19.04.2013 Aufrufe

PDF-Datei - DATAKONTEXT

PDF-Datei - DATAKONTEXT

PDF-Datei - DATAKONTEXT

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

phase“ gänzlich unterbleibt (Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom 30.10.2002<br />

– 2 A 2/01 –, ZTR 2003, 206).<br />

Zum Ersatz der Aufwendungen im Förderfall (Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />

spätestens bis zum 31.12.2009) bei Beendigung s. Kap. VIII<br />

Ziff. 13.<br />

4 Die Einführung und Durchführung von<br />

Altersteilzeitarbeit<br />

4.1 Vorüberlegungen: Rechtsgrundlagen für die Altersteilzeit<br />

In den vorstehenden Ausführungen sind die Voraussetzungen für Altersteilzeitarbeit<br />

im Sinne des AtG dargelegt. Diese müssen erfüllt sein, damit die<br />

Altersteilzeitarbeit arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlich anerkannt<br />

wird. Außerdem sind die Voraussetzungen für eine Förderung durch die<br />

BA im Überblick dargelegt worden. Dagegen enthält das AtG keinerlei Regelungen<br />

da rüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Altersteilzeitarbeit einzuführen,<br />

ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersteilzeitarbeit hat, ggf.<br />

unter welchen Voraussetzungen, und ob er und ggf. unter welchen Voraussetzungen<br />

einen bestimmten Durchführungsweg (kontinuierliche Teilzeit oder<br />

Teilzeit im Blockmodell) verlangen kann.<br />

Das Gesetz selbst verpflichtet den Arbeitgeber nicht, Altersteilzeitarbeit im<br />

Betrieb oder Unternehmen einzuführen. Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers<br />

auf Altersteilzeitarbeit ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Eine solche Verpflichtung<br />

kann sich aus einem Altersteilzeit-Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung<br />

über Altersteilzeitarbeit ergeben. Das bedeutet: Gibt es keine<br />

solchen Regelungen in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung,<br />

so muss der Arbeitgeber keine Altersteilzeitarbeit einführen. Er kann dies aber<br />

freiwillig tun, wobei er dann aber unter Umständen (bei Gruppenbildung) den<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz beachten muss. Er kann mit dem Betriebsrat<br />

auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Einführung von Altersteilzeit<br />

schließen; erzwingen kann der Betriebsrat die Einführung aber nicht.<br />

Vor Einführung der Altersteilzeitarbeit und dem Abschluss von Vereinbarungen<br />

muss das Unternehmen daher in jedem Fall prüfen, ob bei der Einführung<br />

und Durchführung von Altersteilzeitarbeit im Betrieb allein die Regelungen im<br />

AtG oder ob tarifvertragliche Regelungen über die Altersteilzeit anzuwenden<br />

sind oder ob ggf. auf entsprechende tarifvertragliche Regelungen zurückgegriffen<br />

werden kann und soll. Das hat insbesondere Bedeutung dafür,<br />

• ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Altersteilzeitarbeit einzuführen (hierzu<br />

4.3.2.2 und 5.1),<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

69


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

• ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer einen<br />

Anspruch auf Altersteilzeitarbeit haben (s. hierzu 4.3.2.2. und 5. 1 – 5.4),<br />

• in welcher Form Altersteilzeitarbeit eingeführt werden soll, insbesondere<br />

ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Durchführung in<br />

Form eines Blockmodells besteht (s. hierzu 4.3.2.3 und 5.1),<br />

• wie hoch die Aufstockungsleistungen sind (s. hierzu 4.3.2.4 und Kap. II),<br />

• für welche Zeitdauer Altersteilzeitarbeit im Blockmodell vereinbart werden<br />

kann, ob mithin bei einer Dauer der Altersteilzeitarbeit im Blockmodell von<br />

mehr als drei Jahren Altersteilzeit im Sinne des AtG vorliegt oder nicht<br />

(s. hierzu 3.3.2),<br />

• wie die Rückabwicklung im Störfall zu berechnen ist (hierzu 11.6 und Kap.<br />

VI) und<br />

• ob und inwieweit der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Ein- und<br />

Durchführung von Altersteilzeit hat (s. hierzu unten 13.).<br />

4.2 Prüfung der Tarifsituation<br />

Vor Überlegungen, Altersteilzeitarbeit einzuführen, ist aus den geschilderten<br />

Gründen immer zu prüfen, ob es einen Altersteilzeit-Tarifvertrag gibt, in dessen<br />

räumlichen, fachlichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich der<br />

Betrieb fällt. Der Tarifvertrag muss noch voll wirksam sein oder, falls eine Nachwirkung<br />

im Tarifvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, noch nachwirken.<br />

Zurzeit gibt es ca. 260 Flächen- und Haustarifverträge zur Förderung der<br />

Altersteilzeit. Bei der Entwicklung des Altersteilzeitkonzeptes für das Unternehmen<br />

ist die Frage der Tarifgeltung und -bindung von besonderer Bedeutung,<br />

wenn Altersteilzeitarbeit im Blockmodell eingeführt werden soll (s. dazu<br />

3.3.2.2). Ohne tarifvertragliche Grundlage darf Altersteilzeitarbeit im Blockmodell<br />

für maximal drei Jahre vereinbart werden (Arbeitsphase und anschließende<br />

Freistellungsphase jeweils 1 1/2 Jahre). Grundsätzlich nur durch Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />

kann dagegen eine Dauer von bis zu sechs Jahren oder<br />

sogar eine solche von bis zu zehn Jahren zugelassen werden, wenn die<br />

wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraumes von sechs Jahren,<br />

der innerhalb der vereinbarten Altersteilzeitarbeit liegt, die Hälfte der bisherigen<br />

wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet (§ 2 Abs. 3 AtG); zu den Ausnahmen<br />

(Bereiche, in denen üblicherweise keine Tarifverträge bestehen, und<br />

AT-Angestellte sowie leitende Angestellte, s. 3.3.2.3). Nach Wegfall der<br />

Fördermöglichkeiten für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem<br />

31.12.2009 beginnen, werden insbesondere in Industriebranchen zunehmend<br />

Ersatzregelungen vereinbart (s. dazu unten).<br />

70<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

4.2.1 Persönlich, fachlich und räumlich einschlägiger Altersteilzeit-<br />

Tarifvertrag<br />

Es ist zu prüfen, ob eine Tarifbindung des Betriebs bzw. Unternehmens besteht<br />

(s. hierzu die Prüfung unter 3.3.2.2).<br />

• Falls ja, gilt der wirksame Tarifvertrag unmittelbar und zwingend bei beiderseitiger<br />

Tarifbindung, d.h. auf Arbeitnehmerseite für Mitglieder der tarifschließenden<br />

