2008 Zerstörung zentral –Therapie regional? - AAT Hameln
2008 Zerstörung zentral –Therapie regional? - AAT Hameln
2008 Zerstörung zentral –Therapie regional? - AAT Hameln
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Manual<br />
<strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong><br />
<strong>Zerstörung</strong> <strong>zentral</strong> <strong>–Therapie</strong> <strong>regional</strong>?<br />
Verortung von Wachstum bei Gewalttätern<br />
aat-company • hamelner modell • Domeierstr. 6 • 31785 <strong>Hameln</strong> • Tel. 05151/23204
MA�UAL <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong><br />
Selbstverwaltung des Ich-Inhabers<br />
Einstimmung ......................................................................................................... 2<br />
1. Die Suche nach dem „Kleinsten Gemeinsamen �enner“<br />
bei psychologischen Interventionsversuchen ........................................................ 3<br />
1.1 Grundannahmen der Evolutionspsychologie zum Verständnis<br />
menschlichen Handelns. ......................................................................................... 6<br />
1.2 Verhaltensregulation während des Lebens und genetisches Überleben<br />
durch Fortpflanzungauftrag: Das Balanceproblem des Ich-Inhabers. ...................... 10<br />
1.3 Stolzerleben, Geborgenheitswunsch und Gotteshoffnung als das<br />
„Evolutionspsychologische Ausgangsproblem“ des Ich-Inhabers. ......................... 12<br />
1.4 Sonderfokus: Stolzerleben auf Grundlage „gierigen“ Kompetenztrainings. ........... 15<br />
1.5 Sonderfokus Geborgenheit: Wie funktioniert Anschlusssuche und<br />
Abgrenzung - wie passiert Ausgrenzung? ............................................................... 18<br />
1.6 Sonderfokus Gotteshoffnung: Das epochenübergreifende ultimative<br />
„Weiterlebensmotiv“ unter evolutionspsychologischem Aspekt. ............................ 19<br />
1.7 Aggression als „Anpassungsmodul“ des Ich-Inhabers bei der Umsetzung<br />
seiner (Über-) Lebenspläne. ...................................................................................... 21<br />
2. Das aktuelle Anti-Aggressivitäts-Training® ...................................................... 23<br />
2.1 Der Induktiv-Deduktive Paternoster ...................................................................... 24<br />
2.2 Der Ausgangspunkt ............................................................................................... 25<br />
2.3 Die vier Phasen ...................................................................................................... 25<br />
2.4 Die fünf Handlungsmodule .................................................................................... 27<br />
3. Ausbildungsmodule AGT ® / <strong>AAT</strong> ® ...................................................................... 28<br />
3.1 Zertifizierte berufsbegleitende Fortbildung durch das bfw (Kiel)<br />
zum/zur AGT ® TrainerIn ....................................................................................... 29<br />
3.2 Einrichtung von Erziehungscamps: <strong>AAT</strong> ® -Consulting-Team ............................... 32<br />
4. Integration des eigenen Ichs als Ausgangspunkt für friedliche Co-Existenz ... 34<br />
4.1 Der intelligente Schläger:<br />
Führungskraft der Subkultur oder Opferschützer? .................................................. 36<br />
4.2 Totalverweigerung und Distanzierungswunsch als Ergebnis individueller<br />
und kollektiver Dissonanz ....................................................................................... 39<br />
4.3 Dankbarkeit und Gerechtigkeitserleben als Basis von Versöhnung mit dem<br />
eigenen Lebensentwurf ............................................................................................ 42<br />
Anlage I: Erziehungscamp ............................................................................................ 46<br />
Anlage II: Anleitung Handlungsmodule ........................................................................ 51<br />
Literatur-Empfehlung .................................................................................................. 60<br />
Biographie ..................................................................................................................... 67<br />
1
Einstimmung Manual <strong>2008</strong><br />
Wo ist die Schnittstelle zwischen legaler, institutioneller Erwachsenenwelt (Trainerwelt) und<br />
sich gegen sozialpädagogische Beeinflussung immunisierender Täterwelt? Gibt es eine<br />
Holemotivation oder gar eine Holeschuld des Körperverletzers in Bezug auf Umkehr oder<br />
handelt es sich ausschließlich um einen „Bringeauftrag“ der gesellschaftlichen Abgesandten<br />
für Friedlichkeit: der sozialpädagogischen Task Force? Reicht Respekttraining durch<br />
körperliche Anforderungsprofile (Boot-Camp) aus oder handelt es sich hierbei nur um eine<br />
„Heldenarena“ zur weiteren körperlichen und seelischen Abhärtung der sowieso schon<br />
gnadenlosen Täter? Kommen Sozialpädagogen ohne Aufbietung „körperlicher<br />
Respektpersonen“ mit ihrem Konfrontations- und Kompetenztraining (Friedenstraining)<br />
überhaupt an das Bewusstsein der Intensivtäter heran oder benötigt man gerade in der<br />
Anfangsphase die körperliche Lufthoheit durch - physisch - dem Einzeltäter überlegene<br />
Trainerpersönlichkeiten? Wie können Täter in ambulanten <strong>AAT</strong>´s (Gemeinde), in<br />
teilstationären <strong>AAT</strong>´s (Erziehungscamp) oder auch in der stationären Arbeit<br />
(Jugendstrafvollzug) dazu verführt werden, ihr Ich zu entdecken, ihr Ich zu konzipieren, ihr<br />
Ich zu trainieren und dann später ihr „Friedliches Ich“ zu verwalten? Wie wird der ganz<br />
normale Sozialpädagoge zum Sponsor hinsichtlich einer legalen Identität bei den „Crash-<br />
Kids“? Wieviel Managementtraining muss zur Optimierung der Trainerpersönlichkeit und<br />
der Täterpersönlichkeit im <strong>AAT</strong> ® -<strong>2008</strong> stecken?<br />
Erklärungsmodelle und Reparaturanleitungen für die zunehmend gefühlte Gewaltbedrohung:<br />
Eher über die äußeren Variablen (globalisierter Lebenskontext) oder eher über die inneren<br />
Schemata (evolutionär „festgelegte“ Verhaltensaufträge)?<br />
Das diesjährige aktuelle Manual - pünktlich zu Jahresbeginn als Anti-Gewalt-Reader des<br />
„<strong>Hameln</strong>er Modells“ präsentiert – wird einige Antworten anbieten ....<br />
Dr. Michael Heilemann Gabriele Fischwasser- v. Proeck<br />
<strong>Hameln</strong>, 17. Januar <strong>2008</strong><br />
2
1. Die Suche nach dem „Kleinsten Gemeinsamen �enner“<br />
bei psychologischen Interventionsversuchen<br />
Die wissenschaftstheoretische Einordnung der Psychologie, die dem <strong>AAT</strong>® zugrunde liegt,<br />
kann als „Zurückschenkende Psychologie“ beschrieben werden: Sie ermöglicht dem<br />
„Kleinen Mann“, sich selbst besser beschreiben, sich selbst besser verstehen und sich selbst<br />
besser steuern zu können. Der „Kleine Mann“ als Ich-Inhaber hat genau die gleichen<br />
Aufgaben wie der „Große Mann“: Die Universalität menschlicher „Ich-Inhaberschaft“ wird<br />
ihm erkenntnistheoretisch zur Verfügung gestellt.<br />
Während die traditionelle Psychologie als Hilfswissenschaft der Machterhaltung und der<br />
Machtvermehrung des „Großen Mannes“ dient - dem Mächtigen sollen durch Beschreibung,<br />
Erklärung und Voraussage des Verhaltens seiner Mitmenschen weitergehende<br />
Manipulationsmittel an die Hand gegeben werden, um seine Macht zu sichern und seine<br />
Macht auszubauen – handelt es sich bei der zurückschenkenden Psychologie um ein<br />
emanzipierendes Werkzeug: Auf Grundlage des Verständnisses des eigenen „Auftrages“<br />
können ausgewogene, transparente (kommunizierbare) und somit achtsame Beziehungen zu<br />
anderen parallel lebenden Mit-Menschen aufgebaut werden.<br />
Das „Egoismus-Axiom“ einer Evolutionspsychologie wird somit nicht in Frage gestellt,<br />
sondern in eine solidarische Interpretation überführt: Jeder wird auf seinem gleich getakteten,<br />
niemals stehenbleibenden aber begrenzten Lebens-Fließband vorwärts befördert und winkt<br />
dem Menschen auf dem Nebenfließband solidarisch unterstützend und freundlich zu: Ich<br />
weiß, was ich zu tun habe und ich achte was du gleichzeitig Lebender bewältigen musst: Die<br />
schönste Definition von gelebter und erlebter Solidarität!<br />
Emanzipierende Psychologie gegen machtkonservierende Psychologie: Auch nur ein<br />
Scheingegensatz; auch und gerade der „Große Mann“ stirbt einsam, wenn er sich dieses<br />
Prinzip von Solidarität und Freundschaft nicht aneignet. Im globalisierten Geschehen ist die<br />
Vergrößerung der „Zugriffsmöglichkeiten auf Ressourcen“ (weiteres Auseinandergehen der<br />
Schere zwischen Arm und Reich) für unmittelbare „terroristische“ Bedrohung des „Großen<br />
Mannes“ (der Entscheider-Clique) noch stärker evident: Entweder muss er durch „Töten des<br />
sich ungerecht behandelt fühlenden Aufstrebenden“ unter größter Angstbelastung und unter<br />
größtem Aggressionseinsatz (Massentötungsmittel) den Mob (den größten Anteil der 6 bis 9<br />
Milliarden Menschen in diesem Jahrhundert) auf Abstand halten oder sich selbst in die<br />
„Solidargemeinschaft“ aller Ich-Inhaber – jeder hat genau den gleichen Auftrag –<br />
einreihen....? Die zurückschenkende Psychologie mit ihrer emanzipatorischen Verheißung für<br />
jeden einzelnen Ich-Inhaber ist also ein Geschenk an den Kleinen Mann / die Kleine Frau<br />
einerseits und ein besonderes Geschenk an den Großen Mann / die Große Frau andererseits.<br />
Auch und gerade unter dem Aspekt der evolutionären Psychologie, die am (nicht nur<br />
genetischen) Weiterleben interessiert ist.<br />
Die Beschreibbarkeit der „Universalität des Ich-Auftrages“ ist also Grundlage für die<br />
Beziehung zum eigenen Ich und dann Grundlage zur Beziehung zum „ co-existierenden Ich“:<br />
Die Menschen sind als reflektierende Wesen mit ihrer Denk-, Sprach- und Gruppenfähigkeit<br />
nur deswegen das vornehmste (evolutionär überlegenste) Lebewesen geworden, weil sie diese<br />
Beziehungsfähigkeit (von der Feindschaft zur Freundschaft) erklommen haben – nun gilt es,<br />
die Beziehungsfähigkeit zum eigenen Ich und dann zum Du und dann zum Wir zu veredeln.<br />
Ansonsten droht auf einem gewissen Zenit der Überlegenheit (gegenüber anderen<br />
Lebenwesen) der rasante Abstieg. Oder wie der französische Kulturpapst André Malraux<br />
formuliert: „Das 21.Jahrhundert wird ein Jahrhundert der Religion sein oder es wird nicht<br />
sein.“<br />
3
Die Verweildauer ist – wie auch immer – begrenzt. Der Abgang ist ultimativ beschlossene<br />
Sache schon zu Beginn des Lebens. Diese „Endlichkeit des Seins“ und die – in der Regel<br />
vorhandene – Unkenntnis über die Zeitspanne der tatsächlichen Anwesenheit auf der Welt<br />
macht die Selbstverwaltung des Ich-Inhabers nicht leichter (vgl. Bartel, 2007)<br />
Es gibt lebensverkürzende und lebensverlängernde Maßnahmen und es gibt eine<br />
Normalverteilung der Verweildauer für eine bestehende Population mit entsprechendem<br />
„Kurzzeitaufenthalt“ und auch mit „verlängerter Buchung“. Der Durchschnittswert (und<br />
gleichzeitig auch der empirisch-berechenbare Erwartungswert) für Männer und Frauen in<br />
unserem Kulturkreis in der jetzigen Epoche bewegt sich zwischen 75 Jahren und 82 Jahren<br />
„Anwesenheitspflicht“.<br />
Der Ich-Inhaber hat während dieser Zeit die Aufgabe, die Exklusivität seines Ichs herzustellen<br />
(Verwaltung des Größen-Ichs) und Unterstützung der parallel lebenden Menschen<br />
(Geborgenheits-Ich) zu akquirieren. Hierbei ist er ständig mit dem Bewusstsein des<br />
ultimativen Weggehenmüssens konfrontiert – er muss also ständig eine dritte Aufgabe im<br />
Hintergrund bewältigen, wobei er probiert, sie aus der „Angstzone“ in die<br />
„Verheißungszone“ zu überführen: Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute aufs Neue.<br />
Die Exklusivität seines Ichs (es muss ja einen Grund geben, warum er sich jeden Morgen<br />
immer wieder in den neuen Tag „aufmacht“) und das Geborgenheitserleben (ohne<br />
Unterstützung anderer bei Bedrohung wird die Verweildauer sicherlich nicht verlängert<br />
werden) sind also die Kernaufgaben des „Ich-Malochers“ – Hoffnung auf ein Weiterleben<br />
nach dem Tod ist die alles überspannende Zusatzpflicht.<br />
Der Ich-Inhaber auf der Bühne der Alltagsinszenierung muss also als Jongleur drei Teller<br />
(Größen-Ich-Teller, Geborgenheits-Teller, Gotteshoffnungs-Teller) parallel auf dem<br />
Stöckchen balancieren, ohne dass auch nur einer herunterfällt: Null mal hundert ist null.<br />
Folgende psychologische Bereiche (Helfersysteme) kommen dem Ich-Inhaber unter<br />
wissenschaftstheoretischer Betrachung zu Gute: Die philosophische Psychologie als<br />
„Suchendes System“, die Motivations-Psychologie als „Erklärendes System“ und die<br />
angewandte Psychologie als „Übendes System“.<br />
Alle drei „Helfersysteme“ sind im <strong>AAT</strong>-Paternoster eingebaut: Im täglichen Üben<br />
(Trainingshanteln im Attraktivitätstraining, in den Handlungsmodulen) über die Erklärung<br />
eigenen und fremden Verhaltens bis hin zur Selbstaffirmation, dass es auch nach dem Tod<br />
irgendwie weitergehen wird, ist der „Psychologische Support“ für den Anwender (also<br />
sowohl für den Klienten wie für den Trainer) abrufbar.<br />
Bei der Ich-Konstruktion und der Ich-Verwaltung im Alltag ist also die Weiterlebenshoffnung<br />
bewusstseinsmäßig (zumeist im Hintergrund) mitschwingend nachrangig; auf der anderen<br />
Seite aber auch übergeordnet: Lebe ich nach dem Tod in irgendeiner Person (Ich-Inhaber)<br />
stofflich, feinstofflich oder nicht-stofflich weiter? Lebe ich durch meine sozialen<br />
Hinterlassenschaften (Spuren) weiter? Lebe ich durch die von mir vererbten Gene genetisch<br />
weiter? Alle drei Weiterlebens-Hoffnungen sind auch kombinierbar: Dadurch, dass ich mein<br />
Ich exklusiv gestalte, steigt meine Kompetenz und daraus resultiert mehr Ausstrahlung, so das<br />
man stärker auf mich hört und mir mehr folgt (Spuren werden definiert). Durch mehr<br />
Kompetenz erhalte ich eine höhere Attraktivität, um als Fortpflanzungspartner ausgesucht und<br />
genetisch weiterleben zu können. Möglicherweise kann ich bei meinen genetischen<br />
Nachfolgern (die ja immerhin doch meinen halben Chromosomensatz tragen) dann auch<br />
durch „philosophische Aufträge“ mit meiner erhöhten Kompetenz mehr Spuren hinterlassen<br />
als wenn ich diese Kompetenz nicht hätte. Von daher verzahnen sich „Größen-Ich“ und<br />
4
„Geborgeneheits-Ich“ zu einem „Genetischen Weiterlebens-Ich“. Das persönliche<br />
Weiterlebens-Ich bleibt jedoch offen: Der Wunsch, persönlich nach dem Tod weiterleben zu<br />
wollen, ist allen Menschen in jeder Epoche zutiefst verinnerlicht und allgegenwärtig – der<br />
Beweis, ob es so etwas gibt (oder ob es das nicht gibt) ist weder erbracht noch widerlegt: Die<br />
Hoffnung besteht genau zu 50Prozent und die Hoffnung stirbt zu allerletzt.<br />
Kompetenztraining, Geborgenheitsabsicherung und Weiterlebenshoffnung: Die drei<br />
ultimativen Aufträge des Ich-Inhabers sind der „Kleinste gemeinsame �enner“ einer<br />
„zurückschenkenden Psychologie“ und werden vom <strong>AAT</strong> ® als „Psychologisches<br />
Supportsystem“ für den „Kleinen Mann“ (nicht nur für den Schläger) „freigeschaltet“.<br />
Die wissenschaftlichen Helfersysteme haben nur einen einzigen Auftrag: Den Full-Time-Job<br />
des Ich-Inhabers für ihn lösbarer zu machen, so dass er selbst alle seine (psychologischen)<br />
Anstrengungen auf diesen „Kleinsten gemeinsamen �enner“ zurückführen kann ...<br />
Kein Mann, dem seine<br />
Sache nicht Spaß macht,<br />
darf erwarten, dass sie irgend<br />
sonst jemandem Spaß macht.<br />
(Bertolt Brecht)<br />
5
1.1 Grundannahmen der Evolutionspsychologie<br />
zum Verständnis menschlichen Handelns<br />
Die evolutionäre Psychologie geht auf zwei Hypothesen des „Klassiker“ von Charles Darwin<br />
aus dem Jahr 1859 zurück: In dem Werk „Über den Ursprung der Arten“ wird über die<br />
Variation der Arten, über die spezielle Vererbung einzelner Merkmale innerhalb einer Art und<br />
damit letztlich über die Selektion von (Weiter-) Leben wissenschaftlich berichtet. Erst die<br />
große Variation innerhalb einer Art (einer Gruppe von Organismen) führt zu einem<br />
Existenzkampf (intrasexueller Wettbewerb der Gleichgeschlechtlichen), wobei die spezielle<br />
Merkmalsvariation des Stärkeren schließlich in die nächste Generation hinein vererbt wird.<br />
Die Darwinsche Argumentationskette lautet also:<br />
1. Variation<br />
2. Vererbung spezieller Merkmale<br />
3. Selektion<br />
Die Anpassung der Art an die spezielle Umwelt durch Selektion ist letztlich das „Endziel“<br />
dieser adaptiven Vererbungssystematik. Auch das Leben des Menschen definiert sich über<br />
zwei Aufgaben:<br />
1. Über Sicherung des eigenen Überlebens<br />
2. Fortpflanzung zur Sicherung der eigenen Gene in die nächste Generation hinein.<br />
Persönliches Überleben einerseits (Theorie der natürlichen Auslese) und erfolgreiche<br />
Fortpflanzung andererseits (Theorie der sexuellen Selektion) sind nunmehr aktuelle<br />
Grundlage einer evolutionären Psychologie, die insbesondere die Entscheidungsverpflichtung<br />
von weiblichen Menschen bei der Paarung („Wen wähle ich als optimalen Samenspender<br />
aus?“) in den Vordergrund rückt: Die offensiven männlichen, aufmerksamkeitszentrierenden<br />
Verhaltensweisen (sich in der Stärkepose gegenüber dem Konkurrenten durchsetzen) ist die<br />
eine Seite der Medaille – der wahrnehmungsstarke Abgleich und damit die Selektion für eine<br />
finale Entscheidung (die Frau ist dann für 10 und mehr Jahre „gebucht“) ist deren andere<br />
psychologische Ebene.<br />
Anders ausgedrückt: Der Mann setzt mit der Plazierung seiner Samenzellen auf die „große<br />
Zahl“ der Befruchtung – die Frau befindet sich im Wahrnehmungs- und<br />
Entscheidungsdilemma und muss aus einer Vielzahl variantenreicher Einzelinformationen den<br />
optimalen Paarungspartner „herausfiltern“:<br />
Inszenierte Präsenz versus Wahrnehmungsgenauigkeit.<br />
Aktuelle psychologische Theorien gehen inzwischen soweit, den Ursprung menschlicher<br />
Kulturleistungen in der Partnerwerbung zu sehen. Hierbei ist insbesondere das<br />
„Luxustheorem“ von Interesse: Einfache, robuste und ökonomische Anpassung an die Natur<br />
durch entsprechende Persönlichkeitsmerkmale (körperliche Stärke, gute Sinne, Gesundheit)<br />
reichen für die differenzierte Selektionsverpflichtung der weiblichen Entscheiderin nicht aus –<br />
gerade das Handicap (Luxuselemente im Organismus) ist dann paradoxerweise die Grundlage<br />
für die Differentialentscheidung. Ein Beispiel: Die schillernde Pfauenfeder, die letztlich<br />
ausweist, dass der Pfau auch in allen anderen Grundlagenfähigkeiten überlegen sein muss,<br />
weil er sonst nicht hätte überleben können.<br />
Grundlage aller Theorieadaptionen von Darwin ist die Idee, dass das Leben (persönliche<br />
Überleben) allein nichts wert ist: „Was in der Evolution zählt, ist die Fortpflanzung. Das<br />
eigentliche Ziel aller Lebewesen ist die Weitergabe ihrer Gene an die nächste Generation ...“<br />
(Ehlers, S. 40, 2001). Die sexuelle Attraktivität von Männern definiert sich heutzutage über<br />
den Luxusfaktor: Luxus als „Wohlstandsindikator“ hat einen differentialdiagnostischen<br />
Informationswert für die Abschätzung der Gesamtfitness dieses männlichen Bewerbers (für<br />
Samenspende). Die Gesamtfitness der eigenen Brut ist das evolutionäre Oberziel (Sicherung<br />
6
7<br />
der Gene in der nächsten und vielleicht auch übernächsten Generation) – der Fitnessindikator<br />
