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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
phase“ gänzlich unterbleibt (Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom 30.10.2002<br />
– 2 A 2/01 –, ZTR 2003, 206).<br />
Zum Ersatz der Aufwendungen im Förderfall (Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />
spätestens bis zum 31.12.2009) bei Beendigung s. Kap. VIII<br />
Ziff. 13.<br />
4 Die Einführung und Durchführung von<br />
Altersteilzeitarbeit<br />
4.1 Vorüberlegungen: Rechtsgrundlagen für die Altersteilzeit<br />
In den vorstehenden Ausführungen sind die Voraussetzungen für Altersteilzeitarbeit<br />
im Sinne des AtG dargelegt. Diese müssen erfüllt sein, damit die<br />
Altersteilzeitarbeit arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlich anerkannt<br />
wird. Außerdem sind die Voraussetzungen für eine Förderung durch die<br />
BA im Überblick dargelegt worden. Dagegen enthält das AtG keinerlei Regelungen<br />
da rüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Altersteilzeitarbeit einzuführen,<br />
ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersteilzeitarbeit hat, ggf.<br />
unter welchen Voraussetzungen, und ob er und ggf. unter welchen Voraussetzungen<br />
einen bestimmten Durchführungsweg (kontinuierliche Teilzeit oder<br />
Teilzeit im Blockmodell) verlangen kann.<br />
Das Gesetz selbst verpflichtet den Arbeitgeber nicht, Altersteilzeitarbeit im<br />
Betrieb oder Unternehmen einzuführen. Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers<br />
auf Altersteilzeitarbeit ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Eine solche Verpflichtung<br />
kann sich aus einem Altersteilzeit-Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung<br />
über Altersteilzeitarbeit ergeben. Das bedeutet: Gibt es keine<br />
solchen Regelungen in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung,<br />
so muss der Arbeitgeber keine Altersteilzeitarbeit einführen. Er kann dies aber<br />
freiwillig tun, wobei er dann aber unter Umständen (bei Gruppenbildung) den<br />
Gleichbehandlungsgrundsatz beachten muss. Er kann mit dem Betriebsrat<br />
auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Einführung von Altersteilzeit<br />
schließen; erzwingen kann der Betriebsrat die Einführung aber nicht.<br />
Vor Einführung der Altersteilzeitarbeit und dem Abschluss von Vereinbarungen<br />
muss das Unternehmen daher in jedem Fall prüfen, ob bei der Einführung<br />
und Durchführung von Altersteilzeitarbeit im Betrieb allein die Regelungen im<br />
AtG oder ob tarifvertragliche Regelungen über die Altersteilzeit anzuwenden<br />
sind oder ob ggf. auf entsprechende tarifvertragliche Regelungen zurückgegriffen<br />
werden kann und soll. Das hat insbesondere Bedeutung dafür,<br />
• ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Altersteilzeitarbeit einzuführen (hierzu<br />
4.3.2.2 und 5.1),<br />
© des Titels »Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz,Altersteilzeit« (ISBN 978-3-89577-565-9)<br />
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Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
• ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer einen<br />
Anspruch auf Altersteilzeitarbeit haben (s. hierzu 4.3.2.2. und 5. 1 – 5.4),<br />
• in welcher Form Altersteilzeitarbeit eingeführt werden soll, insbesondere<br />
ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Durchführung in<br />
Form eines Blockmodells besteht (s. hierzu 4.3.2.3 und 5.1),<br />
• wie hoch die Aufstockungsleistungen sind (s. hierzu 4.3.2.4 und Kap. II),<br />
• für welche Zeitdauer Altersteilzeitarbeit im Blockmodell vereinbart werden<br />
kann, ob mithin bei einer Dauer der Altersteilzeitarbeit im Blockmodell von<br />
mehr als drei Jahren Altersteilzeit im Sinne des AtG vorliegt oder nicht<br />
(s. hierzu 3.3.2),<br />
• wie die Rückabwicklung im Störfall zu berechnen ist (hierzu 11.6 und Kap.<br />
VI) und<br />
• ob und inwieweit der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Ein- und<br />
Durchführung von Altersteilzeit hat (s. hierzu unten 13.).<br />
4.2 Prüfung der Tarifsituation<br />
Vor Überlegungen, Altersteilzeitarbeit einzuführen, ist aus den geschilderten<br />
Gründen immer zu prüfen, ob es einen Altersteilzeit-Tarifvertrag gibt, in dessen<br />
räumlichen, fachlichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich der<br />
Betrieb fällt. Der Tarifvertrag muss noch voll wirksam sein oder, falls eine Nachwirkung<br />
im Tarifvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, noch nachwirken.<br />
Zurzeit gibt es ca. 260 Flächen- und Haustarifverträge zur Förderung der<br />
Altersteilzeit. Bei der Entwicklung des Altersteilzeitkonzeptes für das Unternehmen<br />
ist die Frage der Tarifgeltung und -bindung von besonderer Bedeutung,<br />
wenn Altersteilzeitarbeit im Blockmodell eingeführt werden soll (s. dazu<br />
3.3.2.2). Ohne tarifvertragliche Grundlage darf Altersteilzeitarbeit im Blockmodell<br />
für maximal drei Jahre vereinbart werden (Arbeitsphase und anschließende<br />
Freistellungsphase jeweils 1 1/2 Jahre). Grundsätzlich nur durch Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />
kann dagegen eine Dauer von bis zu sechs Jahren oder<br />
sogar eine solche von bis zu zehn Jahren zugelassen werden, wenn die<br />
wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraumes von sechs Jahren,<br />
der innerhalb der vereinbarten Altersteilzeitarbeit liegt, die Hälfte der bisherigen<br />
wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet (§ 2 Abs. 3 AtG); zu den Ausnahmen<br />
(Bereiche, in denen üblicherweise keine Tarifverträge bestehen, und<br />
AT-Angestellte sowie leitende Angestellte, s. 3.3.2.3). Nach Wegfall der<br />
Fördermöglichkeiten für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem<br />
31.12.2009 beginnen, werden insbesondere in Industriebranchen zunehmend<br />
Ersatzregelungen vereinbart (s. dazu unten).<br />
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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
4.2.1 Persönlich, fachlich und räumlich einschlägiger Altersteilzeit-<br />
Tarifvertrag<br />
Es ist zu prüfen, ob eine Tarifbindung des Betriebs bzw. Unternehmens besteht<br />
(s. hierzu die Prüfung unter 3.3.2.2).<br />
• Falls ja, gilt der wirksame Tarifvertrag unmittelbar und zwingend bei beiderseitiger<br />
Tarifbindung, d.h. auf Arbeitnehmerseite für Mitglieder der tarifschließenden<br />
Gewerkschaft. Ist die Laufzeit des Tarifvertrages abgelaufen<br />
oder ist der Tarifvertrag gekündigt, darf der Tarifvertrag nur dann als Rechtsgrundlage<br />
für die Altersteilzeitarbeit herangezogen werden, wenn er Nachwirkung<br />
hat. Sodann ist zu prüfen, ob dieser Tarifvertrag für alle, mithin auch<br />