Gewerkschaft. Ist die Laufzeit des Tarifvertrages abgelaufen<br />

oder ist der Tarifvertrag gekündigt, darf der Tarifvertrag nur dann als Rechtsgrundlage<br />

für die Altersteilzeitarbeit herangezogen werden, wenn er Nachwirkung<br />

hat. Sodann ist zu prüfen, ob dieser Tarifvertrag für alle, mithin auch<br />

für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebes, übernommen<br />

werden soll. Das kann einzelvertraglich oder durch Gesamtzusage geschehen.<br />

Dabei muss der gesamte Regelungskomplex über die Altersteilzeit<br />

übernommen werden. Soweit dem Betriebsrat durch den einschlägigen<br />

Altersteilzeit-Tarifvertrag Mitbestimmungsrechte bei der Einführung oder<br />

Durchführung der Altersteilzeitarbeit eingeräumt werden, genügt es, dass<br />

der Arbeitgeber tarifgebunden ist, da es sich insoweit um sog. Betriebsnormen<br />

handelt (§ 3 Abs. 2 TVG).<br />

• Falls nein, kann im persönlichen, fachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich<br />

eines solchen Tarifvertrags die tarifvertragliche Regelung im<br />

Betrieb eines tariflich nicht gebundenen Arbeitgebers übernommen werden.<br />

Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht zur Einführung von Altersteilzeitarbeit<br />

verpflichtet. Will er diese einführen, ist zu überlegen, ob der Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />

übernommen werden soll. § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 AtG<br />

bestimmt hierzu: Die tarifvertragliche Regelung kann durch Betriebsvereinbarung<br />

oder, (nur) wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch schriftliche<br />

Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernommen werden.<br />

Der zu übernehmende Tarifvertrag muss dann allerdings als Mindestregelung<br />

in Gänze übernommen werden (hierzu LSG Baden-Württemberg,<br />

Urt. vom 16.10.2009 – L 8 AL 3394/07 –, n.v.). Nur dann darf<br />

Altersteilzeitarbeit im Blockmodell über drei Jahre hinaus vereinbart werden.<br />

Können aufgrund eines solchen Tarifvertrages abweichende Regelungen<br />

in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden, kann auch in<br />

Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch<br />

gemacht werden. Die Übernahme durch Betriebsvereinbarung durch den<br />

Betriebsrat ist nicht erzwingbar. In beiden Fällen kann der Altersteilzeit-<br />

Tarifvertrag auch durch eine allgemeine Bezugnahmeklausel vereinbart<br />

sein. Bei einer so genannten dynamischen Klausel (z.B. „Für das Arbeitsverhältnis<br />

gelten die für das Unternehmen anwendbaren/einschlägigen<br />

Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung.“) wird grundsätzlich festgeschrieben,<br />

dass das gesamte Tarifwerk für das Arbeitsverhältnis zur<br />

Anwendung kommen soll. Hierzu zählt auch ein Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

71


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

(BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9 AZR 249/04 –, nicht veröff.: zum TV Altersteilzeit<br />

Deutschlandradio).<br />

4.2.2 Fehlen eines solchen Altersteilzeit-Tarifvertrages<br />

Gibt es keinen Altersteilzeit-Tarifvertrag, unter dessen räumlichen, fachlichen,<br />

persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Betrieb fallen würde, wäre<br />

der Arbeitgeber tarifgebunden, besteht die Möglichkeit, zumindest einen wirksamen<br />

Altersteilzeit-Tarifvertrag derselben Branche zu übernehmen. Der<br />

Begriff „Geltungsbereich des Tarifvertrages“ umfasst nach Einführung der<br />

Insolvenzsicherung des § 8a AtG sozialrechtlich nur noch den fachlichen und<br />

zeitlichen (nicht mehr aber den persönlichen und räumlichen) Geltungsbereich<br />

des Tarifvertrages, der gelten würde, wenn die Parteien tarifgebunden wären<br />

(s. hierzu 3.3.2.2 und jetzt auch RdSchr. der Spitzenverbände vom 2.11.2010,<br />

Ziff. 2.2.2; DA der BA 2.3 Abs. 4 Unterabs. 2 zu § 2). Das bedeutet, dass ein<br />

solcher Tarifvertrag, falls ein Betriebsrat besteht, (nur) durch eine (freiwillige)<br />

Betriebsvereinbarung übernommen werden kann; eine einzelvertragliche<br />

Übernahme ist nur zulässig, wenn ein Betriebsrat nicht besteht (§ 2 Abs. 1 S. 2<br />

AtG). Der Arbeitgeber entscheidet frei, ob er so verfahren will.<br />

Gibt es auch danach keinen einschlägigen (Branchen-)Altersteilzeit-Tarifvertrag,<br />

ist der Arbeitgeber – ebenso wie bei seiner fehlenden Tarifbindung – nicht<br />

verpflichtet, Altersteilzeitarbeit einzuführen. Will der Arbeitgeber einen solchen<br />

Tarifvertrag nicht übernehmen oder gibt es keinen wirksamen Altersteilzeit-<br />

Tarifvertrag der Branche, so kann Altersteilzeitarbeit nur nach den Regeln des<br />

AtG einzelvertraglich vereinbart werden. Nach den allgemeinen Regeln des<br />

Tarifrechts kann grundsätzlich zwar auch ein fachfremder Tarifvertrag für den<br />

Betrieb übernommen werden. Für die Altersteilzeitarbeit hat dies aber wenig<br />

praktische Bedeutung, da hierdurch eine längere als die gesetzliche Dauer<br />

der Blockzeit von drei Jahren grundsätzlich nicht erreicht werden kann. Tarifliche<br />

Regelungen über die Dauer der Blockzeit können nur „im Geltungsbereich“<br />

eines Altersteilzeit-Tarifvertrages übernommen werden (§ 2 Abs. 2 S. 2<br />

AtG; zu den Ausnahmen s. oben unter 3.3.2.3). Die rechtlichen Vorgaben ergeben<br />

sich allein aus dem AtG. Das Unternehmen darf Altersteilzeitarbeit nur<br />

nach den gesetzlichen Regelungen einführen.<br />

Es ist zwar nicht gehindert, dem Arbeitnehmer freiwillig einzelvertraglich oder<br />

durch freiwillige Betriebsvereinbarung höhere Aufstockungsleistungen zu<br />

gewähren, als das AtG vorsieht. Soweit das AtG aber abweichende Regelungen<br />

nur durch Altersteilzeit-Tarifvertrag erlaubt, etwa bei der Dauer der Altersteilzeitarbeit,<br />

darf in der Altersteilzeitvereinbarung vom AtG nur abgewichen<br />

werden, soweit das AtG dies ausnahmsweise erlaubt. Das bedeutet: Auch in<br />

diesem Fall darf Altersteilzeitarbeit im Blockmodell nur für die Dauer von insgesamt<br />

drei Jahren vereinbart werden!<br />

72<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

4.3 Inhalt von Altersteilzeit-Tarifverträgen<br />

4.3.1 Grundsätze<br />

Die einzelvertragliche Vereinbarung muss von dem Tarifvertrag erfasst sein.<br />

Von einem später abgeschlossenen Tarifvertrag, in dem für bestimmte Altersgruppen<br />

am Ende des Altersteilzeitverhältnisses Abfindungszahlungen vorgesehen<br />

sind, werden einzelvertraglich zuvor vereinbarte Altersteilzeitarbeitsverhältnisse<br />

nur dann erfasst, wenn nach dem im Tarifvertrag erkennbar<br />

verlautbarten Willen der tarifschließenden Parteien auch schon abgeschlossene<br />

