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Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 1<br />
„Hinweise für Maßnahmen der Feuerwehr und anderer Hilfskräfte<br />
nach Gebäudeeinstürzen“<br />
1. Einleitung<br />
2. Der Standardeinsatz bei Einstürzen<br />
3. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
4. Alarmierungs- und Ausrückekonzept<br />
5. Taktisches Alarmierungskonzept<br />
6. Bildung der örtlichen Einsatzleitung<br />
7. Fünf Phasen des Einsatzablaufes<br />
im Auftrag der vfdb<br />
8. Allgemeine Empfehlungen zur Vorgehensweise am Einsatzort und zur<br />
Zusammenarbeit der einzelnen Organisationen und Fachbereiche<br />
9. Funktion des Baufachberaters<br />
10. Einsatzmittelplanung<br />
11. Aus- und Fortbildung<br />
Anhang:<br />
- Die biologische Ortung – der Rettungshundeeinsatz<br />
- Schadenelemente und dazugehörende Rettungsverfahren
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 2<br />
1. Einleitung<br />
Die vorliegenden Hinweise sollen einsatztaktisch und einsatztechnisch richtiges<br />
Vorgehen und Verhalten an Einsatzstellen nach Gebäudeeinstürzen und -<br />
teileinstürzen sicherstellen. Sie enthalten grundsätzliche Verhaltensregeln und<br />
Maßnahmen. Außerdem sollen die bisher in Deutschland angewendeten taktischen<br />
und einsatztechnischen Aussagen bei der Zusammenarbeit der Organisationen<br />
vereinheitlicht werden.<br />
Die heute häufig noch angewandten Einsatzkonzeptionen basieren auf Erfahrungen<br />
aus den Kriegsjahren. Wenn gleich dieses Lernen aus Erfahrungen sinnvoll und<br />
richtig ist, gilt es bei Einsätzen nach Gebäudeeinstürzen, die geänderten<br />
Bedingungen bei den Gebäuden und Baustoffen zu berücksichtigen.<br />
Die Gebäudestrukturen und Baumaterialien haben sich grundlegend verändert und<br />
stellen neue Herausforderungen an die Einsatzkräfte. Oft haben letztere nicht<br />
genügend Erfahrungswerte und sind häufig überfordert.<br />
Gebäudeeinstürze oder -teileinstürze entstehen durch Naturereignisse oder durch<br />
technische Einwirkungen wie Gasexplosionen, Flugzeugabstürze, Fahrzeug- /<br />
Zugkollisionen oder Terroranschläge.<br />
Da es aber wichtig ist, sich im Vorfeld mit obiger Thematik zu beschäftigen, um im<br />
Einsatzfall vorbereitet zu sein, hat die vfdb eine organisationsübergreifende<br />
Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einheitlicher Vorgehensweisen beauftragt.<br />
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe liegen in Form dieser Hinweise für Maßnahmen<br />
der Feuerwehr und anderer Einsatzkräfte nach Gebäudeeinstürzen vor.<br />
Die Arbeitsgruppe will besonders dafür werben, dass das koordinierte<br />
Zusammenspiel aller Fachkräfte vor Ort, gleich welcher Organisationszugehörigkeit,<br />
weiter gefördert und geübt wird.<br />
Der Entwurf soll zunächst in Fachkreisen diskutiert werden und nach Abschluss in<br />
ein interaktives Lernprogramm und eine Richtlinie einfließen.<br />
2. Der Standardeinsatz bei Gebäudeeinstürzen<br />
Für alle nachfolgenden Betrachtungen, wie Alarmierungskonzepte,<br />
Stärkebestimmung der Einsatzkräfte und Vorgehensweisen bei der<br />
Einsatzabwicklung ist es wichtig, eine realistische, angemessene Schadenlage zu<br />
definieren: den so genannten Standardeinsatz.<br />
Der Standardeinsatz sieht wie folgt aus:<br />
Mehrgeschossiges Wohngebäude in Massivbauweise. Das Gebäude ist mit Gas,<br />
Wasser und Elektrizität versorgt. In und um das Gebäude befindet sich eine<br />
unbekannte Anzahl von Personen.<br />
In Folge einer zum Einsatzbeginn unbekannten Ursache kommt es zum<br />
Kompletteinsturz oder Teileinsturz obigen Gebäudes.<br />
Alle weiteren Ergebnisse dieses Arbeitspapiers sind auch auf kleinere und größere<br />
Schadenlagen übertragbar.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 3<br />
3. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Grundlage für die Leitung von Einsätzen sind die gesetzlichen Regelungen der<br />
Länder, insbesondere das Feuerwehrrecht, das Katastrophenschutzrecht und das<br />
Rettungsdienstrecht . Daraus ergibt sich, wer Einsatzleiter ist und welche Rechte und<br />
Pflichten dieser hat. Die Regelungen sind in allen Bundesländern ähnlich.<br />
Der Einsatzleiter hat die Aufgabe, mit den unterstellten Einheiten und Einsatzkräften<br />
die zum Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen zu<br />
treffen. Dem Einsatzleiter sind Befugnisse gegenüber Dritten übertragen.<br />
Erfordern Großschadenereignisse die Feststellung des Katastrophenfalls, gehen die<br />
Katastrophenschutzgesetze der Länder oder das Zivilschutzgesetz des Bundes dem<br />
Feuerwehrrecht und dem Rettungsdienstrecht vor.<br />
4. Alarmierungs- und Ausrückekonzept<br />
Eine Schadenlage mit dem Alarmierungsstichwort „Gebäudeeinsturz“ oder<br />
„Teileinsturz“ ist ein Einsatz mit einem komplexen Schadenbild.<br />
Zu Einsatzbeginn ist oftmals schwer einzuschätzen, welches zeitliche und<br />
organisatorisches Ausmaß der Einsatz annehmen wird. Die rechtzeitige<br />
Nachforderung ist für die optimale Schadenabwehr daher wichtig und oft<br />
einsatzentscheidend.<br />
Da der Faktor "Zeit" bei der Rettung verschütteter Personen eine große Rolle spielt,<br />
wird generell empfohlen, alle unten aufgeführten Institutionen parallel gemäß einer<br />
zuvor zu erstellenden Alarm- und Ausrückeordnung zu alarmieren - nicht zeitlich<br />
verzögert!<br />
In diesem Zusammenhang darf auch nicht vergessen werden, dass gerade<br />
ehrenamtliche Einsatzkräfte außerhalb der Feuerwehr einer Vorlaufzeit bedürfen.<br />
Folgende Organisationen und Institutionen sind für ein einheitliches Alarmierungs-<br />
und Ausrückekonzept relevant:<br />
- Feuerwehr<br />
- Polizei<br />
- Rettungsdienst / Sanitätsdienst einschließlich Leitender Notarzt<br />
- Technisches Hilfswerk<br />
- Baufachberater / Statiker<br />
- Rettungshundestaffel<br />
- Verwaltung (z.B. Bürgermeister)<br />
- Energie-Versorgungsunternehmen<br />
- Presse
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 4<br />
5. Taktisches Alarmierungskonzept<br />
Bei dem zu Grunde liegenden Standardeinsatzes sind folgende Einsatzkräfte,<br />
Hilfskräfte und Institutionen erforderlich:<br />
a) Führungskomponente:<br />
1 Einsatzleiter<br />
1 Führungsgruppe oder Führungsstab<br />
1 Führungsfahrzeug: ELW 2<br />
1 Leitender Notarzt / 1 Organisatorischer Leiter Rettungsdienst / 1 Sanitäts-<br />
Einsatzleitung<br />
Bürgermeister/Oberbürgermeister<br />
Energieversorgungsunternehmen<br />
Fachberater des Technischen Hilfswerkes<br />
Baufachberater /Statiker<br />
b) Sicherungskomponente:<br />
