Artikel in Bauen mit Holz, 2011, Heft 5 (PDF) - Harrer Ingenieure
Artikel in Bauen mit Holz, 2011, Heft 5 (PDF) - Harrer Ingenieure
Artikel in Bauen mit Holz, 2011, Heft 5 (PDF) - Harrer Ingenieure
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Bilder: F<strong>in</strong>nforest Merk/Arup<br />
technik<br />
Gelungene Verb<strong>in</strong>dungen<br />
Ingenieurholzbau ❙ Die über 3.000 Knotenpunkte des ab Seite 8 beschriebenen Metropol-Parasol-Projekts<br />
stellten e<strong>in</strong>e ganze Reihe von <strong>Ingenieure</strong>n und Tragwerksentwicklern vor e<strong>in</strong>e spannende Aufgabe. In<br />
<strong>in</strong>tensiven Diskussionen, Studien, Vergleichsrechnungen und Versuchen näherten sich die <strong>Ingenieure</strong><br />
von Arup und F<strong>in</strong>nforest der Knotengeometrie und den def<strong>in</strong>ierten Schnittgrößen. Zur Erbr<strong>in</strong>gung der<br />
umfangreichen Bauteil- und Detailnachweise holte F<strong>in</strong>nforest Merk sich dann <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong> sowie<br />
apueng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g und pbb Planung + Projektsteuerung <strong>mit</strong> <strong>in</strong>s Boot.<br />
Anja Thurik, Thomas Di Risio, Matthias Gerold, Volker Schmid<br />
Bild 1: Das Tragwerk des Metropol Parasol besteht<br />
aus e<strong>in</strong>em Verb<strong>in</strong>dungssystem <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>geklebten<br />
Zugstangen – e<strong>in</strong> modernes Anschlusskonzept<br />
<strong>mit</strong> sehr hoher Tragfähigkeit und vergleichsweise<br />
ger<strong>in</strong>gem Gewicht.<br />
38 bauen <strong>mit</strong> holz · 5.<strong>2011</strong><br />
n y<br />
n yx<br />
Ausgehend von den spezifischen Eigenschaften<br />
des Furnierschichtholzes galten<br />
für die Tragwerksplanung des Metropol<br />
Parasol folgende Parameter:<br />
– hohe Belastbarkeit; zu übertragende Kräfte<br />
von bis zu 1,0 MN, (= 100 t, charakteristisch);,<br />
- die Verb<strong>in</strong>dungen müssen möglichst<br />
leicht se<strong>in</strong>, da der Platz für die Fundamente<br />
zwischen den römischen Ru<strong>in</strong>en<br />
begrenzt und deren Tragfähigkeit li<strong>mit</strong>iert<br />
ist;<br />
– da die Geometrie jeder der gut 3000 Verb<strong>in</strong>dungen<br />
unterschiedlich ist, wie auch<br />
die zu übertragende Kraft, muss e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungssystem<br />
entwickelt werden, das<br />
<strong>in</strong> der Art e<strong>in</strong>es Baukastens beliebig komb<strong>in</strong>ierbar<br />
ist;<br />
– Toleranzausgleich <strong>in</strong> drei Richtungen (justierbar);<br />
– Montagefreundlichkeit,<br />
– ke<strong>in</strong>e überstehenden Stahlteile (Transportfreundlichkeit);<br />
– da jede Verb<strong>in</strong>dung sichtbar bleibt, s<strong>in</strong>d<br />
die Abmessungen der Verb<strong>in</strong>dung zu<br />
m<strong>in</strong>imieren.<br />
Die Lösung war das Verb<strong>in</strong>dungssystem<br />
<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>geklebten Zugstangen – e<strong>in</strong> modernes<br />
Anschlusskonzept <strong>mit</strong> sehr hoher Tragfähigkeit<br />
und vergleichsweise ger<strong>in</strong>gem<br />
Gewicht.<br />
Die e<strong>in</strong>zelnen Knoten wurden im Zuge der konzeptionellen<br />
Entwicklung von F<strong>in</strong>nforest Merk vorbemessen und nach der<br />
Festlegung der Festigkeitsparameter <strong>in</strong> Anschlusstypen katalogisiert.<br />
Die Bauwerksform und das vorgegebene Gesamtgewicht<br />
der Konstruktion stellen dabei die Grenzen dar. Entsprechend<br />
dem Generierungsprozess der Tragwerksgeometrie s<strong>in</strong>d alle Knotenpunkte<br />