muss von der männlichen Person in möglichst eindeutiger Weise objektiv präsentiert werden.<br />
Ein überdurchschnittlich intelligentes Gehirn stellt unter evolutionspsychologischen<br />
Gesichtspunkten ebenfalls einen solchen „Luxusfaktor“ dar: Die zugrunde liegenden<br />
Gehirnstrukturen sind kostenaufwendig, kompliziert, störungsempfindlich und außerdem<br />
dienen diese Fähigkeiten offenbar keinem direkten Überlebenszweck. Statt dessen könnten sie<br />
als ein Instrument der Partnerwerbung entstanden sein, quasi als „Aushängeschild für innere<br />
Werte“ (Ehlers, S. 42, 2001) – ein leistungsfähiges und intelligentes Gehirn steht letztlich also<br />
insgesamt für „gute Gene“.<br />
Spezielle sophistische Verirrungen in der Kunst – die nur von wenigen kulturell besonders<br />
hoch entwickelten Menschen dekodiert werden können – sind in sofern ebenfalls ein solcher<br />
luxusorientierter Fitnessindikator: Nur wenn Menschen über viele Generationen in der<br />
Oberschicht leben, haben sie ein abgeschichtetes und „selbstverständliches“<br />
Kunstverständnis, Modeverständnis, Designverständnis usw..<br />
Freiwillig gewählte Handicaps definieren ebenfalls einen objektiven Messwert für<br />
„genetische Gesamtfitness“: Ein Millionär, der sein Geld für seinen Konsum verbraucht, ist<br />
im Gegensatz zu einem Millionär, der auch sozial-caritative Spenden großzügig weitergibt<br />
kein Handicap-Junkie und von daher evolutionspsychologisch ein „Selbstabwerter“.<br />
Nicht nur wegen der genetischen Fitness, der erwünschten männlichen Gene sondern auch<br />
wegen einer hypothetischen, antizipatorischen Abschätzung des „Folgeverhaltens“ des<br />
Samenspenders (genetischen Fortpflanzungspartners) ist diese „multiple Faktorenanalyse des<br />
Weibchens“ für Frauen auch heute noch relevant: Sowohl vor und während der Geburt als<br />
auch nach der Geburt investieren weibliche Menschen wesentlich mehr Energie in die<br />
Aufzucht der gemeinsamen Nachkommen – Männer investieren mehr Energie in<br />
Partnerwerbung und somit in die Quantität der in ihrem Leben befruchteten Eizellen, so dass<br />
von Frauen auch Indikatoren für Verteidigungsfähigkeit (der gemeinsamen Brut),<br />
Beutefähigkeit (hohe wirtschaftliche Kompetenz) aber auch Verbindlichkeit und<br />
Berechenbarkeit (Treue- und Ehrlichkeitsindex) gesucht und gefunden werden. In jedem Fall<br />
ist es zum Hervorbringen künstlerischer, musikalischer und eben kreativer „Produkte“<br />
notwendig, dass über die normale Alltagsbewältigung hinaus mehr und wertvollere Gene<br />
benötigt werden, um zusätzlich auch noch diese nicht überlebenswichtigen<br />
„Luxuskomponenten“ hervorzubringen: „Im Laborexperiment kann man dafür sorgen, dass<br />
dem Gehirn nur wenig Energie zur Verfügung steht, indem man den Zuckergehalt des Blutes<br />
verringert. Partnerwerbungsfähigkeiten wie z.B. der Sinn für Humor, visuelle Kreativität und<br />
musikalische Improvisation müssten unter diesen Bedingungen stärker beeinträchtigt werden<br />
als Anpassungen, die zum Überleben nötig sind, wie etwa Sinneswahrnehmungen oder die<br />
räumliche Orientierung (Miller, S. 42, 2001). Besonderes Fitness-Imponiergehabe über<br />
demonstrierte freiwillig angenommene Handicaps und demonstrative „Luxuskompetenz“<br />
findet ihre Entsprechung in einer besonders kritischen Haltung von Frauen in der „fruchtbaren<br />
Phase“ (Eisprung): Dann sind sie sehr mäkelig, pingelig, perfektionistisch und eben auch<br />
besonders kritisch ihrer (männlichen) Umwelt gegenüber ....<br />
Die evolutionäre Psychologie geht also davon aus, dass jedes „Gefühl“ eine biologische<br />
Funktion und eine biologische Basis hat. Später sind Gefühle auch für das Überleben<br />
besonders wichtig: Schneller als Gedanken (Kognitionen) wird gefühlsmäßig eine Situation –<br />
insbesondere hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades - erfasst, um so vielleicht einer<br />
existentiellen Bedrohung entgehen zu können: Sich wehren zu können oder zu flüchten.<br />
Neben Erklärungen und Begründungen für Paarungsverhalten ist hierüber auch Licht in das<br />
Dunkel der emotionalen Präferenzen von Menschen zu bringen: „Für das Überleben – als<br />
Grundlage jeder Fortpflanzung – ist vor allen Dingen das „Scannen“ feindseliger aggressiver
und bedrohlicher Signale von Artgenossen in möglichst schneller und zuverlässiger Weise<br />
nötig“ (Westerhoff, S. 32, 2007). Somit ist nicht nur Misstrauen, Ängstlichkeit und<br />
Defensivität als Grundlage menschlichen Überlebens identifizierbar - auch die depressiven<br />
Empfindungen erfüllen eine nachhaltige Anpassungsfunktion: Nach Fehlschlägen ist durch<br />
Rückzug sowohl die mentale wie die körperliche Erholungsphase sichergestellt, bei<br />
besonderer Bedrohung ist eine längere Reflektionsphase vorprogrammiert: „Denn in<br />
lebensbedrohlichen Situationen ist es richtig, das eigene Verhalten besonders kritisch zu<br />
prüfen und lieber einen Selbstvorwurf zuviel zu erheben als einen zu wenig“ (Westerhoff, S.<br />
32, 2007). Das von Evolutionspsychologen entworfene „negative Menschenbild“ beinhaltet<br />
von daher als „primäre Überlebensausrichtung“ Eigenschaften wie:<br />
Misstraurisch<br />
Pessimistisch<br />
Undankbar<br />
Berechnend<br />
Egoistisch<br />
Selbstgerecht.<br />
Unter überlebensstrategischen Gesichtspunkten gilt also das Motto:<br />
„Der Mensch ist schlecht – und das ist gut so“ (Westerhoff, S. 32, 2007).<br />
Die unbewussten Anpassungsstrategien zum Überleben im konkreten Sinne (Erleben des<br />
eigenen Lebens) und zum Überleben in übergeordneten Sinne (Überleben durch<br />
Fortpflanzung) können wie folgt zusammengefasst werden:<br />
1. Misstrauen ist besser als Vertrauen<br />
Der angepasste Mensch setzt auf Ehrlichkeit der anderen und hasst es, getäuscht,<br />
betrogen oder belogen zu werden. Er benötigt Solidarität und Unterstützung, um sein<br />
Überlebensziel zu erreichen – unsolidarische oder gar schädigende Mitmenschen werden<br />
„aussortiert“. Selbst Menschen, die wenig Produktives zum Selbsterhalt beitragen können,<br />
werden eher „fallengelassen“. Werden vom Schicksal ungerechte Vorteile an das eigene<br />
Ufer gespült, werden Privilegien angenommen, die dem Menschen eigentlich nicht<br />
zustehen, wird dieser unberechtigte Vorteil trotzdem angenommen und genossen: Diese<br />
Doppelmoral schützt davor, von anderen ausgebeutet oder überholt zu werden.<br />
2. Eifersucht sichert Reproduktion<br />
Der selbstzufriedene, glückliche, gelassene und souveräne Mensch entwickelt sich nicht<br />
weiter. Er ist weder kampfesbereit noch trainiert er seine Kampfesfähigkeit. Das Gefühl,<br />
um einen geliebten Partner (Reproduktionspartner) kämpfen zu müssen, führt letztlich zu<br />
mehr Mut, mehr Risikobereitschaft, mehr Einsatzwillen und mehr „reproduktivem<br />
Erfolg“. Eifersucht als „Aktivierungsimpuls“ verhindert bei Männern, dass ihnen ein Kind<br />
untergeschoben wird und verhindert bei Frauen, dass sie nur den zweitbesten Versorger<br />
für ihre Brut ergattern.<br />
3. Großzügigkeit schafft Ansehen<br />
Wer sich in großzügiger Weise Liebe und partnerschaftlichen Zusammenhalt „etwas<br />
kosten lassen kann“, wer also aus dem Vollen schöpfen kann, hat ein übermäßig positives<br />
Reservoir an genetischem Vorsprung unter Beweis gestellt. Wer viel abgibt, entwickelt<br />
somit ein positives Reproduktions-Image, gleichzeitig gibt er eine gewisse Gewähr dafür,<br />
dass diese Großzügigkeit auch der Gesamtfitness der gemeinsamen Brut zugute kommen<br />
wird. Großzügigkeit wird sowohl als Selektionsfaktor bei der Partnerwahl wie auch als<br />
„Überlebensfaktor für die Brutpflege“ höher bewertet als Intelligenz und Gesundheit, da<br />
diese Komponenten quasi impliziert sind.<br />
8
4. Männer brauchen Kaufkraft – Frauen Schönheit<br />
Aktuelle sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass das „evolutionäre Tauschgeschäft“<br />
auch weiterhin als Hauptregel gilt: Je mehr ökonomischen und gesellschaftlichen Status<br />
ein Mann im Laufe seines Lebens vorzuweisen hat, um so größer ist die Gewähr für die<br />
ihn auswählende Frau, bei ihm in guten Händen zu sein (u.a. Geborgenheit und<br />
Absicherung). Je jünger eine Frau ist, um so mehr hat der Mann die Gewähr, dass sie über<br />
einen längeren Zeitraum gesunde und vitale Kinder gebären kann.<br />
5. Körperliche Attraktivität als „Aushängeschild“<br />
Die genetische Fitness einer Person – bei Frauen z.B. abgebildet durch hohe, ausgeprägte<br />
Wangenknochen, ein kleines Kinn, volle Lippen, makellose Haut, symmetrische<br />
Gesichtshälften und ein gutes „Waist-To-Hip-Ratio“ (Wespentaille) - steht auch für<br />
robuste Gene: Es ist nachgewiesen, dass körperlich-attraktive Menschen besonders in<br />
gesundheitlich belastenden Situationen gesünder und stabiler sind, Krankheitserregern<br />
besser widerstehen können und ihre Lebenserwartung etwas höher liegt als die „weniger<br />
schöner“ Menschen.<br />
6. Gruppenegoismus<br />
Menschen unterstützen Blutsverwandte – mit denen sie im engeren oder weiteren Sinn<br />
ihre gemeinsamen Gene teilen – stärker als Geistesverwandte (Freunde oder Menschen<br />
mit weltanschaulich ähnlichen Positionen). Blut ist dicker als Wasser: Nur hierdurch ist<br />
das genetische Überleben auch in „Parallelsträngen“ absicherbar. Der Erfolg unserer<br />
Verwandten ist letztlich indirekt auch unser (Überlebens-) Erfolg.<br />
Der Gesamtindikator für männliche Fitness war in den letzten Jahrtausenden möglicherweise<br />
die Zahl der gezeugten Kinder – die Gesamtfitness des weiblichen Menschen hat sich in der<br />
Gesundheit und im Überleben und letztlich auch in der erneuten Fortpflanzungsberechtigung<br />
der eigenen (wenigen) Kinder und der andauernden Pflegephase (der Mensch ist kein<br />
Nestflüchter sondern ein Nesthocker) erwiesen. Selbst bei annähernd gleichem<br />
Geschlechterverhältnis sind Frauen „stets die begrenztere Ressource in einer Population“ (vgl.<br />
Christiansen, S. 69, 2006), „so dass selbst bei annähernd gleichem Geschlechterverhältnis für<br />
Männer der Zugang zu befruchtungsfähigen Frauen eingeschränkt ist. Das „anstrengende<br />
Werbeverhalten“ der Männer bei der Partnerwahl über Aussehen, Verhalten, materiellen und<br />
immateriellen Status und somit das demonstrative werbungstechnisch geschickte Aufbereiten<br />
der „männlichen Ressourcen“ führt letztlich zu einer besonderen Stressbelastung der<br />
männlichen Wesen (Lebenserwartung in unserer Kultur „kriegsneutralisiert“ um 7 Jahre<br />
geringer) – gleichzeitig führt es zu einer stetigen evolutionären Weiterentwicklung der<br />
männlichen „Performance“ (vgl. Bueb, 2007).<br />
9
10<br />
1.2 Verhaltensregulation während des Lebens und genetisches Überleben<br />
durch Fortpflanzungsauftrag: Das Balanceproblem des Ich-Inhabers<br />
Depressive Episoden setzen sich aus einer großen Summe von Einzelfrustrationen zusammen.<br />
Diese sogenannten „Dissonanzen“ erlebt ein Mensch dann, wenn seine Erwartung, bzw. sein<br />
Anspruch an eine Person oder an eine Situation unrealistisch (zu hoch) ist. Oftmals glaubt der<br />
Mensch aufgrund seiner naiv-optimistischen Grundhaltung, dass er drei „Gefühlsansprüche“<br />
im Leben grundsätzlich erwarten und zumeist auch erhalten kann:<br />
1. Gerechtigkeit<br />
2. Ehrlichkeit<br />
3. Treue (Verbindlichkeit)<br />
Das tatsächliche Aufkommen (die „Einnahme“) dieser „Sozialen Güter“ ist oftmals<br />
wesentlich geringer als sich der Mensch dies erhofft und erwünscht. Der Mensch ist also<br />
enttäuscht und glaubt, dass ihn und nur ihn das Leben weniger gut bedenkt als dies bei seinen<br />
Mit-Menschen der Fall ist. Je öfter er solche Enttäuschungen über das Ausbleiben von<br />
Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Verbindlichkeit erlebt, um so mehr hadert er mit seinem<br />
gesamten Leben (mit dem Schicksal, mit Gott, mit dem Prinzip der Lebendigkeit).<br />
Irgendwann hört der Mensch dann auf, diese ihm so wichtigen Dinge zu erwarten, er<br />
resigniert, er „schmeißt alles hin“ und er verweigert sich nun seinerseits – seinem Leben.<br />
Eine Depression beginnt. Feindseligkeit nistet sich ein und <strong>Zerstörung</strong>sbereitschaft scheint<br />
begründet ...<br />
Vorschlag: Sich den Erhalt der erhofften Dinge (Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Verbindlichkeit)<br />
als Ausnahme an: In 90% der Fälle bekommst Du sie nicht – in 10% der Fälle vielleicht.<br />
Wenn Du sie bekommst, sage einfach: „Ich habe gar nicht mehr damit gerechnet, dass es so<br />
etwas wie Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Treue gibt – nun habe ich sie erhalten und es ist<br />
wunderbar. Ich bedanke mich. Ich weiß, das ist eine Ausnahme. Ich weiß, das ist eher<br />
zufällig. Ich weiß, ich hätte es eigentlich viel öfter verdient, aber wenn ich es jetzt mal erhalte,<br />
bin ich glücklich, weil es ein unwahrscheinliches Ereignis ist.<br />
Das Geheimnis der �icht-Depression liegt also darin, dass man das �icht-Eintreten dieser<br />
drei wichtigen Güter als das normale Ereignis erwartet. Tritt es ein, ist es die erfreuliche<br />
Ausnahme – bleibt es aus, ist es Standard.<br />
Die Erwartung von Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Treue sollte maximal bei 10Prozent liegen<br />
– in 90Prozent bleibt es aus. Dies gilt für alle Menschen. Warum sollte gerade ich eine<br />
Ausnahme sein und vielleicht zu 30, 40, 70 oder gar 90 Prozent Gerechtigkeit, Ehrlichkeit<br />
und Treue erhalten? Warum soll ich so anmaßend sein, etwas zu erwarten, was „nicht<br />
normal“ ist . Warum sollte ich von diesen positiven Gütern mehr bekommen als andere<br />
Menschen? Was gibt es für einen Sinn, wenn ich mehr als 10% erwarte und dann am Ende<br />
enttäuscht, hadernd und aggressiv werde?<br />
Die De-Regulation des eigenen Erlebens kann man also in einem „Vierschritt“ beschreiben:<br />
1. Zu hohe Erwartung<br />
2. Enttäuschung (Dissonanz)<br />
3. Hadern mit dem Schicksal<br />
4. Resignation, Depression, Apathie (Ausstieg aus dem eigenen Leben)<br />
Die Veränderung der Wahrscheinlichkeitsannahme in Bezug auf eine „Gute Behandlung“<br />
durch die Mitmenschen ist der Schlüssel, um als Ich-Verwalter einen „guten Job“ zu machen.
Definition Gerechtigkeit:<br />
Der Wunsch, von Mitmenschen oder vom „Schicksal“ für die eigenen<br />
Anstrengungen, Absichten und Taten und vielleicht auch für die dadurch<br />
produzierten Effekte und Ergebnisse einen angemessenen „Lohn“ zu erhalten:<br />
Anerkennung, positive Resonanz, Sympathie und vielleicht auch immaterielle und<br />
materielle Unterstützung. Das Maß für Gerechtigkeit (kleinster gemeinsamer<br />
Nenner) ist die „investierte Energie“ in Verbindung zu dem, was der Mensch als<br />
„Gesamtresonanz“ von der Welt zurückbekommt.<br />
Definition Treue:<br />
Der Wunsch, das die Versprechen, die früher gehalten worden sind, auch viel<br />
später – heute – eingehalten werden. Das Bedürfnis, früher vorhandene Nähe und<br />
Verbundenheit (Verbindlichkeit) weiterhin – gegenseitig – einzuhalten, auch<br />
wenn sich die aktuellen Lebensbedingungen (vielleicht sogar radikal) verändert<br />
haben. Die Treue ist die Hoffnung und die Basis, gerechte Erträge aus einer<br />
früheren (vielleicht lebenslangen) Beziehung – auch zu einem Ort oder zu einer<br />
Idee – überhaupt erhalten zu können.<br />
Definition Ehrlichkeit:<br />
Der Wunsch, die Wahrheit gesagt zu bekommen, auch wenn es demjenigen, von<br />
dem ich es erwarte, Mühe macht: Wenn er sich selbst ins Abseits stellt, wenn er<br />
sich selbst belastet, wenn er sich selbst abwertet und / oder wenn er durch das<br />
Bekennen zur Wahrheit viel mehr Mühe hat als wenn er dies nicht täte. Die<br />
Ehrlichkeit ist die Grundlage, um Treue und Gerechtigkeit „bemessen“ zu können.<br />
Die innere emotionale Balance erleichtert die Ich-Verwaltung und ist Grundlage des<br />
Persönlichen Überlebens. Die Optimierung des Persönlichen Überlebens ist eine<br />
Grundlage des „Genetischen Überlebens“.<br />
Lebe ein gutes, ehrbares Leben!<br />
Wenn du älter bist und zurückdenkst,<br />
wirst du es noch einmal genießen können.<br />
(Dalai Lama)<br />
11
1.3 Stolzerleben, Geborgenheitswunsch und Gotteshoffnung als das<br />
„Evolutionspsychologische Ausgangsproblem“ des Ich-Inhabers<br />
Wann fühlt der Mensch sich gut? Wann kann der Mensch sich zufrieden zurücklegen? Wann<br />
gibt es mal eine kleine kreative Pause vom „Rabotti, Rabotti“? Wann kann man sich dem<br />
Moment oder einer Person hingeben? Gibt es eine Pause vom Nachdenken, vom Grübeln,<br />
vom Planen, vom „Ich-Will-Sichergehen Syndrom“?<br />
Als einziger verantwortlicher Künstler auf der Bühne seines Ichs muss der Mensch als<br />
Jongleur lebenslang drei Teller auf seinem Jonglagestock in Bewegung halten – keiner darf<br />
herunter fallen, denn Null mal Null ist Null: Den Teller „Der Wunsch, auf sich stolz zu sein“<br />
(Exklusivitätserleben), den Teller „Soziale Einbindung“ (Geborgenheitswunsch) und den<br />
Teller mit dem Wunsch, dass „es auch nach dem Tode weitergeht“ (Gotteshoffnung).<br />
Werden alle drei Aufgaben einigermaßen bedient, gibt es weniger Unruhe, weniger Unmut,<br />
weniger Ängstlichkeit, weniger Zweifel, weniger Misstrauen: Der Mensch bleibt<br />
Bedenkenträger aber im Moment kann er auch mal „durchatmen“. Die Aufträge des Ich-<br />
Inhabers werden von ihm selbst als Grundbedürfnisse im persönlichen Erleben – also als<br />
ständiger Drang – verspürt. Von diesen Grundbedürfnissen wird er angetrieben, hierdurch<br />
wird er motiviert, hierdurch bleibt er auf der „Bühne der Selbsterfindung“ und hierdurch<br />
bleibt er auf der Bühne der „ständigen Selbstverwaltung“.<br />
Manchmal möchte er sich seine Aufträge aber auch genauer ansehen, sie mit seinem scharfen<br />
Verstand und mit seinen bisherigen Erfahrungen (seinen Analysemöglichkeiten) genauer<br />
beschreiben und sie bewerten („Was ist wichtig, was ist unwichtig?“), um so ab und zu über<br />
den Sinn des Lebens im Ganzen nachzudenken. Dann ist er der „Philosophische Psychologe“,<br />
der konstruiert, verwaltet und Dauerhaftigkeit zu programmieren versucht. Letztlich muss<br />
aber alles auch im konkreten Verhalten ankommen: Der Mensch als sein eigener<br />
Verhaltenstrainier, der den Kopf, den Körper und das Gefühl immer wieder auf Vordermann<br />
bringen muss.<br />
Ich-Inhaber als lebenslanger Selbsterfinder und Selbstbewahrer<br />
Grundaufgaben Ich-Architektur Ich-Verwaltung Ich-Überführung<br />
(Bestimmung) (Wachstum) (Alltags- (Überdauernde<br />
Philosophische bewältigung) Gewissheit)<br />
Psychologie<br />
II. Grundbedürfnisse Größe Geborgenheit Existenz über dem<br />
(Erleben) (Selbsterleben) (Unterstützungs- Tod hinaus<br />
Motivations- erleben) (Konstanzerleben)<br />
Psychologie<br />
III. Grundtraining Kopf Körper Gefühl<br />
(Verhalten) (Kognitives (Physiologisches (Emotionales<br />
Angewandte Training) Training) Training)<br />
Psychologie<br />
12
Der Mensch ist also alles gleichzeitig: Er ist sein eigener Erfinder und Architekt, er ist sein<br />
eigener Verhaltenserklärer und er ist sein eigener Verhaltenstrainer.<br />
Der Mensch als „Wissenschaftler“<br />
I. Der Mensch als Philosoph<br />
Sinnsuche (Begründung von Lebenswillen)<br />
Theorie, Überleben<br />
II. Der Mensch als Psychologe<br />
Verhaltenserklärung (Steuerung von Prioritäten)<br />
Verständnis von Verhaltensentscheidungen<br />
III. Der Mensch als Verhaltenstrainer<br />
Handlungstraining (Werkzeugbeschaffung)<br />
Instrumente für Wirksamkeit und Kontrolle<br />
Worauf kommt es also �etto an?<br />
Netto muss der Mensch während der wachen Zeit sein Verhalten steuern – er kann dies nicht<br />