2 Löschzüge zur Brandbekämpfung und Hilfeleistung<br />
c) Ortungskomponente:<br />
6 Rettungshunde, die für Trümmerrettung geprüft und einsatzfähig sind<br />
1 Fachgruppe (FGr) Ortung des Technischen Hilfswerkes<br />
optional: 1 Endoskopkamera<br />
d) Rettungs-/Bergungskomponente:<br />
1 Technischer Zug (TZ) des Technischen Hilfswerkes<br />
1 Fachgruppe (FGr) Räumen des Technischen Hilfswerkes<br />
1 Kranwagen (KW) mindestens KW 50, d.h. mit 50 Tonnenmeter Leistung<br />
e) Medizinische Versorgungskomponente:<br />
Rettungsdienstkräfte für 20 bis 30 betroffene Personen (MANV)<br />
1 Notarzt mit NEF oder NAW für den Eigenschutz<br />
1 RTW für den Eigenschutz
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 5<br />
Zusammenfassend ergibt sich folgende Gesamtstärke für die Erstalarmierung:<br />
- 2 LZ<br />
- 1 TZ<br />
- 1 Einsatzleiter<br />
- 1 Führungsgruppe oder Führungsstab<br />
- 1 FGr Ortung<br />
- 1 FGr Räumen<br />
- 6 Trümmerrettungshunde<br />
- 1 KW 50<br />
- 1 ELW 2<br />
- 1 LNA<br />
- 1 OrgEL<br />
- 1 SanEL<br />
- 1 NEF oder NAW (Eigenschutz)<br />
- 1 RTW (Eigenschutz)<br />
- Rettungsdienstkräfte für 20 bis 30 betroffene Personen (MANV)<br />
- Bürgermeister / Oberbürgermeister<br />
- Energieversorgungsunternehmen<br />
- Fachberater des Technischen Hilfswerkes<br />
- Baufachberater / Statiker<br />
6. Bildung der örtlichen Einsatzleitung<br />
Bei Gebäudeeinstürzen gilt im Besonderen, dass der Schlüssel zu einer<br />
erfolgreichen Einsatzabwicklung im koordinierten Zusammenspiel aller beteiligten<br />
Einsatzkräfte liegt.<br />
Der Einsatzleitung kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung bei. Nur wenn die<br />
Führungskräfte der eingesetzten Organisationen gut zusammenarbeiten und das<br />
Miteinander leben, funktioniert auch das Zusammenwirken der Mannschaften.<br />
Die administrativ / organisatorische Leitung richtet sich nach dem Landesrecht.<br />
Die operativ / taktische Leitung richtet sich nach dem Landesrecht<br />
Ein Baufachberater soll mit der ersten Alarmierung zur Schadensstelle ausrücken<br />
und die Einsatzleitung während des Einsatzes ständig beraten.<br />
Die Polizei arbeitet mit der Einsatzleitung eng zusammen.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 6<br />
Aufgabenbezogene Abschnittsbildung für den Gebäudeeinsturz:<br />
Abschnitt<br />
Orten<br />
Retten<br />
EINSATZLEITUNG<br />
Abschnitt<br />
Sichern<br />
7. Fünf Phasen des Einsatzablaufs<br />
Baufachberater<br />
Pressesprecher<br />
Sicherheit<br />
Abschnitt<br />
Rettungsdienst<br />
Sanitätsdienst<br />
Abschnitt<br />
Bereitstellung<br />
Logistik<br />
Der Einsatzablauf kann bei einem Gebäudeeinsturz in fünf Phasen unterteilt werden.<br />
Diese fünf Phasen sollen allen beteiligten Einsatzkräften Leitfaden für technische<br />
Maßnahmen und taktische Überlegungen sein.<br />
Die fünf Phasen der Einsatzabwicklung basieren auf internationalen<br />
Einsatzerfahrungen. In den vorliegenden Hinweisen sind diese Erfahrungen den<br />
deutschen Verhältnissen angepasst.<br />
Die technischen Maßnahmen setzen sich aus Sicherungs-, Ortungs-, Zugangschaffen-,<br />
Befreiungs- und Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen zusammen.<br />
Das wichtigste bei den fünf Phasen der Einsatzabwicklung ist das vollständige<br />
Abarbeiten jeder Phase des Einsatzes.<br />
Übertriebene Schnelligkeit und unüberlegtes Handeln gefährden Verschüttete.<br />
Die fünf Phasen machen deutlich, dass die Feuerwehren bezüglich Material- und<br />
Personalausstattung bei einem Gebäudeeinsturz bzw. -teileinsturz schnell an ihre<br />
Grenzen stoßen. Deshalb ist es wichtig, im Einsatzfall umgehend die<br />
entsprechenden Einsatzkräfte, Hilfskräfte und Institutionen einzubinden. Diese<br />
verfügen über Personal- und Materialressourcen, welche die Abarbeitung des<br />
Einsatzes wesentlich erleichtern und verbessern.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 7<br />
Phase 1: Erkundung und Erstmaßnahmen<br />
Die ersten eintreffenden Einheiten sollen folgende technische Maßnahmen<br />
durchführen:<br />
1. Sicherungsmaßnahmen:<br />
Brandschutz sicherstellen<br />
Gefahrenbereich absperren<br />
Verkehr regeln und kontrollieren<br />
Gas / Wasser / Strom regeln und kontrollieren<br />
EX- und OX- Messungen durchführen<br />
Aus Trümmerschatten fernhalten (Eigenschutz)<br />
Trümmer nicht betreten<br />
2. Ortungsmaßnahmen:<br />
„Sehen und Hören“ von möglichen betroffenen Personen<br />
Erkunden der Randbereiche der Schadenstelle, nicht die Trümmerbereiche<br />
selbst!<br />
Befragen von Betroffenen und Augenzeugen zur Feststellung der Anzahl und<br />
letzten Aufenthaltsorte der Betroffenen<br />
3. Zugang-schaffen:<br />
K E I N E !<br />
4. Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen:<br />
Retten und Betreuen von Betroffenen<br />
Registrieren der Verletzten und Betroffenen<br />
5. Befreiungsmaßnahmen:<br />
K E I N E !<br />
Die ersten eintreffenden Einheiten müssen folgende taktische Überlegungen<br />
anstellen:<br />
• Anfahrt zur Schadenstelle<br />
• Aufstellung der Fahrzeuge an der Schadenstelle<br />
Die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung in Phase 1<br />
entspricht der Führungsstufe B nach Feuerwehr-Dienstvorschrift 100
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 8<br />
Phase 2: Durchsuchen und einfache Rettung<br />
Die Einheiten vor Ort sollen folgende technische Maßnahmen durchführen:<br />
1. Sicherungsmaßnahmen:<br />
Brandschutz sicherstellen<br />
Gefahrenbereich (Zutritt nur für Einsatzkräfte) und Absperrbereich (Zutritt für die<br />
erforderlichen Einsatz- und Unterstützungskräfte) festlegen, kennzeichnen und<br />
überwachen<br />
Schadenstelle auf mögliche Veränderungen hin beobachten<br />
Gas / Wasser / Strom regeln und kontrollieren (Folgemaßnahmen)<br />
EX- und OX- Messungen durchführen<br />
Räumen der angrenzenden, gefährdeten Bereiche der Schadenstelle<br />
2. Ortungsmaßnahmen:<br />
„Sehen und Hören“ von betroffenen Personen<br />
Leicht zugängliche und „sichere“ Räume in der Schadenstelle durchsuchen<br />
Befragen von Betroffenen und Augenzeugen zur Feststellung der Anzahl und<br />
letzten Aufenthaltsorte der Betroffenen<br />
3. Zugang-schaffen:<br />
Zugänge schaffen ohne Veränderung der Trümmerlage durch technisches<br />
Gerät<br />
Ausnahme: Der Einsatz von Leitern für Rettungsmaßnahmen ist erlaubt !<br />
4. Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen:<br />
Retten und Betreuen von Betroffenen<br />
Registrieren der Verletzten und Betroffenen<br />
5) Befreiungsmaßnahmen:<br />
K E I N E !
