Beispiel ist<br />
die Unternehmensbefragung des BBW Rummelsberg in Kooperation mit <strong>der</strong> IHK. Durch<br />
diese Befragung wurden die Betriebe auf die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
aufmerksam gemacht. Die wichtigsten Dienstleistungen <strong>der</strong> BBW für Unternehmen sind:<br />
- Aufklärung über Behin<strong>der</strong>ungsarten und die Belange und Teilhabemöglichkeiten von<br />
jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
- Informationsseminare zur Aufklärung speziell für Mitarbeitende aus Unternehmen, die<br />
zukünftige Arbeitskolleginnen/-kollegen eines jMmB sind bzw. werden<br />
- Beratung bei <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>tengerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen<br />
- Beratung zu o<strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Beantragung behördlicher Formalitäten<br />
- Kontakte zu den richtigen Ansprechpartnern <strong>der</strong> Arbeitsagentur o<strong>der</strong> dem<br />
Integrationsamt herstellen<br />
- Verhandlungen mit den Behörden und Ämtern für das Unternehmen übernehmen<br />
- Information über die Arbeit eines BBW und die Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung<br />
- Organisation von Paten in Kooperation mit den Arbeitgebern/ -innen, die neu<br />
eingestellten Mitarbeitenden im Unternehmen zu begleiten<br />
- Beratung über die Qualifikation und die Einsatzmöglichkeiten <strong>der</strong> Absolventen/ -innen<br />
sowie mögliche Nachqualifikationen<br />
- Informationen zur „behin<strong>der</strong>tengerechten“ Formulierung von Stellenausschreibungen.<br />
Die konkreten Dienstleistungen für einzelne Unternehmen werden durch gezielte<br />
Öffentlichkeitsarbeit ergänzt. So werden in Fachpublikationen <strong>der</strong> Wirtschaft Informationen<br />
über das BBW, die jungen Menschen und <strong>der</strong>en Berufsausbildung platziert. Veranstaltungen<br />
von und mit Akteuren <strong>der</strong> Wirtschaft werden als Plattformen genutzt, um Informationen zum<br />
BBW zu verbreiten und die Netzwerke weiter auszubauen. Diese Präsentationen sind<br />
beson<strong>der</strong>s dann überzeugend, wenn Best Practice Beispiele gelungener Integrationen auf<br />
dem ersten Arbeitsmarkt Bestandteil <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit sind.<br />
6.6 Integrationsför<strong>der</strong>nde und –hemmende Faktoren in den<br />
Unternehmen<br />
Zunächst werden externe Einflussfaktoren wie gesetzliche Regelungen und die<br />
demografische Entwicklung in Bezug auf ihre integrationsför<strong>der</strong>nde Wirkung beschrieben.<br />
Anschließend erfolgt eine Darstellung <strong>der</strong> weichen För<strong>der</strong>faktoren auf Seiten <strong>der</strong><br />
Unternehmen (Kultur, Umfeld).<br />
33
Die Bereitschaft von Betrieben, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung einzustellen, hängt neben den<br />
allgemeinen Angebots- und Nachfragefaktoren am Arbeitsmarkt auch von einer Reihe<br />
weiterer Faktoren ab: hierzu zählen neben den vorhandenen staatlichen<br />
Beschäftigungsanreizen auch die Haltung und persönliche Einstellung <strong>der</strong><br />
Personalverantwortlichen in den Betrieben. Im Folgenden soll es um Erfahrungen im Projekt<br />
sowie Erkenntnisse aus einer im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung gehen:<br />
Welche unternehmensbezogenen Faktoren sind geeignet, Integrationen zu för<strong>der</strong>n und<br />
welche Bedenken gibt es auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen?<br />
Nicht alle Unternehmen sind - aus den unterschiedlichsten Gründen - im gleichen Maße<br />
bereit, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung als Fachkräfte einzustellen. Befragungen im Rahmen des<br />
Projektes zeigen mögliche Gründe für o<strong>der</strong> gegen ein integratives Beschäftigungsverhältnis<br />
auf. Von insgesamt 237 Unternehmen, an die Fragebögen versandt wurden, haben 49<br />
Unternehmen (= 20,7 %) geantwortet.<br />
Die Ergebnisse des Projektes Integration inklusive werden im Folgenden mit den<br />
Ergebnissen <strong>der</strong> IAW-Studie verglichen. Darin werden die Beschäftigungschancen von<br />
Menschen mit Schwerbehin<strong>der</strong>ungen in 39 privaten Unternehmen in Bremen und<br />
Bremerhaven untersucht (Fietz et al. 2011).<br />
För<strong>der</strong>leistungen<br />
Von den im Projekt Integration inklusive zur Verfügung stehenden För<strong>der</strong>leistungen sind den<br />
49 befragten Unternehmen am häufigsten die Einglie<strong>der</strong>ungszuschüsse (23 %) und<br />
Probebeschäftigungen (21 %) bekannt. 60 % <strong>der</strong> Unternehmen halten die För<strong>der</strong>ung für<br />
ausreichend, wohingegen 15 % <strong>der</strong> Unternehmen die För<strong>der</strong>ung als unzureichend<br />
einschätzen. Für 29 % <strong>der</strong> Unternehmen ist die För<strong>der</strong>ung eine Einstellungsvoraussetzung<br />
von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Die IAW-Studie weist zudem eine positive Auswirkung von För<strong>der</strong>leistungen auf<br />
Neueinstellungen und den Arbeitsplatzerhalt nach. Die Studie zeigt weiter auf, dass<br />
Unternehmen, die Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung einstellen, im hohen Maße För<strong>der</strong>leistungen<br />
nutzen, um eventuelle „Nachteile“ eines solchen Arbeitsverhältnisses auszugleichen.<br />
Durch die Erfahrungen <strong>der</strong> am Projekt beteiligten BBW und Unternehmensverbände wurde<br />
festgestellt, dass viele Unternehmen nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend über die<br />
För<strong>der</strong>möglichkeiten Kenntnis haben. Auch ist auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen die Befürchtung<br />
vor einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand durch eine Beantragung von<br />
För<strong>der</strong>leistungen festzustellen. Häufig schätzen sie das Verfahren als unkalkulierbar ein.<br />
Gerade hier konnten nach den Gesprächen <strong>der</strong> BBW und <strong>der</strong> Unternehmensverbände<br />
<strong>der</strong>artige Vorbehalte bzw. Unklarheiten auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen ausgeräumt werden.<br />
Diese „Aufklärungsarbeit“ ist ein zentraler Bestandteil eines guten Beratungs- und<br />
Informationsgespräches <strong>der</strong> BBW/Unternehmensverbände mit den Unternehmen. Aus<br />
diesem Grund wurde ein im Projekt erstelltes Informationsblatt für Unternehmen mit einer<br />
Übersicht über die möglichen För<strong>der</strong>leistungen bei Beratungen eingesetzt.<br />
Ausgleichsabgabe<br />
In vielen Betrieben in Deutschland ist die gesetzliche Pflichtquote zur Beschäftigung von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung nicht erfüllt. 22 Dabei könnte sich die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichsabgabe<br />
durch die Neueinstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung im Einzelfall erheblich vermin<strong>der</strong>n.<br />
22 Die gesetzliche Pflichtquote <strong>der</strong> Arbeitgeber zur Beschäftigung von schwerbehin<strong>der</strong>ten Menschen<br />
ist in § 71 SGB IX geregelt und beträgt <strong>der</strong>zeit fünf Prozent.<br />
34
Jedoch zeigt die IAW-Studie, dass die Ausgleichsabgabe die Einstellungspolitik in<br />
Unternehmen gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung nicht beeinflusst. Die Studie berichtet,<br />
dass Betriebe, die die Quote nicht erfüllen, davon ausgehen, dass die Zahlung von<br />
Ausgleichsabgaben wirtschaftlicher sei als die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />
(Fietz et al. 2011)<br />
Kündigungsschutz<br />
Im Kontakt mit Arbeitgebern/ -innen wurde deutlich, dass rechtliche Son<strong>der</strong>regelungen wie<br />
<strong>der</strong> Kündigungsschutz hemmend auf die Einstellungsbereitschaft <strong>der</strong> Unternehmen wirken.<br />
22 % <strong>der</strong> befragten Unternehmen sehen im beson<strong>der</strong>en Kündigungsschutz eine<br />
Schwierigkeit, wenn es um die Einstellung eines Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung geht. In <strong>der</strong><br />
Befragung <strong>der</strong> Unternehmen wie auch in den durch Integrationsfachkräfte begleiteten<br />
Einstellungsgesprächen wird insgesamt die Befürchtung deutlich, Angestellte mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung nicht mehr entlassen zu können. Weitere Probleme sehen befragte Betriebe<br />
durch notwendige bauliche Verän<strong>der</strong>ungen (25 %) sowie <strong>der</strong> Einrichtung von<br />
behin<strong>der</strong>tengerechten Arbeitsplätzen (20 %) auf sich zukommen 23 .<br />
Die IAW-Studie kommt zu diesem Ergebnis, dass die Mehrheit <strong>der</strong> Betriebe den beson<strong>der</strong>en<br />
Kündigungsschutz für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung ablehnt. Es wird als eine Einmischung des<br />
Gesetzgebers in die originär betriebliche Entscheidung <strong>der</strong> Kündigung kritisiert. Der Verweis<br />
darauf, dass das Integrationsamt in den meisten Fällen einer Kündigung zustimmt, relativiert<br />
die Kritik nicht. Denn gleichgültig, ob das Integrationsamt <strong>der</strong> Kündigung zustimmt o<strong>der</strong> sie<br />
ablehnt, bleibt für die befragten Unternehmen <strong>der</strong> Verwaltungs- und Kostenaufwand<br />
bestehen.<br />
Demografischer Wandel<br />
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel schaffen neue Chancen und Möglichkeiten<br />
für BBW-Absolventen/ -innen. Rund die Hälfte <strong>der</strong> Unternehmen bejahen diese Frage.<br />
Die demografische Entwicklung könnte sich jedoch auch integrationshemmend auswirken. In<br />
<strong>der</strong> IAW-Studie wird diese These durch die Verschiebung <strong>der</strong> Alterspyramide begründet, da<br />
mit steigendem Alter die Behin<strong>der</strong>ungen während des Arbeitslebens zunehmen. Durch eine<br />
wachsende Anzahl älterer Mitarbeiten<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen sehen sich viele Betriebe nicht<br />
in <strong>der</strong> Lage, zusätzlich jMmB einzustellen. Denn für beide Gruppen von Beschäftigten wäre<br />
es notwendig, die Arbeitsorganisation zu verän<strong>der</strong>n, Arbeitsplätze anzupassen bzw. gemäß<br />
<strong>der</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auch neue Stellen zu schaffen (unter<br />
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes). Hierbei würden die Unternehmen <strong>der</strong> Sicherung<br />
des Personalbestands Vorzug vor einer eventuellen Neueinstellung geben.<br />
Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
Vorbehalte gegenüber <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sind ein<br />
schwerwiegen<strong>der</strong> integrationshemmen<strong>der</strong> Faktor. So haben die BBW wie auch die<br />
Unternehmensverbände in Gesprächen mit Unternehmen Vorbehalte gegenüber Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ungen erlebt. Am häufigsten wurde <strong>der</strong> Vorbehalt genannt, dass sie<br />
leistungsschwächer 24 seien (35 %). Auch befürchten die Unternehmen, dass eine längere<br />
Einarbeitungszeit notwendig sei. Betriebe, die im Laufe des Projektes Menschen mit<br />