delegieren: Er findet hier keinen Stellvertreter, der an seiner Stelle über sein Verhalten<br />
entscheidet und dieses ausführt: Du hast nur über einen einzigen Menschen auf der ganzen<br />
Welt Macht – nur über dich selbst. Also befindet sich der Mensch im ständigen<br />
Entscheidungszwang: Kurz einen Gedanken fassen, wie das Verhalten im nächsten Moment<br />
( in der nächsten überschaubaren Zeitphase – also in der Gegenwart) aussehen soll und dann<br />
auf Grundlage dieses Planes schnell ein paar Informationen aufnehmen, danach sofort eine<br />
Entscheidung für das jetzt anstehende Verhalten treffen und dann das Verhalten ausführen. In<br />
dieser „Endlosschleife“ befindet sich der Mensch vom ersten bis zum letzten Lebenstag:<br />
1. Kurze Planung<br />
2. Informationsaufnahme<br />
3. Entscheidung<br />
4. Verhaltensdurchführung.<br />
Worauf kommt es also an? Auf die Durchführung des konkreten Verhaltens. Die Planung,<br />
die Informationsaufnahme und das Entscheidungsverhalten werden häufig überbewertet, man<br />
hält sich zu lange dabei auf, man kommt oft nicht oder viel zu spät (dann „ist der Zug schon<br />
abgefahren“) beim eigenen Verhalten an.<br />
Gerade die Informationsaufnahme – ich habe schon viele Informationen aber man kann ja nie<br />
genug haben – verkommt in der Internet-Epoche oftmals zum Selbstzweck, so dass man ganz<br />
vergessen hat, warum man Informationen aufnehmen will, wofür man sie braucht und dass sie<br />
ja letztlich nur Mittel zum Zweck sind, um ganz schnell wieder bei der Steuerung des eigenen<br />
Verhaltens (das einem ja wie gesagt keiner abnimmt) anzukommen. Was für eine<br />
Selbstbehinderung und was für eine Perversion bei dem Anliegen der optimalen<br />
„Selbstverwaltung des Ich-Inhabers durch den Ich-Inhaber“! Was ist nun aber das Ich, um<br />
dessen Architektur und dessen Verwaltung der Ich-Inhaber nicht herumkommt? Ganz einfach<br />
ausgedrückt: Die Steuerungs<strong>zentral</strong>e, die während der geschenkten Lebenszeit die<br />
Handlungen (das Verhalten) koordiniert. Hierzu gibt es die Erfahrungsbildung als Grundlage<br />
des Denkens (Planens und Bewertens), hierzu gibt es die einzelnen Körperanteile (auch Kopf<br />
und Herz), die man trainieren kann und muss, damit sie Instrumente sind, damit dieser<br />
13
Mensch etwas bewirken, hervorrufen und verursachen kann und hierzu gibt es das Gefühl<br />
als „abgeschichtetes personales Gedächtnis“: Hierdurch kann Verhalten sofort ausgelöst<br />
werden (in Umgehung des Denkapparates), so dass durch „verdichtete, subjektive<br />
Erfahrungsbildung“ ein Verhalten „aus dem Bauch heraus“ gesteuert wird und dies letztlich<br />
besonderer Ausdruck der „emotionalen Gewissheit“ dieses Ichs darstellt. Anders<br />
ausgedrückt: Der Kopf und das Denken sind das aktuelle Handwerkszeug zur<br />
Verhaltenssteuerung. Das Gefühl ist das verdichtete Wissen „ohne gedankliche<br />
Rückkopplungsschleife und nochmaliges Prüfverfahren“, das sofortiges Verhalten (z.B.<br />
Flucht bei Lebensgefahr oder Verlieben bei „Gesamtpassigkeit“) ermöglicht und das<br />
Verhalten ist letztlich das Leben: Solange ich lebe, muss ich mich verhalten und solange wie<br />
ich mich verhalten kann, lebe ich.<br />
Denken und Fühlen dienen einzig und allein der Verhaltenssteuerung und damit der Ich-<br />
Ausrichtung, der Ich-Kontrolle und der Ich-Pflege. Worauf kommt es an? Dass ich mich auf<br />
dem im „stetigen Takt nach vorne bewegenden Fließband meines Lebens“ – während es<br />
unaufhaltsam vorangeht – wohl fühle, dass ich die wechselnden Schauplätze und Stationen<br />
mit meinem Verhalten immer wieder „adäquat“ bedienen, bewältigen und beantworten kann.<br />
Der Ich-Inhaber hat es schon nicht so leicht, mit sich im reinen zu sein und sich auf diesem<br />
Lebenspfad „durch zu manöverieren“. Trotzdem gibt es zwischendurch und vor allem am<br />
Ende immer wieder diese eine Frage des Ich-Inhabers an sich selbst: Gab es Sinn, dass gerade<br />
Ich fürs Leben ausgesucht wurde (geboren bin), war ich heute und auch am Ende meines<br />
Lebens eher eine Belohnung oder eine Bestrafung für meine Umwelt und bin ich eher ein<br />
förderndes Ich (fördere ich mein und dein Wachstum) oder bin ich eher ein behinderndes Ich<br />
(stelle ich in Zweifel, beeinträchtige ich eigenes planvolles Verhalten und das planvolle<br />
Verhalten der anderen? Bin ich eher eine „Spaßbremse“ und bin ich vielleicht sogar ein<br />
Zerstörer?) Letztlich geht es dann ja auch immer wieder um das „schöne Gefühl“: „Habe ich<br />
heute das Pensum geschafft, wie hat mein Nebenmann sein Ich heute verwaltet, kann ich ihm<br />
mal kurz solidarisch zuwinken, können wir uns zunicken und sagen: „Ja, ja es ist wieder mal<br />
weitergegangen. Ja, ja, wir haben unser Bestes gegeben ....“ Oder wie die Exponenten einer<br />
der Hilfswissenschaften des Ich-Inhabers sagen würden:<br />
„Die Evolution frisst ihre Kinder (am Ende) doch auf“<br />
Arbeitet, als würdet Ihr kein Geld brauchen!<br />
Liebt, als hätte euch noch nie jemand verletzt!<br />
Tanzt, als würde niemand zuschauen!<br />
Singt, als würde niemand zuhören!<br />
Lebt, als wäre das Paradies auf Erden!<br />
(Unbekannt)<br />
14
1.4 Sonderfokus: Stolzerleben auf Grundlage<br />
„gierigen“ Kompetenztrainings<br />
„Quäl dich, du Sau“ war der Motivationsspruch, der es Jan Ullrich 1997 ermöglichte - Doping<br />
hin, Doping her, alle waren gedopt – die Tour zu gewinnen. „Einfach weitermachen“ murmelt<br />
Oliver Kahn, wenn die anderen schon unter der Dusche stehen und er seinen Torwarttrainer<br />
weiter bemüht. „Sich in den eigenen Schweiß verlieben“ ist die Zauberformel für den<br />
Menschen, der sein Ich ernst nimmt. Der Körper trägt alles: Den Verstand und das Gefühl.<br />
Die jetzt 50jährigen sind im Zeitalter des Geldes (50er und 60er Jahre) aufgewachsen. Geld<br />
regiert die Welt; Geld macht nicht glücklich aber es beruhigt. In den 70er und 80er Jahren<br />
sind wir dann in das Zeitalter des Wissens hinein gerutscht (Wissen ist Macht; das, was du<br />
gelernt hast, kann dir keiner mehr nehmen). Seit den 90er Jahren leben wir im Zeitalter der<br />
Aufmerksamkeit: Wer die Aufmerksamkeit der anderen auf sich lenken oder gar<br />
konzentrieren kann, ist der Gewinner – wem die Aufmerksamkeit entzogen wird (egal ob<br />
Person, Firma, Fernsehsender oder politische Partei), ist der Verlierer dieser Epoche. Das<br />
Ausmaß der „Einnahme an Aufmerksamkeit“ ist die Währung, nach dem der Wert des<br />
Menschen zur Zeit hauptsächlich bemessen wird: Sowohl das Selbstwert-Empfinden als<br />
auch die Wertezuschreibung von außen (was andere uns an Status zuschreiben) wird durch die<br />
„Aufmerksamkeitskontrolle“, die wir in Bezug auf unsere Umgebung ausüben, stark<br />
bestimmt.<br />
Egal in welchem Zeitalter wir leben: Letztlich hat jeder Mensch auf der Welt in jeder Epoche<br />
und an jedem Ort immer nur einen Auftrag: Trainiere dein Ich und coache dich: Wenn der<br />
andere trainiert und du zuschaust, bekommt du keine Muskeln. Du musst dich selbst hinlegen<br />
und die Liegestütze absolvieren.<br />
Jeder Mensch muss sich morgens beim Aufstehen wieder „neu erfinden“: Was kann, will und<br />
muss ich an diesem Tag für mich trainieren, damit ich am Abend eine gute Bilanz als „Ich-<br />
Inhaber“ für mich ziehen kann? Welche einzelnen „Kopfhanteln, Körperhanteln und<br />
Gefühlshanteln“ muss ich bewegen, dass alle drei Bereiche nicht veröden und heute<br />
zumindest ihren Fitnesszustand von gestern erhalten haben – vielleicht habe ich ja in der<br />
einen oder anderen Sparte meines Ichs auch ein bißchen zugelegt?<br />
Jedes Trainingsfeld (Kopf, Gefühl, Körper) hat drei Trainingsbereiche, die wir täglich<br />
„anfassen“ sollten. Beginnen wir mit dem Kopf:<br />
Das Denken, unsere intellektuelle Fitness, unsere Auffassungsschnelligkeit, unsere<br />
Entscheidungsfähigkeit – vieles abgebildet in einem angemessenen Sprachvermögen - basiert<br />
auf genauer Wahrnehmung und Verknüpfung der Informationen, ohne dass zu viel Zeit<br />
vergeht. Die drei Trainingsbereiche für den Kopf sind:<br />
1. Logisches Denken: Was folgt woraus?<br />
2. Konzentration und Gedächtnis:<br />
Was nehme ich wahr und was lagere ich in meinem Kopf ein?<br />
3. Auffassungsschnelligkeit: Wie schnell kann ich eine Situation erkennen, einen Menschen<br />
durchschauen, eine Entscheidung treffen, ein Verhalten in gang setzen?<br />
Auch das Herz (das Gefühl) benötigt Training:<br />
1. Training der Sensibilität: Wie empfindsam bin ich für meine eigenen inneren Impulse und<br />
wie gut kann ich mich in den anderen hineinversetzen und die Welt auch mal kurzfristig<br />
mit seinen Augen betrachten? Wieviel Mitgefühl kann ich entwickeln?<br />
2. Treue und Dankbarkeit: Was ist mein Ursprung, wie dankbar bin ich, dass ich mein Leben<br />
geschenkt bekommen habe und es nun selbst verwalten darf (und muss)? Wer sind die<br />
Menschen, die mir zu meinem (Über-) Leben ihre Energie freiwillig und vielleicht auch in<br />
15
einem großen Ausmaß geschenkt haben, ohne dass ich es ihnen wiedergeben konnte<br />
oder wollte?<br />
3. Risikobereitschaft und Mut: Wofür lohnt es sich, auch einmal eine Schippe draufzulegen<br />
und etwas mehr zu tun, ohne dass man selbst sofort eine „Belohnung“ erwartet? Was ist<br />
Patriotismus und was ist meine Mission: Wozu bekenne ich mich und in welchen<br />
Bereichen bin ich auch manchmal unbeirrbar, selbst wenn ich ein wenig Angst habe und<br />
auch der Gefahrenanteil nicht zu verleugnen ist?<br />
Das wichtigste Trainingsobjekt ist der Körper, für den die meiste Trainingszeit (und<br />
Trainingsenergie) benötigt wird:<br />
1. Beweglichkeitstraining: Wie kann ich meine einzelnen Körperteile dehnen und sie in<br />
Schwingung versetzen? Wie kann ich mich tänzerisch und ästhetisch im Raum orientieren<br />
und bewegen? Welche Anteile aus dem Ballett-Training und dem<br />
Selbstverteidigungstraining gehören in das Trainingprogramm, um meinen Körper<br />
„fließend“ zu halten?<br />
2. Ausdauertraining: Die Kondition auch bei längerer Anstrengung aufbringen und täglich –<br />
ohne Überanstrengung – mein Laufpensum absolvieren, mich in meinen eigenen Schweiß<br />
verlieben, mich entschlacken und mich durch Ausdauertraining letztlich auch nach ca. 20<br />
Minuten in einen angenehmen Trancezustand (wo auch die Gedanken und Gefühle<br />
beginnen wie von selbst zu fließen) hinein zu versetzen – also jeden Tag mindestens<br />
einmal diesen „Steady-State“ zu erlangen – ist das größte Geschenk, das ich mir an<br />
diesem Tag (an jedem Tag) machen kann.<br />
3. Krafttraining: Die Muskeln so anspannen, dass ein kleiner Zuwachs da ist, ohne dass mich<br />
die Hantel erschlägt – ein angenehmes Gefühl von Kraft (ich kann im wahrsten Sinne des<br />
Wortes etwas in der Umwelt bewegen), das sich durch eine gestraffte Muskulatur<br />
einstellt, ist besser als mein „Schwabbelbauch“.<br />
Das tägliche Körpertraining kann auch in Gesellschaft ablaufen: Das Spüren, dass der andere<br />
neben mir auf dem Laufband, auf dem Rudergerät oder auf dem Ergometer oder vielleicht<br />
auch beim Walking oder beim Jogging im Wald das gleiche „Richtige“ für sich tut, wie ich es<br />
gerade im Moment für mich tue, birgt ein großes Ausmaß an Solidarität: Jeder hat seinen<br />
Körper geschenkt bekommen – trainieren muss er ihn selber. Wenn ich es tue und wenn es<br />
mein Nebenmann tut, wissen wir beide, dass wir als Ich-Inhaber gut funktionieren: Wir<br />
können den Auftrag nicht delegieren, wir können ihn nur täglich mit Lust und guter Laune<br />
abarbeiten.<br />
Die Absicherung des eigenen (Über-) Lebens ist vor allem eine Entscheidung für tägliche<br />
Bewegung und somit Beweglichkeit. Aus dem täglichen Ausdauertraining, aus dem täglichen<br />
Beweglichkeitstraining und dem bisschen Krafttraining (Liegestütze, Klimmzüge,<br />
Kurzhanteln) kommt eine Bewegung auf mich zu – und dann auf den anderen zu. Auch das<br />
große Bedürfnis nach Geborgenheit wird letztlich durch das gemeinsame richtige Tun –<br />
„keine Zeit verschwenden, wir essen zeitig“ – unterlegt. Bewegung auf den anderen zu ohne<br />
Beweglichkeit (zuerst körperliche, dann geistige und gefühlsmäßige) geht nicht – wenn ich<br />
stolz auf die Erledigung meines heutigen Trainingspensums (Körperhantel, Kopfhantel,<br />
Herzhantel) bin, bin ich dem anderen gegenüber viel großzügiger, souveräner, unterstützender<br />
und zeige ihm gute Laune – er wird mich dann noch viel sympathischer, angenehmer und<br />
freundlicher (freundschaftlicher) finden.<br />
Motto <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong>:<br />
„Körper führt - Geist folgt und Herz freut sich“<br />
16
Selbstinstruktionen für Ich-Inhaber:<br />
1. Wer zuschaut wie andere trainieren, bekommt keine Muskeln.<br />
2. Ich freue mich über jede Körperhantel, Kopfhantel und Herzhantel – sie sind die<br />
besten Freunde dieses heutigen neuen Tages.<br />
3. Dein Leben bekommt du geschenkt – dein Ich und deinen Körper verwalten musst<br />
du selber: Durch harte Arbeit.<br />
4. Nur Hantelarbeit, die auch ein wenig Muskeln hervorbringt (die Hantel muss<br />
immer ein bisschen schwerer sein als das, was ich gerade als Ausgangskompetenz<br />
habe) macht mich stolz.<br />
5. Auch wenn ich älter bin, lege ich meine Hanteln nicht aus der Hand: Sie stellen<br />
sicher, dass mein Abbau (egal ob Körper, Kopf oder Gefühl) etwas langsamer von<br />
statten geht).<br />
6. Nur wer sich selbst trainiert, kann solidarisch sein: Wer keine Kompetenz durch<br />
harte Arbeit in sich selbst einlagert, kann auch nichts abgeben – wo nichts ist kann<br />
nichts verschenkt werden.<br />
7. Solidarität mit dem Leben, Solidarität mit der Welt und Solidarität mit den<br />
Mitmenschen fängt immer bei Solidarität mit mir selbst an: „Quäl dich du Sau<br />
und der Tag gehört dir!“<br />
Die Neun „Täglichen Trainingshanteln“ für den Ich-Inhaber<br />
I. Körperhantel<br />
1. Ausdauer (Kondition)<br />
2. Kraft (Muskeln)<br />
3. Beweglichkeit (Ästhetik)<br />
II.Kopfhantel<br />
1. Logik (Antizipation)<br />
2. Gedächtnis (Konzentration)<br />
3. Wissen (Kulturkenntnisse)<br />
III. Gefühlshantel<br />
1. Sensibilität (Einfühlungsvermögen)<br />
2. Treue (Dankbarkeit und Gerechtigkeit)<br />
3. Mut (Risikobereitschaft)<br />
17
1.5 Sonderfokus Geborgenheit:<br />
Wie funktioniert Anschlusssuche und Abgrenzung –<br />
wie passiert Ausgrenzung?<br />
Der Geborgenheitswunsch des Menschen kann auch definiert werden als „Anschlussmotiv“:<br />
Menschen sind nicht nur für ihr genetisches sondern auch für ihr aktuelles persönliches Über-<br />
Leben motiviert, interpersonale Beziehungen einzuleiten, auszuweiten und deren<br />
Auseinanderfallen zu verhindern. Nach den „Theorien der interpersonalen Balance“ bringt der<br />
Aufbau sozialer Systeme einen „Nettogewinn an Reproduktionsmöglichkeiten“ (vgl.<br />
Sauerland und Hammerl, S. 148, 2006). Ein solches „Affiliationsmotiv“ wird insbesondere<br />
unter Kosten-Nutzen-Aspekten gesehen und wiederum besonders bei antizipierten Gefahren<br />
(Ressourcenmangel, kriegerische Bedrohung, Veränderung der klimatischen<br />
Lebensbedingungen) intensiviert. Grundsätzlich handelt es sich bei jeder Geborgenheitssuche<br />
aber auch immer um einen Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt (Appetenz-Aversions-<br />
Konflikt), da die Gruppenintegration auch immer Gefahren und Nachteile mit sich bringt:<br />
„Der Eintritt in eine Gruppe bringt für ein Individuum jedoch auch potentielle Kosten mit<br />
sich, z.B. Infektionsrisiken, Konkurrenz, Investitionsrisiken, Kompromisszwänge ....“<br />
(Sauerland und Hammerl, S. 149, 2006).<br />
Einerseits nimmt die „Theorie der interpersonalen Balance“, also eine „Kostenkalkulation“<br />
des Individuums an (Aversive Elemente), um eine „Beziehungsanbahnung“ zu erklären (also<br />
um Integrationswillen oder Ausgrenzungswunsch zu erklären) – andererseits wird auf<br />
Grundlage einer „Antizipation gegenseitiger Wichtigkeit“ auch ständig nach dem Sollprofil<br />
der angestrebten Gruppe in Bezug auf deren „Suchschema“ geachtet: Welche Ansprüche hat<br />
die bestehenden Gruppe an ein potentielles Neu-Mitglied, also gegebenenfalls an mich?:<br />
„Sollte ein anschlusssuchendes Individuum die Erwartung ausbilden, von der Gruppe<br />
akzeptiert zu werden, so wird dieser danach trachten, die begehrte Gruppe aufzusuchen. Sollte<br />
das Individuum allerdings zu der Einschätzung kommen, dass es den Ansprüchen der Gruppe<br />
nicht gerecht werden kann (z.B. weil die Gruppe das Individuum scheinbar nicht in dem<br />
Ausmaß braucht wie umgekehrt das Individuum die Gruppe begehrt), so wird die subjektive<br />
Wahrscheinlichkeit von sozialer Ablehnung hoch sein, und das Individuum wird den Kontakt<br />
mit der begehrten Gruppe vorläufig nicht initiieren“ (vgl. Sauerland und Hammerl, S. 150,<br />
2006).<br />
Fazit: Geborgenheit sichert das individuelle Überleben (Sicherheit, Ressourcenzugriff) und<br />
das genetische Überleben (Grundlage von dyadischer Beziehung und Paarung) – die<br />
persönlichen Kalkulationsmodelle sind jedoch immer von einer Vielzahl auch<br />
unterschwelliger Wahrnehmungen in Bezug auf Attraktivität der Gruppe einerseits und<br />
Selbstattraktivität der Person für die Gruppe andererseits abhängig. Hier kann die<br />
Verbesserung der sozialen Wahrnehmung des Individuums auch die geschützte und emotional<br />
aufgehobene Verwaltung seines Ichs verbessern helfen.<br />
Heimat ist dort,<br />
wo du dich nicht erklären musst.<br />
(Alexander Mitscherlich)<br />
18
1.6 Sonderfokus Gotteshoffnung: Das epochenübergreifende ultimative<br />
„Weiterlebensmotiv“ unter evolutionspsychologischem Aspekt<br />
Um den Verlauf des eigenen Lebens oder – wie wir sagen würden – die Verwaltung des<br />
eigenen Ichs während der geschenkten Lebensepoche – zu optimieren, ist eine<br />
„Hintergrundhoffnung“ unverzichtbar: Die Hoffnung darauf, dass es weitergeht, wenn es<br />
nicht mehr weitergeht.<br />
Schon lange bevor es einzelne Religionen mit ihren jeweils speziellen (oftmals dann aber<br />
doch vergleichbaren und sehr ähnlichen) Glaubensideen und Offenbarungsinhalten gab, war<br />
der Wunsch des jeweils einzeln lebenden Menschen (und damit in der Summe: Der seit<br />
Jahrtausenden lebenden Menschheit) nach der „Existenz von Gott“ hoffnungsstiftend,<br />
troststiftend und motivierend für die Gestaltung (und für die Beendigung) des eigenen<br />
Lebens.<br />
Hoffnungen, Wünsche und Bitten an Gott<br />
Alle Menschen, die je auf der Welt gelebt haben, die jetzt leben und die je leben<br />
werden, haben die gleichen dringlichen Erwartungen an Gott:<br />
1. Gott ist konstant.<br />
Das einzig Sichere ist die Veränderung – nur Gott ist immer der Gleiche.<br />
2. Gott ist fürsorglich.<br />
Vorbehaltlose Liebe und bedingungsloses Wohlwollen begleitet den Menschen<br />
auf seinem – begrenzten – Lebensweg.<br />
3. Gott ist gerecht.<br />
Kein Mensch auf der Welt weiß ohne Belehrung, was Gut und Böse ist. Gott<br />
erfreut sich insbesondere an den guten Absichten und Verhalten des Menschen.<br />
4. Gott ist größer.<br />
Der Mensch ist in seinem Hiersein und in seiner Auffassungsgabe begrenzt –<br />
Gott ist unvorstellbar „vollständig“. Kein Mensch kann ihn jemals erfassen,<br />
verstehen, erklären oder gar mit seinen begrenzten menschlichen (Denk-)<br />
Mitteln beurteilen oder gar bewerten. Und deswegen gilt:<br />
5. Gott ist überlebens-sichernd.<br />
Der Mensch erfährt, dass er endlich ist und das sein Tod unausweichlich auf<br />
ihn zukommt. Allein der Wunsch bezüglich der Größe Gottes ermöglicht die<br />
Hoffnung auf ein „Weiterleben nach dem Tod“.<br />
Die Abgrenzung der Religionen untereinander mit ihren jeweiligen Religionsstiftern und die<br />