Altersteilzeitverhältnisse einbezogen werden sollten (BAG, Urt. vom<br />

1.12.2004 – 4 AZR 103/04 –, nicht veröff.). Die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien<br />

vom 16.11.1998, die den Beschäftigten, die eine Altersteilzeitvereinbarung<br />

nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit Bodenpersonal vom<br />

1.10.1996 abgeschlossen haben, ein Optionsrecht für neue Tarifbedingungen<br />

einräumt, bezog sich nur auf den zeitlich nachfolgenden Tarifvertrag vom<br />

31.3.2000, nicht auf später abgeschlossene Tarifverträge (BAG, Urt. vom<br />

15.2.2005 – 9 AZR 52/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 13). Andererseits<br />

darf ein Haustarifvertrag, der im Rahmen der Tariföffnungsklausel des § 10<br />

Bundesentgelttarifvertrag der chemischen Industrie abgeschlossen wurde,<br />

nicht in bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse eingreifen (BAG, Urt. vom<br />

15.2.2006 – 4 AZR 4/05 –, nicht veröff.).<br />

4.3.2 Tarifliche Regelungen im Überblick<br />

Vorreiter der Tarifentwicklung war die Chemische Industrie mit ihrem Tarifvertrag<br />

vom 29.3.1996, der unterdessen modifiziert worden ist. Einige Tarifverträge<br />

ermöglichen lediglich die Blockbildung der Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2<br />

AtG (Bankgewerbe, Groß- und Außenhandel, Energieversorgung – einige<br />

regionale Bereiche ausgenommen – und Wohnungswirtschaft). Alle Tarifverträge<br />

sehen unterdessen auch Altersteilzeit für Teilzeitbeschäftigte vor.<br />

Die Tarifverträge enthalten in aller Regel Verfahrensvorschriften zur Bestimmung<br />

des anspruchsberechtigten Personenkreises, zum Verfahren bei der<br />

Anwendung des Überforderungsschutzes und zur Auswahl, wenn mehr Arbeitnehmer<br />

den Wunsch nach Altersteilzeitarbeit haben, als nach dem Überforderungsschutz<br />

vorgesehen ist, z.B. Auswahl nach Lebensalter, Dauer der<br />

Betriebszugehörigkeit etc.<br />

Nahezu alle Tarifverträge regeln die für einen längeren Verteilzeitraum als drei<br />

Jahre erforderlichen Zeiträume für das Blockmodell.<br />

Der Altersteilzeit-Tarifvertrag kann die Einführung von Altersteilzeitarbeit<br />

unmittelbar anordnen. Altersteilzeitarbeit ist dann nur noch nach Maßgabe des<br />

Tarifvertrages durchzuführen. Andere Tarifverträge sehen lediglich die Möglichkeit<br />

der Einführung der Altersteilzeit unter bestimmten Voraussetzungen<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

73


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder freiwillige einzelvertragliche Vereinbarung<br />

oder durch freie Entscheidung des Unternehmens vor. Außerdem<br />

regeln sie insbesondere den anspruchsberechtigten Personenkreis und die<br />

Höhe der Aufstockungsleistungen.<br />

Im Folgenden wird die neueste Rechtsprechung zu den einzelnen Komplexen<br />

dargestellt. Die Darstellung kann nur einen groben Überblick ohne Anspruch<br />

auf Vollständigkeit geben. Bei Abschluss von Altersteilzeitvereinbarungen im<br />

Geltungsbereich von Altersteilzeit-Tarifverträgen ist es unverzichtbar, den<br />

jeweils einschlägigen vollständigen Tarifvertrag heranzuziehen.<br />

4.3.3 Inhalte im Einzelnen (Überblick)<br />

4.3.3.1 Entscheidung über die Einführung von Altersteilzeit<br />

So entscheidet der Arbeitgeber nach dem TV zur Förderung der Altersteilzeit<br />

für den Einzelhandel Saarland vom 14.1.1999 im Anschluss an die Erörterungen<br />

mit dem Betriebsrat frei, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag<br />

einführt. Nur bei einer positiven Entscheidung hat der Arbeitgeber über Anträge<br />

von Arbeitnehmern nach billigem Ermessen zu befinden (BAG, Urt. vom<br />

10.2.2004 – 9 AZR 89/03 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 10). Das gilt auch<br />

für den nahezu wortgleichen TV zur Förderung der Altersteilzeit für den Einzelhandel<br />

in Bayern (§ 3 Nr. 1 Abs. 3 S. 1 vom 9.3.2001; BAG, Urt. vom<br />

5.6.2007 – 9 AZR 498/06 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 26).<br />

Vergleichbar ist die Regelung nach dem TV zur Förderung der Altersteilzeit für<br />

die Zeitungsverlage in Bayern. Danach hat der Arbeitgeber zunächst mit<br />

dem Betriebsrat – soweit ein solcher gebildet ist – über die Möglichkeit der<br />

Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen zu beraten. In den Beratungen<br />

sind gem. § 3 Nr. 1 Abs. 2 AltTZTV die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebs<br />

und die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer/innen<br />

zu erörtern. Im Anschluss daran entscheidet der Arbeitgeber<br />

gem. § 3 Nr. 1 Abs. 3 AltTZTV über das „Ob“ der Einführung von Altersteilzeit,<br />

ohne an die Beratungsinhalte gebunden zu sein (§ 3 Nr. 1 Abs. 1 AltTZTV).<br />

Die Beratungspflicht mit vorbehaltenem Alleinentscheidungsrecht ermöglicht<br />

es dem Arbeitgeber, sich über das „Für“ und „Wider“ von Altersteilzeit schlüssig<br />

zu werden und die aus seiner Sicht beste Lösung zu treffen. Gegenstand<br />

des Alleinentscheidungsrechts ist die „Einführung von Altersteilzeit nach diesem<br />

Tarifvertrag“. Entscheidet er sich für die Einführung von Altersteilzeit, ist<br />

er an die Regelungen im AltTZTV gebunden (BAG, Urt. vom 20.1.2009 – 9<br />

AZR 677/07 –, DB 2009, 1474).<br />

74<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

4.3.2.2 Anspruch aus einem Altersteilzeit-Tarifvertrag –<br />

Anspruchsberechtigter Personenkreis<br />

Ein Anspruch kann sich aus einem Tarifvertrag ergeben, soweit dieser<br />

anwendbar ist. Viele Tarifverträge sehen einen Anspruch ab einem bestimmten<br />

Lebensalter vor, z.B. Metallindustrie, Öffentlicher Dienst, Süßwarenindustrie,<br />

teilweise beschränkt auf bestimmte Arbeitnehmergruppen, z.B. Druckindustrie<br />

für Schichtarbeiter. In anderen Tarifverträgen kann das maßgebliche<br />

Lebensalter oder eine längere Dauer der Altersteilzeitarbeit durch Betriebsvereinbarung<br />

geregelt werden, z.B. Lederwarenindustrie, Norddeutsche<br />

Metallindustrie, Papierindustrie, Zuckerindustrie.<br />

Bei der Festlegung, ob und ggf. welche Arbeitnehmer ab Vollendung des 55.<br />

Lebensjahres den Übergang in die Altersteilzeitarbeit fordern können, sind fünf<br />

Modelle erkennbar:<br />

• Es besteht ein Anspruch, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für<br />