im Grundriss rechtw<strong>in</strong>klig. In der Ansicht weisen<br />
jedoch alle Verb<strong>in</strong>dungen unterschiedliche Neigungen auf. Für<br />
die Momenten- und Normalkraftverb<strong>in</strong>dung an der Ober- und<br />
5.<strong>2011</strong> · www.bauen<strong>mit</strong>holz.de<br />
nxy<br />
n x<br />
Deckfaser<br />
a) Scheibenschnittgrößen b) Plattenschnittgrößen<br />
Bild 2: Schnittgrößendef<strong>in</strong>itionen von <strong>Holz</strong>werkstoffplatten <strong>in</strong> Abhängigkeit von der Faserrichtung<br />
m y<br />
m yx<br />
q y<br />
m x<br />
m xy<br />
Y09 Y10 Y11 Y12 Y13 Y14 Y15<br />
Y16<br />
the average<br />
utilisation<br />
of these<br />
elements<br />
is 75 %<br />
140 mm<br />
90°<br />
the average<br />
utilisation<br />
of these<br />
elements<br />
is 78 %<br />
Inexactness <strong>in</strong> model<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> practice there is<br />
no bear<strong>in</strong>g exist<strong>in</strong>g !<br />
the average<br />
utilisation<br />
of these<br />
elements<br />
is 72 %<br />
140 mm<br />
90°<br />
189 mm<br />
90°<br />
the average<br />
utilisation<br />
of these<br />
elements<br />
is 77 %<br />
Unterseite des Elements entwickelte F<strong>in</strong>nforest e<strong>in</strong>e spezielle,<br />
standardisierte Gabelkopfverb<strong>in</strong>dung, die drehbar ist und auf der<br />
Baustelle schnell durch e<strong>in</strong>en Bolzen stahlbaumäßig <strong>mit</strong> dem<br />
Nachbarbauteil gekoppelt werden kann. Die Laschen s<strong>in</strong>d über<br />
e<strong>in</strong>e Verzahnung <strong>mit</strong> 3,5 mm Steigung und vorgespannten HV-<br />
Schrauben Typ 10.9 an die Grundplatte des Anschlussstahlteils<br />
angeschlossen. Die hohen Anschlusskräfte zwischen Stahlverb<strong>in</strong>dungsteil<br />
und <strong>Holz</strong> werden <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>geklebten Gew<strong>in</strong>destangen<br />
<strong>in</strong>s <strong>Holz</strong> e<strong>in</strong>geleitet.<br />
q x<br />
utilisation scale<br />
< 10 %<br />
10 % to 20 %<br />
20 % to 30 %<br />
30 % to 40 %<br />
40 % to 50 %<br />
50 % to 60 %<br />
60 % to 70 %<br />
70 % to 80 %<br />
80 % to 90 %<br />
90 % to 100 %<br />
100 % to 110 %<br />
> 110 %<br />
189 mm<br />
109,6°<br />
Bild 3: Struktur des FEM-Rechenmodells e<strong>in</strong>er Stammscheibe (Beispiel).<br />
steel<br />
constr.<br />
39
technik<br />
My V=<br />
h<br />
positive cross-section<br />
equilibrium <strong>in</strong><br />
connected<br />
wooden part<br />
left (or ahead)<br />
Σ h = 0<br />
Σ v = 0<br />
Σ m node = M y<br />
M y<br />
Ro= h ·cosγo My·tanγo h<br />
·(-tanγ o+tanγ u)<br />
γ u<br />
γ o<br />
α<br />
M y<br />
h<br />
M y<br />
h<br />
My·tanγo h<br />
v<br />
case 1) Internal forces caused by bend<strong>in</strong>g moment My (Fx = 0 , Fz = 0)<br />
F z(=0)<br />
equilibrium <strong>in</strong><br />
cont<strong>in</strong>uous<br />
wooden part<br />
Σ h = 0<br />
Σ v = 0<br />
Σ m node = M y<br />
Die Def<strong>in</strong>ition der Versagenskriterien und die Festlegung der<br />
Imperfektionen stellte für diese Stahlbauverb<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e große<br />
analytische Herausforderung dar, weil das Stabilitätsversagen nicht<br />
von vornehere<strong>in</strong> absehbar war. Zur Übertragung der Querkraft<br />
und zum Anschluss der Auskreuzungen werden pro Knoten je vier<br />
fast trägerhohe, <strong>in</strong>dividuelle Stahlw<strong>in</strong>kel vor Ort an die Kerto-<br />
Scheiben genagelt und ermöglichen so den problemlosen Toleranzausgleich.<br />
Schnittgrößen iterativ er<strong>mit</strong>telt<br />