23 Diese Angaben sind ein Indiz dafür, dass auch aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die mögliche Art <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung meist mit Körperbehin<strong>der</strong>ung gleichgesetzt wird bzw. in <strong>der</strong> subjektiven Wahrnehmung<br />
an die erste Stelle gesetzt wird.<br />
24 Der gesetzlich geregelte Ausgleich <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>leistung ist faktisch häufig finanziell gedeckelt.<br />
35
Behin<strong>der</strong>ung eingestellt haben, nehmen <strong>der</strong>en Arbeitskraft jedoch nicht als<br />
leistungsgemin<strong>der</strong>t wahr. Stattdessen wird gerade <strong>der</strong>en Leistungsbereitschaft (85 %) und<br />
Durchhaltevermögen (80 %) gelobt.<br />
Die angesprochenen Vorbehalte werden von den Projektteilnehmenden ebenfalls<br />
wahrgenommen. In nahezu allen Telefoninterviews wurden Schwierigkeiten bei <strong>der</strong><br />
Stellensuche bestätigt, die auf die Behin<strong>der</strong>ung zurückzuführen sind. Diese Vorbehalte<br />
gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung durch Aufklärungsarbeit abzubauen, hat daher hohe<br />
Priorität und stellt eine Daueraufgabe dar, solange Inklusion noch keine Normalität in <strong>der</strong><br />
Arbeitswelt geworden ist.<br />
Die IAW-Studie verdeutlicht, dass für Unternehmen die Leistungsfähigkeit des/ <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmers/ -nehmerin das entscheidende Kriterium für eine Einstellung ist, denn nur<br />
dann ist das Beschäftigungsverhältnis gleichzeitig auch wirtschaftlich vertretbar. Betriebe, die<br />
die Pflichtquote nicht erfüllt haben, sehen hohe Leistungs-, Flexibilitäts- und<br />
Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitsplätze als nicht kompatibel mit den Voraussetzungen<br />
schwerbehin<strong>der</strong>ter Menschen. Diese Ansicht resultiert meist aus negativen<br />
Einzelerfahrungen, die auf die gesamte Gruppe von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
generalisierend übertragen werden.<br />
Bei Unternehmen, die bereits Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung beschäftigen, verän<strong>der</strong>t sich die<br />
Wahrnehmung und es wird hinsichtlich <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit des Personaleinsatzes eine<br />
positive Bilanz gezogen. Die Ergebnisse des Projektes Integration inklusive und <strong>der</strong> IAW-<br />
Studie stimmen darin überein, dass die Annahme einer vermin<strong>der</strong>ten Leistungsfähigkeit ein<br />
integrationshemmendes Vorurteil darstellt, das jedoch häufig nicht mit <strong>der</strong> Realität<br />
übereinstimmt.<br />
Erschwerend wirkt sich dieser Vorbehalt insbeson<strong>der</strong>e dann aus, wenn es um die<br />
Beschäftigung von jMmB geht, die in den Fachpraktiker-Berufen nach § 66 BBiG bzw. § 42<br />
m HwO ausgebildet sind. Aus fehlendem Wissen über <strong>der</strong>artige praxisorientierte Berufsbil<strong>der</strong><br />
wird das Vorurteil einer generell vermin<strong>der</strong>ten Leistungsfähigkeit von Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung fälschlich auf alle Personen mit einem entsprechenden Ausbildungsabschluss<br />
übertragen.<br />
Soziale Verantwortung<br />
Unternehmen, die sensibel mit ihrer sozialen Verantwortung umgehen, befürworten<br />
durchwegs die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung. Erfahrungen <strong>der</strong> Projekt-BBW<br />
und <strong>der</strong> beteiligten Unternehmensverbände zeigen, dass das soziale Verantwortungsgefühl<br />
in kleinen und inhabergeführten Betrieben oft stärker ausgeprägt ist als in Großunternehmen.<br />
Die IAW-Studie zeigt, dass die wenigsten Betriebe die Beschäftigung von Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung für die Vermarktung eines sozialen Unternehmensimages nutzen. Dabei könnte<br />
„Corporate Social Responsibility“ 25 (CSR) ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Selbstdarstellung <strong>der</strong> Unternehmen sein. Die Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
könnte verstärkter marktwirksam genutzt werden und Präsenz für das Thema „Integration“<br />
schaffen.<br />
25 Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein Konzept unternehmerischer Verantwortung, das die<br />
Idee <strong>der</strong> Nachhaltigkeit aufnimmt und die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales mit<br />
unternehmerischem Handeln verbindet. CSR umfasst die Aktivitäten <strong>der</strong> Unternehmen in den Fel<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> sozialen, ethischen und ökologischen Verantwortung. CSR-Aktivitäten gehen über gesetzliche<br />
Verpflichtungen hinaus, d. h. sie sind freiwillig.<br />
36
Um die Vielfalt in Unternehmen zu för<strong>der</strong>n, sollten Stellenausschreibungen sich explizit auch<br />
an Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wenden 26 . Hilfreich wären zudem Aussagen darüber, für<br />
welche Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung die Stelle geeignet ist.<br />
Synergieeffekte durch Kooperation<br />
Eine enge Kooperation zwischen öffentlichen Einrichtungen und Akteuren <strong>der</strong> Wirtschaft wird<br />
auch in <strong>der</strong> IAW-Studie als wichtiger integrationsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Faktor benannt. Demnach wird<br />
das Gelingen einer Zusammenarbeit <strong>der</strong> Unternehmen mit den Integrationsämtern als<br />
maßgebliche Voraussetzung für die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung gesehen.<br />
Gleiches gilt auch für die Rolle <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (BA), wenn es um die<br />
Integration von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt geht. Erst wenn<br />
Unternehmen Kontakte zur BA besitzen, werden die vielfältigen För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />
wahrgenommen. Hierzu können die BBW im Kontext des Absolventenmanagements<br />
wichtige Türöffner sein.<br />
26 Ob stattdessen anonyme, diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren wie in einem aktuellen<br />
Modellversuch unter Beteiligung <strong>der</strong> Telekom hier Abhilfe schaffen können, bleibt abzuwarten.<br />
37
6.7 Abbrüche<br />
In insgesamt 60 Fällen sind jMmB vorzeitig aus dem Projekt ausgeschieden 27 . Die Initiative<br />
für den Abbruch <strong>der</strong> Teilnahme ging in 29 Fällen vom Teilnehmenden aus, in 15 Fällen<br />
plädierte das betreuende BBW für einen Projektabbruch, und in 13 Fällen wurde die<br />
Betreuung im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. In den übrigen drei Fällen ging die<br />
Initiative zur vorzeitigen Beendigung von Dritten aus.<br />
Die Gründe, die zu einem Abbruch des Projektes führten, waren individuell sehr verschieden,<br />
wie Tabelle 5 zeigt:<br />
Grund des Projektabbruchs Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
Fehlen intrinsischer Motivation 21<br />
Übergang in an<strong>der</strong>e Tätigkeit 13<br />
Sonstige Gründe 9<br />
Gesundheitliche Gründe (Krankheit) 7<br />
Familiäre Gründe (u.a. Schwangerschaft) 4<br />
Einglie<strong>der</strong>ung in eine WfbM 3<br />
Übergang in Unterstützte Beschäftigung 3<br />
Tabelle 5: Abbruchgründe<br />
Am häufigsten vertreten war das Fehlen intrinsischer Motivation bei 21 Teilnehmenden.<br />
Diese Gruppe teilt sich auf in elf Teilnehmende, die von sich aus das Projekt abgebrochen<br />
haben und weitere acht Fälle, denen trotz intensivster Bemühungen von Seiten des BBW ein<br />
Ausstieg wegen mangeln<strong>der</strong> Mitwirkung nahe gelegt wurde. Bei zwei Teilnehmenden<br />
erfolgte <strong>der</strong> Ausstieg im gegenseitigen Einvernehmen.<br />
13 Teilnehmende haben außerhalb des Projektes eine Anschlussbeschäftigung gefunden:<br />
sei es eine an<strong>der</strong>e Ausbildung bzw. Umschulung (11) o<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit (2).<br />
In sieben Fällen war eine Verschlechterung <strong>der</strong> gesundheitlichen Verfassung <strong>der</strong> Grund des<br />
Ausscheidens: Krankheit (4), psychische Gründe (1) bzw. Verrentung (2).<br />
Insgesamt vier Personen konnten aufgrund familiärer Umstände (Pflege von Angehörigen<br />
bzw. Schwangerschaft) keine Erwerbstätigkeit aufnehmen und in neun Fällen waren an<strong>der</strong>e,<br />
nicht genauer benannte Gründe die Ursache für ein vorzeitiges Ausscheiden <strong>der</strong><br />
Teilnehmenden. Schließlich wurden noch jeweils drei Teilnehmende in eine Unterstützte<br />
Beschäftigung (UB) bzw. in eine Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen (WfbM) eingeglie<strong>der</strong>t.<br />
6.8 Zusammenfassung und Fazit<br />
Eine kompetente, individuelle Betreuung <strong>der</strong> BBW-Auszubildenden während und nach <strong>der</strong><br />
Ausbildung bis über die Arbeitsaufnahme hinaus ist <strong>der</strong> beste Garant, um eine Integration in<br />
den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und dauerhaft abzusichern. Dies trägt nicht nur zur<br />
Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> einzelnen jMmB bei. Vielmehr können durch diese positiven Beispiele<br />
auch Vorbehalte von Seiten <strong>der</strong> Unternehmen abgebaut werden.<br />
27 Verlauf und Status <strong>der</strong> Teilnehmenden wurden laufend durch die Projektbeteiligten vor Ort<br />
aktualisiert; die beson<strong>der</strong>en Gründe und Umstände, die zu Abbrüchen führten, wurden zusätzlich über<br />
Interviews ermittelt.<br />
38
Unternehmen sind an konkreten Unterstützungsleistungen bei einer Beschäftigung von<br />
jMmB interessiert und begrüßen, wenn es beim Bewerbungsprozess und auch nach <strong>der</strong><br />
Einstellung entsprechende Angebote <strong>der</strong> BBW aus einer Hand gibt.<br />
Im Fall einer großen räumlichen Distanz zwischen dem Ausbildungs-BBW und dem<br />
Heimatort, an den ein Großteil <strong>der</strong> jMmB nach ihrer Ausbildung im BBW zurückkehrt, stößt<br />
eine wohnortnahe Organisation <strong>der</strong>artiger BBW-Dienstleistungen jedoch an strukturelle<br />
Grenzen.<br />
Die Kooperation zwischen BBW und Wirtschaft wirkt sich jedoch nicht nur auf die<br />
unmittelbare Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung positiv aus. Der Dialog mit<br />
Unternehmen vermittelt den BBW darüber hinaus laufend aktuelle Kenntnisse über<br />
betriebliche Anfor<strong>der</strong>ungen an zukünftige Mitarbeitende. Langfristig ermöglichen diese<br />
Erkenntnisse den BBW, die Ausbildungsinhalte optimal an die Bedürfnisse <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
anzupassen. Durch die Bündelung des arbeitsweltrelevanten Wissens entstehen kooperative<br />
Integrationsprozesse und Synergieeffekte, welche am Nutzen <strong>der</strong> Beteiligten orientiert sind.<br />
Exkurs: Ausbildungsberufe nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO<br />
Vorrangiges Ziel alle Bemühungen zur beruflichen Teilhabe von jMmB ist ein<br />
berufsqualifizieren<strong>der</strong> Abschluss. Wenn möglich, sollte dieser in einem anerkannten<br />
Ausbildungsberuf (§ 64 BBiG) abgelegt werden, im Einzelfall auch unter Zuhilfenahme des<br />
§ 65 BBiG/ § 42 l HwO (Nachteilsausgleich).<br />
Einem Teil <strong>der</strong> jMmB ist dennoch eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf<br />
