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Abschlussbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft der ...

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<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong><br />

Berufsbildungswerke e. V.<br />

zum Modellprojekt<br />

Integration inklusive<br />

Integration junger Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung, Teilhabe am Arbeitsleben<br />

2009 - 2011<br />

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung............................................................................................................. 1<br />

2 Projektbeschreibung............................................................................................ 2<br />

3 Zusammenfassung.............................................................................................. 4<br />

Exkurs: Die „zweite Schwelle“.............................................................................. 5<br />

4 Projektinput – das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden....................................................... 6<br />

4.1 Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden .................................................................... 8<br />

4.2 Wohn- und Lebenssituation.......................................................................... 8<br />

4.3 Geschlecht ................................................................................................... 8<br />

4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund ........................................... 9<br />

4.5 Wohnort und räumliche Mobilität.................................................................. 9<br />

4.6 Behin<strong>der</strong>ungen............................................................................................. 9<br />

4.7 Besuchte Schule ........................................................................................ 11<br />

4.8 Berufsfel<strong>der</strong> und Art des Ausbildungsabschlusses..................................... 11<br />

4.9 Sozialkompetenzen .................................................................................... 13<br />

4.10 Zusammenfassung..................................................................................... 13<br />

5 Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Integrationsprozesse............................. 14<br />

5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen.......................................................... 14<br />

5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen .................................................... 16<br />

5.3 Profil <strong>der</strong> BBW (allgemein) ......................................................................... 16<br />

5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs Regionen.. 19<br />

Hamburg............................................................................................................ 19<br />

Husum ............................................................................................................... 20<br />

Leipzig ............................................................................................................... 21<br />

Neuwied ............................................................................................................ 21<br />

Potsdam ............................................................................................................ 22<br />

Rummelsberg .................................................................................................... 23<br />

5.5 Vernetzung mit <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft........................................................ 24<br />

6 Integrationsprozesse ......................................................................................... 28<br />

6.1 Vorbereitung <strong>der</strong> Integration während <strong>der</strong> Ausbildung ............................... 29<br />

6.2 Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung ............................... 30<br />

6.3 Kontaktpflege im Projekt bei großen Distanzen zum Heimatort <strong>der</strong> jMmB . 31<br />

6.4 Integrationsunterstützung nach <strong>der</strong> Arbeitsaufnahme................................ 31<br />

6.5 Dienstleistungen für die Wirtschaft............................................................. 32<br />

6.6 Integrationsför<strong>der</strong>nde und –hemmende Faktoren in den Unternehmen..... 33<br />

För<strong>der</strong>leistungen ............................................................................................... 34<br />

Ausgleichsabgabe ............................................................................................. 34<br />

Kündigungsschutz ............................................................................................. 35<br />

Demografischer Wandel .................................................................................... 35<br />

Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung .......................................... 35<br />

Soziale Verantwortung ...................................................................................... 36<br />

Synergieeffekte durch Kooperation ................................................................... 37<br />

6.7 Abbrüche.................................................................................................... 38<br />

6.8 Zusammenfassung und Fazit ..................................................................... 38<br />

Exkurs: Ausbildungsberufe nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO ................................. 39<br />

7 Projekt-Output – eine Analyse erfolgreicher Integrationen ................................ 40<br />

7.1 Soziodemografische Aspekte..................................................................... 41<br />

7.2 Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung ............................................................. 42<br />

7.3 Berufliche Flexibilität und räumliche Mobilität............................................. 44


7.4 Ausbildungskonzepte und <strong>der</strong>en Wirkung .................................................. 45<br />

7.5 Berufsabschluss und die Nachfragesituation ............................................. 47<br />

7.6 Zusatzqualifikationen.................................................................................. 49<br />

7.7 Zusammenfassung..................................................................................... 49<br />

8 Transfer guter Praxis, Ausblick und Empfehlungen........................................... 51<br />

Empfehlungen ................................................................................................... 55<br />

Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. 57<br />

Literaturverzeichnis .................................................................................................. 58


1 Einleitung<br />

Der Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung über die Wirkung <strong>der</strong> Instrumente zur Sicherung von<br />

Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention (BT-Drucksache 16/6044 vom 02.07.2007)<br />

benennt unter den drei sozialpolitischen Schwerpunktthemen als ein herausragendes<br />

Handlungsfeld die Ausbildung junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung. Nach Auffassung <strong>der</strong><br />

Bundesregierung sollen zukünftig die „Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen des<br />

Erwerbslebens (wie von <strong>der</strong> Schule in die Ausbildung, von <strong>der</strong> Ausbildung in den Beruf) […]<br />

noch stärker berücksichtigt“ werden und Modellvorhaben verstärkt in <strong>der</strong> „Fläche erprobt“<br />

werden und die „Bildung von regionalen Netzwerken zu überregionalen weiterentwickelt<br />

werden“ (BT-Drucksache 16/6044).<br />

Das von <strong>der</strong> <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.) in<br />

Kooperation mit Wirtschaftsverbänden seit 2008 geplante und ab 2009 durchgeführte<br />

Modellprojekt „Integration inklusive – Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, Teilhabe<br />

am Arbeitsleben“ zielt genau auf die Verbesserung des Übergangs Ausbildung – Beruf sowie<br />

auf die Gestaltung effizienter Netzwerke ab.<br />

Die BAG BBW e. V. legt hiermit den Endbericht für das Kooperationsprojekt vor, das in<br />

sechs unterschiedlichen Regionen gemeinsam von den Berufsbildungswerken (BBW) und<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren durchgeführt wurde. Ziel des Berichts ist es,<br />

auf Basis <strong>der</strong> Fragestellungen sowie Ergebnisse <strong>der</strong> begleitenden Evaluation zur Verbreitung<br />

guter Praxis bei beruflichen Inklusionsprozessen beizutragen und damit die Umsetzung <strong>der</strong><br />

UN-Konvention 1 voranzubringen – insbeson<strong>der</strong>e „die gleichberechtigte Teilhabe behin<strong>der</strong>ter<br />

Menschen am Arbeitsleben“ (Art. 27).<br />

Die Form <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Projektergebnisse folgt dabei dem Integrationsweg <strong>der</strong><br />

teilnehmenden jungen Menschen in Arbeit und Beschäftigung. Dieser personenzentrierte<br />

Ansatz ist in <strong>der</strong> Lage, den gesamten Projektverlauf - mit sehr differenzierten<br />

Rahmenbedingungen in den einzelnen Regionen wie auf Seiten <strong>der</strong> Teilnehmenden - sowie<br />

die erzielten Ergebnisse abzubilden. Die Form <strong>der</strong> Darstellung ist kompatibel mit den<br />

Prozessebenen des Qualitätsmanagements in sozialen Organisationen. Bei <strong>der</strong> Evaluation<br />

werden daher Input, Strukturen, Prozess und Outcome betrachtet. Abgeschlossen wird die<br />

Darstellung mit einem Kapitel zum Ergebnistransfer.<br />

Die BAG BBW e. V. möchte sich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken, die zum<br />

Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Hierzu zählen neben dem Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales (BMAS) und <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (BA) auch <strong>der</strong><br />

Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Darüber hinaus richtet sich <strong>der</strong> Dank<br />

an die unmittelbaren Teilprojektpartner in den sechs Regionen. Deren gute regionale<br />

Zusammenarbeit hat sich mittlerweile so weiterentwickelt und gefestigt, dass die<br />

Kooperationspartner - auch über das Ende <strong>der</strong> Projektlaufzeit hinaus - als ein Netzwerk<br />

fungieren.<br />

Mit <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Projektergebnisse können nicht nur Projektteilnehmende an den<br />

sechs Modellstandorten profitieren, son<strong>der</strong>n zukünftig alle BBW-Absolventen/ -innen.<br />

1<br />

Berlin, Juni 2011<br />

1 Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,<br />

www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/monitoring-stelle.html.


2 Projektbeschreibung<br />

Das Modellprojekt „Integration inklusive – Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung,<br />

Teilhabe am Arbeitsleben“ zielte darauf ab, die Beschäftigungsquote junger Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung (jMmB) nach einer qualifizierten Berufsausbildung deutlich und nachhaltig zu<br />

verbessern.<br />

Die Instrumente <strong>der</strong> beruflichen Rehabilitation in den Berufsbildungswerken (BBW)<br />

umfassen im Rahmen <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Leistungen auch Integrationsaufgaben sechs Monate<br />

über den Ausbildungsabschluss hinaus. Diese Integrationsleistungen <strong>der</strong> deutschlandweit 52<br />

BBW werden jährlich evaluiert und dokumentiert. Über den Zeitraum von drei Jahren (2006-<br />

2008) betrachtet wurden im Mittel 58,3 % <strong>der</strong> Teilnehmenden von Ausbildungsmaßnahmen<br />

in den vom Wettbewerb bestimmten ersten Arbeitsmarkt integriert (vgl. Eichhorn/ Karbach<br />

2009). Weitere 15 % standen dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen wie Studium,<br />

Familienzeit usw. zunächst nicht zur Verfügung. Die Aufmerksamkeit im Projekt galt den<br />

jungen Menschen, die nach wie vor noch auf <strong>der</strong> Suche nach Arbeit waren (26,7 %) 2 .<br />

Als Zielgruppe entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen im Projekt waren insgesamt 360 junge<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung aus sechs BBW vorgesehen, die sechs Monate nach<br />

Ausbildungsabschluss in einem Berufsbildungswerk noch keine sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung gefunden haben.<br />

Im Rahmen des Projektes sollten speziell für diese Zielgruppe an <strong>der</strong> zweiten Schwelle die<br />

Integrationsleistungen <strong>der</strong> Berufsbildungswerke verbessert werden. Hierzu wurden mehrere<br />

Wege parallel verfolgt und evaluiert:<br />

• Ursachen für nicht gelungene Integrationen ermitteln<br />

• Analyse von Kompetenzprofilen <strong>der</strong> jungen Menschen und Anfor<strong>der</strong>ungsprofilen <strong>der</strong><br />

Wirtschaft<br />

• Integrationsför<strong>der</strong>nde Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch bei <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung und Nachbetreuung<br />

• Nachhaltige Kooperationsnetzwerke mit Verbänden <strong>der</strong> Wirtschaft stiften<br />

• Integrationshemmende und –för<strong>der</strong>nde Faktoren bei Betrieben ermitteln<br />

Wirksame Handlungskonzepte für die „zweite Schwelle“ sollen Eingang in die allgemeine<br />

Integrationsarbeit aller Berufsbildungswerke finden.<br />

Die evaluationsleitenden Fragestellungen waren im Einzelnen:<br />

1. Handelt es sich bei den nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach<br />

Ausbildungsabschluss noch nicht vermittelten Jugendlichen um einen Personenkreis<br />

mit einer beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsart? Ausgebildet werden in den<br />

Berufsbildungswerken junge Menschen mit Lern-, Körper-, Sinnes-, psychischer o<strong>der</strong><br />

Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung.<br />

2. Werden Berufsgruppen, auch in beson<strong>der</strong>s geregelten Ausbildungsberufen gemäß<br />

§ 66 BBiG o<strong>der</strong> § 42 m HwO, auf dem Arbeitsmarkt stärker nachgefragt?<br />

2 Im Vergleich dazu beträgt <strong>der</strong> Anteil integrierter Absolventen aller BBW im Jahr 2009 57,2 %. 13,6 %<br />

standen aus unterschiedlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weitere 29,2 % waren<br />

arbeitsuchend (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011a).<br />

2


3. In welchem Maße tragen individuelle berufliche Flexibilität und Mobilität zu<br />

Integrationserfolgen bei? (Regionale Arbeitsmarktsituation)<br />

4. Wird mit den zugrunde liegenden didaktischen Ausbildungskonzepten die<br />

Beschäftigungsfähigkeit hergestellt?<br />

5. Welche Rolle spielen sozio-demografische Daten?<br />

6. Gibt es im Rahmen <strong>der</strong> beruflichen Integration beson<strong>der</strong>e Hilfestellungen zur<br />

Erfüllung beson<strong>der</strong>er betrieblicher Anfor<strong>der</strong>ungen? (Nachqualifizierungen,<br />

Arbeitsassistenz u. a.)<br />

7. Werden zur beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung beson<strong>der</strong>e Kenntnisse verlangt? Kann mit Hilfe<br />

von Fort- und Weiterbildungsangeboten die Integrationschance verbessert werden?<br />

8. Gibt es beson<strong>der</strong>e integrationsför<strong>der</strong>nde Faktoren bei den Betrieben?<br />

Ein zentraler Bestandteil des Projektes war daher die begleitende Evaluation <strong>der</strong><br />

Vermittlungsverläufe. Die Analyse fand mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten statt, um<br />

die Vermittlungsprozesse aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu<br />

beleuchten. Berücksichtigt wurden die Resultate einer statistischen Auswertung soziodemografischer<br />

Daten <strong>der</strong> Projektteilnehmenden, die Ergebnisse einer Befragung <strong>der</strong><br />

Projektpartner (BBW und Unternehmensverbände) sowie <strong>der</strong> Unternehmen und die<br />

Erkenntnisse aus qualitativen Interviews mit erfolgreich integrierten Teilnehmenden.<br />

Das Projekt wurde zwischen dem 01.04.2009 und dem 31.03.2011 unter Beteiligung von<br />

sechs Unternehmensverbänden sowie sechs Berufsbildungswerken umgesetzt. Die BAG<br />

BBW e. V. übernahm bei dem Modellprojekt die umfangreichen Koordinationsaufgaben. Die<br />

Tabelle 1 zeigt die beteiligten Projektpartner. Dabei werden die BBW nach ihren Orten<br />

benannt 3 .<br />

Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus<br />

Mitteln des Ausgleichsfonds.<br />

Berufsbildungswerk<br />

Kooperieren<strong>der</strong><br />

Unternehmensverband<br />

3<br />

Bundesland<br />

Hamburg BVMW Regionalverband Hamburg Hamburg<br />

Husum<br />

Unternehmensverband Unterelbe-<br />

Westküste e. V.<br />

Schleswig-Holstein<br />

Leipzig L2 – agentur für taten GmbH Sachsen<br />

Neuwied BVMW Region Mittelrhein Rheinland-Pfalz<br />

Potsdam<br />

BVMW Regionalverband Brandenburg-<br />

West<br />

Brandenburg<br />

Rummelsberg IHK Nürnberg für Mittelfranken Bayern<br />

Tabelle 1: Beteiligte Projektpartner<br />

3 Soweit nicht an<strong>der</strong>s gekennzeichnet, wird diese Bezeichnung im Text weiter verwendet.


3 Zusammenfassung<br />

Mit dem Projekt „Integration inklusive“ sollte jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (jMmB), die<br />

mindestens sechs Monate nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss in einem BBW noch<br />

arbeitssuchend waren, <strong>der</strong> Zugang zu Beschäftigung und Einkommen ermöglicht werden.<br />

Erreicht werden sollte dieses zum einen durch eine intensive Begleitung und Unterstützung<br />

<strong>der</strong> jMmB bei <strong>der</strong> Arbeitssuche (Coaching), zum an<strong>der</strong>en durch eine enge Kooperation mit<br />

Unternehmen vor Ort (Netzwerke).<br />

Die insgesamt 319 am Projekt beteiligten jungen Menschen beendeten ihre Ausbildung<br />

überwiegend in den Jahren 2008 und früher. Von den Abschlussjahrgängen aller BBW aus<br />

den Jahren 2006 bis 2008 fanden durchschnittlich 58,3 % <strong>der</strong> Absolventen/ -innen innerhalb<br />

eines Jahres einen Arbeitsplatz.<br />

Durch intensives Coaching haben 134 <strong>der</strong> 319 Teilnehmenden (42 %) im Rahmen des<br />

Projektes eine Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt aufgenommen.<br />

Berücksichtigt man diese zusätzliche Integration im Projekt Integration inklusive, steigt die<br />

Integrationsquote <strong>der</strong> Abschlussjahrgänge 2006 bis 2008 auf 75,8 % (entspricht einem<br />

Zuwachs um + 30 %).<br />

Den Aussagen von Teilnehmenden in Telefoninterviews zufolge sind rund ein Drittel <strong>der</strong><br />

Integrationen primär den jMmB (und ihrer Initiative) zuzurechnen – damit verbleibt noch ein<br />

Zuwachs bei den Integrationen von + 20 % <strong>der</strong> primär vom Projekt induziert sein dürfte.<br />

Erfreulich ist dieses Ergebnis auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei den<br />

Teilnehmenden um junge Menschen mit deutlich schlechteren Startchancen als dem<br />

Durchschnitt <strong>der</strong> BBW-Auszubildenden handelt: sie sind deutlich älter, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Sprach-<br />

und Hörbehin<strong>der</strong>ten liegt höher als sonst in den BBW, ebenso wie <strong>der</strong> Anteil an<br />

Teilnehmenden mit einem GdB > 70. Auch <strong>der</strong> Besuch einer höheren Schule ist seltener<br />

vertreten.<br />

Der Integrationserfolg ist darüber hinaus aus einem weiteren Grund bemerkenswert: in den<br />

Jahren 2009 und 2010, als diese jMmB innerhalb <strong>der</strong> Projektlaufzeit ihre neue Arbeit<br />

aufnehmen konnten, waren die Auswirkungen <strong>der</strong> Finanz- und Wirtschaftskrise auf den<br />

Arbeitsmarkt deutlich zu spüren.<br />

Zu den Integrationsleistungen trugen die jMmB jedoch auch selbst wesentlich bei. Ihre<br />

Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln o<strong>der</strong> in einem an<strong>der</strong>en Berufsfeld als dem <strong>der</strong><br />

Ausbildung zu arbeiten, ist außerordentlich hoch. 44 % von ihnen konnten ihren jetzigen<br />

Arbeitgeber/ -innen während eines vorlaufenden Praktikums (unbezahlte Probearbeit) von<br />

ihrer Leistungsfähigkeit überzeugen.<br />

Die Wirksamkeit dieser erfolgreichen Integrationsarbeit kann nach Auffassung aller<br />

Beteiligten am Projekt nicht an kurzfristigen Effekten festgemacht werden, son<strong>der</strong>n zeigt sich<br />

in <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> Beziehungen gegenüber den Unternehmen wie auch gleichermaßen<br />

gegenüber den jMmB, die aus einem BBW kommen und Arbeit suchen. Eine <strong>der</strong>artige<br />

Integrationsarbeit erfor<strong>der</strong>t neben umfassenden fachlichen und praktischen Kenntnissen auf<br />

Seiten <strong>der</strong> handelnden Personen vor allem auch nachhaltige und verlässliche Netzwerk-<br />

Strukturen in <strong>der</strong> Region.<br />

Gelingt es regional, fachliche Expertise, erfor<strong>der</strong>liche Ressourcen sowie übergreifende<br />

Strukturen (wie beim Projekt Integration inklusive) unter einer gemeinsamen Zielsetzung<br />

zusammenzubringen, dann können auch im Falle von Personen mit „beson<strong>der</strong>en<br />

Vermittlungshemmnissen“ beachtliche Integrationsleistungen die Folge sein.<br />

4


Exkurs: Die „zweite Schwelle“<br />

Der Übergang von einer abgeschlossenen Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis wird<br />

als „zweite Schwelle“ bezeichnet. Dieser Übergangsprozess gelingt nur in wenigen Fällen<br />

reibungslos. Immer häufiger schließen sich an die Ausbildung Phasen einer befristeten<br />

Beschäftigung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit an, die langfristig auch zu Berufswechseln führen<br />

können (vgl. Dorau et al. 2006).<br />

Eine erfolgreiche Ausbildung (im dualen System) ist daher kein Garant für einen<br />

erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben mehr. Diskontinuierliche und prekäre<br />

Beschäftigungsverläufe nach dem Übergang an <strong>der</strong> zweiten Schwelle nehmen zu (vgl. Dorau<br />

et al. 2009).<br />

Dabei stellt ein Verlassen des erlernten Berufs laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung (IAB) eine typische Folge von nicht gelungener Übernahme durch den<br />

Ausbildungsbetrieb und anschließen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit dar (vgl. Seibert/ Kleinert 2009).<br />

Unter den Gesichtspunkten <strong>der</strong> Integration in den Arbeitsmarkt werden zur Situation an <strong>der</strong><br />

zweiten Schwelle regelmäßig bundesweit Daten erhoben sowie ausgewertet, insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den jährlichen Berufsbildungsberichten des BIBB. Neben quantitativen Untersuchungen<br />

gibt es jedoch kaum biografisch orientierte Forschung zu dieser beson<strong>der</strong>en Lebensphase<br />

junger Menschen (vgl. Dorau et al. 2009, Blickwede 2005, Linten/ Prüstel 2011). Die<br />

Vermutung liegt nahe, dass gerade für jMmB, die sich in <strong>der</strong> Regel bis zum Berufsabschluss<br />

in vornehmlich exklusiven Systemen (mit einer gewissen Bindungs- und Betreuungskontinuität)<br />

bewegen, <strong>der</strong> Übergang in das inklusiv angelegte Beschäftigungssystem einen<br />

schwierigen Ablösungsprozess bedeuten dürfte (z.B. Anfor<strong>der</strong>ungen an die Selbständigkeit<br />

<strong>der</strong> jMmB).<br />

Eine aktuelle Arbeit zur Zukunftsplanung junger Menschen mit son<strong>der</strong>pädagogischem<br />

För<strong>der</strong>bedarf in Österreich zeigt, dass im Übergang von <strong>der</strong> Schule zum Beruf vielschichtige<br />

Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind, die sich nicht auf den Eintritt in die Arbeitswelt<br />

reduzieren lassen. Die primäre Tätigkeit <strong>der</strong> jungen Menschen wechselt von „Lernen“ zu<br />

„Arbeiten“. Darüber hinaus verän<strong>der</strong>n sich aber auch das Selbstbild und die Bedeutung<br />

sozialer Bezugsgrößen wie das Elternhaus (vgl. Haslberger 2010).<br />

Häufig werden in För<strong>der</strong>konzepten für die Integration von jMmB in Beschäftigung nur die<br />

weitere Qualifizierung o<strong>der</strong> passgenaue Vermittlung angeboten. Das Lebensalter <strong>der</strong> jungen<br />

Erwachsenen und die wi<strong>der</strong>sprüchlichen Erwartungen, denen diese in ihrer Biografie<br />

gegenüber stehen, werden jedoch kaum berücksichtigt (vgl. Blickwede 2005).<br />

5


4 Projektinput – das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

Das Ziel einer jeden Ausbildung ist die dauerhafte Integration junger Menschen in Arbeit.<br />

Dies gilt auch für eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk (BBW). Daher unterstützen<br />

und begleiten qualifizierte Integrationsfachkräfte <strong>der</strong> BBW die jMmB nach einer dort<br />

absolvierten Ausbildung für sechs Monate beim Übergang an <strong>der</strong> zweiten Schwelle. Danach<br />

stehen die Berufsbildungswerke bis zu sechs weitere Monate in losem Kontakt mit den<br />

Absolventen/ -innen, um <strong>der</strong>en Teilhabe und Integration im Blick zu haben.<br />

Das Projekt befasste sich mit jenen jungen Menschen, die auch sechs Monate nach einer<br />

BBW-Ausbildung nicht vermittelt waren. Zum einen ging es darum, Gründe zu ermitteln,<br />

warum diese jungen Menschen bisher keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben.<br />

Zum an<strong>der</strong>en sollte mit geeigneten Methoden und Instrumenten die Integration dieser jungen<br />

Menschen nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit beför<strong>der</strong>t werden.<br />

In diesem Kapitel geht es zunächst um das Profil <strong>der</strong> Teilnehmenden. Da neben<br />

berufsfachlichen Gesichtspunkten auch die persönlichen Kompetenzen <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

eine erfolgreiche Vermittlung entscheidend beeinflussen können, stehen diese zunächst im<br />

Fokus <strong>der</strong> Betrachtung. Die Untersuchungsfragen richten das Augenmerk neben den<br />

üblichen sozio-demografischen Merkmalen (Geschlecht, Alter, Ausbildungsabschluss,<br />

Migrationshintergrund und Wohnsituation) vor allem auf die Behin<strong>der</strong>ungsart und den<br />

Behin<strong>der</strong>ungsgrad sowie auf die Sozialkompetenzen, die häufig von Unternehmen<br />

nachgefragt werden. Diese Daten aus dem Projekt Integration inklusive werden im<br />

Folgenden nach Möglichkeit mit den Ergebnissen einer Studie des Instituts <strong>der</strong> deutschen<br />

Wirtschaft (IW-Absolventenbefragung) über die Absolventen/ -innen aller BBW verglichen<br />

(Neumann et al. 2010).<br />

An den sechs Standorten sollten je ca. 60 junge Menschen auf freiwilliger Basis für das<br />

Projekt gewonnen werden. Insgesamt waren so 360 Teilnehmende im Projekt vorgesehen 4 .<br />

Aufgrund <strong>der</strong> freiwilligen Teilnahme ergaben sich unterschiedliche Teilnehmendenzahlen für<br />

die einzelnen BBW. Die endgültige Verteilung auf die sechs Standorte ist Tabelle 2 zu<br />

entnehmen.<br />

BBW Hamburg 41<br />

BBW Husum 49<br />

BBW Leipzig 66<br />

BBW Neuwied 43<br />

BBW Potsdam 55<br />

BBW Rummelsburg 65<br />

gesamt 319<br />

Tabelle 2: Verteilung <strong>der</strong> Teilnehmenden auf die Projekt-BBW<br />

Die Eintritte in das Projekt Integration inklusive erfolgten im Zeitraum von April 2009 bis<br />

Dezember 2010, mit Hochphasen im Sommer 2009 sowie im Februar 2010 (vgl. Abbildung<br />

1). Ausschlaggebendes Kriterium für die Beteiligung am Projekt war eine mindestens sechs<br />

Monate andauernde Arbeitslosigkeit <strong>der</strong> Teilnehmenden nach bestandener<br />

Berufsabschlussprüfung einer BBW Ausbildung. Zu Projektbeginn standen die<br />

4 Die Teilnehmenden wurden von den beteiligten Berufsbildungswerken angesprochen. Die<br />

weitergehende Unterstützung und Begleitung im Integrationsprozess im Rahmen dieses Projektes<br />

wurde angeboten. Eine Beteiligung am Projekt erfolgte auf freiwilliger Basis.<br />