Nachdem sämtliche Randbed<strong>in</strong>gungen für die endgültige Berechnung<br />
des Tragwerks festgelegt waren, konnte F<strong>in</strong>nforest nun e<strong>in</strong>e<br />
umfangreiche, excel-basierte Matrix aufstellen, die für jede Neigung<br />
des <strong>Holz</strong>trägers, jede mögliche <strong>Holz</strong>dicke, jeden Faserw<strong>in</strong>kel<br />
und jeden auftretenden Kraft-Faserw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungstyp<br />
samt dem zugehörigen Gewicht des Verb<strong>in</strong>dungsdetails def<strong>in</strong>ierte.<br />
Arup konnten das räumliche F<strong>in</strong>ite-Elemente-Modell <strong>mit</strong> ersten<br />
Werten für die Breite der <strong>Holz</strong>träger und für die Knotengewichte<br />
füttern. Sämtliche weiteren Lasten wie das Gewicht der Besucher,<br />
die Beanspruchungen aus W<strong>in</strong>d, aber auch Verkürzungen und<br />
Dehnungen der Tragwerksteile durch Temperatur- und Feuchteänderungen<br />
wurden <strong>in</strong> das Computerprogramm e<strong>in</strong>gegeben. Es<br />
h<br />
My V=<br />
h<br />
M y<br />
h<br />
My·tanγu h<br />
My Ru= h ·cosγu M y<br />
M y<br />
h<br />
M y<br />
Ro= h ·cosγo ·(-tanγ o+tanγ u)<br />
·tanγu Ru= M y<br />
h<br />
F x(=0)<br />
M y<br />
z<br />
y<br />
h ·cosγ u<br />
h<br />
My Uo= ·(tanγ<br />
h<br />
o-tanγo) GSA-node<br />
x<br />
Local axes (x,y,z) and force sign convention (F x, F z, M y) <strong>in</strong> Oasys GSA - model<br />
negative cross-section<br />
equilibrium <strong>in</strong><br />
connected<br />
wooden part<br />
right (or back)<br />
Σ h = 0<br />
Σ v = 0<br />
Σ m node = M y<br />
folgte die Er<strong>mit</strong>tlung der Schnittgrößen <strong>in</strong> den Tragwerksteilen<br />
unter Berücksichtigung der Stabilität nach Theorie II. Ordnung.<br />
Die Tragfähigkeit der <strong>Holz</strong>träger wurde nun für diese errechneten<br />
Lasten geprüft und gegebenenfalls deren Breite erhöht. Verb<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>mit</strong> zu ger<strong>in</strong>gen Tragfähigkeiten wurden gegen größere<br />
Anschlüsse ausgetauscht. Da<strong>mit</strong> stieg das Gewicht der Konstruktion<br />
wieder an, und es musste <strong>mit</strong> diesen erhöhten Lasten nun<br />
e<strong>in</strong> neuer Berechnungsgang gestartet werden. Dank Arups teilautomatisierter<br />
Berechnungsrout<strong>in</strong>e konnten diese langwierigen<br />
iterativen Rechnungen selbstständig ablaufen.<br />
Bauteil- und Detailnachweise<br />
Die endgültige Bemessung der Querschnitte unter Berücksichtigung<br />
lokaler Parameter und E<strong>in</strong>flüsse sowie der Anschlüsse <strong>in</strong>klusive<br />
aller Anschlussstahlteile erfolgte durch F<strong>in</strong>nforest zusammen<br />
<strong>mit</strong> deren Subunternehmer <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong> sowie apu-eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />
und der pbb Planung + Projektsteuerung GmbH. F<strong>in</strong>nforest<br />
verknüpfte dazu die globalen Geometriedaten der Architekten<br />
von J. Mayer H. (Umriss) und der Arup-<strong>Ingenieure</strong> (statische<br />
Mittell<strong>in</strong>ie und Neigung, Knotennummern) <strong>mit</strong> Daten aus der<br />
eigenen Elementplanung (Anfangsknoten und Endknoten e<strong>in</strong>es<br />
Bauteils, Faserrichtung) und der systemimmanenten Detailgeo-<br />
40 bauen <strong>mit</strong> holz · 5.<strong>2011</strong><br />
v<br />
U u - U o<br />
Bild 4: Kraftzerlegungen für verschiedene Verb<strong>in</strong>dungstypen im Knoten (nur Moment).<br />
h<br />
z<br />
y<br />
My Uu= ·(tanγ<br />
h<br />
u-tanγu) M y<br />
V=<br />
h<br />
x<br />