für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebes, übernommen<br />
werden soll. Das kann einzelvertraglich oder durch Gesamtzusage geschehen.<br />
Dabei muss der gesamte Regelungskomplex über die Altersteilzeit<br />
übernommen werden. Soweit dem Betriebsrat durch den einschlägigen<br />
Altersteilzeit-Tarifvertrag Mitbestimmungsrechte bei der Einführung oder<br />
Durchführung der Altersteilzeitarbeit eingeräumt werden, genügt es, dass<br />
der Arbeitgeber tarifgebunden ist, da es sich insoweit um sog. Betriebsnormen<br />
handelt (§ 3 Abs. 2 TVG).<br />
• Falls nein, kann im persönlichen, fachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich<br />
eines solchen Tarifvertrags die tarifvertragliche Regelung im<br />
Betrieb eines tariflich nicht gebundenen Arbeitgebers übernommen werden.<br />
Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht zur Einführung von Altersteilzeitarbeit<br />
verpflichtet. Will er diese einführen, ist zu überlegen, ob der Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />
übernommen werden soll. § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 AtG<br />
bestimmt hierzu: Die tarifvertragliche Regelung kann durch Betriebsvereinbarung<br />
oder, (nur) wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch schriftliche<br />
Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernommen werden.<br />
Der zu übernehmende Tarifvertrag muss dann allerdings als Mindestregelung<br />
in Gänze übernommen werden (hierzu LSG Baden-Württemberg,<br />
Urt. vom 16.10.2009 – L 8 AL 3394/07 –, n.v.). Nur dann darf<br />
Altersteilzeitarbeit im Blockmodell über drei Jahre hinaus vereinbart werden.<br />
Können aufgrund eines solchen Tarifvertrages abweichende Regelungen<br />
in einer Betriebsvereinbarung getroffen werden, kann auch in<br />
Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch<br />
gemacht werden. Die Übernahme durch Betriebsvereinbarung durch den<br />
Betriebsrat ist nicht erzwingbar. In beiden Fällen kann der Altersteilzeit-<br />
Tarifvertrag auch durch eine allgemeine Bezugnahmeklausel vereinbart<br />
sein. Bei einer so genannten dynamischen Klausel (z.B. „Für das Arbeitsverhältnis<br />
gelten die für das Unternehmen anwendbaren/einschlägigen<br />
Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung.“) wird grundsätzlich festgeschrieben,<br />
dass das gesamte Tarifwerk für das Arbeitsverhältnis zur<br />
Anwendung kommen soll. Hierzu zählt auch ein Altersteilzeit-Tarifvertrag<br />
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Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
(BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9 AZR 249/04 –, nicht veröff.: zum TV Altersteilzeit<br />
Deutschlandradio).<br />
4.2.2 Fehlen eines solchen Altersteilzeit-Tarifvertrages<br />
Gibt es keinen Altersteilzeit-Tarifvertrag, unter dessen räumlichen, fachlichen,<br />
persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Betrieb fallen würde, wäre<br />
der Arbeitgeber tarifgebunden, besteht die Möglichkeit, zumindest einen wirksamen<br />
Altersteilzeit-Tarifvertrag derselben Branche zu übernehmen. Der<br />
Begriff „Geltungsbereich des Tarifvertrages“ umfasst nach Einführung der<br />
Insolvenzsicherung des § 8a AtG sozialrechtlich nur noch den fachlichen und<br />
zeitlichen (nicht mehr aber den persönlichen und räumlichen) Geltungsbereich<br />
des Tarifvertrages, der gelten würde, wenn die Parteien tarifgebunden wären<br />
(s. hierzu 3.3.2.2 und jetzt auch RdSchr. der Spitzenverbände vom 2.11.2010,<br />
Ziff. 2.2.2; DA der BA 2.3 Abs. 4 Unterabs. 2 zu § 2). Das bedeutet, dass ein<br />
solcher Tarifvertrag, falls ein Betriebsrat besteht, (nur) durch eine (freiwillige)<br />
Betriebsvereinbarung übernommen werden kann; eine einzelvertragliche<br />
Übernahme ist nur zulässig, wenn ein Betriebsrat nicht besteht (§ 2 Abs. 1 S. 2<br />
AtG). Der Arbeitgeber entscheidet frei, ob er so verfahren will.<br />
Gibt es auch danach keinen einschlägigen (Branchen-)Altersteilzeit-Tarifvertrag,<br />
ist der Arbeitgeber – ebenso wie bei seiner fehlenden Tarifbindung – nicht<br />
verpflichtet, Altersteilzeitarbeit einzuführen. Will der Arbeitgeber einen solchen<br />
Tarifvertrag nicht übernehmen oder gibt es keinen wirksamen Altersteilzeit-<br />
Tarifvertrag der Branche, so kann Altersteilzeitarbeit nur nach den Regeln des<br />
AtG einzelvertraglich vereinbart werden. Nach den allgemeinen Regeln des<br />
Tarifrechts kann grundsätzlich zwar auch ein fachfremder Tarifvertrag für den<br />
Betrieb übernommen werden. Für die Altersteilzeitarbeit hat dies aber wenig<br />
praktische Bedeutung, da hierdurch eine längere als die gesetzliche Dauer<br />
der Blockzeit von drei Jahren grundsätzlich nicht erreicht werden kann. Tarifliche<br />
Regelungen über die Dauer der Blockzeit können nur „im Geltungsbereich“<br />
eines Altersteilzeit-Tarifvertrages übernommen werden (§ 2 Abs. 2 S. 2<br />
AtG; zu den Ausnahmen s. oben unter 3.3.2.3). Die rechtlichen Vorgaben ergeben<br />
sich allein aus dem AtG. Das Unternehmen darf Altersteilzeitarbeit nur<br />
nach den gesetzlichen Regelungen einführen.<br />
Es ist zwar nicht gehindert, dem Arbeitnehmer freiwillig einzelvertraglich oder<br />
durch freiwillige Betriebsvereinbarung höhere Aufstockungsleistungen zu<br />
gewähren, als das AtG vorsieht. Soweit das AtG aber abweichende Regelungen<br />
nur durch Altersteilzeit-Tarifvertrag erlaubt, etwa bei der Dauer der Altersteilzeitarbeit,<br />
darf in der Altersteilzeitvereinbarung vom AtG nur abgewichen<br />
werden, soweit das AtG dies ausnahmsweise erlaubt. Das bedeutet: Auch in<br />
diesem Fall darf Altersteilzeitarbeit im Blockmodell nur für die Dauer von insgesamt<br />
drei Jahren vereinbart werden!<br />
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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
4.3 Inhalt von Altersteilzeit-Tarifverträgen<br />
4.3.1 Grundsätze<br />
Die einzelvertragliche Vereinbarung muss von dem Tarifvertrag erfasst sein.<br />
Von einem später abgeschlossenen Tarifvertrag, in dem für bestimmte Altersgruppen<br />
am Ende des Altersteilzeitverhältnisses Abfindungszahlungen vorgesehen<br />
sind, werden einzelvertraglich zuvor vereinbarte Altersteilzeitarbeitsverhältnisse<br />
nur dann erfasst, wenn nach dem im Tarifvertrag erkennbar<br />
verlautbarten Willen der tarifschließenden Parteien auch schon abgeschlossene<br />
Altersteilzeitverhältnisse einbezogen werden sollten (BAG, Urt. vom<br />
1.12.2004 – 4 AZR 103/04 –, nicht veröff.). Die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien<br />
vom 16.11.1998, die den Beschäftigten, die eine Altersteilzeitvereinbarung<br />
nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit Bodenpersonal vom<br />
