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Edition Scheffel - Galerie Scheffel

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<strong>Edition</strong> <strong>Scheffel</strong>


BLICKACHSEN 4<br />

Bad Homburg v.d.Höhe, 18. Mai bis 5. Oktober 2003<br />

Text von Dr. Rolf Lauter, Direktor der Kunsthalle Mannheim<br />

CARL ANDRE, USA<br />

MIGUEL BERROCAL, Spanien<br />

CLAUS BURY, Deutschland<br />

RICARDO CALERO, Spanien<br />

RAINER FETTING, Deutschland<br />

ERIC FISCHL, USA<br />

SEBASTIAN FLEITER, Deutschland<br />

ANTONY GORMLEY, England<br />

NIGEL HALL, England<br />

KARL HARTUNG, Deutschland<br />

HARRY HAUCK, Deutschland<br />

PER KIRKEBY, Dänemark<br />

JOSEPH KOSUTH, USA<br />

MATHIAS LANFER, Deutschland<br />

HELGE LEIBERG, Deutschland<br />

MARKUS LÜPERTZ, Böhmen<br />

NICOLA MÖSER, Deutschland<br />

A. R. PENCK, Deutschland<br />

LAWRENCE WEINER, USA<br />

TRAK WENDISCH, Deutschland<br />

Eine Ausstellung des Magistrats der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe, der Kur- und Kongreß-GmbH und der <strong>Galerie</strong> <strong>Scheffel</strong><br />

in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Mannheim und unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.<br />

Promoted by Magistrat der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe, Kur- und Kongreß-GmbH and <strong>Galerie</strong> <strong>Scheffel</strong><br />

in co-operation with Kunsthalle Mannheim and under the patronage of the Minister-President of Hesse Roland Koch.


INHALT / CONTENTS<br />

Grußwort des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch / Greeting from the Minister-President of Hesse, Roland Koch 7<br />

Vorwort der Oberbürgermeisterin Dr. Ursula Jungherr / Foreword by the Mayor of Bad Homburg, Dr. Ursula Jungherr 9<br />

Geleitwort von Christian K. <strong>Scheffel</strong> / Preface by Christian K. <strong>Scheffel</strong> 13<br />

Dr. Rolf Lauter<br />

Ein Rundgang durch die Skulpturenausstellung in Bad Homburg<br />

A Tour through the Sculpture Exhibition in Bad Homburg 17<br />

I. Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

Joseph Kosuth, Lawrence Weiner, Harry Hauck, Miguel Berrocal 20<br />

II. Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

Trak Wendisch, Rainer Fetting, Helge Leiberg, Markus Lüpertz, Eric Fischl, Antony Gormley,<br />

Mathias Lanfer, Ricardo Calero, Nigel Hall, Claus Bury, Carl Andre, Karl Hartung, Nicola Möser, Sebastian Fleiter 40<br />

III. Areal Schlossgarten / The castle gardens<br />

Per Kirkeby, A. R. Penck 120<br />

Die Standorte der Skulpturen / Locations of the sculptures 130<br />

Die Künstler / The artists 132<br />

Im Bad Homburger öffentlichen Raum verbliebene Skulpturen aus „Blickachsen“-Ausstellungen<br />

Sculptures from “Blickachsen” exhibitions, which have remained on permanent display in Bad Homburg 140


Ricardo Calero, Espacios para el Deseo<br />

6<br />

Grußwort des Schirmherrn / Greeting from the patron<br />

Zum vierten Mal können kunstinteressierte Bürgerinnen und Bürger in<br />

Bad Homburg die Skulpturenausstellung „Blickachsen“ bewundern.<br />

30 Großplastiken von bekannten und noch jungen Künstlern aus<br />

Deutschland und dem Ausland haben die Organisatoren nach einem<br />

wiederum hervorragend erarbeiteten Konzept ausgewählt und behutsam<br />

in die Landschaft und die Umgebung der Stadt eingepasst. Dadurch wird<br />

die Sicht der Betrachterin, des Betrachters auf Raum und Natur gelenkt,<br />

verändert sich die Perspektive hin zu Weite und neuartigen Eindrücken.<br />

Die historischen Blickachsen des Kurparks, die eigens für die Spaziergänger<br />

geschaffen wurden, werden hierbei ausgezeichnet genutzt. Wie<br />

schon in den vergangenen Jahren gelingen Überraschungen, außergewöhnliche<br />

Perspektiven und Arrangements.<br />

Die „Blickachsen“-Ausstellung in Bad Homburg stellt einen bedeutsamen<br />

Beitrag zur reichhaltigen Kulturlandschaft der Stadt und des<br />

Landes Hessen dar. Sie ist ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit<br />

zwischen öffentlicher und privater Hand. Die Präsentation von<br />

Kunstwerken im Freien ist zudem ein großartiges Mittel, um Menschen,<br />

die noch keinen Zugang zur Kunst gesucht haben, an diese heranzuführen.<br />

En passant werden Impressionen vermittelt, die Fantasie angeregt und<br />

Impulse zum Nachdenken gegeben. Denn die Aufgabe der Kunst besteht<br />

nicht nur im Vermitteln von ästhetischem Genuss, sondern auch darin,<br />

Denkanstöße zur kritischen Betrachtung des Zeitgeschehens zu geben.<br />

Ich wünsche allen Besucherinnen und Besuchern viel Vergnügen und<br />

interessante Anregungen bei den „Blickachsen 4“.<br />

Roland Koch, Hessischer Ministerpräsident<br />

For the fourth time, citizens with an interest in art have the opportunity<br />

to enjoy the “Blickachsen” (“Axes of View”) sculpture exhibition<br />

in Bad Homburg. Thirty large-scale sculptures by well-known as<br />

well as young artists from Germany and abroad have been selected<br />

by the organizers, following a brillantly worked-out concept, and<br />

carefully placed into the landscape and environment of the city.<br />

Accordingly, the spectator’s eye is directed towards space and<br />

nature, offering broad new perspectives and innovative impressions.<br />

In the process, the historical axes of view of the Kurpark, deliberately<br />

designed for the strolling visitor, are used to wonderful effect.<br />

As in previous years, there are surprises, with unexpected perspectives<br />

and arrangements.<br />

Bad Homburg’s “Blickachsen” exhibition contributes significantly<br />

to the rich cultural landscape of the city and the state of Hesse.<br />

It is also a successful example of collaboration between public and<br />

private sponsorship. The presentation of works of art in the open air<br />

is, in addition, an excellent way of attracting to art those who have<br />

not yet found an interest in it. Strolling through, impressions are<br />

communicated, the imagination is stimulated, and thought provoked.<br />

For the purpose of art is not only to mediate aesthetic pleasure, but<br />

also to inspire a critical view on the events of the day.<br />

I hope all visitors to “Blickachsen 4” will enjoy and be stimulated by<br />

the exhibition.<br />

Roland Koch, Minister-President of Hesse<br />

7


Claus Bury, Spannungsbogen<br />

8<br />

Vorwort der Oberbürgermeisterin / Foreword by the Mayor of Bad Homburg<br />

Bad Homburg erweitert die reiche Museumslandschaft der Rhein-Main-<br />

Region alle zwei Jahre um eine außergewöhnliche Veranstaltung. Unter<br />

dem Titel „Blickachsen“ werden moderne Skulpturen renommierter und<br />

junger bildender Künstler mitten im geschichtsträchtigen Kurpark der<br />

Stadt gezeigt. Die Ausstellungsreihe gestattet einen Blick auf die<br />

erstaunliche Bandbreite der zeitgenössischen Plastik – ein Angebot, so<br />

vielfältig wie die Strömungen der modernen Kunst. In den vergangenen<br />

sechs Jahren haben sich die „Blickachsen“ zu einem wichtigen Teil<br />

des kulturellen Lebens in der Region entwickelt.<br />

Ein Kurpark – Teil einer Museumslandschaft? In diesem Fall lautet die<br />

Antwort eindeutig: ja. Der nahezu 50 Hektar große Lenné’sche Landschaftsgarten<br />

ist selbst ein kulturhistorisches Denkmal, in das schon<br />

immer auch Kunst gehörte. So bietet die Parkanlage zahlreiche<br />

Möglichkeiten, anhand von Werken der Architektur und Bildhauerei die<br />

Geschichte Bad Homburgs zu studieren. Die unterschiedlichsten<br />

Denkmäler im Kurpark erzählen von der Stadt und von den Menschen,<br />

die sie geprägt haben. Die Sammlung, die im Laufe der Zeit hier<br />

entstanden ist, wuchs mit der Stadt und ihrer Geschichte. Wenn der Park<br />

selbst also auf diese Weise fast schon museal erscheint, dann keinesfalls<br />

in der leicht angestaubten Bedeutung des Wortes. Dank der Reihe<br />

„Blickachsen“ beansprucht er seinen Platz in der Kulturregion am Rhein<br />

und Main als Museum im lebendigsten Sinne.<br />

Die historischen Denkmäler unseres Kurparks sind in der künstlerischen<br />

Sprache einer anderen Zeit entstanden. Sie belegen das Skulpturund<br />

Architekurverständnis des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts<br />

und bieten sogar Beispiele für Baustile anderer Kulturen.<br />

Als frühes Zeugnis des aufstrebenden Bad Homburg gilt das Brunnen-<br />

sälchen, ein 1837 unter Landgraf Ludwig errichtetes Gebäude in der Nähe<br />

des Elisabethenbrunnens. In ihm gründeten François und Louis Blanc<br />

eine Spielbank, heute wieder ein Mittelpunkt des geselligen Lebens in<br />

Bad Homburg. Als Gegenleistung für die Konzession ließen die Brüder<br />

Blanc ein Kurhaus bauen, an das ein kleiner Garten anschloss. Schon<br />

bald darauf sollte in der an diesen Garten anschließenden grünen Landschaft<br />

ein Kurpark angelegt werden, der den Kern des heutigen Parks<br />

bildet. Den Auftrag hierfür erhielt der königlich-preußische Gartenbaudirektor<br />