6


Abschlussjahrgänge 2008 und früher im Fokus. Um die Zahl <strong>der</strong> Teilnehmenden zu erhöhen,<br />

wurden auch die Abschlussjahrgänge 2009 und 2010 im Projekt berücksichtigt. Bis zum<br />

Ende des Jahres 2010 wurden insgesamt 319 Teilnehmende aufgenommen.<br />

Bei 60 Personen kam es zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Projekt. Die Gründe<br />

hierfür werden im Kapitel 7 Projekt-Output benannt.<br />

Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

13<br />

0<br />

7<br />

40<br />

11<br />

57<br />

19<br />

April 2009<br />

Mai 2009<br />

Juni 2009<br />

Juli 2009<br />

August 2009<br />

September 2009<br />

Oktober 2009<br />

13<br />

4<br />

19<br />

7<br />

38<br />

26<br />

19<br />

14<br />

9<br />

7<br />

14<br />

5 4<br />

0 0<br />

November 2009<br />

Dezember 2009<br />

Januar 2010<br />

Februar 2010<br />

März 2010<br />

April 2010<br />

Mai 2010<br />

Juni 2010<br />

Juli 2010<br />

August 2010<br />

September 2010<br />

Oktober 2010<br />

November 2010<br />

Dezember 2010<br />

Abbildung 1: Eintritte in das Projekt Integration inklusive im Zeitverlauf (N = 319, Stand 2011)<br />

Betrachtet man den Zeitpunkt, zu dem die Teilnehmenden des Projektes ihre Ausbildung im<br />

BBW aufgenommen haben, so ist festzustellen, dass dies zu drei Vierteln in den Jahren<br />

2005 und 2006 stattfand.<br />

15 % <strong>der</strong> Teilnehmenden waren nach Beendigung ihrer Ausbildung und vor Aufnahme in das<br />

Projekt bereits einmal erwerbstätig gewesen.<br />

Die Dauer <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit zwischen Ausbildungsende und <strong>der</strong> Projektaufnahme betrug<br />

bei den aufgenommenen Personen durchschnittlich 11 Monate. Die Abbildung 2 zeigt den<br />

Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit nach Jahren.<br />

Anzahl <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

7<br />

2006 o<strong>der</strong><br />

früher<br />

12<br />

92<br />

158<br />

2007 2008 2009 2010 keine Angabe<br />

Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

Abbildung 2: Beginn <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit (N = 318, Stand 2011)<br />

42<br />

7


Die folgenden sozio-demografischen Merkmale <strong>der</strong> 319 am Projekt teilnehmenden jMmB<br />

wurden kontinuierlich im Verlauf des Projektes erfasst. Die Daten wurden digital durch die<br />

Projektmitarbeitende vor Ort aufgenommen und für die weitere Auswertung anonymisiert.<br />

4.1 Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />

Über drei Viertel <strong>der</strong> Projektteilnehmenden sind höchstens 25 Jahre alt (vgl. Abbildung 3).<br />

Das durchschnittliche Alter liegt bei 24 Jahren. Werden die knapp 11 Monate erfolgloser<br />

Arbeitssuche berücksichtigt, liegt das durchschnittliche Alter zum Ausbildungsabschluss bei<br />

23 Jahren. Die IW-Absolventenbefragung weist ein durchschnittliches Alter bei Verlassen<br />

des BBW von 21 Jahren aus (Neumann et al. 2010). Das um zwei Jahre höhere Alter <strong>der</strong><br />

Projektteilnehmenden (im Vergleich zum Durchschnitt aller BBW-Absolventen/ -innen)<br />

übertrifft den Trend zunehmend älterer Auszubilden<strong>der</strong> in allen BBW (Seyd/ Schulz 2010).<br />

Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2<br />

14<br />

59<br />

67<br />

56<br />

48<br />

24<br />

17<br />

10<br />

8<br />

8<br />

5<br />

3 2<br />

0 0 0 0 0 0 0 1<br />

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40<br />

Alter in Jahren<br />

Abbildung 3: Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden (N = 316, Stand 2011)<br />

4.2 Wohn- und Lebenssituation<br />

Wenn nach erfolgreicher Ausbildung keine unmittelbare Arbeitsaufnahme gelingt, kehren die<br />

meisten jMmB zunächst an ihren Heimatort zurück und leben dort bei ihren Eltern. Dies gilt<br />

für 62,9 % 5 . Je<strong>der</strong> dritte Teilnehmende verfügt dagegen zu diesem Zeitpunkt bereits über<br />

eine eigene Wohnung.<br />

22 von insgesamt 319 Teilnehmenden haben eigene Kin<strong>der</strong> (4,7 %) und 25 sind verheiratet<br />

o<strong>der</strong> leben in einer Partnerschaft (7,8 %).<br />

4.3 Geschlecht<br />

Zwei Drittel <strong>der</strong> im Projekt aufgenommenen jMmB sind männlich (66,1 %) und ein Drittel ist<br />

(33,9 %) weiblich. Diese Werte stimmen mit <strong>der</strong> Geschlechterverteilung unter allen BBW-<br />

Absolventen/ -innen überein (vgl. Eichhorn/ Karbach 2009; Neumann et al. 2010).<br />

5<br />

Der Vergleichswert aus dem Jahr 2010 für alle BBW-Absolventen/ -innen liegt bei 61,2 % (vgl.<br />

Eichhorn/ Schwarzer 2011b).


4.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund<br />

Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> Teilnehmenden besitzt mit 96,2 % eine deutsche<br />

Staatsangehörigkeit. Nur 3,8 % geben keine deutsche Nationalität an. Der Anteil an<br />

Personen mit Migrationshintergrund liegt mit 13,4 % 6 allerdings erheblich höher. Im Vergleich<br />

zur Teilnehmereingangserhebung <strong>der</strong> BAG BBW e. V. und <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung ist<br />

dieser Anteil etwas höher. In <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung wurde ein Anteil <strong>der</strong> Migranten/<br />

-innen von 10,2 % erhoben (Neumann et al. 2010). Die Teilnehmereingangserhebung <strong>der</strong><br />

BAG BBW e. V. von 2009 weist einen Anteil von 11 % bei Teilnehmenden mit<br />

Migrationshintergrund aus, die ihre Ausbildung neu angefangen haben (vgl. Seyd/ Schulz<br />

2010).<br />

4.5 Wohnort und räumliche Mobilität<br />

42,3 % <strong>der</strong> Teilnehmenden haben einen Führerschein, von diesen verfügt wie<strong>der</strong>um rund<br />

je<strong>der</strong> Fünfte (22 %) auch über ein eigenes Fahrzeug. Die große Mehrheit gibt an, Fahrten mit<br />

dem Öffentlichen Verkehrsnetz (ÖPNV) seien ihnen möglich. Nur 3,5 % sehen keine<br />

Möglichkeit zur Benutzung des ÖPNV. Dennoch sind knapp 6 % <strong>der</strong> jMmB auf einen<br />

Fahrdienst angewiesen.<br />

Rund die Hälfte (51 %) <strong>der</strong> Teilnehmenden gibt an, zu einem Wohnortwechsel bereit zu sein,<br />

davon würde rund die Hälfte auch einen Umzug in ein an<strong>der</strong>es Bundesland in Betracht<br />

ziehen.<br />

4.6 Behin<strong>der</strong>ungen<br />

Im Rahmen des Projektes war zu untersuchen, ob es sich bei den noch nicht vermittelten<br />

Projektteilnehmenden um Personen mit beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsarten handelt. Zudem<br />

sollte analysiert werden, ob es eventuell einen Einfluss <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ungsart auf die<br />

Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong> jungen Menschen gibt. Abbildung 4 verdeutlicht, dass sehr<br />

unterschiedliche Behin<strong>der</strong>ungsarten im Projekt vertreten sind. Insgesamt ein Fünftel <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden ist mehrfach beeinträchtigt. Beson<strong>der</strong>s häufig liegt bei einem Viertel <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden eine Körperbehin<strong>der</strong>ung vor.<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

hörbehin<strong>der</strong>t<br />

64<br />

körperbehin<strong>der</strong>t<br />

85<br />

lernbehin<strong>der</strong>t<br />

42<br />

mehrfachbehin<strong>der</strong>t<br />

66<br />

neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />

9<br />

26<br />

psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />

18<br />

Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

sprachbehin<strong>der</strong>t<br />

16<br />

sehbehin<strong>der</strong>t<br />

Abbildung 4: Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (N = 318, Stand 2011)<br />

1<br />

keine Angabe<br />

6<br />

Der bundsweite Anteil an Schulabgängern/ -innen mit Migrationshintergrund beträgt 22 % für das<br />

Jahr 2010 (vgl. BIBB 2011).<br />

0


Die Anteile an Projektteilnehmenden mit einer Sprach- und Hörbehin<strong>der</strong>ung sowie mit einer<br />

neurologischen Behin<strong>der</strong>ung liegen im Vergleich zur IW-Absolventenbefragung höher.<br />

Dagegen sind die Anteile <strong>der</strong> Personen mit einer Lernbehin<strong>der</strong>ung bzw. einer psychischen<br />

Behin<strong>der</strong>ung deutlich geringer.<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

körperbehin<strong>der</strong>t<br />

sprach-/ hörbehin<strong>der</strong>t<br />

lernbehin<strong>der</strong>t<br />

neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />

10<br />

psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />

Integration inklusive<br />

IW-<br />

Absolventenbefragung<br />

sehbehin<strong>der</strong>t<br />

Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

Abbildung 5: Behin<strong>der</strong>ungsarten im Projekt Integration inklusive und <strong>der</strong> IW-<br />

Absolventenbefragung im Vergleich (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung:<br />

N = 1450, Stand 2011)<br />

Zusätzlich wurde im Projekt Integration inklusive <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) erfasst.<br />

Abbildung 6 zeigt, dass 41 % <strong>der</strong> Teilnehmenden einen GdB von mindestens 70 haben.<br />

22,8 % <strong>der</strong> Teilnehmenden haben keinen GdB.<br />

Anteil junger Menschen<br />

45%<br />

40%<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

Integration inklusive<br />

IW-<br />

Absolventenbefragung<br />

0 10 - 30 31 - 49 50 - 69 ab 70 k. A.<br />

Festgestellter Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB)<br />

Abbildung 6: Behin<strong>der</strong>ungsgrad im Projekt Integration inklusive und <strong>der</strong> IW-<br />

Absolventenbefragung (Integration inklusive N = 319; IW-Absolventenbefragung: N = 1450,<br />

Stand 2011)<br />

Eine anerkannte Schwerbehin<strong>der</strong>ung liegt vor, wenn <strong>der</strong> GdB 49 % übersteigt, was bei 188<br />

Teilnehmenden <strong>der</strong> Fall ist (58,9 %). Insgesamt hat mehr als ein Viertel einen GdB von 100.<br />

In <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung liegt bei 40,8 % eine anerkannte Schwerbehin<strong>der</strong>ung vor.<br />

Damit weisen die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive einen höheren Anteil an<br />

amtlich anerkannter Schwerbehin<strong>der</strong>ung auf. Dies zeigt sich auch im Vergleich zu den


Teilnehmenden, die in ein BBW eintreten. Hier lag die Quote bei den Teilnehmenden, die<br />

ihre Ausbildung in den Jahren 2005 bis 2008 begonnen haben, zwischen 26 % und 28 %<br />

(Seyd/ Schulz 2010). Im Jahr 2009 sank dieser Anteil auf 21 %.<br />

4.7 Besuchte Schule<br />

Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben mehrheitlich eine För<strong>der</strong>schule<br />

o<strong>der</strong> die Hauptschule besucht (vgl. Abbildung 7). Die Anteile sind hier, verglichen mit <strong>der</strong> IW-<br />

Absolventenbefragung, deutlich höher.<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

50%<br />

45%<br />

40%<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

För<strong>der</strong>schule<br />

Hauptschule<br />

Realschule<br />

Gesamtschule<br />

11<br />

Gymnasium<br />

Integration inklusive<br />

IW-Absolventenbefragung<br />

Sonstige<br />

Besuchte Schulart<br />

keine Angabe<br />

Abbildung 7: Besuchte Schularten im Projekt Integration inklusive und in <strong>der</strong> IW-<br />

Absolventenbefragung (Integration inklusive: N = 319, IW-Absolventenbefragung: N = 1450,<br />

Stand 2011)<br />

4.8 Berufsfel<strong>der</strong> und Art des Ausbildungsabschlusses<br />

Die Ausbildungsberufe <strong>der</strong> Berufsbildungswerke lassen sich in insgesamt 12 Berufsfel<strong>der</strong>n<br />

zusammenfassen. Im Projekt nicht vertreten war als einziges Berufsfeld <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong><br />

Gesundheitsberufe. Zu den 12 Berufsfel<strong>der</strong>n kommen - zusammengefasst in einer weiteren<br />

Gruppe – noch die „sonstigen Berufe“ hinzu.<br />

Die Teilnehmenden des Projektes Integration inklusive haben ihre Ausbildung in 11<br />

spezifischen Berufsfel<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> sonstigen Berufen absolviert. Am stärksten sind die<br />

Berufsfel<strong>der</strong> „Wirtschaft und Verwaltung (44,8 %)“, „Metalltechnik“ (25,4 %), „Ernährung und<br />

Hauswirtschaft“ (5 %) sowie „Holztechnik“ (5 %) vertreten (vgl. Abbildung 8).


Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung<br />

Art des Ausbildungsabschlusses<br />

Abschluss nach § 66 BBiG /<br />

§ 42m HwO<br />

12<br />

Vollqualifizierter<br />

Abschluss<br />

Gesamt<br />

Wirtschaft und Verwaltung 63 80 143<br />

Metalltechnik 38 43 81<br />

Elektrotechnik 4 4 8<br />

Bautechnik 5 0 5<br />

Holztechnik 10 6 16<br />

Textiltechnik und Bekleidung 2 6 8<br />

Drucktechnik 1 8 9<br />

Farbtechnik und<br />

Raumgestaltung<br />

3 9 12<br />

Körperpflege 0 1 1<br />

Ernährung und Hauswirtschaft 15 1 16<br />

Agrarwirtschaft 10 4 14<br />

Sonstige Berufe 0 6 6<br />

Gesamt 151 168 318<br />

Tabelle 3: Teilnehmende mit verschiedenen Ausbildungsabschlüssen nach Berufsfeld<br />

Im Vergleich zur Belegung <strong>der</strong> Berufsfel<strong>der</strong> aller BBW im Jahr 2008 fällt im Projekt<br />

Integration inklusive <strong>der</strong> hohe Belegungsanteil in den Bereichen „Wirtschaft und Verwaltung“<br />

sowie „Metalltechnik“ auf. Die Vergleichszahlen liegen im Berufsfeld „Wirtschaft und<br />

Verwaltung“ bei 25,5 % und in <strong>der</strong> Metalltechnik bei 16,4 % (Eichhorn/ Karbach 2009).<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

50%<br />

45%<br />

40%<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

Berufsfeld<br />

<strong>der</strong><br />

Ausbildung<br />

143<br />

Wirtschaft und<br />

Verwaltung<br />

81<br />

Metalltechnik<br />

16<br />

Ernährung und<br />

Hauswirtschaft<br />

16<br />

Holztechnik<br />

14<br />

Agrarwirtschaft<br />

12<br />

Farbtechnik und<br />

Raumgestaltung<br />

9<br />

Drucktechnik<br />

8<br />

Elektrotechnik<br />

8<br />

Textiltechnik und<br />

Bekleidung<br />

Abbildung 8: Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung (N = 319, Stand 2011)<br />

Wie bereits in Tabelle 3 sichtbar wird, lassen sich Unterschiede zwischen den Abschlüssen<br />

nach den unterschiedlichen Ausbildungsregelungen erkennen. Etwas weniger als die Hälfte<br />

<strong>der</strong> Teilnehmenden im Projekt Integration inklusive hat einen „vollqualifizierenden“ Abschluss<br />

6<br />

Sonstiges<br />

5<br />

Bautechnik<br />

1<br />

Körperpflege


(49 %) im Sinne von § 5 BBiG/ § 25 HwO. Der Anteil <strong>der</strong> Ausbildungsabschlüsse nach § 66<br />

BBiG bzw. § 42m HwO beträgt 51 %. Nach <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> BAG BBW e. V. haben 2008 in<br />

allen BBW 54,4 % eine Ausbildung nach § 66 BBiG bzw. § 42 m HwO abgeschlossen (vgl.<br />

Eichhorn/ Karbach 2009). Damit ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Teilnehmenden mit einem<br />

„vollqualifizierenden“ Abschluss im Projekt Integration inklusive geringfügig höher.<br />

4.9 Sozialkompetenzen<br />

Wegen <strong>der</strong> begrenzten Ressourcen im Projekt konnten Sozialkompetenzen als „weiche“<br />

Faktoren nur im Ansatz erhoben werden. Hierbei war man auf Angaben Dritter (Arbeitgeber/<br />

-innen, Fachkräfte in den BBW) sowie auf Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

angewiesen.<br />

Bei einer Unternehmensbefragung sollten die Betriebe die soft skills ihrer im Zuge des<br />

Projektes eingestellten Mitarbeitenden einschätzen. Die 49 befragten Arbeitgeber/ -innen<br />

äußern sich recht zufrieden über die Fähigkeiten <strong>der</strong> jungen Menschen. Die Bewertungen<br />

sind durchweg positiv, sehr schlechte Beurteilungen wurden kaum abgegeben.<br />

Zusätzlich wurden mit einer Teilstichprobe <strong>der</strong> Projektteilnehmenden leitfadengestützte<br />

Telefoninterviews geführt. Daraus lassen sich wichtige Informationen aus <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Teilnehmenden gewinnen, z. B. welche Sozialkompetenzen sie als relevant für die<br />

Berufstätigkeit halten. An erster Stelle steht dabei die Eigeninitiative.<br />

4.10 Zusammenfassung<br />

Die im Projekt erfassten sozio-demografischen Angaben zeigen im Vergleich zu an<strong>der</strong>en<br />

Daten, dass es sich bei den Projektteilnehmenden um einen Personenkreis handelt, <strong>der</strong><br />

mehr Unterstützung beim Übergang <strong>der</strong> zweiten Schwelle benötigt als an<strong>der</strong>e junge<br />

Menschen. Darauf weisen z.B. das höhere Alter <strong>der</strong> Projektteilnehmenden, <strong>der</strong> etwas<br />

größere Anteil an Migranten/ -innen und <strong>der</strong> höhere Anteil an amtlich anerkannten<br />

Schwerbehin<strong>der</strong>ten, insbeson<strong>der</strong>e ab einem GdB > 70 hin.<br />

Weitere Einflussfaktoren für eine sechs Monate nach Ausbildungsabschluss noch nicht<br />

erfolgte unmittelbare Integration könnten die Behin<strong>der</strong>ungsart und die Wahl des Berufsfeldes<br />

sein. Bei den Projektteilnehmenden liegt vor allem ein höherer Anteil an Hör-, Sprach- und<br />

neurologischen Behin<strong>der</strong>ungen vor. Dass es für Absolventen/ -innen mit einer Seh-, Sprach-<br />

o<strong>der</strong> Hörbehin<strong>der</strong>ung tendenziell schwerer ist, unmittelbar nach Verlassen eine<br />

Beschäftigung zu finden, bestätigt die IW-Absolventenbefragung (Neumann et al., 2010). Die<br />

Studie zeigt auch, dass die Chancen einer unmittelbaren Arbeitsmarktintegration nach einer<br />

BBW-Ausbildung im Berufsfeld „Wirtschaft und Verwaltung“ am ungünstigsten sind<br />

(Neumann et al., 2010). Dies könnte den hohen Anteil von 44,8 % <strong>der</strong> Projektteilnehmenden<br />

dieses Berufsfeldes im Projekt Integration inklusive erklären.<br />

Der Übergang in das Erwerbssystem nach einer erfolgreichen Ausbildung (zweite Schwelle)<br />

ist für alle Absolventen/ -innen eines BBW eine anspruchsvolle Herausfor<strong>der</strong>ung: dies um so<br />

mehr, da sie als junge Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auf ein Beschäftigungssystem stoßen,<br />

dass in großen Teilen nicht inklusiv ist.<br />

Mit <strong>der</strong> freiwilligen Beteiligung am Projekt haben die jMmB jedoch eine starke<br />

Eigenmotivation zum Ausdruck gebracht, trotz einer oftmals frustrierenden Phase <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung zu finden und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu<br />

stellen.<br />

13


5 Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong><br />

Integrationsprozesse<br />

Als das Projekt „Integration inklusive“ im Frühjahr 2009 in sechs Regionen seine Arbeit<br />

aufnahm, hatte die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise auch Deutschland erreicht.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die exportabhängige Industrie musste Auftrags- und Umsatzeinbußen<br />

hinnehmen, so dass die Zahl offener Stellen vorübergehend sank, auch wenn über<br />

Kurzarbeit zahlreiche Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Insgesamt ergab sich so<br />

keine günstige Situation für den Berufseinstieg junger Fachkräfte. Die Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Krise werden z.B. an <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Durchschnittswerte <strong>der</strong> Integrationen aller BBW-<br />

Absolventen/ -innen deutlich. Während in den Jahren 2008 und 2009 ihre Erwerbsquote<br />

jeweils über 60 % lag, sank diese im Jahr 2010 unter diesen Wert (vgl. Eichhorn/ Schwarzer<br />

2011a).<br />

Die Neueinstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wird jedoch neben den Auswirkungen<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftskrise am Arbeitsmarkt zunehmend auch vom demografischen Wandel<br />

beeinflusst. Die Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW Studie) zur Beschäftigung<br />

schwerbehin<strong>der</strong>ter Menschen am ersten Arbeitsmarkt (Fietz et al. 2011) zeigt, dass <strong>der</strong><br />

demografische Wandel neue Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Integration dieses Personenkreises<br />

mit sich bringt. Der Berufseinstieg wird dadurch erschwert, dass die Personalplanung von<br />

Unternehmen sich häufig auf den Arbeitsplatzerhalt für bereits beschäftigte<br />

schwerbehin<strong>der</strong>te sowie leistungsgewandelte Arbeitnehmer/innen konzentriert.<br />

Infolgedessen kommen kleinere Betriebe – unabhängig vom Wirtschaftszweig – für<br />

Neueinstellungen schwerbehin<strong>der</strong>ter Arbeitsuchen<strong>der</strong> immer weniger in Frage (vgl. Fietz et<br />

al. 2011).<br />

Im Folgenden werden die regionalen Rahmenbedingungen, unter denen das Projekt<br />

aufgebaut wurde, sowie die lokalen Umsetzungsvarianten differenziert dargestellt. Hierzu<br />

zählen die am Projekt beteiligten sechs Berufsbildungswerke und die kooperierenden<br />

Wirtschaftsverbände als Akteure sowie <strong>der</strong>en Netzwerkarbeit in den regionalen<br />

Arbeitsmärkten.<br />

An dieser Stelle soll zunächst auf ein strukturelles Defizit im Hinblick auf die Betreuung <strong>der</strong><br />

BBW-Absolventen/ -innen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung hingewiesen werden. Die<br />

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit sind eine genaue Ortskenntnis und<br />

gute Kontakte zur regionalen Wirtschaft. Dies ist beson<strong>der</strong>s bei räumlicher Nähe aller<br />

Beteiligten – BBW, Absolventen/ -innen, Unternehmen – möglich. Die Auszubildenden <strong>der</strong><br />

BBW stammen jedoch häufig aus weit entfernten Regionen und kehren nach Abschluss ihrer<br />

Ausbildung an ihren Heimatort zurück. Die unterstützenden Fachkräfte in den BBW müssen<br />

daher über große Distanzen hinweg zu den Absolventen/ -innen Kontakt halten. Darüber<br />

hinaus müssen die Ausbildungs-BBW die jMmB in regionale Arbeitsmärkte integrieren, zu<br />

denen sie kaum Zugang haben.<br />

5.1 Arbeitsmarkt in den sechs Regionen<br />

Mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern<br />

waren sechs sehr unterschiedliche Bundeslän<strong>der</strong> im Projekt vertreten. Für eine gezielte<br />

Auswertung <strong>der</strong> regionalen Situation wurde <strong>der</strong> jeweilige Kreis bzw. die Kommune<br />

betrachtet, in <strong>der</strong> sich das einzelne BBW befindet. Um mit den vorhandenen statistischen<br />

Angaben möglichst genaue Aussagen treffen zu können, wurde parallel auf die jeweils<br />

zuständigen Agenturbezirke zurückgegriffen (<strong>der</strong> Bezirk Freie Hansestadt Hamburg für das<br />

BBW Hamburg, <strong>der</strong> Bezirk Nordfriesland für das BBW Husum, <strong>der</strong> Bezirk Stadt Leipzig für<br />

14


das BBW Leipzig, <strong>der</strong> Bezirk Neuwied für das BBW Neuwied, <strong>der</strong> Bezirk Stadt Potsdam für<br />

das BBW Potsdam und <strong>der</strong> Bezirk Nürnberger Land für das BBW Rummelsberg). Hieraus<br />

ergab sich ein differenziertes Bild:<br />

Die Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschafts- und Finanzkrise hatten im Jahr des Projektbeginns<br />

(2009) überall steigende Arbeitslosenquoten zur Folge. Insgesamt zeigte sich <strong>der</strong><br />

Arbeitsmarkt jedoch uneinheitlich. Beson<strong>der</strong>s betroffen waren in allen sechs Projektregionen<br />

stark konjunkturabhängige Branchen, wie z.B. die fertigenden Berufe. Es gab allerdings auch<br />

Branchen, die von <strong>der</strong> Krise nicht tangiert wurden. Dazu gehören – ebenfalls unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Region – in beson<strong>der</strong>em Maße die Gesundheits- und Pflegeberufe wie auch<br />

gleichermaßen die Sozial- und Erziehungsberufe 7 . Als weitgehend robust gegenüber <strong>der</strong><br />

Wirtschaftskrise zeigten sich ferner spezialisierte Mechaniker- und<br />

Datenverarbeitungsberufe.<br />

Ausbildungen aus dem Bereich Wirtschaft und Verwaltung sind – mit Ausnahme <strong>der</strong> großen<br />

Dienstleistungszentren wie z.B. Hamburg – weniger stark an die Region gebunden, son<strong>der</strong>n<br />

überregional verteilt. Im Gastronomie- und Hotelbereich hingegen zeigt sich eine stärkere<br />

regionale Verortung.<br />

In den Regionen um die BBW Nürnberg und Neuwied, die beson<strong>der</strong>s durch technische,<br />