Suche nach einer bestimmten und speziellen Erklärung von Gott (Wie ist er, was will er wohl,<br />
hat er sich uns offenbart?) steht also einem allgemeinen und natürlichen Wunsch aller<br />
Menschen (auch derer, die vor der Entstehung der jeweils einzelnen Religionen gelebt haben)<br />
entgegen, einer allen Menschen auf natürlichem Weg zugängliche und vernunftsmäßig<br />
erschließbare Hoffnung auf Gott und Erwartung an Gott, die nicht beweisbar ist und – wegen<br />
der Größe Gottes und der „Andersartigkeit“ des erhofften Gottes – auch nicht beweisbar sein<br />
kann. Eine Religionsphilosophie, die in übergeordneter Weise die jeweiligen Inhalte und<br />
19
Methoden aber auch die Entstehungsbedingungen und die Anpassungsleistungen der<br />
jeweils einzelnen Religionen (zur Zeit 7 – 8 Weltreligionen) in einen solchen<br />
„Menschheitswunsch“ einordnet, erleichtert den in der Gegenwart und auch in der Zukunft<br />
konkret lebenden Menschen „sein Tageswerk“, also seine Ich-Verwaltung: Sie befreit vom<br />
ständigen Interpretationswunsch – manchmal auch Interpretationssucht – und sie macht den<br />
Rücken frei für gute Taten im Verlauf des eigenen Lebens.<br />
Im Unterschied zur Theologie - die innerhalb einer bestimmten Religion bestimmte Vorgaben<br />
untersucht – versucht die Religionsphilosophie „ohne Berufung auf eine normative Tradition“<br />
das Phänomen der Religion ausschließlich mit den Mitteln der Vernunft zu ergründen und<br />
erlaubt dem einzelnen Menschen wiederum als „Hilfswissenschaft“ eine Einordnung seiner<br />
dringlichsten Hoffnung, der Hoffnung auf Weiterleben nach dem Tod.<br />
Jede psychologische Intervention als Hilfsmittel zur Daseinsbewältigung – speziell wenn<br />
man sie „Psychotherapie“ nennt - muss sich auf diese Erwartung und Hoffnung an Gott<br />
beziehbar machen und sie als einen der „Kleinsten gemeinsamen Nenner“ des Strebens und<br />
Wollens eines jeden je lebenden Menschen ernst nehmen. Insbesondere die jetzigen<br />
(globalisierten) „Zeitgeistverhältnisse“ scheinen zu erfordern, dass endlich die<br />
Vergleichbarkeit der vielfältigen Überlieferungen und damit aller Basistexte religiöser<br />
Kulturen des „ganzen Planeten“ darstellbar und vergleichbar gemacht werden: „Die<br />
sogenannten Religionen sind gar nicht das, was man bisher von ihnen hielt, nämlich sich<br />
gegenseitig ausschließende Wahrheitssysteme. Sie sind vor allem Lebensformen, sie bieten<br />
lokale, symbolische Ordnungen und moralische Überzeugungssysteme eigenen Rechts“<br />
(Sloterdiyk, S. 86, 2007). Eine Religionswissenschaft oder auch Kulturwissenschaft des<br />
Glaubens kann in unserer „informationsintensiven“ Epoche vielleicht erstmals eine<br />
„zivilisierte Übersicht“ leisten und so etwas wie die „Olympischen Spiele des Glaubens“<br />
einläuten: „Die Teilnehmer zivilisieren sich gegenseitig durch einen akzeptierenden,<br />
unterstützenden, wohlwollenden und aufmunternden sozialen Vergleich und erkenntnistheoretischen<br />
Ansporn.“<br />
So erhält, gerade nach den Forschungsergebnissen der letzten 200 Jahre, keine einzelne<br />
Religion das „Primat der Wahrheit“ aber alle religiösen Systeme – Entwürfe symbolischer<br />
Ordnungen“ - werden ernst genommen, eingeordnet und zu einem „großen Ganzen der<br />
Gotteshoffnung“ integriert. Nicht die Psychologie, nicht die Religionsphilosophie und auch<br />
nicht die einzelne Religion sondern die „Hoffnung des jeweils konkret lebenden und<br />
sterbenden Menschen auf Gott“ steht im Mittelpunkt dieser „weiterhin offenen Suche“, in der<br />
jeder Einzelne Orientierung benötigt aber in der jeder Einzelne auch mit einem gewissen -<br />
immer als zu groß empfundenen – Maß an Unsicherheit weiterleben darf und muss ....<br />
20
1.7 Aggression als „Anpassungsmodul“ des Ich-Inhabers bei<br />
der Umsetzung seiner (Über-) Lebenspläne<br />
Geschlechtsrollenspezifische Untersuchungen zur männlichen Fitness“ auf Basis der<br />
evolutionären Psychologie (vgl. Christiansen, 2006) zeigen, dass der „Männliche<br />
Attraktivitätsindex“ kulturspezifisch ist: Während bei einer „naturbelassenen Urgesellschaft“<br />
(! Kung-Sang-Männer) ausgeprägte maskuline Geschlechtsrollenmerkmale im Sinne einer<br />
biologischen Rollenanpassung einen Fortpflanzungserfolg (Zahl der überlebenden Kinder)<br />
und damit den „genetischen männlichen Auftrag“ absichern, ist bei dem „modernen Mann in<br />
Westeuropa“ (deutsche Population) ein Zusammenhang zwischen eingeschränkter Fertilität<br />
(Zeugungsfähigkeit) einerseits und Festhalten an traditionellen männlichen Rollenaspekten<br />
(z.B. Durchsetzungsfähigkeit und Dominanz) andererseits zu vermuten: „Stressauslösende<br />
Konflikte können nicht nur durch Belastungen von außen entstehen, sondern auch bei einer<br />
Diskrepanz zwischen den eigenen Anforderungen und Möglichkeiten für eine adäquatere<br />
Reaktion. Das Männer sich selbst sogar durch ihre eigenen traditionellen Vorstellungen über<br />
Männlichkeit einer Stressreaktion aussetzen, ließ sich in mehreren Studien zeigen, in denen<br />
sich eine maskuline Geschlechtsrollenorientierung negativ auf den Gesundheitszustand der<br />
Männer auswirkte ... . Besonders ausgeprägt maskulin orientierte Männer sind durch ihr<br />
Streben nach Aktivität, Wettstreit und Dominanz erheblichem Stress ausgesetzt. Ihre<br />
„Ellbogenmentalität“ konfrontiert sie häufiger als andere Männer mit stressauslösenden<br />
Ereignissen, was in der Folge bekanntermaßen zu einem deutlichen Anstieg der Aktivität von<br />
Hypophysen-Nebennierenrinde und Nebennierenmark und entsprechenden peripherautonomen<br />
Prozessen führt: Herzrate, Hautwiderstand, Blutdruck und elektrische<br />
Muskelaktivität und peripheres Noradrenalin steigen an, während die Produktion von Insulin<br />
und Testosteron gehemmt wird“ (Christiansen, S. 74, 2006). In einer auf gleichberechtigte<br />
Lebenschancen von männlichen und von weiblichen Menschen ausgerichteten Welt entsteht<br />
für Männer quasi eine „biologische Umkehrfunktion“ früher (in der Urhorde) geltender<br />
Geschlechtsrollenregeln, so dass entsprechende Konfliktpotentiale gesundheitsschädigend<br />
und fortpflanzungsbehindernd wirken: „Die stressbedingte Aktivierung der hypophysiärenadrenalen<br />
Achse kann zu Unterdrückung der Hypophysen-Gonaden-Achse und damit der<br />
Spermatogenese in den Hoden führen und so die Fertilität eines Mannes temporär mindern“<br />
(Christiansen, S. 78, 2006). Die männliche Gesamtfitness – auch hier definiert über die<br />
Anzahl der „überlebenden Kinder“ - wird somit eher durch eine auch an feministischen<br />
Vorgaben orientierte „androgyne Männerrolle“ als durch „maskulines Neandertalgehabe“<br />
gefördert.<br />
Die „soziale Überlagerung“ jahrtausende lang gewachsener Abläufe (das sogenannte freie<br />
Testosteron im Speichel im Verhältnis zum Gesamttestosteron gilt als „Androgenitätsindex“<br />
und somit als „Männlichkeitsindikator“ und korreliert mit körperlicher Aggression und<br />
körperlicher Robustheit) treibt den „Internet-Mann“ in einen paradoxen Zwiespalt: Auf der<br />
einen Seite Androgynität als Sozialforderung für stressreduziertes Paaren – auf der anderen<br />
Seite weiterhin hohe Testosteronproduktion auf Grundlage nachgewiesener positiver<br />
Zusammenhänge zwischen der vermehrten Produktion dieses männlichen Sexualhormons und<br />
z.B. besonderer körperlicher Kompetenzen für Verteidigung, Schutz und<br />
Nahrungsbeschaffung auch zur Sicherung der Überlebenschancen seiner Kinder (der<br />
modernen Brut): „Sich von der Eindeutigkeit des Auftrages der „Urmänner“ zu<br />
verabschieden, ist letztlich auch eine Erkenntnis der sozial-evolutionären Anpassung von<br />
Männern in dieser Zeit, da eben nicht mehr eindimensional gilt: „Einen höheren Grad<br />
hormoneller Adrogenisierung zum Untersuchungszeitpunkt fand sich nämlich bei den<br />
aggressiveren, körperlich robusteren und wahrscheinlich auch sozial-dominanten Vätern, die<br />
ihren Nachwuchs dadurch bessere Lebensbedingungen bieten konnten als weniger<br />
durchsetzungsfähige Männer.“ Fazit für den körperorientierten, aggressiven und<br />
dominanzgierigen Schläger: Willst du dein (genetisches) Überleben sichern, musst du deine<br />
21
22<br />
männlich testosteronorientierte muskeldurchsetzte Körperlichkeit in den Dienst defensiver,<br />
schützender, friedensspendender und letztlich „gleichberechtigter“ Sozialfunktionen<br />
stellen. Deeskalationstraining und Coolnesskompetenz auf Grundlage eines austrainierten<br />
männlichen Körperprofils (Muskeln, Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit) sind nun noch mehr<br />
effektive Instrumente für die Ich-Neuordnung und später für die friedensspendende<br />
(schutzspendende) Ich-Verwaltung des „Schlägers in der Globalisierung“. Also: Nimm den<br />
Zielkatalog des <strong>AAT</strong> ® ernst: So hast du den besten Nachweis männlicher evolutionärer<br />
Anpassung in deiner Lebensepoche.<br />
Man erkennt einen Menschen daran,<br />
wie er jemanden behandelt,<br />
der ihm absolut nichts anhaben kann.<br />
(Samuel Johnsen)
2. Das aktuelle Anti-Aggressivitäts-Training: <strong>AAT</strong> ®<br />
Im <strong>AAT</strong> ® werden die Aufgaben der Trainer und die Aufgaben der Teilnehmer in einem<br />
"Deduktiv-Induktiven-Paternoster“ verzahnt: Der Trainer kommt von oben – der Teilnehmer<br />
startet von unten. Am Ende des Vermittlungsprozesses laufen beide gleichförmig im Kreis:<br />
Langsam holt der Teilnehmer den Trainer auf allen drei Ebenen (Philosophie, Psychologie,<br />
Verhalten) ein. So zumindest die Vision. Die Aufgabe des <strong>AAT</strong> beim gewaltbereiten Klienten<br />
lautet: Verändere das Identitätserleben des Täters vom Zerstörer-Ich zum Friedens-Ich. Dabei<br />
gibt es ein Ausgangsproblem, einen Interventionsauftrag und ein Ziel.<br />
Ausgangsproblem Interventionsauftrag Ziel<br />
Der Schläger hat ein Problem<br />
in sich:<br />
Binnenproblem<br />
Er projiziert und transferiert<br />
dieses Binnen-Problem im<br />
Rahmen eines Schein-<br />
Konfliktes auf einen anderen<br />
Menschen, auf das Opfer:<br />
Scheinbares<br />
Zwischenproblem<br />
Der Ex-Schläger konstruiert<br />
sein "Ich" und trainiert seine<br />
"Ich-Kompetenz":<br />
Persönliche Kompetenz<br />
Aufgrund der vorhandenen<br />
Kompetenz kann er solidarisch,<br />
loyal, sozial, hilfreich und<br />
friedlich soziale Regeln befolgen<br />
und dem Kollektiv einen<br />
"Mehrwert" schenken:<br />
Soziale Kompetenz<br />
23<br />
Der Ex-Schläger ist<br />
Architekt und Verwalter<br />
seines Ichs:<br />
Ich-Optimierung<br />
Der Ex-Schläger ist als<br />
Friedenscout (Mutiger<br />
Pazifist) Vorbild und<br />
Eingreifer bei<br />
(gesellschaftlichen)<br />
Deeskalationsanlässen:<br />
Gesellschaftspolitisches<br />
Mandat<br />
Der Täter muss immer zuerst Dankbarkeit für sein Zustandekommen, Respekt vor sich<br />
Selbst, Wertschätzung für seine eigene Person (für seine Kompetenz, für seine Qualitäten)<br />
und ein Ehrgefühl in Bezug auf sein eigenes Ich entwickeln, bevor er dies im Sinne "Sozialer<br />
Kompetenz" an andere weitergeben kann. Zuerst entsteht also persönliche (emotionale,<br />
kognitive, physische) Kompetenz – dann soziale (solidarische, loyale, weitergebende)<br />
Kompetenz.<br />
Das Motto des <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong> lautet somit:<br />
Nicht mit Härte Liebe abfordern<br />
sondern mit Liebe um Härte bitten.<br />
Wer hart an sich selbst arbeitet,<br />
geht nachsichtig und liebevoll<br />
mit anderen um ....!
2.1 Der Induktiv-Deduktive Paternoster<br />
Das <strong>AAT</strong> ® besteht aus drei Ebenen, die sich sowohl deduktiv (von der Philosophischen Ebene<br />
zur Interventionsebene) wie induktiv (von der Interventionsebene zur Philosophischen Ebene)<br />
als durchlässig erweisen. Die <strong>AAT</strong> ® -Trainer orientieren sich eher an einer deduktiven<br />
Didaktik – die zu behandelnden <strong>AAT</strong> ® -Teilnehmer (Ex-Schläger) werden zuerst mit einer<br />
induktiven Didaktik trainiert, um dann als Selbst-Coach eigenständig und aktiv lebenslang<br />
von den drei „Paternoster-Ebenen“ zu profitieren<br />
Induktiv-Deduktiver-Paternoster<br />
Kreisprozess der <strong>AAT</strong>-Didaktik<br />
Trainer-Sicht: Täter-Sicht:<br />
I 2.1 Philosophische Ebene III<br />
2.1.1 Humanistisches Axiom<br />
2.1.2 Individuelle Menschenrechte<br />
2.1.3 Persönliche Wachstumsverpflichtung<br />
2.1.4 Nachweis der Lebensberechtigung<br />
II 2.2 Einstellungsebene II<br />
Deduktive 2.2.1 Identitätskonstruktion Induktive<br />
Didaktik 2.2.2 Kausalattribution Didaktik<br />
2.2.3 Lobkultur / Dankbarkeitstheorem<br />
2.2.4 Machtstile<br />
2.2.5 Emotionslehre<br />
III 2.3 Interventionsebene I<br />
2.3.1 Phasen des <strong>AAT</strong><br />
2.3.2 Handlungsmodule<br />
Die drei didaktischen Ebenen - Philosophie, Psychologie, Intervention - entsprechen letztlich<br />
(in <strong>AAT</strong>-Spezialdidaktik übersetzt) dem Ich-Optimierungs-Auftrag des „normalen“<br />
Menschen:<br />
• Die Intervention zur Verhaltensoptimierung und zur Verbesserung des alltäglichen<br />
Handelns erlaubt, dass der Mensch konkretes Kontrollerleben im aktuellen Moment hat,<br />
so dass er seine Verhaltensinstrumente und damit seine persönliche Kompetenz täglich<br />
trainiert. Sie repräsentiert letztlich das "konkrete Leben" ...<br />
• Die Psychologie ermöglicht ständig verbesserte Erklärungsmuster für eigene<br />
Beweggründe und für die Motive der Mitmenschen: Warum tue ich das, warum tut er<br />
das ....?<br />
• Die Philosophie stellt Fragen nach dem übergeordneten Sinn, ohne dass sie finale<br />
Antworten bereit hält. Die Art der Fragen an sich selbst und die Diskussion mit dem<br />
zufällig zur gleichen Zeit und im gleichen Raum anwesenden Mit-Menschen vermittelt<br />
das Gefühl von Lebensberechtigung, reduziert Angst vor dem Sterben und erlaubt Stolz<br />
auf das Mensch-Sein: Der Mensch als einziges Wesen auf der Welt, das metaebenenfähig<br />
ist, das über sich selbst und über seinen Lebensweg hinaus reflektieren kann ....<br />
Diese drei Ebenen der Ich-Optimierung (Philosophie, Psychologie, Intervention) werden im<br />
aktuellen <strong>AAT</strong> ® -Curriculum (Konzeptadaption: Manual <strong>2008</strong>) konkretisiert: sowohl bezogen<br />
auf den gesellschaftlichen Veränderungsauftrag (den das Kollektiv dem Täter gibt) wie<br />
24
auch bezogen auf den persönlichen Veränderungsauftrag, der mehr und mehr vom Täter<br />
selbst für seine eigene Ich-Entwicklung adaptiert wird.<br />
2.2 Der Ausgangspunkt<br />
Das Manual <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong> bleibt weiterhin die Basis für viele Adaptionen und Folgeprojekte<br />
im sozial-pädagogischen Kontext. Das "<strong>Hameln</strong>er Modell" feierte im Jahr 2006 20jähriges<br />
Jubiläum als ältestes, bestes, bewährtestes, am meisten verbreitetes und wirksamstes Anti-<br />
Gewalt-Training in Deutschland. Dem Vier-Phasen-Konzept und den eingewobenen<br />
Handlungsmodulen kann sich kaum einer der „Schwersttäter“ entziehen. Die Langzeiteffekte<br />
bezüglich der Legalbewährung könnten durch institutionell verordnete<br />
�achbetreuungsprojekte im Sinne eines anhaltenden Opferschutzes jedoch noch optimiert<br />
werden.<br />
2.3 Die vier Phasen<br />
1. Biographische Analyse:<br />
Im Sinne einer öffentlichen, transparenten und "gestalteten" Anamnese (Wandzeitung) wird dem Ex-Täter ein<br />
umfassender Gesamtüberblick seiner bisherigen Kränkungen, Demütigungen, Entwicklungslinien aber auch<br />
Bedürfnisse, Wünsche und Visionen "geschenkt". Es ist sein Soll-Lastenbuch, es ist sein Auftragsbuch für<br />
Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
2. Konfrontationsphase (Heißer Stuhl):<br />
In direkter Konfrontation (Tonbandinterviews o.ä.) wird dem Täter durch seinen eigenen "Heißen Stuhl" und<br />
durch die Mitwirkung bei den Konfrontationen der (ca. 7) weiteren Teilnehmer ermöglicht, eine tiefe Abscheu<br />
gegen Gewalt (sich von der Gewalt scheiden lassen) zu empfinden. Die Parteilichkeit für die Unversehrtheit des<br />
Körpers und der Psyche eines jeden gleichzeitig mit ihm diese Erde bevölkernden Mit-Menschen und eben der<br />
Ekel vor eigener und fremder Gewalt sind das "Nadelöhr" durch das der Täter durch muß. Erst dann ist er frei für<br />
das Selbst-Management (Kompetenztraining) als lebenslange Versicherung gegen kompensative<br />
Gewaltanwendung zum Nachteil eines "Unschuldigen Dritten".<br />
3. Attraktivitätstraining:<br />
20 Kernmodule des Kompetenztrainings werden im Sinne jeweils abgeschlossener Unterrichtseinheiten so<br />
vermittelt, dass durch tägliches, konkretes Selbsttraining der Kompetenzrückstand (Entwicklungshandicap,<br />
Kenntnishandicap, Motivationshandicap) aufgeholt werden kann.<br />
4. Realisationsphase:<br />
Vom Kunden zum Verkäufer – vom Konsumenten zum Produzenten: Als Mitwirkender im <strong>AAT</strong>-Team (Tutor),<br />
als Guardian-Body (Schützer der Schwachen in öffentlichen Veranstaltungen) oder als Didakt (gestaltet<br />
Unterrichtseinheiten gegen Gewalt in Schulen zusammen mit dem Lehrerteam) wird der Ex-Täter und <strong>AAT</strong>-<br />
Absolvent "vom Empfänger zum Sender": Er gibt der Gesellschaft (Gemeinde) einen Teil der in ihn investierten<br />
Mittel zurück, indem er sich jetzt aktiv für Friedlichkeit einsetzt. Gleichzeitig erhöht er hiermit seine<br />
Selbstfestlegung in Bezug auf eigene Friedlichkeit und eigene ständige Kompetenzerweiterung und er praktiziert<br />
aktive indirekte Wiedergutmachung (unterstützt Friedlichkeit, denkt dabei an seine frühere Opfer), so dass<br />
prosoziales Handeln früheres Schuldempfinden und früher erlebte Selbstkasteiung verringert.<br />
Das <strong>AAT</strong> ® als handlungswirksamer Arm für „Friedlichkeit im Täter" ist also ein Geschenk an den Täter – die<br />
Verhinderung oder die Vermeidung von Konfrontation als "Einstieg für sein Wachstum" ist das Schlimmste, was<br />
Sozialpädagogen dem Täter antun können. Jeder und jede, die sich mit seiner Noch-Gewalt arrangieren sind<br />
Feinde des Täters: Wer sich selbst als gewaltakzeptierend, gewaltbereit oder gewalttätig beschreibt, etikettiert<br />
sich in den Augen der Umwelt als asozial: die Mitwelt benötigt keine „Bestrafer“<br />
Der Schulterschluss mit seinen Opfern, die Handreichung zur Versöhnung und das gierige Bemühen um<br />
Wiedergutmachung hat also eine Voraussetzung: Der Täter schließt Frieden mit seinem "mickrigen Ich". Er<br />
schließt Frieden mit seinem "Schicksal", mit seinem bisherigen Leben, mit all den Handicaps,<br />
Benachteiligungen, Demütigungen und Kränkungen, die bisher für ihn als ganz kleines Wesen, als kleiner Junge<br />
und als Jugendlicher, vorgesehen waren. Er schließt Frieden mit den Handicaps, denen er aus eigener Kraft (der<br />
Mensch als Nesthocker) zumindest zuerst nicht entrinnen konnte, die vom Leben (Schicksal) über ihn<br />
"drübergestülpt" wurden, die bisher seine Vorsehung waren, die ihm als "kleine Mülldeponie" bisher psychisch<br />
verschmutzt haben. Er hat diesen ganzen Dreck in sich eingelagert und konnte es nicht verhindern. Nun ist er<br />
Verfechter von Menschenverachtung und Feindseligkeit. Durch die Konfrontation muss die Wende geschafft<br />
werden.<br />
Der "Heiße Stuhl" ist keine Bestrafung, sondern das grösste Geschenk, das der Täter in seinem bisherigen Leben<br />
je erhalten hat. Der "Heiße Stuhl" ist die einzige Chance, durch die er sich von seinem inneren Faschismus und<br />
25
26<br />
seiner Menschenverachtung – er verachtet sich selbst und er verachtet andere – loslösen kann. Der "Heiße<br />
Stuhl" ist sein Rettungsanker und ein Strohhalm, an dem er sich festhalten kann: Das Überbrückungskabel zu<br />
seinem neuen Ich.