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 9<br />
Die Einheiten vor Ort müssen folgende taktische Überlegungen anstellen:<br />
Führungsorganisation:<br />
- Einsatzleitung aufbauen<br />
- Festlegung der Kommunikationswege<br />
Gliederung des Raumes:<br />
- Einsatzabschnitte festlegen<br />
- Anfahrt-/ Abfahrtwege festlegen<br />
- Bereitstellungsräume festlegen<br />
- Gefahrenbereiche und Absperrbereiche definieren<br />
- Aufstellbereiche, z.B. von Kränen, an der Schadenstelle<br />
festlegen<br />
- Verletztenablage einrichten<br />
Aufbau der Logistikstrukturen und<br />
frühzeitiges Nachfordern von Material u. Personal<br />
Pressearbeit<br />
Die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung in Phase 2<br />
entspricht den Führungsstufen B und C nach Feuerwehr-Dienstvorschrift 100
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 10<br />
Phase 3: Ortung und technische Rettung<br />
Die Einheiten vor Ort sollen folgende technische Maßnahmen durchführen:<br />
1. Sicherungsmaßnahmen:<br />
Absichern einsturzgefährdeter Bauteile<br />
Erforderliche Abstützungen und Aussteifungen herstellen<br />
Schadenstelle auf mögliche Veränderungen hin ständig beobachten<br />
EX- und OX- Messungen durchführen<br />
2. Ortungsmaßnahmen:<br />
„Horch-, Ruf-, Klopfmethode“ durchführen zur Lokalisierung Verschütteter<br />
Biologische Ortung (Trümmerrettungshunde) für gezielte Suche einsetzen<br />
Technische Ortung (Horchgeräte, Minikameras) für gezielte Suche einsetzen<br />
3. Zugang-schaffen:<br />
Zugänge schaffen unter Veränderung der Trümmerlage durch Einsatz<br />
von technischem Gerät<br />
4) Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen:<br />
Medizinische Versorgung und Betreuung von Betroffenen<br />
Registrieren der Verletzten und Betroffenen<br />
5) Befreiungsmaßnahmen:<br />
Retten von Betroffenen aus der Zwangslage und anschließender Transport aus<br />
der Schadenstelle zur Verletztenablage<br />
Die Einsatzleitung vor Ort muss folgende taktische Überlegungen anstellen:<br />
Einsatzdauer abschätzen und beachten<br />
Reservebildung berücksichtigen<br />
Einsatzdokumentation: Schichtweise Darstellung der Schadenstelle<br />
Trümmerablageplatz einrichten<br />
Spezialgeräte nachfordern<br />
Die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung in Phase 3<br />
entspricht den Führungsstufen C nach Feuerwehr-Dienstvorschrift 100
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 11<br />
Erst nach Abschluss von Phase 3 soll Phase 4 eingeleitet werden, d.h. wenn es<br />
momentan zu keinen weiteren Ortungen kommt, soll gezielt zu vermuteten Personen<br />
vorgedrungen werden.<br />
Bei Bedarf soll wieder zu Phase 3 zurückgekehrt werden, d.h. wenn die<br />
Schadenstelle durch Veränderung der Trümmerlage ein neues Schadenbild ergibt.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 12<br />
Phase 4: Gezieltes Vordringen zu vermuteten Personen<br />
Die Einheiten vor Ort sollen folgende technische Maßnahmen durchführen:<br />
1. Sicherungsmaßnahmen:<br />
Absichern einsturzgefährdeter Bauteile<br />
Erforderliche Abstützungen und Aussteifungen herstellen<br />
Schadenstelle auf mögliche Veränderungen hin ständig beobachten<br />
EX- und OX- Messungen durchführen<br />
2. Ortungsmaßnahmen: (nach Bedarf)<br />
„Horch-, Ruf-, Klopfmethode“ durchführen zur Lokalisierung Verschütteter<br />
Biologische Ortung (Trümmerrettungshunde) für gezielte Suche einsetzen<br />
Technische Ortung (Horchgeräte, Minikameras) für gezielte Suche einsetzen<br />
Sichtkontrolle<br />
3. Zugang-schaffen:<br />
Zugänge schaffen unter Veränderung der Trümmerlage durch Einsatz<br />
von technischem Gerät<br />
4. Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen:<br />
Medizinische Versorgung und Betreuung von Betroffenen<br />
Registrieren der Verletzten und Betroffenen<br />
5. Befreiungsmaßnahmen:<br />
Retten von Betroffenen aus der Zwangslage und anschließender Transport aus<br />
der Schadenstelle zur Verletztenablage<br />
Die Einsatzleitung vor Ort muss folgende taktische Überlegungen anstellen:<br />
Dokumentation der Schadensituation (Lagekarten, Bildlicher Nachweis)<br />
Die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung in Phase 4<br />
entspricht der Führungsstufe C nach Feuerwehr-Dienstvorschrift 100.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 13<br />
Die Entscheidung „Retten beendet – Einleitung Bergen“, d.h. Phase 4 ist beendet<br />
und Phase 5 beginnt, trifft die Einsatzleitung.<br />
Bei Entdecken von weiteren Hohlräumen, oder bei Anzeichen von Leben während<br />
der Bergungsmaßnahmen muss sofort Phase 5 abgebrochen werden und die<br />
Arbeiten müssen analog Phase 3 oder 4 erneut beginnen!
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 14<br />
Phase 5: Abschließende Maßnahmen<br />
Die Einheiten vor Ort sollen folgende technische Maßnahmen durchführen:<br />
1. Sicherungsmaßnahmen:<br />
Absichern einsturzgefährdeter Bauteile<br />
Erforderliche Abstützungen und Aussteifungen erstellen<br />
Schadenstelle auf mögliche Veränderungen hin ständig beobachten<br />
EX- und OX- Messungen durchführen<br />
2. Ortungsmaßnahmen:<br />
In regelmäßigen Abständen und beim Öffnen von Zugängen wird weiterhin auf<br />
Lebenszeichen geachtet, sowie die Lage von getöteten Opfern ermittelt (bei<br />
Lebenszeichen analog Phase 3 oder 4)<br />
Sichtkontrolle<br />
3. Zugang-schaffen:<br />
Vorsichtiges Abtragen der Trümmer durch Einsatz von Autokranen und<br />
Schuttmulden. In Bereichen, die mit Sicherheit frei von Überlebenden sind, kann<br />
schweres Räumgerät verwendet werden<br />
4. Lebenserhaltende Sofortmaßnahmen:<br />
K E I N E ! (bei Auffinden von Überlebenden wird mit Phase 3 fortgefahren!)<br />
5. Befreiungsmaßnahmen:<br />
Bergen von Personen, Tieren und Sachen in Abstimmung mit den<br />
Ermittlungsbehörden<br />
Die Einsatzleitung vor Ort muss folgende taktische Überlegungen anstellen:<br />
Übergabe der Einsatzstelle und Feststellung des Einsatzendes<br />
Die Gliederung und die personelle Besetzung der Einsatzleitung in Phase 5<br />
entspricht der Führungsstufe C nach Feuerwehr-Dienstvorschrift 100
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 15<br />
8. Allgemeine Empfehlungen zur Vorgehensweise am Einsatzort<br />
und zur Zusammenarbeit der einzelnen Organisationen und<br />
Fachbereiche<br />
a) Bei Gebäudeeinstürzen bzw. Teileinstürzen Disziplin und Ruhe bewahren,<br />
koordiniert an der Schadenstelle vorgehen, denn das schützt mögliche<br />
Verschüttete und ist der beste Garant für den Eigenschutz.<br />
b) Alle an und in der Schadenstelle eingesetzten Kräfte bei ihrem Eintreffen an der<br />
Einsatzstelle registrieren, nur so kann ihre Sicherheit garantiert werden.<br />
c) Zum Eigenschutz sollen alle an und in der Schadenstelle tätigen Kräfte über<br />
Mund- und Augenschutz verfügen!<br />
d) Aufgrund der starken psychischen und physischen Belastung der Einsatzkräfte<br />
muss die Einsatzleitung rechtzeitig an Betreuungseinheiten für die Einsatzkräfte<br />
denken (auch Einsatzkräftenachbetreuung)!<br />
e) Um den Einsatz möglichst effizient abwickeln zu können, sollen bestehende<br />
Einheiten grundsätzlich nicht getrennt werden!<br />
f) Bei Gebäudeeinstürzen bzw. Teileinstürzen, nie alleine an oder in der<br />
Schadenstelle bewegen oder aufhalten!<br />
g) Externe Dienstleister, wie z.B. Abrissunternehmen oder Kranfirmen, sollen nur auf<br />
Anweisung und unter ständiger Kontrolle von Fachpersonal arbeiten. Diese<br />
Firmen beherrschen zwar ihre Gerätschaften perfekt, der einsatztaktische bzw.<br />
einsatztechnische Hintergrund fehlt ihnen aber meistens!<br />
h) Die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Fachgruppen muss<br />
gewährleistet sein, damit sie sich nicht gegenseitig behindern. So ist es<br />
besonders wichtig, dass sich die Ortungseinheiten mit den Rettungseinheiten<br />
absprechen, da sonst eine reibungslose Ortung durch gleichzeitige<br />
Rettungsaktionen gestört wird!<br />
i) Während des Rettungshundeeinsatzes dürfen sich keine Personen auf dem<br />
Trümmer bzw. in unmittelbarer Nähe am Trümmer aufhalten. Rettungshunde<br />
reagieren auf jegliche menschliche Witterung und versuchen diese zu<br />
lokalisieren. Einsatzkräfte, die sich im Suchgebiet aufhalten, sind eine Störquelle<br />
für den Hund. Er weiß auf eine gewisse Distanz hin nicht, ob es sich bei der<br />
aufgenommenen Witterung um die verschüttete Person oder um eine Einsatzkraft<br />
handelt.<br />