Fertigungs- und Bauberufe geprägt sind, mussten die krisenbedingten Einbrüche zusätzlich<br />

zu jahreszeitlichen Schwankungen hingenommen werden. So waren z.B. beson<strong>der</strong>s<br />

Zulieferbetriebe <strong>der</strong> Maschinenbau- und Automobilindustrie stark von <strong>der</strong> Krise betroffen. In<br />

Husum ist <strong>der</strong> Arbeitsmarkt stark vom Hotel- und Gastgewerbe sowie <strong>der</strong> Gastronomie<br />

geprägt, was sich merklich in <strong>der</strong> regionalen Arbeitsmarktsituation nie<strong>der</strong>schlägt.<br />

Nach dem bundesweiten Einbruch am Arbeitsmarkt Anfang 2010 stabilisierten sich die<br />

Beschäftigungsquoten bereits gegen Ende des Jahres wie<strong>der</strong>. So betrugen im Januar 2009<br />

die Arbeitslosenquoten in Hamburg 8,5 %, in Nordfriesland 9,2 %, in <strong>der</strong> Stadt Leipzig<br />

15,7 %, in Neuwied 6,7 %, in <strong>der</strong> Stadt Potsdam 9,1 % und im Nürnberger Land 3,8 % (vgl.<br />

Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2009). Nach dem Anstieg im<br />

Januar 2010, <strong>der</strong> sich vor allem in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n bemerkbar machte, sanken im<br />

Dezember 2010 in allen sechs Regionen die Arbeitslosenquoten. Den stärksten Rückgang<br />

meldeten dabei Potsdam mit 1,4 % und Leipzig mit 2,8 % (vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />

für Arbeit: Arbeitslosenquoten 2010).<br />

7 Entsprechende Berufe werden in BBW nicht ausgebildet.<br />

15


5.2 Netzwerkaufbau in den sechs Regionen<br />

Bei <strong>der</strong> Auswahl und Konzeption <strong>der</strong> regionalen Netzwerke wurde von Seiten <strong>der</strong> BAG BBW<br />

e. V. darauf geachtet, dass sich in den Modellregionen ein breites Spektrum<br />

unterschiedlicher Strukturmerkmale wi<strong>der</strong>spiegelt (städtischer bzw. ländlicher Raum, neue<br />

und alte Bundeslän<strong>der</strong>, Behin<strong>der</strong>ungsarten, Berufsbil<strong>der</strong> usw.).<br />

Mit dem BVMW-Bundesverband sowie den Regionalverbänden des BVMW wurden für das<br />

Projekt kompetente Partner gefunden, welche über gute Kontakte zu Unternehmen verfügen.<br />

Vor Ort kooperierten die BBW und die Unternehmensverbände in unterschiedlicher Art und<br />

Weise und erarbeiteten netzwerkbildende Strukturen, die im Folgenden kurz dargestellt<br />

werden.<br />

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es in vier von sechs Regionen mit dem<br />

Projektbeginn im Frühjahr 2009 nicht sofort gelang, auf Seiten <strong>der</strong> Wirtschaft einen<br />

konzeptionell geeigneten Partner zu gewinnen. In <strong>der</strong> konkreten Umsetzung des<br />

Kooperationsnetzwerkes zwischen BBW und Wirtschaftsverband zeigte sich ferner, dass für<br />

ehrenamtlich arbeitende Verbände die Einstellung von hauptamtlichem Personal eine nicht<br />

zu unterschätzende Herausfor<strong>der</strong>ung darstellt. Dieser Faktor kann eine kontinuierliche<br />

partnerschaftliche Zusammenarbeit sowohl innerhalb des Verbandes wie auch mit<br />

hauptamtlichen Netzwerkpartnern erschweren.<br />

5.3 Profil <strong>der</strong> BBW (allgemein)<br />

Die teilnehmenden BBW verfügen als spezielle Einrichtungen <strong>der</strong> Rehabilitation über ein<br />

beson<strong>der</strong>es Profil, was sich im Spektrum <strong>der</strong> Berufe, die für Art und Schwere <strong>der</strong><br />

Behin<strong>der</strong>ungen in Betracht kommen, nie<strong>der</strong>schlägt. Pro BBW werden zwischen 20 und 50<br />

unterschiedliche, staatlich anerkannte Berufe zur Ausbildung angeboten. Hierzu zählen auch<br />

Berufsabschlüsse nach § 66 BBiG/ § 42 m HwO.<br />

Im gesamten Spektrum sind nahezu alle Berufsfel<strong>der</strong> wie Agrarwirtschaft, Bautechnik, Farb-<br />

und Raumgestaltung, Metalltechnik, Holztechnik, Drucktechnik, Elektrotechnik, Textiltechnik<br />

und Bekleidung, Ernährung und Hauswirtschaft, Gesundheit, Körperpflege bis zu Wirtschaft<br />

und Verwaltung vertreten. Nähere Angaben hierzu können Tabelle 4 (siehe nächste Seite)<br />

entnommen werden.<br />

16


BBW Hamburg Husum Leipzig Neuwied Potsdam<br />

Rummelsberg<br />

Bundesland Hamburg Schleswig-<br />

Holstein<br />

Sachsen Rheinland<br />

Arbeitslosenquote<br />

-Pfalz<br />

Brandenburg<br />

Bayern<br />

September 2010 in %<br />

(Bundesland)<br />

7,8 6,9 10,8 5,3 10,0 4,0<br />

Arbeitslosenquote<br />

September 2010 in %<br />

(Region)<br />

7,8<br />

(Hamburg)<br />

Profil des BBW nach Behin<strong>der</strong>ungsarten:<br />

6,1<br />

(Nordfriesland)<br />

17<br />

13,6<br />

(Leipzig)<br />

5,8<br />

(Neuwied)<br />

8,1<br />

(Potsdam)<br />

Lernbehin<strong>der</strong>ung x x x x x<br />

Körperbehin<strong>der</strong>ung<br />

Sinnesbehin<strong>der</strong>ung<br />

x x x x x<br />

(Hör-/ Sprach-/<br />

Sehbehin<strong>der</strong>ung)<br />

Psychische/<br />

x x x x x<br />

neurologische<br />

Beeinträchtigung<br />

x x<br />

Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung x x<br />

Ausbildungsberufsfel<strong>der</strong> in den BBW:<br />

Wirtschaft und<br />

Verwaltung<br />

x x x x x x<br />

Metalltechnik x x x x x x<br />

Elektrotechnik x x x<br />

Bautechnik x<br />

Holztechnik x x x x x<br />

Drucktechnik x x<br />

Farb- und<br />

Raumgestaltung<br />

x x x<br />

Textiltechnik und<br />

Bekleidung<br />

Gesundheit und<br />

Körperpflege<br />

x<br />

x x<br />

Ernährung und<br />

Hauswirtschaft<br />

x x x x x<br />

Agrarwirtschaft x x x x x<br />

Sonstiges x x x x x<br />

Anzahl <strong>der</strong> im BBW<br />

angebotenen Berufe<br />

21 50 33 34 30 29<br />

Auszubildende (Stand<br />

370 366 313 374 502 269<br />

Okt. 2010)<br />

Projektteilnehmende 41 49 66 43 55 65<br />

hiervon vermittelt 26 13 35 8 20 32<br />

Tabelle 4: Überblick zum Profil <strong>der</strong> BBW<br />

3,1<br />

(Nürnberger<br />

Land)


Als weitere Angebote <strong>der</strong> BBW-Träger stehen spezielle Berufsvorbereitende<br />

Bildungsmaßnahmen (BvB Reha) sowie Eignungsabklärungen (EA) und Arbeitserprobungen<br />

(AP) vor Ort zur Verfügung.<br />

Im BBW befinden sich unter einem Dach die berufspraktischen Ausbildungsstätten, ein<br />

Internat sowie rehabilitationsspezifische Fachabteilungen. Um die Ausbildung kompetenter<br />

Fachkräfte zu gewährleisten, verfügen alle BBW über eigene o<strong>der</strong> angeglie<strong>der</strong>te<br />

Berufsschulen 8 . Vielfältige Freizeit- und Sporteinrichtungen ergänzen das gemeinsame<br />

Leben und Lernen im Berufsbildungswerk.<br />

Die jMmB kommen - je nach Profil - aus den angrenzenden Bundeslän<strong>der</strong>n und wohnen<br />

während <strong>der</strong> Ausbildung meist im BBW. Unterschiedliche Wohnformen in<br />

Außenwohngruppen und im Internat sind möglich. Insbeson<strong>der</strong>e in städtischen<br />

Ballungsräumen gibt es neben <strong>der</strong> stationären Form auch eine Vielzahl von Auszubildenden<br />

als Tagespendler/ -in.<br />

Die jungen Menschen werden bei <strong>der</strong> Entwicklung ihrer Persönlichkeit im BBW umfassend<br />

unterstützt. Ein Team von Ausbildenden, Lehrenden, Ärzten/ -innen, Therapeuten/ -innen<br />

und Sozialpädagogen/ -innen berät sie umfassend und hilft ihnen je<strong>der</strong>zeit. Ziele und<br />

För<strong>der</strong>schritte werden im BBW individuell mit jedem erarbeitet und geplant. Die<br />

För<strong>der</strong>strategien sind auf die Belange und Kompetenzen <strong>der</strong> jungen Menschen sowie auf die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen des Arbeitsmarktes abgestimmt.<br />

Die praktische Ausbildung erfolgt in kleinen Gruppen durch pädagogisch geschulte<br />

Ausbildende und richtet sich nach dem individuellen Leistungsvermögen <strong>der</strong> jungen<br />

Menschen. Sie wird betriebsnah durchgeführt und umfasst ab dem ersten Ausbildungsjahr<br />

mehrwöchige Praktika in Betrieben. Bei den Praktika im letzten Ausbildungsjahr steht <strong>der</strong><br />

Aspekt einer anschließenden Vermittlung bereits im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Die BBW folgen dabei dem Ansatz, dass die Integrationsarbeit bereits mit dem Tag <strong>der</strong><br />

Aufnahme ins BBW beginnt. Richtschnur für die spätere Integration und Teilhabe bildet eine<br />

klare Orientierung an den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitswelt. So steht bei <strong>der</strong> Ansprache von<br />

Unternehmen nicht das BBW o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ungsspezifische Fragen im Vor<strong>der</strong>grund,<br />

son<strong>der</strong>n konkrete betriebliche Aufgabenstellungen. Davon ausgehend wird anschließend<br />

untersucht, welche dieser betrieblichen Aufgaben jMmB übernehmen können.<br />

In allen BBW gibt es Bereiche <strong>der</strong> Ausbildung, die an produktionsorientierten Lernorten<br />

stattfinden. Diese arbeiten wie Unternehmen <strong>der</strong> Privatwirtschaft, so dass reale<br />

Wertschöpfungsprozesse einschließlich <strong>der</strong> Kunden-/Auftraggeber-Beziehungen gegeben<br />

sind 9 . Beson<strong>der</strong>e Merkmale <strong>der</strong> Arbeit in den BBW sind die konsequente betriebliche<br />

Orientierung sowie die handlungsorientierte Verknüpfung von Ausbildungs- und Lehrplänen<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Lernorte. Eine beson<strong>der</strong>s innovative Ausgestaltung dieses Ansatzes<br />

findet sich im „Leipziger Modell“ zur Berufswegplanung von jMmB 10 .<br />

8<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Inklusion werden in den BBW-eigenen Berufsschulen auch zunehmend externe<br />

Schüler/ -innen aufgenommen.<br />

9<br />

Eine Auswahl solcher Bereiche sind: Industriemontage, Druckerei, Restaurant, Reisebüro-Filiale,<br />

Orthopädietechnikwerkstatt, Fahrradwerkstatt, Hotel, Kantine, Catering-Service, Friseursalon,<br />

Wäscherei sowie Dienstleistungen rund um Haus und Garten.<br />

10<br />

Dieses Modell des BBW Leipzig wendet sich zwar speziell an junge Menschen mit Sprach- und<br />

Hörbehin<strong>der</strong>ung; von den in Leipzig gemachten Erfahrungen mit <strong>der</strong> Berufswegeplanung konnten im<br />

Projekt jedoch alle BBW profitieren.<br />

18


Zur Unterstützung <strong>der</strong> Integration werden rechtzeitig vor Ausbildungsende alle sozialen<br />

Netzwerke <strong>der</strong> jMmB aktiviert und Informationsveranstaltungen bzw. Elterntage für Azubis<br />

mit ihren Bezugspersonen durchgeführt 11 .<br />

Die Integrationsarbeit in den BBW wird durch feste Ansprechpartner im BBW gesteuert und<br />

umgesetzt. Hierbei kommt vor allem das Konzept des Case-Management zum Tragen 12 . In<br />

den Gesprächen mit den (künftigen) Absolventen/ -innen wird auch die Suche nach<br />

möglichen Alternativen zu einer Tätigkeit im Ausbildungsberuf thematisiert und über die<br />

unterschiedlichen Beschäftigungsmodelle wie z. B. Zeitarbeit, saisonale Beschäftigung o<strong>der</strong><br />

Teilzeitbeschäftigung informiert. Ebenso erfolgt eine Beratung, welche zusätzlichen<br />

Qualifikationen für eine Integration sinnvoll sein könnten 13 .<br />

Zu einem professionellen Bewerbungstraining gehört in allen BBW auch das Einüben von<br />

Bewerbungssituationen, sei es telefonisch o<strong>der</strong> persönlich. Dies erfolgt teilweise mit<br />

externen Personalverantwortlichen (als Gegenüber <strong>der</strong> jMmB) und/o<strong>der</strong> Videounterstützung.<br />

Alle BBW verfolgen darüber hinaus das Ziel, die Teilnehmenden über das Ausbildungsende<br />

hinaus für sechs Monate (und auf freiwilliger Basis bis zu insgesamt einem Jahr) bis zur<br />

erfolgreichen Integration in Arbeit zu betreuen. Für die Aufgaben des<br />

Absolventenmanagements stehen beson<strong>der</strong>e Fachkräfte bzw. Abteilungen in den BBW zur<br />

Verfügung und es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Agenturen für Arbeit.<br />

Darüber hinaus beteiligen sich vier von den sechs BBW parallel am<br />

Integrationsprämienmodell 14 .<br />

Gute Kontakte bestehen von Seiten aller BBW zu den Prüfungsausschüssen <strong>der</strong> Kammern.<br />

Zahlreiche Lehrkräfte <strong>der</strong> BBW sind selbst Mitglied in den Prüfungsausschüssen <strong>der</strong><br />

Kammern. Diese auf Dauer angelegte Kooperation trägt zur Einbindung <strong>der</strong> BBW in die<br />

regionalen Wirtschaftsnetzwerke bei.<br />

5.4 Spezifische Rahmenbedingungen des Projektes in den sechs<br />

Regionen<br />

Hamburg<br />

Die Auszubildenden im BBW Hamburg sind zumeist Jugendliche mit Lernbehin<strong>der</strong>ungen<br />

(70 %), aber auch solche mit Sinnes- o<strong>der</strong> Körperbehin<strong>der</strong>ungen und zunehmend auch mit<br />

psychischen Behin<strong>der</strong>ungen. Insgesamt befinden sich regelmäßig ca. 500 Teilnehmende in<br />

den verschiedenen Qualifizierungen, davon ca. 420 in <strong>der</strong> Erstausbildung und 80 in<br />

Berufsvorbereitung (BvB), Arbeitserprobung o<strong>der</strong> Berufsfindung.<br />

Jährlich verlassen etwa 120 erfolgreiche Ausbildungsabsolventen/ -innen das BBW. Im Jahr<br />

2008 waren 46,6 % <strong>der</strong> Absolventen/ -innen des Abschlussjahrgangs erwerbstätig.<br />

Durch das Projekt entwickelte sich in Hamburg eine neue Zusammenarbeit des BBW mit<br />

dem Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (Regionalverband Hamburg). Der BVMW<br />

11 Das BBW Rummelsberg nutzt hierbei als ein wichtiges Instrument eine „Soziale Netzwerkkarte“, die<br />

alle Kontakte aus früheren Praktika, Familie und Freundeskreis mit hilfreichen Kontakten sowie die<br />

beruflichen Fakten wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

12 Die Bezeichnungen <strong>der</strong> Funktionsstellen weichen lokal voneinan<strong>der</strong> ab; gebräuchlich sind<br />

Bezeichnungen wie Bildungsbegleiter/ -in, Integrationskraft, JobCoach, Vermittlungscoach usw.<br />

13 So wird in einigen BBW zur Zeit beraten, im hauswirtschaftlichen Bereich z.B. den Pflegepass<br />

(200 h) obligatorisch als Zusatzqualifikation mit anzubieten.<br />

14 Von den am Projekt beteiligten BBW machen hiervon die BBW in Rummelsberg, Neuwied,<br />

Hamburg und Husum bereits Gebrauch. Integrationsprämien wirken sich in diesem Modell finanziell<br />

aus, wenn die bisherige Integrationsquote <strong>der</strong> BBW überschritten wird und <strong>der</strong> zusätzliche<br />

Verwaltungsaufwand refinanziert ist.<br />

19


Hamburg betreute ca. 60 Mitgliedsfirmen, die durch die Projektmitarbeitende auf das Projekt<br />

aufmerksam gemacht wurden.<br />

Im Verlauf des Projektes stellte sich allerdings heraus, dass das Profil <strong>der</strong> BBW-<br />

Absolventen/ -innen nur unzureichend zu <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Mitgliedsfirmen des<br />

Unternehmensverbandes passte. Die Hamburger BVMW-Mitgliedsunternehmen sind häufig<br />

im Dienstleistungssektor angesiedelte Kleinstunternehmen mit geringen<br />

Beschäftigungschancen. Viele <strong>der</strong> Absolventen/ -innen des BBW Hamburg schlossen<br />

dagegen ihre Ausbildung in an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n ab. Hierbei dominierten beson<strong>der</strong>s die<br />

Bereiche Metall- und Holztechnik. Aus diesem Grunde wurden von <strong>der</strong> Projektmitarbeitenden<br />

des BVMW verstärkt auch Firmen außerhalb des Verbands angesprochen.<br />

In Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit fand eine Veranstaltung mit allen sechs Hamburger<br />

Regionalgeschäftsführern des BVMW statt, auf <strong>der</strong> diese eingehend über das Projekt und<br />

dessen Zielsetzungen informiert wurden. Daraus wurde eine Präsentation des Projektes auf<br />

<strong>der</strong> Internetseite des regionalen Unternehmensverbandes entwickelt.<br />

Seit Jahren wird im BBW Hamburg für die Absolventen/ -innen <strong>der</strong> letzten Jahrgänge im<br />

Frühjahr eine Zeitarbeitsmesse durchgeführt. Dort, wie auch bei an<strong>der</strong>en regionalen<br />

Praktikums- und Jobbörsen, führten die jMmB Gespräche mit den für sie interessanten<br />

Firmen, um sich nach offenen Stellen sowie nach Ansprechpartnern im Personalbereich zu<br />

erkundigen. Hierbei wurden sie von den Integrationsmitarbeitenden des BVMW sowie des<br />

BBW unterstützt.<br />

Der Projektverlauf in Hamburg zeigte, dass bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit eines BBW mit einem<br />

Unternehmensverband das Profil des Verbandes ausreichend beachtet werden sollte. Auch<br />

die internen Strukturen eines solchen Verbandes müssen Beachtung finden. So ist es üblich,<br />

dass regionale Geschäftsführer eines Verbandes sich intensiv um die Mitgliedsfirmen in ihrer<br />

Region kümmern, während sie nur wenig Kontakt zu Mitglie<strong>der</strong>n außerhalb dieser Region<br />

haben.<br />

Husum<br />

Das Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk in Husum bildet Asthmatiker/ -innen, Allergiker/ -<br />

innen und junge Menschen mit Einschränkungen beim Lernen und körperlichen<br />

Behin<strong>der</strong>ungen sowie Hörschädigungen aus.<br />

Eine BBW-interne Abteilung von Integrationsberatern/ -innen unterstützt die jungen<br />

Menschen bei <strong>der</strong> Arbeitssuche und bietet auch Arbeitgebern/ -innen umfassende Beratung<br />

und Unterstützung. Die Integrationsquote ein Jahr nach Ausbildungsabschluss lag im Jahr<br />

2008 bei 45,7 %.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> unterschiedlichen strukturellen Ausgangsbedingungen<br />

(hauptamtliche Organisation auf Seiten des BBW und ehrenamtliche Arbeit beim<br />

Unternehmensverband Westküste) gab es zunächst Anlaufschwierigkeiten, die jedoch im<br />

Dezember 2009 überwunden werden konnten.<br />

Der Erstkontakt zu den Betrieben in <strong>der</strong> Region wurde direkt durch die Geschäftsleitung des<br />

Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste e. V. getätigt. Anschließende<br />

Betriebsbesuche wurden von den Integrationsmitarbeitenden des BBW zusammen mit dem<br />

Unternehmensverband durchgeführt. Den Betrieben wurden die Aufgaben eines BBW sowie<br />

dessen Personaldienstleistungen (Vermittlung, Beratungs- und För<strong>der</strong>möglichkeiten,<br />

behin<strong>der</strong>tengerechte Ausstattung von Arbeitsplätzen, etc.) vorgestellt. Gemeinsam wurden<br />

Unternehmen zu ihren jeweiligen Bedarfen befragt. Die Gespräche zeigten, dass in den<br />

meisten Betrieben die Pflichtquote nicht erfüllt wurde. Die Unternehmen begrüßten die<br />

20


Bereitstellung von Praktikumsstellen als Möglichkeit, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung näher<br />

kennen zu lernen.<br />

Da sich zeigte, dass Wissensdefizite <strong>der</strong> Betriebe die Beschäftigungsmöglichkeit von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung erschweren, spielte die Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle für<br />

die beiden Teilprojektpartner. Um dem entgegenzuwirken, wurde das Projekt auf<br />

verschiedenen Veranstaltungen sowie durch Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und im<br />

Radio vorgestellt. In Kooperation zwischen dem BBW, dem Unternehmensverband und den<br />

lokalen Agenturen für Arbeit entstand <strong>der</strong> „Ratgeber für Arbeitgeber/ -innen in Schleswig-<br />

Holstein“. In dieser Broschüre werden in prägnanter Form die Hilfen bei <strong>der</strong> Einstellung von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die Arbeitsplatzausstattung für Schwerbehin<strong>der</strong>te, Hilfen im<br />

Arbeitsleben und die Ansprechpartner bei Fragen von Arbeitgebern/ -innen zu diesen<br />

Themen erläutert.<br />

Leipzig<br />

Das Berufsbildungswerk Leipzig ist auf Menschen mit Hör- und Sprachbehin<strong>der</strong>ung<br />

spezialisiert. In den Maßnahmen <strong>der</strong> Berufsvorbereitung und <strong>der</strong> Ausbildung befinden sich<br />

ca. 480 hör- und sprachgeschädigte junge Menschen. Jedes Jahr legen durchschnittlich 110<br />

Auszubildende ihre Prüfung ab. Für das Jahr 2008 beträgt die Integrationsquote des BBW<br />

Leipzig 55,5 % (in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ein Jahr nach<br />

Abschluss).<br />

Die Zusammenarbeit zwischen dem BBW Leipzig und <strong>der</strong> L2 – agentur für taten verläuft<br />

schon seit einigen Jahren sehr konstruktiv und erfolgreich. Es gibt ein gemeinsames Büro im<br />

BBW, in dem auch eine gemeinsame Software zur Personalvermittlung genutzt wird. Das<br />

Vermittlungskonzept <strong>der</strong> L2, das im Wesentlichen aus den Bereichen Profiling, Coaching,<br />

Workshops und Vermittlung besteht, wird auf alle Teilnehmenden aus dem BBW<br />

angewendet. Zur weiteren Professionalisierung wird ein geson<strong>der</strong>ter Gebärdensprachkurs<br />

für Mitarbeitende <strong>der</strong> L2 organisiert.<br />

Die BBW-Mitarbeitenden sind in den Stellenverteiler des Unternehmensverbandes<br />

aufgenommen. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden des<br />

Unternehmensverbandes und den Mitarbeitenden des BBW gestärkt und vereinfacht.<br />

Das gemeinsame Planen und Durchführen von Veranstaltungen (z. B. Bewerber-Frühstücke)<br />

und Gesprächen verschiedenster Art bildet einen wesentlichen Kern <strong>der</strong> Vermittlungsarbeit.<br />

Bei <strong>der</strong> Ansprache <strong>der</strong> Unternehmen stellen die Kooperationspartner nicht das Projekt in den<br />

Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n die Bewerbern/ -innen. Es ist üblich, dass Mitarbeitende aus <strong>der</strong> L2<br />

potenzielle Arbeitgeber/ -innen ansprechen, zu denen sie sehr gute Beziehungen haben, um<br />

sie für die Einstellung eines Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung zu gewinnen. Die Mitarbeitenden<br />

des BBW kommen bei Bedarf beratend hinzu. Die Rückmeldungen <strong>der</strong> Unternehmen sind<br />

überwiegend positiv. Erfahrungen des BBW Leipzig weisen darauf hin, dass es im<br />

handwerklichen Bereich wichtiger ist, junge und fachliche gut ausgebildete Bewerbende zu<br />

haben, als dass ihre Behin<strong>der</strong>ung eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt.<br />

Neuwied<br />

Das Berufsbildungswerk Heinrich-Haus bietet jungen Menschen mit (schweren)<br />

Körperbehin<strong>der</strong>ungen, Hör- und Sprachbehin<strong>der</strong>ungen, Lernbehin<strong>der</strong>ungen und im Einzelfall<br />

mit psychischen Behin<strong>der</strong>ungen ein spezialisiertes Rehabilitationsprogramm.<br />

Jährlich nutzen ca. 400 Teilnehmende die Qualifikationsangebote. Die berufsbildenden<br />

Maßnahmen an den unterschiedlichen Standorten des Berufsbildungswerkes werden zum<br />

Teil auch in Kooperation mit regionalen Unternehmen betrieblich durchgeführt.<br />

21


Durchschnittlich 110 Auszubildende absolvieren pro Jahr ihre Abschlussprüfung. Für den<br />

Abgangsjahrgang 2008 lag ein Jahr nach Ausbildungsende die Integrationsquote <strong>der</strong><br />

Absolventen/ -innen bei 43,6 % (sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse).<br />