1.10.1996 abgeschlossen haben, ein Optionsrecht für neue Tarifbedingungen<br />
einräumt, bezog sich nur auf den zeitlich nachfolgenden Tarifvertrag vom<br />
31.3.2000, nicht auf später abgeschlossene Tarifverträge (BAG, Urt. vom<br />
15.2.2005 – 9 AZR 52/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 13). Andererseits<br />
darf ein Haustarifvertrag, der im Rahmen der Tariföffnungsklausel des § 10<br />
Bundesentgelttarifvertrag der chemischen Industrie abgeschlossen wurde,<br />
nicht in bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse eingreifen (BAG, Urt. vom<br />
15.2.2006 – 4 AZR 4/05 –, nicht veröff.).<br />
4.3.2 Tarifliche Regelungen im Überblick<br />
Vorreiter der Tarifentwicklung war die Chemische Industrie mit ihrem Tarifvertrag<br />
vom 29.3.1996, der unterdessen modifiziert worden ist. Einige Tarifverträge<br />
ermöglichen lediglich die Blockbildung der Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2<br />
AtG (Bankgewerbe, Groß- und Außenhandel, Energieversorgung – einige<br />
regionale Bereiche ausgenommen – und Wohnungswirtschaft). Alle Tarifverträge<br />
sehen unterdessen auch Altersteilzeit für Teilzeitbeschäftigte vor.<br />
Die Tarifverträge enthalten in aller Regel Verfahrensvorschriften zur Bestimmung<br />
des anspruchsberechtigten Personenkreises, zum Verfahren bei der<br />
Anwendung des Überforderungsschutzes und zur Auswahl, wenn mehr Arbeitnehmer<br />
den Wunsch nach Altersteilzeitarbeit haben, als nach dem Überforderungsschutz<br />
vorgesehen ist, z.B. Auswahl nach Lebensalter, Dauer der<br />
Betriebszugehörigkeit etc.<br />
Nahezu alle Tarifverträge regeln die für einen längeren Verteilzeitraum als drei<br />
Jahre erforderlichen Zeiträume für das Blockmodell.<br />
Der Altersteilzeit-Tarifvertrag kann die Einführung von Altersteilzeitarbeit<br />
unmittelbar anordnen. Altersteilzeitarbeit ist dann nur noch nach Maßgabe des<br />
Tarifvertrages durchzuführen. Andere Tarifverträge sehen lediglich die Möglichkeit<br />
der Einführung der Altersteilzeit unter bestimmten Voraussetzungen<br />
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Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder freiwillige einzelvertragliche Vereinbarung<br />
oder durch freie Entscheidung des Unternehmens vor. Außerdem<br />
regeln sie insbesondere den anspruchsberechtigten Personenkreis und die<br />
Höhe der Aufstockungsleistungen.<br />
Im Folgenden wird die neueste Rechtsprechung zu den einzelnen Komplexen<br />
dargestellt. Die Darstellung kann nur einen groben Überblick ohne Anspruch<br />
auf Vollständigkeit geben. Bei Abschluss von Altersteilzeitvereinbarungen im<br />
Geltungsbereich von Altersteilzeit-Tarifverträgen ist es unverzichtbar, den<br />
jeweils einschlägigen vollständigen Tarifvertrag heranzuziehen.<br />
4.3.3 Inhalte im Einzelnen (Überblick)<br />
4.3.3.1 Entscheidung über die Einführung von Altersteilzeit<br />
So entscheidet der Arbeitgeber nach dem TV zur Förderung der Altersteilzeit<br />
für den Einzelhandel Saarland vom 14.1.1999 im Anschluss an die Erörterungen<br />
mit dem Betriebsrat frei, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag<br />
einführt. Nur bei einer positiven Entscheidung hat der Arbeitgeber über Anträge<br />
von Arbeitnehmern nach billigem Ermessen zu befinden (BAG, Urt. vom<br />
10.2.2004 – 9 AZR 89/03 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 10). Das gilt auch<br />
für den nahezu wortgleichen TV zur Förderung der Altersteilzeit für den Einzelhandel<br />
in Bayern (§ 3 Nr. 1 Abs. 3 S. 1 vom 9.3.2001; BAG, Urt. vom<br />
5.6.2007 – 9 AZR 498/06 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 26).<br />
Vergleichbar ist die Regelung nach dem TV zur Förderung der Altersteilzeit für<br />
die Zeitungsverlage in Bayern. Danach hat der Arbeitgeber zunächst mit<br />
dem Betriebsrat – soweit ein solcher gebildet ist – über die Möglichkeit der<br />
Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen zu beraten. In den Beratungen<br />
sind gem. § 3 Nr. 1 Abs. 2 AltTZTV die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebs<br />
und die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer/innen<br />
zu erörtern. Im Anschluss daran entscheidet der Arbeitgeber<br />
gem. § 3 Nr. 1 Abs. 3 AltTZTV über das „Ob“ der Einführung von Altersteilzeit,<br />
ohne an die Beratungsinhalte gebunden zu sein (§ 3 Nr. 1 Abs. 1 AltTZTV).<br />
Die Beratungspflicht mit vorbehaltenem Alleinentscheidungsrecht ermöglicht<br />
es dem Arbeitgeber, sich über das „Für“ und „Wider“ von Altersteilzeit schlüssig<br />
zu werden und die aus seiner Sicht beste Lösung zu treffen. Gegenstand<br />
des Alleinentscheidungsrechts ist die „Einführung von Altersteilzeit nach diesem<br />
Tarifvertrag“. Entscheidet er sich für die Einführung von Altersteilzeit, ist<br />
er an die Regelungen im AltTZTV gebunden (BAG, Urt. vom 20.1.2009 – 9<br />
AZR 677/07 –, DB 2009, 1474).<br />
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4.3.2.2 Anspruch aus einem Altersteilzeit-Tarifvertrag –<br />
Anspruchsberechtigter Personenkreis<br />
Ein Anspruch kann sich aus einem Tarifvertrag ergeben, soweit dieser<br />
anwendbar ist. Viele Tarifverträge sehen einen Anspruch ab einem bestimmten<br />
Lebensalter vor, z.B. Metallindustrie, Öffentlicher Dienst, Süßwarenindustrie,<br />
teilweise beschränkt auf bestimmte Arbeitnehmergruppen, z.B. Druckindustrie<br />
für Schichtarbeiter. In anderen Tarifverträgen kann das maßgebliche<br />
Lebensalter oder eine längere Dauer der Altersteilzeitarbeit durch Betriebsvereinbarung<br />
geregelt werden, z.B. Lederwarenindustrie, Norddeutsche<br />
Metallindustrie, Papierindustrie, Zuckerindustrie.<br />
Bei der Festlegung, ob und ggf. welche Arbeitnehmer ab Vollendung des 55.<br />
Lebensjahres den Übergang in die Altersteilzeitarbeit fordern können, sind fünf<br />
Modelle erkennbar:<br />
• Es besteht ein Anspruch, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für<br />
Altersteilzeit vorliegen, solange die Überforderungsgrenze nicht überschritten<br />
wird, z.B. Versicherungswirtschaft bei mindestens zehnjähriger<br />
Unternehmenszugehörigkeit.<br />
• Der Anspruch besteht im Rahmen der Überforderungsgrenze ab einem<br />
bestimmten Lebensalter (57. Lebensjahr: Druckindustrie und papier-,<br />
pappe- und kunststoffverarb. Industrie: Schichtarbeitnehmer unter<br />
bestimmten Voraussetzungen; 58. Lebensjahr: Glasindustrie Bayern; 59.<br />
Lebensjahr: Erfrischungsgetränke Rheinland-Pfalz/Saarland; Kali- und<br />
Steinsalzbergbau; Zuckerindustrie: durch BV niedriger; 60. Lebensjahr:<br />
Öffentlicher Dienst, Metallindustrie – TV Beschäftigungsbrücke).<br />
• Für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die vor dem 1.1.2010 begonnen<br />