Attraktivitätstraining:<br />
20 Module für Ich-Wachstum<br />
1. Rhetorik-Training<br />
Kurzrede<br />
2. Deeskalationstraining / Coolnesstraining<br />
Körperliche Abwehrtechniken und Anti-Mobbing-Training, Provokationstest<br />
3. Schauspieltraining<br />
Rollenaneignung, Talkshow, Schauspieler-Interview<br />
4. Fitnesscheck<br />
Ausdauertraining, Kondition, Schnellkraft, Muskelaufbau<br />
5. Gehirnjogging<br />
Logiktraining, Gedächtnis, Konzentration, sprachliche Intelligenz<br />
6. Tanztraining<br />
Standardtänze, Ballett, Aerobic, Tüchertanz, Break-Dance<br />
7. Gefühlsjogging<br />
Gedichte, klassische Musik, Lebensweisheiten, Gefühlspektrum<br />
8. Weiche Körper<br />
Massagetechniken, Akupressur<br />
9. Training der männlichen/weiblichen Rolle<br />
Klassische Geschlechtsrolle, Emanzipation, Flirttraining<br />
10. EDV-Schulung<br />
Das Internet im Laptop – Immer dabei<br />
11. Handytraining<br />
Kommunikationscenter am Handgelenk<br />
12. Politische Grundschulung<br />
Demokratie, Attack, Zivilcourage<br />
13. Bewegunglehre<br />
Vom Laufsteg bis in die Fußgängerzone<br />
14. Ernährungslehre<br />
Diät ist das Normale<br />
15. Fahrertraining<br />
Faszination Rallye-Sport<br />
16. Fußballprofi<br />
Wie die Karriere wirklich starten?<br />
17. Ein Stuntman zeigt Courage<br />
Einblicke in die Filmbranche<br />
18. Sexuelle Befriedigung<br />
Wer ist für wen zuständig?<br />
19. Misterwahl<br />
Welche Typen haben Chancen?<br />
20. Abschlusssitzung:<br />
Stolzhitliste, Provokationstest und Verleihung des "Gesellenbriefs"<br />
Ich-Profil, Trainingsvertrag, Persönliches Wachstumsprogramm,<br />
"5-Jahres-Vision"<br />
27
2.4 Die fünf Handlungsmodule<br />
Die fünf Handlungsmodule im <strong>AAT</strong> sollen ohne anfängliche Wirkungsbegründung<br />
(Rechtfertigungszwang bzw. Legitimationszwang der Behandler) als sofort wirksames,<br />
sinnliches und direkt verhaltensgeleitetes Kompetenstraining eingesetzt werden.<br />
Die therapeutische Formel lautet: Körper führt – Geist folgt. Anders ausgedrückt: Vertraue<br />
der Weisheit des Meisters (des Behandlers), wiederhole die vorgeschlagene Übung<br />
mindestens zehn mal und begründe du dann, warum es für dich gut ist...!<br />
Die Handlungsmodule entwickeln eine eigenständige Dynamik und Plausibilität für den<br />
Anwender: Er spürt eine innere Befreiung von Feindseligkeit, von Misstrauen, von<br />
Hilflosigkeit und letztlich von <strong>Zerstörung</strong>sbereitschaft. Die Handlungsmodule vertreiben Neid<br />
und vermitteln Wohlwollen. Positiv ausgedrückt: Das einzelne Handlungsmodul wird<br />
vorrangig zu einer besseren Beziehung zum eigenen Ich und – in der Folge – zu einer<br />
Verantwortungsübernahme für das Ich des anderen (für das Du) und letztlich für das Ich der<br />
Gruppe (für das Wir) eingesetzt. Es entsteht Achtung vor der eigenen Person und vor dem<br />
„Heiligen Auftrag“, das eigene Ich zufriedenstellend durchs Leben zu manövrieren, Achtung<br />
und Respekt vor dem - absolut gleichen – Auftrag des anderen und Dankbarkeit für die<br />
Existenz des anderen und der Gruppe (das Kollektiv) als räumlich und zeitlich einzig wahre<br />
(spürbare, anwesende) Mit-Menschen.<br />
Die Gier auf persönliche Kompetenzerweiterung soll durch die Handlungsmodule in Gang<br />
gesetzt werden – der Respekt vor dem eigenen Ich soll durch tägliche<br />
Anstrengungsbereitschaft und Willenskraft transportiert und die Sinnstiftung soll (von innen<br />
nach außen; vom Ich zum Du) positioniert werden. Die Handlungsmodule sind der<br />
verhaltensgesteuerte Rahmen für Erweiterung von Reflektion, Einsichtsfähigkeit, „Glauben“<br />
und somit von Selbst-Coaching.<br />
Die Kunst des Therapeuten liegt darin, ein Anfangsvertrauen (Vertrauensvorschuss) in<br />
Bezug auf die Folgsamkeit des Klienten herzustellen. Danach funktionieren die<br />
Handlungsmodule als sich selbst regulierende Systeme innerhalb des Klienten, der dadurch<br />
auch seine Rolle (vom Klienten zum Selbst-Therapeuten) wechselt. Letztlich wird er selbst<br />
zum „Meister“ (Animateur) der Kompetenzerweiterung und des Größenwachstums seiner<br />
Mit-Menschen.<br />
Die Haupt-Wirkungsrichtung der fünf Handlungsmodule:<br />
1. Entspannungs-Training:<br />
Die eigene Mitte finden, sich von äußeren Reizen weniger erreichen lassen, sich entschleunigen,<br />
physiologische Erregungsparameter absenken.<br />
2. Aufmerksamkeits-Training:<br />
Die Konzentration und damit die Informationsaufnahme optimieren (Empfängerstatus); die Möglichkeit, bei<br />
konkurrierenden „Anbietern“ die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf sich zu ziehen, verbessern<br />
(Senderstatus).<br />
3. Anti-Blamier-Training:<br />
Offensivität steigern, Handlungspielräume (Freiheitsgrade) erweitern; Bewertungshoheit über das eigene Ich<br />
gewinnen und absichern; Kränkbarkeit durch andere reduzieren; Fröhlichkeit von innen nach außen<br />
verbreiten.<br />
4. Synchronisations-Training:<br />
Gefühl für den anderen entwickeln, lernen sich hinzugeben, sich einzubringen, sich in einen „gemeinsamen<br />
Tag zu verlieben“; Geborgenheitsgefühl (Wir-Gefühl) genießen.<br />
5. �ähe-Training:<br />
Sich als großzügig (Spender) in Bezug auf die Vermittlung positiver Gefühle beim anderen erleben;<br />
lernen, etwas anzunehmen ohne Schuldgefühle (einen unmittelbaren Kompensationsimpuls) zu entwickeln;<br />
Mißtrauen abbauen; Hingabefähigkeit steigern.<br />
Die Handlungsmodule sind die Einstiegstür in den Induktiv-Deduktiven-Paternoster des<br />
<strong>AAT</strong> ® Manual <strong>2008</strong> und stellen ein <strong>zentral</strong>es Handwerkszeug (vgl. Anlage II.) für das<br />
Trainerhandeln dar.<br />
28
3. Ausbildungsmodule AGT ® / <strong>AAT</strong> ®<br />
Das <strong>Hameln</strong>er <strong>AAT</strong>® Team bietet an und wirkt mit bei berufsbegleitenden zertifizierten<br />
Ausbildungen zur Verbesserung der „Fachlichen Wirksamkeit“ im Umgang mit<br />
Gewalttätern.<br />
Neben der Vorstellung des Anti-Aggressiviäts-Trainings auf Kongressen und im Rahmen<br />
„gegliederter Fortbildungsprogramme“ einzelner Bildungsträger oder auch einzelner<br />
Kostenträger im sozialpädagogischen Bereich hat sich besonders die Mitwirkung an dem<br />
Ausbildungsgang des bfw (Kiel) zum / zur Anti-Gewalt-TrainerIn jahrelang bewährt, wobei<br />
die AbsolventenInnen ihrerseits als Anwender aber auch als Dozenten die konfrontativwachstumsorientierten<br />
Grundlagen des „<strong>Hameln</strong>er Modells“ weiter tragen und multiplizieren.<br />
Ein besonderer Service wird von der <strong>Hameln</strong>er <strong>AAT</strong>-Company im Sinne einer „<strong>AAT</strong>-Task-<br />
Force“ bereitgestellt: Hier ausgebildete TrainerInnen haben einerseits die Möglichkeit, eine<br />
„Impulsintervention“ in ihrem Arbeitsfeld zu ordern – gleichzeitig sind Supervisionsangebote<br />
(Einzelsupervision, Teamsupervision) wie auch Effizienzforschung (Evaluation) kurzfristig<br />
buchbar.<br />
Insbesondere für die Erstorientierung, Konzeptentwicklung, Teamschulung,<br />
Komplementierung (Installierung) und „Anschubhilfe“ bei dem Aufbau konfrontativwachstumsorientierter<br />
Erziehungscamps (Wachstumscamps) steht das <strong>Hameln</strong>er Team bereit.<br />
Dieses „Consulting-Team für Erziehungscamps“ erzielt aufgrund der beispielhaften<br />
Methodenintegration das höchste Maß an Wirksamkeit bei der Veränderung von Tätern mit<br />
extremer Gewaltbereitschaft (Intensivtätern). Das persönliche Sicherheitserleben und der<br />
„fühlbare Wirksamkeitsüberhang“ der so ausgebildeten TrainerInnen wird durch das<br />
integrierte „Ich-Optimierungs-Modell“ für Trainer und Täter zu einem „Ganzheitlichkeits-<br />
Erlebnis“ innerhalb der jeweiligen Kooperationseinrichtung (Träger von<br />
Erziehungsmaßnahmen).<br />
Gerade die Schnittstelle zwischen stationärer Gewalttäterbehandlung (Ursprung des <strong>Hameln</strong>er<br />
Modells seit 1984) und seiner „fokussierten Sofortanwendung“ in ambulant-teilstationären<br />
Einrichtungen ist unsere Spezialität: „Schnelle Erledigung ist die Seele des Geschäfts“.<br />
Unser Geschäft ist letztlich die erst erzwungene und dann selbst erfolgte<br />
Wachstumsverpflichtung des „Verletzers fremder Körper“ (Intensiv-Täters). Die<br />
Rückmeldungen aus Kongressen, Seminaren, Workshops und aus institutioneller Beratung<br />
belegen in nachhaltiger Form: Es lohnt sich, das „Original“ zu buchen ... Hierbei ist<br />
insbesondere die Vernetzung mit den Anti-Gewaltprofis aus ganz Deutschland seit nun fast 25<br />
Jahren und das Netzwerk der Ex-Schläger (Tutoren, Guardian Bodies) als überzeugende<br />
„Sozialassistenten“ im Anti-Gewalt-Training hilfreich.<br />
29
3.1 Zertifizierte berufsbegleitende Fortbildung<br />
durch das bfw (Kiel) zum / zur AGT ® TrainerIn<br />
Immer häufiger werden Jugendliche und junge Erwachsene gewalttätig. Täglich sorgen<br />
jugendliche Gewaltexzesse, körperliche Übergriffe und Bandenkriminalität für Schlagzeilen.<br />
Gewaltstraftaten, die beängstigend in ihrer Brutalität und furchtbar in den Folgen für die<br />
Opfer sind. Neben der Ursachenforschung werden immer wieder dieselben Fragen laut:<br />
„Wie können wir so etwas künftig verhindern?“<br />
„Wie geht man angemessen – deeskalativ – mit Gewaltsituationen um?“.<br />
„ Gibt es eine „Ideallinie“ zwischen Prävention, Integration und Restriktion?“<br />
Antworten und Lösungsvorschläge bietet ein erfolgreiches, präventives, konfrontatives und<br />
wachstumsorientiertes Konzept: Das Anti-Gewalt-Training®. Das bfw in Kiel bietet<br />
hierfür eine zertifizierte (berufsbegleitende) Ausbildung an, deren Grundlagen auch aus dem<br />
Repertoire des <strong>AAT</strong>® resultieren.<br />
Das Anti-Gewalt-Training (AGT®) ist eine Behandlungsmaßnahme, die aus langjährigen<br />
Erfahrungen mit offensiver, wachstumsorientierter, täterbezogener Intervention in<br />
Jugendstrafanstalten, in der Kinder- und Jugendhilfearbeit, in stationären und ambulanten<br />
Einrichtungen sowie in der Erwachsenenbildung hervorgegangen ist. Die Konzeption des<br />
Programmes basiert auf kognitiv-lerntheoretischen Grundlagen und wird durch konfrontative<br />
Pädagogik vermittelt.<br />
Die Zielgruppen für eine solche persönliche Zertifizierung sind Mitarbeiter/Innen aus allen<br />
Berufsgruppen, die im sozialen Tätigkeitsfeld arbeiten:<br />
- Sozialpädagogen<br />
- Sozialarbeiter<br />
- Erzieher<br />
- Lehrer<br />
- Dipl. Pädagogen<br />
- Dipl. Psychologen<br />
- Dipl. Sozialpädagogen<br />
- Fachkräfte für Schutz und Sicherheit<br />
Die angesprochenen Berufsfelder bilden eine große Bandbreite, so dass sowohl pädagogische<br />
Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten als auch sozialpädagogische Einrichtungen wie<br />
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und Bereiche des Jugendvollzuges, der<br />
Bewährungshilfe und des Maßregelvollzuges als Anwendungsbereiche in Frage kommen.<br />
Die Ausbildungsbedingungen definieren einen Zeitraum von 4 Monaten; insgesamt umfasst<br />
das Ausbildungsangebot 80 Stunden, die in einem theoretischen und einem praxisbezogenen<br />
Anteil abgeleistet werden müssen.<br />
Die 64 Stunden Theorie werden in vier Blöcken á 2 Tagen (á 8 Stunden) angeboten. Der<br />
Praxisanteil umfasst 16 Stunden, die in der Jugendanstalt Schleswig und in der<br />
Justizvollzugsanstalt Neumünster absolviert werden können. In diesen Anstalten werden von<br />
den Referenten Anti-Gewalt-Trainingsprogramme durchgeführt.<br />
Zum Abschluss der Ausbildung absolviert jeder Teilnehmer im Rahmen eines Kolloquiums<br />
eine Prüfung und erhält ein Ausbildungszertifikat zum Anti-Gewalt-Trainer.<br />
30
Gliederung der Ausbildungsmodule<br />
Theoretische Module:<br />
• Gewaltdefinition<br />
• Theorien zur Erklärung von Aggression<br />
• Entwicklungspsychologische Grundannahmen und Entwicklungsphasen des Menschen<br />
• Impulskontrolle<br />
• Zielverhalten beim Abbau von Aggression<br />
• Lob- und Kritikkultur<br />
• Die vier Machtstile<br />
• Ich-Optimierung<br />
Handlungsorientierte Module<br />
• Empathietraining (Opferempathie)<br />
• Fragetechniken<br />
• Übungen zur Förderung der sozialen Kompetenz<br />
• Kommunikationstechniken<br />
• Konfrontationstechniken<br />
• Konfliktschlichtung (Anti-Mobbing-Training)<br />
• Deeskalationstechniken<br />
• Nähetraining<br />
• Entspannungstraining<br />
• Anti-Blamiertraining<br />
• Aufmerksamkeitstraining<br />
• Synchronisationstraining<br />
• Strafvollzugstheorien<br />
• Veränderung der Lebensbedingungen<br />
- Zeitalter der Aufmerksamkeit<br />
- Globalisierung<br />
- Globale Entfremdung<br />
- Virtualisierung<br />
- Neue Formen der Vorstadt-Proteste<br />
Anwendung im stationären Bereich (Jugendstrafanstalten)<br />
• Theoretischer Hintergrund<br />
• Methodik der konfrontativen und wachstumsorientierten Pädagogik<br />
• Lerntheoretisch-kognitiv und behavioristische Grundlagen<br />
• Vier Phasen des Anti-Gewalt-Trainings<br />
- 1. Phase: Biographische Analyse<br />
- 2. Phase: Konfrontationsphase (Heißer Stuhl)<br />
- 3. Phase: Attraktivitätstraining (Kompetenztraining), 10 Module<br />
- 4. Phase: Realitätstest<br />
Übertragung in den ambulanten Bereich<br />
• Integration sozial-systemischer Umfelder<br />
• Prüfung der Durchführungsmöglichkeiten (Auftaktveranstaltung in der Gemeinde)<br />
• Vermittlungsstrategien für Kinder und Jugendliche<br />
• Konfrontationstraining<br />
• Deeskalationstraining in Konfliktsituationen<br />
31
„Wir haben etwas gegen Gewalt...“<br />
ZERTIFIZIERU�G:<br />
A�TI-GEWALT-TRAI�ER®<br />
Die Vorteile Die Referenten<br />
• Thema Aggression: Wirksame Instrumente Dipl. Päd. Christian Scholz (Leitung)<br />
• Ihr Erfolg: Neues Potential u. neue Aufträge Dipl. Soz. Wiss. Gabriele Fischwasser–v. Proeck<br />
• Vermittlung von Lobkultur/Wachstumszielen Psychotherapeut Dr. Michael Heilemann<br />
• Steigerung sicherer Leistungsfähigkeit Prof. Dr. Thomas Bliesener, Universität Kiel<br />
• Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit Prof. Dr. Hagemann, Universität Kiel<br />
• Entwicklung von Konfliktlösestrategien Dr. Christian Böhm, Stadt Hamburg<br />
• Erschließung neuer Kooperationsmöglichkeiten Claudio Valerio, Avci Wing Tsun, SV-Trainer<br />
Ausbildungsangebot: Berufsbegleitende Ausbildung für alle MitarbeiterInnen im sozialen<br />
Tätigkeitsfeld zur Planung, Durchführung und Leitung von AGT-Seminaren mit<br />
gewaltbereiten Delinquenten.<br />
Durchführung: Vier aufeinander aufbauende Wochenend-Workshops über 4 Monate<br />
(insgesamt 80 Unterrichtsstunden: 64 Std. Theorie; 16 Std. Praxis) in Kiel.<br />
Praxiserprobung: Direktes Erlernen der Konfrontationsmethodik über täterbezogene<br />
Maßnahmen („<strong>Hameln</strong>er Modell“) in Jugendanstalten des Landes Schleswig Holstein.<br />
Gesamtdauer: 6 Monate<br />
Kosten: 1.900,- EUR<br />
Teilnehmerzahl: 20 Personen<br />
�ächster Seminar-Start:<br />
Auskunft und Information: Berufsfortbildungswerk (bfw)<br />
Frau Elsbeth Kawalek<br />
Tel: 04321/9770-0<br />
Fax: 04321/9770-40<br />
www.bfw.de<br />
kawalek.elsbeth@bfw.de<br />
Haart 224 / 24539 Neumünster<br />
32
3.2 Einrichtung von Erziehungscamps: <strong>AAT</strong> ® -Consulting-Team<br />
Seit dem Münchener U-Bahn Überfall im Dezember 2007 sucht Deutschland eine<br />
„Gesellschaftliche Antwort“ auf die Extrem-Bedrohung durch Intensivtäter.<br />
Die U-Haftvermeidung (Frostenwalde in Brandenburg) oder auch das Boxcamp (Diemelstadt,<br />
Hessen) im Sinne eines vornehmlichen Respekttrainings greifen für sich allein zu kurz: Der<br />
Ex-Täter muss lernen, sich in seine friedliche und gesellschaftlich akzeptierte (Stolzgefühl<br />
vermittelnde) neue Persönlichkeit zu „verlieben“, indem er auch außerhalb seiner<br />
körperlichen Fitness die kognitive und die emotionale Kompetenz entwickelt. Das<br />
Erziehungscamp in Frostenwalde (Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk), das<br />
insbesondere ein Unrechtsbewusstsein bei den Tätern entwickeln will oder auch das Boxcamp<br />
von Herrn Kannenberg in Hessen (Disziplincamp, das insbesondere den aktuellen Gehorsam<br />
und die momentane Unterordnung in Bezug auf Campregeln herstellen möchte), sind eine<br />
akzeptable Einstiegsvariable für Bewusstseins- und Verhaltensveränderung (persönliches<br />
Ich-Wachstum der Ex-Täter) (vgl. Poser, 2006). Die Änderung des<br />
Jugendstrafvollzugsgesetzes (Ländersache) ist erst einmal nicht nötig, da eine Vollstreckung<br />
der Jugendstrafe in freien Formen (in Erziehungscamps) schon jetzt möglich ist. Das Projekt<br />
„Chance“ in Baden Württemberg oder auch eine in Neuenkirchen-Fluyn (NRW)<br />
einzurichtendes Erziehungscamp werden in sofern schon weitergehende Kompetenztrainings<br />
anbieten, allerdings wird erst dadurch die Täterpersönlichkeit wirklich erreicht (vgl. Bueb,<br />
2007).<br />
Das <strong>Hameln</strong>er Konzept für ein<br />
„Erziehungscamp für verhaltensauffällige Schüler“ (Sozialisationslabor)<br />
definiert sich über vier „Umlernebenen“, in denen der jeweilige Schwerpunkt durch jeweils<br />
auf diese Ebene spezialisierte „Didaktikprofis“ eingelöst wird. Am Anfang steht das Erlernen<br />
von Respekt und Achtung für die „legalen“ Menschen.<br />
Respekt und Achtung für die legalen Menschen (aus dem eher westlich-christlichen<br />
Kulturkreis) wird über die körperliche Stärke der Trainer (des Trainingsteams) hergestellt<br />
(vgl. Cecchin, 2002). Täter lernen, dass es auch in dieser Gesellschaft – die sich gerade in der<br />
Erziehung von Kindern auf Gewaltverzicht, demokratische Regeln, Einfühlsamkeit,<br />
Nachsicht, Hilfsbereitschaft und ein ungeteiltes Menschenbild festgelegt hat – körperlich<br />
starke Menschen gibt (z.B. hat Deutschland wesentlich mehr Olympiasiege zu verzeichnen als<br />
die Türkei und kann in fast allen sportlichen Disziplinen (Weltmeisterschaften) die<br />
körperliche Überlegenheit nachweisen), wobei dies nicht zur Unterwerfung des anderen<br />
eingesetzt wird, weil – wenn überhaupt – das kognitiv-intellektuelle Konkurrenzprinzip mit<br />
entsprechenden Fairnessregeln gilt. Die Zwangsreflektion der eigenen<br />
Entwicklungsvermeidung und der eigenen Entwicklungsbehinderung in Bezug auf nicht an<br />
Gewalt orientierten Kompetenzsträngen wird in dieser ersten Phase eingelöst: Die Täter<br />
empfinden erstmals eine Empörung darüber, dass sie ihre Gesamtentwicklung bisher nicht<br />
selbst betrieben (trainiert) haben (vgl. Doskoch, 2006).<br />
Auf der zweiten Ebene wird durch tägliches Training der eigenen Kompetenz aufgrund der<br />
selbst formulierten Stolzhitliste das Unterlegenheitsgefühl, das Neidgefühl, die<br />
<strong>Zerstörung</strong>sbereitschaft und letztlich das „Kontrollieren durch Destruktivität“ überwunden.<br />
Die Ex-Täter lernen, die eigene Begabung zu achten und stolz auf kleine tägliche Fortschritte<br />
im eigenen Trainingsprogramm zu sein. Die �eun Täglichen Trainingshanteln<br />
(Körpertraining, Kopftraining, Gefühlstraining) werden zu ihrer „Verhaltensbibel“. Die<br />
Entschuldigungsebene basiert auf einsichtsfördernden Impulsen durch den „Heißen Stuhl“,<br />
wobei Opferemphatie und Aufhebung von Selbstblockaden im Vordergrund stehen (vgl.<br />
Dweck, 2007).<br />
33
Auf der Integrationsebene erleben die Ex-Täter sich durch ihr eigenes prosoziales Verhalten<br />
als Beschützer (haben im Kampfsport vor allem Verteidigungstechniken erlernt) für<br />
Schwächere. Sie sind jetzt ein starkes, potentes nachahmungsrelevantes und beschützendes<br />
Vorbild für Menschen mit Angst und Unterlegenheitsgefühl (wobei diese Menschen aus allen<br />
Kulturen kommen können). Als Sozialassistent und als <strong>AAT</strong>-Helfer können sie die neu<br />
gelernten kompetenten, legalen und beschützenden Kompetenzen direkt und unmittelbar –<br />
möglicherweise auch gegen Honorar – einsetzen.<br />
Das Gesamtkonzept wird in der Anlage (Anlage 1) im Manual <strong>2008</strong> vorgestellt – es ist<br />
Grundlage der hier vom <strong>Hameln</strong>er Team angebotenen Fortbildungsveranstaltungen im<br />
deutschsprachigen Raum.<br />
Wer nicht zu bewundern vermag,<br />
verdienst es nicht,<br />
bewundert zu werden.<br />
(Michelangelo)<br />
34
4. Integration des eigenen Ichs als Ausgangspunkt<br />
für friedliche Co-Existenz<br />
Das „Überlebens-Szenario“ <strong>2008</strong> und damit der curriculare Ankerpunkt für uns „Sozialprofis“<br />
kommt immer wieder zu einem Generalauftrag zurück: Ich-Optimierung.<br />
Der kleinste gemeinsame Nenner aller psychologischen Erklärungsversuche und aller<br />
psychologischen „Manipulationen zur Friedlichkeit“ bezieht sich auf die Ich-Kompetenz des<br />
„Mickrigen“: Der Psychologe als Verführer zu Größenwachstum.<br />
Die Wachstumsverweigerung ist der hauptsächliche wenn nicht der einzige „Rückhaltepunkt“<br />
für Gewaltbereitschaft. Verweigerung des eigenen Ich-Wachstums ist quasi ein Schlag in die<br />
„Fresse des Schlägers durch den Schläger“.<br />
Der Sozialprofi als Verführer für „Ich-Wachstum“ bietet in allererster Linie Service für den<br />
Schläger selbst (Verwaltung der Restlebenszeit dieses Noch-Zerstörers), für die Opfer (wieder<br />
in den Spiegel gucken können, wieder durchatmen können und Angst bewältigen können) und<br />
für die eigene Berufsgruppe (Refinanzierung sozialpädagogischer Energie durch<br />