Beson<strong>der</strong>e Merkmale des BBW Neuwied sind neben produktionsorientierten Lernorten in<br />

einer Vielzahl von Ausbildungsgängen 15 die verzahnte kaufmännische Ausbildung, das<br />

Angebot zum Führerscheinerwerb in <strong>der</strong> hauseigenen Fahrschule sowie das Konzept des<br />

festen Bewerbercoaches und (Nach-)Betreuers für jeden Teilnehmenden.<br />

Das BBW Neuwied ist Mitglied in <strong>der</strong> Initiative Mittelrhein sowie beim Bundesverband<br />

mittelständische Wirtschaft (BVMW Region Mittelrhein), dem kooperierenden<br />

Unternehmensverband während <strong>der</strong> Projektlaufzeit.<br />

Im Zuge des Projektes richtet sich die Unternehmenskommunikation neben zukünftigen<br />

Auszubildenden verstärkt auch an den Interessenten aus <strong>der</strong> Wirtschaft. Der BVMW<br />

Mittelrhein und die Initiative Mittelrhein gestalteten gemeinsam mit dem BBW<br />

öffentlichkeitswirksame und integrationsför<strong>der</strong>nde Aktivitäten. Deren Zusammenarbeit wird<br />

auch über die Projektlaufzeit hinaus fortgesetzt. Bei einer Anfang des Jahres 2011 im BBW<br />

stattfindenden Veranstaltung wurde eine gemeinsame Veranstaltungsreihe vereinbart.<br />

Potsdam<br />

Das Berufsbildungswerk im Oberlinhaus bildet junge Menschen mit Lern-, Körper-,<br />

psychischen, Sinnes- und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung aus. Der überwiegende Teil <strong>der</strong><br />

Auszubildenden stammt aus den Bundeslän<strong>der</strong>n Brandenburg und Berlin. Im BBW Potsdam<br />

können auch schwer körperbehin<strong>der</strong>te sowie psychisch behin<strong>der</strong>te junge Menschen eine<br />

Ausbildung absolvieren. So werden z.B. 120 Plätze für Rollstuhlfahrer/ -innen vorgehalten,<br />

zum Teil mit Arbeitsassistenz und Pflegebedarf, sowie Ausbildungsplätze für Autisten und<br />

Menschen mit ADHS.<br />

Jährlich befinden sich etwa 650 junge Menschen in Ausbildung o<strong>der</strong> nehmen an<br />

berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teil. Ca. 130 Auszubildende beenden jährlich<br />

erfolgreich ihre Ausbildung. Über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verfügen<br />

im Jahr 2008 43,7 % des Abschlussjahrgangs aus dem Vorjahr.<br />

Zwischen dem BBW Potsdam und dem BVMW Regionalverband Brandenburg West bestand<br />

schon vor Projektbeginn eine rege Zusammenarbeit. Diese ging über die Ebenen <strong>der</strong><br />

unmittelbaren Integrationsarbeit sowie begleitenden Öffentlichkeitsaktivitäten hinaus. So<br />

werden Unternehmer/ -innen in das BBW eingeladen o<strong>der</strong> Auszubildende des BBW<br />

besuchen im Gegenzug BVMW-Veranstaltungen, um ihre Kompetenzen und ihre qualifizierte<br />

BBW-Ausbildung vorzustellen. Die Präsentation dieses Netzwerkes wurde fester Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Außendarstellung des BVMW Regionalverbandes Brandenburg West. Personalanfragen<br />

werden über den BVMW frühzeitig an das BBW weitergeleitet, woraufhin eine qualifizierte<br />

Beratung, z.B. zu För<strong>der</strong>möglichkeiten, erfolgt. Auch die Teilnahme von BBW-Vertreter/ -<br />

innen an Unternehmertreffen zum gegenseitigen Kennenlernen erweist sich als sehr sinnvoll,<br />

um neue Kontakte zu Firmen zu knüpfen. Die Erfahrungsberichte von Unternehmer/ -innen<br />

bei <strong>der</strong> Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sind hierbei ein Wegweiser für alle<br />

Beteiligten. Um das Profil <strong>der</strong> BBW und die Qualifikationen <strong>der</strong> Auszubildenden bekannt zu<br />

machen, werden oftmals Veranstaltungen des BVMW im BBW durchgeführt (z.B.<br />

Unternehmer-Frühstück im BBW mit anschließen<strong>der</strong> Hausführung).<br />

15 Beispiele solcher produktionsorientierter Lernorte sind eine Wäscherei, die Cafeteria in <strong>der</strong> Agentur<br />

für Arbeit o<strong>der</strong> die gastronomische Versorgung des Freizeitbads. Die Gärtnerei Cultera und die<br />

Kompetenzwerkstatt Metallbau bieten zudem ihre Arbeit externen Kunden an.<br />

22


Darüber hinaus arbeiten das BBW Potsdam und <strong>der</strong> BVMW Regionalverband Brandenburg<br />

West mit dem Arbeitskreis Wirtschaftsjunioren zusammen. Für Rollenspiele zur Simulation<br />

von Vorstellungsgesprächen kurz vor Ausbildungsende gewinnen die Integrationsfachkräfte<br />

des BBW meist Interviewer/ -innen aus <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

Die Kontakte zu regionalen Unternehmen werden im BBW von den Fachkräften fortlaufend<br />

gepflegt und weiter ausgebaut. Durch die verstärkte Zusammenarbeit mit dem BVMW im<br />

Projekt wurde eine noch zielgenauere Informationspolitik zum Thema Beschäftigung von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung durch die Ansprache einzelner Unternehmen möglich. In den<br />

Medien des BVMW (z. B. in <strong>der</strong> Verbandszeitung „Der Mittelstand“) wird laufend über die<br />

Arbeit des BBW berichtet und es werden Best-Practice-Beispiele gelungener Integration<br />

vorgestellt.<br />

Das BBW Potsdam wird auch über die Projektlaufzeit hinaus an Veranstaltungen des BVMW<br />

teilnehmen, um als Ansprechpartner präsent zu bleiben. So können die Mitarbeitenden des<br />

BBW die Unternehmen auch künftig über alle Fragen <strong>der</strong> Beschäftigung von Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung „aus erster Hand“ informieren.<br />

Rummelsberg<br />

Das Berufsbildungswerk Wichernhaus Rummelsberg bildet junge Menschen mit einer<br />

Körperbehin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung aus. Für spezielle Personengruppen wie<br />

Epilepsiekranke, Schädel-Hirn-Verletzte, ADHS- und Adipositas-Betroffene werden eigene,<br />

auf die Behin<strong>der</strong>ungsart zugeschnittene Betreuungsprogramme vorgehalten. Die<br />

Maßnahmeteilnehmenden werden überwiegend aus dem Bundesland Bayern in das<br />

Berufsbildungswerk Wichernhaus Rummelsberg vermittelt.<br />

Insgesamt nehmen im Berufsbildungswerk Rummelsberg ca. 280 Teilnehmende jährlich an<br />

einer Ausbildung o<strong>der</strong> einer vorberuflichen Maßnahme teil. Pro Jahr absolvieren ca. 80<br />

Auszubildende ihre Abschlussprüfung. Ein Jahr nach dem Ausbildungsende 2008 haben<br />

48,1 % aller Absolventen/ -innen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen.<br />

Ursprünglich war angedacht, mit dem BVMW Bayern Nord als regionalem Partner zu<br />

kooperieren. Da sich dieser Kontakt als nicht tragfähig erwies, wurde eine Alternative<br />

gesucht. Mit <strong>der</strong> IHK Nürnberg für Mittelfranken wurde zum 01.10.2009 ein kompetenter<br />

Projektpartner gefunden.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> IHK Mittelfranken und dem BBW Rummelsberg erfolgt<br />

vorrangig in den Bereichen <strong>der</strong> Ausbildung, Prüfung und Integration. Zur<br />

Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung von jMmB pflegt das Netzwerk u.a. Kontakte zu den Agenturen für<br />

Arbeit, den Integrationsämtern sowie Behin<strong>der</strong>tenbeauftragten.<br />

Durch die Teilnahme an Fachmessen werden die qualifizierten Ausbildungen des BBW<br />

Rummelsberg bekannt gemacht, neue Kontakte geknüpft und Arbeitsstellen akquiriert.<br />

Offene Stellenangebote werden durch die Integrationsfachkräfte aus dem BBW mit den<br />

individuellen Profilen <strong>der</strong> Jugendlichen abgeglichen.<br />

Durch die regelmäßigen Kontakte zu Arbeitgebern/ -innen werden die Erwartungen <strong>der</strong><br />

Wirtschaft an Absolventen/ -innen noch stärker als bisher berücksichtigt, z.B. hinsichtlich<br />

beson<strong>der</strong>s relevanter Ausbildungsinhalte o<strong>der</strong> wünschenswerter (Zusatz-)Qualifikationen. In<br />

diesem Kontext wurde das Projekt auch im Personalleiterkreis <strong>der</strong> IHK präsentiert.<br />

Um ein noch präziseres Bild <strong>der</strong> Erwartungen <strong>der</strong> Wirtschaft an die Auszubildenden zu<br />

erhalten, führte das BBW Rummelsberg auch zwei Unternehmensbefragungen durch: Zum<br />

einen wurden Praktikumsbetriebe nach ihren Erfahrungen mit Praktikanten/ -innen und <strong>der</strong><br />

23


Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Arbeit des BBW befragt. In <strong>der</strong> zweiten Unternehmensbefragung<br />

wurden <strong>der</strong> Beratungsbedarf und Kooperationsmöglichkeiten mit dem BBW erhoben.<br />

Speziell für Bildungseinrichtungen und -träger wurde unter Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> IHK eine<br />

Informationsreihe zur Fachpraktiker-Ausbildung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) organisiert.<br />

Gemeinsam mit Unternehmen und Bildungseinrichtungen wurden neue Berufsbil<strong>der</strong><br />

entwickelt bzw. aktualisiert. Ziel hierbei ist, möglichst einheitliche Berufsbezeichnungen zu<br />

definieren, die die inhaltliche Nähe zu den „Voll-Berufen“ erkennen lassen 16 . Ergebnis dieser<br />

Arbeit sind lokal einheitliche Regelungen im Kammerbezirk zu den Berufen nach § 66 BBiG<br />

und § 42m HwO.<br />

Die Netzwerkarbeit und Öffentlichkeitsarbeit zwischen dem BBW Rummelsberg und <strong>der</strong> IHK<br />

Nürnberg für Mittelfranken soll fortgesetzt und weiter intensiviert werden.<br />

5.5 Vernetzung mit <strong>der</strong> lokalen Wirtschaft<br />

Im März 2011 wurde seitens <strong>der</strong> BAG BBW e. V. eine Befragung zu den Unternehmenskontakten<br />

unter allen BBW durchgeführt 17 . Nach einer Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse verfügen<br />

die BBW durchschnittlich über 266 Betriebskontakte (vgl. Abbildung 9). Hiervon werden im<br />

Mittel 149 regelmäßig für Praktika genutzt. Hochgerechnet verfügen somit alle BBW<br />

gemeinsam über mehr als 14.300 Betriebskontakte; hiervon entfallen über 1.050 auf<br />

Großbetriebe 18 (> 250 Mitarbeitende).<br />

Anzahl an BBW<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

3<br />

7<br />

9<br />

1-50 51-100 101-200 201-400 >400 k.A.<br />

24<br />

10<br />

Anzahl an Kontaktaufnahmen zu KMU<br />

Abbildung 9: Anzahl <strong>der</strong> Unternehmenskontakte (Quelle: BAG BBW e. V.<br />

Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)<br />

16<br />

Nach Auskunft des BIBB gibt <strong>der</strong>zeit bundesweit über 1000 von einan<strong>der</strong> abweichende<br />

Berufsbezeichnungen, die nach und nach vereinheitlicht werden sollen.<br />

17<br />

An <strong>der</strong> Befragung haben 34 von 52 BBW teilgenommen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 65<br />

%.<br />

18<br />

Dazu gehören u.a. Bosch, Netzsch, Rehau-AG, Rosenthal AG, Lamilux, SKF, INA-Schaeffler,<br />

Michelin, Thyssen Krupp, Karlsberg, SAP, Festo, Dr. Theiss, Universitätskliniken, Terex, BMW,<br />

Siemens, MAN, Stadtsparkasse München, Rheinenergie, RWE Power, NDR, Hauni Maschinenbau,<br />

Airbus Deutschland, Still, Dussmann AG, Commerzbank, Dt. Extrakt-Kaffee GmbH, Beiersdorf,<br />

Karstadt, Lufthansatechnik, Metro. Continental, HEWI, Edeka, B. Braun AG, Bombardier, Daimler,<br />

Schenker, VK KS, Breer Gebäudedienste Heidelberg, Zehnacker Gebäu<strong>der</strong>einigung, Maschinenfabrik<br />

Gerd Mosca.<br />

4<br />

1


Neben den direkten Betriebskontakten, welche alle BBW auf den unterschiedlichen Ebenen<br />

(Leitung, Ausbildung, Integration) pflegen, sind die Einrichtungen intensiv in ihrem jeweiligen<br />

Wirtschaftsraum vernetzt:<br />

• Alle BBW unterhalten Kontakte zu den jeweils zuständigen Kammern und Innungen<br />

• Die Hälfte aller BBW unterhält Kontakte zur kommunalen Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

• Rund zwei Drittel aller BBW sind Mitglie<strong>der</strong> in wirtschaftsnahen Verbänden<br />

o davon zehn BBW bei Unternehmensverbänden (BVMW u.ä)<br />

o sowie sieben BBW bei Innungen<br />

• Nahezu die Hälfte aller BBW engagiert sich in Serviceclubs (Lions, Rotarier)<br />

• Ein Drittel <strong>der</strong> BBW nimmt regelmäßig an Wirtschaftsstammtischen o.ä. teil.<br />

• Über ein Drittel aller BBW sind zusätzlich aktiv, z.B. in Arbeitskreisen<br />

Schule/Wirtschaft, Frau & Wirtschaft, lokales Marketing, Wirtschaftsjunioren und<br />

Wirtschaftsclubs.<br />

In die Kontaktaufnahme und Pflege sind unterschiedliche Funktionsgruppen innerhalb eines<br />

BBW eingebunden (Leitung, mittlere Führungskräfte, Ausbildende sowie<br />

Integrationsfachkräfte). Die Kontaktpflege zu Verbänden und Institutionen ist vorrangig eine<br />

Angelegenheit <strong>der</strong> BBW-Leitung. Mittlere Führungskräfte und Ausbildende pflegen dagegen<br />

vorrangig die Kontakte zu den Betrieben und Kammern bzw. Innungen. Das Netzwerk <strong>der</strong><br />

Kontakte sowie die im BBW daran beteiligten Akteure können den folgenden Abbildungen<br />

entnommen werden.<br />

25


Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> Ausbildenden bestehen<br />

zu...<br />

Stammtische o.ä.<br />

Service-Clubs<br />

sonstiges<br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

Wirtschaftsverbände<br />

IHK<br />

100%<br />

50%<br />

0%<br />

26<br />

HWK<br />

Landwirtschaftskammer<br />

Innungen<br />

Unternehmen allg.<br />

Großbetriebe speziell<br />

Abbildung 10: Kontakte <strong>der</strong> Ausbildenden (Quelle: BAG BBW e. V. Unternehmensbefragung,<br />

eigene Auswertungen)<br />

Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> Integrationsfachkräfte<br />

bestehen zu ...<br />

Stammtische o.ä.<br />

Service-Clubs<br />

sonstiges<br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

Wirtschaftsverbände<br />

IHK<br />

100%<br />

50%<br />

0%<br />

HWK<br />

Landwirtschaftskammer<br />

Innungen<br />

Unternehmen allg.<br />

Großbetriebe speziell<br />

Abbildung 11: Kontakte <strong>der</strong> Integrationsfachkräfte (Quelle: BAG BBW e. V.<br />

Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)


Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> mittleren Führungsebene<br />

bestehen zu ...<br />

Stammtische o.ä.<br />

Service-Clubs<br />

sonstiges<br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

Wirtschaftsverbände<br />

IHK<br />

100%<br />

50%<br />

0%<br />

27<br />

HWK<br />

Landwirtschaftskammer<br />

Innungen<br />

Unternehmen allg.<br />

Großbetriebe speziell<br />

Abbildung 12: Kontakte <strong>der</strong> mittleren Führungsebene <strong>der</strong> BBW (Quelle: BAG BBW e. V.<br />

Unternehmensbefragung, eigene Auswertungen)<br />

Die intensivsten Kontakte <strong>der</strong> BBW-Leitung bestehen<br />

zu...<br />

Stammtische o.ä.<br />

Service-Clubs<br />

sonstiges<br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

Wirtschaftsverbände<br />

IHK<br />

100%<br />

50%<br />

0%<br />

HWK<br />

Landwirtschaftskammer<br />

Innungen<br />

Unternehmen allg.<br />

Großbetriebe speziell<br />

Abbildung 13: Kontakte <strong>der</strong> BBW-Leitung (Quelle: BAG BBW e. V. Unternehmensbefragung,<br />

eigene Auswertungen)


6 Integrationsprozesse<br />

Die Begleitung von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (jMmB) an <strong>der</strong> zweiten Schwelle, das<br />

so genannte Übergangsmanagement, darf sich nicht in standardisierten Abfolgen von<br />

Maßnahmen erschöpfen. Die Unterstützung muss sich vielmehr auf die Ausgangssituation<br />

des Einzelnen beziehen, dessen Bedürfnisse und Potenziale berücksichtigen (vgl. Ben<strong>der</strong><br />

2010).<br />

Die Integrationsmitarbeitenden <strong>der</strong> BBW haben eine Schlüsselfunktion bei <strong>der</strong> Betreuung <strong>der</strong><br />

Absolventen/ -innen an <strong>der</strong> zweiten Schwelle. Sie begleiten die jungen Menschen nicht erst<br />

zum Abschluss ihrer Ausbildung, son<strong>der</strong>n schon sehr viel früher. Eine kontinuierliche<br />

Unterstützung ist von <strong>der</strong> ersten Praktikumssuche über die Stellenakquise bis zum<br />

Kontakthalten nach Arbeitsbeginn im Sinne einer Nachbetreuung möglich.<br />

Im Folgenden werden die im Projekt zum Tragen gekommenen Integrationsprozesse <strong>der</strong><br />

jMmB in chronologischer Reihenfolge und vorwiegend qualitativ dargelegt: es wird erörtert,<br />

welche Rollen dabei die BBW und die wirtschaftsnahen Verbände spielten, wie die konkrete<br />

Unterstützung <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen aussah, welche Faktoren in den Betrieben die<br />

Integration för<strong>der</strong>ten und schließlich auch, in welchen Fällen es zu Abbrüchen kam.<br />

Viele <strong>der</strong> Projektteilnehmenden benötigen nach den Monaten erfolgloser Arbeitssuche<br />

Motivationsunterstützung. Dies erscheint umso mehr nachvollziehbar, wenn man die Anzahl<br />

<strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme betrachtet (vgl. Abbildung 14):<br />

Anzahl an Teilnehmenden<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

8<br />

32<br />

50<br />

34<br />

43<br />

23<br />

27<br />

28<br />

20<br />

10<br />

Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme<br />

14<br />

10<br />

35<br />

12<br />

keine<br />

weniger als 9<br />

10 - 19<br />

20 - 29<br />

30 - 39<br />

40 - 49<br />

50 - 59<br />

60 - 69<br />

70 - 79<br />

80 - 89<br />

90 - 99<br />

mehr als 100<br />

unbekannt<br />

keine Angaben<br />

Abbildung 14: Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen vor Projektaufnahme (N = 319, Stand 2011)<br />

Die Telefoninterviews, die mit 50 Teilnehmenden geführt wurden, bestätigen diese Angaben:<br />

durchschnittlich benötigten die jMmB für die Stellensuche ein Jahr und schrieben bis zu 100<br />

Bewerbungen. Die erste Aufgabe <strong>der</strong> Integrationsmitarbeitenden war daher, ein<br />

Vertrauensverhältnis zu knüpfen, auf dem das Projekt aufbauen konnte. Dabei war es für die<br />

jMmB auch wichtig, sich zunächst <strong>der</strong> eigenen Stärken und Kompetenzen wie<strong>der</strong> zu<br />

vergewissern. Diese Beziehungsaufgabe übernahmen – mit zwei Ausnahmen 19 – die<br />

Projektmitarbeitenden aus den beteiligten BBW.<br />

Die Rückmeldungen <strong>der</strong> Projektmitarbeitenden zu den Integrationsprozessen zeigen, dass<br />

rund zwei Drittel <strong>der</strong> jungen Menschen konkrete Unterstützung bei Bewerbungen<br />

19 Diese Aufgabe übernahmen in Leipzig die L2 – agentur für taten und in Neuwied <strong>der</strong> BVMW.<br />

1


enötigen 20 . Die Integrationsfachkräfte nehmen dabei die Rolle eines „Coach“ ein bzw.<br />

fungieren als „Jobpaten“ gegenüber den Teilnehmenden. Diese brauchen eine/n<br />

Ansprechpartner/ -in, <strong>der</strong> sie über die Zeit begleitet, ihre Ressourcen und Probleme kennt<br />

und gemeinsam mit ihnen eine passende Bewerbungsstrategie – orientiert am Arbeitsmarkt -<br />

entwickelt. Hierbei erfolgt <strong>der</strong> persönliche Kontakt von Teilnehmenden und Mitarbeitenden<br />

regelmäßig und während <strong>der</strong> Arbeitssuche mindestens einmal im Monat. Ziel <strong>der</strong> Begleitung<br />

war, dass die jMmB in die Lage versetzt werden, bei <strong>der</strong> Jobsuche so selbstständig wie<br />

möglich vorzugehen.<br />

6.1 Vorbereitung <strong>der</strong> Integration während <strong>der</strong> Ausbildung<br />

Praktika haben ein beson<strong>der</strong>es Gewicht in <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> jungen Menschen auf eine<br />

Erwerbstätigkeit. Die am Projekt Integration inklusive beteiligten BBW haben daher<br />

zahlreiche Instrumente entwickelt, um den Auszubildenden bei <strong>der</strong> Suche eines geeigneten<br />

Praktikumsplatzes zu helfen. Ein Beispiel dafür sind die Aktivitäten des BBW Husum, das in<br />

jedem Ausbildungsjahr entsprechende Seminare anbietet. In den ersten beiden Jahren liegt<br />

<strong>der</strong> Schwerpunkt thematisch auf <strong>der</strong> Praktikumssuche, im letzten Ausbildungsjahr steht die<br />

Stellensuche selbst im Vor<strong>der</strong>grund. Ziel dieser Kurse ist es, dass Absolventen/ -innen schon<br />

während <strong>der</strong> Praktikumszeit ihre potentiellen Arbeitgeber/ -innen besser kennen lernen und<br />

eigene Netzwerke zu Betrieben aufbauen können.<br />

Die eigenständige Suche eines Praktikums stellt für die jMmB eine beson<strong>der</strong>e<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung dar, denn sie verlassen damit ihre vertraute Umgebung und kommen mit<br />

einer Arbeitswelt in Kontakt, die ihnen oftmals zunächst fremd ist. Hierbei machen sie ihre<br />

individuellen Erfahrungen, wie inklusiv die Mitwelt außerhalb des BBW ist und wie diese mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung umgeht. Daher sind Betriebspraktika in beson<strong>der</strong>em Maße geeignet, die<br />

Eigeninitiative zu för<strong>der</strong>n. Die Unterstützung <strong>der</strong> Suche durch Fachkräfte des BBW kann<br />

gerade während <strong>der</strong> ersten Schritte sinnvoll sein, um die jMmB nach und nach an eine<br />

größere Eigenständigkeit heranzuführen. Dies ist je nach Entwicklungsstand und den<br />

beson<strong>der</strong>en Umfeldbedingungen von Fall zu Fall individuell zu entscheiden.<br />

Spätestens mit dem dritten Ausbildungsjahr lernen die Auszubildenden weitere<br />

Unterstützungsangebote des BBW kennen. In dieser Phase bieten alle BBW, aufgrund <strong>der</strong><br />

zeitlichen Nähe zum Ausbildungsende, verstärkt Bewerbungstrainings an. Nach Aussage <strong>der</strong><br />

Projektpartner sind diese Trainings beson<strong>der</strong>s wirksam, wenn sie konkret auf die<br />

momentane regionale Arbeitsmarktsituation ausgerichtet sind. Um das Training so praxisnah<br />

wie möglich zu gestalten, bietet beispielsweise das BBW Potsdam Simulationen von<br />

Vorstellungsgesprächen mit externen Interviewern an, die häufig aus dem Personalbereich<br />

von Unternehmen kommen. An<strong>der</strong>e BBW wie<strong>der</strong>um ermöglichen den jMmB Stil-/<br />

Imageberatungen, trainieren professionelles Auftreten o<strong>der</strong> üben das<br />

Kommunikationsverhalten am Telefon. Im BBW Neuwied erhalten die Auszubildenden<br />

umfangreiche Informationen zum Erwerb und zur Finanzierung eines Führerscheines sowie<br />

eine Outfitberatung.<br />

Parallel zu diesen Gruppenaktivitäten, die den Auszubildenden eine realistische<br />

Einschätzung über ihre kommende Arbeitsplatzsuche vermitteln, reflektieren die jMmB in<br />

Einzelgesprächen mit den Integrationsfachkräften ihre Vorstellungen, Ziele und Fähigkeiten.<br />

20 Dies wird deutlich an einer insgesamt abnehmenden Zahl von Bewerbungen, die jedoch qualitativ<br />

besser vorbereitet und gezielter platziert sind.<br />

29


6.2 Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung<br />

Die Unterstützung <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen bei <strong>der</strong> Stellensuche nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />

wird durch eine Vielzahl individueller Angebote <strong>der</strong> BBW gewährleistet. Ein intensives<br />

Bewerbungscoaching 21 stellt den Beginn <strong>der</strong> Stellensuche und Vermittlung dar. Ein solches<br />

Coaching besteht in <strong>der</strong> Regel aus einer Analyse <strong>der</strong> individuellen Fähigkeiten <strong>der</strong><br />

Absolventen/ -innen, einer Überarbeitung <strong>der</strong> Bewerbungsunterlagen sowie einem gezielten<br />

Ausbau ihrer Kompetenzen. Anhand <strong>der</strong> im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung<br />

wird deutlich, dass dieser zusätzliche Ausbau an Kompetenzen äußerst sinnvoll ist, um die<br />

Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong> Teilnehmenden auszubauen.<br />

Beson<strong>der</strong>s geschätzt wird die Motivation <strong>der</strong> Teilnehmenden. Die überragende Mehrheit <strong>der</strong><br />

Unternehmen bescheinigt ihren neuen Mitarbeitenden hohe Leistungsbereitschaft (85 %)<br />

und ein gutes Durchhaltevermögen (80 %). Von 90 % <strong>der</strong> befragten Unternehmen wird auch<br />

die Teamfähigkeit <strong>der</strong> BBW-Absolventen/ -innen als durchwegs positiv bewertet.<br />

Für noch ausbaufähig halten etwa die Hälfte <strong>der</strong> befragten Unternehmen die<br />

Selbstständigkeit <strong>der</strong> Absolventen/ -innen. Auch bei <strong>der</strong> Konflikt- und Kritikfähigkeit sehen<br />

45 % bzw. 40 % <strong>der</strong> Betriebe noch Verbesserungsbedarf.<br />

In Hinblick auf die Wünsche <strong>der</strong> Unternehmen an ihre Mitarbeitenden ergab die Befragung,<br />

dass passgenaue fachliche Zusatzqualifikationen (z.B. Schweißerscheine, Stapler-<br />

Führerscheine o<strong>der</strong> kaufmännische Buchhaltungssoftware wie DATEV, SAP etc.) eine<br />

Einstellung erheblich begünstigen. Darüber hinaus legen Unternehmen großen Wert auf gute<br />

Leistungen im Bereich <strong>der</strong> Allgemeinbildung (Deutsch, Mathematik).<br />

In diesen spezifischen, für die Tätigkeiten am Arbeitsplatz benötigten Qualifikationen bilden<br />

die BBW die Teilnehmenden gezielt aus. Dazu stellen die BBW-Mitarbeitenden den Bedarf<br />

an Zusatzqualifikationen fest und unterstützen gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit die<br />

jungen Menschen beim Erwerb <strong>der</strong>selben. Beispiele aus den Projekt-BBW sind<br />

betriebsspezifische Schulungen zu Maschinen, Software, Aufklärung über finanzielle und<br />

technische Hilfsmittel am Arbeitsplatz und zu Verhaltensregeln im Betrieb.<br />

Neben dem Coaching ist die Stellenakquise ein weiterer Teil des Unterstützungsangebotes<br />

<strong>der</strong> BBW. Die Integrationsfachkräfte haben hierbei das Ziel, den Absolventen/ -innen<br />

konkrete Arbeitsmöglichkeiten (Stellen) aufzuzeigen und bei <strong>der</strong> Vermittlung zu assistieren.<br />

Das Bewerbungsverfahren bleibt jedoch in den Händen <strong>der</strong> jMmB, <strong>der</strong>en Selbstständigkeit<br />

gestärkt werden soll. Die Erfolgserlebnisse durch das eigene Handeln sollen die<br />

Absolventen/ -innen für künftige Bewerbungsphasen motivieren. Wichtige Elemente <strong>der</strong><br />

Stellenakquise sind allen beteiligten BBW zufolge die Unterstützung bei <strong>der</strong> Recherche und<br />

<strong>der</strong> Besuch von Unternehmen. Die genaue Form <strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Recherche ist bei<br />

den BBW unterschiedlich ausgestaltet. Die BBW Neuwied und Husum z.B. nutzen Internetbasierte<br />

Job-Portale, wie die Jobbörse <strong>der</strong> Arbeitsagentur, das Arbeitsmarktportal<br />

www.integrationsverbund.de o<strong>der</strong> www.meinestadt.de, für die Suche nach offenen Stellen.<br />

Gute Ergebnisse erzielt man dort auch durch die Suche auf den Internetseiten großer Firmen<br />

und öffentlicher Institutionen.<br />

Eine genaue Kenntnis, welche Medien und Portale von Unternehmen vor Ort genutzt<br />

werden, bildet die Basis für wirksame Bewerbungsstrategien. Einige BBW helfen ihren<br />

Absolventen/ -innen beim Veröffentlichen eines eigenen Bewerberprofils auf den<br />

einschlägigen Jobportalen. Das BBW Potsdam wie<strong>der</strong>um setzt auf die Veröffentlichung von<br />

21 Die BBW orientieren sich am Grundsatz des systemischen Coachings basierend auf den<br />

Erkenntnissen des Encouragements bzw. Empowerment.<br />

30


Bewerberprofilen auf <strong>der</strong> Internetseite des Berufsverbandes mittelständische Wirtschaft<br />

(BVMW), da <strong>der</strong> Verband regional eine hohe Akzeptanz und entsprechende Aufmerksamkeit<br />

genießt. Potenzielle Arbeitgeber/ -innen suchen eher auf dieser Seite als auf <strong>der</strong> BBW-<br />

Homepage.<br />

Neben dem Gebrauch <strong>der</strong> neuen Medien nutzen die BBW klassische Wege <strong>der</strong><br />

Stellenakquise. Diesbezüglich recherchiert z.B. das BBW Hamburg in <strong>der</strong> lokalen Presse.<br />

An<strong>der</strong>e wie das BBW Neuwied setzen zusätzlich auf die Pflege persönlicher Netzwerke. Alle<br />

BBW bieten den Stellensuchenden Hilfe bei <strong>der</strong> Interpretation von Stellenanzeigen an.<br />

Hierbei geht es insbeson<strong>der</strong>e um einen Abgleich des Bewerber- und des Stellenprofils.<br />

Ein weiterer Teil <strong>der</strong> Akquise ist <strong>der</strong> Besuch von Unternehmen auf Eigeninitiative <strong>der</strong><br />

Bewerber hin, um diese auf freie Stellen anzusprechen. Absolventen/ -innen können dabei<br />

von Integrationsmitarbeitenden begleitet werden, die sie unterstützen, ihr Anliegen<br />

vorzutragen. Zusätzlich begleiten die BBW die jungen Menschen zu Vorstellungsgesprächen<br />

und Gesprächen mit <strong>der</strong> Agentur für Arbeit. An<strong>der</strong>e bieten Unterstützung bei „telefonischer<br />

Kaltakquise“ an. Im BBW Leipzig z.B. erstellen die Absolventen/ -innen einen eigenen<br />

Leitfaden für ihre Telefon- bzw. E-Mail-Akquise.<br />

Das BBW Leipzig beschreitet im Absolventenmanagement einen eigenen Weg, indem es die<br />

konkreten Vermittlungsaktivitäten räumlich und organisatorisch von den an<strong>der</strong>en<br />

Unterstützungsleistungen des BBW trennt. Die Jugendlichen müssen sich so bei ihren<br />

Bewerbungen an einen „Dritten“ wenden, die L2 – agentur für taten. Auf diese Weise<br />

trainieren die Teilnehmenden ihre Selbstständigkeit beim Suchen einer Arbeitsstelle.<br />

6.3 Kontaktpflege im Projekt bei großen Distanzen zum Heimatort<br />

<strong>der</strong> jMmB<br />

Zwei von drei jMmB, die im Anschluss an die Ausbildung keinen Arbeitsplatz finden, kehren<br />

in ihren Heimatort zurück. Die Entfernung zum BBW ist häufig so groß, dass tägliches<br />

Pendeln nicht zumutbar ist. Die Integrationsfachkräfte gewährleisten die Betreuung <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden in Fällen sehr großer räumlicher Distanz auf verschiedenen Wegen.<br />

So findet zuerst meist eine telefonische o<strong>der</strong> schriftliche Kontaktaufnahme durch das BBW<br />

statt. Kann <strong>der</strong> Absolvent/ die Absolventin erreicht werden, wird in <strong>der</strong> Regel ein<br />

persönliches Treffen geplant – zumeist auf individueller Ebene, in Einzelfällen aber auch im<br />

Rahmen von Veranstaltungen im BBW (Ehemaligentreffen, Tag <strong>der</strong> offenen Tür etc.). Bei<br />

diesem persönlichen Gespräch vor Ort erfolgen alle weiteren Absprachen mit dem jMmB<br />

über seine Teilnahme am Projekt.<br />

Das Telefon und die neuen Medien spielen beim Coaching über größere Entfernungen<br />

hinweg eine zentrale Rolle. In einigen Fällen wurden auch weitere persönliche Treffen im<br />

BBW o<strong>der</strong> in Ausnahmefällen auch bei den Teilnehmenden vor Ort zu Hause vereinbart.<br />

Wenn es nicht nur um individuelle, son<strong>der</strong>n übergreifende Fragen zu Bewerbungen ging,<br />

wurden diese Treffen im BBW häufig in Kleingruppen durchgeführt.<br />

6.4 Integrationsunterstützung nach <strong>der</strong> Arbeitsaufnahme<br />

Diese Phase kann als „Begleitung zur Stabilisierung“ beschrieben werden und beinhaltet die<br />

Fortsetzung des regelmäßigen Kontaktes zwischen dem BBW und den Absolventen/ -innen.<br />

Die Absolventen/ -innen benötigen auch nach Aufnahme einer Arbeit weitere Betreuung, um<br />

mögliche Krisen o<strong>der</strong> Konflikte <strong>der</strong> Einarbeitungsphase aufzufangen. Die Mitarbeitenden des<br />

BBW können dabei helfen, eventuelle Schwierigkeiten frühzeitig zu erfassen und so<br />

versuchen, vorbeugend einzuwirken. Probleme können so bearbeitet werden, bevor <strong>der</strong><br />

31


Verlust <strong>der</strong> Arbeitsstelle droht. Für die Kontaktpflege zwischen Integrationsfachkräften und<br />

den jMmB werden neben <strong>der</strong> Nutzung neuer Medien (z.B. E-Mail, facebook o<strong>der</strong> www.werkennt-wen.de)<br />

auch konventionelle Wege wie das Telefon genutzt. Die Betreuung umfasst<br />

außerdem die Unterstützung bei allen Fragen <strong>der</strong> eventuell erfor<strong>der</strong>lichen<br />

behin<strong>der</strong>tengerechten Arbeitsplatzanpassung im neuen Betrieb.<br />

Zusätzlich werden in einigen BBW Ehemaligentreffen organisiert, an denen auch zukünftige<br />

Absolventen/ -innen teilnehmen können. Die bereits erwerbstätigen Absolventen/ -innen<br />

können dort von ihrem Weg ins Arbeitsleben berichten und zukünftige Absolventen/ -innen<br />

erhalten Ideen und Motivation.<br />

An<strong>der</strong>e BBW machen positive Erfahrungen mit <strong>der</strong> Präsentation bzw. Veröffentlichung von<br />

„Erfolgsgeschichten“ (best-practice-Beispiele) ehemaliger Teilnehmen<strong>der</strong>. Diese dienen den<br />

neuen Absolventen/ -innen als Vorbild und sind motivationssteigernd.<br />

Darüber hinaus berichten verschiedene BBW von zusätzlichen organisatorischen o<strong>der</strong><br />

lebenspraktischen Hilfestellungen während <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung (Wohnungssuche,<br />

Führerschein, Anträge stellen). Solange diese weiteren Rahmenbedingungen für die jMmB<br />

nicht stimmig sind, läuft die Hilfestellung bei <strong>der</strong> Stellensuche oftmals ins Leere.<br />

Eine weitere, sehr wichtige Funktion <strong>der</strong> nachsorgenden Betreuung ist es, als konstante/r<br />

Ansprechpartner/ -in für die Absolventen/ -innen wie auch für die Unternehmen zur<br />

Verfügung zu stehen. Die BBW- Mitarbeitenden pflegen dabei im Hintergrund den Kontakt zu<br />

Absolventen/ -innen sowie zu den Arbeitgebern/ -innen. Den Arbeitgebern/ -innen hilft dabei<br />

ein/e einheitliche/r und ihnen persönlich bekannte/r Ansprechpartner/ -in auf Seiten des<br />

BBW, wenn es um konkrete Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung geht.<br />

Dies gilt sowohl für die Phase <strong>der</strong> Einstellung und Einarbeitung als auch danach.<br />

Die vorgestellten Instrumente lassen sich unter dem Aspekt des „För<strong>der</strong>ns und For<strong>der</strong>ns“<br />

zusammenfassen. Die Unterstützung umfasst weitreichende Hilfeleistungen, zielt jedoch<br />

zugleich auf die Stärkung <strong>der</strong> Selbstständigkeit <strong>der</strong> jMmB ab. Nicht Fürsorge, son<strong>der</strong>n<br />

Ermöglichung von Teilhabe ist das Ziel <strong>der</strong> Integrationsprozesse.<br />

6.5 Dienstleistungen für die Wirtschaft<br />

Um eine nachhaltige Vermittlung <strong>der</strong> Absolventen/ -innen zu gewährleisten und die<br />

Integrationsquote weiter zu verbessern, sind die BBW mit Unternehmen,<br />

Unternehmensverbänden und Vermittlungsdienstleistern vielfältig vernetzt (siehe Kapitel 5<br />

Strukturelle Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Integrationsprozesse). Jedes BBW pflegt eigene<br />

regionale und überregionale Netzwerke. Gemeinsamkeiten stellen dabei die Kontakte zu<br />

Institutionen wie den lokalen Agenturen für Arbeit, den Integrationsämtern und -fachdiensten,<br />

Verbänden, Kammern, etc., sowie den Familien <strong>der</strong> jungen Menschen dar.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> wirtschaftsnahen Netzwerke übernehmen die BBW als Personaldienstleister<br />

beim Thema Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung vielfältige Aufgaben. Hierbei kommen beson<strong>der</strong>s<br />

folgende Aspekte zum Tragen:<br />

• Die BBW können durch Aufklärung Unternehmen von <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong><br />

Absolventen/ -innen überzeugen und damit zum Abbau von Vorbehalten gegenüber<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung beitragen.<br />

• Innerhalb <strong>der</strong> Netzwerke werden dauerhafte Kontakte zu Unternehmen geknüpft,<br />

welche die Akquise von Arbeitsplätzen auch für künftige Absolventen/ -innen<br />

erleichtern.<br />

32


• Die Kooperation mit Unternehmen kann in eine gemeinsame, aufeinan<strong>der</strong><br />

abgestimmte Personalentwicklung einmünden.<br />

• Die BBW erhalten von Betrieben kontinuierlich wichtige Hinweise zur Verbesserung<br />

ihrer Ausbildungsqualität.<br />

Das Themenspektrum zur Beratung von Unternehmen vor <strong>der</strong> Einstellung eines BBW-<br />

Absolventen/ -innen ist sehr vielseitig. Die Inhalte richten sich nach den Bedürfnissen des<br />

jeweiligen Unternehmens. Als Beispiel für einen Beratungskatalog kann <strong>der</strong> „Ratgeber für<br />

Arbeitgeber in Schleswig- Holstein“ genannt werden, den das BBW Husum und <strong>der</strong><br />

Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e. V. in Kooperation mit <strong>der</strong> Agentur für Arbeit,<br />

dem Integrationsamt u. a. erarbeitet hat. Diese Broschüre umfasst in kompakter Form alles<br />

Wissenswerte zur Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung und bildete die Vorlage für<br />

eine Arbeitgeberinformation, die jetzt von allen BBW genutzt wird. Ein weiteres Beispiel ist<br />

die Unternehmensbefragung des BBW Rummelsberg in Kooperation mit <strong>der</strong> IHK. Durch<br />

diese Befragung wurden die Betriebe auf die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

aufmerksam gemacht. Die wichtigsten Dienstleistungen <strong>der</strong> BBW für Unternehmen sind:<br />

- Aufklärung über Behin<strong>der</strong>ungsarten und die Belange und Teilhabemöglichkeiten von<br />

jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

- Informationsseminare zur Aufklärung speziell für Mitarbeitende aus Unternehmen, die<br />

zukünftige Arbeitskolleginnen/-kollegen eines jMmB sind bzw. werden<br />

- Beratung bei <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>tengerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen<br />

- Beratung zu o<strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Beantragung behördlicher Formalitäten<br />

- Kontakte zu den richtigen Ansprechpartnern <strong>der</strong> Arbeitsagentur o<strong>der</strong> dem<br />

Integrationsamt herstellen<br />

- Verhandlungen mit den Behörden und Ämtern für das Unternehmen übernehmen<br />

- Information über die Arbeit eines BBW und die Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung<br />

- Organisation von Paten in Kooperation mit den Arbeitgebern/ -innen, die neu<br />

eingestellten Mitarbeitenden im Unternehmen zu begleiten<br />

- Beratung über die Qualifikation und die Einsatzmöglichkeiten <strong>der</strong> Absolventen/ -innen<br />

sowie mögliche Nachqualifikationen<br />

- Informationen zur „behin<strong>der</strong>tengerechten“ Formulierung von Stellenausschreibungen.<br />

Die konkreten Dienstleistungen für einzelne Unternehmen werden durch gezielte<br />

Öffentlichkeitsarbeit ergänzt. So werden in Fachpublikationen <strong>der</strong> Wirtschaft Informationen<br />

über das BBW, die jungen Menschen und <strong>der</strong>en Berufsausbildung platziert. Veranstaltungen<br />

von und mit Akteuren <strong>der</strong> Wirtschaft werden als Plattformen genutzt, um Informationen zum<br />

BBW zu verbreiten und die Netzwerke weiter auszubauen. Diese Präsentationen sind<br />

beson<strong>der</strong>s dann überzeugend, wenn Best Practice Beispiele gelungener Integrationen auf<br />

dem ersten Arbeitsmarkt Bestandteil <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit sind.<br />

6.6 Integrationsför<strong>der</strong>nde und –hemmende Faktoren in den<br />

Unternehmen<br />

Zunächst werden externe Einflussfaktoren wie gesetzliche Regelungen und die<br />

demografische Entwicklung in Bezug auf ihre integrationsför<strong>der</strong>nde Wirkung beschrieben.<br />

Anschließend erfolgt eine Darstellung <strong>der</strong> weichen För<strong>der</strong>faktoren auf Seiten <strong>der</strong><br />

Unternehmen (Kultur, Umfeld).<br />

33


Die Bereitschaft von Betrieben, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung einzustellen, hängt neben den<br />

allgemeinen Angebots- und Nachfragefaktoren am Arbeitsmarkt auch von einer Reihe<br />

weiterer Faktoren ab: hierzu zählen neben den vorhandenen staatlichen<br />

Beschäftigungsanreizen auch die Haltung und persönliche Einstellung <strong>der</strong><br />

Personalverantwortlichen in den Betrieben. Im Folgenden soll es um Erfahrungen im Projekt<br />

sowie Erkenntnisse aus einer im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung gehen:<br />

Welche unternehmensbezogenen Faktoren sind geeignet, Integrationen zu för<strong>der</strong>n und<br />

welche Bedenken gibt es auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen?<br />

Nicht alle Unternehmen sind - aus den unterschiedlichsten Gründen - im gleichen Maße<br />

bereit, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung als Fachkräfte einzustellen. Befragungen im Rahmen des<br />

Projektes zeigen mögliche Gründe für o<strong>der</strong> gegen ein integratives Beschäftigungsverhältnis<br />

auf. Von insgesamt 237 Unternehmen, an die Fragebögen versandt wurden, haben 49<br />

Unternehmen (= 20,7 %) geantwortet.<br />

Die Ergebnisse des Projektes Integration inklusive werden im Folgenden mit den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> IAW-Studie verglichen. Darin werden die Beschäftigungschancen von<br />

Menschen mit Schwerbehin<strong>der</strong>ungen in 39 privaten Unternehmen in Bremen und<br />

Bremerhaven untersucht (Fietz et al. 2011).<br />

För<strong>der</strong>leistungen<br />

Von den im Projekt Integration inklusive zur Verfügung stehenden För<strong>der</strong>leistungen sind den<br />

49 befragten Unternehmen am häufigsten die Einglie<strong>der</strong>ungszuschüsse (23 %) und<br />

Probebeschäftigungen (21 %) bekannt. 60 % <strong>der</strong> Unternehmen halten die För<strong>der</strong>ung für<br />

ausreichend, wohingegen 15 % <strong>der</strong> Unternehmen die För<strong>der</strong>ung als unzureichend<br />

einschätzen. Für 29 % <strong>der</strong> Unternehmen ist die För<strong>der</strong>ung eine Einstellungsvoraussetzung<br />

von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />

Die IAW-Studie weist zudem eine positive Auswirkung von För<strong>der</strong>leistungen auf<br />

Neueinstellungen und den Arbeitsplatzerhalt nach. Die Studie zeigt weiter auf, dass<br />

Unternehmen, die Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung einstellen, im hohen Maße För<strong>der</strong>leistungen<br />

nutzen, um eventuelle „Nachteile“ eines solchen Arbeitsverhältnisses auszugleichen.<br />

Durch die Erfahrungen <strong>der</strong> am Projekt beteiligten BBW und Unternehmensverbände wurde<br />

festgestellt, dass viele Unternehmen nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend über die<br />

För<strong>der</strong>möglichkeiten Kenntnis haben. Auch ist auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen die Befürchtung<br />

vor einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand durch eine Beantragung von<br />

För<strong>der</strong>leistungen festzustellen. Häufig schätzen sie das Verfahren als unkalkulierbar ein.<br />

Gerade hier konnten nach den Gesprächen <strong>der</strong> BBW und <strong>der</strong> Unternehmensverbände<br />

<strong>der</strong>artige Vorbehalte bzw. Unklarheiten auf Seiten <strong>der</strong> Unternehmen ausgeräumt werden.<br />

Diese „Aufklärungsarbeit“ ist ein zentraler Bestandteil eines guten Beratungs- und<br />

Informationsgespräches <strong>der</strong> BBW/Unternehmensverbände mit den Unternehmen. Aus<br />

diesem Grund wurde ein im Projekt erstelltes Informationsblatt für Unternehmen mit einer<br />

Übersicht über die möglichen För<strong>der</strong>leistungen bei Beratungen eingesetzt.<br />

Ausgleichsabgabe<br />

In vielen Betrieben in Deutschland ist die gesetzliche Pflichtquote zur Beschäftigung von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung nicht erfüllt. 22 Dabei könnte sich die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichsabgabe<br />

durch die Neueinstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung im Einzelfall erheblich vermin<strong>der</strong>n.<br />

22 Die gesetzliche Pflichtquote <strong>der</strong> Arbeitgeber zur Beschäftigung von schwerbehin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

ist in § 71 SGB IX geregelt und beträgt <strong>der</strong>zeit fünf Prozent.<br />

34


Jedoch zeigt die IAW-Studie, dass die Ausgleichsabgabe die Einstellungspolitik in<br />

Unternehmen gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung nicht beeinflusst. Die Studie berichtet,<br />

dass Betriebe, die die Quote nicht erfüllen, davon ausgehen, dass die Zahlung von<br />

Ausgleichsabgaben wirtschaftlicher sei als die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />

(Fietz et al. 2011)<br />

Kündigungsschutz<br />

Im Kontakt mit Arbeitgebern/ -innen wurde deutlich, dass rechtliche Son<strong>der</strong>regelungen wie<br />

<strong>der</strong> Kündigungsschutz hemmend auf die Einstellungsbereitschaft <strong>der</strong> Unternehmen wirken.<br />

22 % <strong>der</strong> befragten Unternehmen sehen im beson<strong>der</strong>en Kündigungsschutz eine<br />

Schwierigkeit, wenn es um die Einstellung eines Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung geht. In <strong>der</strong><br />

Befragung <strong>der</strong> Unternehmen wie auch in den durch Integrationsfachkräfte begleiteten<br />

Einstellungsgesprächen wird insgesamt die Befürchtung deutlich, Angestellte mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung nicht mehr entlassen zu können. Weitere Probleme sehen befragte Betriebe<br />

durch notwendige bauliche Verän<strong>der</strong>ungen (25 %) sowie <strong>der</strong> Einrichtung von<br />

behin<strong>der</strong>tengerechten Arbeitsplätzen (20 %) auf sich zukommen 23 .<br />

Die IAW-Studie kommt zu diesem Ergebnis, dass die Mehrheit <strong>der</strong> Betriebe den beson<strong>der</strong>en<br />

Kündigungsschutz für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung ablehnt. Es wird als eine Einmischung des<br />

Gesetzgebers in die originär betriebliche Entscheidung <strong>der</strong> Kündigung kritisiert. Der Verweis<br />

darauf, dass das Integrationsamt in den meisten Fällen einer Kündigung zustimmt, relativiert<br />

die Kritik nicht. Denn gleichgültig, ob das Integrationsamt <strong>der</strong> Kündigung zustimmt o<strong>der</strong> sie<br />

ablehnt, bleibt für die befragten Unternehmen <strong>der</strong> Verwaltungs- und Kostenaufwand<br />

bestehen.<br />

Demografischer Wandel<br />

Demografischer Wandel und Fachkräftemangel schaffen neue Chancen und Möglichkeiten<br />

für BBW-Absolventen/ -innen. Rund die Hälfte <strong>der</strong> Unternehmen bejahen diese Frage.<br />

Die demografische Entwicklung könnte sich jedoch auch integrationshemmend auswirken. In<br />

<strong>der</strong> IAW-Studie wird diese These durch die Verschiebung <strong>der</strong> Alterspyramide begründet, da<br />

mit steigendem Alter die Behin<strong>der</strong>ungen während des Arbeitslebens zunehmen. Durch eine<br />

wachsende Anzahl älterer Mitarbeiten<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen sehen sich viele Betriebe nicht<br />

in <strong>der</strong> Lage, zusätzlich jMmB einzustellen. Denn für beide Gruppen von Beschäftigten wäre<br />

es notwendig, die Arbeitsorganisation zu verän<strong>der</strong>n, Arbeitsplätze anzupassen bzw. gemäß<br />

<strong>der</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auch neue Stellen zu schaffen (unter<br />

Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes). Hierbei würden die Unternehmen <strong>der</strong> Sicherung<br />

des Personalbestands Vorzug vor einer eventuellen Neueinstellung geben.<br />

Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Vorbehalte gegenüber <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sind ein<br />

schwerwiegen<strong>der</strong> integrationshemmen<strong>der</strong> Faktor. So haben die BBW wie auch die<br />

Unternehmensverbände in Gesprächen mit Unternehmen Vorbehalte gegenüber Menschen<br />

mit Behin<strong>der</strong>ungen erlebt. Am häufigsten wurde <strong>der</strong> Vorbehalt genannt, dass sie<br />

leistungsschwächer 24 seien (35 %). Auch befürchten die Unternehmen, dass eine längere<br />