haben, weitergeltende Tarifverträge (55. Lebensjahr: Chemische Industrie;<br />
59–60 Jahre: Metallindustrie – TV Beschäftigungsbrücke; 55. Lebensjahr<br />
Ermessensentscheidung, 60. Lebensjahr Anspruch: Öffentlicher Dienst).<br />
• Die Anspruchsberechtigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung<br />
festgelegt werden, z.B. Bauwirtschaft, Lederwarenindustrie, Metallindustrie,<br />
Mineralbrunnen Hessen, Süßwarenindustrie, Zuckerindustrie.<br />
• Anspruchsausschluss bei betrieblichen Gründen: Dt. Bahn AG – oder bei<br />
personenbezogenen Gründen: Lufthansa AG; Dt. Post AG.<br />
Eine tarifliche Regelung, wonach dem Arbeitnehmer Altersteilzeit gewährt<br />
werden „kann“, räumt dem Arbeitgeber kein freies Ermessen ein. Der Arbeitgeber<br />
hat vielmehr nach billigem Ermessen in entsprechender Anwendung von<br />
§ 315 BGB zu entscheiden, ob er einen Altersteilzeitvertrag abschließen will<br />
oder nicht. Dabei kann der Arbeitgeber die mit der Altersteilzeit verbundenen<br />
Mehrbelastungen durch den Aufstockungsbetrag und die Übernahme der Beiträge<br />
zur Sozialversicherung berücksichtigen (BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9<br />
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Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
AZR 294/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 15 zum TV Altersteilzeit Deutschlandradio<br />
im Anschluss an BAG, Urt. vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 –, BAGE<br />
96,363: zum TV Altersteilzeit des öffentlichen Dienstes).<br />
Der AltTZTV des öffentlichen Dienstes sieht einen Anspruch der Beschäftigten<br />
vor, den der Arbeitgeber aus bestimmten Gründen ablehnen kann.<br />
Danach darf der Arbeitgeber Anträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr<br />
vollendet haben, nur aus dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen<br />
ablehnen (§ 2 Abs. 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit im<br />
öffentlichen Dienst – AltTZTV –). Eine Ablehnung mit der Begründung, es fehlten<br />
die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Wiederbesetzung der Stelle,<br />
kann zwar für Beamte ausreichen (Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom<br />
29.4.2004 – 2 C 21.3. und 22.3 –: Landesbeamte in Schleswig-Holstein).<br />
Anders ist das aber bei Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes<br />
zu beurteilen, die kraft Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft<br />
einen Anspruch aus dem AltTZTV haben. Die Aufwendungen des Arbeitgebers,<br />
die typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbunden<br />
sind, stellen für sich allein regelmäßig noch keine dringenden betrieblichen/<br />
dienstlichen Gründe dar (BAG, Urt. vom 21.11.2006 – 9 AZR 393/06 –, NZA<br />
2007, 1236; Landesarbeitsgericht Köln, Urt. vom 20.11.2006 – 2 Sa 833/06 –),<br />
andernfalls würde der tarifliche Anspruch auf Altersteilzeitarbeit vereitelt. Zu<br />
den typischen Aufwendungen gehören die finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber<br />
aufgrund der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis<br />
entstehen. Das sind: die tariflich vorgeschriebene Aufstockung<br />
des Entgelts auf 83 v.H. des Nettoentgelts, die Abführung<br />
zusätzlicher Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und die gebotenen<br />
Rückstellungen beim Blockmodell (BFH, 30. November 2005 – I R 110/04<br />
– BFHE 212, 83). Letztere verbleiben in voller Höhe beim Arbeitgeber, soweit<br />
er nicht durch Nachbesetzung des Arbeitsplatzes Förderleistungen der<br />
Bundesagentur erhält. Nicht ausgeschlossen hat allerdings das Bundesarbeitsgericht,<br />
dass im Einzelfall eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung<br />
eintreten kann, die unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage<br />
den Arbeitgeber berechtigt, die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags<br />
aus dringenden entgegenstehenden betrieblichen Gründen abzulehnen.<br />
Unter welchen Umständen dies in Betracht kommt, hat es aber offengelassen.<br />
Im Übrigen haben Arbeitnehmer ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres nach<br />
§ 2 Abs. 2 AltTZTV Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags<br />
mit ungekürzter Laufdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bis zum Übergang<br />
in den Ruhestand. § 2 Abs. 4 Satz 1 AltTZTV räumt dem Arbeitgeber<br />
keine Befugnis ein, die Dauer eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf zwei<br />
Jahre zu begrenzen (BAG, Urt. vom 2.1.11.2006 – 9 AZR 393/06 –). § 2 Abs. 3<br />
AltTZTV ist jedoch auf Arbeitnehmer nicht anzuwenden, die zwar das 55.<br />
Lebensjahr, aber noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben (BAG, Urt.<br />
vom 12.12.2000, NZA 2002, 98; Urt. vom 3.12.2002, DB 2003, 1851 = ZTR<br />
76<br />
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20032, 504). Der Arbeitgeber hat in diesem Fall nach billigem Ermessen in<br />
entsprechender Anwendung von § 315 BGB zu entscheiden, ob er einen<br />
Altersteilzeitvertrag abschließen will oder nicht. § 2 Abs. 1 AltTZTV räumt dem<br />
Arbeitgeber kein „freies“ Ermessen ein. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf,<br />
dass der Arbeitgeber seinen Antrag auf Wechsel in die Altersteilzeit nach<br />
den Grundsätzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB entsprechend) überprüft.<br />
Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen<br />
sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Da die Tarifvertragsparteien<br />
in ihrer Regelung keine besonderen Umstände aufgeführt<br />
haben, die der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über einen Antrag auf<br />
Altersteilzeit nach § 2 Abs. 1 AltTZTV zu berücksichtigen hat, kommen alle<br />
sachlichen Gründe in Betracht, die sich aus einem Wechsel des Arbeitnehmers<br />
in die Altersteilzeit ergeben (BAG, Urt. vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07<br />
–, DB 2009, 2159; Urt. vom 10. Mai 2005 – 9 AZR 294/04 –, EzA § 4 TVG Altersteilzeit<br />
Nr. 15). Dabei kann er die mit der Altersteilzeit verbundenen Mehrbelastungen<br />
durch den Aufstockungsbetrag und die Übernahme der Beiträge zur<br />
Sozialversicherung berücksichtigen (BAG, Urt. vom 10.5.2005 – 9 AZR 294/04<br />
–, EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 15). Der bloße Einwand, die Aufstockungsleistungen<br />
nach § 5 des Tarifvertrages seien zu kostspielig, soll hingegen nicht<br />
ausreichen (Landesarbeitsgericht Berlin, Urt. vom 13.1.2005 – 16 Sa 1639/04<br />
–, NZA-RR 2005, 329). Da es für das Ziel, das die Tarifvertragsparteien mit<br />
dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (AltTZTV) verfolgen, durchaus<br />