nicht möglich. Hierzu zählen insbeson<strong>der</strong>e Personen mit Lernbehin<strong>der</strong>ung.<br />
Wenn Art o<strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung eine „Voll“-Ausbildung nicht erlauben, ist daher<br />
eine Ausbildung nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO durchzuführen: diese Ausbildungen betonen<br />
die Seite berufspraktischer Fertigkeiten, die Anfor<strong>der</strong>ungen im Bereich <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Fachtheorie sind dagegen reduziert.<br />
Bei diesen Ausbildungsregelungen und –angeboten kommt <strong>der</strong> Arbeitsmarktfähigkeit<br />
beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Es sollen Qualifikationen vermittelt werden, die behin<strong>der</strong>ten<br />
Menschen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Art und Schwere ihrer Behin<strong>der</strong>ung gleichwohl<br />
bestmögliche Teilhabechancen eröffnen. Neben den Kammern als zuständigen Stellen für<br />
die Umsetzung ist daher auch häufig die BA in die Zulassung <strong>der</strong>artiger<br />
Ausbildungsregelungen vor Ort einbezogen.<br />
In Folge <strong>der</strong> Möglichkeiten, die <strong>der</strong> Gesetzgeber mit § 66 BBiG bzw. § 42 m HwO geschaffen<br />
hat, sind in Deutschland seit Verabschiedung des BBiG im Jahre 1969 etwa 1000<br />
verschiedene Ausbildungsregelungen erlassen worden, die inhaltlich wie auch von den<br />
Bezeichnungen her voneinan<strong>der</strong> abweichen.<br />
Diese Einzelregelungen sollen nach <strong>der</strong> Novellierung des BBiG 2005 und nach<br />
Empfehlungen des zuständigen BIBB Hauptausschusses in den kommenden Jahren<br />
überprüft und vereinheitlicht werden. Ferner sollen künftig alle Abschlussbezeichnungen<br />
bundeseinheitlich den Titel „Fachpraktiker/-in für“ bzw. „Fachpraktiker/-in im“ tragen.<br />
Generelles Ziel ist es, über die Berufsbezeichnungen einen direkten Bezug zu den<br />
Bezeichnungen <strong>der</strong> anerkannten Ausbildungsberufe herzustellen.<br />
Mit <strong>der</strong> Rahmenregelung für Ausbildungsregelungen für behin<strong>der</strong>te Menschen gemäß § 66<br />
BBiG/§ 42 m HwO (vom Dezember 2009) wurden ferner Qualitätsstandards für die<br />
Ausbildung Behin<strong>der</strong>ter formuliert.<br />
39
Über den BIBB-Hauptausschuss liegen darüber hinaus erste konkrete Empfehlungen für<br />
Ausbildungsregelungen zu den Bereichen Büro, Hauswirtschaft, Holz, Metall und Verkauf<br />
vor. Diese Empfehlungen sollen die verschiedenen, von den Berufsbildungsausschüssen <strong>der</strong><br />
Industrie- und Handelskammern beschlossenen „Behin<strong>der</strong>tenregelungen“ ablösen.<br />
Das Organ, welches diese Entwicklungen unter Einbeziehung <strong>der</strong> Sozialpartner und <strong>der</strong><br />
Kammern koordiniert, ist <strong>der</strong> Ausschuss für Fragen behin<strong>der</strong>ter Menschen (AFbM) beim<br />
BIBB. Die konkreten Empfehlungen werden von berufsspezifischen Arbeitsgruppen unter<br />
Fe<strong>der</strong>führung des BIBB erarbeitet.<br />
Zunehmend werden auch jene Berufsbereiche ins Blickfeld gerückt, in denen es bisher nur<br />
wenige o<strong>der</strong> gar keine Ausbildungsregelungen gab, die aber für jMmB als geeignet<br />
angesehen werden. Neben den „traditionellen“ Ausbildungsbereichen soll damit eine<br />
Erweiterung des bisherigen Ausbildungsspektrums ermöglicht werden. Diese Vorschläge<br />
werden anschließend vom AFbM beraten.<br />
7 Projekt-Output – eine Analyse erfolgreicher<br />
Integrationen<br />
Bislang wurde untersucht, welche Faktoren die Integrationsprozesse im Einzelnen<br />
beeinflussen. In diesem Kapitel geht es entlang <strong>der</strong> Evaluationsfragestellungen (siehe<br />
Kapitel 2 Projektbeschreibung) um die Ergebnisse dieser Prozesse, d.h. in wie vielen Fällen<br />
eine Integration erfolgreich war, welche Faktoren die Integration beeinflussen und was<br />
daraus abgeleitet werden kann.<br />
Im Wesentlichen beeinflusst die Herausfor<strong>der</strong>ung, die die zweite Schwelle für jMmB<br />
bedeutet, ebenso wie die Nachfrage am Arbeitsmarkt die anschließende Integration. Es<br />
gelingt nicht allen Absolventen/ -innen <strong>der</strong> BBW im Zeitraum <strong>der</strong> ersten zwölf Monate nach<br />
ihrer Ausbildung eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen. Deutlich macht dies<br />
die folgende Tabelle, aus <strong>der</strong> die Integrationsquoten 28 <strong>der</strong> letzten Jahre zu entnehmen sind.<br />
Jahr 2006 2007 2008 2009 2010<br />
Integrationsquote in % 56,8 60,0 58,0 56,9 52,0<br />
Tabelle 6: Integrationsquoten aller BBW (Quelle: eigene Berechnung mit Daten von Eichhorn/<br />
Schwarzer 2011b; Eichhorn/ Karbach 2009)<br />
In den Jahren 2009 und 2010 wurden insgesamt 319 junge Menschen in das Projekt<br />
Integration inklusive aufgenommen unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass sie sechs Monate nach<br />
Ausbildungsabschluss noch keine Arbeit gefunden hatten. Die durchschnittliche Dauer ihrer<br />
Arbeitslosigkeit lag bei knapp elf Monaten.<br />
Zum Ende des Projektes im März 2011 waren von diesen jMmB integriert:<br />
• 117 Teilnehmende (= 36,68 %) in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit<br />
• 13 Teilnehmende (= 4,08 %) eine nicht-sozialversicherungspflichtige Arbeit und<br />
• 4 Teilnehmende (= 1,25 %) in eine hinsichtlich <strong>der</strong> Sozialversicherungspflichtigkeit nicht<br />
bekannte Arbeit<br />
Somit haben insgesamt 134 Teilnehmende (= 42,01 % <strong>der</strong> Projektteilnehmenden) eine Arbeit<br />
gefunden.<br />
28 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung incl. ABM, stichtagsbezogen ein Jahr nach Ausbildung<br />
40
7.1 Soziodemografische Aspekte<br />
Welche Rolle spielen sozio-biografische Daten bei <strong>der</strong> Integration jMmB?<br />
Im Folgenden wird <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> verschiedenen sozio-demografischen Merkmale auf die<br />
Arbeitsmarktchancen 29 <strong>der</strong> Projektteilnehmenden untersucht.<br />
Als Erstes wird das Geschlecht betrachtet. Die Erwerbsquoten von Männern und Frauen sind<br />
nahezu gleich hoch: 41 % <strong>der</strong> Teilnehmerinnen und 42 % <strong>der</strong> Teilnehmer sind erwerbstätig 30 .<br />
Das Geschlecht hat somit keinen Einfluss auf die Frage, ob die Teilnehmenden erwerbstätig<br />
sind o<strong>der</strong> nicht. Auch eine Tätigkeit im erlernten Berufsfeld wird nicht durch das Geschlecht<br />
beeinflusst.<br />
Als weiteres sozio-demografisches Merkmal wurde das Alter betrachtet. Die Abbildung 15<br />
zeigt, dass jüngere Teilnehmende nach Verlassen des BBW bessere Erwerbsquoten haben.<br />
Dieser Zusammenhang wurde bereits zu Beginn des Projektes vermutet (vgl. Kapitel 4). Es<br />
zeigt sich damit, dass das Abgangsalter aus dem BBW Einfluss auf die<br />
Arbeitsmarktintegration hat. Dies bestätigt auch die IW-Absolventenbefragung: „Je später die<br />
Absolventen/ -innen des BBW in ihrem Leben die Ausbildung beenden und dem<br />
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, desto geringer sind ihre Chancen auf Erwerbsarbeit“<br />
(Neumann et al., 2010). Hier ist durch die Integrationsfachkräfte <strong>der</strong> BBW eine beson<strong>der</strong>e<br />
Unterstützung notwendig.<br />
Anteil (Nicht-) Erwerbstätiger innerhalb<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Altersgruppen<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
9<br />
7<br />
Nicht Erw erbstätig<br />
Erw erbstätig<br />
72<br />
55<br />
59<br />
45<br />
Bis 21 Jahre 22 bis 23 24 bis 25 26 bis 27 28 bis 29 30 Jahre und<br />
älter<br />
Altergruppen<br />
Abbildung 15: Altersgruppen <strong>der</strong> Teilnehmenden nach Erwerbstätigkeit (N = 318, Stand 2011)<br />
Der Schulabschluss <strong>der</strong> Teilnehmenden kommt bei <strong>der</strong> Frage, ob ein Wechsel des<br />
Berufsfelds stattgefunden hat, zum Tragen. Ein höherer Schulabschluss <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
geht einher mit einer höheren Chance, im erlernten Berufsfeld tätig zu sein (p = 0,020) 31 . Das<br />
29 Die Arbeitsmarktchancen setzen sich im Folgenden aus zwei verschiedenen Aspekten zusammen:<br />
zum einen aus <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Teilnehmenden. Und zum an<strong>der</strong>en aus <strong>der</strong> Frage, ob die<br />
integrierten Teilnehmenden in ihrem erlernten Berufsfeld tätig sind o<strong>der</strong> in ein an<strong>der</strong>es Berufsfeld<br />
wechseln mussten.<br />
30 Die Betrachtung <strong>der</strong> Erwerbsquote erfolgte innerhalb <strong>der</strong> Gruppe des Geschlechts.<br />
31 Im Folgenden wird jeweils bei statistisch signifikanten Zusammenhängen die<br />
Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau) p angegeben. Der Zusammenhang zwischen zwei<br />
Merkmalen wird hier als signifikant angesehen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p unter 1 liegt.<br />
Zudem werden im Text nur jene Signifikanzniveaus ausgewiesen, die unter diesen Bedingungen als<br />
signifikant gelten können.<br />
41<br />
27<br />
14<br />
14<br />
4<br />
9<br />
3
wird aus <strong>der</strong> Abbildung 16 ersichtlich: die Anzahl an erwerbstätigen Teilnehmenden, die nicht<br />
in ihrem erlernten Berufsfeld tätig sind, sinkt mit höherem Schulabschluss. Auf die Frage, ob<br />
die Teilnehmenden überhaupt erwerbstätig sind o<strong>der</strong> nicht, hat das Bildungsniveau hingegen<br />
keinen Einfluss.<br />
Anzahl an Teilnehmenden<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
36<br />
39<br />
9<br />
5 6<br />
4<br />
Kein Schulabschluss (qualifizierter)<br />
Hauptschulabschluss<br />
42<br />
18<br />
Realschulabschluss/<br />
Mittlere Reife<br />
Art des höchsten Schulabschlusses<br />
Tätigkeit im erlernten Berufsfeld<br />
Tätigkeit in an<strong>der</strong>em Berufsfeld<br />
0<br />
Allgemeine/<br />
Fachgebundene<br />
Hochschulreife<br />
Abbildung 16: Tätigkeit im erlernten Berufsfeld nach <strong>der</strong> Art des höchsten Schulabschlusses<br />
(N = 117, Stand 2011)<br />
Weitere sozio-demografische Merkmale <strong>der</strong> Teilnehmenden, die im Projekt erfasst wurden,<br />
sind <strong>der</strong> Migrationshintergrund und die Wohnsituation. Bei den im Projekt vertretenen<br />
Personen konnte kein Einfluss des Migrationshintergrunds auf die Arbeitsmarktchancen<br />
festgestellt werden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob die Befragten in einer eigenen<br />
Wohnung, bei den Eltern o<strong>der</strong> in einer an<strong>der</strong>en Wohnsituation (bei Verwandten, Freunden,<br />
etc.) leben.<br />
7.2 Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
Handelt es sich bei den nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach<br />
Ausbildungsabschluss noch nicht vermittelten Jugendlichen um einen Personenkreis mit<br />
einer beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsart? Ausgebildet werden in den Berufsbildungswerken junge<br />
Menschen mit Lern-, Körper-, Sinnes-, psychischer o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung.<br />
Welchen Einfluss haben verschiedene Behin<strong>der</strong>ungsformen auf die Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong><br />