Einarbeitungszeit notwendig sei. Betriebe, die im Laufe des Projektes Menschen mit<br />

23 Diese Angaben sind ein Indiz dafür, dass auch aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen die mögliche Art <strong>der</strong><br />

Behin<strong>der</strong>ung meist mit Körperbehin<strong>der</strong>ung gleichgesetzt wird bzw. in <strong>der</strong> subjektiven Wahrnehmung<br />

an die erste Stelle gesetzt wird.<br />

24 Der gesetzlich geregelte Ausgleich <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>leistung ist faktisch häufig finanziell gedeckelt.<br />

35


Behin<strong>der</strong>ung eingestellt haben, nehmen <strong>der</strong>en Arbeitskraft jedoch nicht als<br />

leistungsgemin<strong>der</strong>t wahr. Stattdessen wird gerade <strong>der</strong>en Leistungsbereitschaft (85 %) und<br />

Durchhaltevermögen (80 %) gelobt.<br />

Die angesprochenen Vorbehalte werden von den Projektteilnehmenden ebenfalls<br />

wahrgenommen. In nahezu allen Telefoninterviews wurden Schwierigkeiten bei <strong>der</strong><br />

Stellensuche bestätigt, die auf die Behin<strong>der</strong>ung zurückzuführen sind. Diese Vorbehalte<br />

gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung durch Aufklärungsarbeit abzubauen, hat daher hohe<br />

Priorität und stellt eine Daueraufgabe dar, solange Inklusion noch keine Normalität in <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt geworden ist.<br />

Die IAW-Studie verdeutlicht, dass für Unternehmen die Leistungsfähigkeit des/ <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmers/ -nehmerin das entscheidende Kriterium für eine Einstellung ist, denn nur<br />

dann ist das Beschäftigungsverhältnis gleichzeitig auch wirtschaftlich vertretbar. Betriebe, die<br />

die Pflichtquote nicht erfüllt haben, sehen hohe Leistungs-, Flexibilitäts- und<br />

Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitsplätze als nicht kompatibel mit den Voraussetzungen<br />

schwerbehin<strong>der</strong>ter Menschen. Diese Ansicht resultiert meist aus negativen<br />

Einzelerfahrungen, die auf die gesamte Gruppe von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

generalisierend übertragen werden.<br />

Bei Unternehmen, die bereits Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung beschäftigen, verän<strong>der</strong>t sich die<br />

Wahrnehmung und es wird hinsichtlich <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit des Personaleinsatzes eine<br />

positive Bilanz gezogen. Die Ergebnisse des Projektes Integration inklusive und <strong>der</strong> IAW-<br />

Studie stimmen darin überein, dass die Annahme einer vermin<strong>der</strong>ten Leistungsfähigkeit ein<br />

integrationshemmendes Vorurteil darstellt, das jedoch häufig nicht mit <strong>der</strong> Realität<br />

übereinstimmt.<br />

Erschwerend wirkt sich dieser Vorbehalt insbeson<strong>der</strong>e dann aus, wenn es um die<br />

Beschäftigung von jMmB geht, die in den Fachpraktiker-Berufen nach § 66 BBiG bzw. § 42<br />

m HwO ausgebildet sind. Aus fehlendem Wissen über <strong>der</strong>artige praxisorientierte Berufsbil<strong>der</strong><br />

wird das Vorurteil einer generell vermin<strong>der</strong>ten Leistungsfähigkeit von Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung fälschlich auf alle Personen mit einem entsprechenden Ausbildungsabschluss<br />

übertragen.<br />

Soziale Verantwortung<br />

Unternehmen, die sensibel mit ihrer sozialen Verantwortung umgehen, befürworten<br />

durchwegs die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung. Erfahrungen <strong>der</strong> Projekt-BBW<br />

und <strong>der</strong> beteiligten Unternehmensverbände zeigen, dass das soziale Verantwortungsgefühl<br />

in kleinen und inhabergeführten Betrieben oft stärker ausgeprägt ist als in Großunternehmen.<br />

Die IAW-Studie zeigt, dass die wenigsten Betriebe die Beschäftigung von Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung für die Vermarktung eines sozialen Unternehmensimages nutzen. Dabei könnte<br />

„Corporate Social Responsibility“ 25 (CSR) ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Selbstdarstellung <strong>der</strong> Unternehmen sein. Die Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

könnte verstärkter marktwirksam genutzt werden und Präsenz für das Thema „Integration“<br />

schaffen.<br />

25 Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein Konzept unternehmerischer Verantwortung, das die<br />

Idee <strong>der</strong> Nachhaltigkeit aufnimmt und die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales mit<br />

unternehmerischem Handeln verbindet. CSR umfasst die Aktivitäten <strong>der</strong> Unternehmen in den Fel<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> sozialen, ethischen und ökologischen Verantwortung. CSR-Aktivitäten gehen über gesetzliche<br />

Verpflichtungen hinaus, d. h. sie sind freiwillig.<br />

36


Um die Vielfalt in Unternehmen zu för<strong>der</strong>n, sollten Stellenausschreibungen sich explizit auch<br />

an Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wenden 26 . Hilfreich wären zudem Aussagen darüber, für<br />

welche Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung die Stelle geeignet ist.<br />

Synergieeffekte durch Kooperation<br />

Eine enge Kooperation zwischen öffentlichen Einrichtungen und Akteuren <strong>der</strong> Wirtschaft wird<br />

auch in <strong>der</strong> IAW-Studie als wichtiger integrationsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Faktor benannt. Demnach wird<br />

das Gelingen einer Zusammenarbeit <strong>der</strong> Unternehmen mit den Integrationsämtern als<br />

maßgebliche Voraussetzung für die Einstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung gesehen.<br />

Gleiches gilt auch für die Rolle <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (BA), wenn es um die<br />

Integration von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt geht. Erst wenn<br />

Unternehmen Kontakte zur BA besitzen, werden die vielfältigen För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />

wahrgenommen. Hierzu können die BBW im Kontext des Absolventenmanagements<br />

wichtige Türöffner sein.<br />

26 Ob stattdessen anonyme, diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren wie in einem aktuellen<br />

Modellversuch unter Beteiligung <strong>der</strong> Telekom hier Abhilfe schaffen können, bleibt abzuwarten.<br />

37


6.7 Abbrüche<br />

In insgesamt 60 Fällen sind jMmB vorzeitig aus dem Projekt ausgeschieden 27 . Die Initiative<br />

für den Abbruch <strong>der</strong> Teilnahme ging in 29 Fällen vom Teilnehmenden aus, in 15 Fällen<br />

plädierte das betreuende BBW für einen Projektabbruch, und in 13 Fällen wurde die<br />

Betreuung im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. In den übrigen drei Fällen ging die<br />

Initiative zur vorzeitigen Beendigung von Dritten aus.<br />

Die Gründe, die zu einem Abbruch des Projektes führten, waren individuell sehr verschieden,<br />

wie Tabelle 5 zeigt:<br />

Grund des Projektabbruchs Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

Fehlen intrinsischer Motivation 21<br />

Übergang in an<strong>der</strong>e Tätigkeit 13<br />

Sonstige Gründe 9<br />

Gesundheitliche Gründe (Krankheit) 7<br />

Familiäre Gründe (u.a. Schwangerschaft) 4<br />

Einglie<strong>der</strong>ung in eine WfbM 3<br />

Übergang in Unterstützte Beschäftigung 3<br />

Tabelle 5: Abbruchgründe<br />

Am häufigsten vertreten war das Fehlen intrinsischer Motivation bei 21 Teilnehmenden.<br />

Diese Gruppe teilt sich auf in elf Teilnehmende, die von sich aus das Projekt abgebrochen<br />

haben und weitere acht Fälle, denen trotz intensivster Bemühungen von Seiten des BBW ein<br />

Ausstieg wegen mangeln<strong>der</strong> Mitwirkung nahe gelegt wurde. Bei zwei Teilnehmenden<br />

erfolgte <strong>der</strong> Ausstieg im gegenseitigen Einvernehmen.<br />

13 Teilnehmende haben außerhalb des Projektes eine Anschlussbeschäftigung gefunden:<br />

sei es eine an<strong>der</strong>e Ausbildung bzw. Umschulung (11) o<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit (2).<br />

In sieben Fällen war eine Verschlechterung <strong>der</strong> gesundheitlichen Verfassung <strong>der</strong> Grund des<br />

Ausscheidens: Krankheit (4), psychische Gründe (1) bzw. Verrentung (2).<br />

Insgesamt vier Personen konnten aufgrund familiärer Umstände (Pflege von Angehörigen<br />

bzw. Schwangerschaft) keine Erwerbstätigkeit aufnehmen und in neun Fällen waren an<strong>der</strong>e,<br />

nicht genauer benannte Gründe die Ursache für ein vorzeitiges Ausscheiden <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden. Schließlich wurden noch jeweils drei Teilnehmende in eine Unterstützte<br />

Beschäftigung (UB) bzw. in eine Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen (WfbM) eingeglie<strong>der</strong>t.<br />

6.8 Zusammenfassung und Fazit<br />

Eine kompetente, individuelle Betreuung <strong>der</strong> BBW-Auszubildenden während und nach <strong>der</strong><br />

Ausbildung bis über die Arbeitsaufnahme hinaus ist <strong>der</strong> beste Garant, um eine Integration in<br />

den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und dauerhaft abzusichern. Dies trägt nicht nur zur<br />

Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> einzelnen jMmB bei. Vielmehr können durch diese positiven Beispiele<br />

auch Vorbehalte von Seiten <strong>der</strong> Unternehmen abgebaut werden.<br />

27 Verlauf und Status <strong>der</strong> Teilnehmenden wurden laufend durch die Projektbeteiligten vor Ort<br />

aktualisiert; die beson<strong>der</strong>en Gründe und Umstände, die zu Abbrüchen führten, wurden zusätzlich über<br />

Interviews ermittelt.<br />

38


Unternehmen sind an konkreten Unterstützungsleistungen bei einer Beschäftigung von<br />

jMmB interessiert und begrüßen, wenn es beim Bewerbungsprozess und auch nach <strong>der</strong><br />

Einstellung entsprechende Angebote <strong>der</strong> BBW aus einer Hand gibt.<br />

Im Fall einer großen räumlichen Distanz zwischen dem Ausbildungs-BBW und dem<br />

Heimatort, an den ein Großteil <strong>der</strong> jMmB nach ihrer Ausbildung im BBW zurückkehrt, stößt<br />

eine wohnortnahe Organisation <strong>der</strong>artiger BBW-Dienstleistungen jedoch an strukturelle<br />

Grenzen.<br />

Die Kooperation zwischen BBW und Wirtschaft wirkt sich jedoch nicht nur auf die<br />

unmittelbare Integration junger Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung positiv aus. Der Dialog mit<br />

Unternehmen vermittelt den BBW darüber hinaus laufend aktuelle Kenntnisse über<br />

betriebliche Anfor<strong>der</strong>ungen an zukünftige Mitarbeitende. Langfristig ermöglichen diese<br />

Erkenntnisse den BBW, die Ausbildungsinhalte optimal an die Bedürfnisse <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

anzupassen. Durch die Bündelung des arbeitsweltrelevanten Wissens entstehen kooperative<br />

Integrationsprozesse und Synergieeffekte, welche am Nutzen <strong>der</strong> Beteiligten orientiert sind.<br />

Exkurs: Ausbildungsberufe nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO<br />

Vorrangiges Ziel alle Bemühungen zur beruflichen Teilhabe von jMmB ist ein<br />

berufsqualifizieren<strong>der</strong> Abschluss. Wenn möglich, sollte dieser in einem anerkannten<br />

Ausbildungsberuf (§ 64 BBiG) abgelegt werden, im Einzelfall auch unter Zuhilfenahme des<br />

§ 65 BBiG/ § 42 l HwO (Nachteilsausgleich).<br />

Einem Teil <strong>der</strong> jMmB ist dennoch eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf<br />

nicht möglich. Hierzu zählen insbeson<strong>der</strong>e Personen mit Lernbehin<strong>der</strong>ung.<br />

Wenn Art o<strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung eine „Voll“-Ausbildung nicht erlauben, ist daher<br />

eine Ausbildung nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO durchzuführen: diese Ausbildungen betonen<br />

die Seite berufspraktischer Fertigkeiten, die Anfor<strong>der</strong>ungen im Bereich <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Fachtheorie sind dagegen reduziert.<br />

Bei diesen Ausbildungsregelungen und –angeboten kommt <strong>der</strong> Arbeitsmarktfähigkeit<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Es sollen Qualifikationen vermittelt werden, die behin<strong>der</strong>ten<br />

Menschen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Art und Schwere ihrer Behin<strong>der</strong>ung gleichwohl<br />

bestmögliche Teilhabechancen eröffnen. Neben den Kammern als zuständigen Stellen für<br />

die Umsetzung ist daher auch häufig die BA in die Zulassung <strong>der</strong>artiger<br />

Ausbildungsregelungen vor Ort einbezogen.<br />

In Folge <strong>der</strong> Möglichkeiten, die <strong>der</strong> Gesetzgeber mit § 66 BBiG bzw. § 42 m HwO geschaffen<br />

hat, sind in Deutschland seit Verabschiedung des BBiG im Jahre 1969 etwa 1000<br />

verschiedene Ausbildungsregelungen erlassen worden, die inhaltlich wie auch von den<br />

Bezeichnungen her voneinan<strong>der</strong> abweichen.<br />

Diese Einzelregelungen sollen nach <strong>der</strong> Novellierung des BBiG 2005 und nach<br />

Empfehlungen des zuständigen BIBB Hauptausschusses in den kommenden Jahren<br />

überprüft und vereinheitlicht werden. Ferner sollen künftig alle Abschlussbezeichnungen<br />

bundeseinheitlich den Titel „Fachpraktiker/-in für“ bzw. „Fachpraktiker/-in im“ tragen.<br />

Generelles Ziel ist es, über die Berufsbezeichnungen einen direkten Bezug zu den<br />

Bezeichnungen <strong>der</strong> anerkannten Ausbildungsberufe herzustellen.<br />

Mit <strong>der</strong> Rahmenregelung für Ausbildungsregelungen für behin<strong>der</strong>te Menschen gemäß § 66<br />

BBiG/§ 42 m HwO (vom Dezember 2009) wurden ferner Qualitätsstandards für die<br />

Ausbildung Behin<strong>der</strong>ter formuliert.<br />

39


Über den BIBB-Hauptausschuss liegen darüber hinaus erste konkrete Empfehlungen für<br />

Ausbildungsregelungen zu den Bereichen Büro, Hauswirtschaft, Holz, Metall und Verkauf<br />

vor. Diese Empfehlungen sollen die verschiedenen, von den Berufsbildungsausschüssen <strong>der</strong><br />

Industrie- und Handelskammern beschlossenen „Behin<strong>der</strong>tenregelungen“ ablösen.<br />

Das Organ, welches diese Entwicklungen unter Einbeziehung <strong>der</strong> Sozialpartner und <strong>der</strong><br />

Kammern koordiniert, ist <strong>der</strong> Ausschuss für Fragen behin<strong>der</strong>ter Menschen (AFbM) beim<br />

BIBB. Die konkreten Empfehlungen werden von berufsspezifischen Arbeitsgruppen unter<br />

Fe<strong>der</strong>führung des BIBB erarbeitet.<br />

Zunehmend werden auch jene Berufsbereiche ins Blickfeld gerückt, in denen es bisher nur<br />

wenige o<strong>der</strong> gar keine Ausbildungsregelungen gab, die aber für jMmB als geeignet<br />

angesehen werden. Neben den „traditionellen“ Ausbildungsbereichen soll damit eine<br />

Erweiterung des bisherigen Ausbildungsspektrums ermöglicht werden. Diese Vorschläge<br />

werden anschließend vom AFbM beraten.<br />

7 Projekt-Output – eine Analyse erfolgreicher<br />

Integrationen<br />

Bislang wurde untersucht, welche Faktoren die Integrationsprozesse im Einzelnen<br />

beeinflussen. In diesem Kapitel geht es entlang <strong>der</strong> Evaluationsfragestellungen (siehe<br />

Kapitel 2 Projektbeschreibung) um die Ergebnisse dieser Prozesse, d.h. in wie vielen Fällen<br />

eine Integration erfolgreich war, welche Faktoren die Integration beeinflussen und was<br />

daraus abgeleitet werden kann.<br />

Im Wesentlichen beeinflusst die Herausfor<strong>der</strong>ung, die die zweite Schwelle für jMmB<br />

bedeutet, ebenso wie die Nachfrage am Arbeitsmarkt die anschließende Integration. Es<br />

gelingt nicht allen Absolventen/ -innen <strong>der</strong> BBW im Zeitraum <strong>der</strong> ersten zwölf Monate nach<br />

ihrer Ausbildung eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen. Deutlich macht dies<br />

die folgende Tabelle, aus <strong>der</strong> die Integrationsquoten 28 <strong>der</strong> letzten Jahre zu entnehmen sind.<br />

Jahr 2006 2007 2008 2009 2010<br />

Integrationsquote in % 56,8 60,0 58,0 56,9 52,0<br />

Tabelle 6: Integrationsquoten aller BBW (Quelle: eigene Berechnung mit Daten von Eichhorn/<br />

Schwarzer 2011b; Eichhorn/ Karbach 2009)<br />

In den Jahren 2009 und 2010 wurden insgesamt 319 junge Menschen in das Projekt<br />

Integration inklusive aufgenommen unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass sie sechs Monate nach<br />

Ausbildungsabschluss noch keine Arbeit gefunden hatten. Die durchschnittliche Dauer ihrer<br />

Arbeitslosigkeit lag bei knapp elf Monaten.<br />

Zum Ende des Projektes im März 2011 waren von diesen jMmB integriert:<br />

• 117 Teilnehmende (= 36,68 %) in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit<br />

• 13 Teilnehmende (= 4,08 %) eine nicht-sozialversicherungspflichtige Arbeit und<br />

• 4 Teilnehmende (= 1,25 %) in eine hinsichtlich <strong>der</strong> Sozialversicherungspflichtigkeit nicht<br />

bekannte Arbeit<br />

Somit haben insgesamt 134 Teilnehmende (= 42,01 % <strong>der</strong> Projektteilnehmenden) eine Arbeit<br />

gefunden.<br />

28 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung incl. ABM, stichtagsbezogen ein Jahr nach Ausbildung<br />

40


7.1 Soziodemografische Aspekte<br />

Welche Rolle spielen sozio-biografische Daten bei <strong>der</strong> Integration jMmB?<br />

Im Folgenden wird <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> verschiedenen sozio-demografischen Merkmale auf die<br />

Arbeitsmarktchancen 29 <strong>der</strong> Projektteilnehmenden untersucht.<br />

Als Erstes wird das Geschlecht betrachtet. Die Erwerbsquoten von Männern und Frauen sind<br />

nahezu gleich hoch: 41 % <strong>der</strong> Teilnehmerinnen und 42 % <strong>der</strong> Teilnehmer sind erwerbstätig 30 .<br />

Das Geschlecht hat somit keinen Einfluss auf die Frage, ob die Teilnehmenden erwerbstätig<br />

sind o<strong>der</strong> nicht. Auch eine Tätigkeit im erlernten Berufsfeld wird nicht durch das Geschlecht<br />

beeinflusst.<br />

Als weiteres sozio-demografisches Merkmal wurde das Alter betrachtet. Die Abbildung 15<br />

zeigt, dass jüngere Teilnehmende nach Verlassen des BBW bessere Erwerbsquoten haben.<br />

Dieser Zusammenhang wurde bereits zu Beginn des Projektes vermutet (vgl. Kapitel 4). Es<br />

zeigt sich damit, dass das Abgangsalter aus dem BBW Einfluss auf die<br />

Arbeitsmarktintegration hat. Dies bestätigt auch die IW-Absolventenbefragung: „Je später die<br />

Absolventen/ -innen des BBW in ihrem Leben die Ausbildung beenden und dem<br />

Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, desto geringer sind ihre Chancen auf Erwerbsarbeit“<br />

(Neumann et al., 2010). Hier ist durch die Integrationsfachkräfte <strong>der</strong> BBW eine beson<strong>der</strong>e<br />

Unterstützung notwendig.<br />

Anteil (Nicht-) Erwerbstätiger innerhalb<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Altersgruppen<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

9<br />

7<br />

Nicht Erw erbstätig<br />

Erw erbstätig<br />

72<br />

55<br />

59<br />

45<br />

Bis 21 Jahre 22 bis 23 24 bis 25 26 bis 27 28 bis 29 30 Jahre und<br />

älter<br />

Altergruppen<br />

Abbildung 15: Altersgruppen <strong>der</strong> Teilnehmenden nach Erwerbstätigkeit (N = 318, Stand 2011)<br />

Der Schulabschluss <strong>der</strong> Teilnehmenden kommt bei <strong>der</strong> Frage, ob ein Wechsel des<br />

Berufsfelds stattgefunden hat, zum Tragen. Ein höherer Schulabschluss <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

geht einher mit einer höheren Chance, im erlernten Berufsfeld tätig zu sein (p = 0,020) 31 . Das<br />

29 Die Arbeitsmarktchancen setzen sich im Folgenden aus zwei verschiedenen Aspekten zusammen:<br />

zum einen aus <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Teilnehmenden. Und zum an<strong>der</strong>en aus <strong>der</strong> Frage, ob die<br />

integrierten Teilnehmenden in ihrem erlernten Berufsfeld tätig sind o<strong>der</strong> in ein an<strong>der</strong>es Berufsfeld<br />

wechseln mussten.<br />

30 Die Betrachtung <strong>der</strong> Erwerbsquote erfolgte innerhalb <strong>der</strong> Gruppe des Geschlechts.<br />

31 Im Folgenden wird jeweils bei statistisch signifikanten Zusammenhängen die<br />

Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau) p angegeben. Der Zusammenhang zwischen zwei<br />

Merkmalen wird hier als signifikant angesehen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p unter 1 liegt.<br />

Zudem werden im Text nur jene Signifikanzniveaus ausgewiesen, die unter diesen Bedingungen als<br />

signifikant gelten können.<br />

41<br />

27<br />

14<br />

14<br />

4<br />

9<br />

3


wird aus <strong>der</strong> Abbildung 16 ersichtlich: die Anzahl an erwerbstätigen Teilnehmenden, die nicht<br />

in ihrem erlernten Berufsfeld tätig sind, sinkt mit höherem Schulabschluss. Auf die Frage, ob<br />

die Teilnehmenden überhaupt erwerbstätig sind o<strong>der</strong> nicht, hat das Bildungsniveau hingegen<br />

keinen Einfluss.<br />

Anzahl an Teilnehmenden<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

36<br />

39<br />

9<br />

5 6<br />

4<br />

Kein Schulabschluss (qualifizierter)<br />

Hauptschulabschluss<br />

42<br />

18<br />

Realschulabschluss/<br />

Mittlere Reife<br />

Art des höchsten Schulabschlusses<br />

Tätigkeit im erlernten Berufsfeld<br />

Tätigkeit in an<strong>der</strong>em Berufsfeld<br />

0<br />

Allgemeine/<br />

Fachgebundene<br />

Hochschulreife<br />

Abbildung 16: Tätigkeit im erlernten Berufsfeld nach <strong>der</strong> Art des höchsten Schulabschlusses<br />

(N = 117, Stand 2011)<br />

Weitere sozio-demografische Merkmale <strong>der</strong> Teilnehmenden, die im Projekt erfasst wurden,<br />

sind <strong>der</strong> Migrationshintergrund und die Wohnsituation. Bei den im Projekt vertretenen<br />

Personen konnte kein Einfluss des Migrationshintergrunds auf die Arbeitsmarktchancen<br />

festgestellt werden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob die Befragten in einer eigenen<br />

Wohnung, bei den Eltern o<strong>der</strong> in einer an<strong>der</strong>en Wohnsituation (bei Verwandten, Freunden,<br />

etc.) leben.<br />

7.2 Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

Handelt es sich bei den nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach<br />

Ausbildungsabschluss noch nicht vermittelten Jugendlichen um einen Personenkreis mit<br />

einer beson<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsart? Ausgebildet werden in den Berufsbildungswerken junge<br />

Menschen mit Lern-, Körper-, Sinnes-, psychischer o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung.<br />

Welchen Einfluss haben verschiedene Behin<strong>der</strong>ungsformen auf die Arbeitsmarktchancen <strong>der</strong><br />

jungen Menschen? Zur Analyse werden zunächst die neurologische bzw. psychische<br />

Behin<strong>der</strong>ung sowie die Sinnes-, Körper-, Lern- o<strong>der</strong> Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung unterschieden.<br />

Zusätzlich wird <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung berücksichtigt. Bei einer genaueren Betrachtung<br />

zeigt sich, dass die Frage, welche Behin<strong>der</strong>ung vorliegt, einen signifikanten Einfluss hat auf<br />

die Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Projektteilnehmenden (p = 0,048). Die einzelnen Behin<strong>der</strong>ungsarten<br />

besitzen dabei unterschiedliche Wirkung.<br />

Die Abbildung 17 zeigt in absoluten Zahlen, welche Teilnehmenden mit welchen<br />

Behin<strong>der</strong>ungsarten integriert wurden. Auf den ersten Blick scheint eine Integration mit einer<br />

Körperbehin<strong>der</strong>ung nicht so erfolgreich. Ein Einfluss auf eine Erwerbstätigkeit o<strong>der</strong> eine<br />

Tätigkeit im erlernten Beruf ist bei Körperbehin<strong>der</strong>ungen und neurologischen bzw.<br />

psychischen Behin<strong>der</strong>ungen allerdings rechnerisch nicht nachweisbar. Liegt hingegen eine


Lern- o<strong>der</strong> Sinnesbehin<strong>der</strong>ung 32 vor (p = 0,074 bzw. p = 0,061), ist die Wahrscheinlichkeit<br />

auf eine Erwerbstätigkeit größer als bei an<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ungsarten.<br />

Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

körperbehin<strong>der</strong>t<br />

85<br />

35<br />

64<br />

hörbehin<strong>der</strong>t<br />

31<br />

42<br />

lernbehin<strong>der</strong>t<br />

23<br />

26<br />

neurologisch-behin<strong>der</strong>t<br />

10<br />

psychisch-behin<strong>der</strong>t<br />

43<br />

Anzahl Teilnehmende<br />

Anzahl Integrierte Teilnehmende<br />

18 16<br />

4<br />

sprachbehin<strong>der</strong>t<br />

Behin<strong>der</strong>ungsart<br />

10<br />

1<br />

sehbehin<strong>der</strong>t<br />

0<br />

66<br />

mehrfachbehin<strong>der</strong>t<br />

Abbildung 17: Behin<strong>der</strong>ungsart nach Erwerbstätigkeit und allen Projektteilnehmenden (N =<br />