einen Unterschied macht, ob der jeweilige Arbeitnehmer einem rentennahen<br />
Jahrgang oder einem noch relativ rentenfernen Jahrgang angehört, verstößt<br />
die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr<br />
vollendet haben, und der Arbeitnehmer, die (erst) das 55. Lebensjahr vollendet<br />
haben, nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (BAG, Urt. vom<br />
14.10.2008 – 9 AZR 511/07 –, DB 2009, 2159).<br />
Das AGG ist als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien<br />
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006<br />
gemäß Art. 4 am 18.8.2006 in Kraft getreten. Es ordnet keine Rückwirkung auf<br />
zu diesem Datum bereits erfolgte Benachteiligungen an. Der Übergangsbestimmung<br />
§ 33 Abs. 1 AGG ist nichts anderes zu entnehmen. Die in § 2<br />
AltTZTV vorgenommene Differenzierung zwischen Arbeitnehmern verschiedener<br />
Altersgruppen verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz<br />
(BAG, Urt. vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 –, DB 2009, 2159).<br />
Ähnlich ist die Rechtslage bei den Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation<br />
evangelischer Kirchen in Niedersachsen für Einrichtungen, die sich<br />
dem ARRGD angeschlossen haben. Der Begriff „dringende dienstliche oder<br />
betriebliche Gründe“ schränkt die Umstände, die der Arbeitgeber zur Abwehr<br />
des erhobenen Anspruchs anführen kann, zunächst nicht ein. Verlangt wird<br />
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77
Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
lediglich, dass sie sich auf die Verhältnisse des Betriebes beziehen. Für den<br />
Regelungsgegenstand „Altersteilzeit“ ergibt sich daraus, dass die mit dieser<br />
Vertragsgestaltung notwendig verbundene finanzielle Belastung des Arbeitgebers<br />
nach dem Willen des Richtliniengebers regelmäßig nicht als Ablehnungsgrund<br />
geeignet ist (BAG, Urt. vom 23.1.2007 – 9 AZR 624/06 –, ZTR<br />
2007, 436).<br />
Viele Tarifverträge räumen einen Anspruch auf Abschluss solcher Altersteilzeitarbeitsverträge<br />
ein, die enden sollen, sobald der Arbeitnehmer berechtigt<br />
ist, eine Altersrente ohne Abschläge in Anspruch zu nehmen (§ 236a SGB<br />
VI). Das hat zur Folge, dass Schwerbehinderte oder Frauen, die eine ungekürzte<br />
Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen können,<br />
nur Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages bis zu diesem<br />
früheren Zeitpunkt haben. Diese Ungleichbehandlung ist nicht unzulässig,<br />
weil hierfür sachliche Gründe bestehen. Diese liegen im Zweck der<br />
gesetzlichen Regelung der Altersteilzeit (BAG, Urt. vom 18.11.2003 – 9 AZR<br />
122/03 –, FA 2004, 58 zum AltTZTV in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie<br />
NRW). Andererseits haben sie auch Anspruch auf eine Abfindung, wenn<br />
nach dem Altersteilzeitvertrag der Arbeitnehmer am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />
eine Abfindung erhält, die danach berechnet wird, wie<br />
viele Monate zwischen dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und<br />
dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte<br />
Altersrente hätte (Landesarbeitsgericht Berlin, Urt. vom 20.2.2004 – 13 Sa<br />
2465/03 –, NZA-RR 2004, 398: Weil der Schwerbehinderte die Rente „vorzeitig“<br />
in Anspruch genommen hatte, war der Zugangsfaktor um 0,003 für insgesamt<br />
15 Monate gekürzt worden).<br />
4.3.2.3 Form der Altersteilzeitarbeit<br />
Soweit eine entsprechende tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Arbeitnehmer<br />
grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Form der Altersteilzeitarbeit,<br />
insbesondere nicht auf Altersteilzeitarbeit in Form des Blockmodells.<br />
Auch in diesem Fall wird man dem Arbeitgeber aber kein völlig freies<br />
Entscheidungsrecht einräumen können, sondern für die Ablehnung einer<br />
geforderten Form der Altersteilzeitarbeit sachliche Gründe fordern müssen<br />
(§ 315 BGB); insoweit gelten die Grundsätze zur Frage, ob der Arbeitnehmer<br />
einen individualrechtlichen Anspruch auf Altersteilzeit hat, entsprechend. Ob<br />
ein Arbeitgeber bei seiner Ermessensentscheidung die wesentlichen Umstände<br />
des Falles und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt<br />
hat, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB (BAG,<br />
Urt. vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 –, BAGE 96, 363). Welche tatsächlichen<br />
Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach<br />
dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Geht es um die Verteilung der Arbeitszeit,<br />
sind alle sachlichen Gründe berücksichtigungsfähig, die sich auf die Lage<br />
78<br />
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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
der Arbeitszeit als solche beziehen (LAG Niedersachsen, Urt. vom 11.2.2010<br />
– 5 Sa 1102/09 –; BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 624/06 –, ZTR 2007,<br />
436). Bei der Entscheidung über die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses<br />
im Blockmodell reichen sachliche Versagungsgründe aus. Entscheidungserheblich<br />
kann im öffentlichen Dienst sein, dass sich der Arbeitgeber<br />
darauf beruft, dass er für den Zeitraum der Freistellungsphase in einem<br />
Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell eine Überbrückung bis zum endgültigen<br />
Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht gewährleisten kann, ohne<br />
zugleich an anderer Stelle Lücken aufzureißen. Es ist Aufgabe des öffentlichen<br />
Arbeitgebers, in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts die Aufgaben<br />
der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen und ihre<br />
Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern<br />
(LAG Hamm (Westfalen), Urt. vom 3.3.2010 – 4 Sa 552/09 –, nicht veröff.).<br />
Tarifverträge enthalten teilweise Regelungen darüber, in welcher Form die<br />
Altersteilzeitarbeit geleistet werden kann, insbesondere, ob und unter welchen<br />
Voraussetzungen ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bestimmte Form<br />
der Altersteilzeitarbeit (Konti- oder Blockmodell) besteht. So ist etwa der tarifliche<br />
Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach<br />
§ 2 des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit der Chemischen<br />
Industrie i.d.F. vom 14.5.2004, anzuwenden für alle Altersteilzeitarbeitsverhältnisse,<br />
die vor dem 1.1.2010 begonnen haben, (AltTZTV), nicht auf ein<br />
bestimmtes Arbeitszeitmodell (Altersteilzeitarbeitsmodell I – Altersteilzeitmodelle<br />
mit Ausnahme des Blockmodells – oder Altersteilzeitarbeitsmodell II –<br />
Blockmodell –) beschränkt (so noch als Vorinstanz das LAG Rheinland-Pfalz,<br />