jungen Menschen? Zur Analyse werden zunächst die neurologische bzw. psychische<br />
Behin<strong>der</strong>ung sowie die Sinnes-, Körper-, Lern- o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung unterschieden.<br />
Zusätzlich wird <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung berücksichtigt. Bei einer genaueren Betrachtung<br />
zeigt sich, dass die Frage, welche Behin<strong>der</strong>ung vorliegt, einen signifikanten Einfluss hat auf<br />
die Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Projektteilnehmenden (p = 0,048). Die einzelnen Behin<strong>der</strong>ungsarten<br />
besitzen dabei unterschiedliche Wirkung.<br />
Die Abbildung 17 zeigt in absoluten Zahlen, welche Teilnehmenden mit welchen<br />
Behin<strong>der</strong>ungsarten integriert wurden. Auf den ersten Blick scheint eine Integration mit einer<br />
Körperbehin<strong>der</strong>ung nicht so erfolgreich. Ein Einfluss auf eine Erwerbstätigkeit o<strong>der</strong> eine<br />
Tätigkeit im erlernten Beruf ist bei Körperbehin<strong>der</strong>ungen und neurologischen bzw.<br />
psychischen Behin<strong>der</strong>ungen allerdings rechnerisch nicht nachweisbar. Liegt hingegen eine
Lern- o<strong>der</strong> Sinnesbehin<strong>der</strong>ung 32 vor (p = 0,074 bzw. p = 0,061), ist die Wahrscheinlichkeit<br />
auf eine Erwerbstätigkeit größer als bei an<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsarten.<br />
Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
körperbehin<strong>der</strong>t<br />
85<br />
35<br />
64<br />
hörbehin<strong>der</strong>t<br />
31<br />
42<br />
lernbehin<strong>der</strong>t<br />
23<br />
26<br />
neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />
10<br />
psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />
43<br />
Anzahl Teilnehmende<br />
Anzahl Integrierte Teilnehmende<br />
18 16<br />
4<br />
sprachbehin<strong>der</strong>t<br />
Behin<strong>der</strong>ungsart<br />
10<br />
1<br />
sehbehin<strong>der</strong>t<br />
0<br />
66<br />
mehrfachbehin<strong>der</strong>t<br />
Abbildung 17: Behin<strong>der</strong>ungsart nach Erwerbstätigkeit und allen Projektteilnehmenden (N =<br />
318, Stand 2011)<br />
Im Hinblick auf den Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) konnte mit den hier angewandten<br />
statistischen Verfahren kein statistisch signifikanter Einfluss auf die Erwerbstätigkeit<br />
nachgewiesen werden.<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
54<br />
43<br />
14<br />
w eniger als 30 30 bis w eniger als 50 50 bis 100<br />
Nicht Erw erbstätig Erw erbstätig<br />
Behin<strong>der</strong>ungsgrad (gruppiert)<br />
Abbildung 18: Erwerbstätigkeit nach Behin<strong>der</strong>ungsgrad (N = 308, Stand 2011)<br />
Die Abbildung 18 zeigt dennoch, dass mit steigendem Behin<strong>der</strong>ungsgrad die Erwerbsquote<br />
abnimmt. Dies legt die Vermutung nahe, dass ein linearer negativer Zusammenhang<br />
zwischen dem Behin<strong>der</strong>ungsgrad (Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung) und <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit<br />
besteht (vgl. Neumann et al., 2010, S. 101).<br />
32<br />
Die Sinnesbehin<strong>der</strong>ung stellt dabei eine zusammengefasste Kategorie aus Seh-, Hör- und<br />
Sprachbehin<strong>der</strong>ung dar.<br />
9<br />
120<br />
68<br />
21
7.3 Berufliche Flexibilität und räumliche Mobilität<br />
In welchem Maße tragen individuelle berufliche Flexibilität und Mobilität zu<br />
Integrationserfolgen bei? (Regionale Arbeitsmarktsituation)<br />
Zu den am Arbeitsmarkt beson<strong>der</strong>s nachgefragten Eigenschaften von Arbeitnehmenden<br />
zählen die berufliche Flexibilität, räumliche Mobilität und Formen von Sozialkompetenz<br />
(Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit etc.). Unter beruflicher Flexibilität ist dabei die<br />
Bereitschaft zu verstehen, auch in einem an<strong>der</strong>en Bereich als dem erlernten Beruf zu<br />
arbeiten. Die räumliche Mobilität bezieht sich auf die Bereitschaft, für einen Arbeitsplatz den<br />
Wohnort zu wechseln. Beide Merkmale wurden im Rahmen des Projektes als<br />
Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> Teilnehmenden erfasst. Diese subjektive Perspektive muss bei<br />
<strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> Angaben berücksichtigt werden.<br />
Den Daten <strong>der</strong> Teilnehmernachbefragung ist zu entnehmen, dass 2008 rund je<strong>der</strong> dritte<br />
erwerbstätige Absolvent bereits nach einem Jahr den Arbeitgeber/ -innen gewechselt hat<br />
(Eichhorn/ Karbach 2009). Dieser Wert von genau 34,3 % stieg in 2009 auf 46,9 % an, in<br />
2010 wie<strong>der</strong>um sank er auf 35,9 % (Eichhorn/ Schwarzer 2011b). Im Jahr 2008 arbeiteten<br />
22,8 % nicht im ausgebildeten Berufsfeld, im Folgejahr waren es 22,2 %. Im Jahr 2010 traf<br />
dies auf ein Viertel <strong>der</strong> Absolventen/ -innen zu. Diese Ergebnisse spiegeln die wirtschaftliche<br />
Situation wi<strong>der</strong> und zeigen eine hohe berufliche Flexibilität <strong>der</strong> Absolventen/ -innen.<br />
Auf Basis <strong>der</strong> bisherigen Kenntnisse zu Berufsverläufen wäre zu erwarten gewesen, dass<br />
eine größere berufliche Flexibilität auch die Erwerbschancen verbessert. Mit dem<br />
vorliegenden Datensatz konnte jedoch kein Einfluss <strong>der</strong> beruflichen Flexibilität auf eine<br />
Erwerbstätigkeit nachgewiesen werden.<br />
Ebenfalls zu vermuten ist eine hohe Korrelation zwischen dem Wechsel des Berufsfelds bei<br />
erwerbstätigen Projektteilnehmenden und hoher beruflicher Flexibilität. Eine größere<br />
Bereitschaft, in einem an<strong>der</strong>en als dem erlernten Berufsfeld zu arbeiten, führt tatsächlich<br />
häufiger zu einem Wechsel des Tätigkeitsfelds (p = 0,001).<br />
Die Bereitschaft, für einen Arbeitsplatz einen Umzug in Kauf zu nehmen, hat ebenfalls<br />
keinen messbaren Einfluss auf die Erwerbsquote; je<strong>der</strong> Zweite ist generell zu einem<br />
Wohnortwechsel bereit und hiervon die Hälfte auch überregional. Diese Präferenzen<br />
bestehen sowohl bei den integrierten wie nicht integrierten Teilnehmenden ohne<br />
nennenswerten Unterschied.<br />
Entscheiden<strong>der</strong> ist die Mobilität <strong>der</strong> jungen Menschen vor Ort durch den Besitz eines<br />
Führerscheins. Eine Fahrerlaubnis beeinflusst hoch signifikant die Erwerbstätigkeit (p = ,000)<br />
<strong>der</strong> Projektteilnehmenden. Es überrascht allerdings, dass die Verfügbarkeit eines PKWs für<br />
die Teilnehmenden mit Führerschein keine weitere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit hat.<br />
Anzunehmen wäre vielmehr, dass erst die Verfügbarkeit eines eigenen Fahrzeugs –<br />
beson<strong>der</strong>s in ländlichen Gegenden – das entscheidende Kriterium für Mobilität ist. Das<br />
vorliegende Ergebnis weist jedoch eher auf eine große Bedeutung des Führerscheins für die<br />
Unternehmen selbst hin: damit künftige Mitarbeitende auch Fahrzeuge des Unternehmens<br />
fahren können, ist <strong>der</strong> Besitz einer Fahrerlaubnis wichtig. Ein eigener, privater PKW ist dabei<br />
eher zweitrangig. Die Annahme, dass Mobilität nur für die Arbeitsabläufe <strong>der</strong> Unternehmen<br />
von Bedeutung ist, wird bestätigt, wenn man die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs<br />
betrachtet. Auch dieses Merkmal hat keinen Einfluss auf die Erwerbschancen <strong>der</strong><br />
Teilnehmenden, obwohl es einen zentralen Aspekt von räumlicher Mobilität berührt: die<br />
Fähigkeit, eigenständig an den Arbeitsplatz zu gelangen.<br />
44
7.4 Ausbildungskonzepte und <strong>der</strong>en Wirkung<br />
Wird mit den zugrunde liegenden didaktischen Ausbildungskonzepten die<br />
Beschäftigungsfähigkeit hergestellt?<br />
Die Vorbereitung <strong>der</strong> Jugendlichen auf ihr kommendes Arbeitsleben ist fester Bestandteil <strong>der</strong><br />
gesamten Ausbildung. Beson<strong>der</strong>e Relevanz hat in dieser Phase - neben dem Lernort BBW -<br />
<strong>der</strong> Lernort Betrieb. Die fachpraktischen Phasen werden in Form betrieblicher Praktika<br />
unterstützt. Relevant ist hierbei neben <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Praktika insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>en Dauer.<br />
So erscheinen weniger, dafür aber längere Praktika für eine spätere Integration Erfolg<br />
versprechen<strong>der</strong> als mehrere kürzere Praktika (vgl. Abbildung 19). Lange Praktika sind<br />
demnach eine sinnvolle Maßnahme 33 , denn sie gestatten dem jMmB, nicht nur punktuell<br />
son<strong>der</strong>n umfassend einen Einblick in verschiedene betriebliche Abläufe zu gewinnen. Diese<br />
Einschätzung spiegelt sich in <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> sozio-demografischen Daten <strong>der</strong><br />
Projektteilnehmenden wie<strong>der</strong> 34 . Eine Verknüpfung betrieblicher und außerbetrieblicher<br />
Lernphasen, wie die BBW sie praktizieren, kann sogar gegenüber einer stringenten<br />
einzelbetrieblichen Ausbildung in KMU Vorteile für die Auszubildenden haben (z.B. breitere<br />
fachliche Qualifikation, Entwicklung <strong>der</strong> sozialen Kompetenzen in wechselnden Umgebungen<br />
etc.). Grund für die verbesserte Integration ist in den meisten Fällen, dass Absolventen/<br />
-innen schon während <strong>der</strong> Praktikumszeit potenzielle Arbeitgeber/ -innen kennen lernen<br />
können und persönliche Netzwerke aufbauen können. Auch die im Projekt interviewten<br />
Teilnehmenden bestätigen, dass Praktika hilfreich sind, um sich auf das Berufsleben<br />
vorzubereiten.<br />
Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
9<br />
20<br />
Bis zu 2<br />
Wochen<br />
55<br />
82<br />
Mehr als 2<br />
Wochen bis 1<br />
Monat<br />
18<br />
25<br />
Mehr als 1<br />
Monat bis 2<br />
Monate<br />
45<br />
14<br />
19<br />
Mehr als 2<br />
Monate bis 3<br />
Monate<br />
5<br />
8<br />
Mehr als 3<br />
Monate bis 6<br />
Monate<br />
13<br />
10<br />
Mehr als 6<br />
Monate<br />
Nicht Erw erbstätig Erw erbstätig Durchschnittliche Praktikumsdauer<br />
Abbildung 19: Erwerbsquoten nach <strong>der</strong> durchschnittlichen Praktikumsdauer (N = 308, Stand<br />
2011)<br />
Anhand <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung (siehe<br />
Kapitel 2 Projektbeschreibung) wird deutlich, dass <strong>der</strong> Lernort Betrieb zur<br />
Kompetenzentwicklung äußerst sinnvoll ist, um „Wettbewerbsvorteile“ <strong>der</strong> jungen Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ung weiter auszubauen. Auch wenn einige soziale Kompetenzen <strong>der</strong> jungen<br />
Menschen wie Selbstständigkeit, Konfliktfähigkeit und Kritikfähigkeit von den Unternehmen<br />
33 An dieser Stelle sei auf die Frage verwiesen, in welcher nach beson<strong>der</strong>en Maßnahmen zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Integrationschance gefragt wird.<br />
34 Das Ergebnis ist zwar nicht signifikant, trotzdem lässt sich ein Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />
Zeitdauer <strong>der</strong> gemachten Praktika <strong>der</strong> Absolventen und ihrem jetzigen Arbeitsverhältnis erkennen.