M y<br />
h<br />
M y<br />
Ro= h ·cosγo F x(=0)<br />
F z(=0)<br />
M y<br />
h<br />
M y<br />
M y<br />
Ru= h ·cosγu My·tanγo h<br />
·(-tanγo+tanγu) M y<br />
Ro= h ·cosγo v<br />
My·tanγo h<br />
h<br />
My V= ·(-tanγ<br />
h<br />
o+tanγu) My·tanγu h<br />
M y<br />
h<br />
M y<br />
h<br />
γ o<br />
α<br />
γ u<br />
My·tanγu h<br />
My Ru= h ·cosγu metrie (zum Beispiel Kastenabstand vom Bauteilrand) und führte<br />
auf der Basis der von Arup gelieferten Schnittgrößen die Er<strong>mit</strong>tlung<br />
der Anschlusskräfte und die Vorwahl des Anschlusses durch.<br />
Anschließend erfolgte die Nachweisführung der Querschnitte und<br />
der Anschlüsse durch <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong>. Bei zu großer Ausnutzung<br />
nahm F<strong>in</strong>nforest so lange Anpassungen an der Detailgeometrie<br />
und -wahl vor, bis alle Nachweise von <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong> erfüllt<br />
werden konnten. Die Querkraftw<strong>in</strong>kel und Diagonalen-Anschlüsse<br />
wurden ebenfalls von <strong>Harrer</strong>-<strong>Ingenieure</strong> nach dem Konzept von<br />
F<strong>in</strong>nforest bemessen.<br />
Die Aufzweigungsbereiche – hier zweigt sich die Schale für das<br />
Restaurant <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e obere und e<strong>in</strong>e untere Hälfte auf – wurden von<br />
F<strong>in</strong>nforest zusammen <strong>mit</strong> pbb Planung + Projektsteuerung <strong>mit</strong>tels<br />
selbstentwickelter FEM-Scheibenmodelle bemessen.<br />
Besonderheiten bei der Bemessung und<br />
Nachweisführung<br />
Bemessungsgrundlagen für <strong>Holz</strong>werkstoffplatten<br />
Die <strong>in</strong> den abZvon <strong>Holz</strong>werkstoffplatten angegebenen charakteristischen<br />
Festigkeitswerte beziehen sich <strong>in</strong> der Regel auf den<br />
Gesamtquerschnitt unter e<strong>in</strong>achsiger Beanspruchung. Um diese<br />
Werte auch bei komb<strong>in</strong>ierten Spannungszuständen von Platten<br />
bzw. Scheiben verwenden zu können, s<strong>in</strong>d weitergehende Untersuchungen<br />
<strong>mit</strong> Interaktionen für gleichzeitig am selben Ort wirkende<br />
Spannungen aus mehrachsiger Beanspruchung erforderlich.<br />
Da die hierfür erforderlichen Interaktionsregeln sich nicht <strong>in</strong><br />
den gültigen Normen f<strong>in</strong>den, wurden sie von <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong><br />
gemäß dem Vorschlag aus e<strong>in</strong>er Arbeit an der TU München als<br />
Bemessungsregeln zugrunde gelegt [1]. Das <strong>in</strong> DIN1052:2008-12,<br />
Abs. 8.9.2 und 10.7, und auch zu EC5 im Nationalen Anhang DIN<br />
EN1995-1-1/NA:2010-12 beschriebene Nachweisverfahren hätte<br />
e<strong>in</strong>en extrem höheren Rechenaufwand bedeutet.<br />
Tragwerksmodell <strong>mit</strong> Basiswerten für die Bemessung<br />
Das räumliche F<strong>in</strong>ite-Elemente Modell von Arup lieferte die<br />
Schnittgrößen. Dabei wurden der Schirmbereich <strong>mit</strong> Stabelementen<br />
modelliert und die Stämme P1-2 und P5-6 <strong>mit</strong> ebenen Scheibenelementen.<br />
Bemessung der Stämme<br />
Die zu führenden Spannungsnachweise zu den FEM-Ergebnissen,<br />
die als FEM-Schnittgrößen ausgegeben werden, erfolgen auf der<br />
Grundlage des vorgenannten Berichts. Die hier verwendeten Interaktionsregeln<br />
lauten:<br />
σ y<br />
≤1<br />
f<br />
y<br />
und<br />
σ τ x xy<br />
+ ≤1<br />
f f<br />
x v, xy<br />
<strong>mit</strong><br />
σ y , σ x Längsspannungen <strong>in</strong> Faserrichtung und quer dazu aus<br />
Scheibenlängskräften n y , n x und Biegemomenten m y , m x<br />