Urt. vom 26.6.2007 – 9 Sa 920/06 –). § 2 Abs. 2, 2. Halbs. des Tarifvertrages<br />
schließt nicht den Anspruch auf das Altersteilzeitarbeitsmodell II aus, sondern<br />
beschränkt lediglich das Ablehnungsrecht des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer<br />
Altersteilzeit im Altersteilzeitarbeitsmodell I verlangt. Er darf dieses<br />
Verlangen nur ablehnen, wenn er ihm stattdessen eine Beschäftigung nach<br />
dem Altersteilzeitarbeitsmodell II anbietet (BAG, Urt. vom 12.8.2008 – 9 AZR<br />
620/07 –, NZA-RR 2009, 430). „Betrieb“ im Sinne des § 3 AltTZTV (Überforderungsschutz)<br />
ist nur ein selbständiger Betrieb im Sinne des BetrVG, nicht<br />
jedoch ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG; dieser ist gemäß § 4 Abs. 2<br />
BetrVG dem Hauptbetrieb zuzurechnen.<br />
Nach §§ 1, 3 des TV zur Förderung der Altersteilzeit im Einzelhandel des<br />
Saarlandes kommt ein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, dass der Arbeitgeber<br />
über seinen Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages<br />
nach billigem Ermessen entscheidet, erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber<br />
zuvor in seinem Betrieb Altersteilzeit überhaupt eingeführt hat; die Entscheidung,<br />
ob Altersteilzeit eingeführt wird, ist gerichtlich nicht nachprüfbar<br />
(Landesarbeitsgericht Saarland, Urt. vom 4.12.2002 – 2 Sa 40/02 –).<br />
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79
Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
Aus dem Zusammenspiel von § 9 und § 2 AltersteilzeitTV-IBM folgt, dass der<br />
Arbeitgeber, solange er grundsätzlich bereit ist, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse<br />
einzugehen, bei der Ausgestaltung der Änderungsverträge an das Blockmodell<br />
gebunden ist und nicht aus Kostengründen vom Blockmodell auf eine<br />
andere Altersteilzeitform, namentlich das Teilzeitmodell umschwenken kann<br />
(LAG Düsseldorf, Urt. vom 3.2.2010 – 12 Sa 1346/09 –, nicht veröff., – Revision<br />
eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 214/10).<br />
Der Arbeitnehmer hat im öffentlichen Dienst keinen Anspruch auf eine<br />
bestimmte Verteilung der während des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses zu<br />
leistenden Arbeitszeit. Das zeigt § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages zur Regelung<br />
der Altersteilzeitarbeit (AltTZTV) vom 05.05.1998 i.d.F. des Änderungstarifvertrages<br />
Nr. 2 vom 30.6.2000, nach dem der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer<br />
die Altersteilzeitverteilung erörtern soll. Diese Bestimmung wäre überflüssig,<br />
wenn der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen<br />
könnte. Die Verteilung der Arbeitszeit obliegt nach § 106 S. 1 GewO allein dem<br />
allgemeinen Weisungsrecht des Arbeitgebers. Bei der Ausübung seines Weisungsrechts<br />
ist er an den Maßstab billigen Ermessens gebunden, wobei die<br />
Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegt<br />
(LAG Hamm, Urt. vom 3.3.2010 – 4 Sa 552/09 –, nicht veröff., – Revision<br />
eingelegt unter 9 AZR 479/10).<br />
4.3.2.4 Aufstockungsleistungen zum Entgelt<br />
Die Höhe der Aufstockungszahlung ist unterschiedlich geregelt. Der Mindestnettobetrag<br />
beträgt u.a. (Quelle: BdA – Tarifabteilung):<br />
• 70 %: (gesetzliche Mindesthöhe): Bauwirtschaft; Dachdeckerhandwerk;<br />
Ernährungsindustrie Nieders./Bremen m. DAG; Steine u. Erden Bayern,<br />
• 75 %: Versicherungen,<br />
• 80 %: Druckindustrie, u.U. 85 % für Schichtarbeitnehmer; Energieversorgung<br />
Baden-Württemberg und Ost – AVEU-Bereich; Erzbergbau Ost: 80–<br />
85 %; Holzverarbeitung Nordrhein; Süßwaren; Buch- und Zeitschriftenverlage<br />
NRW,<br />
• 82 %: Bleistiftindustrie: plus Abfindung; Einzelhandel Bayern: 82,5 %; Energieversorgung<br />
Bayern; Erfrischungsgetränke Hessen, Rheinland-Pfalz,<br />
Saarland; Groß- und Außenhandel: 82,5 %; Lederindustrie: 82,5 %; Metallindustrie;<br />
Mineralbrunnen Hessen; Obst- und Gemüseverarbeitung; Steine<br />
u. Erden Rhein. Unternehmerverb.,<br />
• 83 %: Lederwarenindustrie: 83,5 %; Öffentlicher Dienst; IBM Deutschland,<br />
• 85 %: Chemische Industrie; Deutsche Bahn AG; Erdöl- und Erdgasgewinnung;<br />
Erzbergbau Ost: 80–85 %; Glasindustrie; Kali- und Steinsalzberg-<br />
80<br />
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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
bau; Kautschukindustrie: mind. 85 %, max. 95 %; Keramische Industrie;<br />
Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg und Bayern; Lufthansa AG:<br />
100 % bei Verzicht auf Ergebnisbeteiligung; Papierindustrie; papier-,<br />
pappe- und kunststoffverarbeitende Industrie; PreussenElektra AG;<br />
Schuhindustrie; Stahlindustrie; Textilreinigungsgewerbe; Zementindustrie;<br />
Zuckerindustrie;<br />
• 89 %: Dt. Post AG,<br />
• zwischen 80 % und 95 %: Volkswagen AG – je nach Entgeltstufe.<br />
AltTZTV a.F. des öff. Dienstes (anwendbar für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse,<br />
die vor dem 1.1.2010 begonnen haben): § 8 AltTZTV knüpft an die tariflichen<br />
Regelungen an, nach denen sich die während der Altersteilzeit zu zahlende<br />
Altersteilzeitvergütung bemisst. Diese setzt sich aus den Bestandteilen<br />
„Teilzeitentgelt“ (§ 4 AltTZTV) und „Aufstockungsleistungen“ (§ 5 AltTZTV)<br />
zusammen. Im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit während der<br />
Arbeitsphase besteht der Anspruch auf die Aufstockungsleistungen nach § 8<br />
Abs. 1 S 1 Halbs. 1 AltTZTV längstens für die Dauer der Entgeltfortzahlung. §<br />
8 Abs. 1 S. 1 Halbs 2 AltTZTV enthält lediglich eine Berechnungsregelung. Der<br />
2. Halbsatz betrifft die Aufstockung des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AltTZTV. Diese<br />
Leistungen sind an den Arbeitnehmer längstens bis zum Ablauf der Fristen für<br />
die Zahlung von „Krankenbezügen“ (Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschuss<br />
nach dem Klammerzusatz von § 8 Abs. 1 S 1 Halbs. 2 AltTZTV) zu<br />
erbringen (im Fall: Dauer und Höhe der bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit<br />
vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen richteten sich wegen der<br />
Dauer des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses nach<br />
§ 71 Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV Ang), geschlossen zwischen der<br />
Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und ver.di, in der Fassung vom<br />
23.3.1993). Die Dauer der Krankenbezüge ist in § 71 MTV Ang. auf die Dauer<br />
von 26 Wochen begrenzt (BAG, Urt. vom 15.8.2006 – 9 AZR 639/05 – ZTR<br />
2007, 31).<br />
Tarifvertrag der Wintershall AG zur Förderung der Altersteilzeit vom<br />