Altersteilzeit vorliegen, solange die Überforderungsgrenze nicht überschritten<br />

wird, z.B. Versicherungswirtschaft bei mindestens zehnjähriger<br />

Unternehmenszugehörigkeit.<br />

• Der Anspruch besteht im Rahmen der Überforderungsgrenze ab einem<br />

bestimmten Lebensalter (57. Lebensjahr: Druckindustrie und papier-,<br />

pappe- und kunststoffverarb. Industrie: Schichtarbeitnehmer unter<br />

bestimmten Voraussetzungen; 58. Lebensjahr: Glasindustrie Bayern; 59.<br />

Lebensjahr: Erfrischungsgetränke Rheinland-Pfalz/Saarland; Kali- und<br />

Steinsalzbergbau; Zuckerindustrie: durch BV niedriger; 60. Lebensjahr:<br />

Öffentlicher Dienst, Metallindustrie – TV Beschäftigungsbrücke).<br />

• Für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die vor dem 1.1.2010 begonnen<br />

haben, weitergeltende Tarifverträge (55. Lebensjahr: Chemische Industrie;<br />

59–60 Jahre: Metallindustrie – TV Beschäftigungsbrücke; 55. Lebensjahr<br />

Ermessensentscheidung, 60. Lebensjahr Anspruch: Öffentlicher Dienst).<br />

• Die Anspruchsberechtigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

festgelegt werden, z.B. Bauwirtschaft, Lederwarenindustrie, Metallindustrie,<br />

Mineralbrunnen Hessen, Süßwarenindustrie, Zuckerindustrie.<br />

• Anspruchsausschluss bei betrieblichen Gründen: Dt. Bahn AG – oder bei<br />

personenbezogenen Gründen: Lufthansa AG; Dt. Post AG.<br />

Eine tarifliche Regelung, wonach dem Arbeitnehmer Altersteilzeit gewährt<br />

werden „kann“, räumt dem Arbeitgeber kein freies Ermessen ein. Der Arbeitgeber<br />

hat vielmehr nach billigem Ermessen in entsprechender Anwendung von<br />

§ 315 BGB zu entscheiden, ob er einen Altersteilzeitvertrag abschließen will<br />

oder nicht. Dabei kann der Arbeitgeber die mit der Altersteilzeit verbundenen<br />

Mehrbelastungen durch den Aufstockungsbetrag und die Übernahme der Beiträge<br />

zur Sozialversicherung berücksichtigen (BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

75


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

AZR 294/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 15 zum TV Altersteilzeit Deutschlandradio<br />

im Anschluss an BAG, Urt. vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 –, BAGE<br />

96,363: zum TV Altersteilzeit des öffentlichen Dienstes).<br />

Der AltTZTV des öffentlichen Dienstes sieht einen Anspruch der Beschäftigten<br />

vor, den der Arbeitgeber aus bestimmten Gründen ablehnen kann.<br />

Danach darf der Arbeitgeber Anträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr<br />

vollendet haben, nur aus dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen<br />

ablehnen (§ 2 Abs. 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit im<br />

öffentlichen Dienst – AltTZTV –). Eine Ablehnung mit der Begründung, es fehlten<br />

die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Wiederbesetzung der Stelle,<br />

kann zwar für Beamte ausreichen (Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom<br />

29.4.2004 – 2 C 21.3. und 22.3 –: Landesbeamte in Schleswig-Holstein).<br />

Anders ist das aber bei Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes<br />

zu beurteilen, die kraft Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft<br />

einen Anspruch aus dem AltTZTV haben. Die Aufwendungen des Arbeitgebers,<br />

die typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbunden<br />

sind, stellen für sich allein regelmäßig noch keine dringenden betrieblichen/<br />

dienstlichen Gründe dar (BAG, Urt. vom 21.11.2006 – 9 AZR 393/06 –, NZA<br />

2007, 1236; Landesarbeitsgericht Köln, Urt. vom 20.11.2006 – 2 Sa 833/06 –),<br />

andernfalls würde der tarifliche Anspruch auf Altersteilzeitarbeit vereitelt. Zu<br />

den typischen Aufwendungen gehören die finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber<br />

aufgrund der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis<br />

entstehen. Das sind: die tariflich vorgeschriebene Aufstockung<br />

des Entgelts auf 83 v.H. des Nettoentgelts, die Abführung<br />

zusätzlicher Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und die gebotenen<br />

Rückstellungen beim Blockmodell (BFH, 30. November 2005 – I R 110/04<br />

– BFHE 212, 83). Letztere verbleiben in voller Höhe beim Arbeitgeber, soweit<br />

er nicht durch Nachbesetzung des Arbeitsplatzes Förderleistungen der<br />

Bundesagentur erhält. Nicht ausgeschlossen hat allerdings das Bundesarbeitsgericht,<br />

dass im Einzelfall eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung<br />

eintreten kann, die unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage<br />

den Arbeitgeber berechtigt, die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags<br />

aus dringenden entgegenstehenden betrieblichen Gründen abzulehnen.<br />

Unter welchen Umständen dies in Betracht kommt, hat es aber offengelassen.<br />

Im Übrigen haben Arbeitnehmer ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres nach<br />

§ 2 Abs. 2 AltTZTV Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags<br />

mit ungekürzter Laufdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bis zum Übergang<br />

in den Ruhestand. § 2 Abs. 4 Satz 1 AltTZTV räumt dem Arbeitgeber<br />

keine Befugnis ein, die Dauer eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf zwei<br />

Jahre zu begrenzen (BAG, Urt. vom 2.1.11.2006 – 9 AZR 393/06 –). § 2 Abs. 3<br />

AltTZTV ist jedoch auf Arbeitnehmer nicht anzuwenden, die zwar das 55.<br />

Lebensjahr, aber noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben (BAG, Urt.<br />

vom 12.12.2000, NZA 2002, 98; Urt. vom 3.12.2002, DB 2003, 1851 = ZTR<br />

76<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

20032, 504). Der Arbeitgeber hat in diesem Fall nach billigem Ermessen in<br />

entsprechender Anwendung von § 315 BGB zu entscheiden, ob er einen<br />

Altersteilzeitvertrag abschließen will oder nicht. § 2 Abs. 1 AltTZTV räumt dem<br />

Arbeitgeber kein „freies“ Ermessen ein. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf,<br />

dass der Arbeitgeber seinen Antrag auf Wechsel in die Altersteilzeit nach<br />

den Grundsätzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB entsprechend) überprüft.<br />

Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen<br />

sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Da die Tarifvertragsparteien<br />

in ihrer Regelung keine besonderen Umstände aufgeführt<br />

haben, die der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über einen Antrag auf<br />

Altersteilzeit nach § 2 Abs. 1 AltTZTV zu berücksichtigen hat, kommen alle<br />

sachlichen Gründe in Betracht, die sich aus einem Wechsel des Arbeitnehmers<br />

in die Altersteilzeit ergeben (BAG, Urt. vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07<br />

–, DB 2009, 2159; Urt. vom 10. Mai 2005 – 9 AZR 294/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit<br />

Nr. 15). Dabei kann er die mit der Altersteilzeit verbundenen Mehrbelastungen<br />

durch den Aufstockungsbetrag und die Übernahme der Beiträge zur<br />

Sozialversicherung berücksichtigen (BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9 AZR 294/04<br />

–, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 15). Der bloße Einwand, die Aufstockungsleistungen<br />

nach § 5 des Tarifvertrages seien zu kostspielig, soll hingegen nicht<br />

ausreichen (Landesarbeitsgericht Berlin, Urt. vom 13.1.2005 – 16 Sa 1639/04<br />