Peter Joseph Lenné. Er entwarf die für seinen Stil typischen Blickachsen<br />

und schuf die Grundlage für die Parklandschaft im Herzen unserer<br />

Stadt. Aus diesen Anfängen entwickelte sich ein Kurbetrieb, der bis<br />

heute Besucher aus zahlreichen Ländern nach Bad Homburg zieht.<br />

Every two years, the rich museum landscape of the Rhine-Main<br />

region is complimented by an extraordinary event in Bad Homburg.<br />

Under the title “Blickachsen” (“Axes of View”), the historic Kurpark<br />

gardens become the setting for an exhibition of modern sculptures<br />

by both well-known as well as upcoming young artists. This series<br />

of exhibitions gives a view of the astonishingly broad range of<br />

contemporary sculpture – a range as diverse as the currents<br />

of modern art. Over the past six years, “Blickachsen” has become<br />

an important part of the cultural life of the region.<br />

The Kurpark gardens – as part of a museum landscape? In<br />

this case, the answer is clearly: yes. Lenné’s landscape garden<br />

of almost 120 acres is itself a cultural monument in which works of<br />

art have always had a place. The many works of architecture<br />

and sculpture in the park enable us to study the history of<br />

Bad Homburg. The diverse monuments tell the story of the city and<br />

of the people who shaped it, and over the years the collection<br />

has grown with the city. So if the Park already seems almost a<br />

museum, it is not one in the vaguely dusty sense of the word. Thanks<br />

to the “Blickachsen” series, it is a museum in the most vital sense,<br />

worthy of its place in the cultural landscape of the Rhine-Main<br />

region.<br />

The historic monuments of the Kurpark were created in the artistic<br />

language of another time. They express the sculptural and architectural<br />

notions of the 19th and early 20th centuries, and even offer<br />

examples of the building styles of other cultures.<br />

The little fountain hall by the Elisabethenbrunnen, built by Landgrave<br />

Louis in 1837, is one of the earliest testimonies to a flourishing<br />

Bad Homburg. Here François and Louis Blanc founded the casino,<br />

which is today once again a centre of Bad Homburg social life. In<br />

return for the concession, the Blanc brothers built the Kurhaus with<br />

a little garden attached. Soon after, the Kurpark gardens were<br />

planned for the adjoining green land, the core of the present park.<br />

The commission for this undertaking went to Peter Joseph Lenné,<br />

the director of gardens for the royal Prussian court. With the axes<br />

of view typical of his style, Lenné laid the foundation for the landscape<br />

garden which now lies at the heart of our city. From these<br />

beginnings developed the spa that to this day attracts visitors from<br />

many countries to Bad Homburg.<br />

9


Vorwort der Oberbürgermeisterin / Foreword by the Mayor of Bad Homburg<br />

Das 1890 eingeweihte Kaiser-Wilhelms-Bad mit dem Standbild Kaiser<br />

Wilhelms I. vor dem Säulenportal wie auch das Landgrafendenkmal in<br />

Form eines Obelisken sind Zeugnisse des ‚goldenen Zeitalters’ der<br />

Stadt, jener Jahre, in denen Mitglieder der ersten europäischen Fürstenhäuser<br />

an den Fuß des Taunus zur Kur kamen. Von der Weltoffenheit Bad<br />

Homburgs zeugen die beiden Bauten, die der Stadt um die Jahrhundertwende<br />

von zwei Gästen geschenkt wurden: die Russische Kapelle, ein<br />

Geschenk des russischen Staatsrats Proworoff, und die Thai-Sala, der<br />

Ruheraum einer thailändischen Tempelanlage, ein Dankesgruß des<br />

siamesischen Königs Chulalongkorn.<br />

Jüngstes der permanent installierten Kunstwerke im Park ist die spiralförmige<br />

Plastik aus gerolltem Stahl mit dem Titel „Indeterminate Line“.<br />

Diese 1994 von Bernar Venet geschaffene Arbeit zählte zu den 17<br />

Werken der ersten „Blickachsen“-Ausstellung, die 1997 im Bad<br />

Homburger Kurpark stattfand. Dank einer großzügigen Schenkung der<br />

ALTANA AG an die Stadt steht sie nun dauerhaft auf der Rasenfläche<br />

an der Ecke von Kaiser-Friedrich-Promenade und Kisseleffstraße. Sie<br />

gibt hier Zeugnis von der zugleich an die Tradition anschließenden und<br />

vorausschauenden Idee des Bad Homburger Galeristen Christian<br />

<strong>Scheffel</strong>, moderne Kunst im geschichtsträchtigen Kurpark auszustellen.<br />

Durch die mit ungewöhnlichem Einsatz betriebene Umsetzung seiner<br />

Idee ermöglichte <strong>Scheffel</strong> nicht zuletzt auch dem Kurpark den Schritt<br />

vom kulturhistorischen Denkmal zum Freiluft-Museum mitten in der Stadt.<br />

In regelmäßigen Abständen sind nun, gestaltet von Christian <strong>Scheffel</strong><br />

und unter seiner künstlerischen Leitung, Ausstellungen zu sehen, die<br />

keine andere Einrichtung in dieser Form zeigt. Der Raum, in dem Kunst<br />

hier vorgestellt wird, ist nicht mehr ein abgeschlossener Bereich. Kunst<br />

hat ihren Platz mitten in der Stadt. Moderne Werke stehen so neben den<br />

Arbeiten traditionellen Stils. In Bad Homburg erleben Besucher, wie<br />

unterschiedlich Künstler in den verschiedenen Epochen ihren jeweiligen<br />

Ideen Ausdruck verliehen haben.<br />

Inzwischen hat sich die Ausstellungsreihe auch überregional etabliert<br />

und die diesjährigen „Blickachsen 4“ belegen, dass in der Konzeption<br />

des Projektes immense Möglichkeiten und Perspektiven eröffnet<br />

werden. Auch diesmal werden verschiedenste Ausdrucksformen<br />

abstrakter Plastik vorgestellt. Zusätzlich sind in der vierten Ausstellung<br />

nun erstmals figurative Arbeiten zu sehen, so dass sich das Spektrum<br />

möglicher Betrachtungsweisen nochmals erweitert. Christian <strong>Scheffel</strong><br />

danke ich herzlich für sein anhaltendes Engagement und insbesondere<br />

10<br />

The Kaiser-Wilhelms-Bad, inaugurated in 1890, with its statue<br />

of Kaiser Wilhelm I in front of its colonnaded entrance, and the<br />

Landgrafendenkmal – the monument to the landgrave in the shape<br />

of an obelisk – are witnesses to the “golden age” of the city, when<br />

Europe’s royalty came to take the waters at the foot of the Taunus<br />

Mountains. And Bad Homburg’s cosmopolitan outlook can be seen<br />

in two buildings that were both given to the city by visitors at the turn<br />

of the century: the Russian Chapel, a gift from the Russian councillor<br />

of state Proworoff, and the Thai-Sala – the resting room of a Thai<br />

temple – a mark of gratitude from King Chulalongkorn of Siam.<br />

The most recent artwork permanently installed in the Kurpark is a<br />

spiral steel sculpture entitled “Indeterminate Line”. Created by Bernar<br />

Venet in 1994, this was one of the 17 pieces exhibited in the Kurpark<br />

gardens in the very first “Blickachsen” exhibition in 1997. Thanks to<br />

a generous donation by ALTANA AG, the sculpture now stands<br />

permanently on the lawn at the corner of Kaiser-Friedrich-<br />

Promenade and Kisseleffstraße. Here, it bears witness to the idea –<br />

both rooted in tradition and looking forward to the future – of Bad<br />

Homburg gallerist Christian <strong>Scheffel</strong>, of exhibiting modern art in the<br />

historic Kurpark gardens. Through his extraordinary commitment to<br />

the realization of this idea, <strong>Scheffel</strong> has made possible the transformation<br />

of the Kurpark from cultural monument into an open-air<br />

museum in the centre of the city.<br />

As a result, under his artistic direction, it is possible to see at regular<br />

intervals exhibitions that are not staged in this form in any other institution.<br />