12.03.1999/26.04.1999 (TV Altersteilzeit): Der Tarifvertrag schließt einen<br />
Anspruch auf Leistungsprämie aus einer betrieblichen Gesamtzusage für<br />
Altersteilzeitarbeitnehmer nicht aus, obwohl die außertarifliche Leistungsprämie<br />
in § 7 Abs. 1 S 2 TV Altersteilzeit nicht ausdrücklich genannt ist. Diese<br />
Auslegung wird durch die Regelung der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag<br />
der Wintershall AG über Altersvorsorge vom 9.4.2002 bestätigt (BAG, Urt. vom<br />
24.10.2006 – 9 AZR 713/05 –, nicht veröff.).<br />
Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit (AltTZTV) bei der Deutschen<br />
Post AG vom 2.4.1998 i.d.F. des Tarifvertrages Nr. 114: Der Tarifvertrag stellt<br />
klar, dass unregelmäßige Entgeltbestandteile unabhängig von den in § 5<br />
Abs. 1 und Abs. 2 AltTZTV für die Berechnung des Altersteilzeitarbeitsentgel-<br />
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81
Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
tes zugrunde zu legenden Vergütungsbestandteilen zu zahlen sind. Da<br />
Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit monatlich je nach Art und<br />
Umfang der geleisteten Dienste anfallen, handelt es sich bei ihnen um „unregelmäßige<br />
Entgeltbestandteile“ i.S.d. § 5 Abs. 3 UAbs. 2 AltTZTV. Die Auslegung<br />
des Begriffes „tatsächliches Aufkommen“ ergibt, dass unregelmäßige<br />
Entgeltbestandteile nur insoweit gezahlt werden müssen, als sie der Arbeitnehmer<br />
durch tatsächliche Arbeitsleistungen erworben hat. Deshalb sind sie<br />
auch zusätzlich zum Altersteilzeitarbeitsentgelt i.S.d. § 5 Abs. 1 und Abs. 2<br />
AltTZTV zu gewähren, soweit sie durch zuschlagspflichtige Arbeitsleistung des<br />
Arbeitnehmers erworben worden sind. Dies ist bei den Urlaubszuschlägen<br />
jedoch nicht der Fall, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs keine<br />
Ansprüche auf diese Zuschläge erwirbt. Durch die Verwendung des Wortes<br />
„tatsächlich“ haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass nur durch tatsächliche<br />
Arbeitsleistung erworbene Zuschläge das nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2<br />
AltTZTV errechnete Altersteilzeitarbeitsentgelt erhöhen sollen. Gleiches gilt<br />
für den Krankenzuschlag nach § 28 Abschn. II Abs. 1 Buchst b MTV-DP AG,<br />
der in gleicher Weise errechnet wird wie der Urlaubszuschlag (BAG, Urt. vom<br />
21.11.2006 – 9 AZR 523/05 –, nicht veröff.).<br />
Die in § 5 Abs. 3 Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen<br />
Post AG in der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 geänderten Fassung<br />
(TV ATZ)(Rn. 5) vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonnund<br />
Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen den allgemeinen<br />
Gleichheitssatz in Art 3 Abs. 1 GG. Die Anrechnung der geleisteten<br />
Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert<br />
sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete<br />
Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer. Die gleichheitswidrig<br />
ausgeklammerten Personen haben Anspruch auf die Vergünstigung,<br />
wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise<br />
Rechnung tragen können. Das ist bei dem Tarifvertrag der Fall (BAG, Urt. vom<br />
4.5.2010 – 9 AZR 181/09 –, ZTR 2010, 583).<br />
4.3.2.5 Erhöhung des zusätzlichen Rentenversicherungsbeitrages<br />
In der Mehrzahl der Tarifverträge wird der bis zum 30.6.2004 gesetzlich vorgeschriebene<br />
Mindest-Rentenversicherungsbeitrag auf der Basis von 90 %<br />
des bisherigen Arbeitsentgelts übernommen. Für die Arbeitnehmer günstigere<br />
Regelungen sehen vor:<br />
• 92 %: Süßwaren,<br />
• 95 %: Bleistiftindustrie: mit Modifikat.; Energieversorgung Bayern: mit<br />
Modifikat.; Erdöl- und Erdgasgewinnung; Erfrischungsgetränke Hessen,<br />
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Rheinland/Pfalz; Holzverarbeitung Nordrhein; Metallindustrie: mit Modifikat.;<br />
Mineralbrunnen Hessen; Stahlindustrie,<br />
• 100 %: Volkswagen AG + halber Ausgleich Rentenabschlag.<br />
Die Regelungen enthalten teilweise Wahlmöglichkeiten und zusätzliche Regelungen<br />
zum Ausgleich für Rentenabschläge, z.B. Chemische Industrie, Kautschukindustrie,<br />
Erzbergbau Ost, Papierindustrie.<br />
Nach Auffassung des LAG Nürnberg (Urt. vom 27.11.2002 – 3 Sa 123/02 –<br />
nicht veröff.) soll, wenn das Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt,<br />
nach § 6 des Altersteilzeitabkommens für die private Versicherungswirtschaft<br />
vom 11.6.1997 ein Anspruch auf Zahlung des Aufstockungsbetrags bis zu 100<br />
% der Beitragsbemessungsgrenze bestehen.<br />
Voraussetzung für die Förderung ist nach neuem Recht, dass der Arbeitgeber<br />
aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit für den<br />
Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens<br />
in Höhe des Beitrags entrichtet, der auf 80 vom Hundert des Regelarbeitsentgelts<br />
für die Altersteilzeitarbeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag<br />
zwischen 90 vom Hundert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze<br />
und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze<br />
(§ 3 Abs. 1 Nr. 1b) AtG).<br />
4.3.4 Wegfall der gesetzlichen Förderung der Altersteilzeit<br />
Der Wegfall der staatlichen Förderung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die<br />
erst nach dem 31.12.2009 begonnen haben, hat Tarifparteien dazu veranlasst,<br />
die Altersteilzeit neu zu verhandeln. Die meisten Branchen haben zunächst<br />
die alte Regelung verlängert, allerdings muss der Arbeitgeber jetzt ohne den<br />
staatlichen Zuschuss auskommen. Das gilt z.B. für die Bau- und Stahlindustrie,<br />
die Versicherungswirtschaft und die Energieversorger.<br />
In einigen Tarifbereichen sind aus dem Wegfall der gesetzlichen Förderung<br />
bereits Konsequenzen gezogen worden.<br />
Im öffentlichen Dienst ist die Anwendung des bisherigen Tarifvertrags vom<br />
5.5.1998 zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (AltTZTV) durch ÄnderungsTV<br />
Nr. 2 vom 30.6.2010 auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse beschränkt worden,<br />
die vor dem 1.1.2010 begonnen haben. Nur für diese gilt der AltTZTV in der<br />
bisherigen Fassung weiter. Für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die danach<br />
begonnen haben oder beginnen, gilt: Zum einen kann Altersteilzeit, ohne dass<br />
auf sie ein Rechtsanspruch besteht, in Restrukturierungs- und Stellenabbaubereichen<br />
bei dienstlichem oder betrieblichem Bedarf vereinbart werden,<br />
wenn die sonstigen persönlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen ist<br />
die Möglichkeit der Gewährung von Altersteilzeit ab Vollendung des 55.<br />