τ xy Schubspannung aus Scheibenschubkraft n xy und Drillmoment<br />
m xy<br />
5.<strong>2011</strong> · www.bauen<strong>mit</strong>holz.de<br />
(1)<br />
In aufgeschlüsselter Form stellt sich dieser Nachweis folgendermaßen<br />
dar (s. a. Bild 2, Seite 39):<br />
γ ⋅n<br />
F y<br />
γ ⋅m<br />
F y<br />
2<br />
d d /6<br />
+ ≤1<br />
f ( f ) f<br />
c,0, d t,0, d m,0, flat, d<br />
und<br />
γF⋅nx γF⋅mγF⋅n x<br />
xy γF⋅mxy +<br />
2 2<br />
d d /6 d 0,3⋅<br />
d<br />
+ + ≤1<br />
f ( f ) f f<br />
c,90, edge, d t,90, edge, d m,90, flat, d v,0, edge, d<br />
<strong>mit</strong> den Bemessungswerten<br />
f , f Druck- bzw. Zugfestigkeit <strong>in</strong> Faserrichtung<br />
c,0,d t,0,d<br />
f , f Druck- bzw. Zugfestigkeit <strong>in</strong> Plattenebene recht-<br />
c,90,edge,d t,90,edge,d<br />
w<strong>in</strong>klig zur Faser<br />
f Platten-Biegefestigkeit <strong>in</strong> Faserrichtung<br />
m,0,flat,d<br />
f Platten-Biegefestigkeit rechtw<strong>in</strong>klig zur Faserrich-<br />
m,90,flat,d<br />
tung<br />
f Scheiben-Schubfestigkeit<br />
v,0,edge,d<br />
und<br />
γ Sicherheitsbeiwert<br />
F<br />
d Querschnittsdicke<br />
41
technik<br />
Schnittgrößen und Querschnittsbreiten s<strong>in</strong>d dabei pro m angesetzt.<br />
Diese Längs- und Schubspannungen haben zusammen den<br />
Größtwert <strong>in</strong> der äußeren Schicht der Platte.<br />
Von den allgeme<strong>in</strong> bis zu maximal sechs möglichen unabhängigen<br />
Spannungsvektoren im räumlichen/dreiachsigen Spannungszustand<br />
e<strong>in</strong>es Elements gehen <strong>in</strong> diesen Nachweis drei Spannungsvektoren<br />
e<strong>in</strong>. Die hier nicht weiter beachteten drei Spannungsvektoren<br />
werden <strong>in</strong> den Nachweisen der Schubspannung aus Plattenbeanspruchung,<br />
Nachweis (2), und der „Scheibenspannungen“ <strong>in</strong><br />
der Ebene, Nachweis (3), formal berücksichtigt. Im vorliegenden<br />
Fall können diese beiden Nachweise vernachlässigt werden, da im<br />
Wesentlichen Scheibenbeanspruchungen vorliegen.<br />
f<br />
τ<br />
yz<br />
v, yz<br />
Bild 5: Detailansicht Anschluss<br />
≤1<br />
σx σzτxz + + ≤1<br />
f f f<br />
Querzug/ −druck Querzug/ −druck<br />
Rollschub<br />
Alle<strong>in</strong> für Stamm P5 gab es circa 10.000 F<strong>in</strong>ite Elemente <strong>mit</strong><br />
jeweils e<strong>in</strong>em maximalen und m<strong>in</strong>imalen Wert der verschiedenen<br />
Schnittgrößen <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>es Elements zu berücksichtigen. Für<br />
alle diese s<strong>in</strong>d beide Nachweise (1a) und (1b) zu führen und die<br />
Ergebnisse auszuwerten. Anhand von Tabellen ist dies nur sehr<br />
begrenzt möglich, so wurde e<strong>in</strong>e visuelle Darstellung der Ergebnisse<br />
gewählt, bei der Bereiche <strong>mit</strong> hohen Spannungsausnutzungen<br />
und/oder s<strong>in</strong>guläre Stellen schnell erkannt und beurteilt werden<br />
können. Da hierfür ke<strong>in</strong> kommerzielles Programm zur Verfü-<br />
(2)<br />
(3)<br />
gung steht, war die Entwicklung e<strong>in</strong>es Computer-Programms<br />
durch <strong>Harrer</strong> <strong>Ingenieure</strong> Voraussetzung zur Bewältigung der<br />
eigentlichen Aufgabe.<br />
In Bild 3 (Seite 39) ist die Stammscheibe <strong>in</strong> Achse x06 von Stamm<br />
P1 <strong>mit</strong> den Spannungsausnutzungen exemplarisch dargestellt.<br />
Um die Struktur <strong>in</strong> Microsoft Excel bildlich erzeugen zu können,<br />
s<strong>in</strong>d zunächst die Knoten-Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>zulesen, benachbarte<br />
Knoten an Elementrändern <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>ander zu verb<strong>in</strong>den und die L<strong>in</strong>ien<br />