als noch verbesserbar eingestuft werden, bewerten diese die Leistungsbereitschaft,<br />
Teamfähigkeit und das Durchhaltevermögen <strong>der</strong> BBW-Teilnehmenden durchweg positiv 35 .<br />
Diese Eigenschaften weisen auf eine hohe Arbeitsmotivation <strong>der</strong> jMmB hin. Der Eindruck<br />
bestätigt sich durch die Telefoninterviews mit den Projektteilnehmenden: Einem großen Teil<br />
<strong>der</strong> Befragten ist es wichtig, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Das fachliche<br />
Interesse <strong>der</strong> jungen Menschen an ihrem erlernten Beruf spielt ebenfalls eine große Rolle –<br />
rund je<strong>der</strong> dritte jMmB gab im Interview an, das fachliche Gründe ausschlaggebend für die<br />
erfolgreiche Bewerbung waren.<br />
Betrachtet man die Integrationsquoten - differenziert nach <strong>der</strong> Art des Berufsabschlusses -<br />
und vergleicht diese mit den durchschnittlichen Integrationsquoten <strong>der</strong> Jahre 2006 bis 2008<br />
(zwölf Monate nach Ausbildungsabschluss), dann fällt auf, dass die Quoten bei<br />
vollqualifizierter Ausbildung jeweils deutlich über denen <strong>der</strong> Ausbildung nach § 66 BBiG /<br />
§ 42m HwO liegen. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass vollausgebildete jMmB am<br />
Arbeitsmarkt durchschnittlich leichter unterkommen als solche mit einem Fachpraktiker-<br />
Abschluss.<br />
Anteile <strong>der</strong><br />
Integrationen<br />
Arbeitsplatz<br />
gefunden (in %)<br />
kein Arbeitsplatz<br />
gefunden (in %)<br />
Vollqualifizierter Ausbildung<br />
BAG BBW<br />
Nacherhebung<br />
2006-2008<br />
Projekt<br />
Integration<br />
inklusive 2009-<br />
2011<br />
46<br />
Abschluss nach § 66 BBiG /<br />
§ 42m HwO<br />
BAG BBW<br />
Nacherhebung<br />
2006-2008<br />
Projekt<br />
Integration<br />
inklusive 2009-<br />
2011<br />
62,1 46,8 55,8 37,4<br />
37,9 53,2 44,2 62,6<br />
Tabelle 7: Integrationsquoten nach Ausbildungsabschluss im Vergleich (Quelle: Eichhorn/<br />
Karbach 2009, eigene Berechnungen)<br />
35 Einzelergebnisse <strong>der</strong> Unternehmensbefragung innerhalb des Projektes: Leistungsbereitschaft<br />
(85 %), Teamfähigkeit (90 %) und das Durchhaltevermögen (80 %).
7.5 Berufsabschluss und die Nachfragesituation<br />
Ein verän<strong>der</strong>tes Bild ergibt sich, wenn man die Quoten nach den Berufsfel<strong>der</strong>n zusätzlich mit<br />
einbezieht: hier macht sich insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> hohe quantitative Anteil des<br />
Ausbildungsberufsfeldes Wirtschaft und Verwaltung im Projekt mit 44,8 % aller jungen<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung bemerkbar. Bei einer durchschnittlichen Integrationsquote von<br />
42 % im Projekt ergibt sich für die einzelnen Berufsfel<strong>der</strong> im Projekt (mit zehn und mehr<br />
Teilnehmenden) folgende Verteilung:<br />
Anteil erwerbstätige Teilnehmende<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Holztechnik<br />
Berufsfeld<br />
<strong>der</strong><br />
Ausbildung<br />
16<br />
Agrarwirtschaft<br />
14<br />
Ernährung und Hauswirtschaft<br />
16<br />
47<br />
Metalltechnik<br />
81<br />
Farbtechnik und Raumgestaltung<br />
12<br />
Wirtschaft und Verwaltung<br />
Abbildung 20: Erwerbsquoten nach dem Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung (N = 282, Stand 2011)<br />
Es stellt sich daher die Frage:<br />
Werden Berufsgruppen, auch in beson<strong>der</strong>s geregelten Ausbildungsberufen gemäß § 66<br />
BBiG o<strong>der</strong> § 42 m HwO, auf dem Arbeitsmarkt stärker nachgefragt als an<strong>der</strong>e?<br />
Sieht man von spezifischen Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> lokal unterschiedlichen Arbeitsmärkte ab 36<br />
und ebenso von den konjunkturellen Schwankungen aufgrund <strong>der</strong> seit 2009 andauernden<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise (vor allem in <strong>der</strong> exportabhängigen Metall- und<br />
Elektroindustrie), so haben nach <strong>der</strong> aktuellen bundesweiten Auswertung des BBW-<br />
Abschlussjahrgangs 2009 (mit einer Integrationsquote im Bundesdurchschnitt von 56,8 %)<br />
insbeson<strong>der</strong>e hauswirtschaftliche Ausbildungsberufe durchweg gute und teilweise sehr gute<br />
Vermittlungsquoten, und das weitgehend unabhängig von <strong>der</strong> Art des Abschlusses (vgl.<br />
Eichhorn/ Schwarzer 2011b).<br />
Diese positiven Integrationsergebnisse (bezogen auf die ersten zwölf Monate nach<br />
Ausbildungsabschluss) werden durch die Ergebnisse des Projektes bei <strong>der</strong> Nachvermittlung<br />
bestätigt: auch beim Projekt Integration inklusive liegt die Integrationsquote im<br />
Ausbildungsberufsfeld Hauswirtschaft mit 43,8 % deutlich über <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Integrationsquote im Bereich <strong>der</strong> Fachpraktikerausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42 m<br />
HwO von 37,4 % (siehe Tabelle 7).<br />
36<br />
Zur unterschiedlichen Arbeitsmarktsituation in den Branchen Bau, GaLa, Automobilzulieferer siehe<br />
Kaptitel 5.<br />
143
Beruf<br />
Durchschnittliche BBW-Integrationsquote<br />
2009 (bundesweit, in %)<br />
Hauswirtschafter/ -in 76,5<br />
Beikoch/ -köchin 70,1<br />
Hauswirtschaftstechnische(r)<br />
Helfer/ -in 69,4<br />
Fachkraft Gastgewerbe 68,8<br />
Hauswirtschaftshelfer/ -in 60,2<br />
Tabelle 8: Bundesweite Integrationsquote in ausgewählten Berufsfel<strong>der</strong>n (2009) (Quelle:<br />
Eichhorn/ Schwarzer 2011b)<br />
Diese hohen Integrationsquoten sprechen für überdurchschnittlich gute Arbeitsmarktchancen<br />
im Bereich Ernährung und Hauswirtschaft auf Grundlage einer stabilen, ortsunabhängigen<br />
Nachfrage nach ausgebildeten Fachkräften 37 .<br />
Die durchschnittlichen Integrationsquoten im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung liegen<br />
bundesweit je nach Beruf und Art des Abschlusses zwischen 40 % bis 60 %. Die<br />
Vollausbildungen in diesem Bereich liegen dicht am Bundesdurchschnitt aller Integrationen<br />
(56,8 %), die Integrationsquote <strong>der</strong> Bürohelferberufe nach § 66 BBiG mit 41,4 % jedoch<br />
deutlich unter diesem Wert.<br />
Beruf Durchschnittliche BBW-Integrationsquote<br />
2009 (bundesweit, in %)<br />
Kaufmann/ -frau für<br />
Bürokommunikation<br />
48<br />
57,4<br />
Bürokaufmann/ -frau 59,8<br />
Bürokraft 41,4<br />
Tabelle 9: Bundesweite Erwerbsquote in ausgewählten Berufsfel<strong>der</strong>n (2009) (Quelle: Eichhorn/<br />
Schwarzer 2011b)<br />
Eine Analyse dieser Ergebnisse auf <strong>der</strong> Nachfrageseite muss berücksichtigen, dass zum<br />
einen die Komplexität <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen im Bürobereich in den vergangenen Jahrzehnten<br />
bei KMU stark gestiegen ist. Nicht zuletzt durch den IT-Einsatz wurden einfache<br />
Bürotätigkeiten abgebaut bzw. werden von den dort Beschäftigten mit erledigt. Zum an<strong>der</strong>en<br />
werden behin<strong>der</strong>tengerechte Arbeitsplätze oftmals nicht per Neueinstellung besetzt, son<strong>der</strong>n<br />
durch langjährige Mitarbeitende, die im Laufe ihres Berufslebens schwerbehin<strong>der</strong>t wurden.<br />
Erschwerend für eine Integration kommt hinzu, dass Personen in diesem Berufsfeld beruflich<br />
weniger flexibel sind, eine an<strong>der</strong>e berufliche Tätigkeit aufzunehmen, umgekehrt aber<br />
Personen aus an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong> in vielen Einzelfällen eine Beschäftigung<br />
im Bürobereich finden (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011b).<br />
37 Die wenigsten ausgebildeten Hauswirtschafterinnen sind als ebensolche auch beschäftigt, son<strong>der</strong>n<br />
angrenzende Branchen nehmen diese Fachkräfte auf (stationäre und ambulante Einrichtungen und<br />
Dienste unterschiedlicher Größe, Kantinen, Wäschereien usw.). Die BAG BBW e. V. wird künftig<br />
dieser Frage geson<strong>der</strong>t nachgehen.