–, NZA-RR 2005, 329). Da es für das Ziel, das die Tarifvertragsparteien mit<br />

dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (AltTZTV) verfolgen, durchaus<br />

einen Unterschied macht, ob der jeweilige Arbeitnehmer einem rentennahen<br />

Jahrgang oder einem noch relativ rentenfernen Jahrgang angehört, verstößt<br />

die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr<br />

vollendet haben, und der Arbeitnehmer, die (erst) das 55. Lebensjahr vollendet<br />

haben, nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (BAG, Urt. vom<br />

14.10.2008 – 9 AZR 511/07 –, DB 2009, 2159).<br />

Das AGG ist als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien<br />

zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006<br />

gemäß Art. 4 am 18.8.2006 in Kraft getreten. Es ordnet keine Rückwirkung auf<br />

zu diesem Datum bereits erfolgte Benachteiligungen an. Der Übergangsbestimmung<br />

§ 33 Abs. 1 AGG ist nichts anderes zu entnehmen. Die in § 2<br />

AltTZTV vorgenommene Differenzierung zwischen Arbeitnehmern verschiedener<br />

Altersgruppen verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz<br />

(BAG, Urt. vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 –, DB 2009, 2159).<br />

Ähnlich ist die Rechtslage bei den Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation<br />

evangelischer Kirchen in Niedersachsen für Einrichtungen, die sich<br />

dem ARRGD angeschlossen haben. Der Begriff „dringende dienstliche oder<br />

betriebliche Gründe“ schränkt die Umstände, die der Arbeitgeber zur Abwehr<br />

des erhobenen Anspruchs anführen kann, zunächst nicht ein. Verlangt wird<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

77


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

lediglich, dass sie sich auf die Verhältnisse des Betriebes beziehen. Für den<br />

Regelungsgegenstand „Altersteilzeit“ ergibt sich daraus, dass die mit dieser<br />

Vertragsgestaltung notwendig verbundene finanzielle Belastung des Arbeitgebers<br />

nach dem Willen des Richtliniengebers regelmäßig nicht als Ablehnungsgrund<br />

geeignet ist (BAG, Urt. vom 23.1.2007 – 9 AZR 624/06 –, ZTR<br />

2007, 436).<br />

Viele Tarifverträge räumen einen Anspruch auf Abschluss solcher Altersteilzeitarbeitsverträge<br />

ein, die enden sollen, sobald der Arbeitnehmer berechtigt<br />

ist, eine Altersrente ohne Abschläge in Anspruch zu nehmen (§ 236a SGB<br />

VI). Das hat zur Folge, dass Schwerbehinderte oder Frauen, die eine ungekürzte<br />

Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen können,<br />

nur Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages bis zu diesem<br />

früheren Zeitpunkt haben. Diese Ungleichbehandlung ist nicht unzulässig,<br />

weil hierfür sachliche Gründe bestehen. Diese liegen im Zweck der<br />

gesetzlichen Regelung der Altersteilzeit (BAG, Urt. vom 18.11.2003 – 9 AZR<br />

122/03 –, FA 2004, 58 zum AltTZTV in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie<br />

NRW). Andererseits haben sie auch Anspruch auf eine Abfindung, wenn<br />

nach dem Altersteilzeitvertrag der Arbeitnehmer am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />

eine Abfindung erhält, die danach berechnet wird, wie<br />

viele Monate zwischen dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und<br />

dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte<br />

Altersrente hätte (Landesarbeitsgericht Berlin, Urt. vom 20.2.2004 – 13 Sa<br />

2465/03 –, NZA-RR 2004, 398: Weil der Schwerbehinderte die Rente „vorzeitig“<br />

in Anspruch genommen hatte, war der Zugangsfaktor um 0,003 für insgesamt<br />

15 Monate gekürzt worden).<br />

4.3.2.3 Form der Altersteilzeitarbeit<br />

Soweit eine entsprechende tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Arbeitnehmer<br />

grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Form der Altersteilzeitarbeit,<br />

insbesondere nicht auf Altersteilzeitarbeit in Form des Blockmodells.<br />

Auch in diesem Fall wird man dem Arbeitgeber aber kein völlig freies<br />

Entscheidungsrecht einräumen können, sondern für die Ablehnung einer<br />

geforderten Form der Altersteilzeitarbeit sachliche Gründe fordern müssen<br />

(§ 315 BGB); insoweit gelten die Grundsätze zur Frage, ob der Arbeitnehmer<br />

einen individualrechtlichen Anspruch auf Altersteilzeit hat, entsprechend. Ob<br />

ein Arbeitgeber bei seiner Ermessensentscheidung die wesentlichen Umstände<br />

des Falles und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt<br />

hat, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB (BAG,<br />

Urt. vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 –, BAGE 96, 363). Welche tatsächlichen<br />

Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach<br />

dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Geht es um die Verteilung der Arbeitszeit,<br />

sind alle sachlichen Gründe berücksichtigungsfähig, die sich auf die Lage<br />

78<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

der Arbeitszeit als solche beziehen (LAG Niedersachsen, Urt. vom 11.2.2010<br />

– 5 Sa 1102/09 –; BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 624/06 –, ZTR 2007,<br />

436). Bei der Entscheidung über die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />

im Blockmodell reichen sachliche Versagungsgründe aus. Entscheidungserheblich<br />

kann im öffentlichen Dienst sein, dass sich der Arbeitgeber<br />

darauf beruft, dass er für den Zeitraum der Freistellungsphase in einem<br />

Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell eine Überbrückung bis zum endgültigen<br />

Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht gewährleisten kann, ohne<br />

zugleich an anderer Stelle Lücken aufzureißen. Es ist Aufgabe des öffentlichen<br />

Arbeitgebers, in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts die Aufgaben<br />

der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen und ihre<br />

Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern<br />

(LAG Hamm (Westfalen), Urt. vom 3.3.2010 – 4 Sa 552/09 –, nicht veröff.).<br />

Tarifverträge enthalten teilweise Regelungen darüber, in welcher Form die<br />

Altersteilzeitarbeit geleistet werden kann, insbesondere, ob und unter welchen<br />

Voraussetzungen ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bestimmte Form<br />

der Altersteilzeitarbeit (Konti- oder Blockmodell) besteht. So ist etwa der tarifliche<br />

Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach<br />

§ 2 des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit der Chemischen<br />

Industrie i.d.F. vom 14.5.2004, anzuwenden für alle Altersteilzeitarbeitsverhältnisse,<br />

die vor dem 1.1.2010 begonnen haben, (AltTZTV), nicht auf ein<br />

bestimmtes Arbeitszeitmodell (Altersteilzeitarbeitsmodell I – Altersteilzeitmodelle<br />

mit Ausnahme des Blockmodells – oder Altersteilzeitarbeitsmodell II –<br />

Blockmodell –) beschränkt (so noch als Vorinstanz das LAG Rheinland-Pfalz,<br />

Urt. vom 26.6.2007 – 9 Sa 920/06 –). § 2 Abs. 2, 2. Halbs. des Tarifvertrages<br />

schließt nicht den Anspruch auf das Altersteilzeitarbeitsmodell II aus, sondern<br />

beschränkt lediglich das Ablehnungsrecht des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer<br />