anschließend grafisch auszugeben. Gleichzeitig werden diesen<br />
grafisch erzeugten Drei- und Vierecken sogenannte Zeichnungsobjekte<br />
<strong>mit</strong> Programmfunktion zugewiesen. So ist es möglich, per<br />
Mausklick schnell e<strong>in</strong>zelne Ergebnisse abzurufen, um zum Beispiel<br />
Bereiche <strong>mit</strong> hohen Ausnutzungen besser beurteilen zu können.<br />
Um e<strong>in</strong> Gesamtbild der Ausnutzungsverteilung zu erhalten, werden<br />
die e<strong>in</strong>zelnen Elemente entsprechend ihren zugehörigen prozentualen<br />
Ausnutzungswerte <strong>mit</strong> Grautönen e<strong>in</strong>er Skala gefüllt.<br />
Selbst entwickelte Software ermöglichte die benötigten<br />
Berechnungen<br />
Verb<strong>in</strong>dungselemente zwischen sich kreuzenden Stammscheiben<br />
waren modellseitig nicht separat def<strong>in</strong>iert, weshalb Schnittkräfte<br />
an diesen Schnittkanten nicht direkt ausgegeben werden<br />
konnten. Diese jedoch wurden für die Bemessung der Verb<strong>in</strong>dungen<br />
der Stammscheiben untere<strong>in</strong>ander zw<strong>in</strong>gend benötigt.<br />
Angesichts der großen Zahl von circa 80 Verb<strong>in</strong>dungsfugen je<br />
Stamm wurde auch hier das selbst entwickelte Programm verwendet.<br />
So<strong>mit</strong> erhielt man die für die Nachweise der Verb<strong>in</strong>dungs<strong>mit</strong>tel<br />
erforderlichen horizontalen Scheibenlängskräfte<br />
n x und Scheibenschubkräfte n xy angrenzender Elemente e<strong>in</strong>er<br />
betrachteten Verb<strong>in</strong>dungsfuge <strong>in</strong> gleicher Reihenfolge wie im<br />
Bauwerk. Gegebenenfalls müssen die Schnittgrößen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Zwischenschritt zuvor rücktransformiert werden, wenn die Faserrichtung<br />
der Stammscheibe nicht lotrecht ist.<br />
Berechnung der Schirme<br />
Die über 3.000 Schirmknoten wurden im Modell über Stabelemente<br />
zu e<strong>in</strong>em räumlichen Stabwerk verbunden, an dessen<br />
Enden die aus den verschiedenen Modellberechnungen resultierenden<br />
extremalen Schnittgrößen geliefert wurden. Jeder Knoten<br />
wird für die extremalen Schnittgrößen aus den unterschiedlichen<br />
Lastfällen bemessen. Dazu kommt e<strong>in</strong> zusätzliches Vorhaltemaß<br />
von rund 20 % für verschiedene Aspekte (zum Beispiel<br />
Zwängungen während der Montage, eventuell unerwünschte<br />
Lastumlagerungen beim Entfernen der Gerüste). Um bei der Vielzahl<br />
an Lastfallkomb<strong>in</strong>ationen <strong>in</strong> der Datenflut den Überblick zu<br />
bewahren, werden die Lasten vere<strong>in</strong>facht <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Teilsicherheitsbeiwert auf der Lastseite von 1,5 überlagert.<br />
Auf der Widerstandsseite wurde der k mod auf 0,8 vere<strong>in</strong>heitlicht.<br />
Die Vere<strong>in</strong>fachung auf der sicheren Seite ergibt e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />
Reserve von 5 bis 7 %. Dank des konstruktiven <strong>Holz</strong>schutzes<br />
durch die 2–3 mm dicke Polyurethanbeschichtung kann für die<br />
<strong>Holz</strong>baubemessung die Nutzungsklasse II angesetzt werden. Der<br />
Nachweis der Extremalschnittgrößen erfolgt <strong>mit</strong> der Laste<strong>in</strong>wirkungsdauer<br />
„<strong>mit</strong>tel“.<br />
Diese Schnittgrößenergebnisse waren <strong>in</strong> Kraftkomponenten<br />
umzuwandeln, die dem realen Kraftfluss im tatsächlich ausgeführten<br />
Knoten entsprechen. Der Knoten muss so aufgelöst werden,<br />
dass alle Kraftkomponenten für die verschiedenen Verb<strong>in</strong>dungstypen<br />