Bürokräfte nach ihrer Ausbildung besser als bisher zu platzieren, hat weniger mit <strong>der</strong> Qualität<br />
<strong>der</strong> Ausbildung zu tun als mit dem komplexen Anfor<strong>der</strong>ungsprofil <strong>der</strong> Arbeitsplätze in diesem<br />
Bereich. Die Integration von Bürokräften (nach § 66 BBiG) dürfte so lange schwierig bleiben,<br />
wie die realen Arbeitsprozesse in den Unternehmen nicht – im Sinne <strong>der</strong> Inklusion - auch ein<br />
Stück weit an die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> jMmB angepasst werden.<br />
7.6 Zusatzqualifikationen<br />
Werden zur beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung beson<strong>der</strong>e Kenntnisse verlangt. Kann mit Hilfe von<br />
Fort- und Weiterbildungsangeboten die Integrationschance verbessert werden?<br />
Im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung wie prinzipiell auch in jedem an<strong>der</strong>en Berufsfeld<br />
können die Integrationschancen <strong>der</strong> jMmB durch passgenaue Zusatzqualifikationen<br />
verbessert werden. Damit ist nicht eine „Bildung auf Vorrat“ gemeint, son<strong>der</strong>n eine<br />
Fortbildung, die auf die Anfor<strong>der</strong>ungen eines konkreten Arbeitsplatzes hin ausgerichtet ist.<br />
Die im Projekt durchgeführte Unternehmensbefragung ergab, dass passgenaue fachliche<br />
Zusatzqualifikationen 38 für eine Einstellung för<strong>der</strong>lich sind.<br />
Welche Zusatzqualifikationen die Teilnehmenden im Einzelnen erhalten haben, zeigt die<br />
Abbildung 21. In erster Linie haben die Teilnehmenden zusätzliche Qualifikationen im<br />
Bereich <strong>der</strong> EDV abgelegt (Europäischer Computerführerschein – ECDL –,<br />
betriebsspezifische Buchhaltungssoftware, etc.). Weitere häufig belegte Qualifikationen<br />
waren Führerscheine für Staplerfahrzeuge.<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Staplerführerschein<br />
23<br />
ECDL<br />
25<br />
SAP/Buchhaltungssoftware<br />
12<br />
5<br />
Callcenter/Telefonmarketing<br />
an<strong>der</strong>e kfm. Zusatzqualifikation<br />
49<br />
8 7 6 6<br />
Schweißen<br />
Maschinensteuerung<br />
Sprachen (Englisch)<br />
Sonstiges<br />
Angebotene Zusatzqualifikationen<br />
Abbildung 21: Durchgeführte Arten <strong>der</strong> Zusatzqualifikation (N = 101; Stand 2011).<br />
7.7 Zusammenfassung<br />
Das Projekt Integration inklusive hat seine Arbeit dort aufgenommen, wo bisher die<br />
Integrationsarbeit <strong>der</strong> BBW endete: ab dem zweiten Halbjahr nach Ausbildungsabschluss.<br />
Mit Unterstützung durch Integrationsfachkräfte in den BBW sollten jMmB, welche die zweite<br />
Schwelle bis dahin noch nicht nehmen konnten, vermittelt werden. Zum Abschluss soll daher<br />
untersucht werden, ob und in welchem Umfange diese Integrationsprozesse sich als<br />
wirksam herausgestellt haben.<br />
38 Hierzu zählen z.B. Schweißerscheine, Stapler-Führerscheine, spezielle kaufmännische<br />
Buchhaltungsprogramme wie DATEV, SAP usw.<br />
9
Da sich das Projekt auf Absolventen/ -innen bezieht, die auch nach einem halben Jahr nach<br />
ihrem Abschluss noch nicht vermittelt waren, müssen bei einer Gesamtbetrachtung<br />
einerseits die bereits vorliegenden Vermittlungsergebnisse bis zur Projektaufnahme und<br />
solche ab <strong>der</strong> Projektaufnahme miteinan<strong>der</strong> verknüpft und zeitlich aufeinan<strong>der</strong> bezogen<br />
werden.<br />
In <strong>der</strong> folgenden Abbildung sind die Vermittlungsquoten<br />
• <strong>der</strong> ersten 12 Monate nach Ausbildung und<br />
• <strong>der</strong> Nachvermittlungen im Rahmen des Projektes Integration inklusive sowie<br />
• <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung (Langzeitbetrachtung 1995 - 2008)<br />
im Vergleich dargestellt.<br />
Vermittlungsquote<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Wirtschaft und Verwaltung<br />
Metalltechnik<br />
Berufsfeld<br />
Elektrotechnik<br />
Bautechnik<br />
Holztechnik<br />
Textiltechnik und Bekleidung<br />
Drucktechnik<br />
Farbtechnik und Raumgestaltung<br />
50<br />
Körperpflege<br />
Ernährung und Hauswirtschaft<br />
Agrarwirtschaft<br />
Vermittlungsquote in den BBW allgemein (2006-2008) inkl. Nachvermittlung im Projekt 2009-2011<br />
Vermittlungsquote in <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung<br />
Sonstige Berufe<br />
Abbildung 22: Vermittlungsquoten aus verschiedenen Studien nach Berufsfel<strong>der</strong>n im Vergleich<br />
(Quelle: eigene Berechnung)<br />
Wie <strong>der</strong> Abbildung zu entnehmen ist, liegen die Integrationsquoten in allen Berufsfel<strong>der</strong>n<br />
durch Aktivitäten <strong>der</strong> Nachvermittlung im Projekt deutlich über den Anfangswerten und<br />
teilweise sogar über den Langzeitwerten <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung; d.h. die im Projekt<br />
verfolgten Integrationsprozesse (Vermittlungscoaching und Kooperation/Netzwerke) haben<br />
auf das Integrationsziel hin Wirkung gezeigt und sind geeignet, die Integration deutlich zu<br />
steigern. Durchschnittlich konnte so das Ausgangsniveau <strong>der</strong> Integrationen 2006-2008 durch<br />
zusätzliche Integrationen um weitere 30 % gesteigert werden.
8 Transfer guter Praxis, Ausblick und Empfehlungen<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> einzelnen BBW sowie verschiedenartiger Ausbildungs- und<br />
Vermittlungsstrukturen weicht die Art und Weise <strong>der</strong> Integrationsarbeit von BBW zu BBW ab.<br />
Mit dem Projekt Integration inklusive wurden Ansätze zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
Integrationsarbeit erarbeitet, die nicht nur auf die teilnehmenden BBW anwendbar sind,<br />
son<strong>der</strong>n sich auf alle BBW übertragen lassen.<br />
Im Folgenden wird dargelegt, welche im Projekt entwickelten Maßnahmen dauerhaft Eingang<br />
in die Strukturen <strong>der</strong> beteiligten Berufsbildungswerke fanden. Beson<strong>der</strong>es Gewicht liegt<br />
dabei auf Maßnahmen, die von Seiten <strong>der</strong> Projektpartner als zielführend für eine erfolgreiche<br />
Integration betrachtet wurden. Bei dieser „guten Praxis“ geht es weniger um den Stellenwert<br />
<strong>der</strong> einzelnen Maßnahmen im Integrationsgeschehen, son<strong>der</strong>n um das Zusammenwirken<br />
unterschiedlicher Ansätze und Akteure im Verbund 39 . Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus<br />
Kooperationsprojekten <strong>der</strong> BBW lehren, dass die volle Wirksamkeit sich stetig verän<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />
Integrationsprozesse erst dann gegeben ist, wenn die Berufsbildungswerke, insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Führungsebene, diese neue Praxis als Organisationsentwicklungsprozess aktiv gestalten<br />
(vgl. Bachmeier 2009).<br />
Die am Projekt Integration inklusive beteiligten BBW und Unternehmensverbände stimmen<br />
überein, dass folgende Faktoren integrationsför<strong>der</strong>nd wirken. Sie können daher als „gute<br />
Praxis“ für alle Standorte empfohlen werden.<br />
• Da die Integration in den Arbeitsmarkt von Anfang an im Mittelpunkt <strong>der</strong> Ausbildung<br />
steht, werden die persönlichen Stärken <strong>der</strong> Auszubildenden bereits frühzeitig durch<br />
Instrumente wie den Kompetenzansatz o<strong>der</strong> ein Profiling für eine spätere<br />
Berufstätigkeit genutzt. Auch persönliche (endogene) und durch das Umfeld bedingte<br />
(exogene) Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Vermittlung 40 .<br />
• Ein auf die Zielgruppe abgestimmtes Bewerbungstraining wird sehr früh, spätestens<br />
ab dem zweiten Ausbildungsjahr in die Ausbildung <strong>der</strong> jungen Menschen<br />
aufgenommen. Interaktive Formen wie die Simulation von Vorstellungsgesprächen<br />
o<strong>der</strong> das Telefontraining auf dem Hintergrund verän<strong>der</strong>ter Kommunikationswelten<br />
sind dabei von zunehmen<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
• Innovative Präsentationsformen kommen bei den Bewerbungen verstärkt zu tragen.<br />
Dies kann die aktive Beteiligung von jMmB auf Veranstaltungen mit Arbeitgebern/<br />
-innen sein (z.B. Unternehmer-Frühstück etc.), die Nutzung von social media o<strong>der</strong> die<br />
persönliche Präsentation mittels kurzer Video-Clips 41 .<br />
• Die Ausschreibung und Suche von Arbeitsplätzen findet immer mehr über webbasierte<br />
Stellenbörsen und Bewerbungsverfahren statt. Die BBW bereiten die jMmB<br />
darauf vor, diese Instrumente für sich zu nutzen. Auch für die Integrationsfachkräfte<br />
39 Beispielhaft sei auf das Projekt BEIVIG (Betriebliches Einglie<strong>der</strong>ungsmanagement im Verbund mit<br />
IndustrieGemeinschaften) unter www.beivig.de hingewiesen, das vom Berufsför<strong>der</strong>ungszentrum<br />
Peters GmbH getragen und durch das BMAS geför<strong>der</strong>t wurde.<br />
40 Ein Beispiel aus mehreren BBW hierzu ist die frühzeitige Bestandsaufnahme und Analyse <strong>der</strong><br />
persönlichen Netzwerke, über die die jMmB verfügen, um diese für eine anschließende Integration zu<br />
mobilisieren. Ein weiteres Beispiel bildet die Ressourcenorientierung als Grundlage des<br />
Selbstmarketing bei Bewerbungen bei allen Projekt-BBW.<br />
41 Projekt Jobvideo (Bewerbungsvideo für jMmB) im BBW Potsdam, geför<strong>der</strong>t durch das BMAS<br />
51
ieten diese Plattformen häufig Services für die Integrationsfachkräfte an zur<br />
Prozesssteuerung und zum Controlling über größere Distanzen hinweg 42 .<br />
• Das Maß an persönlicher Selbständigkeit ist ein entscheidendes Kriterium für die<br />
erfolgreiche Arbeitsaufnahme nach <strong>der</strong> Ausbildung. Dies betonen Arbeitgeber/ -innen<br />
nicht nur im Hinblick auf jMmB. Die Projekte <strong>der</strong> BBW zur Unterstützung von jMmB<br />
über die Ausbildung hinaus folgen dem Prinzip des „För<strong>der</strong>n und For<strong>der</strong>ns“. Daher<br />
sind sie beson<strong>der</strong>s geeignet, um die Selbständigkeit <strong>der</strong> jungen Menschen zu stärken<br />
und stellen eine aktive Vorbereitung auf die spätere Erwerbstätigkeit dar.<br />
• Die Kooperation mit Betrieben während <strong>der</strong> Ausbildung von jMmB wird zum großen<br />
Teil von den Ausbildenden getragen (vgl. Kapitel 5 Strukturelle<br />
Rahmenbedingungen). Diese Zusammenarbeit erlaubt einen möglichst engen Bezug<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsinhalte auf die betriebliche Praxis und trägt zur ständigen<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungsqualität im BBW bei.<br />
• Integrationsarbeit für benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt ist ohne eine<br />
kontinuierliche Beobachtung des Arbeitsmarktes und aktive Stellenakquise nicht<br />
vorstellbar. Zugleich erfor<strong>der</strong>t eine erfolgreiche Akquise stabile und gute Kontakte <strong>der</strong><br />
BBW zur Wirtschaft. Im Vor<strong>der</strong>grund müssen dabei stets die Sichtweise <strong>der</strong><br />
Unternehmen und <strong>der</strong>en Belange stehen.<br />
• Bei vielen Unternehmen bestehen nach wie vor große Wissensdefizite über die<br />
Beschäftigung von jMmB (vgl. Handwerkskammer Münster 2007). Diese beziehen<br />
sich sowohl auf behin<strong>der</strong>ungsspezifische Fragestellungen, wie auch auf mangelnde<br />
Informationen über die Möglichkeiten staatlicher För<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong> Beschäftigung<br />
von jMmB 43 . Um dem Abhilfe zu schaffen, hat das BBW Husum eine Handreichung<br />