318, Stand 2011)<br />

Im Hinblick auf den Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) konnte mit den hier angewandten<br />

statistischen Verfahren kein statistisch signifikanter Einfluss auf die Erwerbstätigkeit<br />

nachgewiesen werden.<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

54<br />

43<br />

14<br />

w eniger als 30 30 bis w eniger als 50 50 bis 100<br />

Nicht Erw erbstätig Erw erbstätig<br />

Behin<strong>der</strong>ungsgrad (gruppiert)<br />

Abbildung 18: Erwerbstätigkeit nach Behin<strong>der</strong>ungsgrad (N = 308, Stand 2011)<br />

Die Abbildung 18 zeigt dennoch, dass mit steigendem Behin<strong>der</strong>ungsgrad die Erwerbsquote<br />

abnimmt. Dies legt die Vermutung nahe, dass ein linearer negativer Zusammenhang<br />

zwischen dem Behin<strong>der</strong>ungsgrad (Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung) und <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit<br />

besteht (vgl. Neumann et al., 2010, S. 101).<br />

32<br />

Die Sinnesbehin<strong>der</strong>ung stellt dabei eine zusammengefasste Kategorie aus Seh-, Hör- und<br />

Sprachbehin<strong>der</strong>ung dar.<br />

9<br />

120<br />

68<br />

21


7.3 Berufliche Flexibilität und räumliche Mobilität<br />

In welchem Maße tragen individuelle berufliche Flexibilität und Mobilität zu<br />

Integrationserfolgen bei? (Regionale Arbeitsmarktsituation)<br />

Zu den am Arbeitsmarkt beson<strong>der</strong>s nachgefragten Eigenschaften von Arbeitnehmenden<br />

zählen die berufliche Flexibilität, räumliche Mobilität und Formen von Sozialkompetenz<br />

(Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit etc.). Unter beruflicher Flexibilität ist dabei die<br />

Bereitschaft zu verstehen, auch in einem an<strong>der</strong>en Bereich als dem erlernten Beruf zu<br />

arbeiten. Die räumliche Mobilität bezieht sich auf die Bereitschaft, für einen Arbeitsplatz den<br />

Wohnort zu wechseln. Beide Merkmale wurden im Rahmen des Projektes als<br />

Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> Teilnehmenden erfasst. Diese subjektive Perspektive muss bei<br />

<strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> Angaben berücksichtigt werden.<br />

Den Daten <strong>der</strong> Teilnehmernachbefragung ist zu entnehmen, dass 2008 rund je<strong>der</strong> dritte<br />

erwerbstätige Absolvent bereits nach einem Jahr den Arbeitgeber/ -innen gewechselt hat<br />

(Eichhorn/ Karbach 2009). Dieser Wert von genau 34,3 % stieg in 2009 auf 46,9 % an, in<br />

2010 wie<strong>der</strong>um sank er auf 35,9 % (Eichhorn/ Schwarzer 2011b). Im Jahr 2008 arbeiteten<br />

22,8 % nicht im ausgebildeten Berufsfeld, im Folgejahr waren es 22,2 %. Im Jahr 2010 traf<br />

dies auf ein Viertel <strong>der</strong> Absolventen/ -innen zu. Diese Ergebnisse spiegeln die wirtschaftliche<br />

Situation wi<strong>der</strong> und zeigen eine hohe berufliche Flexibilität <strong>der</strong> Absolventen/ -innen.<br />

Auf Basis <strong>der</strong> bisherigen Kenntnisse zu Berufsverläufen wäre zu erwarten gewesen, dass<br />

eine größere berufliche Flexibilität auch die Erwerbschancen verbessert. Mit dem<br />

vorliegenden Datensatz konnte jedoch kein Einfluss <strong>der</strong> beruflichen Flexibilität auf eine<br />

Erwerbstätigkeit nachgewiesen werden.<br />

Ebenfalls zu vermuten ist eine hohe Korrelation zwischen dem Wechsel des Berufsfelds bei<br />

erwerbstätigen Projektteilnehmenden und hoher beruflicher Flexibilität. Eine größere<br />

Bereitschaft, in einem an<strong>der</strong>en als dem erlernten Berufsfeld zu arbeiten, führt tatsächlich<br />

häufiger zu einem Wechsel des Tätigkeitsfelds (p = 0,001).<br />

Die Bereitschaft, für einen Arbeitsplatz einen Umzug in Kauf zu nehmen, hat ebenfalls<br />

keinen messbaren Einfluss auf die Erwerbsquote; je<strong>der</strong> Zweite ist generell zu einem<br />

Wohnortwechsel bereit und hiervon die Hälfte auch überregional. Diese Präferenzen<br />

bestehen sowohl bei den integrierten wie nicht integrierten Teilnehmenden ohne<br />

nennenswerten Unterschied.<br />

Entscheiden<strong>der</strong> ist die Mobilität <strong>der</strong> jungen Menschen vor Ort durch den Besitz eines<br />

Führerscheins. Eine Fahrerlaubnis beeinflusst hoch signifikant die Erwerbstätigkeit (p = ,000)<br />

<strong>der</strong> Projektteilnehmenden. Es überrascht allerdings, dass die Verfügbarkeit eines PKWs für<br />

die Teilnehmenden mit Führerschein keine weitere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit hat.<br />

Anzunehmen wäre vielmehr, dass erst die Verfügbarkeit eines eigenen Fahrzeugs –<br />

beson<strong>der</strong>s in ländlichen Gegenden – das entscheidende Kriterium für Mobilität ist. Das<br />

vorliegende Ergebnis weist jedoch eher auf eine große Bedeutung des Führerscheins für die<br />

Unternehmen selbst hin: damit künftige Mitarbeitende auch Fahrzeuge des Unternehmens<br />

fahren können, ist <strong>der</strong> Besitz einer Fahrerlaubnis wichtig. Ein eigener, privater PKW ist dabei<br />

eher zweitrangig. Die Annahme, dass Mobilität nur für die Arbeitsabläufe <strong>der</strong> Unternehmen<br />

von Bedeutung ist, wird bestätigt, wenn man die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs<br />

betrachtet. Auch dieses Merkmal hat keinen Einfluss auf die Erwerbschancen <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden, obwohl es einen zentralen Aspekt von räumlicher Mobilität berührt: die<br />

Fähigkeit, eigenständig an den Arbeitsplatz zu gelangen.<br />

44


7.4 Ausbildungskonzepte und <strong>der</strong>en Wirkung<br />

Wird mit den zugrunde liegenden didaktischen Ausbildungskonzepten die<br />

Beschäftigungsfähigkeit hergestellt?<br />

Die Vorbereitung <strong>der</strong> Jugendlichen auf ihr kommendes Arbeitsleben ist fester Bestandteil <strong>der</strong><br />

gesamten Ausbildung. Beson<strong>der</strong>e Relevanz hat in dieser Phase - neben dem Lernort BBW -<br />

<strong>der</strong> Lernort Betrieb. Die fachpraktischen Phasen werden in Form betrieblicher Praktika<br />

unterstützt. Relevant ist hierbei neben <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Praktika insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>en Dauer.<br />

So erscheinen weniger, dafür aber längere Praktika für eine spätere Integration Erfolg<br />

versprechen<strong>der</strong> als mehrere kürzere Praktika (vgl. Abbildung 19). Lange Praktika sind<br />

demnach eine sinnvolle Maßnahme 33 , denn sie gestatten dem jMmB, nicht nur punktuell<br />

son<strong>der</strong>n umfassend einen Einblick in verschiedene betriebliche Abläufe zu gewinnen. Diese<br />

Einschätzung spiegelt sich in <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> sozio-demografischen Daten <strong>der</strong><br />

Projektteilnehmenden wie<strong>der</strong> 34 . Eine Verknüpfung betrieblicher und außerbetrieblicher<br />

Lernphasen, wie die BBW sie praktizieren, kann sogar gegenüber einer stringenten<br />

einzelbetrieblichen Ausbildung in KMU Vorteile für die Auszubildenden haben (z.B. breitere<br />

fachliche Qualifikation, Entwicklung <strong>der</strong> sozialen Kompetenzen in wechselnden Umgebungen<br />

etc.). Grund für die verbesserte Integration ist in den meisten Fällen, dass Absolventen/<br />

-innen schon während <strong>der</strong> Praktikumszeit potenzielle Arbeitgeber/ -innen kennen lernen<br />

können und persönliche Netzwerke aufbauen können. Auch die im Projekt interviewten<br />

Teilnehmenden bestätigen, dass Praktika hilfreich sind, um sich auf das Berufsleben<br />

vorzubereiten.<br />

Anteil Teilnehmen<strong>der</strong><br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

9<br />

20<br />

Bis zu 2<br />

Wochen<br />

55<br />

82<br />

Mehr als 2<br />

Wochen bis 1<br />

Monat<br />

18<br />

25<br />

Mehr als 1<br />

Monat bis 2<br />

Monate<br />

45<br />

14<br />

19<br />

Mehr als 2<br />

Monate bis 3<br />

Monate<br />

5<br />

8<br />

Mehr als 3<br />

Monate bis 6<br />

Monate<br />

13<br />

10<br />

Mehr als 6<br />

Monate<br />

Nicht Erw erbstätig Erw erbstätig Durchschnittliche Praktikumsdauer<br />

Abbildung 19: Erwerbsquoten nach <strong>der</strong> durchschnittlichen Praktikumsdauer (N = 308, Stand<br />

2011)<br />

Anhand <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> im Projekt durchgeführten Unternehmensbefragung (siehe<br />

Kapitel 2 Projektbeschreibung) wird deutlich, dass <strong>der</strong> Lernort Betrieb zur<br />

Kompetenzentwicklung äußerst sinnvoll ist, um „Wettbewerbsvorteile“ <strong>der</strong> jungen Menschen<br />

mit Behin<strong>der</strong>ung weiter auszubauen. Auch wenn einige soziale Kompetenzen <strong>der</strong> jungen<br />

Menschen wie Selbstständigkeit, Konfliktfähigkeit und Kritikfähigkeit von den Unternehmen<br />

33 An dieser Stelle sei auf die Frage verwiesen, in welcher nach beson<strong>der</strong>en Maßnahmen zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Integrationschance gefragt wird.<br />

34 Das Ergebnis ist zwar nicht signifikant, trotzdem lässt sich ein Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />

Zeitdauer <strong>der</strong> gemachten Praktika <strong>der</strong> Absolventen und ihrem jetzigen Arbeitsverhältnis erkennen.


als noch verbesserbar eingestuft werden, bewerten diese die Leistungsbereitschaft,<br />

Teamfähigkeit und das Durchhaltevermögen <strong>der</strong> BBW-Teilnehmenden durchweg positiv 35 .<br />

Diese Eigenschaften weisen auf eine hohe Arbeitsmotivation <strong>der</strong> jMmB hin. Der Eindruck<br />

bestätigt sich durch die Telefoninterviews mit den Projektteilnehmenden: Einem großen Teil<br />

<strong>der</strong> Befragten ist es wichtig, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Das fachliche<br />

Interesse <strong>der</strong> jungen Menschen an ihrem erlernten Beruf spielt ebenfalls eine große Rolle –<br />

rund je<strong>der</strong> dritte jMmB gab im Interview an, das fachliche Gründe ausschlaggebend für die<br />

erfolgreiche Bewerbung waren.<br />

Betrachtet man die Integrationsquoten - differenziert nach <strong>der</strong> Art des Berufsabschlusses -<br />

und vergleicht diese mit den durchschnittlichen Integrationsquoten <strong>der</strong> Jahre 2006 bis 2008<br />

(zwölf Monate nach Ausbildungsabschluss), dann fällt auf, dass die Quoten bei<br />

vollqualifizierter Ausbildung jeweils deutlich über denen <strong>der</strong> Ausbildung nach § 66 BBiG /<br />

§ 42m HwO liegen. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass vollausgebildete jMmB am<br />

Arbeitsmarkt durchschnittlich leichter unterkommen als solche mit einem Fachpraktiker-<br />

Abschluss.<br />

Anteile <strong>der</strong><br />

Integrationen<br />

Arbeitsplatz<br />

gefunden (in %)<br />

kein Arbeitsplatz<br />

gefunden (in %)<br />

Vollqualifizierter Ausbildung<br />

BAG BBW<br />

Nacherhebung<br />

2006-2008<br />

Projekt<br />

Integration<br />

inklusive 2009-<br />

2011<br />

46<br />

Abschluss nach § 66 BBiG /<br />

§ 42m HwO<br />

BAG BBW<br />

Nacherhebung<br />

2006-2008<br />

Projekt<br />

Integration<br />

inklusive 2009-<br />

2011<br />

62,1 46,8 55,8 37,4<br />

37,9 53,2 44,2 62,6<br />

Tabelle 7: Integrationsquoten nach Ausbildungsabschluss im Vergleich (Quelle: Eichhorn/<br />

Karbach 2009, eigene Berechnungen)<br />

35 Einzelergebnisse <strong>der</strong> Unternehmensbefragung innerhalb des Projektes: Leistungsbereitschaft<br />

(85 %), Teamfähigkeit (90 %) und das Durchhaltevermögen (80 %).


7.5 Berufsabschluss und die Nachfragesituation<br />

Ein verän<strong>der</strong>tes Bild ergibt sich, wenn man die Quoten nach den Berufsfel<strong>der</strong>n zusätzlich mit<br />

einbezieht: hier macht sich insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> hohe quantitative Anteil des<br />

Ausbildungsberufsfeldes Wirtschaft und Verwaltung im Projekt mit 44,8 % aller jungen<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung bemerkbar. Bei einer durchschnittlichen Integrationsquote von<br />

42 % im Projekt ergibt sich für die einzelnen Berufsfel<strong>der</strong> im Projekt (mit zehn und mehr<br />

Teilnehmenden) folgende Verteilung:<br />

Anteil erwerbstätige Teilnehmende<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Holztechnik<br />

Berufsfeld<br />

<strong>der</strong><br />

Ausbildung<br />

16<br />

Agrarwirtschaft<br />

14<br />

Ernährung und Hauswirtschaft<br />

16<br />

47<br />

Metalltechnik<br />

81<br />

Farbtechnik und Raumgestaltung<br />

12<br />

Wirtschaft und Verwaltung<br />

Abbildung 20: Erwerbsquoten nach dem Berufsfeld <strong>der</strong> Ausbildung (N = 282, Stand 2011)<br />

Es stellt sich daher die Frage:<br />

Werden Berufsgruppen, auch in beson<strong>der</strong>s geregelten Ausbildungsberufen gemäß § 66<br />

BBiG o<strong>der</strong> § 42 m HwO, auf dem Arbeitsmarkt stärker nachgefragt als an<strong>der</strong>e?<br />

Sieht man von spezifischen Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> lokal unterschiedlichen Arbeitsmärkte ab 36<br />

und ebenso von den konjunkturellen Schwankungen aufgrund <strong>der</strong> seit 2009 andauernden<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise (vor allem in <strong>der</strong> exportabhängigen Metall- und<br />

Elektroindustrie), so haben nach <strong>der</strong> aktuellen bundesweiten Auswertung des BBW-<br />

Abschlussjahrgangs 2009 (mit einer Integrationsquote im Bundesdurchschnitt von 56,8 %)<br />

insbeson<strong>der</strong>e hauswirtschaftliche Ausbildungsberufe durchweg gute und teilweise sehr gute<br />

Vermittlungsquoten, und das weitgehend unabhängig von <strong>der</strong> Art des Abschlusses (vgl.<br />

Eichhorn/ Schwarzer 2011b).<br />

Diese positiven Integrationsergebnisse (bezogen auf die ersten zwölf Monate nach<br />

Ausbildungsabschluss) werden durch die Ergebnisse des Projektes bei <strong>der</strong> Nachvermittlung<br />

bestätigt: auch beim Projekt Integration inklusive liegt die Integrationsquote im<br />

Ausbildungsberufsfeld Hauswirtschaft mit 43,8 % deutlich über <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Integrationsquote im Bereich <strong>der</strong> Fachpraktikerausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42 m<br />

HwO von 37,4 % (siehe Tabelle 7).<br />

36<br />

Zur unterschiedlichen Arbeitsmarktsituation in den Branchen Bau, GaLa, Automobilzulieferer siehe<br />

Kaptitel 5.<br />

143


Beruf<br />

Durchschnittliche BBW-Integrationsquote<br />

2009 (bundesweit, in %)<br />

Hauswirtschafter/ -in 76,5<br />

Beikoch/ -köchin 70,1<br />

Hauswirtschaftstechnische(r)<br />

Helfer/ -in 69,4<br />

Fachkraft Gastgewerbe 68,8<br />

Hauswirtschaftshelfer/ -in 60,2<br />

Tabelle 8: Bundesweite Integrationsquote in ausgewählten Berufsfel<strong>der</strong>n (2009) (Quelle:<br />

Eichhorn/ Schwarzer 2011b)<br />

Diese hohen Integrationsquoten sprechen für überdurchschnittlich gute Arbeitsmarktchancen<br />

im Bereich Ernährung und Hauswirtschaft auf Grundlage einer stabilen, ortsunabhängigen<br />

Nachfrage nach ausgebildeten Fachkräften 37 .<br />

Die durchschnittlichen Integrationsquoten im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung liegen<br />

bundesweit je nach Beruf und Art des Abschlusses zwischen 40 % bis 60 %. Die<br />

Vollausbildungen in diesem Bereich liegen dicht am Bundesdurchschnitt aller Integrationen<br />

(56,8 %), die Integrationsquote <strong>der</strong> Bürohelferberufe nach § 66 BBiG mit 41,4 % jedoch<br />

deutlich unter diesem Wert.<br />

Beruf Durchschnittliche BBW-Integrationsquote<br />

2009 (bundesweit, in %)<br />

Kaufmann/ -frau für<br />

Bürokommunikation<br />

48<br />

57,4<br />

Bürokaufmann/ -frau 59,8<br />

Bürokraft 41,4<br />

Tabelle 9: Bundesweite Erwerbsquote in ausgewählten Berufsfel<strong>der</strong>n (2009) (Quelle: Eichhorn/<br />

Schwarzer 2011b)<br />

Eine Analyse dieser Ergebnisse auf <strong>der</strong> Nachfrageseite muss berücksichtigen, dass zum<br />

einen die Komplexität <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen im Bürobereich in den vergangenen Jahrzehnten<br />

bei KMU stark gestiegen ist. Nicht zuletzt durch den IT-Einsatz wurden einfache<br />

Bürotätigkeiten abgebaut bzw. werden von den dort Beschäftigten mit erledigt. Zum an<strong>der</strong>en<br />

werden behin<strong>der</strong>tengerechte Arbeitsplätze oftmals nicht per Neueinstellung besetzt, son<strong>der</strong>n<br />

durch langjährige Mitarbeitende, die im Laufe ihres Berufslebens schwerbehin<strong>der</strong>t wurden.<br />

Erschwerend für eine Integration kommt hinzu, dass Personen in diesem Berufsfeld beruflich<br />

weniger flexibel sind, eine an<strong>der</strong>e berufliche Tätigkeit aufzunehmen, umgekehrt aber<br />

Personen aus an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong> in vielen Einzelfällen eine Beschäftigung<br />

im Bürobereich finden (vgl. Eichhorn/ Schwarzer 2011b).<br />

37 Die wenigsten ausgebildeten Hauswirtschafterinnen sind als ebensolche auch beschäftigt, son<strong>der</strong>n<br />

angrenzende Branchen nehmen diese Fachkräfte auf (stationäre und ambulante Einrichtungen und<br />

Dienste unterschiedlicher Größe, Kantinen, Wäschereien usw.). Die BAG BBW e. V. wird künftig<br />

dieser Frage geson<strong>der</strong>t nachgehen.


Bürokräfte nach ihrer Ausbildung besser als bisher zu platzieren, hat weniger mit <strong>der</strong> Qualität<br />

<strong>der</strong> Ausbildung zu tun als mit dem komplexen Anfor<strong>der</strong>ungsprofil <strong>der</strong> Arbeitsplätze in diesem<br />

Bereich. Die Integration von Bürokräften (nach § 66 BBiG) dürfte so lange schwierig bleiben,<br />

wie die realen Arbeitsprozesse in den Unternehmen nicht – im Sinne <strong>der</strong> Inklusion - auch ein<br />

Stück weit an die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> jMmB angepasst werden.<br />

7.6 Zusatzqualifikationen<br />

Werden zur beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung beson<strong>der</strong>e Kenntnisse verlangt. Kann mit Hilfe von<br />

Fort- und Weiterbildungsangeboten die Integrationschance verbessert werden?<br />

Im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung wie prinzipiell auch in jedem an<strong>der</strong>en Berufsfeld<br />

können die Integrationschancen <strong>der</strong> jMmB durch passgenaue Zusatzqualifikationen<br />

verbessert werden. Damit ist nicht eine „Bildung auf Vorrat“ gemeint, son<strong>der</strong>n eine<br />

Fortbildung, die auf die Anfor<strong>der</strong>ungen eines konkreten Arbeitsplatzes hin ausgerichtet ist.<br />

Die im Projekt durchgeführte Unternehmensbefragung ergab, dass passgenaue fachliche<br />

Zusatzqualifikationen 38 für eine Einstellung för<strong>der</strong>lich sind.<br />

Welche Zusatzqualifikationen die Teilnehmenden im Einzelnen erhalten haben, zeigt die<br />

Abbildung 21. In erster Linie haben die Teilnehmenden zusätzliche Qualifikationen im<br />

Bereich <strong>der</strong> EDV abgelegt (Europäischer Computerführerschein – ECDL –,<br />

betriebsspezifische Buchhaltungssoftware, etc.). Weitere häufig belegte Qualifikationen<br />

waren Führerscheine für Staplerfahrzeuge.<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Staplerführerschein<br />

23<br />

ECDL<br />

25<br />

SAP/Buchhaltungssoftware<br />

12<br />

5<br />

Callcenter/Telefonmarketing<br />

an<strong>der</strong>e kfm. Zusatzqualifikation<br />

49<br />

8 7 6 6<br />

Schweißen<br />

Maschinensteuerung<br />

Sprachen (Englisch)<br />

Sonstiges<br />

Angebotene Zusatzqualifikationen<br />

Abbildung 21: Durchgeführte Arten <strong>der</strong> Zusatzqualifikation (N = 101; Stand 2011).<br />

7.7 Zusammenfassung<br />

Das Projekt Integration inklusive hat seine Arbeit dort aufgenommen, wo bisher die<br />

Integrationsarbeit <strong>der</strong> BBW endete: ab dem zweiten Halbjahr nach Ausbildungsabschluss.<br />

Mit Unterstützung durch Integrationsfachkräfte in den BBW sollten jMmB, welche die zweite<br />

Schwelle bis dahin noch nicht nehmen konnten, vermittelt werden. Zum Abschluss soll daher<br />

untersucht werden, ob und in welchem Umfange diese Integrationsprozesse sich als<br />

wirksam herausgestellt haben.<br />

38 Hierzu zählen z.B. Schweißerscheine, Stapler-Führerscheine, spezielle kaufmännische<br />

Buchhaltungsprogramme wie DATEV, SAP usw.<br />

9


Da sich das Projekt auf Absolventen/ -innen bezieht, die auch nach einem halben Jahr nach<br />

ihrem Abschluss noch nicht vermittelt waren, müssen bei einer Gesamtbetrachtung<br />

einerseits die bereits vorliegenden Vermittlungsergebnisse bis zur Projektaufnahme und<br />

solche ab <strong>der</strong> Projektaufnahme miteinan<strong>der</strong> verknüpft und zeitlich aufeinan<strong>der</strong> bezogen<br />

werden.<br />

In <strong>der</strong> folgenden Abbildung sind die Vermittlungsquoten<br />

• <strong>der</strong> ersten 12 Monate nach Ausbildung und<br />

• <strong>der</strong> Nachvermittlungen im Rahmen des Projektes Integration inklusive sowie<br />

• <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung (Langzeitbetrachtung 1995 - 2008)<br />

im Vergleich dargestellt.<br />

Vermittlungsquote<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Wirtschaft und Verwaltung<br />

Metalltechnik<br />

Berufsfeld<br />

Elektrotechnik<br />

Bautechnik<br />

Holztechnik<br />

Textiltechnik und Bekleidung<br />

Drucktechnik<br />

Farbtechnik und Raumgestaltung<br />

50<br />

Körperpflege<br />

Ernährung und Hauswirtschaft<br />

Agrarwirtschaft<br />

Vermittlungsquote in den BBW allgemein (2006-2008) inkl. Nachvermittlung im Projekt 2009-2011<br />

Vermittlungsquote in <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung<br />

Sonstige Berufe<br />

Abbildung 22: Vermittlungsquoten aus verschiedenen Studien nach Berufsfel<strong>der</strong>n im Vergleich<br />

(Quelle: eigene Berechnung)<br />

Wie <strong>der</strong> Abbildung zu entnehmen ist, liegen die Integrationsquoten in allen Berufsfel<strong>der</strong>n<br />

durch Aktivitäten <strong>der</strong> Nachvermittlung im Projekt deutlich über den Anfangswerten und<br />

teilweise sogar über den Langzeitwerten <strong>der</strong> IW-Absolventenbefragung; d.h. die im Projekt<br />

verfolgten Integrationsprozesse (Vermittlungscoaching und Kooperation/Netzwerke) haben<br />

auf das Integrationsziel hin Wirkung gezeigt und sind geeignet, die Integration deutlich zu<br />

steigern. Durchschnittlich konnte so das Ausgangsniveau <strong>der</strong> Integrationen 2006-2008 durch<br />

zusätzliche Integrationen um weitere 30 % gesteigert werden.