im Knoten vorliegen, ohne das Kräftegleichgewicht<br />
zu verletzen. An Verb<strong>in</strong>dungstypen gibt es die durch paarweise<br />
angeordnete Normalkraftanschlüsse gebildeten Momenten-Anschlüsse,<br />
deren Aufgabe es <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ist, Momente über e<strong>in</strong><br />
Kräftepaar aufzunehmen, sowie ausgenagelte Blechw<strong>in</strong>kel zur<br />
Übertragung der lotrechten Komponenten aus Quer- und Längskräften<br />
e<strong>in</strong>es Stabs. Als zusätzliche Aufgabe zur eigentlichen Kraftübertragung<br />
über die Nagelung besitzen die Blechw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>e<br />
aussteifende Funktion. Je nach Beanspruchung werden die W<strong>in</strong>kel<br />
auch <strong>mit</strong>tels Steifen verstärkt, um die <strong>Holz</strong>bauteile zu stabilisieren.<br />
Schließen im Knoten auch Aussteifungsdiagonalen an, so<br />
werden deren horizontale Kraftkomponenten über die Blechw<strong>in</strong>kel<br />
den durchlaufenden sowie den <strong>mit</strong> den steiferen Momenten-<br />
Anschlüssen ausgestatteten anschließenden <strong>Holz</strong>bauteilen zugewiesen.<br />
Die lotrechten Kraftkomponenten können sich nur am<br />
durchlaufenden <strong>Holz</strong>bauteil wegen des dort liegenden Systemknotens<br />
kurzschließen. Aufgrund der freien Geometrie der Struktur<br />
entstehen bei der Kräftezerlegung immer auch Nebeneffekte<br />
für die jeweils anderen Verb<strong>in</strong>dungstypen. Momenten-Anschlüsse,<br />
deren Kräftepaare konstruktionsbed<strong>in</strong>gt nicht parallel verlaufen,<br />
erzeugen immer auch zusätzliche Vertikalkräfte im Blechw<strong>in</strong>kel.<br />
Andererseits erhalten Momenten-Anschlüsse wegen ihrer<br />
größeren Steifigkeiten im Vergleich zu denen der ausgenagelten<br />
Blechw<strong>in</strong>kel auch Kraftkomponenten aus Längs- und Querkräften<br />
und ggfs. auch aus Diagonalkräften.<br />
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42 bauen <strong>mit</strong> holz · 5.<strong>2011</strong> 5.<strong>2011</strong> · www.bauen<strong>mit</strong>holz.de<br />
43<br />
Solarbefestigung
technik<br />
Bild 4 (Seite 40) zeigt exemplarisch die Kräftezerlegung ausschließlich<br />
für e<strong>in</strong> zu übertragendes Moment.<br />
Als Erschwernis kommen die beiden Varianten der bauseitigen<br />
Verankerung von Diagonalen im Knoten vor. Wurden Diagonalen<br />
überwiegend auf der bzgl. des Knotens abgewandten Seite verankert,<br />
so liegt konstruktionsbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen die Verankerung<br />
auf der ankommenden Seite, was zu anderen Überlagerungsregeln<br />
führt. Weil sich Diagonalen durch die unterschiedlichen<br />
<strong>Holz</strong>-Bauteildicken oftmals nicht im Kreuzungspunkt treffen,<br />
s<strong>in</strong>d zusätzliche Verschraubungen erforderlich, welche die<br />
hieraus resultierenden Exzentrizitäten ausgleichen (Bild 7).<br />
Generell mussten die e<strong>in</strong>zelnen Verb<strong>in</strong>dungstypen möglichst<br />
kle<strong>in</strong> ausfallen, um sich nicht gegenseitig zu beh<strong>in</strong>dern und um<br />
der grundsätzlich geforderten Gewichtse<strong>in</strong>sparung Rechnung zu<br />
tragen. Bei den Blechw<strong>in</strong>keln zur Querkraftübertragung reduzierte<br />
dies zudem auch ungünstige E<strong>in</strong>flüsse aus Anschlussexzentrizitäten.<br />
Auch hier war für die Iteration e<strong>in</strong>e auf Schleifen basierte<br />
Programmierung erforderlich. Normalkraft-Anschlüsse, die nur<br />
druckbeansprucht s<strong>in</strong>d, konnten <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er deutlich ger<strong>in</strong>geren<br />