erarbeitet. Diese Kurzinformation ist auf Nachfrage bei <strong>der</strong> BAG BBW e. V. erhältlich.<br />
• Wenn es um die Frage geht, welche berufsfachlichen Kompetenzen Arbeitgeber/<br />
-innen interessieren, dann stellen spezielle Zusatzqualifikationen keinen Wert an sich<br />
dar; sie spielen aber dann eine ausschlaggebende Rolle, wenn sie genau zum<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsprofil eines Arbeitsplatzes passen (siehe Kapitel 6.2<br />
Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung).<br />
• Kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer erfolgreichen Kooperation mit<br />
Betrieben, dann werden nach und nach auch weitergehende Möglichkeiten <strong>der</strong> – mit<br />
den Arbeitgebern/ -innen abgestimmten – Personalentwicklung möglich, die über<br />
reine Rekrutierungsfragen hinausgehen (z.B. Qualifikationsentwicklung,<br />
Arbeitszeitmodelle) 44 .<br />
• Es gelingt nur ungefähr <strong>der</strong> Hälfte aller jungen Menschen, unmittelbar im Anschluss<br />
an ihre Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden (unabhängig vom Merkmal <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung). In allen an<strong>der</strong>en Fällen ist es sinnvoll, die Stellensuche, Bewerbung<br />
und Einarbeitung individuell zu begleiten (Vermittlungs- bzw. Jobcoaching/<br />
individueller Integrationsplan) 45 . Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e für am Arbeitsmarkt<br />
42<br />
Eine solche Plattform bietet das Arbeitsmarktportal www.integrationsverbund.de, das vom BBW<br />
Husum genutzt wird.<br />
43<br />
Einen <strong>der</strong>artigen Ansatz verfolgte das Projekt „Arbeit Inklusive“ mit einer Veranstaltungsreihe, bei<br />
<strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und Unternehmen zum Dialog zusammengeführt werden (www.lifeonline.de/aktuelle_projekte/p_arbeit_inkl.html).<br />
44<br />
Als Beispiel kann hier die L2 - agentur für taten in Leipzig genannt werden, die auch als<br />
Personaldienstleistung für Arbeitgeber agiert.<br />
45<br />
Dieses Prinzip wird auch in an<strong>der</strong>en Strukturen praktiziert wie z.B. dem „Netzwerk<br />
Integrationsassistenz in Brandenburg“ (NIAB http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-40-06-giga-<br />
52
enachteiligte Gruppen wie jMmB. Die Wirksamkeit dieser Formen <strong>der</strong> Unterstützung<br />
hat das Projekt Integration inklusive unter Beweis gestellt: den<br />
Integrationsfachkräften ist es durch die Zusammenarbeit mit Akteuren <strong>der</strong> regionalen<br />
Wirtschaft gelungen, 30 % <strong>der</strong> arbeitsuchenden jMmB zusätzlich zu integrieren, in<br />
einzelnen Berufsfel<strong>der</strong>n sogar weit darüber hinaus (siehe Anhang 5.6).<br />
• Auch wenn die Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse rapide zunimmt, bleibt für die BBW<br />
die Integrationsaufgabe bestehen, die Inklusion von jMmB so dauerhaft wie möglich<br />
abzusichern und Abbrüche nach einer Arbeitsaufnahme zu vermeiden<br />
(Präventionsprinzip). Mit den Integrationsfachkräften, die bereits die Phase <strong>der</strong><br />
Arbeitsaufnahme begleitet haben, sind für eine Nachbetreuung prinzipiell geeignete<br />
personelle Ressourcen in den BBW vorhanden. Die im Projekt für die Nachbetreuung<br />
genutzten personellen Kapazitäten (Betreuungsschlüssel ca. 1:20 und Dauer <strong>der</strong><br />
Nachbetreuung ca. sechs Monate) waren jedoch zu einem erheblichen Teil<br />
projektgebunden.<br />
• Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, Formen guter Praxis weiter zu verbreiten.<br />
Hierfür geeignete Formen sind <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch zwischen den<br />
Ausbildungseinrichtungen, Fortbildungsseminare und Workshops. Neue Impulse<br />
können sich dabei auch durch die Expertise Externer ergeben, anhand <strong>der</strong>er die<br />
eigene Praxis reflektiert werden kann. Im Projekt Integration inklusive regte z.B. ein<br />
Seminar mit dem Büro Berufsstrategie (Hesse & Schra<strong>der</strong>) an, bei Bewerbungen<br />
stärker die emotionale Seite sowie das Marketing in eigener Sache zu<br />
berücksichtigen.<br />
• Zu einer gelungenen Integration trägt schließlich auch das persönliche<br />
Unterstützungsnetzwerk bei, das einer Person zur Verfügung steht. Neben <strong>der</strong><br />
Familie spielen dabei freundschaftliche Kontakte eine beträchtliche Rolle: so lassen<br />
sich rund ein Drittel <strong>der</strong> Integrationen im Projekt auf das persönliche Umfeld<br />
zurückführen.<br />
In Anbetracht <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> BBW auf bestimmte Behin<strong>der</strong>ungsarten, <strong>der</strong><br />
regionalen Unterschiede <strong>der</strong> Arbeitsmärkte sowie <strong>der</strong> Notwendigkeit, die Unterstützung <strong>der</strong><br />
jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung so weit wie möglich an <strong>der</strong>en individuelle Fähigkeiten und<br />
Einschränkungen anzupassen, sind lokale Unterschiede in <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Maßnahmen<br />
naheliegend. Es lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze in <strong>der</strong> Vermittlungsarbeit<br />
unterscheiden:<br />
• Nach dem einen Modell sind Integrationsfachkräfte als Begleiter/ -in <strong>der</strong> jMmB<br />
rundum für diese zuständig (Coaching-Ansatz / pull-Faktor). Zugleich sind sie <strong>der</strong>/die<br />
erste Ansprechpartner/ -in, um die Betriebe zu beraten.<br />
• Ein von diesem personenzentrierten Ansatz abweichendes Modell geht stärker von<br />
den objektiven Anfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Besetzung von Arbeitsplätzen aus. Hier steht<br />
zunächst die Akquise offener Stellen im Vor<strong>der</strong>grund, anschließend die Steuerung<br />
des Integrationsprozesses durch Case-Manager (push-Faktor). Die Aufgaben im<br />
Integrationsprozess sind dabei meist auf mehrere Personen verteilt.<br />
integrationsassistenz.html). Dieses Projekt bietet in Ostbrandenburg ambulante Unterstützung durch<br />
die Integrationsassistenz mit verschiedensten beruflichen Erfahrungsmöglichkeiten. Es werden die<br />
Bereiche JobCoaching, Bedarfsdiagnostik, Arbeitsassistenz, Sozialtraining und Berufswegeplanung<br />
für die Teilnehmenden angeboten. Im Gegensatz zum Vorgehen bei Projektbeginn wendet sich NIAB<br />
mittlerweile direkt an Betroffene und Multiplikatoren und wird - auch aufgrund <strong>der</strong> geän<strong>der</strong>ten<br />
Rechtslage - nicht mehr von IFD durchgeführt.<br />
53
Egal, welchem Modell die Integrationsarbeit letztlich folgt, geht es in beiden Fällen um ein<br />
erfolgreiches Matching zwischen Anfor<strong>der</strong>ungs- und Bewerbendenprofil und um die<br />
Gewährleistung aller dafür erfor<strong>der</strong>lichen organisatorischen Schritte. Wie viele Aufgaben<br />
eine Integrationsfachkraft im Einzelfall hat und wie viele Kollegen/ -innen begleitend daran<br />
mitwirken, ist von BBW zu BBW unterschiedlich. Die Vielfalt in die Integrationsarbeit <strong>der</strong><br />
BBW sowie <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch untereinan<strong>der</strong> haben jedoch dazu beigetragen,<br />
Synergien zu nutzen und Innovationen zu för<strong>der</strong>n.<br />
Durch die erfolgreiche Arbeit im Projekt Integration inklusive wird deutlich, welche Relevanz<br />
wirtschaftsnahe, regionale Netzwerke für die Integration <strong>der</strong> jungen Menschen haben. Je<br />
enger das BBW mit an<strong>der</strong>en lokalen und regionalen Akteuren vernetzt ist, desto größer ist<br />
die Chance auf Integration für die Jugendlichen. Die Zusammenarbeit im Projekt mit<br />
Unternehmensverbänden, Kammern und wirtschaftsnahen Vereinigungen hatte folgende<br />
thematische Schwerpunkte:<br />
• Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für Unternehmen zu allen Fragen <strong>der</strong> beruflichen<br />
Integration von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (Flyer, gegenseitige Verlinkung<br />
<strong>der</strong> Web-Seiten, usw.)<br />
• Direkte Unterstützung von Betrieben bei <strong>der</strong> Beantragung von För<strong>der</strong>mitteln für eine<br />
Beschäftigung von jMmB sowie Training für Mitarbeitende des Unternehmens zum<br />
Abbau von Vorbehalten gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
• Geeignete Veranstaltungsformate weiterentwickeln und erproben (Unternehmer-<br />
Frühstück, Tag <strong>der</strong> Zeitarbeit, Fachseminare mit Muliplikatoren zu Fragen <strong>der</strong><br />
Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, Behin<strong>der</strong>tenbeauftragte gezielt<br />
ansprechen, Tage <strong>der</strong> Offenen Tür, Informationsveranstaltungen mit Arbeitsagentur<br />
bzw. SGB II-Träger, Integrationsfachdienst (IFD) u.ä.)<br />
• Formen des lokalen Jobsharing sowie geeignete Arbeitszeitmodelle weiterentwickeln<br />
und erproben – dazu können z.B. Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ) nach<br />
französischem Vorbild dienen.<br />
Die BBW haben umfangreiche Unternehmenskontakte. Nicht nur die Menge <strong>der</strong> Kontakte,<br />
son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s auch die enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen lassen sich<br />
quantitativ wie auch qualitativ im Sinne <strong>der</strong> oben dargestellten Prozessschritte bei <strong>der</strong><br />
Integration von jMmB nutzen. Wo dies im Verbund mit Verbänden und Einrichtungen <strong>der</strong><br />
lokalen Wirtschaft gelingt, werden die BBW zunehmend als umfassen<strong>der</strong><br />
Personaldienstleister für die Wirtschaft wahrgenommen.<br />
Einige <strong>der</strong> am Projekt beteiligten BBW haben signalisiert, die erfolgreiche Integrationsarbeit<br />
durch zusätzliche Stellen für Integrationsmitarbeitende fortsetzen zu wollen (BBW Neuwied,<br />
BBW Potsdam, BBW Rummelsberg). Eine auf Dauer angelegte professionelle<br />
Integrationsarbeit an <strong>der</strong> Zweiten Schwelle sowie die damit verbundenen personellen<br />
Ressourcen bedeuten jedoch einen zusätzlichen Aufwand. Sollen die dafür äquivalenten<br />
Kosten nicht durch eine BBW-interne Umverteilung aufgebracht werden (und damit<br />
Qualitätseinbußen in an<strong>der</strong>en Bereichen nach sich ziehen), so bedarf es an<strong>der</strong>er<br />
Finanzierungsinstrumente zur Stärkung <strong>der</strong> Integrationsarbeit. Hierbei können z.B.<br />
Integrationsprämien 46 flankierend einen Beitrag leisten. Konzeptionell werden diese <strong>der</strong>zeit<br />
jedoch nur bei Integrationen nach sechs Monaten für sechs Monate gezahlt. Für junge<br />
46 Von den am Projekt beteiligten BBW machen hiervon die BBW in Rummelsberg, Neuwied,<br />
Hamburg und Husum bereits Gebrauch. Integrationsprämien wirken sich in diesem Modell finanziell<br />
aus, wenn die bisherige Integrationsquote <strong>der</strong> BBW überschritten wird und <strong>der</strong> zusätzliche<br />
Verwaltungsaufwand refinanziert ist.<br />
54
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong>en Einschränkungen einer intensiveren Begleitung für eine<br />
dauerhafte Integration notwendig machen, können diese nicht genutzt werden. Das Projekt<br />
hat ebenso wie die IW-Absolventenbefragung gezeigt, dass auch nach sechs Monaten <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit Integrationen erfolgreich initiiert werden können. Auch hier können die BBW<br />
wertvolle Dienste leisten.<br />
Empfehlungen<br />