Altersteilzeit im Altersteilzeitarbeitsmodell I verlangt. Er darf dieses<br />

Verlangen nur ablehnen, wenn er ihm stattdessen eine Beschäftigung nach<br />

dem Altersteilzeitarbeitsmodell II anbietet (BAG, Urt. vom 12.8.2008 – 9 AZR<br />

620/07 –, NZA-RR 2009, 430). „Betrieb“ im Sinne des § 3 AltTZTV (Überforderungsschutz)<br />

ist nur ein selbständiger Betrieb im Sinne des BetrVG, nicht<br />

jedoch ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG; dieser ist gemäß § 4 Abs. 2<br />

BetrVG dem Hauptbetrieb zuzurechnen.<br />

Nach §§ 1, 3 des TV zur Förderung der Altersteilzeit im Einzelhandel des<br />

Saarlandes kommt ein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, dass der Arbeitgeber<br />

über seinen Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages<br />

nach billigem Ermessen entscheidet, erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber<br />

zuvor in seinem Betrieb Altersteilzeit überhaupt eingeführt hat; die Entscheidung,<br />

ob Altersteilzeit eingeführt wird, ist gerichtlich nicht nachprüfbar<br />

(Landesarbeitsgericht Saarland, Urt. vom 4.12.2002 – 2 Sa 40/02 –).<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

79


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

Aus dem Zusammenspiel von § 9 und § 2 AltersteilzeitTV-IBM folgt, dass der<br />

Arbeitgeber, solange er grundsätzlich bereit ist, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse<br />

einzugehen, bei der Ausgestaltung der Änderungsverträge an das Blockmodell<br />

gebunden ist und nicht aus Kostengründen vom Blockmodell auf eine<br />

andere Altersteilzeitform, namentlich das Teilzeitmodell umschwenken kann<br />

(LAG Düsseldorf, Urt. vom 3.2.2010 – 12 Sa 1346/09 –, nicht veröff., – Revision<br />

eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 214/10).<br />

Der Arbeitnehmer hat im öffentlichen Dienst keinen Anspruch auf eine<br />

bestimmte Verteilung der während des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses zu<br />

leistenden Arbeitszeit. Das zeigt § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages zur Regelung<br />

der Altersteilzeitarbeit (AltTZTV) vom 05.05.1998 i.d.F. des Änderungstarifvertrages<br />

Nr. 2 vom 30.6.2000, nach dem der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer<br />

die Altersteilzeitverteilung erörtern soll. Diese Bestimmung wäre überflüssig,<br />

wenn der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen<br />

könnte. Die Verteilung der Arbeitszeit obliegt nach § 106 S. 1 GewO allein dem<br />

allgemeinen Weisungsrecht des Arbeitgebers. Bei der Ausübung seines Weisungsrechts<br />

ist er an den Maßstab billigen Ermessens gebunden, wobei die<br />

Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegt<br />

(LAG Hamm, Urt. vom 3.3.2010 – 4 Sa 552/09 –, nicht veröff., – Revision<br />

eingelegt unter 9 AZR 479/10).<br />

4.3.2.4 Aufstockungsleistungen zum Entgelt<br />

Die Höhe der Aufstockungszahlung ist unterschiedlich geregelt. Der Mindestnettobetrag<br />

beträgt u.a. (Quelle: BdA – Tarifabteilung):<br />

• 70 %: (gesetzliche Mindesthöhe): Bauwirtschaft; Dachdeckerhandwerk;<br />

Ernährungsindustrie Nieders./Bremen m. DAG; Steine u. Erden Bayern,<br />

• 75 %: Versicherungen,<br />

• 80 %: Druckindustrie, u.U. 85 % für Schichtarbeitnehmer; Energieversorgung<br />

Baden-Württemberg und Ost – AVEU-Bereich; Erzbergbau Ost: 80–<br />

85 %; Holzverarbeitung Nordrhein; Süßwaren; Buch- und Zeitschriftenverlage<br />

NRW,<br />

• 82 %: Bleistiftindustrie: plus Abfindung; Einzelhandel Bayern: 82,5 %; Energieversorgung<br />

Bayern; Erfrischungsgetränke Hessen, Rheinland-Pfalz,<br />

Saarland; Groß- und Außenhandel: 82,5 %; Lederindustrie: 82,5 %; Metallindustrie;<br />

Mineralbrunnen Hessen; Obst- und Gemüseverarbeitung; Steine<br />

u. Erden Rhein. Unternehmerverb.,<br />

• 83 %: Lederwarenindustrie: 83,5 %; Öffentlicher Dienst; IBM Deutschland,<br />

• 85 %: Chemische Industrie; Deutsche Bahn AG; Erdöl- und Erdgasgewinnung;<br />

Erzbergbau Ost: 80–85 %; Glasindustrie; Kali- und Steinsalzberg-<br />

80<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

bau; Kautschukindustrie: mind. 85 %, max. 95 %; Keramische Industrie;<br />

Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg und Bayern; Lufthansa AG:<br />

100 % bei Verzicht auf Ergebnisbeteiligung; Papierindustrie; papier-,<br />

pappe- und kunststoffverarbeitende Industrie; PreussenElektra AG;<br />

Schuhindustrie; Stahlindustrie; Textilreinigungsgewerbe; Zementindustrie;<br />

Zuckerindustrie;<br />

• 89 %: Dt. Post AG,<br />

• zwischen 80 % und 95 %: Volkswagen AG – je nach Entgeltstufe.<br />

AltTZTV a.F. des öff. Dienstes (anwendbar für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse,<br />

die vor dem 1.1.2010 begonnen haben): § 8 AltTZTV knüpft an die tariflichen<br />

Regelungen an, nach denen sich die während der Altersteilzeit zu zahlende<br />

Altersteilzeitvergütung bemisst. Diese setzt sich aus den Bestandteilen<br />

„Teilzeitentgelt“ (§ 4 AltTZTV) und „Aufstockungsleistungen“ (§ 5 AltTZTV)<br />

zusammen. Im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während der<br />

Arbeitsphase besteht der Anspruch auf die Aufstockungsleistungen nach § 8<br />

Abs. 1 S 1 Halbs. 1 AltTZTV längstens für die Dauer der Entgeltfortzahlung. §<br />

8 Abs. 1 S. 1 Halbs 2 AltTZTV enthält lediglich eine Berechnungsregelung. Der<br />

2. Halbsatz betrifft die Aufstockung des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AltTZTV. Diese<br />

Leistungen sind an den Arbeitnehmer längstens bis zum Ablauf der Fristen für<br />

die Zahlung von „Krankenbezügen“ (Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschuss<br />

nach dem Klammerzusatz von § 8 Abs. 1 S 1 Halbs. 2 AltTZTV) zu<br />

erbringen (im Fall: Dauer und Höhe der bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit<br />

vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen richteten sich wegen der<br />

Dauer des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses nach<br />

§ 71 Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV Ang), geschlossen zwischen der<br />

Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und ver.di, in der Fassung vom<br />