j) Wegen der kriminalpolizeilichen Aufklärung eines Schadenereignisses ist es<br />
wichtig, dass die Einsatzkräfte Beweis sichernde Maßnahmen mit Polizei oder<br />
Staatsanwaltschaft abstimmen!<br />
k) Für den reibungslosen Einsatzablauf und zum Eigenschutz sind einheitliche und<br />
im Vorfeld abgesprochene Kommandos wichtig. Standardisierte Kommandos sind<br />
z.B. „Ruhe für die Ortung!“ und „Achtung Rückzug!“
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 16<br />
9. Funktion des Baufachberaters<br />
Da bei der Einsatzabwicklung von Gebäudeeinstürzen bzw. Teileinstürzen immer<br />
statische Probleme auftauchen und zu lösen sind, ist das Hinzuziehen eines<br />
Baufachberaters unabdingbar.<br />
Er berät die örtliche Einsatzleitung an und in der Schadenstelle bezüglich<br />
Einschätzung der Resttragfähigkeit des Gebäudes sowie der Vorgehensweise bei<br />
den Ortungs- und Rettungsaktionen.<br />
Der Baufachberater soll ein Baufachmann mit mehrjähriger Berufserfahrung sein,<br />
sowie über eine ergänzende Ausbildung oder Schulung für den Einsatz bei<br />
Gebäudeeinstürzen verfügen. Solche Schulungen werden zum Beispiel von der<br />
Universität Karlsruhe jährlich angeboten.<br />
Der Baufachberater soll mit der ersten Alarmierung zur Schadenstelle<br />
ausrücken und die Einsatzleitung während des Einsatzes ständig beraten.<br />
10. Einsatzmittelplanung<br />
Gebäudeeinstürze bzw. Teileinstürze kommen selten vor.<br />
Für die Bewältigung der Einsatzsituation sind aber meist eine große Anzahl der<br />
verschiedensten Gerätschaften und Hilfsmittel notwendig.<br />
Die unterschiedlichen Einsatzorganisationen können sich nicht alle im Einsatzfall<br />
relevanten Ausrüstungsgegenstände beschaffen und vorhalten.<br />
Aus diesem Grund muss im Rahmen der Einsatzvorbereitung eine<br />
Einsatzmitteldatenbank erstellt werden<br />
Inhalt der Datenbank:<br />
o Einsatzmittel<br />
o Beschreibung und Standort des Einsatzmittels<br />
o Mietformalitäten<br />
o Erreichbarkeiten (Tagsüber, Nachts, Urlaubszeit,...)<br />
Im folgenden sind einige wichtige Einsatzmittel aufgeführt. Diese Liste ist nicht<br />
abschließend.<br />
o Bausteifen<br />
o Schnitt- und Stützholz<br />
o Transportkapazitäten für Schutt<br />
o Förderbänder<br />
o Saugbagger<br />
o Schuttcontainer und<br />
Schuttrutschen<br />
o Mobilkräne ab 50 Tonnenmeter<br />
Leistung plus Arbeitskörbe<br />
o Radlader<br />
o Bagger und Abbruchgreifer<br />
o Endoskopkamera zur<br />
Lokalisierung Verschütteter<br />
o Personenradargeräte zur<br />
Lokalisierung Verschütteter<br />
o Teleskoparbeitsbühnen<br />
o Zelte für die Logistik oder<br />
Betreuung<br />
o Warmluftgebläse<br />
o Auffangnetze<br />
o Gerüste<br />
o Schmutz- / und<br />
Schlammpumpen<br />
o Stromerzeuger<br />
o Generatoren und<br />
Beleuchtungsmittel
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 17<br />
11. Aus- und Fortbildung<br />
Für eine erfolgreiche und effektive Einsatzabwicklung ist die Aus- und Fortbildung der<br />
Führungs- und Einsatzkräfte erforderlich.<br />
Oft ist nicht die organisationsinterne Ausbildung das Problem, sondern das fehlende<br />
Üben des reibungslosen Zusammenspiels aller Organisationen bei gemeinsamen<br />
Übungen.<br />
Die organisationsübergreifende Zusammenarbeit muss gefördert werden.<br />
Regelmäßige gemeinsame Großübungen an realistischen Trümmerlagen, wie z.B.<br />
große Abrissobjekte, sind eine gute Gelegenheit das Zusammenspiel zu trainieren.<br />
Dabei soll richtig handwerklich geübt werden, da Simulationen nur selten die<br />
psychischen und physischen Belastungen eines Einsatzes nach Gebäudeeinstürzen<br />
bzw. Teileinstürzen widerspiegeln können.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 18<br />
Anhang<br />
Die „biologische Ortung“ – der Rettungshundeeinsatz<br />
Im Folgenden soll die biologische Ortung und ihre Einsatzkriterien näher vorgestellt<br />
werden. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass Rettungshunde zwar immer<br />
wieder zum Einsatz kommen , die meisten Organisationen und Stellen aber wenig<br />
über das Einsatzmittel Hund wissen.<br />
Es gibt verschiedene Organisationen und Vereine, die Rettungshundearbeit<br />
anbieten.<br />
Deutschlandweit gibt es keine gemeinsame Ausbildungs- bzw. Prüfungsordnung für<br />
Rettungshundeteams!<br />
Eine Arbeitsgruppe von ASB, DRK, JUH und THW erarbeitet derzeit<br />
Qualitätsmerkmale für die Erfüllung der DIN 13050.<br />
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die alarmierenden Stellen, d.h. Polizei,<br />
oder Feuerwehr, im Rahmen der Einsatzvorbereitung die<br />
Rettungshundestaffeln vor Ort kennen lernen, und sich ein Bild von deren<br />
Leistungsfähigkeit machen.<br />
Der nächste Schritt ist es, gemeinsame Übungen zu absolvieren. Denn nur wer sich<br />
kennt und weiß, wo die Leistungsgrenzen des anderen liegen, wird im Einsatzfall gut<br />
zusammenarbeiten können.<br />
Die Ehrlichkeit aller beteiligten Kräfte ist hierbei wichtig. So müssen die<br />
alarmierenden Stellen wissen, dass es einige wenige Situationen gibt, in denen der<br />
Hund nicht einsetzbar ist oder keine Witterung aufnehmen kann. Hinderliche<br />
Faktoren sind beispielsweise Chemikalien, total abgeschlossene Räume, starke<br />
Hitzeentwicklung aus den Trümmern oder ungünstige Witterungsverhältnisse. Der<br />
Staffelleiter kann darüber Auskünfte erteilen.<br />
In diesen Situationen besteht eine größtmögliche Chance für den Überlebenden in<br />
der Verbindung Hund und Technische Personenortungsgeräte<br />
Gerade bei Flächensuch- und Trümmersucheinsätzen kam es in der Vergangenheit<br />
immer wieder zu unbeabsichtigten Störungen der Hundeteams durch andere<br />
Einsatzkräfte, welche über das Vorgehen einer Rettungshundestaffel zu wenig<br />
wussten.<br />
Die wichtigsten Punkte, die bei einem Rettungshundeeinsatz, egal ob Flächensuche<br />
(= Suche nach vermissten Personen in unwegsamen Gelände) oder Trümmersuche<br />
(= Suche nach verschütteten Personen unter Trümmerteilen oder anderen<br />
Materialien), beachtet werden sollen, sind:
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 19<br />
1. Alarmierung der Staffeln über die Leitstellen muss zeitgleich mit den anderen<br />
Einsatzkräften erfolgen.<br />
Alarmierungswege, Ausrückzeiten, Anzahl der geprüften beziehungsweise<br />
einsatzfähigen Hunde und Staffelmannschaftsstärken im Rahmen der<br />
Einsatzvorbereitung erfassen.<br />
2. Einbeziehung des Staffelleiters in die örtliche Einsatzleitung.<br />
Der Staffelleiter teilt mit, an welchen Stellen der Einsatz der Hunde sinnvoll ist,<br />
und legt dann in Absprache mit der örtlichen Einsatzleitung die Suchtaktik fest.<br />
3. Dort wo Hunde suchen, dürfen keine anderen Einsatzkräfte gleichzeitig arbeiten!<br />
Bei Trümmerschadenlagen gilt der Grundsatz: während der Rettungshund<br />
arbeitet hält sich niemand a u f oder unmittelbar a m Trümmer auf!<br />
Die Hunde sind durch ihre hervorragenden Nasen in der Lage, schnellstmöglich<br />
eine große Fläche abzusuchen. Daher soll der Einsatzleiter den Staffeln die Zeit<br />
zur Suche zugestehen<br />
4. Nach erfolgter Ortung durch die Hundeteams werden andere Einsatzkräfte<br />
herangezogen.<br />
In der Flächensuche wird die vermisste Person durch den Hundeführer, an das<br />
Rettungsdienstpersonal oder an Bergungs-/Transportkräfte übergeben.<br />
Im Trümmereinsatz wird nach der Ortung durch den Hund, ein zweiter, oftmals<br />
sogar ein dritter Hund, zur Nachortung herangezogen, um die erste Anzeige zu<br />
bestätigen bzw. zu konkretisieren. Der Hundeführer und sein Helfer (wegen des<br />
Eigenschutzes geht ein Hundeführer nur mit einer Hilfsperson in den Einsatz!)<br />
weisen die Rettungs-/Bergemannschaften ein. Diese versuchen die verschüttete<br />
Person freizulegen.<br />
Bei tiefer verschütteten Personen mit unklarer Lage werden die Hunde nach<br />
Abtragen der ersten Schichten erneut, ohne Anwesenheit von anderen<br />
Einsatzkräften (siehe Punkt 3), zur Suche gebracht<br />
Diese Vorgehensweise wiederholt sich so oft, bis die verschüttete Person genau<br />
lokalisiert ist und gerettet werden kann.<br />
Nach Abschluss eines Suchauftrages wird die Schadenstelle weiter abgesucht,<br />
bis der Hund erneut Witterung bekommt.<br />
Zur Unterstützung einer erfolgten Anzeige durch die Hunde können technische<br />
Hilfsmittel eingesetzt werden. Diese Geräte ermöglichen den Einsatzkräften,<br />
sich ein genaues Bild von der unmittelbaren Umgebung der verschütteten<br />
Person machen zu können. Die so gewonnenen Detailinformationen sind<br />