8 Transfer guter Praxis, Ausblick und Empfehlungen<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> einzelnen BBW sowie verschiedenartiger Ausbildungs- und<br />

Vermittlungsstrukturen weicht die Art und Weise <strong>der</strong> Integrationsarbeit von BBW zu BBW ab.<br />

Mit dem Projekt Integration inklusive wurden Ansätze zur Verbesserung <strong>der</strong><br />

Integrationsarbeit erarbeitet, die nicht nur auf die teilnehmenden BBW anwendbar sind,<br />

son<strong>der</strong>n sich auf alle BBW übertragen lassen.<br />

Im Folgenden wird dargelegt, welche im Projekt entwickelten Maßnahmen dauerhaft Eingang<br />

in die Strukturen <strong>der</strong> beteiligten Berufsbildungswerke fanden. Beson<strong>der</strong>es Gewicht liegt<br />

dabei auf Maßnahmen, die von Seiten <strong>der</strong> Projektpartner als zielführend für eine erfolgreiche<br />

Integration betrachtet wurden. Bei dieser „guten Praxis“ geht es weniger um den Stellenwert<br />

<strong>der</strong> einzelnen Maßnahmen im Integrationsgeschehen, son<strong>der</strong>n um das Zusammenwirken<br />

unterschiedlicher Ansätze und Akteure im Verbund 39 . Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus<br />

Kooperationsprojekten <strong>der</strong> BBW lehren, dass die volle Wirksamkeit sich stetig verän<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />

Integrationsprozesse erst dann gegeben ist, wenn die Berufsbildungswerke, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Führungsebene, diese neue Praxis als Organisationsentwicklungsprozess aktiv gestalten<br />

(vgl. Bachmeier 2009).<br />

Die am Projekt Integration inklusive beteiligten BBW und Unternehmensverbände stimmen<br />

überein, dass folgende Faktoren integrationsför<strong>der</strong>nd wirken. Sie können daher als „gute<br />

Praxis“ für alle Standorte empfohlen werden.<br />

• Da die Integration in den Arbeitsmarkt von Anfang an im Mittelpunkt <strong>der</strong> Ausbildung<br />

steht, werden die persönlichen Stärken <strong>der</strong> Auszubildenden bereits frühzeitig durch<br />

Instrumente wie den Kompetenzansatz o<strong>der</strong> ein Profiling für eine spätere<br />

Berufstätigkeit genutzt. Auch persönliche (endogene) und durch das Umfeld bedingte<br />

(exogene) Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Vermittlung 40 .<br />

• Ein auf die Zielgruppe abgestimmtes Bewerbungstraining wird sehr früh, spätestens<br />

ab dem zweiten Ausbildungsjahr in die Ausbildung <strong>der</strong> jungen Menschen<br />

aufgenommen. Interaktive Formen wie die Simulation von Vorstellungsgesprächen<br />

o<strong>der</strong> das Telefontraining auf dem Hintergrund verän<strong>der</strong>ter Kommunikationswelten<br />

sind dabei von zunehmen<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

• Innovative Präsentationsformen kommen bei den Bewerbungen verstärkt zu tragen.<br />

Dies kann die aktive Beteiligung von jMmB auf Veranstaltungen mit Arbeitgebern/<br />

-innen sein (z.B. Unternehmer-Frühstück etc.), die Nutzung von social media o<strong>der</strong> die<br />

persönliche Präsentation mittels kurzer Video-Clips 41 .<br />

• Die Ausschreibung und Suche von Arbeitsplätzen findet immer mehr über webbasierte<br />

Stellenbörsen und Bewerbungsverfahren statt. Die BBW bereiten die jMmB<br />

darauf vor, diese Instrumente für sich zu nutzen. Auch für die Integrationsfachkräfte<br />

39 Beispielhaft sei auf das Projekt BEIVIG (Betriebliches Einglie<strong>der</strong>ungsmanagement im Verbund mit<br />

IndustrieGemeinschaften) unter www.beivig.de hingewiesen, das vom Berufsför<strong>der</strong>ungszentrum<br />

Peters GmbH getragen und durch das BMAS geför<strong>der</strong>t wurde.<br />

40 Ein Beispiel aus mehreren BBW hierzu ist die frühzeitige Bestandsaufnahme und Analyse <strong>der</strong><br />

persönlichen Netzwerke, über die die jMmB verfügen, um diese für eine anschließende Integration zu<br />

mobilisieren. Ein weiteres Beispiel bildet die Ressourcenorientierung als Grundlage des<br />

Selbstmarketing bei Bewerbungen bei allen Projekt-BBW.<br />

41 Projekt Jobvideo (Bewerbungsvideo für jMmB) im BBW Potsdam, geför<strong>der</strong>t durch das BMAS<br />

51


ieten diese Plattformen häufig Services für die Integrationsfachkräfte an zur<br />

Prozesssteuerung und zum Controlling über größere Distanzen hinweg 42 .<br />

• Das Maß an persönlicher Selbständigkeit ist ein entscheidendes Kriterium für die<br />

erfolgreiche Arbeitsaufnahme nach <strong>der</strong> Ausbildung. Dies betonen Arbeitgeber/ -innen<br />

nicht nur im Hinblick auf jMmB. Die Projekte <strong>der</strong> BBW zur Unterstützung von jMmB<br />

über die Ausbildung hinaus folgen dem Prinzip des „För<strong>der</strong>n und For<strong>der</strong>ns“. Daher<br />

sind sie beson<strong>der</strong>s geeignet, um die Selbständigkeit <strong>der</strong> jungen Menschen zu stärken<br />

und stellen eine aktive Vorbereitung auf die spätere Erwerbstätigkeit dar.<br />

• Die Kooperation mit Betrieben während <strong>der</strong> Ausbildung von jMmB wird zum großen<br />

Teil von den Ausbildenden getragen (vgl. Kapitel 5 Strukturelle<br />

Rahmenbedingungen). Diese Zusammenarbeit erlaubt einen möglichst engen Bezug<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsinhalte auf die betriebliche Praxis und trägt zur ständigen<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungsqualität im BBW bei.<br />

• Integrationsarbeit für benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt ist ohne eine<br />

kontinuierliche Beobachtung des Arbeitsmarktes und aktive Stellenakquise nicht<br />

vorstellbar. Zugleich erfor<strong>der</strong>t eine erfolgreiche Akquise stabile und gute Kontakte <strong>der</strong><br />

BBW zur Wirtschaft. Im Vor<strong>der</strong>grund müssen dabei stets die Sichtweise <strong>der</strong><br />

Unternehmen und <strong>der</strong>en Belange stehen.<br />

• Bei vielen Unternehmen bestehen nach wie vor große Wissensdefizite über die<br />

Beschäftigung von jMmB (vgl. Handwerkskammer Münster 2007). Diese beziehen<br />

sich sowohl auf behin<strong>der</strong>ungsspezifische Fragestellungen, wie auch auf mangelnde<br />

Informationen über die Möglichkeiten staatlicher För<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong> Beschäftigung<br />

von jMmB 43 . Um dem Abhilfe zu schaffen, hat das BBW Husum eine Handreichung<br />

erarbeitet. Diese Kurzinformation ist auf Nachfrage bei <strong>der</strong> BAG BBW e. V. erhältlich.<br />

• Wenn es um die Frage geht, welche berufsfachlichen Kompetenzen Arbeitgeber/<br />

-innen interessieren, dann stellen spezielle Zusatzqualifikationen keinen Wert an sich<br />

dar; sie spielen aber dann eine ausschlaggebende Rolle, wenn sie genau zum<br />

Anfor<strong>der</strong>ungsprofil eines Arbeitsplatzes passen (siehe Kapitel 6.2<br />

Integrationsprozesse nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung).<br />

• Kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer erfolgreichen Kooperation mit<br />

Betrieben, dann werden nach und nach auch weitergehende Möglichkeiten <strong>der</strong> – mit<br />

den Arbeitgebern/ -innen abgestimmten – Personalentwicklung möglich, die über<br />

reine Rekrutierungsfragen hinausgehen (z.B. Qualifikationsentwicklung,<br />

Arbeitszeitmodelle) 44 .<br />

• Es gelingt nur ungefähr <strong>der</strong> Hälfte aller jungen Menschen, unmittelbar im Anschluss<br />

an ihre Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden (unabhängig vom Merkmal <strong>der</strong><br />

Behin<strong>der</strong>ung). In allen an<strong>der</strong>en Fällen ist es sinnvoll, die Stellensuche, Bewerbung<br />

und Einarbeitung individuell zu begleiten (Vermittlungs- bzw. Jobcoaching/<br />

individueller Integrationsplan) 45 . Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e für am Arbeitsmarkt<br />

42<br />

Eine solche Plattform bietet das Arbeitsmarktportal www.integrationsverbund.de, das vom BBW<br />

Husum genutzt wird.<br />

43<br />

Einen <strong>der</strong>artigen Ansatz verfolgte das Projekt „Arbeit Inklusive“ mit einer Veranstaltungsreihe, bei<br />

<strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und Unternehmen zum Dialog zusammengeführt werden (www.lifeonline.de/aktuelle_projekte/p_arbeit_inkl.html).<br />

44<br />

Als Beispiel kann hier die L2 - agentur für taten in Leipzig genannt werden, die auch als<br />

Personaldienstleistung für Arbeitgeber agiert.<br />

45<br />

Dieses Prinzip wird auch in an<strong>der</strong>en Strukturen praktiziert wie z.B. dem „Netzwerk<br />

Integrationsassistenz in Brandenburg“ (NIAB http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-40-06-giga-<br />

52


enachteiligte Gruppen wie jMmB. Die Wirksamkeit dieser Formen <strong>der</strong> Unterstützung<br />

hat das Projekt Integration inklusive unter Beweis gestellt: den<br />

Integrationsfachkräften ist es durch die Zusammenarbeit mit Akteuren <strong>der</strong> regionalen<br />

Wirtschaft gelungen, 30 % <strong>der</strong> arbeitsuchenden jMmB zusätzlich zu integrieren, in<br />

einzelnen Berufsfel<strong>der</strong>n sogar weit darüber hinaus (siehe Anhang 5.6).<br />

• Auch wenn die Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse rapide zunimmt, bleibt für die BBW<br />

die Integrationsaufgabe bestehen, die Inklusion von jMmB so dauerhaft wie möglich<br />

abzusichern und Abbrüche nach einer Arbeitsaufnahme zu vermeiden<br />

(Präventionsprinzip). Mit den Integrationsfachkräften, die bereits die Phase <strong>der</strong><br />

Arbeitsaufnahme begleitet haben, sind für eine Nachbetreuung prinzipiell geeignete<br />

personelle Ressourcen in den BBW vorhanden. Die im Projekt für die Nachbetreuung<br />

genutzten personellen Kapazitäten (Betreuungsschlüssel ca. 1:20 und Dauer <strong>der</strong><br />

Nachbetreuung ca. sechs Monate) waren jedoch zu einem erheblichen Teil<br />

projektgebunden.<br />

• Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, Formen guter Praxis weiter zu verbreiten.<br />

Hierfür geeignete Formen sind <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch zwischen den<br />

Ausbildungseinrichtungen, Fortbildungsseminare und Workshops. Neue Impulse<br />

können sich dabei auch durch die Expertise Externer ergeben, anhand <strong>der</strong>er die<br />

eigene Praxis reflektiert werden kann. Im Projekt Integration inklusive regte z.B. ein<br />

Seminar mit dem Büro Berufsstrategie (Hesse & Schra<strong>der</strong>) an, bei Bewerbungen<br />

stärker die emotionale Seite sowie das Marketing in eigener Sache zu<br />

berücksichtigen.<br />

• Zu einer gelungenen Integration trägt schließlich auch das persönliche<br />

Unterstützungsnetzwerk bei, das einer Person zur Verfügung steht. Neben <strong>der</strong><br />

Familie spielen dabei freundschaftliche Kontakte eine beträchtliche Rolle: so lassen<br />

sich rund ein Drittel <strong>der</strong> Integrationen im Projekt auf das persönliche Umfeld<br />

zurückführen.<br />

In Anbetracht <strong>der</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> BBW auf bestimmte Behin<strong>der</strong>ungsarten, <strong>der</strong><br />

regionalen Unterschiede <strong>der</strong> Arbeitsmärkte sowie <strong>der</strong> Notwendigkeit, die Unterstützung <strong>der</strong><br />

jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung so weit wie möglich an <strong>der</strong>en individuelle Fähigkeiten und<br />

Einschränkungen anzupassen, sind lokale Unterschiede in <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

naheliegend. Es lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze in <strong>der</strong> Vermittlungsarbeit<br />

unterscheiden:<br />

• Nach dem einen Modell sind Integrationsfachkräfte als Begleiter/ -in <strong>der</strong> jMmB<br />

rundum für diese zuständig (Coaching-Ansatz / pull-Faktor). Zugleich sind sie <strong>der</strong>/die<br />

erste Ansprechpartner/ -in, um die Betriebe zu beraten.<br />

• Ein von diesem personenzentrierten Ansatz abweichendes Modell geht stärker von<br />

den objektiven Anfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Besetzung von Arbeitsplätzen aus. Hier steht<br />

zunächst die Akquise offener Stellen im Vor<strong>der</strong>grund, anschließend die Steuerung<br />

des Integrationsprozesses durch Case-Manager (push-Faktor). Die Aufgaben im<br />

Integrationsprozess sind dabei meist auf mehrere Personen verteilt.<br />

integrationsassistenz.html). Dieses Projekt bietet in Ostbrandenburg ambulante Unterstützung durch<br />

die Integrationsassistenz mit verschiedensten beruflichen Erfahrungsmöglichkeiten. Es werden die<br />

Bereiche JobCoaching, Bedarfsdiagnostik, Arbeitsassistenz, Sozialtraining und Berufswegeplanung<br />

für die Teilnehmenden angeboten. Im Gegensatz zum Vorgehen bei Projektbeginn wendet sich NIAB<br />

mittlerweile direkt an Betroffene und Multiplikatoren und wird - auch aufgrund <strong>der</strong> geän<strong>der</strong>ten<br />

Rechtslage - nicht mehr von IFD durchgeführt.<br />

53


Egal, welchem Modell die Integrationsarbeit letztlich folgt, geht es in beiden Fällen um ein<br />

erfolgreiches Matching zwischen Anfor<strong>der</strong>ungs- und Bewerbendenprofil und um die<br />

Gewährleistung aller dafür erfor<strong>der</strong>lichen organisatorischen Schritte. Wie viele Aufgaben<br />

eine Integrationsfachkraft im Einzelfall hat und wie viele Kollegen/ -innen begleitend daran<br />

mitwirken, ist von BBW zu BBW unterschiedlich. Die Vielfalt in die Integrationsarbeit <strong>der</strong><br />

BBW sowie <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch untereinan<strong>der</strong> haben jedoch dazu beigetragen,<br />

Synergien zu nutzen und Innovationen zu för<strong>der</strong>n.<br />

Durch die erfolgreiche Arbeit im Projekt Integration inklusive wird deutlich, welche Relevanz<br />

wirtschaftsnahe, regionale Netzwerke für die Integration <strong>der</strong> jungen Menschen haben. Je<br />

enger das BBW mit an<strong>der</strong>en lokalen und regionalen Akteuren vernetzt ist, desto größer ist<br />

die Chance auf Integration für die Jugendlichen. Die Zusammenarbeit im Projekt mit<br />

Unternehmensverbänden, Kammern und wirtschaftsnahen Vereinigungen hatte folgende<br />

thematische Schwerpunkte:<br />

• Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für Unternehmen zu allen Fragen <strong>der</strong> beruflichen<br />

Integration von jungen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (Flyer, gegenseitige Verlinkung<br />

<strong>der</strong> Web-Seiten, usw.)<br />

• Direkte Unterstützung von Betrieben bei <strong>der</strong> Beantragung von För<strong>der</strong>mitteln für eine<br />

Beschäftigung von jMmB sowie Training für Mitarbeitende des Unternehmens zum<br />

Abbau von Vorbehalten gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

• Geeignete Veranstaltungsformate weiterentwickeln und erproben (Unternehmer-<br />

Frühstück, Tag <strong>der</strong> Zeitarbeit, Fachseminare mit Muliplikatoren zu Fragen <strong>der</strong><br />

Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, Behin<strong>der</strong>tenbeauftragte gezielt<br />

ansprechen, Tage <strong>der</strong> Offenen Tür, Informationsveranstaltungen mit Arbeitsagentur<br />

bzw. SGB II-Träger, Integrationsfachdienst (IFD) u.ä.)<br />

• Formen des lokalen Jobsharing sowie geeignete Arbeitszeitmodelle weiterentwickeln<br />

und erproben – dazu können z.B. Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ) nach<br />

französischem Vorbild dienen.<br />

Die BBW haben umfangreiche Unternehmenskontakte. Nicht nur die Menge <strong>der</strong> Kontakte,<br />

son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s auch die enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen lassen sich<br />

quantitativ wie auch qualitativ im Sinne <strong>der</strong> oben dargestellten Prozessschritte bei <strong>der</strong><br />

Integration von jMmB nutzen. Wo dies im Verbund mit Verbänden und Einrichtungen <strong>der</strong><br />

lokalen Wirtschaft gelingt, werden die BBW zunehmend als umfassen<strong>der</strong><br />

Personaldienstleister für die Wirtschaft wahrgenommen.<br />

Einige <strong>der</strong> am Projekt beteiligten BBW haben signalisiert, die erfolgreiche Integrationsarbeit<br />

durch zusätzliche Stellen für Integrationsmitarbeitende fortsetzen zu wollen (BBW Neuwied,<br />

BBW Potsdam, BBW Rummelsberg). Eine auf Dauer angelegte professionelle<br />

Integrationsarbeit an <strong>der</strong> Zweiten Schwelle sowie die damit verbundenen personellen<br />

Ressourcen bedeuten jedoch einen zusätzlichen Aufwand. Sollen die dafür äquivalenten<br />

Kosten nicht durch eine BBW-interne Umverteilung aufgebracht werden (und damit<br />

Qualitätseinbußen in an<strong>der</strong>en Bereichen nach sich ziehen), so bedarf es an<strong>der</strong>er<br />

Finanzierungsinstrumente zur Stärkung <strong>der</strong> Integrationsarbeit. Hierbei können z.B.<br />

Integrationsprämien 46 flankierend einen Beitrag leisten. Konzeptionell werden diese <strong>der</strong>zeit<br />

jedoch nur bei Integrationen nach sechs Monaten für sechs Monate gezahlt. Für junge<br />

46 Von den am Projekt beteiligten BBW machen hiervon die BBW in Rummelsberg, Neuwied,<br />

Hamburg und Husum bereits Gebrauch. Integrationsprämien wirken sich in diesem Modell finanziell<br />

aus, wenn die bisherige Integrationsquote <strong>der</strong> BBW überschritten wird und <strong>der</strong> zusätzliche<br />

Verwaltungsaufwand refinanziert ist.<br />

54


Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong>en Einschränkungen einer intensiveren Begleitung für eine<br />

dauerhafte Integration notwendig machen, können diese nicht genutzt werden. Das Projekt<br />

hat ebenso wie die IW-Absolventenbefragung gezeigt, dass auch nach sechs Monaten <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit Integrationen erfolgreich initiiert werden können. Auch hier können die BBW<br />

wertvolle Dienste leisten.<br />

Empfehlungen<br />

1. Gelingende Statuspassagen wie die Übergangsprozesse von jMmB an <strong>der</strong> Zweiten<br />

Schwelle benötigen Zeit. Eine professionelle Unterstützung erfor<strong>der</strong>t dabei neben <strong>der</strong><br />

Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten insbeson<strong>der</strong>e ausreichend Kontinuität.<br />

Unter diesen Voraussetzungen ist ein begleitendes Vermittlungscoaching von jMmB<br />

wirksam 47 . Gerade für junge Menschen mit schweren Teilhabeeinschränkungen sollte<br />

eine solche Begleitung nicht nur innerhalb <strong>der</strong> ersten sechs Monate nach<br />

Ausbildungsabschluss finanziert werden (Rahmenvertrag BAG BBW e. V. sowie<br />

Grundlage des Integrationsprämienmodells). Der Nutzen einer längeren Betreuung<br />

zeigt sich in den Integrationsquoten, die sich dadurch ein Jahr nach<br />

Ausbildungsabschluss nahezu verdoppeln lassen.<br />

2. Die staatlichen Anreize zur Integration in das Erwerbsleben nach einer erfolgreich<br />

abgeschlossenen Ausbildung sind – je nach Adressat - unterschiedlich gesetzt: die<br />

zahlreichen För<strong>der</strong>instrumente für Arbeitgeber/ -innen sind – wie zahlreiche Studien<br />

aufzeigen – nützlich und tragen dazu bei, die Beschäftigungsquote von Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung abzusichern. Umgekehrt kann jedoch <strong>der</strong> mit Ausbildungsabschluss<br />

erworbene Anspruch eines jMmB auf einjähriges Arbeitslosengeld mit dazu<br />

beitragen, dass sich Übergangszeiten verlängern und Übergangsrisiken erhöhen.<br />

3. Um die Beschäftigungsquote von jMmB nachhaltig zu steigern, ist eine intensive<br />

Aufklärung von Personalverantwortlichen über Fragen <strong>der</strong> Beschäftigung von<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in den Betrieben erfor<strong>der</strong>lich. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e für<br />

KMU, welche die gefor<strong>der</strong>te Beschäftigungsquote (noch) nicht erfüllen. Eine <strong>der</strong>artige<br />

Aufklärung sollte kontinuierlich in zweierlei Formen geleistet werden: zum einen in<br />

Form von Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Imagekampagne), zum an<strong>der</strong>en in Form einer<br />

kompetenten Beratungsleistung an die Betriebe.<br />

4. Inhaltlich sollte sich die Öffentlichkeitsarbeit/ Beratung vor allem auf drei Aspekte<br />

beziehen:<br />

a) Aufklärung über die generelle wie auch spezifische berufliche Leistungsfähigkeit<br />

von jMmB (d.h. über Einschränkungen wie auch über Stärken)<br />

b) Die Vielfalt staatlicher För<strong>der</strong>möglichkeiten bei <strong>der</strong> Beschäftigung von Menschen<br />

mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

c) Transparente Informationen über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in den<br />

Fachpraktiker-Berufen vermittelt werden.<br />

Bei <strong>der</strong>artigen Aufklärungsaktivitäten sind verstärkt regional und überregional<br />

Wirtschaftsverbände und Kammern als wichtige Multiplikatoren und Meinungsbildner<br />

mit einzubeziehen.<br />

47 Die Ressourcen entsprechen<strong>der</strong> lokaler Fachdienste sowie <strong>der</strong>en Kontinuität und Vernetzung sind<br />

nach Aussagen <strong>der</strong> Projektbeteiligten oftmals nur unzureichend gegeben. Die jMmB wünschen sich<br />

einen verlässlichen Ansprechpartner.<br />

55


5. Das Profil <strong>der</strong> Berufsbildungswerke verän<strong>der</strong>t sich seit Jahren kontinuierlich von einer<br />

Ausbildungseinrichtung hin zu einem kompetenten Personaldienstleister für die<br />

regionale Wirtschaft. Ein professionelles Übergangsmanagement erfor<strong>der</strong>t neben<br />

entsprechenden personellen Ressourcen auch umfassende interne Strukturen und<br />

verlässliche Zuständigkeiten in den Berufsbildungswerken. Die Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

Einrichtungen und kontinuierliche Kontrolle <strong>der</strong> Wirkung dieser Verän<strong>der</strong>ungen<br />

sichern den Erfolg <strong>der</strong> Integrationsleistungen ab. Hilfreich sind flankierende Fort- und<br />

Weiterbildungsangebote für die Integrationsfachkräfte. Um diese erfolgreich zu<br />

realisieren, bedarf es sowohl <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen finanziellen Ausstattung zusätzlicher<br />

Integrationsleistungen als auch einer Planungssicherheit bei <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong><br />

Leistungen durch die BBW.<br />

56


Abkürzungsverzeichnis<br />

Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lesbarkeit werden im Text die in <strong>der</strong> Fachöffentlichkeit bekannten und<br />

benutzten Abkürzungen verwendet. Diese und weitere Abkürzungen werden in <strong>der</strong> folgenden<br />

Liste aufgeführt:<br />

AfbM Ausschuss für Fragen behin<strong>der</strong>ter Menschen (beim BIBB)<br />

allg. allgemein<br />

BA Bundesagentur für Arbeit<br />

BAG BBW e. V. <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V.<br />

BBiG Berufsbildungsgesetz<br />

BBW Berufsbildungswerk (auch: Berufsbildungswerke)<br />

BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung<br />

BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

BT Bundestag<br />

BvB Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme<br />

BVMW<br />

Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband<br />

Deutschlands e. V.<br />

ca. circa<br />

CSR Corporate Social Responsibility<br />

d.h. das heißt<br />

DIA-AM Diagnose Arbeitsmarktfähigkeit<br />

EA/AP Eignungsabklärung/ Arbeitserprobung<br />

ECDL Europäischer Computer Führerschein<br />

etc. et cetera<br />

e. V. eingetragener Verein<br />

GaLa Garten- und Landschaftsbau<br />

GdB Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

ggf. gegebenenfalls<br />

HEGA<br />

Handlungsempfehlungen/ Geschäftsanweisungen (<strong>der</strong> Bundesagentur<br />

für Arbeit)<br />

HwO Handwerksordnung<br />

IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

IAW Institut Arbeit und Wirtschaft, Bremen<br />

IFD Integrationsfachdienst<br />

IHK Industrie- und Handelskammer<br />

IW Institut <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft, Köln<br />

jMmB junge Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

KMU Kleinere und mittlere Unternehmen<br />

o.ä. o<strong>der</strong> ähnliche(s)<br />

u.a. unter an<strong>der</strong>em<br />

u.ä. und ähnliche(s)<br />

UN United Nations (Vereinte Nationen)<br />

vgl. vergleiche<br />

WfbM Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen<br />

57


Literaturverzeichnis<br />

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(Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW e. V.),<br />

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Seyd, Wolfgang; Schulz, Katrin (2010): Teilnehmereingangserhebung (TEE) – die sechste.<br />

Erhebung <strong>der</strong> Eingangsvoraussetzungen bei den Berufsbildungswerks-Teilnehmern -<br />

Ergebnisse 2009, (Hrsg.) <strong>Bundesarbeitsgemeinschaft</strong> <strong>der</strong> Berufsbildungswerke (BAG<br />

BBW e. V.), Berlin (unveröffentlicht).<br />

Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (2011): Arbeitsmarkt in Zahlen. Arbeitslosenquoten<br />

2010, Nürnberg.<br />

Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit (ohne Jahr, Berichtsjahr 2009): Arbeitsmarkt in Zahlen.<br />

Arbeitslosenquoten 2009, Nürnberg.<br />

59

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