Bewunderung der Kompetenzzuwächse des Ex-Zöglings).<br />
Der Induktiv-Deduktive Paternoster ist also letztlich auch ein „Berufszufriedenheitsgenerator“<br />
für uns „Frontschweine“ (Gewaltakrobaten).<br />
<strong>AAT</strong>® <strong>2008</strong> bedeutet also:<br />
1. Anfangs-Verführung der „Führungspersönlichkeiten“ aus der Schlägerkultur zur<br />
persönlichen Gewaltächtung durch „ Legale Bodies“<br />
2. Überführung der Bewunderung, des Respektes und der Anerkennung für die „Legalen<br />
Bodies“ erst in eine sozialpädagogische und dann in eine Ich-psychologische (auch Du<br />
kannst durch Dich selbst wachsen) Botschaft.<br />
3. Überführung von Erziehungscamps zu „Assesment-Centern für Unterschichtsmanager“, in<br />
denen ein ähnliches Curriculum wie beim ganz normalen Managertraining vorgehalten<br />
wird.<br />
4. Statusverleihung der „Unterschichtsmanager“ als Leitfiguren für ihre frühere Gefolgschaft<br />
im Sinne einer „Kollektiven Menschenrechtsbewegung“ der Ex-Zerstörer.<br />
5. Verminderung von Dissonanz und Widersprüchen aus „den beiden Kulturen“, den<br />
verschiedenen Religionsentwürfen, den verschiedenen Menschenbildern (und damit den<br />
verschiedenen Frauenbildern) und den verschiedenen Erziehungsstilen (und damit auch<br />
dem Gewaltverzicht der Erwachsenen gegenüber den Kindern) als neue politische<br />
Bewegung unterhalb von „Wirtschaftsglobalisierung“. Die Potenz des früheren Helden<br />
der <strong>Zerstörung</strong> und des jetzigen Beschützer ist von daher eine ordnungspolitische und eine<br />
doppelt wertalimentierende wirtschaftspolitische Leistung: Der Ex-Zerstörer wird<br />
„Bundesverdienstkreuzträger“. Motto: Der Brandstifter in den Vorstädten wird zum Hüter<br />
eines legalen, leistungsorientierten und friedlichen Imagehorizontes bezüglich seiner Ex-<br />
Gefolgschaft (der verstreuten, verlorenen, zugewanderten, heimatlosen und letztlich<br />
resignierten Ghettokinder): Aus Kunden der Sozialpädagogen werden Verkäufer von<br />
Legalität. Also: Das <strong>AAT</strong> als Strukturvertrieb mit einer flachen Hierarchie.<br />
35
Die aktuelle Formel für Solidarität im <strong>AAT</strong> <strong>2008</strong> - im „Induktiv-Deduktiven Paternoster“<br />
mit dieser flachen Hierarchie (die Nutte hat den gleichen lebenslangen Ich-<br />
Generierungsauftrag wie der Papst) – lautet also:<br />
1. Verliebe Dich in Deinen kleinen täglichen Wachstumszuwachs.<br />
2. Verliebe Dich in Menschen, die das Gleiche tun wie Du (auf ihrem „Fließband“ neben<br />
Dir).<br />
3. Sei solidarisch indem Du Deine persönlichen Wachstumsgeheimnisse allen zur gleichen<br />
Zeit lebenden Menschen offenbarst (Transparenzgebot).<br />
Lebe Deine jeweilige Lebensphase so fröhlich und optimistisch, dass Dein Charisma nicht aus<br />
formaler Macht sondern aus funktionaler Freude besteht.<br />
Jeder Augenblick im Leben ist ein<br />
neuer Aufbrauch, ein Ende und ein<br />
Anfang, ein Zusammenlaufen der<br />
Fäden und ein Auseinandergehen.<br />
(Yehudi Menuhin)<br />
36
4.1 Der intelligente Schläger:<br />
Führungskraft der Subkultultur oder Opferschützer?<br />
Die Herkunft und Ideologie der Intensivtäter<br />
Die Intensivtäter leben nach dem Motto: Macht kaputt was euch kaputt macht. Bei ihnen führt<br />
Neid zu Hass, Hass zu Gewalt und Gewalt zur Selbstverachtung – die Selbstverachtung<br />
(Schuldgefühle; Selbstvorwürfe; die Angst, dass das Schicksal sie wegen ihrer<br />
Drogenexzesse, der sexuellen Abweichungen und der gewalttätigen <strong>Zerstörung</strong> von<br />
Mitmenschen „verstoßen“ könnte) führt zu weitergehenden Selbstzweifeln an der eigenen<br />
Person, am Leben insgesamt aber auch an der „Richtigkeit“ ihres eigenen Kollektivs.<br />
Sie sind somit Anführer der Destruktivität und haben es bisher nicht gelernt, Verfechter des<br />
täglichen eigenen Kompetenzwachstums durch Training aller anderen Dinge (außer<br />
körperlicher Stärke) zu werden.<br />
Die Täter kommen häufig aus Familien mit Migrationshintergrund (Eltern nicht in<br />
Deutschland geboren), die nach kollektivistischen Erziehungsstandards funktionieren und ein<br />
auf Respekt und Gehorsam aufgebautes Erfahrungsumfeld liefern. Hierbei wird insbesondere<br />
auf Achtung vor der eigenen Gruppe (den eigenen Eltern, den eigenen kulturellen Autoritäten)<br />
gepocht – die fremde Autorität (Kulturgüter des Landes, in das die Eltern zugewandert sind)<br />
wird proportional umgekehrt als extreme Bedrohung in Bezug auf diese „Unterordnungswelt“<br />
angesehen, da hier eher liberale, demokratische, auf Gleichberechtigung zwischen den<br />
Geschlechtern ausgerichtete und das individuelle Menschenrecht (im Gegensatz zum<br />
kollektiven Gehorsam) hervorhebende Regeln gelten (vgl. Beck, 2007).<br />
Die Intensivtäter leben oftmals in einer Parallelgesellschaft, wo insbesondere die Mütter<br />
aufgrund ihrer Isolation kaum die Sprache der Mehrheitsgesellschaft (kulturellen<br />
Leitgesellschaft) sprechen. Bei dieser Parallelgesellschaft handelt sich zudem oft um eine<br />
Beurteilungs- und Kontrollgemeinschaft, wo Ältere große Macht über Jüngere haben und wo<br />
Männer in der Regel Frauen (zumindest nach außen und formal) beherrschen: Z.B. müssen<br />
die Brüder darauf achten, dass die Schwestern – wie die Mütter – das Haus hüten. Das<br />
Erlernen einer sensiblen Wahrnehmung für Menschen mit einer flexibleren Einstellung (ohne<br />
geteiltes Menschenbild) wird verhindert – insbesondere wird der körperlich Schwächere auch<br />
als der Unterlegene, als der Dümmere, als der Machtlosere und als der Mensch mit „geringer<br />
eigener Lebensberechtigung festgeschrieben“, selbst wenn dieser aufgrund seiner<br />
Überzeugung freiwillig und nachhaltig auf körperliche Durchsetzungsinstrumente verzichtet.<br />
Knappe 5% aller männlichen Jugendlichen mit diesem Migrantenhintergrund<br />
(Zuwanderungsfamilien) unterliegen dem Robin-Hood-Syndrom (Rächer der „Verarschten“),<br />
wobei sie nicht nur ihre eigene gesellschaftliche (statusmäßige) Unterlegenheit durch<br />
körperliche Unterwerfungsrituale gegenüber den „Kopfmenschen“ kompensativ einklagen<br />
und einlösen, sondern sie treten auch ihre eigene kognitive Begabung und ihre energetische<br />
Grundausstattung (für eine legale Karriere) mit Füßen. Letztlich sind sie die „Topmanager<br />
der Unterschicht“. Diese „Helden der �eidbewältigung“ (für sich individuell und für ihr<br />
Herkunftskollektiv) werden in Erziehungscamps letztlich zu legalen<br />
„Führungspersönlichkeiten“ umtrainiert: Ihnen selbst wird bewusst gemacht, dass sie<br />
Manager des sozialen Aufstiegs erst einmal für sich und dann für ihre „Gefolgschaft“ sind,<br />
indem sie alle anderen (aufbauenden, unterstützenden, produzierenden und produktiven)<br />
Begabungsreserven focussieren und dadurch Gewalt verachten und überflüssig machen.<br />
Somit lassen sich fünf Phasen identifizieren:<br />
37
Gewaltphasen<br />
Phase I: Minderwertigkeits-Gefühl<br />
Persönliches und Kollektives Unterlegenheitsgefühl.<br />
Phase II: Wutreaktion<br />
Neid, Hass und <strong>Zerstörung</strong>swunsch.<br />
Phase III: Bewertungsmacht<br />
Reduzierung der eigenen Anspruchsniveausetzung auf körperliche Überlegenheit,<br />
Konzentration auf die sogenannte Männlichkeit mit Wut, Risikobereitschaft und<br />
<strong>Zerstörung</strong>ssehnsucht bezüglich des Neidobjektes. Das körperliche <strong>Zerstörung</strong>smandat<br />
(mit oder ohne Waffen) wird als hauptsächliches Kriterium zur Bestimmung des Wertes<br />
eines anderen Menschen und / oder eines anderen Kollektivs benutzt: Entweder ist der<br />
andere ein Buttler (mir körperlich unterlegen) oder ein Bruder (körperliche Kraft ist<br />
gleich gut ausgeprägt) oder er ist mein König (er ist mir körperlich überlegen).<br />
Phase IV: Kompensationshandlung<br />
Das Entehren einzelner Menschen und der verhassten „neidprojizierten“ Gruppe durch<br />
körperliche Übergriffe und durch allgemeine zynische Abwertung der Normen und der<br />
Verhaltensweisen führt einerseits zu einem kompensativem (künstlichem)<br />
Überlegenheitsgefühl – andererseits zum Einsatz von Legitimationsstrategien in Bezug<br />
auf die ultimative, maximale, grenzenlose und gnadenlose <strong>Zerstörung</strong> des Beneideten.<br />
Phase V: Umwandlung<br />
Die Anfangsbedingung für eine Umkehr ist durch die Bereitstellung körperlich<br />
überlegener Trainer (eines interdisziplinär aufgestellten Trainerteam, in dem die<br />
Kampfsportler und Bodybuildner körperlich dem stärksten Exponenten der<br />
Teilnehmergruppe überlegen sind) herzustellen: Nur durch die Realisation dieser<br />
Anfangsbedingung (körperliche Überlegenheit im Trainerteam) entsteht ein Be-Achten<br />
und ein Be-Wundern als „kognitiver Einstieg“ für friedensorientierte Trainingsinhalte,<br />
die durch den „Eigenen Schweiß“ als legitimes „Eigentum des Neuen Ichs“ erlebt<br />
werden.<br />
Bei 8,8Prozent offiziellem Ausländeranteil haben Nicht-Deutsche Tatverdächtige aktuell<br />
überdurchschnittliche Anteile an der Kriminalstatistik: bei Mord 28%, bei Vergewaltigung<br />
und Sexualstraftaten 29,6%, bei Raub 28,9% und bei Urkundenfälschung 40,9%.<br />
In Berlin stammen nur 20% der jugendlichen Tatverdächtigen bei Rohheitsdelikten aus dem<br />
aktuellen Lebensraum (Deutschland) – alle anderen haben Zuwanderungshintergrund. In<br />
Berlin-Neukölln (ca. 300 000 Einwohner) gibt es inzwischen ca. 150 Intensivtäter, wobei der<br />
zuständige SPD Bürgermeister Herr Buschowski die sofortige Abschiebung bei<br />
ausländischem Pass und die sofortige Inhaftierung bei deutschem Pass fordert. Die<br />
Schwäche der Justiz mündet letztlich in einem Verrat der Jugend: Buschowski glaubt, dass<br />
der U-Bahn Überfall in München – wäre er einem Jugendlichen passiert – als „lapidare<br />
Straftat von Jugendlichen untereinander“ abgetan worden wäre – dadurch, dass ein<br />
76jähriger Rentner Opfer wurde, wird der Verrat an der Jugend insgesamt deutlich: Kindern<br />
und Jugendlichen mutet die Gesellschaft extreme Angst, extreme Übergriffe, extreme<br />
Verletzungen und extreme Traumatisierungen zu, obwohl sie letztlich in ihrer<br />
Persönlichkeitsentwicklung – ihre Identität und ihre Ich-Grenzen entwickeln sich ja gerade<br />
erst - eher noch schwächer sind als ein erwachsener männlicher Rentner.<br />
38
Die extrem hohe Energie und die deutlich über dem Durchschnitt liegende „kulturfreie<br />
logikbezogene Intelligenz dieser – bisher – subkulturellen Führungskräfte ist die Chance für<br />
jedes Anti-Gewalt-Programm: Der eigene Vorteil (legale „Karriere“ ohne Angst, ohne<br />
Schuldgefühle, ohne Inhaftierungsgefahr) als persönlicher Gewinn und der<br />
Sicherheitszuwachs des Gesamtkollektivs – im Sinne einer nachhaltigen Integrationswirkung<br />
– durch diese „Anführer“ (nunmehr Verfechter von Friedlichkeit) ist der Königsweg allen<br />
institutionellen Handelns (vgl. Kaiser, 2005). Ohne diese „Supertutoren“ (vgl. Kallmeyer,<br />
2006) bleibt der normale Sozialarbeiter ein zahnloser Tiger, ein (von der wirklichen<br />
Zielgruppe der Intensivtäter) bemitleideter Wicht, dem bestenfalls Nachsicht niemals aber<br />
intellektuelle, emotionale und letztlich soziale Gefolgschaft geschenkt wird ....<br />
Der Mitläufer in der Jugend-Gang<br />
wird erzieherisch vor allem<br />
von einer Person erreicht:<br />
Von dem Anführer der Gang.<br />
(Autor Unbekannt)<br />
39
4. 2 Totalverweigerung und Distanzierungswunsch<br />
als Ergebnis individueller und kollektiver Dissonanz<br />
Integration als übergeordneter Begriff – in Bezug auf alle „Aussteigerverweigerer“ und<br />
„<strong>Zerstörung</strong>ssüchtige“ – steht im Kontext mit Prävention und als Vorstufe von Repression, als<br />
„Option staatlicher Ordnungspolitik“ zur Diskussion. Wen kann man wann und wodurch<br />
integrieren? Integrieren heißt: Gewinnen! Ich gewinne die Sympathie einer Person oder eines<br />
Kollektives, ich gewinne gar seine Freundschaft und damit seine Bereitschaft, auch meine<br />
Normen und Verhaltensweisen zu akzeptieren oder gar zu mögen (vielleicht sogar zu<br />
bewundern), wenn ich dieser Person erlaube, sich in meinem Beisein gut zu fühlen. Das heißt:<br />
Beachtung (Aufmerksamkeit wird geschenkt), Respekt (Wertgefühl wird vermittelt) und<br />
Wirksamkeitserleben (Kontrollerleben wird ermöglicht). Das Gegenteil (Blockade,<br />
Ablehnung, Neid und später Hass sowie <strong>Zerstörung</strong>swunsch) entsteht, wenn der andere sich<br />
unterlegen fühlt und wenn er spürt: „Ich kann machen was ich will – ich reiche niemals<br />
heran“ (gilt immer für Individuum und Kollektiv).<br />
Insbesondere in einem Kompetenzgefälle und bei einem Machtgefälle ist es wichtig, dass der<br />
Obenstehende (der strahlende Stern) realistische Brücken baut für den, der sich unterlegen<br />
fühlt (oder durch die objektiven Unterschiede fühlen muss). Diese Integrations-Brücken<br />
müssen vor allen Dingen eins verringern und später vermeiden: Neid des Unterlegenen auf<br />
den „Strahlenden Stern“ (vgl. Whybrow, 2007). Denn: Neid ist Hauptgrundlage für jede Form<br />
von <strong>Zerstörung</strong>swunsch und damit von Gewaltbereitschaft.<br />
Um Unterlegenheitsgefühl und damit Neid zu reduzieren, ist die Kompetenzstärkung des<br />
„Losers“ – nicht als milde Gabe oder als mitleidiges Geschenkt – sondern als Win-Win-<br />
Synergie unerlässlich. Bestrafen darf ich als „Integrationsgeber“ nur dann, wenn sich der<br />
Unterlegene in seiner Wachstumsgier hinsichtlich seines täglichen Kompetenzzuwachses<br />
verweigert – sofern er wieder mit seinem persönlichen Coachingprogramm weitermacht, darf<br />
er nicht mehr bestraft werden. Ansonsten ist das Gesamtkonzept Integration hinfällig und<br />
ad absurdum geführt.<br />
Was heißt das für staatliche Integerationsprogramme bzw. Präventionskonzepte?<br />
Was heißt das z.B. für Erziehungscamps oder – für die verschärfte Form – für den<br />
Jugendstrafvollzug? (vgl. Heilemann, 2006). Wie kann man zwischen verschiedenen<br />
Vollzugsideen unterscheiden:<br />
1. Verwahrvollzug<br />
2. Verwöhnvollzug<br />
3. Verantwortungsvollzug<br />
Alle drei Bereiche sind durch ihre ordnungspolitischen und damit justizpolitischen Ziele,<br />
durch ihre Methoden und durch ihre Ergebnisse beschreibbar.<br />
Der Verantwortungsvollzug besteht bei jungen Gewalttätern immer aus der<br />
Konfrontationsphase (Respektphase), aus der Wachstumsphase (Kompetenztrainingsphase)<br />
und aus der Realisationsphase (Umsetzungsphase von Legalverhalten noch innerhalb und<br />
dann außerhalb der stationären Einrichtung).<br />
Verantwortungsvollzug bedeutet, dass die Wachstumsforderung an den Intensiv-Gewalttäter<br />
ultimativ und nachhaltig formuliert wird, so dass er mit der alten „<strong>Zerstörung</strong>spersönlichkeit“<br />
(Mordpersönlichkeit) die er war, bricht und dass er sich selbst ab jetzt gedemütigt fühlen<br />
würde, wenn er erneut Gewalt zum „Überleben seiner mickrigen Existenz“ auf Kosten<br />
anderer Menschen (auf Kosten der Opfer) nötig hätte. Diese innere Abkehr (sich scheiden<br />
40
41<br />
lassen von Gewalt) wäre das erste Geschenk des verantwortungsvollen Strafvollzuges oder<br />
einer anderen stationären Einrichtung (Erziehungscamp). Die Abscheu vor der eigenen<br />
Gewalt (über Konfronatationsphase, Heißer Stuhl, Reversibilität der Perspektive,<br />
Sensibilisierung für eigenes und fremdes Opferneid) ist die Grundlage dafür, dass das<br />
Kompetenztraining (Ich-Wachstum, Ich-Optimierung) greifen kann: Erst wenn ich es nicht<br />
mehr nötig habe, meine Zeit für destruktive Kompensation und <strong>Zerstörung</strong> zu verschenken,<br />
habe ich Raum und Energie, mein eigenes Ich so zu optimieren, dass ich über aktives<br />
Kontrollerleben stolz bin und Berechtigungsgefühl für meine eigene Person erarbeite und<br />
somit nicht mehr gefährlich bin.<br />
In der Umsetzungsphase (Commitment, Selbstfestlegung auf Legalität) ist dann auch ein<br />
Stück Refinanzierung für das Behandlungsteam (z.B. das Erziehungscamp) angesagt: Als<br />
Sozialassistent, als Tutor, als Guardian Body (starker Schützer von Opfern) bekenne ich mich<br />
offiziell, nachhaltig, wirksam und demonstrativ zu friedlichem Verhalten und grenze mich<br />
somit von meiner früheren Zerstörerpersönlichkeit ab. Den größten Gewinn hiervon hat der<br />
Täter selbst – den zweitgrößten Gewinn das Opfer und den drittgrößten Gewinn das<br />
Behandlungsteam. Letztlich ist es eine Win-Win-Win Situtation für Täter, Opfer und<br />
Gesamtgesellschaft.<br />
Die Angst der Richter, der kollektive Verrat an den (jugendlichen) Opfern und der Verrat der<br />
Jugend insgesamt wird durch die Wahlkampfsituation im Sinne von Populismus der<br />
Politiker aufgegriffen, wobei hierin auch die Chance für eine sozialpädagogische<br />
„Anschubfinanzierung“ besteht:<br />
1. Verschärfung des Jugendstrafrechtes.<br />
2. Flächendeckende Einrichtung von Erziehungscamps und pädagogisch orientierten<br />
Jugendarresten.<br />
3. Unterstützung der Richterinnen und Richter in ihrer individuellen Angstbewältigung bei<br />
dem Aussprechen von Strafen gegenüber Tätern mit Migrationshintergrund.<br />
4. Unterbrechung krimineller Karrieren durch „Time-out“ (Warnschuss) zur sofortigen<br />
Beeindruckung des Täters, da hierdurch die Trennung von den Cliquen und Banden<br />
erfolgt und die gegenseitige Selbstfestlegung (Commitment) in Bezug auf<br />
Rächermentalität und künstlich verzerrte „Maximalverachtung“ der heimatgebenden<br />
Ausgangskultur unterbleibt.<br />
5. Rückenstärkung der aufsuchenden Polizeiarbeit in Bezug auf subkulturelle Treffpunkte<br />
eines jeden Dorfes, einer jeden Ortschaft, einer jeden Kleinstadt und einer jeden<br />
Metropole: Aktives polizeiliches Handeln und aktive Kommunikationsangebote von<br />
„PolizistenInnen mit Zivilcourage“ ist nach Angaben der Täter selbst die beste Prophylaxe<br />
gegen allnächtliche Übergriffe.<br />
6. Motivation, Jugendhilfeeinrichtungen besser auszustatten und auf die gesellschaftlichen<br />
Ansprüche und Erwartungen vor allem auch der Opfer präzise auszurichten.<br />
Fazit: Entweder geht „sofortige Abschiebung“ oder extrem langfristiges „Time-Out“ – oder<br />
Du musst um die Kooperation des „Zerstörers“ ringen. Kooperationsbereitschaft geht nur<br />
durch „Verführung zum Größen-Wachstum“ und durch „Verführung zur<br />
Geborgenheitserwartung“ – gelingt es dem integrationsanbietenden System letztlich nicht,<br />
diese Verführung wirksam umzusetzen (bleibt also ein nachhaltiges Selbstwertgefälle zu<br />
Ungunsten des „Verlierers“ aus seiner Sicht manifest) kommt es über Neid, Hass und<br />
<strong>Zerstörung</strong>swunsch zum Distanzierungswunsch und am Ende zur Totalverweigerung, die in
(dann ultimativ zerstörerischem) Terrorismus enden kann. Jede Form der staatlichen<br />
Intervention (Integration bzw. Prävention) ist also immer in erster Linie ein „Zwei-<br />
Komponenten-Kleber“ (erst Konfrontation, dann Kompetenzzuwachs) – oder sie scheitert von<br />
vorn herein. Anders ausgedrückt: Nur wenn man 100Prozentig sicher ist, dass man „für<br />
immer ausgrenzen“ (z.B. für immer abschieben) kann, braucht man nicht mehr zum<br />
Größenwachstum verführen – ist man sich nicht sicher, hat man am Ende einen<br />
„Terroristischen Flashback“, der immer das integrationsbegierige Gesamtkollektiv<br />
exzessiv bedroht.<br />
Das Leben ist zu kurz,<br />
man muss aneinander einen<br />
Spaß zu machen suchen.<br />
(Johann Wolfgang von Goethe)<br />
42
4.3 Dankbarkeit und Gerechtigkeitserleben als Basis von<br />
Versöhnung mit dem eigenen Lebensentwurf<br />
Der Gewalttäter zeigt die Ideologie aller Gewalttäter – egal aus welcher wirtschaftlichen ,<br />
kulturellen oder ethnischen Schichtung ihr Sozialisationsumfeld „gestrickt“ ist – sie besteht<br />
immer aus<br />
Feindseligkeit<br />
Abwertung anderer Menschen<br />
Drang, bei anderen Menschen Angst hervorzurufen.<br />
Das eigene (mickrige) Ich künstlich auf Kosten eines willkürlich ausgesuchten Opfers<br />
aufzuwerten.<br />
Die Selbstaufwertung korrespondiert mit dem Wunsch, dass eigentlich als belastend erlebte<br />
Sozialumfeld der eigenen Herkunft ebenfalls mit aufzuwerten: „Egal wie hart und ungerecht<br />
es war – ich bin stolz darauf, „hart geworden“ zu sein und mein (hartes) Umfeld wird am<br />
Ende all die „verwöhnten Weicheier“ beherrschen. Die Macht dem Ghetto“.<br />
Diese Doppelmission (für mein Ich, für das Kollektiv) signalisiert den Sozialisationsauftrag<br />
des (jungen) Gewalttäters: Er will und möchte ultimativ dankbar sein, er möchte an<br />
Gerechtigkeit glauben, er möchte sich groß fühlen, er möchte auf sein oftmals von väterlichen<br />
Schlägen und wenig väterlicher Zärtlichkeit geprägtes Herkunftsumfeld stolz sein (vgl.<br />
Fischhof, 2006).<br />
Dieses Bedürfnis nach Dankbarkeit, Gerechtigkeit und Treue wird durch das angeeignete<br />
umfassende <strong>Zerstörung</strong>smandat – also durch ein Paradoxum – umgesetzt: Es werden<br />
körperliche Instrumente der Willkür, der Unterdrückung und der ultimativen<br />
<strong>Zerstörung</strong>skompetenz ziemlich eindimensional bei den Intensivtätern mit sehr viel<br />
Willenskraft antrainiert. Und es bleibt immer ein „billiges“, künstlich reduziertes und<br />
meistens auch noch „geklautes“ Instrumentarium (z.B. werden die asiatischen Kampfkünste -<br />