23.3.1993). Die Dauer der Krankenbezüge ist in § 71 MTV Ang. auf die Dauer<br />

von 26 Wochen begrenzt (BAG, Urt. vom 15.8.2006 – 9 AZR 639/05 – ZTR<br />

2007, 31).<br />

Tarifvertrag der Wintershall AG zur Förderung der Altersteilzeit vom<br />

12.03.1999/26.04.1999 (TV Altersteilzeit): Der Tarifvertrag schließt einen<br />

Anspruch auf Leistungsprämie aus einer betrieblichen Gesamtzusage für<br />

Altersteilzeitarbeitnehmer nicht aus, obwohl die außertarifliche Leistungsprämie<br />

in § 7 Abs. 1 S 2 TV Altersteilzeit nicht ausdrücklich genannt ist. Diese<br />

Auslegung wird durch die Regelung der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag<br />

der Wintershall AG über Altersvorsorge vom 9.4.2002 bestätigt (BAG, Urt. vom<br />

24.10.2006 – 9 AZR 713/05 –, nicht veröff.).<br />

Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit (AltTZTV) bei der Deutschen<br />

Post AG vom 2.4.1998 i.d.F. des Tarifvertrages Nr. 114: Der Tarifvertrag stellt<br />

klar, dass unregelmäßige Entgeltbestandteile unabhängig von den in § 5<br />

Abs. 1 und Abs. 2 AltTZTV für die Berechnung des Altersteilzeitarbeitsentgel-<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

81


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

tes zugrunde zu legenden Vergütungsbestandteilen zu zahlen sind. Da<br />

Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit monatlich je nach Art und<br />

Umfang der geleisteten Dienste anfallen, handelt es sich bei ihnen um „unregelmäßige<br />

Entgeltbestandteile“ i.S.d. § 5 Abs. 3 UAbs. 2 AltTZTV. Die Auslegung<br />

des Begriffes „tatsächliches Aufkommen“ ergibt, dass unregelmäßige<br />

Entgeltbestandteile nur insoweit gezahlt werden müssen, als sie der Arbeitnehmer<br />

durch tatsächliche Arbeitsleistungen erworben hat. Deshalb sind sie<br />

auch zusätzlich zum Altersteilzeitarbeitsentgelt i.S.d. § 5 Abs. 1 und Abs. 2<br />

AltTZTV zu gewähren, soweit sie durch zuschlagspflichtige Arbeitsleistung des<br />

Arbeitnehmers erworben worden sind. Dies ist bei den Urlaubszuschlägen<br />

jedoch nicht der Fall, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs keine<br />

Ansprüche auf diese Zuschläge erwirbt. Durch die Verwendung des Wortes<br />

„tatsächlich“ haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass nur durch tatsächliche<br />

Arbeitsleistung erworbene Zuschläge das nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2<br />

AltTZTV errechnete Altersteilzeitarbeitsentgelt erhöhen sollen. Gleiches gilt<br />

für den Krankenzuschlag nach § 28 Abschn. II Abs. 1 Buchst b MTV-DP AG,<br />

der in gleicher Weise errechnet wird wie der Urlaubszuschlag (BAG, Urt. vom<br />

21.11.2006 – 9 AZR 523/05 –, nicht veröff.).<br />

Die in § 5 Abs. 3 Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen<br />

Post AG in der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 geänderten Fassung<br />

(TV ATZ)(Rn. 5) vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonnund<br />

Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen den allgemeinen<br />

Gleichheitssatz in Art 3 Abs. 1 GG. Die Anrechnung der geleisteten<br />

Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert<br />

sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete<br />

Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer. Die gleichheitswidrig<br />

ausgeklammerten Personen haben Anspruch auf die Vergünstigung,<br />

wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise<br />

Rechnung tragen können. Das ist bei dem Tarifvertrag der Fall (BAG, Urt. vom<br />

4.5.2010 – 9 AZR 181/09 –, ZTR 2010, 583).<br />

4.3.2.5 Erhöhung des zusätzlichen Rentenversicherungsbeitrages<br />

In der Mehrzahl der Tarifverträge wird der bis zum 30.6.2004 gesetzlich vorgeschriebene<br />

Mindest-Rentenversicherungsbeitrag auf der Basis von 90 %<br />

des bisherigen Arbeitsentgelts übernommen. Für die Arbeitnehmer günstigere<br />

Regelungen sehen vor:<br />

• 92 %: Süßwaren,<br />

• 95 %: Bleistiftindustrie: mit Modifikat.; Energieversorgung Bayern: mit<br />

Modifikat.; Erdöl- und Erdgasgewinnung; Erfrischungsgetränke Hessen,<br />

82<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

Rheinland/Pfalz; Holzverarbeitung Nordrhein; Metallindustrie: mit Modifikat.;<br />

Mineralbrunnen Hessen; Stahlindustrie,<br />

• 100 %: Volkswagen AG + halber Ausgleich Rentenabschlag.<br />

Die Regelungen enthalten teilweise Wahlmöglichkeiten und zusätzliche Regelungen<br />

zum Ausgleich für Rentenabschläge, z.B. Chemische Industrie, Kautschukindustrie,<br />

Erzbergbau Ost, Papierindustrie.<br />

Nach Auffassung des LAG Nürnberg (Urt. vom 27.11.2002 – 3 Sa 123/02 –<br />

nicht veröff.) soll, wenn das Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt,<br />

nach § 6 des Altersteilzeitabkommens für die private Versicherungswirtschaft<br />

vom 11.6.1997 ein Anspruch auf Zahlung des Aufstockungsbetrags bis zu 100<br />

% der Beitragsbemessungsgrenze bestehen.<br />

Voraussetzung für die Förderung ist nach neuem Recht, dass der Arbeitgeber<br />

aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit für den<br />

Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens<br />

in Höhe des Beitrags entrichtet, der auf 80 vom Hundert des Regelarbeitsentgelts<br />

für die Altersteilzeitarbeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag<br />

zwischen 90 vom Hundert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze<br />

und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze<br />

(§ 3 Abs. 1 Nr. 1b) AtG).<br />

4.3.4 Wegfall der gesetzlichen Förderung der Altersteilzeit<br />

Der Wegfall der staatlichen Förderung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die<br />

erst nach dem 31.12.2009 begonnen haben, hat Tarifparteien dazu veranlasst,<br />

die Altersteilzeit neu zu verhandeln. Die meisten Branchen haben zunächst<br />

die alte Regelung verlängert, allerdings muss der Arbeitgeber jetzt ohne den<br />

staatlichen Zuschuss auskommen. Das gilt z.B. für die Bau- und Stahlindustrie,<br />

die Versicherungswirtschaft und die Energieversorger.<br />

In einigen Tarifbereichen sind aus dem Wegfall der gesetzlichen Förderung<br />

bereits Konsequenzen gezogen worden.<br />

Im öffentlichen Dienst ist die Anwendung des bisherigen Tarifvertrags vom<br />

5.5.1998 zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (AltTZTV) durch ÄnderungsTV<br />

Nr. 2 vom 30.6.2010 auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse beschränkt worden,<br />

die vor dem 1.1.2010 begonnen haben. Nur für diese gilt der AltTZTV in der<br />

bisherigen Fassung weiter. Für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die danach<br />

begonnen haben oder beginnen, gilt: Zum einen kann Altersteilzeit, ohne dass<br />

auf sie ein Rechtsanspruch besteht, in Restrukturierungs- und Stellenabbaubereichen<br />

bei dienstlichem oder betrieblichem Bedarf vereinbart werden,<br />

wenn die sonstigen persönlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen ist<br />

die Möglichkeit der Gewährung von Altersteilzeit ab Vollendung des 55.<br />

Lebensjahres (Ermessensentscheidung) gestrichen; geblieben ist der bishe-<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