The space in which the artworks are exhibited is not a closed<br />

space. Art has its place in the very heart of the city. Modern works<br />

stand alongside the traditional. In Bad Homburg, the visitor is able<br />

to experience how diversely artists of different eras have given form<br />

to their ideas.<br />

Today, the exhibition has established a reputation stretching far<br />

beyond the immediate region, and this year’s “Blickachsen 4” is<br />

proof of the immense possibilities of the project and its conception.<br />

This year, again, the most diverse forms of abstract sculpture are<br />

presented. In addition, in this, the fourth exhibition in the series, figurative<br />

works are for the first time included, extending even further<br />

the spectrum of perspectives. I would like to thank Christian <strong>Scheffel</strong><br />

for his continuing commitment, and especially for his brilliant<br />

conceptualization and realization of “Blickachsen 4”. Also, I wish<br />

für die überaus gelungene Konzeptionierung und Verwirklichung der<br />

„Blickachsen 4“. Gleichzeitig danke ich den Verantwortlichen der<br />

Kunsthalle Mannheim für ihren Beitrag zum Erfolg der Ausstellung.<br />

Kunst lässt sich in Bad Homburg während eines ganz normalen Spaziergangs<br />

durch eine wunderschön gestaltete Gartenlandschaft erleben. Mit<br />

der Ausstellung „Blickachsen“ fügt die Stadt der Kulturregion Rhein-<br />

Main ein Angebot hinzu, das es so bisher nicht gab: Kunst und Gartenkunst,<br />

Denkmal im traditionellen Verständnis und moderne Plastik,<br />

gewachsene Natur und gestaltete Werke aus Menschenhand sind bei<br />

dieser Veranstaltung vereint. Die „Blickachsen“-Schau gibt einen<br />

weiteren entscheidenden Impuls für das kulturelle Leben in der Region.<br />

Dies zu leisten sind der Magistrat und die Kur- und Kongreß-GmbH nur<br />

im Stande gemeinsam mit Menschen, die sich der Stadt verpflichtet<br />

fühlen. Es ist eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements,<br />

mit dem Einzelne in ihren Unternehmen für spezifische Kulturprojekte<br />

eintreten. Die nennenswerte Förderung durch die ALTANA AG<br />

und die Basler Versicherungen macht diese Veranstaltung überhaupt<br />

erst möglich. Dafür spreche ich ihnen im Namen aller Veranstalter<br />

meinen besonderen Dank aus. Solch verbindendes Zusammenspiel<br />

weist in unserer Stadt glücklicherweise eine fast ebenso lange Tradition<br />

auf wie der Kurbetrieb, die Parklandschaft und die Freude an der Kunst.<br />

Ich freue mich schon jetzt auf einen fortdauernden Bestand dieses<br />

gemeinschaftlichen Einsatzes und der inzwischen namhaften Ausstellungsreihe<br />

„Blickachsen“, durch die Bad Homburg sein Profil in<br />

einer mit Kultur reich besetzten Region auch zeigen kann.<br />

Dr. Ursula Jungherr, Oberbürgermeisterin<br />

to thank those responsible at the Kunsthalle Mannheim for their<br />

contribution to the success of the exhibition.<br />

In Bad Homburg, art can be appreciated simply by taking a walk<br />

through the beautifully designed garden landscape. With the<br />

“Blickachsen” exhibitions, the city offers something that has not<br />

existed before in the Rhine-Main cultural region: art and garden<br />

design, traditional monuments and modern sculpture, grown nature<br />

and man-made works of art are here united. The “Blickachsen”<br />

exhibitions give a further decisive impulse to the cultural life of the<br />

whole region.<br />

For the municipal authorities and the Kur- und Kongreß-GmbH,<br />

such an undertaking is only possible with the help of people who<br />

are dedicated to the city. It is a special form of civil commitment, in<br />

which individuals within commercial organizations stand up for<br />

specific cultural projects. This event has only been made possible<br />

through the considerable support of ALTANA AG and Basler<br />

Versicherungen. For this, I wish to thank them on behalf of all<br />

the organizers. Fortunately, this kind of civic co-operation has almost<br />

as long a tradition in our city as the spa, the landscape garden<br />

or the appreciation of art. I am already looking forward to the<br />

continuation of this commitment in the future, and to further exhibitions<br />

in the thriving “Blickachsen” series – through which Bad<br />

Homburg is able to make its own distinctive contribution to a region<br />

rich in culture.<br />

Dr. Ursula Jungherr, the Mayor<br />

11


Rainer Fetting, Der Flug und Die Drehung, platziert auf der Lenné’schen Blickachse zwischen Fontäne im Weiher und Brunnen<br />

12<br />

Geleitwort / Preface<br />

Die Skulpturenausstellungen „Blickachsen“ gehören heute zu den nicht<br />

mehr wegzudenkenden kulturellen Höhepunkten unseres Landes. In seiner<br />

Ansprache anlässlich der Eröffnung von „Blickachsen 4“ hat Ministerpräsident<br />

Roland Koch dies als Schirmherr der Ausstellung deutlich gemacht.<br />

Mit „Blickachsen 4“ möchte ich Sie schon jetzt auf eine erfolgreiche<br />

Fortsetzung des Ausstellungsprojektes gespannt machen, dessen Einzigartigkeit<br />

in der Wechselbeziehung zwischen aktueller Kunst und einem<br />

außergewöhnlichen historischen Ambiente liegt. Der von Peter Joseph Lenné<br />

Mitte des 19. Jhs. angelegte englische Landschaftspark mit jenen<br />

Blickachsen, die der Ausstellung ihren Namen geben, öffnet sich dem lebhaften<br />

Dialog mit der zeitgenössischen Kunst. Diese Kommunikation prägt<br />

die kulturelle Identität der Stadt unverwechselbar und trägt bei zu dem<br />

für eine vitale Gesellschaft so unverzichtbaren kulturellen Boden. Auch<br />

„Blickachsen 4“ widmet sich der Gegenwartskunst und dem Topos der<br />

Perspektive. Mein Ziel ist es, durch das Zusammenbringen unterschiedlicher<br />

künstlerischer Positionen zu neuen Sichtweisen anzuregen. Ungeahnte<br />

Blickwege mögen sich dem Betrachter eröffnen und zur Reflexion über den<br />

Perspektivenwechsel als Voraussetzung für einen lebendigen Geist einladen.<br />

An dieser Stelle sei den vielen Mitwirkenden gedankt, die aufs Unterschiedlichste<br />

zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben. Zuerst gilt mein<br />

von Herzen kommender Dank allen beteiligten Künstlern. Es sind ihre<br />

Arbeit, ihre Begeisterung und ihre Hingabe, die uns das Kunsterlebnis erst<br />

ermöglichen. Zugleich danke ich auch den anderen Leihgebern für ihr Vertrauen<br />

und Dr. Rolf Lauter sowie der Kunsthalle Mannheim für die aktive<br />

Mitgestaltung der „Blickachsen 4“. Für die beständige, überaus generöse<br />

Förderung der „Blickachsen“ spreche ich der ALTANA AG, insbesondere<br />

dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Nikolaus Schweickart, und auch den Basler<br />

Versicherungen, besonders dem Hauptbevollmächtigten Winfried Anolick,<br />

meinen ausdrücklichen Dank aus. Eine Realisierung der Ausstellung<br />

wäre ohne diese entscheidende Unterstützung nicht denkbar. Ebenso<br />

bedanke ich mich herzlich bei Oberbürgermeisterin Dr. Ursula Jungherr,<br />

bei dem Magistrat und dem Kulturausschuss der Stadt Bad Homburg<br />

sowie bei der Kur- und Kongreß-GmbH und allen beteiligten Mitarbeitern<br />

der Stadt für ihr beispielhaftes Engagement bei unserem gemeinsamen<br />

Projekt. Schließlich möchte ich all den bisher Ungenannten aufrichtig danken,<br />

deren Beitrag gleichfalls grundlegend für den Erfolg der Ausstellung war:<br />

all jenen beispielsweise, die den Transport und Aufbau der Skulpturen garantierten,<br />

die in der <strong>Galerie</strong> im Einsatz waren, durch die Ausstellung führten<br />

oder an der Erstellung von Internetseite und Katalog beteiligt waren.<br />

Christian K. <strong>Scheffel</strong><br />

The “Blickachsen” (“Axes of View”) exhibitions of sculptures have<br />

become an indispensable highlight in the cultural landscape of our Land<br />

Hesse. Roland Koch, Minister-President of Hesse and patron of “Blickachsen<br />

4”, made this very point in his speech on the occasion of the<br />

opening of the exhibition. With “Blickachsen 4” I hope to whet your<br />

appetite about how this highly successful exhibition project will develop<br />

in the future. The uniqueness of this exhibition lies in the interrelation<br />

between modern art and an extraordinary historic setting. The English<br />

landscape garden designed by Peter Joseph Lenné in the middle of the<br />

19th century, with its axes of view that give the exhibition its name,<br />

opens itself to a living dialogue with contemporary art, enriching at<br />

the same time the cultural identity of our city and providing a cultural<br />

nexus so necessary for a vibrant society. Like its predecessors,<br />

“Blickachsen 4” celebrates contemporary art and the topos of perspective.<br />

My aim has been to stimulate new ways of seeing by bringing<br />

together diverse artistic positions. May unexpected angles of vision open<br />

themselves to the observer and lead him – or her – to reflect upon new<br />

perspectives as a precondition for a lively mind.<br />

I would here like to thank the many collaborators, who in a variety of ways<br />

have contributed to the success of the exhibition. First I would like to give<br />

my heartfelt thanks to all the artists who have taken part in the exhibition.<br />