wichtig für die weitere Vorgehensweise bei der Rettung!<br />
Wichtig bei Trümmereinsätzen ist das disziplinierte Vorgehen der Einsatzkräfte.<br />
Es kann nur Rettungen nach erfolgten Ortungen geben.<br />
Auf Grund der Witterung kann es nötig sein den Trümmerhaufen mehrmals von<br />
verschiedenen Seiten her abzusuchen. Auch kann es erforderlich werden, den<br />
Trümmerhaufen ohne konkrete Ortungen vorsichtig durch Abtragen von<br />
Trümmerteilen zu verändern.<br />
Danach sollten die Suchhunde wieder zum Einsatz kommen.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 20<br />
Schadenelemente und dazugehörende Rettungsverfahren<br />
Die Einteilung der Trümmerstrukturen in Schadenelemente ermöglicht es, die<br />
geeigneten Verfahren zur Rettung Verschütteter aus dieser Situation<br />
zusammenzustellen. Abhängig von den Baustoffen der Trümmer können dann<br />
Maschinen und Geräte ausgewählt werden. Baustoffspezifische Probleme und<br />
Lösungen werden genannt. Die folgende Zusammenstellung von Susanne<br />
Hirschberger, Michael Markus und Armin Schweda berücksichtigt die Erfahrungen<br />
aus Einsatzberichten und aus der Baupraxis.<br />
Halber Raum / Rutschfläche<br />
Eine Rutschfläche ist ein flächenhaftes<br />
Trümmerteil, das sich in oder auf der<br />
Trümmerstruktur befindet. Häufig<br />
handelt es sich um eine Decke, die<br />
einseitig ihr Auflager verloren hat.<br />
Überlebende können sich am Fußpunkt<br />
der Rutschfläche oder unter der<br />
Rutschfläche in einem Hohlraum<br />
Abbildung 1.1: Einseitiges Abstützen eines 6,5 t<br />
befinden. Rutschflächen wirken meist schweren Trümmerstücks mit einem<br />
Teleskoplader [THW, 1998]<br />
stabilisierend und aussteifend auf die<br />
Trümmerstruktur und sollten nach Möglichkeit nicht entfernt werden. Vor Beginn der<br />
Rettungsarbeiten ist die Stabilität der Rutschfläche und der sie tragenden Bauteile zu<br />
untersuchen. Liegt sie noch einseitig auf einer Wand auf oder lehnt an diese an oder<br />
ist sie noch über Bewehrung mit der Wand oder einer anschließenden Decke<br />
verbunden, so wirken Horizontalkräfte auf diese Wand. Das Abstützen dieser Wand<br />
kann notwendig werden (Abbildung 1.1), besonders Mauerwerkswände werden<br />
durch Horizontalkräfte schnell überlastet.<br />
frei liegend,<br />
oder eingebettet<br />
frei hängend<br />
Abbildung 1.2: Lage von Rutschflächen<br />
angeschlossen<br />
aufliegend<br />
angeschlossen<br />
eingebettet
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 21<br />
Die von einer Rutschfläche belastete Decke erfährt eine zusätzliche Linienbelastung<br />
und muß eventuell unterstützt werden. Bei Betondecken ist der Zuwachs zur<br />
normalen Belastung - bedingt durch das große Eigengewicht der<br />
heruntergebrochenen Decke - größer als bei anderen Baumaterialien. So belastete<br />
Betondecken sollten deshalb überprüft werden. Sowohl Betondecken als auch<br />
Holzdecken können beim Herunterfallen und Aufschlagen erhalten bleiben oder<br />
auseinanderbrechen. Dabei brechen Holzdecken meist parallel zu den Balken,<br />
Betondecken häufig parallel zu der Auflagefläche. Die Decke kann auch in zwei Teile<br />
brechen und zwei gegenläufige Rutschflächen bilden. Muß eine Rutschfläche<br />
angehoben oder belastet werden, ist mit ihrem Zusammenbrechen zu rechnen. Die<br />
Spannrichtung sowohl bei Stahlbeton- als auch bei Holzdecken ist beim Anschlagen<br />
zu berücksichtigen, damit die Decken beim Anheben entsprechend ihrer<br />
Spannrichtung belastet sind. Stahlbetonwände sind weitaus geringer mit Baustahl<br />
bewehrt als Decken und knicken leicht bei einer Belastung senkrecht zur<br />
Wandfläche.<br />
Die verschiedenen Vorgehensweisen, Verschüttete aus dem halben Raum oder am<br />
Fuß der Rutschfläche zu retten, sind beim Schadenelement Schichtung angegeben.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 22<br />
Schichtung<br />
Eine Schichtung kann bei der Zerstörung eines mehrgeschossigen Gebäudes<br />
entstehen durch abgelöste Geschoßdecken, die sich geneigt übereinander stapeln.<br />
Eine Schichtung kann auch aus umgestürzten Wänden gebildet werden, bzw. aus<br />
einer Kombination von Wänden und Geschoßdecken. Oft gibt der Neigungswinkel<br />
der Schichten Aufschluß über die Menge der eingelagerten Kleintrümmer. Steilere<br />
Schichtungen weisen geringere Schuttfüllungen auf als flachere Schichtungen, da<br />
die Decken mehr Zeit für die Drehbewegung benötigen, während die zwischen den<br />
Decken befindlichen Gegenstände herausfallen können. Verschüttete können am<br />
Fuß der obersten Schicht liegen, zwischen den Schichten eingeklemmt sein oder im<br />
Hohlraum unter der untersten Schicht gefunden werden. Gegenüber dem halben<br />
Raum bzw. der Rutschfläche hat dieses Schadenelement die Erschwernis, daß<br />
mehrere großflächige Trümmer übereinander liegen. Wie bei der Rutschfläche sind<br />
die durch die Trümmer belasteten Bauteile, also Decke unterhalb und abstützende<br />
Wand auf ihre Tragfähigkeit und Risse hin zu untersuchen und abzustützen.<br />
In dem Sonderfall, daß der Verschüttete am<br />
Fuß der obersten Schicht liegt, muß die<br />
Schichtung nicht bearbeitet werden, sondern<br />
der Verletzte kann direkt geborgen werden.<br />
Es muß jedoch auf die Stabilität der<br />
Schichten geachtet werden und die<br />
Schichtung sollte erst von Helfern betreten<br />
werden, wenn die Tragfähigkeit festgestellt<br />
wurde.<br />
Abbildung 1.3: Verschütteter am Fußpunkt<br />
einer Schichtung<br />
Die Trümmer am Fußende der Schichtung wirken meist stabilisierend. Bevor sie<br />
entfernt werden, müssen die großflächigen Trümmerteile gegen Nachrutschen<br />
gesichert werden. Als Sicherung können Bausprießen oder Holzstempel verwendet<br />
werden. Die Last ist flächig in das Trümmerteil und in die Baustruktur einzuleiten.<br />
Ebenfalls möglich ist die Verankerung am Boden. Dazu können Erdnägel verwendet<br />
werden, die in Bohrungen gesteckt werden.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 23<br />
Bei allen anderen Lagen des Verschütteten hat das seitliche Eindringen Priorität bei<br />
der Wahl der Vorgehensweise. Keinesfalls die Trümmer betreten, wenn darunter<br />
Verschüttete vermutet werden! Ist es nicht möglich, direkt zwischen die Schichten zu<br />
gelangen wird ein seitlicher Wanddurchbruch durchgeführt. Hierzu sollten sich die<br />
Rettungskräfte mittels Probe- und Sichtbohrungen zuerst einen Einblick verschaffen.<br />
Minikameras und Endoskope sind dafür besonders geeignet, weil nur kleine<br />
Öffnungen geschaffen werden müssen, die weniger aufwendig sind und einen<br />
geringeren Einfluß auf die Statik haben als große Beobachtungsdurchbrüche. Um ein<br />
Abrutschen, ausgelöst durch Erschütterungen während der Arbeiten zu verhindern,<br />
muß die oberste Schicht am Fußpunkt gesichert werden. Bei Stahlbetonwänden<br />
kann auch ein Durchbruch durch die die Schichtung tragende Wand geführt werden,<br />
da eine 60cm × 60cm große Öffnung sie nicht sehr schwächt, wenn sie nicht bereits<br />
durch andere Einflüsse geschädigt ist [Hirschberger, 1999]. Diese Wand sollte in<br />
jedem Fall durch Querwände genügend ausgesteift sein damit sie die zusätzliche<br />
horizontale Belastung durch die geschichteten Decken ertragen kann. Falls sie<br />
kippgefährdet ist, muß sie ausgesteift werden. Je nach Lage des Verschütteten oder<br />
wenn die Wände nicht durchbrochen werden können, kann man sich auch für eine<br />
Bearbeitung der Schichten entscheiden. Eine weitere Möglichkeit ist ein<br />
Deckendurchbruch vom darunterliegenden Geschoß aus, wobei diese Decke schon<br />
durch die große zusätzliche Last geschwächt ist und abgestützt werden muß.<br />
Beim vollständigen Entfernen großer Trümmerteile muß überprüft werden, ob diese<br />
noch über Bewehrungsstahl oder anderweitig mit der Gebäudestruktur verbunden<br />
sind. Es besteht die Gefahr, daß die Struktur beschädigt wird, oder daß Trümmerteile<br />
beim Anheben nachgeben und rutschen.<br />
Liegt der Verschüttete unter der obersten<br />
Schicht, so kann, wenn ein Wanddurchbruch<br />
(1,6) nicht möglich ist, die oberste Schicht<br />
umgeklappt (2), angehoben (3), sie kann<br />
entfernt (4) oder durchbrochen (5) werden.<br />
Abbildung 1.4: Verschütteter zwischen den Schichten<br />
6<br />
2<br />
4<br />
5<br />
1<br />
3
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 24<br />
Liegt der Verschüttete unter mehreren Schichten, so ist ein Anheben der Schichten<br />