Zahl e<strong>in</strong>geklebter Gew<strong>in</strong>destangen e<strong>in</strong>gebaut werden als zugbeanspruchte.<br />
Dies reduzierte Baukosten und Gewicht.<br />
Als zusätzliche Herausforderung zur Datenbewältigung seien<br />
noch die bereichsweise sehr hohen Beanspruchungen genannt,<br />
für die die Bauteilnachweise zu führen s<strong>in</strong>d. So gibt es im <strong>Holz</strong>tragwerk<br />
Biegemomente <strong>mit</strong> charakteristischen Werten bis zu circa<br />
2.000 kNm, wie sie eher im Brückenbau zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Jeder Knoten<br />
musste h<strong>in</strong>sichtlich der Verb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong>dividuell untersucht<br />
Abb. 3 Kraftzerlegungen für verschiedene Verb<strong>in</strong>dungstypen und dimensioniert im Knoten werden. (nur Ke<strong>in</strong> Knoten Moment) gleicht dem anderen! ❙<br />
Literatur<br />
Als Erschwernis kommen die beiden Varianten der bauseitigen Verankerung von Diagonalen im<br />
[1] KREUZINGER, H.; SCHOLZ, A.<br />
Knoten vor. Wurden Diagonalen überwiegend auf der bzgl. des Knotens abgewandten Seite<br />
verankert, so liegt konstruktionsbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen die Verankerung auf der ankommenden Seite,<br />
Bild 6: Stählerne Anschlüsse und Knotenpunkte <strong>in</strong> Aichach vor dem Abtransport<br />
was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zu der anderen gut 100 LKW-Fuhren Überlagerungsregeln zur Baustelle führt. Weil sich Diagonalen Verlag 1999 durch die unterschiedlichen <strong>Holz</strong>-<br />
Bauteildicken oftmals nicht im Kreuzungspunkt treffen, s<strong>in</strong>d zusätzliche Verschraubungen erforderlich,<br />
welche die hieraus resultierenden Exzentrizitäten ausgleichen (s.a. Abb. 4).<br />
Nachweis <strong>in</strong> Grenzzuständen der Tragfähigkeit bei Platten und Scheiben aus<br />
<strong>Holz</strong> und <strong>Holz</strong>werkstoffen unter Spannungskomb<strong>in</strong>ationen, Fraunhofer IRB<br />
Autoren<br />
Dipl.-Ing. (FH) Anja Thurik verantwortet die Pressearbeit von<br />
F<strong>in</strong>nforest Merk, Aichach.<br />
Dipl.-Ing. Thomas Di Risio und Dipl.-Ing. Matthias Gerold arbeiten<br />
im Büro <strong>Harrer</strong>-<strong>Ingenieure</strong>, Karlsruhe.<br />
Prof. Dr.-Ing. Volker Schmid arbeitet für das weltweit tätige<br />
Ingenieurbüro Arup, Berl<strong>in</strong> und leitet am Institut für Bau<strong>in</strong>genieurwesen<br />
der TU Berl<strong>in</strong> das Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren –<br />
Verbundstrukturen.<br />
www.BAUENMITHOLZ.de<br />
Schlagwörter<br />
Bemessung, Berechnung, Tragwerksplanung, Verb<strong>in</strong>dung<br />
Abb. 4 Zusätzliche Verschraubungen von unsymmetrischen Diagonalen-Anschlüssen (Draufsicht)<br />
Bild 7: Zusätzliche Verschraubungen von<br />
unsymmetrischen Diagonalen-Anschlüssen (Draufsicht)<br />
Generell mussten die e<strong>in</strong>zelnen Verb<strong>in</strong>dungstypen möglichst kle<strong>in</strong> ausfallen, um sich nicht gegenseitig<br />
zu beh<strong>in</strong>dern und um der grundsätzlich geforderten Gewichtse<strong>in</strong>sparung Rechnung zu tragen. Bei den<br />
Blechw<strong>in</strong>keln zur Querkraftübertragung reduzierte dies zudem auch ungünstige E<strong>in</strong>flüsse aus<br />
Anschlussexzentrizitäten. Auch hier war für die Iteration e<strong>in</strong>e auf Schleifen basierte Programmierung<br />
erforderlich. Momenten-Anschlüsse, die nur druckbeansprucht s<strong>in</strong>d, konnten <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er deutlich<br />
44 bauen <strong>mit</strong> holz · 5.<strong>2011</strong>