It is above all their work, their enthusiasm and their dedication that<br />

have allowed us this experience of art. At the same time I would like to<br />

thank those who have kindly loaned works to the exhibition, and Dr. Rolf<br />

Lauter as well as the Kunsthalle Mannheim for their active collaboration<br />

in putting together “Blickachsen 4”. For their continuing, extremely generous<br />

support of “Blickachsen” I wish to express my very special thanks<br />

to ALTANA AG, and in particular its chairman Dr. Nikolaus Schweickart,<br />

and also Basler Versicherungen, particularly Mr. Winfried Anolick. Without<br />

their decisive support this exhibition would not have been possible.<br />

Furthermore, I wish to sincerely thank the Mayor of Bad Homburg<br />

Dr. Ursula Jungherr, and the municipal authorities and culture committee<br />

of the city, as well as the Kur- und Kongreß-GmbH and all participating<br />

employees of the city for their exemplary commitment to our joint project.<br />

Finally I would like to thank all those not mentioned so far, whose contribution<br />

has also been essential to the success of the exhibition: all those<br />

who have been responsible for the transportation and erection of the<br />

sculptures, who have worked in the gallery, conducted guided tours or<br />

who have been involved in creating the internet page and catalogue.<br />

Christian K. <strong>Scheffel</strong><br />

13


Antony Gormley, Feel


Carl Andre, 47 Roaring Forties<br />

16<br />

Ein Rundgang durch die Skulpturenausstellung in Bad Homburg<br />

A Tour through the Sculpture Exhibition in Bad Homburg<br />

Dr. Rolf Lauter, Direktor der Kunsthalle Mannheim<br />

Zum vierten Mal nach 1997 findet die Ausstellung „Blickachsen“ im<br />

Kurpark von Bad Homburg statt. Im öffentlichen Raum, im Freien, in<br />

einer von Peter Joseph Lenné (1789-1866) angelegten englischen<br />

Parklandschaft werden bis zum 5. Oktober 2003 künstlerische<br />

Gestaltungen gezeigt, die sich im weitesten Sinn mit den Kategorien<br />

‚Raum’ und ‚Zeit’ auseinander setzen.<br />

Der englische Landschaftsgarten, wie er im 18. Jahrhundert entwickelt<br />

wurde, zeichnet sich – im Unterschied zur Parkanlage im Stil der französischen<br />

Gartenkunst, die streng geometrisch-axial angelegt und von<br />

der freien Landschaft deutlich abgegrenzt ist – durch gestalterischen<br />

Eingriff in die natürliche Umgebung aus. Dem wandelnden Spaziergänger<br />

soll die Wirkungseinheit von Natur und Kosmos modellhaft<br />

veranschaulicht werden.<br />

Ausgangspunkt für den Mitte des 19. Jahrhunderts von Lenné entworfenen<br />

Bad Homburger Kurpark ist ein der englischen Landschaft<br />

verwandtes, bewegtes, welliges Terrain, das subtil formulierte Sichtoder<br />

Blickachsen eröffnet. Diese werden unterstrichen durch in<br />

Kreisformationen oder parallelen Anordnungen gepflanzte Baumgruppen,<br />

künstliche Teiche, Brunnen, Wege und Bauwerke aus den<br />

verschiedensten kulturellen Kontexten, die der romantischen Sehnsucht<br />

nach der Ferne entsprechen. So bietet etwa die eine Lenné’sche<br />

Sichtachse einen großartigen Überblick von der Kaiser-Friedrich-<br />

Promenade aus über weitläufige, von verschiedenen Baumgruppen<br />

For the fourth time since 1997 the “Blickachsen” (“Axes of View”)<br />

exhibition is on show in the Kurpark of Bad Homburg. Until 5 October<br />

2003 this public space, in the open air of the English landscape<br />

garden created by Peter Joseph Lenné (1789-1866), will be the<br />

setting for artistic works that concern themselves in the broadest<br />

sense with notions of ‘space’ and ‘time’.<br />

In contrast to the strictly geometrical design of the French garden,<br />

cut off from the open landscape, the English landscape garden<br />

as it was developed in the 18th century is characterized by a formal<br />

intervention in the natural surroundings. The strolling visitor<br />

is confronted with a model of the effective unity of nature and<br />

cosmos.<br />

The starting point for the Kurpark in Bad Homburg, designed in the<br />

mid-nineteenth century by Lenné, is the undulating, rolling terrain<br />

so similar to the English landscape, offering its subtle perspectives<br />

and axes of view. These were underlined by groups of trees planted<br />

in circles or parallel rows, artificial ponds, fountains, paths, and<br />

buildings from the most different cultural contexts expressing the<br />

Romantic longing for far-off places. Thus one of Lenné’s axes offers<br />

a marvellous view from the Kaiser-Friedrich-Promenade over<br />

spacious lawns lined with groups of trees down to the lower-lying<br />

artificial lake, while a second axis unfolds from the Siamese Temple<br />

behind the pond – past the Kaiser-Wilhelms-Bad and the casino –<br />

17


Ein Rundgang durch die Skulpturenausstellung / A Tour through the Sculpture Exhibition<br />

gefasste Rasenflächen bis zum tiefer liegenden künstlichen See,<br />

während sich die zweite von dem hinter dem Weiher gelegenen<br />

Siamesischen Tempel – vorbei am Kaiser-Wilhelms-Bad und am<br />

Spielkasino – entlang der Brunnenallee bis zum Elisabethenbrunnen<br />

und schließlich zum Obelisken entfaltet.<br />

Das Ausstellungsareal von „Blickachsen 4“ konzentriert sich innerhalb<br />

des Kurparks auf die Gartenlandschaft, die um diese beiden Sichtachsen<br />

angelegt ist, erstreckt sich sodann auf einen zweiten Standort<br />

um das Rathaus und die Ecke Ferdinandstraße / Kaiser-Friedrich-<br />

Promenade, und endet schließlich bei einem dritten Standort im<br />

Schlossgarten. In diesen drei topografischen Bereichen wurden insgesamt<br />

30 Werke von 20 internationalen Künstlern sehr behutsam in den<br />

landschaftlichen oder architektonischen Kontext eingebunden.<br />

Ziel des Ausstellungsvorhabens war es zum einen, die Idee des englischen<br />

Gartens und der damit verbundenen Vision von der behutsam<br />

gestalteten und sich selbst darstellenden Natur als Metapher für kulturelles<br />

und schöpferisches Denken wieder stärker bewusst zu machen,<br />

zum anderen, solche Werke, Werkkonzepte oder gestalterischen<br />

Eingriffe auszuwählen, die mit dem jeweiligen Standort, dessen Kontext<br />

und Geschichte eine dialogische Handlungseinheit eingehen.<br />

Bereits der Ausstellungstitel „Blickachsen“ verrät eine allen Werken und<br />

Werkbeziehungen zugrunde liegende dialogische Komponente, die<br />

sowohl Korrespondenzen zwischen den Werken untereinander wie<br />

auch Beziehungsgeflechte zwischen den Werken und der sie umgebenden<br />

Natur und Landschaft oder auch architektonischen Gegebenheiten<br />

erfahrbar werden lässt.<br />

Aus dem breiten zeitgenössischen Spektrum von Kunst im öffentlichen<br />

Raum werden unterschiedlichste künstlerische Ausdrucksformen<br />

vorgestellt, um dem flanierenden Betrachter das Wechselspiel der<br />

ästhetischen Balance zwischen Natur und Kultur vor Augen zu führen.<br />

Anhand der ausgewählten Beispiele zeigt sich deutlich, dass das autonome<br />

Kunstwerk, wie wir es seit etwa 300 Jahren kennen, durch<br />

Werkformen erweitert wurde, die einen stärkeren Zusammenhang mit<br />

ihrem jeweiligen Auf- und Ausstellungsort herstellen oder gar in<br />

gezielter Ausrichtung auf ihren Standort konzipiert wurden. Es geht hier<br />

demnach nicht im eigentlichen Sinn nur um die Präsentation von<br />

Skulptur im öffentlichen Raum, sondern vielmehr um ortsspezifische<br />

Werkinstallation.<br />

and along the Brunnenallee towards the Elisabethenbrunnen and<br />

finally to the obelisk.<br />

Within the Kurpark the “Blickachsen 4” exhibition area is centred<br />

mainly on the garden landscape along these two axes, stretching<br />

to a second location around the town hall and the corner of Ferdinandstraße<br />

and Kaiser-Friedrich-Promenade, and ending at a third<br />

location in the castle gardens (Schlossgarten). In these three topographic<br />

locations 30 works by 20 international artists are displayed<br />

in a very specific landscape and architectural context.<br />

The aim of the exhibition was, on the one hand, to focus once more<br />

on the idea of the English garden and the vision bound up with it of<br />

a carefully constructed, self-representing nature as a metaphor for<br />

cultural and creative thought, and on the other, to select those<br />

works, or concepts, or creative interventions that would prompt a<br />

unifying dialogue with their location, its context and history.<br />

The very title of the exhibition, “Blickachsen” (“Axes of View”) betrays<br />

a dialogical component inherent in all the works, leading to a sense<br />

not only of the correspondances between the works themselves but<br />

also the inter-relationships between the works and the nature and<br />

landscape and even the architectural environment in which they<br />

are situated.<br />

From the broad spectrum of contemprorary art set in a public space,<br />

a great variety of artistic forms has been chosen, which confront the<br />

strolling observer with the interplay of the aesthetic balance between<br />

nature and culture. The chosen pieces show clearly that the notion<br />

of the autonomous work of art, as we have known it for some 300<br />

years, has been formally extended to include works which establish<br />

a stronger relationship to the location in which they are constructed<br />

or displayed, or have even been conceived for a specific location. So<br />

here it is not simply a question of the presentation of sculpture in<br />

an open space, but rather of location-specific installations.<br />

Concepts such as growth, becoming, change, virtual movement,<br />

balance, torsion or transformation play an important role in many of<br />

the exhibited works and combine to form a further connecting thread<br />

through the project. The natural surroundings, changing with the time<br />

of day and year, thus in many ways find a metaphoric expression in<br />

the artistic.<br />

Begriffe wie Wachstum, Werden, Veränderung, virtuelle Bewegung,<br />

Gleichgewicht, Torsion oder Transformation spielen in vielen der ausgestellten<br />