am Fußpunkt nicht sinnvoll, da dies nicht genügend Raum zur Bearbeitung der<br />
nächsten Schicht bietet. Es verbleiben die Möglichkeiten eines seitlichen<br />
Durchbruchs, des Aufklappens der einzelnen Schichten sowie die Schichten zu<br />
durchdringen. Eine Schicht kann auch entfernt werden. Hierzu ist ein geeignetes<br />
Hebegerät wie z.B. ein Fahrzeugkran erforderlich.<br />
Insgesamt sollten so wenig wie möglich Trümmer bewegt werden. Die Trümmerteile<br />
sind stets gegen Herabrutschen und Verschiebung zu sichern. Dies ist über<br />
Holzkonstruktionen möglich, die schnell und individuell angefertigt werden können.<br />
Als Verbindung sind Gewindestangen und Schraubverbindungen besonders<br />
geeignet, da das Herstellen der Verbindung vor Ort erfolgen kann und keine<br />
Erschütterungen verursacht. Bausprießen sind zwar schneller einzusetzen, müssen<br />
aber noch zusätzlich stabilisiert oder fixiert werden, damit sie bei Bewegung der<br />
Trümmer gegeneinander nicht abrutschen.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 25<br />
Ausgefüllter Raum<br />
Dieses Schadenelement wird auch als<br />
ausgegossener Raum bezeichnet und nach<br />
der Art des ausfüllenden Materials<br />
unterschieden. Es gibt geringe<br />
Überlebenschancen, bei Flüssigkeiten sehr<br />
geringe.<br />
Ausgefüllter Raum mit<br />
Flüssigkeit<br />
Trümmer<br />
Schichtung<br />
Abbildung 1.5: Piktogramme „Ausgefüllter<br />
Raum“<br />
Das Schadensbild tritt häufig in einem Untergeschoß auf; dabei können benachbarte<br />
Räume frei bleiben. Abhängig von der Lage der Trümmerteile besteht die Gefahr,<br />
daß die Wand zum freigebliebenen Raum einstürzt. Abstützungen sind vorzusehen.<br />
Befindet sich ein intaktes Stockwerk unterhalb, ist zusätzlich von unten abzustützen,<br />
da die Deckenlast höher als die Verkehrslast sein wird.<br />
Flüssigkeiten, meistens Löschwasser, Leitungswasser aus einem Leck oder<br />
Regenwasser sollten so schnell als möglich abgesaugt werden. Die weitere<br />
Vorgehensweise ist in den folgenden Abschnitten über Schichtung und<br />
Trümmerkegel beschrieben. Der Zugang ist nach Möglichkeit von der Seite zu<br />
wählen und es ist parallel zu den Schichten vorzudringen. Da der Raum meist dicht<br />
ausgefüllt ist sollten Beobachtungsbohrungen in die den ausgefüllten Raum<br />
umschließende Wand gesetzt werden. Mit einem Endoskop oder einer speziellen<br />
Suchkamera sollte dann überprüft werden, an welcher Stelle überlebensnotwendige<br />
Hohlräume einen Wanddurchbruch rechtfertigen.<br />
Horizontale Schichtung<br />
Das Schadenelement der horizontalen Schichtung wird zum einen bei Gebäuden mit<br />
Stahlbetondecken, das sind solche in Skelettbauweise, Mauerwerksbauweise oder<br />
Tafelbauweise angetroffen. Zum anderen können auch Holzskelettgebäude mit<br />
diesem Schadenelement zusammenbrechen. Eine horizontale Schichtung kann<br />
durch das Versagen von Stützen oder tragenden Wänden entstehen. Bei Gebäuden<br />
mit Flachdecken entsteht sie, indem sich die Stützen durch die Decken<br />
durchstanzen. Dabei kann nur ein einzelnes Geschoß vom Erdgeschoß bis zum
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 26<br />
obersten Stockwerk betroffen sein oder mehrere Geschosse oder das ganze<br />
Gebäude bricht mit horizontal geschichteten Decken zusammen. Abhängig vom<br />
Stockwerk, in dem sich eine horizontale Schichtung gebildet hat und von den<br />
Zugangsmöglichkeiten, werden unterschiedliche Maßnahmen zur Rettung<br />
Verschütteter ergriffen. Sind nach dem Einsturz noch Stockwerke oberhalb oder<br />
unterhalb der Schichtung erhalten geblieben, ist deren Zustand zu untersuchen und<br />
gegebenenfalls Abstützmaßnahmen einzuleiten.<br />
Bei vielen Schadensereignissen hat sich gezeigt, daß horizontale Schichtungen sehr<br />
stabil sind. Erschütterungen, die durch den nachträglichen Einsturz von umliegenden<br />
Gebäuden herrühren, können jedoch die Schichtungen gefährden. Weitere<br />
Zusammenbrüche können auch durch das Entfernen von Trümmerteilen verursacht<br />
werden. Deshalb sollten die Trümmer in einer Schichtung, die als Auflager für die<br />
darüberliegenden Teile dienen, nicht entfernt oder geschwächt werden. Wenn die<br />
Schichtung auf einem oder mehreren erhaltenen Stockwerken ruht, liegen die<br />
Trümmerteile meist direkt auf der obersten Decke der erhaltenen Stockwerke. Somit<br />
wird diese Decke zusätzlich auf Biegung beansprucht. Die ursprünglichen<br />
Belastungen, die von den Wänden oder Stützen in die darunterliegenden vertikalen<br />
Bauteile weitergeleitet wurden, müssen jetzt von der Decke ertragen werden. Schon<br />
bei flach geneigten Schichtungen sollte untersucht werden, ob ein Gleiten<br />
zuverlässig durch Trümmerteile, Anschlußbewehrung etc. behindert wird oder ob<br />
Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Auch wenn das ganze Gebäude in<br />
einer horizontalen Schichtung zusammengebrochen ist, können sich noch<br />
Kellergeschosse darunter befinden, die unversehrt sind.<br />
Diejenigen Bauteile oder Trümmerteile, die für den Abstand zwischen den einzelnen<br />
Schichten verantwortlich sind, sind zu identifizieren, um deren Versagensgefahr<br />
abzuschätzen. Versagen kann Zusammenbrechen, Knicken oder seitliches<br />
Wegkippen bedeuten. Schichtungen, in denen Unterzüge oder liegende Stützen die<br />
Deckenauflager bilden, sind meist stabil. Halten Einrichtungsgegenstände den<br />
Abstand der Decken untereinander, können diese ohne Vorwarnung versagen. Hier<br />
sind nach Möglichkeit Abstützungen anzubringen. Veränderungen der<br />
Trümmerstruktur müssen genau beobachtet werden.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 27<br />
Grundsätzlich kann parallel zu den Schichten in das Gebäude eingedrungen werden<br />
oder mittels Deckendurchbruch von oben oder von unten.<br />
Voraussetzung für umfangreiche Arbeiten in der Schichtung und die Wahl des<br />
Einstiegspunktes ist die vorherige Ortung oder auch nur die Abschätzung der<br />
wahrscheinlichen Lage eventueller Überlebender anhand von Tageszeit, Nutzungsart<br />
des Gebäudes und Raumaufteilung der Stockwerke.<br />
Der seitliche Zugang in die<br />
Schichtung ist meist einfacher als der<br />
mittels Deckendurchbruch. In großen<br />
Höhen muß unter Verwendung von<br />
Drehleiter, Hubarbeitskorb oder nach<br />
Abseilen von oben an den Einstiegsort<br />
gelangt werden. Auch ein Einstieg nach<br />
einem Wanddurchbruch von einem<br />
Nachbargebäude aus ist möglich. Meist Abbildung 1.6: Eindringen in eine Schichtung<br />
parallel zu Unterzügen, liegenden Stützen oder<br />
ist nur das Vordringen parallel zu Wänden größerer Dicke (z.B. Brandwände)<br />
umgestürzten Stützen oder Unterzügen<br />
möglich. Ein Durchbruch durch diese Elemente innerhalb der Schichtung ist äußerst<br />
zeitaufwendig, da diese Elemente stark bewehrt sind. Zudem ist eine Veränderung<br />
tragender Elemente der Trümmerstruktur zu vermeiden. Die schweren<br />
Durchbrucharbeiten sind unter beengten Platzverhältnissen nur langsam möglich.<br />
Wenn kein anderer Zugang zu einem georteten Verschütteten möglich ist, muß aber<br />
auch diese erwogen werden.<br />
Grundsätzlich gilt für das horizontale Vordringen in Trümmerstrukturen:<br />
• Geeignete Schutzausstattung tragen<br />
• Immer dicht an tragfähigen Bauteilen oder Einrichtungsgegenständen bleiben, so<br />
daß bei Einsturz der darüberliegenden Decke ein Überlebensraum mit<br />
dreieckigem Querschnitt verbleibt.<br />
• Veränderung wie Verschieben, Schwächen oder Zerstören tragender Elemente<br />
der Trümmerstruktur möglichst unterlassen.<br />
• Besser Hindernisse umgehen als entfernen; vorhandene Öffnungen gezielt<br />
suchen.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 28<br />
• Eventuell Abstützungen (Holz, kurze Stahlsprieße, Trümmerteile, Hydraulikheber)<br />
anbringen, bei Rißbildung, großer Spannweite der Decke oder schwacher<br />
tragender Trümmerstruktur zwischen den Decken.<br />
• Kontakt zum Team außerhalb durch Schnur, Sprechverbindung (Funk oder<br />
Kabel), optisch und per Zuruf.<br />
• Möglichst mit zwei Personen zur gegenseitigen Unterstützung vorgehen.<br />
• Lagepläne und Skizzen der Räumlichkeiten und der durchsuchten Räume<br />
erstellen.<br />
Für das senkrechte Eindringen in die<br />
horizontale Schichtung von unten oder von<br />
oben müssen Deckendurchbrüche hergestellt<br />
werden. Bei einem Durchdringen der<br />
horizontalen Schichtung von oben kann jeder<br />