Lebensjahres (Ermessensentscheidung) gestrichen; geblieben ist der bishe-<br />
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83
Kapitel I: Grundsätze und arbeitsrechtliche Voraussetzungen<br />
rige Anspruch mit Vollendung des 60. Lebensjahres; der Arbeitgeber kann die<br />
Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ausnahmsweise ablehnen,<br />
wenn dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. Außerdem<br />
können nur noch halb so viele Beschäftigte in Altersteilzeit gehen, nämlich<br />
2,5 % (s. hierzu beispielhaft den „Tarifvertrag zu flexiblen Arbeitszeitregelungen<br />
für ältere Beschäftigte – TV-FlexAZ“ vom 27.2.2010 für den Bereich VKA).<br />
In der M+E-Industrie wird für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die ab dem<br />
1.1.2010 begonnen haben oder beginnen, in dem „Tarifvertrag zum flexiblen<br />
Übergang in die Rente“ (Laufzeit: 31.12.2016) freiwilligen Betriebsvereinbarungen<br />
der Vorrang eingeräumt. Soweit keine freiwillige Betriebsvereinbarung<br />
besteht oder vereinbart ist, ist der Anspruch auf Altersteilzeit wie folgt geregelt:<br />
Es ist zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Anspruch zu<br />
unterscheiden. Der allgemeine Anspruch entsteht nach zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit<br />
ab dem 61. Lebensjahr für maximal vier Jahre; einen besonderen<br />
Anspruch haben Arbeitnehmer, die in Schicht oder unter belastenden<br />
Umwelteinflüssen arbeiten. Sie können schon ab Vollendung des 57. Lebensjahres<br />
in Altersteilzeit gehen, maximal für sechs Jahre. Der besondere<br />
Anspruch ist auf 2,5 % der Belegschaft begrenzt; insgesamt sind der allgemeine<br />
und der besondere Anspruch auf 4 % beschränkt. Die geschätzten<br />
Gesamtkosten von 0,8 % der M+E-Lohn- und Gehaltssumme werden zur Hälfte<br />
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Dazu verzichten die<br />
Arbeitnehmer zwischen Januar und April 2010 auf jeweils 0,4 % ihres Monatsentgelts.<br />
Die Tarifvertragsparteien der Chemischen Industrie und der Kunststoff verarbeitenden<br />
Industrie sind wie schon bei der tariflichen Einführung der Altersteilzeit<br />
Vorbild für einen umfassenden Ansatz bei der Gestaltung der Lebensarbeitszeit.<br />
Sie binden die Altersteilzeit in eine demografische Gesamtstrategie<br />
ein. Ziel des Tarifvertrages „Lebensarbeitszeit und Demografie“ ist es, die Auswirkungen<br />
des demografischen Wandels zu gestalten und durch zukünftige<br />
Rahmenregelungen eine nachhaltige und vorausschauende Personalpolitik<br />
zu ermöglichen. Die bisherige Regelung über Altersteilzeit im TV zur Förderung<br />
der Altersteilzeit ist nur noch für Altfälle anzuwenden. Kern der Regelung<br />
ist § 7 des Tarifvertrages über einen Demografiefonds. Der Arbeitgeber stellt<br />
erstmals ab 2010 einen jährlichen Demografiebetrag in Höhe von 300 EUR<br />
pro Tarifarbeitnehmer des jeweiligen Betriebs zur Verfügung. Der Demografiebetrag<br />
kann im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung für Langzeitkonten,<br />
Altersteilzeit, eine Teilrente, die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung<br />
der Chemie und die tarifliche Altersvorsorge eingesetzt werden. § 9<br />
des Tarifvertrages regelt die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die ab dem<br />
1.1.2010 beginnen oder begonnen haben. Danach kann der Demografiebetrag<br />
unter bestimmten Voraussetzungen für Altersteilzeit verwendet werden.<br />
Seine Verwendung zur Gestaltung von Arbeitszeitmodellen ist unter der Voraussetzung<br />
möglich, dass lediglich Arbeitnehmer, die das 59. Lebensjahr voll-<br />
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4 Die Einführung und Durchführung von Altersteilzeitarbeit<br />
endet haben, ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis von bis zu sechs Jahren durchführen<br />
können. Dabei darf der Demografiebetrag nicht zur Finanzierung von<br />
Personalreduzierungen verwendet werden. Die Überlastungsgrenze liegt bei<br />
5 % der Arbeitnehmer des Betriebes. Durch Betriebsvereinbarung können alle<br />
Formen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vereinbart werden, die den<br />
Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes entsprechen. Insbesondere kann<br />
durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich vereinbart werden, dass<br />
das Altersteilzeitarbeitsverhältnis bis zur Gesamtdauer von bis zu sechs im<br />
Blockmodell vereinbart werden kann (Altersteilzeitarbeitsmodell II). Außerdem<br />
kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung aufgrund betrieblicher Notwendigkeiten<br />
mit Altersteilzeit zu einem früheren Zeitpunkt als der Vollendung des<br />
59. Lebensjahres begonnen werden. Unabhängig von der Verwendung des<br />
Demografiebetrages kann Altersteilzeit schließlich auf der Grundlage des<br />
Altersteilzeitgesetzes auch mit einer Dauer von bis zu sechs oder mehr Jahren<br />
vereinbart werden.<br />
4.4 Öffnungsklauseln<br />
Viele Tarifverträge regeln in einem ersten Teil, wann und unter welchen Voraussetzungen<br />
und mit welcher Dauer Altersteilzeitarbeit vereinbart werden<br />
kann, und sodann in einer Öffnungsklausel, dass weitergehende Vereinbarungen<br />
im Rahmen des AtG durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder freiwillige<br />
einzelvertragliche Vereinbarung zulässig sind (z.B. §§ 1, 15 des Altersteilzeitabkommens<br />
für das private Versicherungsgewerbe). Über die<br />
Öffnungsklausel kann dann freiwillig eine längere Dauer der Blockzeit, als sie<br />
für den tariflichen Anspruch geregelt ist, im Rahmen des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1,<br />
2. Alt. AtG vereinbart werden.<br />
4.5 Außerkrafttreten des Tarifvertrages<br />
Der Tarifvertrag kann entweder durch Ablauf einer Befristung oder durch Kündigung<br />
beendet werden. Er wirkt nach (§ 4 Abs. 4 TVG), es sei denn, die Nachwirkung<br />
ist – wie häufig – im Tarifvertrag ausdrücklich ausgeschlossen. Bei<br />
Ausschluss der Nachwirkung gilt: Eine Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche<br />
Vereinbarung kann nicht mehr auf der Grundlage des Tarifvertrages<br />
abgeschlossen werden, sondern nur noch im Rahmen des AtG. Ob Altersteilzeitvereinbarungen,<br />
die noch innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages abgeschlossen<br />
werden, aber erst nach Ablauf des nicht nachwirkenden Tarifvertrages<br />
beginnen, möglich sind, ist durch Auslegung des Tarifvertrages zu<br />
ermitteln. Soweit der Tarifvertrag keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung<br />
enthält, dürften solche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig sein.<br />
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