Werke eine wichtige Rolle und verbinden sich zu einem<br />

weiteren Leitfaden des Projektes. Das natürliche, sich mit den Tagesund<br />

Jahreszeiten ändernde Umfeld der Arbeiten findet somit in vielerlei<br />

Hinsicht eine metaphorische Entsprechung im Künstlerischen.<br />

In den diesjährigen „Blickachsen“ sehen wir erstmals neben abstrakten<br />

Werken unterschiedlichster Ausprägung auch figürliche Arbeiten auf die<br />

beschriebene Weise im Dialog mit der natürlichen Umgebung.<br />

Selten gelingt es wie im Fall dieser Ausstellung, zwischen plastischen<br />

Gestaltungen und einem Landschaftsgarten eine derart homogene<br />

Beziehungseinheit herzustellen.<br />

Furthermore, in addition to abstract works of the most diverse<br />

forms, this year’s “Blickachsen” for the first time features representations<br />

of the human body in this same dialogue with the natural<br />

surroundings.<br />

Rarely has such a homogeneous unity of relations between plastic<br />

conception and a landscape garden been so successfully accomplished<br />

as in this exhibition.<br />

Nigel Hall, Slow Motion<br />

18 19


AREAL RATHAUS – FERDINANDSTRASSE –<br />

KAISER-FRIEDRICH-PROMENADE / THE CITY AREA


Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

JOSEPH KOSUTH<br />

Geradezu als leitmotivisch für die Ausstellung kann die konzeptuelle<br />

Textarbeit von Joseph Kosuth an der Außenfassade einer Bürgervilla Ecke<br />

Ferdinandstraße / Kaiser-Friedrich-Promenade angesehen werden. Die<br />

von der Kunsthalle Mannheim zur Verfügung gestellte Neoninstallation mit<br />

dem Titel „Sechs Teile, Lokalisiert“ besteht aus den sechs Worten<br />

‚Geschichte’, ‚Ort’, ‚Teile’, ‚Einheit’, ‚Kontext’, ‚Bedeutung’. Diese sind<br />

einzeln in warmweißer Schreibschrift aus Neonbuchstaben jeweils über<br />

den architektonischen Fensterrahmen des Hauptgeschosses mittig angebracht.<br />

Beim wahrnehmenden Lesen erklärt sich Kosuths Arbeit selbst:<br />

Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit zunächst auf das Haus, die Architektur,<br />

die einen funktionalen Zweck hat, gleichzeitig aber nach formalästhetischen<br />

Gesetzmäßigkeiten gegliedert ist. Der Ort, das Gebäude, hat eine<br />

Geschichte. Die Architektur bildet eine Einheit aus vielen Teilen, die zu<br />

einem Ganzen verschmelzen. Durch den Kontext, in dem sich das<br />

Gebäude befindet, erhält es schließlich für sich und für das urbane Gefüge<br />

seine Bedeutung.<br />

Kosuth begann in den sechziger Jahren damit, die Bedeutung des<br />

Kunstwerks an sich zu hinterfragen, sie mit Hilfe von Textarbeiten im<br />

Betrachter zu einer Vorstellung werden zu lassen. Seit dieser Zeit versucht<br />

er mit unterschiedlichen Medien – Neonschrift, Fotografie, Installation –<br />

, das Kunstwerk als System aus ästhetischen Informationen begreifbar zu<br />

machen. Dabei sind vor allem Werkkombinationen entstanden, die sich<br />

aus den Elementen Objekt, Abbild und Text zusammensetzen.<br />

Die Ausstellung „Blickachsen“ kann und sollte insgesamt nach den von<br />

Kosuth für seine Arbeit gewählten und für jedes Kunstwerk immer wieder<br />

relevanten Begriffen befragt und erörtert werden: Die Geschichte der<br />

Stadt und des Kurparks ist grundlegend für das Projekt. Der Ort, der von<br />

den Künstlern oder Kuratoren als Standort für ein Werk ausgewählt wurde,<br />

hat jeweils eine spezifische Aura und Geschichte. Die Teile, das heißt die<br />

Kunstwerke, bilden im Zusammenhang mit der Ausstellungskonzeption<br />

eine strukturale Beziehungseinheit und darüber hinaus mit der Gartenanlage<br />

eine ästhetische Einheit. Der individuelle örtliche Kontext ist für<br />

jedes Werk eine Voraussetzung zum besseren Verständnis. Aus all diesen<br />

Koordinaten ergibt sich schließlich erst die Bedeutung des einzelnen<br />

Werkes.<br />

‘Sechs Teile, Lokalisiert’,<br />

2000, Neon [sechsteilige Installation an Hausfassade];<br />

Leihgabe der Kunsthalle Mannheim<br />

22<br />

The neon installation by Joseph Kosuth on the façade of a bourgeois<br />

villa at the corner of Ferdinandstraße and Kaiser-Friedrich-<br />

Promenade can be seen as a leitmotif for the whole exhibition.<br />

“Sechs Teile, Lokalisiert” (“Six Parts, Localized”), on loan from the<br />

Kunsthalle Mannheim, consists of six words ‘Geschichte’ (History),<br />

‘Ort’ (Place), ‘Teile’ (Parts), ‘Einheit’ (Unity), ‘Kontext’ (Context),<br />

‘Bedeutung’ (Meaning), in soft white neon handwriting, each word<br />

suspended above one of the window frames of the main floor of the<br />

house. Self-explanatory once these words are read, Kosuth’s work<br />

immediately directs our attention to the building, to the architecture,<br />

which has a functional purpose but is at the same time structured<br />

according to formal aesthetic principles. The Place – the building<br />

– has a History. The architecture constitutes a Unity of many<br />

Parts that form a whole. Finally the Context in which the building<br />

is situated gives it a Meaning both in itself and in terms of its urban<br />

surroundings.<br />

In the sixties Kosuth started to question the deeper meaning of<br />

the work of art per se, using text as a means of making it accessible<br />

for the viewer. Since then he has tried out a variety of forms –<br />

neon writing, photography, installations – to make the artwork<br />

understandable as a system of aesthetic information. From this, in<br />

the main, emerged works that combined the elements object, image<br />

and text.<br />

The “Blickachsen” exhibition can, indeed should, be considered in<br />

the light of the terms Kosuth chose for his work, terms that are relevant<br />

for every new work of art: the history of the town and the<br />

Kurpark as fundamental to the project; the place, with its specific<br />

aura and history, chosen by the artist or exhibitor as location for the<br />

work; the parts, ie. the works themselves, as having a structural<br />

unity of relations within the overall concept of the exhibition and<br />

an aesthetic unity with the garden landscape; the specific context<br />

for each work as the premise for a better understanding. Finally, only<br />

all these elements taken together create the meaning of the<br />

individual work.


Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

LAWRENCE WEINER<br />

Die Werke von Lawrence Weiner, dem zweiten der in der Ausstellung<br />

vertretenen konzeptuellen Künstler, bestehen meist aus Texten, die Inhalte<br />

in sprachlicher Form thematisieren, ohne dass dabei auf die Ausdrucksqualitäten<br />

von Materialien, Gestaltungen oder Gegenständen zurückgegriffen<br />

wird. Sie können auf eine Wand gemalt werden, in Form eines<br />

Zertifikats auf Papier geschrieben oder in einem Katalog gedruckt sein.<br />

Immer verwendet Weiner Schrift in Druckbuchstaben, um jede Individualität<br />

des Ausdrucks zu vermeiden. Seine Arbeiten bewegen sich auf<br />

einem klar umrissenen Grat zwischen der Wirklichkeit der Sprache und<br />

der Wirklichkeit des Inhaltes. Beide Bereiche treffen sich auf verschiedenen<br />

Ebenen und eröffnen dem Betrachter zahlreiche Interpretationsansätze.<br />

Weiner macht uns die Bedeutung der Sprache bewusst, indem<br />

er Texte formuliert, die teils allein aus sich selbst heraus einen abstrakten<br />

Sinn ergeben, teils aber auch gedankliche Konkretionen spezifischer bildlicher<br />

Vorstellungen sind. Das Lesen ist gleichzeitig der Betrachtungsprozess<br />

und dieser wird als das Lesen selbst interpretiert.<br />

Weiner hat an den beiden Eingangsfassaden des Rathauses mit Klebebuchstaben<br />

eine Textarbeit aus parallelen Teilen in deutscher und englischer<br />

Sprache angebracht, die aber weniger die Inhalte der Kunst als vielmehr<br />

ihre Wahrnehmung thematisiert. Der deutschsprachige Text lautet:<br />

GRÜNES GLAS<br />

GEBROCHEN<br />

IM TAGESLICHT<br />

[WEISS]<br />

MILCHGLAS<br />

GEBROCHEN<br />

IM LICHT DES SONNENUNTERGANGS<br />

[ROT]<br />

BRAUNES GLAS<br />

GEBROCHEN<br />

IM MORGENLICHT<br />

[BLAU]<br />

28<br />

The works of Lawrence Weiner, the second conceptual artist represented<br />

in the exhibition, consist mainly of texts thematizing subjects<br />

in linguistic form without resorting to the possibilities of expression<br />

offered by materials, forms or objects. They can be painted on a wall,<br />

written on paper in the form of a certificate or printed in a catalogue.<br />

To avoid any individuality of expression Weiner always uses printed<br />

characters. His works operate on a strictly defined borderline<br />

between the reality of language and the reality of content. Both<br />

realms meet on different levels and offer the observer various interpretational<br />

approaches. By formulating texts that partly have an<br />

abstract sense themselves, and partly also are concrete formulations<br />

of specific pictorial images, Weiner makes us aware of the meaning<br />

of language. The act of reading is at the same time a process of<br />

observation which in turn is itself interpreted as reading.<br />

On both entrance façades of the Rathaus (town hall), Weiner erected<br />

a text work in adhesive letters consisting of parallel columns of<br />

German and English text thematizing less the content of art but<br />

rather more its perception. The English text reads:<br />

GREEN GLASS<br />

BROKEN<br />

IN THE LIGHT OF DAY<br />

[WHITE]<br />

MILK GLASS<br />

BROKEN<br />

IN THE LIGHT OF SUNSET<br />

[RED]<br />

BROWN GLASS<br />

BROKEN<br />

IN THE MORNING LIGHT<br />

[BLUE]<br />

Broken Glass,<br />

1990, Sprache + die Materialien, auf die Bezug genommen wird [Textarbeit an der Rathausfassade]


Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

Lawrence Weiner<br />

Mit seiner Textarbeit bezieht sich Weiner auf Wahrnehmungssituationen,<br />

die sich bei der Betrachtung der genannten Glasarten – sichtbar am<br />

Rathaus oder anderen beliebigen Gebäuden der Umgebung – zu einer<br />

bestimmten Tageszeit ergeben. Auch wenn die Information, die der<br />

Künstler uns gibt, scheinbar banal und für jeden verständlich ist, haben<br />

wir es in der heutigen Zeit doch fast vollständig verlernt, diesen Licht- und<br />

Wahrnehmungsphänomenen nachzuspüren, sie als romantischen<br />

Bestandteil unseres Alltags zuzulassen. Gehen wir etwa am Morgen in aller<br />

Frühe in die Stadt, erfahren wir das frische, kalte Morgenlicht in komplexer<br />

Brechung an zahlreichen Glasfassaden, die unsere tägliche Weltwahrnehmung<br />

prägen. In den Glasflächen eines Hochhauses oder einfachen<br />

Geschäftshauses spiegeln sich die vielfältigen Ereignisse des Alltags:<br />

Häuser, Autos, Fußgänger, Vögel, Himmel oder Wolken. Weiner möchte mit<br />

seinen ‚schriftlichen Verweisen’ auf die Realität und das, was sich hinter<br />

ihr verbirgt, das Bewusstsein des Betrachters wieder auf die existenzielle<br />

Bedeutung der subjektiven Welterfahrung lenken.<br />

Broken Glass<br />

30<br />

In his text work Weiner is referring to situations of perception that<br />

occur when looking at particular glass types – visible in the Rathaus<br />

or other buildings in the neighbourhood – at a given time of day. Even<br />

though the information the artist offers might seem banal and<br />

obvious, this phenomenon of light and perception is something that<br />

we today have almost completely lost our capacity to register, and<br />

to admit into our everyday lives as a Romantic component. If we go<br />

into town in the early morning for example, we experience the fresh,<br />

cold morning light in complex refractions on the countless glass<br />

façades that form part of our daily perception of the world. In the<br />

glass surfaces of a skyscraper or a simple office block, the manifold<br />

elements of our everyday lives are reflected: buildings, cars,<br />

pedestrians, birds, sky and clouds. With his ‘written references’ to<br />

reality and to that which is hidden behind it, Weiner seeks to renew<br />

our awareness of the existential meaning of our subjective experience<br />

of the world.


Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

HARRY HAUCK<br />

Zwischen den beiden genannten Arbeiten befinden sich – auf dem Rasen<br />

des Platzes gegenüber der Englischen Kirche – drei isoliert und funktionslos<br />

dastehende ‚Säulen’ des Künstlers Harry Hauck. Es könnte sich um<br />

Reste eines längst nicht mehr existierenden Gebäudes handeln, doch<br />

bei näherer Betrachtung fällt auf, dass sie nicht aus Stein, sondern aus<br />

Gummi bestehen. Es handelt sich um aufgeblasene Gummisäulen, die mit<br />

Basis und Kapitell an die klassizistischen Säulen der gegenüberliegenden<br />

Englischen Kirche erinnern, vielleicht aber auch an solche anderer historischer<br />

Architekturen. Und doch sind es nicht Säulen, sondern transformierte<br />

Versatzstücke von solchen. Plastik als Gattung wird hier in doppelbödiger<br />

Weise und mit einem Hauch von Ironie thematisiert. Die drei<br />

plastischen Arbeiten Haucks lenken unseren Blick darüber hinaus auf die<br />

Fragen nach Original und Kopie, nach Authentischem und Nachgemachtem.<br />

Ein Gegenstand, der in seiner originalen Ausformung scheinbar<br />

zeitlos und für die Ewigkeit gemacht ist, reagiert vor unseren Augen auf<br />

klimatische Veränderungen: Die Säulen ‚atmen’, je nachdem ob es kälter<br />

oder wärmer wird. Sie passen sich dem Rhythmus der natürlichen<br />

Veränderungen an, machen uns in ihrer Künstlichkeit natürliches Werden<br />

bewusst.<br />

Turgor 9 [1047 Liter],<br />

Ex 4, 5, 6/30, 2000-03, Gummi, Luft, Ventil [330 x 85 x 85 cm]<br />

34<br />

Between the works of Kosuth and Weiner – on the lawn of the<br />

square opposite the English Church – are three isolated and functionless<br />

‘columns’ by the artist Harry Hauck. Looking at first sight like<br />

the remains of a long-disappeared building, on closer examination<br />

they turn out to be made of rubber, not stone. In fact they are inflated<br />

rubber columns with bases and capitals recalling the classical<br />

columns of the English Church opposite and possibly other similar<br />

historical structures. Nevertheless, they are transformed set pieces,<br />

not columns. Sculpture as a medium is here – ambiguously, and<br />

not without a touch of irony – the central theme. Furthermore,<br />

Hauck’s three plastic works lead us to consider the question<br />

of original and copy, of the authentic and the reproduced. An<br />

object, in its original form apparently timeless and made for eternity,<br />

here reacts before our eyes to climatic change: the columns<br />

‘breathe’, depending on whether it is warmer or colder. They adjust<br />

to the rhythm of natural change, and in their artificiality make us<br />

aware of natural becoming.<br />

35


Areal Rathaus – Ferdinandstraße – Kaiser-Friedrich-Promenade / The city area<br />

MIGUEL BERROCAL<br />

An der Kaiser-Friedrich-Promenade kann man im Steigenberger Hotel die<br />

monumental wirkende Eisenplastik „Obispo“ („Bischof“) des spanischen<br />

Bildhauers Miguel Berrocal aus der Sammlung der Mannheimer Kunsthalle<br />

sehen. Es ist ein blockhaftes Werk aus zwei aufeinander gesetzten<br />

Teilen, die sich bei näherer Betrachtung als abstrahierte Ausformungen<br />

von Unter- und Oberkörper einer Figur zu erkennen geben. Das Material<br />

Eisen – in der spanischen Plastik des 20. Jahrhunderts ein zentraler<br />

Werkstoff seit Picasso, aber auch bei González oder Chillida von bestimmender<br />

Bedeutung – wird hier zum Symbol für die Härte der spanischen<br />

Kirche. Das ‚Ornat’ des Bischofs am oberen Teil der Plastik wurde von<br />

Berrocal in spitze Eisenstangen übertragen, während der Torso ohne Kopf<br />

die entseelte Vorstellung eines von Traditionen und Zwängen gelenkten<br />

Menschen offenbart. In Berrocals Plastik manifestiert sich dadurch auch<br />

das Drama der Entwicklung des spanischen Staates von der Autokratie<br />

zur Demokratie nach der von Unterdrückung geprägten Ära Franco.<br />

Materialsprache und bildnerischer Ausdruck konstituieren dabei zwei<br />

wesentliche Elemente einer metaphorischen Bildsprache, die uns die<br />

Qualität menschlicher Kreativität im Umgang mit dem menschlichen Leid<br />

vor Augen führt.<br />

Obispo,<br />

1962, Eisen, zweiteilig [141 x 117 x 37 cm];<br />

Leihgabe der Kunsthalle Mannheim<br />

38<br />

In the Steigenberger Hotel on Kaiser-Friedrich-Promenade there is<br />

the monumental iron sculpture “Obispo” (“Bishop”) by the Spanish<br />

sculptor Miguel Berrocal from the collection of the Kunsthalle<br />

Mannheim. “Obispo” is a block-like work consisting of two pieces<br />

set on top of each other, which on closer examination reveal themselves<br />

to be abstract versions of the upper and lower parts of a<br />

body. Iron – one of the principal materials in 20th century Spanish<br />

sculpture since Picasso and also of great significance in the works<br />

of González and Chillida – here symbolically stands for the inflexibility<br />

of the Spanish church. Berrocal transforms the bishop’s<br />

‘vestments’ in the upper part of the sculpture into pointed iron<br />

poles, while the torso without head represents the lifeless idea<br />

of a man guided only by traditions and constraints. Berrocal’s<br />

sculpture thus also expresses the dramatic development of the<br />

Spanish state from autocracy to democracy after the reppressive<br />

Franco era. The language of the material and the pictorial expression<br />

constitute two basic elements of a metaphorical imagery that<br />

teaches us about the quality of human creativity in dealing with<br />

human suffering.