Durchbruch um eine Standfläche kleiner<br />
ausgeführt werden als der vorherige. So können<br />
Leitern oder andere Steighilfen eingespart Abbildung 1.7: Durchbruch von oben<br />
werden [Rettungskette Schweiz, 1986]. Ein<br />
[Rettungskette Schweiz, 1986]<br />
Vordringen von unten bringt die Gefahren des Überkopfarbeitens für die Retter mit<br />
sich. Decken enthalten mehr und stärkere Bewehrung als Wände, die durchtrennt<br />
werden muß. Durch Probebohrungen sollte festgestellt werden, ob sich auf der<br />
anderen Seite ein Hohlraum befindet oder ob an dieser Stelle gerade ein Auflager ist.<br />
Die horizontalen Elemente können auch mit einem Kran abgehoben werden. Dies<br />
sollte jedoch erst dann begonnen werden, wenn alle Möglichkeiten, die Schichtung<br />
zu durchsuchen erschöpft sind oder wenn Hinweise dafür sprechen, daß eine<br />
sofortige Rettung aus medizinischer Sicht notwendig ist. Das Abheben der<br />
Schichtungselemente ist mit großen Risiken für Personen innerhalb der Schichtung<br />
verbunden. Die angehobenen Trümmerteile können beim Anheben zerbrechen, die<br />
Trümmerstrukturen können sich umlagern. Meist sind die Trümmerteile noch<br />
untereinander verbunden und müssen erst voneinander getrennt werden. Dies kann<br />
eventuell von innerhalb der Schichtung mit hydraulischen Werkzeugen geschehen,<br />
meist muß eine Decke jedoch ein Stück weit angehoben werden. Die Kranarbeiten<br />
müssen zwischen Rettungspersonal und dem Kranführer exakt abgesprochen<br />
werden. Durch die besonderen Umstände sind umfangreichere
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 29<br />
Sicherungsmaßnahmen notwendig. Die instabilen Trümmer müssen mit einem<br />
höheren Aufwand mit mehr und unterschiedlichen Anschlagmitteln angeschlagen<br />
werden, als das bei einem regulären Kraneinsatz zu Montagezwecken üblich ist.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 30<br />
Versperrter Raum<br />
Der Versperrte Raum ist ein in seinem Inneren im wesentlichen unbeschädigt<br />
gebliebener Raum, wobei jedoch die natürlichen Zugänge durch Trümmer versperrt<br />
sind. Dieses Schadenelement wird vor allem in erhalten gebliebenen Kellerräumen,<br />
unter Schichtungen oder Trümmerkegeln angetroffen. Prinzipiell kann es jedoch in<br />
allen Stockwerken vorkommen.<br />
Vorgehen<br />
Zuerst muß überprüft werden, ob diese Räume über ihre natürlichen Zugänge zu<br />
erreichen sind und welcher Aufwand durch das Freiräumen zu erwarten ist. Sind die<br />
Zugänge nicht bekannt, sind Nachbarn usw. zu befragen oder es können auch<br />
Baupläne zu Rate gezogen werden. Folgende Alternativen zum Erreichen eines<br />
versperrten Raumes sind gegeben.<br />
Freiräumen der natürlichen Zugänge Wand- oder Deckendurchbruch<br />
Lage natürlicher Zugänge erfragen, aus Bauplänen Material und Dicke der Wand oder Decke?<br />
entnehmen, aufgrund Indizien erraten.<br />
Tragende Wand?<br />
Masse, Volumen und Zusammensetzung des<br />
Deckentyp, Spannrichtung der Decke?<br />
abzuräumenden Trümmermaterials?<br />
Zufuhr Elektro, Gas und Wasser abschalten<br />
Ändert sich die Statik durch das Abräumen?<br />
Lage der Leitungen nach Möglichkeit bestimmen<br />
• Stützwirkung der Trümmer,<br />
Sind Erschütterung, Staub, Wasseranfall zulässig?<br />
• eventuell von innen gegendrückendes Material,<br />
Geräte festlegen<br />
• unter den Trümmern liegender Hohlraum<br />
Lage des Durchbruchs bestimmen<br />
• Erschütterungen, Kraftwirkung beim Abräumen<br />
Probebohrung anlegen<br />
Sind besondere Hilfsmittel notwendig?<br />
• große Trümmermenge<br />
• Abtransport Trümmer, Zugänge, Höhe<br />
• Große oder schwere Teile, Gewicht?<br />
Offener Einschnitt, Verbau, Stollen/Schacht?<br />
Spezialgerät zum Öffnen des Zugangs notwendig?<br />
z.B. für Bunkertür.<br />
Tabelle 1.1: Vergleich der Zugangsvarianten zu einem versperrten Raum
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 31<br />
Bei den Durchbruchvarianten ist zu beachten:<br />
1<br />
2 3<br />
Typ 1 freies Arbeiten möglich,<br />
schnell erreichbar<br />
Typ 2 freies Arbeiten möglich, keine<br />
Helfergefährdung durch im<br />
Gebäude herunterfallende<br />
Teile<br />
4 5<br />
Vorteile Nachteile Konsequenzen<br />
Durchfallen von Teilen. Doppelte<br />
Bewehrungslage bei<br />
Stahlbetondecke<br />
Beseitigung von Erdmengen.<br />
Starke Außenwand<br />
Gefahren Stollen/Schacht<br />
Typ 3 schwächere Innenwand Stabilität des Zwischenauflagers<br />
der Decke gefährdet<br />
Typ 4 freies Arbeiten möglich, keine<br />
Helfergefährdung durch im<br />
Gebäude herunterfallende<br />
Teile<br />
Höhenunterschied muß<br />
überwunden werden, starke<br />
Außenwand<br />
Typ 5 schwächere Innenwand Belasten schon Trümmer den<br />
Boden ist ein Betreten gefährlich<br />
Typ 6 kein Wegräumen von<br />
Trümmerteilen<br />
Tabelle 1.2: Vergleich der Durchbruchrichtungen<br />
Angeschlagener Raum<br />
Arbeiten über Kopf. Gefahr für<br />
Helfer durch herabfallende Teile.<br />
Doppelte Bewehrungslage bei<br />
Stahlbetondecken<br />
6<br />
Teile gegen Durchfallen<br />
sichern, Deckenstruktur<br />
berücksichtigen<br />
Schaufeleinsatz ist<br />
zeitaufwendig,<br />
Erdbaumaschinen, Verbau<br />
(möglichst Systemverbau)<br />
ausführen oder beschaffen<br />
Standsicherheit untersuchen.<br />
Evtl. nur erschütterungsarme<br />
Verfahren<br />
normale Anlegeleiter oft nicht<br />
ausreichend. Hebebühne o.ä.<br />
muß beschafft werden<br />
evtl. durch Bohlen Gewicht<br />
verteilen, oder darunterliegende<br />
Decke abstützen<br />
Abstützungen erforderlich<br />
Beim Schadenelement des angeschlagenen Raumes sind Wände und/oder Decke<br />
des Raumes teilweise zerstört, und die Trümmer in den Raum gefallen. Oft ist der<br />
Raum über natürliche Zugänge erreichbar, so daß ein schnelles Eindringen in den<br />
Raum möglich ist. Heruntergefallene Trümmer können jedoch die natürlichen<br />
Zugänge versperren. In diesem Fall kann der Raum eventuell über die entstandene<br />
Lücke in der Wand/ Decke betreten werden. Einsturzgefährdete Wände und Decken,<br />
auch im Stockwerk darunter, abstützen. Ist dies nicht möglich, muß wie beim<br />
versperrten Raum vorgegangen werden. Das Freiräumen des Zugangs sollte dem<br />
Durchbruch vorgezogen werden.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 32<br />
Trümmerkegel, Randtrümmer<br />
Alle Bauweisen können in einem Trümmerkegel zusammenbrechen. Randtrümmer<br />
werden die Trümmeransammlungen genannt, die sich außerhalb eines Gebäudes<br />
befinden. Trümmerkegel und Randtrümmer können ineinander übergehen.<br />
Verschüttete können sich auf, in oder unter einem Trümmerkegel befinden. Durch die<br />
Stahlbetonbauweise ergeben sich zunehmend auch Trümmerkegel mit großen<br />
Trümmerstücken, die miteinander verbunden sind. Es können sich so zwar stabilere<br />
Überlebensräume für Verschüttete ergeben, das Abräumen ist jedoch mit einer<br />
erheblichen Belastung und Umlagerung der Trümmerstruktur verbunden.<br />
Vorgehensweisen<br />
Unter einer dünnen Schicht von Trümmern können häufig Verschüttete von oben<br />
geborgen werden. Befindet sich ein Verschütteter unter einem Trümmerkegel in<br />
einem versperrten Raum oder in einem der anderen hier möglichen<br />
Überlebensräume, so ist die Vorgehensweise bereits oben genannt. Eine der<br />
schwierigsten Rettungssituationen ist das Vordringen zu Verschütteten in einem<br />
Trümmerkegel. Zum Überleben hat sich in der Trümmerstruktur ein Hohlraum<br />
gebildet. Das kann eines der bekannten Schadenelemente sein oder die Trümmer<br />
bilden ein Gewölbe. Das Freilegen eines solcherart Verschütteten senkrecht von<br />
oben ist mit der großen Gefahr verbunden, daß dieser an herabrieselndem Material<br />
erstickt oder durch die Verlagerung instabil gewordener Trümmer erdrückt wird.<br />
Erfahrungsberichte von Verschütteten bezeugen dies [Durkin, 1988]. Die<br />
entsprechenden Erfahrungen, die im zweiten Weltkrieg mit Verschütteten in<br />
zertrümmerten Mauerwerksgebäuden gemacht wurden, waren in ihrer Vielzahl und<br />
Dichte so eindeutig, daß sie als Grundlage angesehen werden dürfen. Sind größere<br />
Trümmermengen aufliegend, gilt für Mauerwerks- und ähnliche Trümmer bereits seit<br />
Maack „Die Bergung Verschütteter von oben her durch den Schuttkegel ist fast<br />
immer falsch, zumal man dabei meist den Weg des größten Widerstandes<br />
zurückzulegen hätte und weil das Wesen des Grenzzustandes ständig<br />
Schwierigkeiten mit sich bringt.“ [Maack, 1942].