ohne dass die diesbezüglichen „Erfinder“ gefragt werden - missbraucht):<br />
Die Dummen haben das Schießpulver<br />
Zwar nicht erfunden<br />
Aber sie schießen damit:<br />
Auf die Erfinder!<br />
(Adaptierte deutsche Spruchweisheit)<br />
Die Umkehr des Paradoxums ist Auftrag von Anti-Aggressivitäts-Politik: Wobei ein solches<br />
Friedenstraining insbesondere sieben Trainingsziele (Konzepte) fokussiert:<br />
43
Konzept<br />
1. Frieden<br />
Ich habe Frieden mit den parellel auf<br />
der Erde anwesenden Lebewesen.<br />
2. Toleranz<br />
Ich entwickle Furcht vor seinem<br />
Lebensentwurf.<br />
3. Respekt<br />
Ich habe Respekt vor seiner Identität,<br />
vor seiner Person, vor seinem Ich.<br />
4. Dankbarkeit<br />
Ich bin dankbar für seine<br />
Anstrengungsbereitschaft und für die<br />
Energievorleistungen, die er „in die<br />
Umwelt gegeben hat“ und von denen<br />
ich direkt oder indirekt mitprofitiere.<br />
5. Treue<br />
Ich empfinde Treue speziell zu den<br />
Mitmenschen und Vorfahren, die mir<br />
mein Leben und meinen Lebensweg<br />
ermöglicht haben.<br />
6. Willenskraft<br />
Ich entwickle Willenskraft für mein<br />
tägliches Training, für meinen Beitrag<br />
zur Refinanzierung meines Lebens und<br />
des Lebens anderer.<br />
7. Versöhnung<br />
Ich versöhne mich mit all den<br />
Schwierigkeiten und Handicaps, die<br />
mein Weg bisher für mich hatte und<br />
vielleicht auch noch zukünftig für mich<br />
haben wird. Ich versöhne mich mit<br />
mir.<br />
Das Gegenteil von Gewalt<br />
Handlung<br />
Ich demonstriere Vereinigungswillen mit<br />
allem Lebendigen: Anbeten.<br />
Ich zeige Interesse an seinem Weg:<br />
Befragen<br />
Ich demonstriere Hochachtung in Bezug<br />
auf „sein Profil“: Loben.<br />
Ich bemühe mich um Anerkennung seiner<br />
Mühe: Bewerten.<br />
Ich erkunde aktuelle und frühere<br />
Bemühungen: Forschen.<br />
Ich baue eigene Kompetenz auf:<br />
Trainieren.<br />
Ich definiere stetigen und eigenen<br />
Lebenssinn und weise mir meine eigene<br />
Lebensberechtigung nach: Aktualisieren.<br />
Die Gewaltexzesse sind in den letzten zehn Jahren nochmals explodiert (sowohl von der<br />
quantitativen Ausbreitung sowie auch von der Qualität der Gewaltanwendung) - die<br />
Globalisierung ist im Ghetto angekommen (vgl. Enßlein, 2006):<br />
1. Der Arbeitsfaktor Mensch wurde durch Automatisierung oder weitere Umverlagerungen<br />
von Produktionsstätten weiter abgewertet (angeblich ist der Arbeitsfaktor Mensch nach<br />
Angaben der Firma Nokia – Entlassung von 2300 direkten Mitarbeitern und<br />
Arbeitslosigkeit für ca. 2000 „Zulieferer“ im Januar <strong>2008</strong> proklamiert – in Rumänien und<br />
Ungarn zehnmal „billiger“ zu haben als in Deutschland), so dass der Mensch durch die<br />
Maschine (er muss essen sie nicht) alimentiert werden muss.<br />
2. Dadurch, dass viele Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst erarbeiten<br />
können, müssen sie zunehmend auch in ihrem Werterleben (wofür bin ich da, wozu bin<br />
ich wert) durch medial inszenierte Wettbewerbe (Casting-Shows) alimentiert werden.<br />
44
3. Der allzeit mögliche Zugriff auf streitverursachende Informationen (jeder Mensch in<br />
jedem Teil der Welt kann sich durch ein vor 10 Jahre noch nicht vorhandenen<br />
Internetzugang maximal Kontrastinformation zu seinem eigenen Lebensentwurf abrufen)<br />
gewährleistet, dass es zu einer massiven Neidexplosion der solchermaßen zunehmend<br />
materiell benachteiligten Bevölkerungsgruppen kommt.<br />
4. Die Veränderung des Freizeitverhaltens vom eigenen Tun (Zeit, die außerhalb der<br />
Wohnung verbracht wird) zur sitzenden Tätigkeit (Bildschirmbenutzung) ist in den letzten<br />
5 Jahren „explodiert“.<br />
5. Die Inhalte von Videospielen suggerieren virtuelle Tötungslegimation und virtuelle<br />
<strong>Zerstörung</strong>sinstrumente im Sinne einer „künstlichen persönlichen Machtanreicherung“,<br />
die die konkreten Machtmitteln des einzelnen (die immer weiter verkümmern, weil er als<br />
selbstgestellte Aufgabe nur sein zweites Ich-Second-Life trainiert) nahezu auslöschen.<br />
Alimente statt Arbeit?<br />
Politiker in Deutschland sprechen von „Guter Arbeit“ und differenzieren zwischen<br />
erstem, zweitem und drittem Arbeitsmarkt. Von 40 Millionen Menschen, die „Arbeit<br />
haben“ sind im Moment nur ca. 27,2 Millionen mit einem –tatsächlichen –<br />
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis versehen. Bei den restlichen ca. 13<br />
Millionen „Sogenannten Arbeitnehmer“ werden Steuermittel teilweise „zugefüttert“<br />
– die „Arbeitslosen Menschen“ werden vom Staat voll alimentiert.<br />
Die Frage einer Grundrente (die nun auch „Die Grünen“ jetzt von DM-Inhaber Götz<br />
Werner übernommen haben) sollte aber nicht primär an den psychologischen Folgen für<br />
die so alimentierten - und letztlich von der Arbeitsverpflichtung freigestellten -<br />
Menschen festgemacht werden. Die Idee einer Grundrente entsteht vielmehr, weil der<br />
Faktor „menschliche Arbeit“ in der Produktion ständig unwichtiger wird. Erst wird<br />
die „gute Arbeit“ durch sogenannte „Billigarbeitskräfte“ in den sogenannten<br />
Schwellenländern zunehmend ersetzt (Betriebsverlagerung, Verlagerung der<br />
Produktionsstätten). Aber auch hier kann die „billigste Arbeitskraft“ mit der<br />
Automatisierung (mit den automatisierten Produktionsbedingungen: Ware wird vom<br />
Automaten statt vom Menschen produziert) zunehmend nicht mehr mithalten –<br />
irgendwann sind „alle Menschen“ durch Automaten in der Produktion (und jetzt ja auch<br />
schon oft im Service) erst ersetzbar und dann ersetzt. Dann muss es die Grundrente<br />
(Alimentation) geben. Denn: Der Mensch muss essen – die Maschine nicht. Fazit: Der<br />
produzierende Automat muss die Patenschaft für den einzelnen Menschen übernehmen:<br />
die Maschine „alimentiert“ den Menschen.<br />
In wie fern diese veränderten Produktionsbedingungen unter ständiger Reduzierung des<br />
„Produktionsfaktors menschliche Arbeit“ dann auch psychologische Folgen (Erhöhung<br />
der Kreativität oder Erhöhung des Phlegmatismus) hervorbringt und in wie fern der<br />
alimentierte Mensch sein Verursachererleben ,Wichtigkeitsgefühl und Selbstwertgefühl<br />
trotzdem „zugewiesen“ erhält, ist dann eher eine gesellschaftspolitische (Soziostruktur)<br />
als eine ökonomische Frage (Produktionsbedingungen). Die psychologischen<br />
Konsequenzen – Verlust der persönlichen Wirksamkeit durch wirklich benötigte<br />
„Arbeit“ – müssen leider wohl durch „ Künstliche Spielwiesen“ ausgeglichen werden.<br />
Fazit: Die veränderte Ökonomie gibt den Takt vor und der alimentierte Mensch muss<br />
sich in seinem Ich trotzdem „toll fühlen“. Hier muss (in der Folge der Ökonomie) über<br />
die Hilfswissenschaften (Soziologie, Psychologie) von der Politik ein neues<br />
„Sinnerleben“ als Grundlage der persönlichen „Ich-Entwicklung“ organisiert werden.<br />
45
Das <strong>AAT</strong> ist ordnungspolitisch (in diesem Fall sozialpolitisch) der „verlängerte Arm“ von<br />
Jugendhilfeeinrichtungen, von Jugendstrafvollzug und von ambulanten Anti-Gewalt-<br />
Initiativen, von Kommunen und Kirchen „vor Ort“ zum Schutz der Bürger. Das <strong>AAT</strong> ® ist in<br />
erster Linie aber ein „Geschenk an den Intensiv-Zerstörer“ (Täter), damit für ihn sein eigenes<br />
Ich doch noch lebbar und verwaltbar für die ca. 70 Jahre seines restlichen Daseins auf dieser<br />
Erde sein wird:<br />
1. Durch Respekt für die Trainer, die verträglich, friedlich, wohlwollend, unterstützend und<br />
wachstumsorientiert für sich und ihre Mit-Menschen leben können und ihre Ich-Konzepte<br />
für ihn als „Modellentwurf“ vorhalten, transparent machen und „ihm schenken“.<br />
2. Durch das Gefühl, dass er außerwählt wurde, „80 bis 90 Jahre leben zu dürfen“ und das<br />
er auserwählt wurde, nun ein spezielles, ehrwürdiges und wachstumsorientiertes Training<br />
zu erhalten (geschenkt zu bekommen).<br />
3. Durch Empfinden von Gerechtigkeit dafür, dass es nun endlich soweit ist und er in seinen<br />
tiefsten (körperlichen, kognitiven aber speziell auch emotionalen) Bedürfnissen<br />
wahrgenommen wird und dass dies ernsthaft und „auf Augenhöhe“ (induktiv-deduktiver<br />
Paternoster) geschieht.<br />
4. Durch Hochachtung dafür, dass ihm Ehrlichkeit und Transparenz für seine „politische<br />
Situation“ (Herkunftsgruppe; Systematik der Parallelgesellschaften; kulturelle<br />
Vereinbarkeit von Vorgaben aus verschiedenen Kulturen) geschenkt wird und das er mit<br />
dieser Transparenz nun nicht nur Durchblick für sich selbst sondern auch<br />
soziostrukturelleln Überblick gewinnt.<br />
Dieses Ernstnehmen sowohl in der ersten Phase der Respektarbeit (Respekt vor dem<br />
Friedlichen, das trotzdem körperlich überlegen ist) wie in den nächsten Phasen des<br />
Kompetenzzuwachses ist die einzige Möglichkeit zur Integration in einem übergeordneten<br />
Sinne: Integration in das eigene Ich und Integration in ein von gegenseitiger Achtung und<br />
gegenseitigem Wohlwollen (gegenseitiger Fürsorglichkeit) geprägtes soziales Umfeld (vgl.<br />
Gosteck, 2006). Ein reines „Respekttraining“ – der jugendliche Intensivtäter wird für ca. 6<br />
Monate nach Sibirien „ausgeflogen“ - führt allerdings nur zu doppelter Abhärtung: Zu<br />
weiterer körperlicher Härte und zu seelischer Härte gegenüber anderen und so zu einer<br />
Perfektionierung des Unterdrückerstatusses im doppelten Sinne. Geschafft hat es der Täter<br />
dann, wenn er sich vom Ich-Verwalter zum Ich-Coach (im <strong>AAT</strong>-Consulting-Team) berufen<br />
fühlt. Das <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong> sagt: Guten Tag, lieber Tutor ....<br />
Friedensbereitschaft basiert vor allem auf Respekt gegenüber dem, den ich akzeptiere, den<br />
ich achte und den ich vielleicht sogar bewundere: solange die (möglicherweise auch<br />
heimliche) Bewunderung nicht in �eid umschlägt. Respekt resultiert somit hauptsächlich aus<br />
Dankbarkeits-Erleben (vgl. Nuber, 2003):<br />
• Dankbar für die Tatsache, dass ich ohne eigenes Zutun mein Leben geschenkt bekommen<br />
habe.<br />
• Dankbar für meine Begabungen und meine speziellen Eigenschaften.<br />
• Dankbar für die energetischen Vorleistungen meiner Vorfahren.<br />
• Dankbar für die Dauerversorgungen in meinen ersten Lebensjahren, ohne die ich<br />
physisch nicht überlebt hätte.<br />
• Dankbar für die gesammelten Vorleistungen bei den Generationen die vor mir gelebt<br />
haben und auf die ich mein Lebenswerk nun aufbauen kann.<br />
• Dankbar für die Bereitstellung von ideellen und materiellen Ressourcen der Vorfahren<br />
meines Gastlandes, sofern ich meine Heimat verlassen habe.<br />
• Dankbar dafür, dass ich nun eine neue „Heimatplattform“ aussuchen darf und dass ich<br />
bezüglich der dort vorgefundenen Infrastruktur erst Gastrecht, dann Benutzerrecht und<br />
schließlich vielleicht auch Bleiberecht eingeräumt bekomme.<br />
Globalisierte Lebensentwürfe oder evolutionäre Baupläne als Erklärungsmodelle für<br />
Gewalt und für den Ausstieg aus der Gewalt? Beides ...!<br />
46
Anlage I<br />
Erziehungscamp<br />
Für Verhaltensauffällige SchülerInnen<br />
Modellprojekt „Sozialisationslabor“<br />
im Landkreis<br />
<strong>Hameln</strong>-Pyrmont<br />
Projektleitung: Dr. M. Heilemann<br />
Fachliche Beratung: G. Fischwasser - v. Proeck<br />
47
Erziehungscamp für Verhaltensauffällige Schüler<br />
Sozialisations-Labor nach dem <strong>AAT</strong> ® -Modell<br />
Das Sozialisationslabor umfasst ein sechsmonatiges Stufenprogramm (4 Ebenen) zur<br />
„Umcodierung“ verhaltensauffälliger Schüler (weiterführenden Schulen; 5. bis 10. Klasse),<br />
bei denen Feindseligkeit, Aggressionsbereitschaft und andere Formen von<br />
Verhaltensauffälligkeit nachhaltig (überschwellig) spürbar sind, dass sowohl die soziale<br />
Umwelt (Eltern, Lehrer, Altersgenossen) wie auch der Schüler selbst einen entsprechenden<br />
Leidensdruck entwickeln. Das Sozialisationsprogramm umfasst verschiedene Zielebenen, in<br />
denen jeweils spezielle Handlungsmodule zugewiesen werden:<br />
I. Respektebene (ca. 2 Wochen):<br />
Erarbeitung von Veränderungs- und Therapiebereitschaft.<br />
II. Kompetenzebene (ca. 10 Wochen):<br />
9 Trainingsmodule der Basismodulation für Körper, Kopf und Gefühl<br />
III. Entschuldigungsebene (ca. 10 Wochen):<br />
Konfrontation mit früheren Auffälligkeiten und Reformulierung von Verhaltenszielen.<br />
IV. Integrationsebene (ca. 4. Wochen):<br />
Integration in den (Schul-) Alltag<br />
Jeder Teilnehmer durchläuft diese vier Ebenen, indem er seiner Ursprungs-Trainingsgruppe<br />
zugeordnet bleibt. Jede Trainingsgruppe wird von einem Mental-Coach (Sozialpädagogen)<br />
und einem Physikel-Coach (Sporttrainer usw.) in Koedukation angeleitet. Insgesamt werden<br />
36 Wochenstunden gestaltet, wobei Ergänzungsteams (Kreativtraining,<br />
Kommunikationstraining, Tanztraining, Selbstverteidigungstraining, Nähetraining, Anti-<br />
Blamier-Training, Entspannungstraining, Synchronisationstraining) die<br />
Verantwortungsfindung für das eigene Ich - der Schüler als Architekt und Verwalter seiner<br />
eigenen Persönlichkeit - definieren helfen. Die Begleitforschung (Prä-Post-Test-Design) wird<br />
als Evaluationsstudie – unter Einbeziehung der Supervisionssitzungen – im Rahmen eines<br />
Universitätsprojektes durchgeführt.<br />
Nach Absolvierung der Maßnahme hat der Schüler die Verpflichtung, als Tutor<br />
(„Assistenztrainer“) nachfolgende Seminaranteile mitzugestalten, um so (vom „Empfänger<br />
zum Sender“) im Sinne von „Commitment“ eine Stabilisierung seiner Einstellungs- und<br />
Verhaltensveränderung sicherzustellen.<br />
Prägende Grundgedanken sind:<br />
• Körper führt – Geist folgt.<br />
• Erst das Verhalten ändern – danach adaptiert sich die Einstellung.<br />
• Du kannst niemanden zum Frieden zwingen – Du musst ihn hierzu verführen.<br />
• Erst entsteht die Verantwortungsbeziehung von Dir zu Dir –<br />
danach von Dir zum „Nächsten“.<br />
Mit gewaltbereiten Schülern funktioniert Modellernen nur dann, wenn das Verhaltensmodell<br />
anfangs deutlich körperlich überlegen ist: Erst dann ist die Bereitschaft zur Übernahme<br />
intellektueller, kultureller und emotionaler Inhalte vorhanden.<br />
Das Sozialisations-Labor startet bei der Basissozialisation und wird über einsichtsverändernde<br />
Aspekte die „Verantwortungsübernahme für das eigene Ich“ einleiten: Vom Boot-Camp<br />
zur Selbst-Management-Akademie: hier das Verlaufsprofil für die Gesamtmaßnahme:<br />
48
1. Phase: Respektebene<br />
Einsichtsfähigkeit, Veränderungsbereitschaft und Therapiemotivation wird geweckt.<br />
Zugewandte, lobende, aufmunternde, unterstützende und wohlwollende Verhaltensweisen<br />
werden direkt und unmittelbar eingeübt, ohne dass von therapeutischer Seite hierfür<br />
Begründungen (wofür ist das gut) geliefert werden: Der T. soll nach einer längeren Zeit<br />
einschlägiger „neuer Routine“ (ständige Wiederholungen der Basisanteile dieser<br />
Verhaltenssequenzen) selbst begründen, warum nunmehr belohnende und nicht mehr<br />
bestrafende Verhaltensanteile für ihn gut sind.<br />
Trainingsmodule:<br />
� Aufmerksamkeitstraining<br />
� Nähetraining<br />
� Entspannungstraining<br />
� Anti-Blamier-Training<br />
� Biographische Analyse (Kränkungsprofil; Wunschprofil)<br />
� Kommunikationstraining (Rhetoriktraining)<br />
� Ausdauertraining<br />
� Beweglichkeitstraining (Tanztraining)<br />
� Schauspieltraining<br />
Sachbereiche<br />
Körper Kopf Wissen Gefühl<br />
Ausdauer<br />
Beweglichkeit<br />
Qi-Gong<br />
Auffassungs-<br />
schnelligkeit<br />
Wahrnehmungs-<br />
genauigkeit<br />
Gewaltlehre<br />
Opferkunde<br />
Aggressions-<br />
Definition<br />
Ich-Psychologie<br />
II. Phase: Kompetenzebene<br />
Gefühlsmatrix<br />
Lobkultur<br />
Auf Grundlage einer körperlichen, kognitiven und emotionalen „Begabungsanalyse“ (Ist-<br />
Zustand) wird eine neue Stolzhitliste und – hieraus abgeleitet – persönliche Wachstumsziele<br />
entwickelt.<br />
Trainingsmodule:<br />
� Fitness-Check<br />
� Gehirnjogging<br />
� Gefühlsjogging<br />
� Massagetraining<br />
� Training des männlichen / weiblichen Rollenverständnisses<br />
� Politische Grundschulung<br />
� Ernährungslehre<br />
� Grundwissen Sexualität<br />
49
Sachbereiche<br />
Körper Kopf Wissen Gefühl<br />
Defensiv<br />
Ausdauer<br />
Meditation<br />
Logik (Dreisatz)<br />
Sprachverständnis<br />
Individuelle<br />
Menschenrechte<br />
Humanismus (Kant)<br />
III Phase: Entschuldigungsebene<br />
Machtstile<br />
Vater-Vorbild<br />
Mutter-<br />
Verantwortung<br />
Liebessehnsucht<br />
Nähekompetenz<br />
Trilogie<br />
(Gerechtigkeit,<br />
Ehrlichkeit, Treue)<br />
Der Täter muss sich auf dem „Heißen Stuhl“ mit den Folgen seiner bisherigen „Gelebten<br />
Feindseligkeit“ auseinandersetzen. Aspekte von Kompensation eigener früher erlebter<br />
Demütigungen und Kränkungen (mentale Müllkippe) auf Kosten der „aktuell anwesenden<br />
ausgewählten Opfer“ werden reflektierbar. Das (geringe) Ausmaß der persönlichen<br />
Aufwertung (kurzfristig; Wiederholungszwang) einerseits und der extreme Schaden von<br />
Opfer und Opferumfeld (schwächerer Jugendlicher; Mutter dieses jungen Menschen usw.)<br />
werden sinnlich erlebbar und durch entsprechende authentische Opferbiographien emotional<br />
nachinszeniert. Der T. entwickelt Wiedergutmachungsaufträge und eine „Gier zum Gutsein“,<br />
die sich sowohl auf sein eigenes prosoziales (loyales, unterstützendes, abschützendes)<br />
Verhalten bezieht wie auch auf das Verhalten früherer Cliquenmitglieder (Peers), die<br />
ihrerseits immer noch der Feindseligkeit frönen.<br />
Trainingsmodule:<br />
� Heißer Stuhl<br />
� Deeskalationstraining / Coolnesstraining<br />
� Weiche Körper<br />
� Impulsseminar: Zivilcourage und ehrenamtliche Arbeit<br />
� Impulstraining: Symptombeschreibung psychischer / mentaler Erkrankungen<br />
(Ideeschlüssel)<br />
� Traumata-Forschung<br />
� Dankbarkeitstraining<br />
� Treuetraining<br />
� Muttraining<br />
� Training der Einfühlsamkeit (Reversibilität der Perspektive)<br />
Sachbereiche<br />
Körper Kopf Wissen Gefühl<br />
Massagetraining<br />
Schweigeseminar<br />
Kraftzuwachs<br />
Ausdruckstanz<br />
Halbmarathon<br />
Gesprächstechniken<br />
(Zuhören, Argumente<br />
sammeln und<br />
strukturieren)<br />
Logikspiele erlernen<br />
und vermitteln<br />
Polit. Diktaturen<br />
Vergleichende<br />
Religionskunde<br />
Beispiele für<br />
Zivilcourage<br />
Optimismustraining<br />
Humortraining<br />
Offenheitstraining<br />
50
IV Phase: Integrationsebene<br />
Der Teilnehmer soll einen persönlichen Tagesplan (Tagesablauf) als verbindliche<br />
Trainingsleitlinie für sein tägliches Selbstcoaching erstellen, das alle neuen Unterpunkte<br />
(dreimal Kopf; dreimal Körper; dreimal Gefühl) abbildet. Er verliebt sich in die<br />
Wiederholung (Routinehandlungen) der jeweiligen „Basics“, der für ihn wichtigen<br />
Stolzlistenmerkmale, er entwickelt ein Gefühl für Wünsche, Erwartungen und Ansprüche<br />
seiner jeweiligen „Sozialen Räume“. Vor allem verspürt er Dankbarkeit für Geborgenheit und<br />
Zugehörigkeit zu jeweiligen Subkollektiven durch seine nun vorhandene „Persönliche<br />
Kompatibilität“ als ertragbarer und erwünschter Mitmensch.<br />
Trainingsmodule:<br />
1. Vertiefung des Wissens über Identitätskonstruktion<br />
2. Der Mensch als sein eigener Architekt und Verwalter<br />
3. Dein Mitmensch als „Kunde“<br />
4. Der Mensch als Durchlauferhitzer der Evolution (vier Systemabschnitte)<br />
5. Durchführung konkreter Rollenspiele mit „Abgesandten“ aus den realen Sozialfeldern des<br />
Betroffenen<br />
Sachbereiche<br />
Körper Kopf Wissen Gefühl<br />
Schiedsrichter-<br />
Kompetenz<br />
(Dazwischengehen<br />
ohne Gewalt)<br />
Drei-Bereichs-Tages-<br />
Anforderungs-Profile<br />
(Ausdauer, Kraft,<br />
Beweglichkeit<br />
Tägliches Mastermind<br />
(Superhirn)<br />
Textgedächtnis<br />
Textlogik<br />
Aufbau von<br />
Kurzreden<br />
Berufskunde<br />
(Berufsfelder)<br />
Verkaufstraining<br />
Lebensalltag eines<br />
Pfarrers<br />
Patriotismus-<br />
Training<br />
Erlernen von Bitten,<br />
Flehen und<br />
Einfordern (Liebe,<br />
Dankbarkeit, Treue)<br />
Die Nachbetreuung erfolgt durch den „Heißen Draht“ (Krisentelefon) und durch halbjährlich<br />
stattfindende Reflektionsseminare.<br />
51
Anlage II<br />
Praktische Anleitung<br />
für die<br />
Handlungsmodule<br />
im <strong>AAT</strong> ® <strong>2008</strong><br />
A: Entspannungstraining<br />
B: Aufmerksamkeitstraining<br />
C: Anti-Blamier-Training<br />
D: Synchronisationstraining<br />
E: Nähetraining<br />
52
A. Entspannungstraining<br />
Wofür? es ist den TN nicht bewusst, dass sie Entspannung machen; der Blick wird nach<br />
innen gerichtet; innerliche Entschleunigung; die eigene Mitte finden; sich von äußeren Reizen<br />
weniger erreichen lassen, physiologische Erregungsparameter absenken; zur Regeneration<br />
1. „Qi Gong“ Der Trainer sagt den Namen der Übung vor und die TN sprechen nach.<br />
Der Trainer zählt laut mit, wobei bewusst ein- und ausgeatmet wird.<br />
1. Trainer: „Ich grüße das Qi!“<br />
alle TN: „Ich grüße das Qi!“<br />
Die Arme werden vorne hoch und wieder runter genommen:<br />
„1“ hoch – „2“ runter – „3“ hoch – „4“ runter – „5“ hoch – „6“ runter –<br />
„7“ hoch – „8“ runter<br />