AREAL KURPARK / THE KURPARK AREA


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

TRAK WENDISCH<br />

Geht man entlang der Kaiser-Friedrich-Promenade weiter und betritt auf<br />

Höhe des Schmuckplatzes den Park, so begegnet man mehreren Werkgruppen<br />

von figürlichen Plastiken oder abstrakt figurativen Arbeiten.<br />

Hier sind zuallererst die zwischen den Bäumen stehenden, in Bewegungssuggestion<br />

verharrenden oder sich gegenseitig tragenden Figuren von Trak<br />

Wendisch zu sehen. Die fünf ausgestellten Skulpturen entstanden<br />

zwischen 1990 und 2001. Ihre Titel sprechen die in ihnen formulierten<br />

Inhalte sehr deutlich an: „Tänzerin II“, „Armkreuzer“, „Frauenträger II“,<br />

„Frauenträger V“ und „Jongleur“. Die skurrilen, entmenschlichten Wesen<br />

mit ihren überlangen, linear-zeichenhaften Körperteilen pendeln formal<br />

zwischen abstrahierten menschlichen Figuren und totemistischen<br />

Gebilden hin und her. Ihre Körper, deren Gliedmaße oft vektorenhaft in den<br />

Raum ausgreifen, zeigen dabei eine spannungsgeladene Gestik, der stets<br />

etwas Tänzerisches anhaftet. Die Figuren lassen sich innerhalb eines<br />

von Bäumen eingefriedeten Areals trotz zahlreicher Abstraktionstendenzen<br />

immer noch als Individuen orten. Sie bauen durch ihre Bewegungsakzente<br />

Dialoge miteinander sowie mit der sie umgebenden Natur auf, behaupten<br />

sich aber dennoch als autonome Wesen in ihrem jeweiligen kontextuellen<br />

Raum. Die Figuren scheinen zwischen den Bäumen selbstbezüglich zu<br />

tanzen, sich virtuell zwischen den vielfältigen Licht- und Schattenwelten<br />

zu bewegen. Dabei können manche von ihnen bisweilen grotesk verzerrte<br />

Haltungen einnehmen, die auf die Abhängigkeit des Menschen von<br />

äußeren Gesetzmäßigkeiten hinweisen.<br />

Tänzerin II, (Seite 44 links, 49 und 50)<br />

1991-2003, Bronzeguss, farbig patiniert, Ex 2/5 [205 x 120 x 100 cm]<br />

Armkreuzer, (Seite 45 rechts und 48)<br />

1990-2000, Bronzeguss, farbig patiniert, Ex 2/5 [175 x 140 x 75 cm]<br />

Frauenträger II, (Seite 43 mitte und 47 rechts)<br />

1991-2003, Bronzeguss, farbig patiniert, Ex 1/5 [270 x 130 x 120 cm]<br />

Frauenträger V, (Seite 43 links, 44 rechts, 46 und 51 links)<br />

2001, Bronzeguss, farbig patiniert, Ex 1/5 [197 x 40 x 30 cm]<br />

Jongleur, (Seite 43 rechts, 45 links, 47 links und 51 rechts)<br />

1994-2001, Bronzeguss, farbig patiniert, Ex 1/5 [240 x 70 x 70 cm]<br />

42<br />

Continuing along Kaiser-Friedrich-Promenade, as you enter the<br />

Kurpark by the Schmuckplatz, you will see several groups of figure<br />

sculptures and abstract figures.<br />

First of all, arranged between the trees, there are the figures of Trak<br />

Wendisch, frozen into a suggestion of movement or supporting each<br />

other. The five exhibited figures were created between 1990 and<br />

2001. Their titles clearly express their formulated contents: “Tänzerin<br />

II” (“Female Dancer II”), “Armkreuzer” (“Person Crossing Arms”),<br />

“Frauenträger II” (“Person Carrying a Woman II”), “Frauenträger V”<br />

(“Person Carrying a Woman V”) and “Jongleur” (“Juggler”). These<br />

strange, unearthly creatures with their overlong graphic limbs oscillate<br />

formally between abstracted human figures and totemistic<br />

shapes. Whereas their limbs often point vector-like into space, their<br />

bodies display gestures full of suspense as in a dance. The figures<br />

within a space lined by trees are identifiable as individuals, despite<br />

strong tendencies towards abstraction. With their pronounced movements<br />

they create a dialogue with each other as well as with their<br />

natural environment; yet they remain autonomous beings in their<br />

respective contextual space. The figures seem absorbed in a selfreferential<br />

dance between the trees, moving virtually between worlds<br />

of light and shadow. In this way some of them are able to take up<br />

grotesque, twisted positions recalling man’s dependence on external,<br />

natural laws.


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

Trak Wendisch<br />

Tänzerin II<br />

Frauenträger V<br />

Jongleur<br />

50


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

RAINER FETTING<br />

In einiger Entfernung – in der Nähe des Brunnens am oberen Teil der<br />

ersten Lenné’schen Sichtachse – sind zwei weitere figurative Arbeiten<br />

ausgestellt: massive, überlebensgroße Bronzeplastiken von Rainer Fetting.<br />

Beide Werke umschreiben eine nicht mehr natürliche Torsion des menschlichen<br />

Körpers, ohne dabei aber allzu deformiert zu wirken. Die bewegte<br />

Oberflächenbehandlung mit einem reichen Spiel an Furchen und Falten<br />

erinnert im Ansatz an die existenzialistisch geprägten Arbeiten Alberto<br />

Giacomettis. Daneben erweckt die aufgerauhte Patina der Figuren den<br />

Eindruck des Transformatorischen, Flüchtigen.<br />

Fast schwebend scheint sich die Figur mit dem Titel „Der Flug“ mitten auf<br />

dem Rasen vom Boden zu lösen. Wie eine ‚figura serpentinata’ des<br />

Manierismus in sich verdreht demonstriert sie unbändige Kräfte. Mit ihren<br />

hochgehobenen, überlangen Armen öffnet sie sich zum Himmel, versucht<br />

die dahinter liegenden kosmischen Kräfte zu empfangen. Fettings Figur<br />

ist ein Symbol für die dem Menschen innewohnende Kraft, sich sowohl<br />

im Geistigen, als auch im Körperlichen auf seine individuellen Bedingungen<br />

zu verlassen.<br />

Der Flug,<br />

1988, Bronzeguss, Ex 2/4 [300 x 140 x 345 cm]<br />

52<br />

A good way further on – close to the fountain at the upper section<br />

of Lenné’s first axis of view – two more figures are displayed:<br />

two massive, oversized bronze sculptures by Rainer Fetting. Both<br />

works present an unnatural torsion of the human body beyond the<br />

natural – but without in the process making the figure appear too<br />

deformed. Fetting’s irregular treatment of the surface with its rich<br />

play of creases and wrinkles is reminiscent of the existentialist<br />

works of Alberto Giacometti. At the same time the roughed-up patina<br />

of the figures creates an impression of transformation and<br />

fleetingness.<br />

Almost as if it were floating, the figure entitled “Der Flug” (“The<br />

Flight”) seems to detach itself from the middle of the lawn. Twisted<br />

like a Mannerist ‘figura serpentinata’ it presents an image of boundless<br />

force. With its raised, overlong arms it opens itself to the sky as<br />

if to take in the cosmic forces beyond. Fetting’s sculpture is a symbol<br />

of man’s inherent power spiritually as well as physically to accept<br />

his individual human condition.


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

Die zweite, als Oberkörpertorso ausformulierte Plastik mit dem Titel „Die<br />

Drehung“, deren bronzene Oberfläche aufgrund der vielfachen Aufbrechungen<br />

und Zerklüftungen ebenfalls ein bewegtes Licht-Schatten-<br />

Spiel vor Augen führt, thematisiert dagegen die Erdverbundenheit des<br />

Menschen. Die fragmentierte Figur scheint sich aus dem natürlichen<br />

Boden ‚herauszuwinden’. Sowohl die Blickrichtung des Kopfes, als auch<br />

die über dem Kopf verschränkten Arme sind dabei Zeichen für die Suche<br />

der Figur nach ihrem Ort, ihrem Sinn. Fetting konfrontiert uns hier mit<br />

natürlichem und körperlichem Werden, basierend auf der Transformation<br />

und transitorischen Progression der Form. Auch diese Arbeit enthält<br />

darüber hinaus zahlreiche symbolische Anspielungen, die sich auf kosmische<br />

Gesetzmäßigkeiten beziehen. Die Einbindung beider Werke in einen<br />

natürlichen Zusammenhang demonstriert dies in besonderer Weise.<br />

Die Drehung,<br />

1987, Bronzeguss, Ex 4/6 [268 x 165 x 70 cm]<br />

54<br />

On the other hand the second sculpture, the torso of an upper body<br />

entitled “Die Drehung” (“The Turning”), whose bronze surface with<br />

its many breaks and fissures also displays a lively play of light and<br />

shadow, stands for man’s connection with the earth. The fragmented<br />

figure seems to wriggle out of the natural ground. The tilt of its<br />

head as well as the position of the arms folded over the head signify<br />

the figure’s quest for its place, its sense. Here, Fetting confronts us<br />

with natural and physical becoming, based on the transformation and<br />

transitory progression of form. Again, the sculpture contains numerous<br />

symbolic allusions to cosmic laws. This is emphasized particularly<br />

by the integration of both works in a natural context.