1. Gelingende Statuspassagen wie die Übergangsprozesse von jMmB an <strong>der</strong> Zweiten<br />
Schwelle benötigen Zeit. Eine professionelle Unterstützung erfor<strong>der</strong>t dabei neben <strong>der</strong><br />
Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten insbeson<strong>der</strong>e ausreichend Kontinuität.<br />
Unter diesen Voraussetzungen ist ein begleitendes Vermittlungscoaching von jMmB<br />
wirksam 47 . Gerade für junge Menschen mit schweren Teilhabeeinschränkungen sollte<br />
eine solche Begleitung nicht nur innerhalb <strong>der</strong> ersten sechs Monate nach<br />
Ausbildungsabschluss finanziert werden (Rahmenvertrag BAG BBW e. V. sowie<br />
Grundlage des Integrationsprämienmodells). Der Nutzen einer längeren Betreuung<br />
zeigt sich in den Integrationsquoten, die sich dadurch ein Jahr nach<br />
Ausbildungsabschluss nahezu verdoppeln lassen.<br />
2. Die staatlichen Anreize zur Integration in das Erwerbsleben nach einer erfolgreich<br />
abgeschlossenen Ausbildung sind – je nach Adressat - unterschiedlich gesetzt: die<br />
zahlreichen För<strong>der</strong>instrumente für Arbeitgeber/ -innen sind – wie zahlreiche Studien<br />
aufzeigen – nützlich und tragen dazu bei, die Beschäftigungsquote von Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung abzusichern. Umgekehrt kann jedoch <strong>der</strong> mit Ausbildungsabschluss<br />
erworbene Anspruch eines jMmB auf einjähriges Arbeitslosengeld mit dazu<br />
beitragen, dass sich Übergangszeiten verlängern und Übergangsrisiken erhöhen.<br />
3. Um die Beschäftigungsquote von jMmB nachhaltig zu steigern, ist eine intensive<br />
Aufklärung von Personalverantwortlichen über Fragen <strong>der</strong> Beschäftigung von<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in den Betrieben erfor<strong>der</strong>lich. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e für<br />
KMU, welche die gefor<strong>der</strong>te Beschäftigungsquote (noch) nicht erfüllen. Eine <strong>der</strong>artige<br />
Aufklärung sollte kontinuierlich in zweierlei Formen geleistet werden: zum einen in<br />
Form von Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Imagekampagne), zum an<strong>der</strong>en in Form einer<br />
kompetenten Beratungsleistung an die Betriebe.<br />
4. Inhaltlich sollte sich die Öffentlichkeitsarbeit/ Beratung vor allem auf drei Aspekte<br />
beziehen:<br />
a) Aufklärung über die generelle wie auch spezifische berufliche Leistungsfähigkeit<br />
von jMmB (d.h. über Einschränkungen wie auch über Stärken)<br />
b) Die Vielfalt staatlicher För<strong>der</strong>möglichkeiten bei <strong>der</strong> Beschäftigung von Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
c) Transparente Informationen über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in den<br />
Fachpraktiker-Berufen vermittelt werden.<br />
Bei <strong>der</strong>artigen Aufklärungsaktivitäten sind verstärkt regional und überregional<br />
Wirtschaftsverbände und Kammern als wichtige Multiplikatoren und Meinungsbildner<br />
mit einzubeziehen.<br />
47 Die Ressourcen entsprechen<strong>der</strong> lokaler Fachdienste sowie <strong>der</strong>en Kontinuität und Vernetzung sind<br />
nach Aussagen <strong>der</strong> Projektbeteiligten oftmals nur unzureichend gegeben. Die jMmB wünschen sich<br />
einen verlässlichen Ansprechpartner.<br />
55
5. Das Profil <strong>der</strong> Berufsbildungswerke verän<strong>der</strong>t sich seit Jahren kontinuierlich von einer<br />
Ausbildungseinrichtung hin zu einem kompetenten Personaldienstleister für die<br />
regionale Wirtschaft. Ein professionelles Übergangsmanagement erfor<strong>der</strong>t neben<br />
entsprechenden personellen Ressourcen auch umfassende interne Strukturen und<br />
verlässliche Zuständigkeiten in den Berufsbildungswerken. Die Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />
Einrichtungen und kontinuierliche Kontrolle <strong>der</strong> Wirkung dieser Verän<strong>der</strong>ungen<br />
sichern den Erfolg <strong>der</strong> Integrationsleistungen ab. Hilfreich sind flankierende Fort- und<br />
Weiterbildungsangebote für die Integrationsfachkräfte. Um diese erfolgreich zu<br />
realisieren, bedarf es sowohl <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen finanziellen Ausstattung zusätzlicher<br />
Integrationsleistungen als auch einer Planungssicherheit bei <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong><br />
Leistungen durch die BBW.<br />
56
Abkürzungsverzeichnis<br />
Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lesbarkeit werden im Text die in <strong>der</strong> Fachöffentlichkeit bekannten und<br />
benutzten Abkürzungen verwendet. Diese und weitere Abkürzungen werden in <strong>der</strong> folgenden<br />
Liste aufgeführt:<br />
AfbM Ausschuss für Fragen behin<strong>der</strong>ter Menschen (beim BIBB)<br />
allg. allgemein<br />
BA Bundesagentur für Arbeit<br />
BAG BBW e. V. <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V.<br />
BBiG Berufsbildungsgesetz<br />
BBW Berufsbildungswerk (auch: Berufsbildungswerke)<br />
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
BT Bundestag<br />
BvB Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme<br />
BVMW<br />
Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband<br />
Deutschlands e. V.<br />
ca. circa<br />
CSR Corporate Social Responsibility<br />
d.h. das heißt<br />
DIA-AM Diagnose Arbeitsmarktfähigkeit<br />
EA/AP Eignungsabklärung/ Arbeitserprobung<br />
ECDL Europäischer Computer Führerschein<br />
etc. et cetera<br />
e. V. eingetragener Verein<br />
GaLa Garten- und Landschaftsbau<br />
GdB Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
ggf. gegebenenfalls<br />
HEGA<br />
Handlungsempfehlungen/ Geschäftsanweisungen (<strong>der</strong> Bundesagentur<br />
für Arbeit)<br />
HwO Handwerksordnung<br />
IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
IAW Institut Arbeit und Wirtschaft, Bremen<br />
IFD Integrationsfachdienst<br />
IHK Industrie- und Handelskammer<br />
IW Institut <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft, Köln<br />
jMmB junge Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
KMU Kleinere und mittlere Unternehmen<br />
o.ä. o<strong>der</strong> ähnliche(s)<br />
u.a. unter an<strong>der</strong>em<br />
u.ä. und ähnliche(s)<br />
UN United Nations (Vereinte Nationen)<br />
vgl. vergleiche<br />
WfbM Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen<br />
57
Literaturverzeichnis<br />
Bachmeier, Otto (2009): Organisationsentwicklung am BBW zur Verankerung <strong>der</strong><br />
Verzahnten Ausbildung, in: Seyd, Wolfgang (Hrsg.): Durch Kooperation zum Erfolg,<br />
Hamburg.<br />
Ben<strong>der</strong>, David (2010): Voraussetzungen für die nachhaltige Anwendung <strong>der</strong> Internationalen<br />
Klassifikation <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit, Behin<strong>der</strong>ung und Gesundheit (ICF) in <strong>der</strong><br />
Rehabilitationspraxis, Marburg.<br />
Blickwede, Inga; et al. (2005): Netzwerk „Jugendliche an <strong>der</strong> 2. Schwelle“ – Unterstützung<br />
Jugendlicher und junger Erwachsener bei <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt,<br />
(Hrsg.) Projekt Qualifikations-Entwicklungs-Management (QUEM), QUEM-Materialien<br />
65, Berlin.<br />
Bundestags-Drucksache BT 16/6044: Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung über die Wirkung <strong>der</strong><br />
Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention vom<br />
02.07.2007.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (Hrsg., 2011): Datenreport zum<br />
Berufsbildungsbericht 2011. Informationen und Analysen zur Entwicklung <strong>der</strong><br />
beruflichen Bildung, Bonn.<br />
Dorau, Ralf; et al. (2006): Berufliche Entwicklungen junger Fachkräfte nach Abschluss <strong>der</strong><br />
Ausbildung. Projektbeschreibung, (Hrsg.) Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB),<br />
Forschungsprojekt Nr. 2.1.201, Bonn.<br />
Dorau, Ralf; et al. (2009): Berufliche Entwicklungen junger Fachkräfte nach Abschluss <strong>der</strong><br />
Ausbildung. <strong>Abschlussbericht</strong>, (Hrsg.) Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB),<br />
Forschungsprojekt Nr. 2.1.201, Bonn.<br />
Eichhorn, Wilhelm; Karbach, Bernd (2009): Statistik <strong>der</strong> <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />
Berufsbildungswerke. Belegungs- und Anmeldesituation in den Berufsbildungswerken<br />
und Teilnehmer-Nachbefragung 2006-2008, (Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />
Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.), Berlin.<br />
Eichhorn, Wilhelm; Schwarzer, Felix (2011a): Berufliche Rehabilitation in den<br />
Berufsbildungswerken. Teilnehmer-Nachbefragung 2009-2010, Hrsg.:<br />
<strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.), Berlin.<br />
Eichhorn, Wilhelm; Schwarzer, Felix (2011b): Statistik <strong>der</strong> <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />
Berufsbildungswerke. Belegungs- und Anmeldesituation in den Berufsbildungswerken<br />
und Teilnehmer-Nachbefragung 2009-2010, (Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />
Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.), Berlin (unveröffentlicht).<br />
Fietz, Brigitte et al. (2011): Die Beschäftigung schwerbehin<strong>der</strong>ter Menschen auf dem ersten<br />
Arbeitsmarkt- Einstellungsgründe und Einstellungshemmnisse - Akzeptanz <strong>der</strong><br />
Instrumente zur Integration, (Hrsg.) Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), Bremen.<br />
Handwerkskammer Münster (Hrsg., 2007): Projekt Integration in den Arbeitsmarkt (PIA) -<br />
Neue Wege <strong>der</strong> Arbeitsmarktintegration für Jugendliche, behin<strong>der</strong>te Menschen sowie<br />
Migranten und Migrantinnen. Ergebnisse - Erkenntnisse – Empfehlungen, Münster.<br />
Haslberger, Julia (2010): Persönliche Zukunftsplanung im Übergang von <strong>der</strong> Schule ins<br />
Berufsleben, Diplomarbeit, Universität Wien.<br />
58
Linten, Markus; Prüstel, Sabine (2011): Auswahlbibliografie „Übergänge: Jugendliche an <strong>der</strong><br />
ersten und zweiten Schwelle“, (Hrsg.) Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bonn.<br />
Neumann, Michael et al. (2010): Kosten und Nutzen <strong>der</strong> beruflichen Rehabilitation junger<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> funktionalen Beeinträchtigungen – eine<br />
gesamtwirtschaftliche Analyse (Hrsg.) Institut <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft (IW), Köln.<br />
Seibert, Holger; Kleinert, Corinna (2009): Ungelöste Probleme trotz Entspannung, Institut für<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg.<br />
Seyd, Wolfgang (Hrsg., 2009): Durch Kooperation zum Erfolg, Hamburg.<br />
Seyd, Wolfgang; Schulz, Katrin (2009): Megatrends BBW-Teilnehmer/innen 2004 bis 2008,<br />
(Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.),<br />
Berlin (unveröffentlicht).<br />
Seyd, Wolfgang; Schulz, Katrin (2010): Teilnehmereingangserhebung (TEE) – die sechste.<br />
Erhebung <strong>der</strong> Eingangsvoraussetzungen bei den Berufsbildungswerks-Teilnehmern -<br />
Ergebnisse 2009, (Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke (BAG<br />
BBW e. V.), Berlin (unveröffentlicht).<br />
Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (2011): Arbeitsmarkt in Zahlen. Arbeitslosenquoten<br />
2010, Nürnberg.<br />
Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (ohne Jahr, Berichtsjahr 2009): Arbeitsmarkt in Zahlen.<br />
Arbeitslosenquoten 2009, Nürnberg.<br />
59