83


Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />

rige Anspruch mit Vollendung des 60. Lebensjahres; der Arbeitgeber kann die<br />

Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ausnahmsweise ablehnen,<br />

wenn dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. Außerdem<br />

können nur noch halb so viele Beschäftigte in Altersteilzeit gehen, nämlich<br />

2,5 % (s. hierzu beispielhaft den „Tarifvertrag zu flexiblen Arbeitszeitregelungen<br />

für ältere Beschäftigte – TV-FlexAZ“ vom 27.2.2010 für den Bereich VKA).<br />

In der M+E-Industrie wird für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die ab dem<br />

1.1.2010 begonnen haben oder beginnen, in dem „Tarifvertrag zum flexiblen<br />

Übergang in die Rente“ (Laufzeit: 31.12.2016) freiwilligen Betriebsvereinbarungen<br />

der Vorrang eingeräumt. Soweit keine freiwillige Betriebsvereinbarung<br />

besteht oder vereinbart ist, ist der Anspruch auf Altersteilzeit wie folgt geregelt:<br />

Es ist zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Anspruch zu<br />

unterscheiden. Der allgemeine Anspruch entsteht nach zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit<br />

ab dem 61. Lebensjahr für maximal vier Jahre; einen besonderen<br />

Anspruch haben Arbeitnehmer, die in Schicht oder unter belastenden<br />

Umwelteinflüssen arbeiten. Sie können schon ab Vollendung des 57. Lebensjahres<br />

in Altersteilzeit gehen, maximal für sechs Jahre. Der besondere<br />

Anspruch ist auf 2,5 % der Belegschaft begrenzt; insgesamt sind der allgemeine<br />

und der besondere Anspruch auf 4 % beschränkt. Die geschätzten<br />

Gesamtkosten von 0,8 % der M+E-Lohn- und Gehaltssumme werden zur Hälfte<br />

zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Dazu verzichten die<br />

Arbeitnehmer zwischen Januar und April 2010 auf jeweils 0,4 % ihres Monatsentgelts.<br />

Die Tarifvertragsparteien der Chemischen Industrie und der Kunststoff verarbeitenden<br />

Industrie sind wie schon bei der tariflichen Einführung der Altersteilzeit<br />

Vorbild für einen umfassenden Ansatz bei der Gestaltung der Lebensarbeitszeit.<br />

Sie binden die Altersteilzeit in eine demografische Gesamtstrategie<br />

ein. Ziel des Tarifvertrages „Lebensarbeitszeit und Demografie“ ist es, die Auswirkungen<br />

des demografischen Wandels zu gestalten und durch zukünftige<br />

Rahmenregelungen eine nachhaltige und vorausschauende Personalpolitik<br />

zu ermöglichen. Die bisherige Regelung über Altersteilzeit im TV zur Förderung<br />

der Altersteilzeit ist nur noch für Altfälle anzuwenden. Kern der Regelung<br />

ist § 7 des Tarifvertrages über einen Demografiefonds. Der Arbeitgeber stellt<br />

erstmals ab 2010 einen jährlichen Demografiebetrag in Höhe von 300 EUR<br />

pro Tarifarbeitnehmer des jeweiligen Betriebs zur Verfügung. Der Demografiebetrag<br />

kann im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung für Langzeitkonten,<br />

Altersteilzeit, eine Teilrente, die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung<br />

der Chemie und die tarifliche Altersvorsorge eingesetzt werden. § 9<br />

des Tarifvertrages regelt die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die ab dem<br />

1.1.2010 beginnen oder begonnen haben. Danach kann der Demografiebetrag<br />

unter bestimmten Voraussetzungen für Altersteilzeit verwendet werden.<br />

Seine Verwendung zur Gestaltung von Arbeitszeitmodellen ist unter der Voraussetzung<br />

möglich, dass lediglich Arbeitnehmer, die das 59. Lebensjahr voll-<br />

84<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com


4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />

endet haben, ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis von bis zu sechs Jahren durchführen<br />

können. Dabei darf der Demografiebetrag nicht zur Finanzierung von<br />

Personalreduzierungen verwendet werden. Die Überlastungsgrenze liegt bei<br />

5 % der Arbeitnehmer des Betriebes. Durch Betriebsvereinbarung können alle<br />

Formen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vereinbart werden, die den<br />

Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes entsprechen. Insbesondere kann<br />

durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich vereinbart werden, dass<br />

das Altersteilzeitarbeitsverhältnis bis zur Gesamtdauer von bis zu sechs im<br />

Blockmodell vereinbart werden kann (Altersteilzeitarbeitsmodell II). Außerdem<br />

kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung aufgrund betrieblicher Notwendigkeiten<br />

mit Altersteilzeit zu einem früheren Zeitpunkt als der Vollendung des<br />

59. Lebensjahres begonnen werden. Unabhängig von der Verwendung des<br />

Demografiebetrages kann Altersteilzeit schließlich auf der Grundlage des<br />

Altersteilzeitgesetzes auch mit einer Dauer von bis zu sechs oder mehr Jahren<br />

vereinbart werden.<br />

4.4 Öffnungsklauseln<br />

Viele Tarifverträge regeln in einem ersten Teil, wann und unter welchen Voraussetzungen<br />

und mit welcher Dauer Altersteilzeitarbeit vereinbart werden<br />

kann, und sodann in einer Öffnungsklausel, dass weitergehende Vereinbarungen<br />

im Rahmen des AtG durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder freiwillige<br />

einzelvertragliche Vereinbarung zulässig sind (z.B. §§ 1, 15 des Altersteilzeitabkommens<br />

für das private Versicherungsgewerbe). Über die<br />

Öffnungsklausel kann dann freiwillig eine längere Dauer der Blockzeit, als sie<br />

für den tariflichen Anspruch geregelt ist, im Rahmen des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1,<br />

2. Alt. AtG vereinbart werden.<br />

4.5 Außerkrafttreten des Tarifvertrages<br />

Der Tarifvertrag kann entweder durch Ablauf einer Befristung oder durch Kündigung<br />

beendet werden. Er wirkt nach (§ 4 Abs. 4 TVG), es sei denn, die Nachwirkung<br />

ist – wie häufig – im Tarifvertrag ausdrücklich ausgeschlossen. Bei<br />

Ausschluss der Nachwirkung gilt: Eine Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche<br />

Vereinbarung kann nicht mehr auf der Grundlage des Tarifvertrages<br />

abgeschlossen werden, sondern nur noch im Rahmen des AtG. Ob Altersteilzeitvereinbarungen,<br />

die noch innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages abgeschlossen<br />

werden, aber erst nach Ablauf des nicht nachwirkenden Tarifvertrages<br />

beginnen, möglich sind, ist durch Auslegung des Tarifvertrages zu<br />

ermitteln. Soweit der Tarifvertrag keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung<br />

enthält, dürften solche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig sein.<br />

© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />

2011 by <strong>DATAKONTEXT</strong> - Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Frechen.<br />

Nähere Informationen unter: http://www.datakontext.com<br />

85

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!