2. Trainer: „Der alte Mann streicht seinen Bart aus!“<br />
alle TN: „Der alte Mann streicht seinen Bart aus!“<br />
Die Hände werden seitlich hochgenommen („1“) und vorne<br />
runtergedrückt („2“), seitlich hoch („3“), vorne runter („4“), seitlich<br />
hoch („5“), vorne runter („6“), seitlich hoch („7“), vorne runter („8“)<br />
3. Trainer: „Den Himmel stützen!“<br />
alle TN: „Den Himmel stützen!“<br />
Die Hände werden vorne hochgedrückt („1“), vorne wieder<br />
runtergedrückt („2“), die Hände bilden nach vorne einen Bogen und<br />
gehen zum Kopf hoch („3“), öffnen sich über dem Kopf und gehen<br />
seitlich runter („4“); „5-8“ wiederholt das Ganze<br />
4. Trainer: „Den Bogen spannen und auf den Adler zielen!“<br />
alle TN: „Den Bogen spannen und auf den Adler zielen!“<br />
Die Hände werden vorne hochgedrückt („1“), die linke Hand wird zur<br />
Seite geführt und macht ein „Victory-Zeichen“ und man blickt nach<br />
links („2“), die linke Hand kommt zurück zur Brust („3“), die Hände<br />
werden runtergedrückt („4“), die Hände werden vorne wieder<br />
hochgedrückt („5“), die rechte Hand wird zur Seite geführt und macht<br />
ein „Victory-Zeichen“ und man blickt nach rechts („6“), die rechte<br />
Hand kommt zurück zur Brust („7“), die Hände werden runtergedrückt<br />
(„8“)<br />
2. „Geh-Meditation“ Die Gruppe steht im Kreis und geht gegen den Uhrzeigersinn. Dabei<br />
wird ganz bewusst jeweils ca. 4 Sekunden ein- und ca. 4 Sek.<br />
ausgeatmet. Der rechte Fuß fängt an. Beim Einatmen wird der Fuß<br />
gehoben und auf die Ferse gesetzt, beim Ausatmen rollt der ganze<br />
Körper bewusst über diesen Fuß ab. Der Trainer gibt das Ein- und<br />
Ausatmen vor. Der Kreis geht solange bis jeder wieder an seinem Platz<br />
ist. Das Ganze kann 5-8 Minuten dauern.<br />
53
B. Aufmerksamkeitstraining<br />
Wofür? jeder bekommt quantitativ und qualitativ mehr Informationen mit; Konzentration<br />
Und Informationsaufnahme optimieren (Empfänger); der Sender zieht die<br />
Aufmerksamkeit der Empfänger auf sich und tankt damit seine Energieressourcen auf<br />
1. „9 Sender-und-Empfänger-Module“ -> siehe Manual<br />
2. „Hei Adele“ -> siehe Anti-Blamier-Spiele<br />
3. „Vier Modulations-Sätze“ Die Gruppe steht frontal zum Trainer. Dieser gibt<br />
folgende Sätze vor, die von der Gruppe nachgemacht werden müssen:<br />
Trainer: „Manchmal spreche ich ganz laut und manchmal ganz leise!“<br />
Dabei werden die Arme bei „laut“ geweitet und bei „leise“<br />
zusammengezogen. Die TN imitieren.<br />
Trainer: „Manchmal spreche ich ganz schnell und manchmal spreche<br />
ich ganz langsam!“<br />
Dabei machen die Hände bei „schnell“ eine schnelle, bei „langsam“<br />
eine langsame Hackbewegung.<br />
Vorübung Nächster Satz: Alle müssen mit dem Mund ein „O“ bilden<br />
und laut sagen und dabei sehr erstaunt gucken.<br />
Trainer: „Heute spreche ich besonders betont!“ Das „O“ wird<br />
besonders deutlich dargestellt. Die TN imitieren.<br />
Vorübung nächster Satz: Alle nehmen die rechte Hand nach vorne,<br />
gestikulieren „wie ein Italiener“ und sagen überzogen „d“.<br />
Trainer: „Heute spreche ich besonders deutlich!“ Das „d“ wird<br />
besonders deutlich dargestellt. Die TN imitieren.<br />
4. „Gefühlskreis“ Die Gruppe steht im Kreis. Ein TN geht auf einen anderen TN zu und<br />
bringt dabei durch seine Sprache, Gestik und Mimik deutlich ein<br />
Gefühl zum Ausdruck. Der angesprochene TN wählt seinerseits einen<br />
neuen TN, auf den er zugeht und ein Gefühl darstellt (z.B.: verliebt,<br />
fröhlich, traurig, enttäuscht, geniert, desinteressiert,…)<br />
Diese Übung kann variiert werden, in dem der Trainer einen Satz<br />
vorgibt, den er mit entsprechender Geste, Mimik und Sprache versieht<br />
und dieser von den TN imitiert werden muss.<br />
5. „Kurzrede!“ Jedem TN bzw. jeder Gruppe wird in Thema vorgegeben, zu dem eine<br />
Person eine Rede halten soll. Dabei soll sich an folgendes inhaltliches<br />
Schema gehalten werden, welches den TN ausgehändigt wird:<br />
1. Begrüßung der Zuhörer<br />
2. Titel der Rede<br />
3. Behauptung („Ich behaupte, dass…“)<br />
4. mögliches Gegenargument<br />
5. erstes Argument für die Behauptung<br />
6. zweites Argument für die Behauptung<br />
7. drittes Argument für die Behauptung<br />
8. Schlussfolgerung<br />
9. Verabschiedung / Dank<br />
Jeder TN trägt seine Kurzrede vor, vorbei er moralische Unterstützung<br />
von zwei Personen haben kann, die neben ihm stehen.<br />
Anschließend werden drei aus der Zuhörergruppe befragt, was Ihnen an<br />
dieser Rede besonders gut gefallen hat. Der Trainer fasst danach noch<br />
einmal die Quintessenz der Rede für alle zusammen.<br />
54
Das Ziel dieser Übung ist es, Kenntnisse über Kommunikation und<br />
Rhetorik zu vermitteln und einzuüben. Dabei sollte vorab erläutert bzw.<br />
wiederholt werden:<br />
1. Was ist Kommunikation? verbal/nonverbal; Sender-und-Empfänger<br />
2. Sprachübungen: vier Modulationssätze<br />
3. Vorbereiten einer Rede: siehe Redeschema oben<br />
4. Vortragen der Rede<br />
C. Anti-Blamier-Spiele<br />
Wofür? keine Angst vor Bewertung des eigenen ICHs durch andere; Coolness ablegen; selbst<br />
entscheiden, wann welche Infos für mich wichtig; ich bin ICH-Inhaber; ich habe die Hoheit<br />
über das eigene ICH; Selbstsicherheit; Unabhängigkeit; Autonomie; ich bestimme das<br />
Bewertungsmandat; Spontaneität; Flexibilität<br />
1. „Holz-Michl“ das Lied wird eingespielt und ein TN muss in die Mitte des<br />
(mit CD) Kreises und eine passende Performance zu dem Lied vorführen,<br />
dies kann mit einigen TN durchgeführt werden<br />
2. „Barbie – Feuerwehrauto“ zwei TN gehen in die Mitte des Kreises, ein TN geht auf<br />
die Knie und spielt mit Kinderstimme und -gesten das kleine<br />
Kind, dass unbedingt von der Mutter/Vater (2.TN) die Barbie<br />
(Mädchen) bzw. das Feuerwehrauto (Junge) haben möchte,<br />
dieser Dialog wird gespielt<br />
3. „Pizza Hut“ alle TN werden in drei gleichgroße Gruppen eingeteilt, links<br />
(mit CD) steht "McDonalds“ (Hände neben das Gesicht und<br />
Quakbewegungen machen), in der Mitte „Kentucky Fried<br />
Chicken“ (schlagende Flügel) und rechts „Pizza Hut“ (mit den<br />
Händen wird ein Dreieck über dem Kopf geformt); der Trainer<br />
steht in der Mitte und dirigiert passend zum Lied die drei<br />
Gruppen, wann sie ihre Bewegung machen<br />
4. „Who let the dogs out“ Die TN werden in Männer und Frauen aufgeteilt und stehen<br />
(mit CD) sich gegenüber. Die Männer stehen im Vier-Füßer-Stand und<br />
müssen beim Refrain die Frauen anhecheln und bei Rest des<br />
Liedes bellen. Die Frauen müssen beim Refrain mit erhobenem<br />
Zeigefinder auf die Hunde zugehen, mitsingen und beim Rest<br />
des Liedes aufreizend tanzen.<br />
5. „Der Willi ist krank“ Jeder TN bekommt einen Korken in den Mund (wahlweise den<br />
(auch Gehirnjogging) Finger quer in den Mund nehmen). Der Erste sagt zu dem<br />
zweiten: "Der Willi ist krank!" Der Zweite fragt: "Was hat er<br />
denn?" Da denkt sich der Erste eine Krankheit aus und<br />
antwortet. Der Zweite merkt sich dies und macht das Selbe mit<br />
dem Dritten. Es kommen also immer mehr Krankheiten hinzu<br />
(wie bei "Ich packe meinen Koffer“). Das Spiel wird die ganze<br />
Runde durch gespielt bis der Letzte sagt "Der Willi ist tot".<br />
6. „Schnick-Schnack-Schnuck Die Teilnehmer werden in zwei Gruppen eingeteilt, die<br />
im Mittelalter“ sich gegenüber stehen und gegeneinander spielen. Zunächst<br />
werden allen die drei Spielfiguren beigebracht: der Drache (mit<br />
den Händen das Maul weit aufreißen und „Uaaah“ brüllen), der<br />
Ritter (ein imaginäres Schwert nach vorne stoßen +<br />
55
Ausfallschritt und „Schacka“ schreien) und die Prinzessin<br />
(Hände in die Hüften stemmen und nach vorne tänzeln und<br />
„Tüdelüt“ sagen). Jede Gruppe einigt sich leise auf eine Figur,<br />
die sie darstellen möchte. Die Gruppen stehen sich gegenüber.<br />
Die Regeln lauten: der Drache schlägt die Prinzessin, die<br />
Prinzessin schlägt den Ritter, der Ritter schlägt den Drachen.<br />
Für jedes gewonnene Duell gibt es einen Punkt.<br />
7. „Toaster-Spiel“ Die Gruppe steht im Kreis und ihr werden drei Figuren<br />
beigebracht, die jeweils immer von drei Personen dargestellt<br />
werden:<br />
Elefant (der in der Mitte macht einen Rüssel und prustet, links<br />
und rechts daneben machen mit gespreizten Fingern die Hände<br />
an die Ohren),<br />
Nashorn (in der Mitte macht mit beiden Händen eine lange<br />
Nase, links und rechts machen kleine Ohren),<br />
Toaster (in der Mitte springt auf und ab, links und rechts<br />
wenden sich ihm zu und machen mit den Armen drückende<br />
Auf-und Ab-Bewegungen) und<br />
Freier (in der Mitte bewegt seinen Körper vor zurück, links und<br />
rechts hauen mit der flachen Hand auf die Faust).<br />
Der Trainer steht in der Mitte und zeigt auf eine Person und<br />
nennt die Figur, die er darstellen soll, dabei müssen auch die<br />
Personen rechts und links aufpassen und auch ihren Teil dazu<br />
darstellen. Gelingt es einem TN nicht, die richtige Figur schnell<br />
genug darzustellen, muss er in den Kreis und die nächste Figur<br />
bestimmen.<br />
8. „Uka-Chaka“ Die Gruppe steht im Kreis.<br />
(auch Synchronisation) 1. alle üben 4x laut Uka Chaka, Uka Chaka, Uka Chaka, Uka<br />
Chaka sagen<br />
2. 4x Uka Chaka und danach eine sexy Bewegung machen,<br />
im Folgenden gibt der Trainer Schritt für Schritt die<br />
Bewegungen vor, die von der Gruppe nachgemacht werden<br />
müssen<br />
3. „Hände nach vorne“ – 4x Uka Chaka<br />
4. „Hände nach vorne“ (Gruppe macht nach) „Daumen nach<br />
oben“ (Gruppe macht nach) – 4x Uka Chaka<br />
5. „Hände nach vorne“ (…) „Daumen nach oben“ (…)<br />
„Daumen nach hinten (…) – 4x Uka Chaka<br />
6. „Hände nach vorne“ (…) „Daumen nach oben“ (…)<br />
„Daumen nach hinten (…) „Arsch raus“ (…) – 4x Uka Chaka<br />
7. „Hände nach vorne“ (…) „Daumen nach oben“ (…)<br />
„Daumen nach hinten (…) „Arsch raus“ (…) „“Nase zu“ – 4x<br />
Uka Chaka<br />
8. „Hände nach vorne“ (…) „Daumen nach oben“ (…)<br />
„Daumen nach hinten (…) „Arsch raus“ (…) „Nase zu“ (…)<br />
„Zunge raus“ – 4x Uka Chaka<br />
Die einzelnen Sequenzen können an die Gruppe adaptiert<br />
werden (z.B. typisches Männerverhalten mit Männern<br />
durchführen: Tusse nachglotzen, Weib anlocken,…)<br />
56
57<br />
9. „Mmh,mmh, macht der Igel“ Der Trainer holt einen TN in die Mitte des Kreises und<br />
(auch Synchronisation) macht Satz für Satz folgendes vor, dabei wird beim ersten<br />
„Mmh“ Augen und Mund zugekniffen,<br />
beim zweiten „Mmh“ Zunge raus und Augen aufreißen:<br />
„Mmh, mmh, macht der Igel und lacht mich an!“<br />
„Mmh, mmh, macht der Igel und lacht!“<br />
„Mmh, mmh, macht der Igel und lacht mich an!“<br />
10. „Hannes“ Die Gruppe sitzt im Kreis und alle klatschen auf ihre Schenkel.<br />
(auch Synchronisation) Der Trainer beginnt im Takt zu erzählen:<br />
„Moin, ich heiß Hannes und ich arbeite in einer Knopffabrik.<br />
Eines Tages sagt mein Chef: Hannes, hast Du Zeit? Ich sag:<br />
Jau. Dann dreh den Knopf mit der echten Hand.“ Alle klatschen<br />
weiter im Takt.<br />
Der Text bleibt immer gleich und jede Runde kommt nun eine<br />
Schwierigkeit hinzu:<br />
„… dann dreh den Knopf mit der linken Hand!“ (Takt mit den<br />
Füßen machen)<br />
„… dann dreh den Knopf mit dem rechten Bein!“<br />
„… dann dreh den Knopf mit dem linken Bein!“<br />
„… dann den Knopf mit dem Körper!“<br />
„… dann dreh den Knopf mit der Zunge! ICH SAG NEIN!“<br />
11. „Quantana mera“ Die Gruppe steht im Kreis und ihr wird der Liedtext<br />
(hauptsächlich Nähetraining) beigebracht:<br />
„Quantana mera, wachiba, quantana mera. Quantana mera,<br />
wachiba, quantana mera.“<br />
Nach jedem „Quantana mera“ wird jetzt folgende Bewegung<br />
beigebracht:<br />
„sch, sch, sch“ (links rechts mit der Hüfte schwingen)<br />
„U A“ (Hüfte nach vorn, nach hinten bewegen)<br />
Nun geht die Gruppe synchron im Kreis, rechter Fuß fängt an,<br />
singt das Lied und macht die Bewegungen mit Geräuschen nach<br />
jedem „Quantana mera“.<br />
In der nächsten Runde legt jeder bei der Performance die Hände<br />
auf die Schultern es Vordermannes, nächste Runde auf die des<br />
Vorder-Vorder-Mannes. Dies kann weitergeführt werden.<br />
12. „Indianer-Lied“ Die Gruppe steht im Kreis und ihr werden drei Figuren<br />
(mit CD) beigebracht:<br />
- das Reiten (Tippelschritt, die Hände halten imaginäre Zügel)<br />
- den Regengott um Regen bitten (Arme neben den Körper und<br />
von unten nach oben schwingen)<br />
- Lasso werfen (die rechte Hand schwingt über dem Kopf ein<br />
imaginäres Lasso)<br />
Das Lied wird eingespielt, die Gruppe bewegt sich im Kreis und<br />
macht die Figuren passend zum Liedtext:<br />
- “Regengott“ bei „Hoia, hoia, hoia“<br />
- “Lasso” bei „Ho, ho, ho“<br />
- “Reiten” bei Gesang<br />
Das Reiten wird variiert: Pferd tätscheln, im Galopp, um die<br />
Achse tänzeln, Ausschau haltend, stolz reitend, peitschend, …
13. „Ketchup-Song“ Die Gruppe steht im Kreis und den TN wird folgende<br />
(mit CD) Performance für den Refrain beigebracht:<br />
- linke Hand über rechte Hand vor sich halten und „wischen“ –<br />
Hand wechseln, Laut bis sechs zählen („1,2,3,4,5,6“)<br />
- rechte Hand zur Schulter werfen, linke Hand über die Schulter<br />
werfen , mitzählen („7,8“)<br />
- rechte Hand zeigt in die Luft, linke Hand zeigt in die Luft,<br />
mitzählen („9,10“)<br />
- eine Hand vor den Kopf, eine dahinter und in die Knie<br />
„zittern“, mitzählen („11,12“)<br />
Bei dem Rest des Liedes wird mit den Armen von links nach<br />
rechts ein „<strong>AAT</strong>“ geformt (links, mitte, rechts) und „<strong>AAT</strong>“<br />
gesagt. Dies wird variiert: wütend, fröhlich, verliebt, mit<br />
Kinderstimme, als Brummbär, laut, leise, groß, klein,…<br />
14. „Lumidee“ Die Gruppe wird in Männer und Frauen aufgeteilt, die sich in<br />
(mit CD) zwei Reihen gegenüber stehen. Jeder Gruppe werden drei<br />
verschiedene Figuren beigebracht, die sie jeweils im 12-Takt<br />
passend zum Lied performen sollen, z.B.:<br />
1. „Reiten“ (zählen: „1, 2, 3,4“)<br />
2. „nach hinten austreten“ (zählen: „5,6,7,8“)<br />
3. „Lasso werfen“ (zählen: „9,10,11,12“)<br />
Diese Figuren sind variabel.<br />
15. „Anton“ (mit CD) Die Gruppe sitzt im Kreis und ihr wird folgende Performance<br />
(auch Synchronisation) beigebracht, die sie nach dem Üben zum Lied durchführen soll:<br />
1. 2x auf die Oberschenkel klatschen<br />
(laut mitsprechen: „Klatsch,<br />
Klatsch!“)<br />
2. 2x in die Hände klatschen („Klatsch, Klatsch!“)<br />
3. 2x nach rechts stochern („Stocher, Stocher!“)<br />
4. 2x nach links stochern („Stocher, Stocher!“)<br />
5. 2x den rechten Arm drehen („Dreh, Dreh!“)<br />
(linke Hand an den rechten Ellenbogen, rechte Hand zeigt nach<br />
oben und wird gekreist)<br />
6. 2x den linken Arm drehen („Dreh, Dreh!“)<br />
7. Hände in die Hüften stemmen und nach rechts gucken<br />
(„Glotz, Glotz!“)<br />
8. Hände in die Hüften stemmen und nach links gucken<br />
(„Glotz, Glotz!“)<br />
9. aufstehen, Hände hoch und runter werfen („Rauf, Runter!“)<br />
16. „Hei Adele“ Folgender Satz wird sichtbar für alle aufgeschrieben:<br />
(auch Aufmerksamkeit) „Hei Adele, Adele tikitonga, Oh massa, massa, massa. Hei<br />
adije, adije, adijo.“<br />
Der Trainer geht mit einem TN in die Mitte des Kreises, sagt<br />
laut einzelne Satzteile und macht Fantasie-Bewegungen dazu,<br />
die der TN ihm nachmachen muss:<br />
Trainer: „Hei Adele!“ (+ lustige Figur)<br />
TN: „Hei Adele!“ (Figur nachmachen)<br />
Trainer: „Adele tikitonga!“ (+ lustige Figur)<br />
TN: „Adele tikitonga!“ (Figur nachmachen)<br />
Trainer: „Oh massa, massa, massa!“ (+ lustige Figur)<br />
TN: „Oh, massa, massa, massa!” (Figur nachmachen)<br />
58
Trainer: „Hei, adije, adije, adijo!” (+ lustige Figur)<br />
TN: „Hei, adije, adije, adijo!“ (Figur nachmachen)<br />
Der TN holt sich nun seinerseits einen weiteren TN in den<br />
Kreis, dem er eine neue Performance vormacht, die der Andere<br />
nachmachen muss. Dies kann beliebig fortgeführt werden.<br />
17. „Bauernhof“ Den TN wird eine Fantasie-Geschichte vom Bauernhof erzählt,<br />
in der verschiedene Tiere vorkommen. Werden diese Tiere<br />
genannt, müssen sie diese mit Geräuschen und Bewegungen<br />
imitieren.<br />
D. Synchronisations-Training<br />
Wofür? Gefühl für den anderen entwickeln; lernen sich hinzugeben, sich einzubringen,<br />
Geborgenheits- und Wir-Gefühl genießen<br />
1. „Hannes“ -> siehe Anti-Blamier-Übungen<br />
2. „Mmh, Mmh, macht der Igel“ -> siehe Anti-Blamier-Übungen<br />
3. „Uka-Chaka“ -> siehe Anti-Blamier-Übungen<br />
4. „Anton“ -> siehe Anti-Blamier-Übungen<br />
5. „Abklatscher“ Die Gruppe steht im Kreis und der Trainer schickt in eine<br />
Richtung einen „Klatscher“, der schnellstmöglich<br />
weitergegeben werden muss. Die Übung wird erschwert, in dem<br />
parallel dazu weitere Klatscher in verschiedene Richtungen<br />
geschickt werden, die auch mit einem Ausruf oder Wort<br />
versehen werden können.<br />
E. �ähetraining<br />
Wofür? lernen, Nähe zu geben und zu nehmen; Geber: Geborgenheit, Anbindung; Nehmer:<br />
Energie und Wärme des anderen, positive Gefühle erleben z.B. Bevorzugung; lernen, etwas<br />
anzunehmen. Ohne Schuldgefühle zu entwickeln; Misstrauen abbauen<br />
1. „Hand loben“ Die TN sitzen im Kreis. Der TN lobt jeweils die Hand von<br />
seinem rechten Nachbarn. Er legt seine rechte Hand auf seinen<br />
rechten Oberschenkel, legt die linke Hand seines Nachbarn<br />
hinein und die linke Hand des TN lobt nun die linke Hand<br />
seines Nachbarn. Dabei sollen nicht nur sichtbare Merkmale<br />
gelobt werden, sondern auch Eigenschaften und Tätigkeiten mit<br />
dieser gelobten Hand assoziiert werden. Diese Übung geht<br />
reihum im Kreis und wird nacheinander durchgeführt, nicht alle<br />
Paare gleichzeitig.<br />
2. „Tagesmotto schenken“ An die Hälfte der TN werden verschiedene Tagesmotti<br />
ausgeteilt, die sie einem anderen TN (ohne Motto) widmen<br />
sollen. Dabei gehen sie zu diesem TN hin und erklären, warum<br />
er ihn für dieses Motto ausgewählt hat, warum es besonders gut<br />
zu ihm passt und was er ihm damit wünscht. Die Empfänger<br />
werden danach gefragt, wie diese Widmung für sie war.<br />
59
3. „Schulter-�acken-Massage“ Die TN werden zu Paaren geordnet, von denen einer von<br />
dem anderen eine Massage bekommt. Auch hier nach wird ein<br />
Feedback erfragt.<br />
4. „Körpermerkmal loben“ Die TN sitzen im Kreis, als Beispiel sucht sich der Trainer<br />
einen TN und geht mit ihm in die Mitte. Er sucht sich ein<br />
Körpermerkmal aus, welches er nach dem Schema „Hand<br />
loben“ bei ihm loben kann. Anschließend werden zwei andere<br />
TN in die Mitte gehen, wovon einer ein anderes Körpermerkmal<br />
seines Gegenübers lobt. Immer verschiedene Körpermerkmale,<br />
immer nur in eine Richtung loben.<br />
5. „Zustimmen statt Widersprechen“ Die TN kommen zu dritt zusammen. Einer der<br />
TN hält zu einem vorgegeben Thema 1 Min. eine kurze Rede.<br />
Ein Zuhörer stimmt ihm dabei zu, der andere widerspricht ihm.<br />
Anschließend bei dem Redner das Feedback abfragen, was ihm<br />
besser getan hat?<br />
6. „Quantana mera“ -> siehe Anti-Blamier-Übungen<br />
60
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67
Anti-Aggressivitäts-Training® <strong>2008</strong><br />
Dr. Michael Heilemann<br />
Dipl. Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut<br />
Geburtsdatum, Geburtsort:<br />
20.05.1953; Berlin-Neukölln<br />
Aktuelle berufliche Funktion:<br />
Selbständiger kassenzugelassener Psychologischer Psychotherapeut.<br />
Autor für Fachartikel. Selbständiger Dozent für berufsbegleitende<br />
Seminare, Workshops und Kongressbeiträge.<br />
Arbeitsschwerpunkte:<br />
Weiterentwicklung kognitiv-motivationaler Konzepte in der Verhaltenstherapie.<br />
Entwicklung von Behandlungsmodulen zum Thema Ich-Optimierung<br />
und Anti-Gewalt-Traininig (Prävention).<br />
Gabriele Fischwasser-von Proeck<br />
Dipl. Sozialwissenschaftlerin, Beamtin im Strafvollzug<br />
Geburtsdatum, Geburtsort:<br />
05.09.1954; Barntrup<br />
Aktuelle berufliche Funktion:<br />
Mitarbeiterin der JA <strong>Hameln</strong> (Sicherungs-Abteilung).<br />
Autorin und Dozentin (Anti-Gewalt-Thematik).<br />
Arbeitsschwerpunkte:<br />
Lebensbiographische Analysen von Gewalttätern. Vermittlung von<br />
theoretischen Interventionsformen und praktischen Anwendungen des <strong>AAT</strong> ® .<br />
Projekte ´08:<br />
1. Ausbildung von Streetworkern/Streitschlichtern:<br />
Körperorientierte Schul-Security<br />
2. Soz-Päd-SEK im Strafvollzug: Offensiv-Aufsuchende Täterarbeit<br />
3. Ausbildung von Boy-Scouts für Jungencoaching<br />
4. Opfertherapie: Selbstbehauptungs-Kurse<br />
5. Vorträge zum Thema: Regionalisierung des Ichs in einer globalisierten Umwelt.<br />
Erarbeitung eines wissenschaftstheoretischen Konzeptes:<br />
Von der Ich-Integration zur Integration ins Kollektiv.<br />
6. Beratung bei der Einrichtung wachstumsorientierter Erziehungscamps<br />
7. Einzelfallarbeit mit Intensivtätern<br />
Kontakt:<br />
<strong>AAT</strong>-Company Tel: 05151/23204 Email: dr.heilemann-aat@t-online.de<br />
Domeierstr. 6 Fax: 05151/959544 Homepage: www.aat-hameln.de<br />
31785 <strong>Hameln</strong><br />
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