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 33<br />
Für die erfolgreiche Rettung eines solcherart Verschütteten ist dessen genaue<br />
Ortung maßgeblich. So kann gezielt durch Abteufen eines seitlich versetzten<br />
Schachtes oder durch horizontales Vordringen von einem Wanddurchbruch oder<br />
einem anderen Zugang aus, der Verschüttete geschützt und die Trümmer stabilisiert<br />
werden. Das Vorgehen entspricht dem der bereits beschriebenen in Schichtungen.<br />
Zusätzlich kann feinkörniger Trümmerschutt mit Hilfe eines Saugladers entfernt<br />
werden. Beim horizontalen Vordringen dürfen unter keinen Umständen tragende<br />
Teile bearbeitet, d.h. weder herausgezogen noch zerschnitten werden. Auch dürfen<br />
keine großen Kräfte in die Struktur eingebracht werden. Alle benutzten Keile und<br />
Abstützungen sollten daher nur untergelegt werden, um ein Absacken zu verhindern.<br />
Auch der Einsatz von Hydraulikhebern muß mit äußerster Vorsicht erfolgen, da sie<br />
dem Benutzer kein Gefühl für die eingesetzten Kräfte vermitteln. Daher besteht die<br />
Gefahr, daß ungewollt große, die Trümmerstabilität gefährdende Kräfte erzeugt<br />
werden.<br />
Bleibt nur die Möglichkeit, den Trümmerkegel von oben abzuräumen, so sollten die<br />
Belastungen so gering wie möglich gehalten werden. Das bedeutet, keine Trümmer<br />
zwischen umgebenden herausziehen, statt vieler Helfer auf den Trümmern den<br />
Abtransport des Schutts über Förderbänder, einen Sauglader oder eine an einen<br />
Kran gehängte Schuttmulde durchführen.<br />
Besonders der Einsatz eines Saugladers ist zu empfehlen, weil damit der schwer zu<br />
fassende feinkörnige Trümmerschutt schnell entfernt werden kann, um große<br />
Trümmerteile freizulegen und die Erstickungsgefahr eines Verschütteten zu mindern.<br />
6.2.8 Gebäudeumsturz<br />
Ein Umstürzen kann bei Gebäuden in<br />
Stahlbetonskelettbauweise oder bei<br />
Gebäuden ganz aus Beton - auch<br />
solchen in Tafelbauweise - durch das<br />
Versagen der Fundamente oder eines<br />
Stockwerkes vorkommen. Besondere<br />
Beachtung müssen die Wände, die jetzt<br />
als Decken Lasten abtragen und die<br />
Verbindungen der Bauteile<br />
Abbildung 1.8 Gebäudeumsturz nach Grundbruch<br />
[Münchener Rück, 1985]
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 34<br />
untereinander erfahren, da sie für die jetzigen Belastungen nicht ausgelegt sind.<br />
Mauerwerksausfachungen und andere wandbildende Materialien, die jetzt Räume<br />
überspannen, sind vom Versagen bedroht.
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 35<br />
Schäden in großer Höhe<br />
Jedes der zuvor genannten Schadenelemente kann sich auch in großer Höhe in oder<br />
auf einem Gebäude befinden. Auf Abbildung 1.9 sind sehr gut die besonderen<br />
Probleme bei einer in großer Höhe liegenden Schichtung erkennbar. Es kann hier<br />
eventuell nicht aus einem Nachbarraum oder Nachbargebäude in die Schicht<br />
eingedrungen werden. Durch die Schräglage und große Höhe ist das Betreten der<br />
Schicht für die Retter nur mit Sicherung möglich. Arbeitsplätze oder Einstiegspunkte<br />
in großer Höhe können über Feuerwehrdrehleitern erreicht werden. Flexibler<br />
einzusetzen sind Teleskoparbeitsbühnen, da größere Höhen erreicht werden und<br />
auch über Hindernisse hinweg gearbeitet werden kann. Sehr große Höhen lassen<br />
sich mit hochziehbaren Personenaufnahmemitteln bzw. Arbeitsbühnen erreichen, die<br />
an einen Kran gehängt werden. Auch mit Hubschraubern kann gearbeitet werden,<br />
wobei Rettungs- und Ortungsarbeiten durch Wind und Lärm beeinträchtigt werden.<br />
Bei der Auswahl der Krane sind Hindernisse und die benötigte Reichweite und<br />
Reichhöhe besonders zu berücksichtigen. Da unterschiedliche Arbeiten anfallen, die<br />
mit Kranen unterstützt werden, sollten entsprechend der Situation mindestens zwei<br />
Krane mit der entsprechenden Reichhöhe<br />
und Reichweite eingesetzt werden.<br />
Rettungspersonal sollte bei Absturzgefahr mit<br />
Auffanggurten, Falldämpfern und<br />
Anschlagseilen, eventuell Seilkürzern oder<br />
Höhensicherungsgeräten gesichert werden<br />
[ZH1/709, 1998]. Wenn kein sicherer<br />
Anschlagpunkt vorhanden ist, kann ein Kran<br />
zum Sichern verwendet werden.<br />
Es ist entsprechend der 5-Phasentaktik<br />
vorzugehen. Die Trümmer sind gegen weitere<br />
Bewegung mit Abstützungen und mit horizontal<br />
wirkenden Sicherungen, wie Bausprießen,<br />
Holzkonstruktionen, Stahlseilen<br />
Abbildung 1.9: Schichtung in großer Höhe,<br />
Bukarest [Münchener Rück, 1994]
Überarbeitete Endfassung vom 20.12.2002 36<br />
oder Ketten gegen weitere Bewegung zu sichern. Nur wenn dies nicht möglich ist<br />
und eine Bedrohung von den ungesicherten Teilen ausgeht, sollten die Teile bereits<br />
abgeräumt werden, wenn noch Verschüttete unter den Trümmern vermutet werden.<br />
Andernfalls ist die Trümmerstruktur ohne sie in der Statik zu verändern zu<br />
durchsuchen. Zum Vordringen mit maschineller Unterstützung eignen sich im<br />
Schadensfall "in großer Höhe" hauptsächlich handgeführte Geräte mit möglichst<br />
geringer Erschütterungswirkung wie Kernbohrgeräte (auch mit Bohrlafette),<br />
Betonkettensäge, Trennschleifer mit 350 mm Durchmesser und Spülwasserzufuhr,<br />
hydraulische Rettungswerkzeuge und eventuell Säbelsägen. Bei stabilen<br />
Schichtungen können Geräteträger und Minibagger mit dem Kran auf die Trümmer<br />
gehoben werden. Ist der Feinkornanteil des Trümmerschutts groß, kann mit<br />
Saugladern mit entsprechender Schlauchlänge bis in große Höhen gearbeitet<br />
werden [Kühnel, 2000].<br />
Sind die Vordringmöglichkeiten erschöpft, kann damit begonnen werden<br />
Trümmerteile anzuheben oder abzuheben. Dabei ist besonders auf deren Sicherung<br />
gegen ungewollte Bewegungen zu achten. Große Trümmerteile können zum<br />
Abheben durchtrennt werden.