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

HELGE LEIBERG<br />

Zwischen dem Weiher und dem Siamischen Tempel stehen – jeweils in<br />

spezifische natürliche Umgebungen eingebunden – figürliche Plastiken<br />

von Helge Leiberg, Markus Lüpertz und Eric Fischl.<br />

Helge Leiberg beschäftigte sich in den siebziger Jahren während seines<br />

Kunststudiums in Dresden vor allem auch mit Musik und Tanz. Sein bildnerisches<br />

Interesse konzentriert sich unter Einbeziehung dieser Elemente<br />

bei der Formung einer Figur auf deren körperlich-tänzerische Artikulation<br />

sowie eine daraus folgende räumlich aktive Umsetzung. Die einsam auf<br />

einem großen Rasenstück stehende, sich mit ihrer grünlichen Patina<br />

dialogisch auf die natürliche Umgebung beziehende Bronzeplastik mit<br />

dem Titel „Zuwendung“ behauptet sich in ihrer zeichenhaft stilisierten<br />

Körperhaftigkeit als Symbol des menschlichen Individuums und verdeutlicht<br />

durch ihre selbstbezügliche Tanzhaltung das kreative Potenzial, das<br />

im Wesen des Menschen begründet liegt. Die pointiert in Szene gesetzte<br />

Körperhaltung offenbart dabei eine ‚kulturelle Form’ körperlichen<br />

Ausdrucks, die von dem betrachtenden Gegenüber als ein Angebot zur<br />

wahrnehmenden und gedanklichen Begegnung verstanden wird. Die<br />

Figur baut darüber hinaus einen subtilen Dialog mit der sie umgebenden<br />

Natur und den vom Wind bewegten Bäumen auf. Die Betrachtung dieser<br />

und anderer Figuren Leibergs setzt in uns komplexe Fragen nach dem<br />

existenziellen Dasein und dem Sinn menschlichen Handelns frei.<br />

Zuwendung,<br />

2003, Bronzeguss, Ex 1/3 [295 x 150 x 130 cm]<br />

56<br />

Between the pond and the Siamese Temple, figure sculptures by<br />

Helge Leiberg, Markus Lüpertz and Eric Fischl are arranged respectively<br />

in a specific natural environment.<br />

During his studies at the Dresden Academy of Fine Arts in the seventies,<br />

Helge Leiberg concerned himself in particular with music and<br />

dance. Incorporating these elements, his sculptural interest in<br />

shaping a figure focusses on its physical, dance-like articulation as<br />

well as its consequent translation into active space. The lonely<br />

bronze sculpture “Zuwendung” (“Turning to”), with its green patina<br />

corresponding to its natural environment on a large stretch of lawn,<br />

asserts itself in its graphically stylized physicality as a symbol of the<br />

human individual, and epitomizes through its self-referential dancing<br />

position the creative potential inherent in human beings. The stark<br />

posture reveals a ‘cultural form’ of physical expression that communicates<br />

to the observer the proposal of an imaginary encounter.<br />

Furthermore, the figure creates a subtle dialogue with the nature<br />

surrounding it and the trees swaying in the wind. This, and other<br />

figures by Leiberg, raise complex questions about existential being<br />

and the meaning of human activity.


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

Helge Leiberg<br />

Zuwendung<br />

58


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

MARKUS LÜPERTZ<br />

Die von Markus Lüpertz ausgestellten Figuren „Clitunno“, „Philosophin“<br />

und „Daphne“ befassen sich in unterschiedlicher Weise mit mythischen<br />

Vorstellungen vom Menschen und von Kultur.<br />

„Clitunno“, ein überlebensgroßer männlicher Oberkörper mit kurzen, kräftigen<br />

Beinen, bildet schon aufgrund der grünen Bemalung seiner Bronze<br />

eine enge dialogische Beziehungseinheit mit der Natur. Die Figur symbolisiert<br />

den mythischen Gott eines umbrischen Flusses, der aus mehreren<br />

Quellen entspringt. Beinahe in Entsprechung der bereits von Plinius<br />

beschriebenen ungewöhnlichen landschaftlichen Schönheit um die Fonti<br />

del Clitunno bei Spoleto geht „Clitunnos“ Blick im Bad Homburger Kurpark<br />

von einem Hügel aus auf den Teich, der die natürliche Idylle des Erdreiches<br />

um das Element Wasser ergänzt. Die Gottgestalt scheint gerade aus dem<br />

von Wasser getränkten Erdreich herauszusteigen, sich in die Welt der<br />

Menschen zu begeben. Sie hebt ihren Arm, wie um die Wasser zu<br />

bewegen, ähnlich wie dies Poseidon in den griechischen Sagen tat, als<br />

er etwa die Wellen gegen Odysseus’ Schiff erhob. „Clitunnos“ Körperoberfläche<br />

ist zerfurcht, aufgebrochen, verformt, vergleichbar mit einem<br />

golemartigen Lehmklumpen, dem gerade in der gestaltenden Formung<br />

Leben eingehaucht wurde. Aufgrund dieser spezifischen Materialität<br />

entwickelt sich zwischen der Plastik und der sie umgebenden Natur aus<br />

Bäumen, Blättern und Erde eine kongeniale Einheit, die eine Trennung fast<br />

unmöglich macht. Die Figur scheint geradezu für diesen Standort<br />

bestimmt zu sein.<br />

Clitunno,<br />

1989/90, Bronzeguss, bemalt, Ex 2/6 [223 x 120 x 112 cm]<br />

60<br />

Markus Lüpertz’s sculptures “Clitunno”, “Philosophin” (“Female<br />

Philosopher”) and “Daphne” deal in different ways with mythical<br />

conceptions of Man and culture.<br />

By the very painting of its bronze surface in green, “Clitunno”, a<br />

larger-than-life male trunk with short sturdy legs, is already linked<br />

in a close dialogue with nature. The sculpture symbolizes the<br />

mythical god of an Umbrian river rising from several springs. In<br />

conformity with the extraordinary beauty of the landscape around the<br />

Fonti del Clitunno at Spoleto described by Pliny, here, in the Kurpark<br />

Bad Homburg, “Clitunno’s” gaze stares out from a hill towards a<br />

pond, which complements the natural idyll of the earth by the<br />

element water. The god figure seems to step out of the water-soaked<br />

earth in order to mingle in the world of humans. He raises his arm<br />

as if to stir the waters, like Poseidon in the Greek myth when he<br />

whipped up the waves against Ulysses’s boat. “Clitunno’s” body<br />

surface is creased, broken open, deformed, akin to a golem-like<br />

clump of mud that has just been brought to life by being formed into<br />

shape. It is this specific materiality that generates a congenial unity<br />

between the sculpture and the natural surroundings of trees, leaves<br />

and soil, a unity almost impossible to break. The figure seems<br />

designed for exactly this location.


Areal Kurpark / The Kurpark area<br />

Markus Lüpertz<br />

In der Nähe von „Clitunno“ steht die in ihrer Inhaltlichkeit ebenfalls an<br />

antike mythische Figuren erinnernde „Philosophin“. Ein weiterer Guss<br />

dieser Skulptur befindet sich in dem von Lüpertz auch malerisch ausgestalteten<br />

Foyer des Bundeskanzleramtes in Berlin.<br />

Die weibliche Bronzefigur gibt sich als Wesen mit zwei Gesichtern zu<br />

erkennen, dem wahren Gesicht und dem zweiten, das in Form einer<br />

vorgehaltenen Maske gebildet ist. Durch das Abnehmen der Maske offenbart<br />

sie sich als Allegorie der nach dem ‚wahren’ Wissen, nach dem<br />

tieferen Sinn des Lebens strebenden Philosophie und weist uns symbolisch<br />

auf die hinter der Maske der Realität verborgene, eigentliche<br />

Wahrheit hin. Diese versucht der Mensch im alltäglichen Umgang mit der<br />

Wirklichkeit meist auch vor sich selbst zu verschleiern, zu verbergen, um<br />

eine Pseudo-Wahrheit aufrecht zu erhalten. Und auch die „Philosophin“<br />

bedeutet uns, dass es keine absolute Wahrheit gibt, sondern stets nur eine<br />

relative, subjektive Wirklichkeit, die der individuellen Wahrnehmung und<br />

der daraus resultierenden Weltdeutung verhaftet ist. Die Maske, das<br />

zweite Gesicht, ist als Metapher für die Doppeldeutigkeit jeglicher menschlichen<br />

Aussage anzusehen. Die schweren Körperformen der Figur sind<br />

erdverbunden und bilden mit der sie umgebenden Natur eine<br />

Beziehungseinheit, womit Lüpertz auf die Gedanken der Vorsokratiker<br />

hinweist, die als Urkraft der Natur das Element ‚Erde’ ausdeuteten.<br />

Philosophin,<br />

1998, Bronzeguss, bemalt, Ex 6/6 [280 x 106 x 96 cm]<br />

64<br />

Standing near “Clitunno”, “Philosophin” (“Female Philosopher”) also<br />

recalls mythical figures of antiquity. A further cast of this sculpture<br />

can be seen in the Federal Chancellery foyer in Berlin (which also<br />

contains a large wall painting by Lüpertz).<br />

The female bronze portrays a being with two faces, a true face and<br />

a second in the form of a held-up mask. By taking off the mask she<br />

reveals herself as an allegory of ‘true’ knowledge, of a philosophy<br />

seeking a deeper meaning of life, referring us symbolically to an<br />

effective truth hidden behind the mask of reality – a truth that Man<br />

in his everday dealings with reality mainly tries to disguise, to bury,<br />

in order to sustain a pseudo truth. In this sense, “Philosophin” tells<br />

us there is no absolute truth, only relative, subjective reality bound<br />

to individual perception and a resulting interpretation of the world.<br />

The mask, the second face, thus becomes a metaphor for the ambivalence<br />

of all human statements. The heavy body shapes of the<br />

sculpture are bound to the earth and form a unity with their natural<br />

surroundings – Lüpertz here recalls the ideas of the pre-Socratics<br />

who interpreted the element ‘earth’ as the original elemental force.

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