ICHHABE MENSCHLICHE EMBRYONEN GEKLONT«
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»JA, WIR GEHEN RISIKEN EIN. ABER MAN GEHT AUCH EIN RISIKO EIN, WENN MAN ÜBER<br />
DIE STRASSE GEHT. JETZT ARBEITEN WIR AM EMBRYO-SPLITTING: WIR KREIEREN<br />
DEN ERSTEN MENSCHEN MIT ERSATZRAD« (PANAYIOTIS ZAVOS)<br />
le den Zellkern eines anderen,<br />
schon weiter entwickelten Embryos<br />
einzusetzen. Doch die manipulierten<br />
Eier teilen sich meist<br />
nur ein paar Mal. Nur ein Prozent<br />
vollendet die Embryonalentwicklung,<br />
so dass eine Larve<br />
schlüpfen kann. Und nur ein<br />
einziges Mal entwickelt sich eine<br />
Larve fast bis zum Puppenstadium.<br />
Eine Ausbeute, die ihn<br />
40 Jahre später und nach unzähligen<br />
Klon-Experimenten<br />
bei diversen Arten nicht mehr<br />
verwundert: Meist sind weniger<br />
als ein Prozent der Klonversuche<br />
erfolgreich. Obwohl Illmensee<br />
1968 keine Klonfliege<br />
vermelden kann, begründet ein<br />
Artikel im Fachmagazin »Nature«<br />
seinen Ruf als Forscher<br />
mit »begnadeten Händen«. Erst<br />
2004 gelingt es einer Forschergruppe<br />
aus Kanada, fünf Fliegen zu klonen – nach 820 Versuchen.<br />
Um den jungen Mann mit der filigranen Technik reißen sich in<br />
den 1970er Jahren viele Labors. Er geht in die USA und lernt, die<br />
Eizellen von Mäusen zu manipulieren. Dann gehen die ersten Angebote<br />
für Professuren ein, unter anderem von der Universität<br />
Genf. Dort rollt man ihm einen roten Teppich aus: Er bekommt<br />
mehr Forschungsmittel und Mitarbeiter als andere Professoren.<br />
Kaum hat sich Illmensee in Genf eingerichtet, erhält er den Marcel-Benoist-Forschungspreis,<br />
in der Schweiz die mit 100 000 Franken<br />
höchstdotierte Auszeichnung für Wissenschaftler.<br />
AUSGESTATTET MIT allem, was sich ein Forscher wünschen<br />
kann, wagt Illmensee 1980 zusammen mit Peter Hoppe, einem US-<br />
Kollegen vom Jackson-Labor in Maine, den Versuch, Mäuse zu<br />
klonen. Neben den Pflichten als Professor experimentiert er daran<br />
an den Wochenenden und nachts. Etwas anders als 16 Jahre später<br />
die Schöpfer des Klonschafs Dolly nimmt Illmensee befruchtete<br />
Eizellen, entfernt mütterliches und väterliches Erbgut und stopft<br />
den Kern einer Zelle aus einem Maus-Embryo hinein. Nach wochenlangen<br />
Versuchen entwickeln sich geklonte Embryonen. Etwa<br />
300 Versuche braucht Illmensee, um drei Klonmäuse zu bekommen.<br />
1981 erscheint seine Forschungsarbeit im renommierten<br />
Fachjournal »Cell« – die Reaktionen der Wissenschaftler-Gemeinschaft<br />
und der Öffentlichkeit sind enorm. Niemand glaubte daran,<br />
dass das Klonen von Säugetieren möglich sein könnte – wieder hatten<br />
Illmensees »begnadete Hände« einen Durchbruch geschafft.<br />
So scheint es zumindest. Doch hinter seinem Rücken braut sich<br />
eine Katastrophe zusammen: Als Illmensee neue Experimente vorstellt,<br />
zweifeln zwei Mitarbeiter die Seriosität seiner Versuche an.<br />
38 P.M. 11/2007<br />
DIE KLON-CONNECTION Reproduktionsmediziner<br />
Zavos ist heute noch stolz auf die ersten Klonembryonen,<br />
die er zusammen mit Illmensee hergestellt hat<br />
Eine Untersuchungskommission<br />
der Universität Genf deckt<br />
Schlampereien in den Aufzeichnungen<br />
über die Experimente auf.<br />
Fälschungsvorwürfe lassen sich<br />
zwar nicht beweisen; dennoch<br />
verlangt die Kommission, dass die<br />
Versuche »mit aller wissenschaftlichen<br />
Strenge« wiederholt werden,<br />
weil sie sonst »wissenschaftlich<br />
wertlos« seien. Obwohl<br />
Illmensee die Forschungsgelder<br />
gekürzt werden, gelingt es ihm<br />
tatsächlich , die Experimente zu<br />
wiederholen.<br />
Doch 1984 erscheint eine Studie,<br />
in der nun auch die Klonmäuse<br />
selbst angezweifelt werden.<br />
Jahrelang hatte kein Forscher<br />
das Klon-Experiment wiederholen<br />
können. Zwar glauben<br />
viele Experten bis heute an Illmensees<br />
»begnadete Hände« –<br />
doch ein Experiment hat in der Forschung nur Bestand, wenn auch<br />
andere Forscher es wiederholen können. Die Klonmäuse gelten<br />
fortan als Fälschungen und Illmensee als Betrüger.<br />
Erst 2006 werden Warschauer und im Jahr darauf Bostoner Forscher<br />
zeigen, dass Mäuse tatsächlich auf die von Illmensee beschriebene<br />
Weise, mit befruchteten Eizellen, geklont worden sein<br />
könnten. Damit wäre Karl Illmensee der erste Forscher gewesen,<br />
der ein Säugetier geklont hat – 16 Jahre vor den Dolly-Schöpfern<br />
Ian Wilmut und Keith Campbell. Doch damals in den 1980er Jahren<br />
glaubt ihm niemand. Die Mehrheit der Professoren in Genf<br />
sieht Illmensee als Belastung für das Image der Universität.<br />
Illmensee will sich nicht demütigen lassen, kündigt noch vor der Abstimmung<br />
über die Verlängerung seiner Professur und geht an die<br />
Universität Salzburg. Zwar hat er hier ein Auskommen, doch für<br />
Spitzenforschung fehlt ihm der nötige Spielraum. Und das weiß<br />
Illmensee auch. Während die Familie nach Starnberg bei München<br />
zieht, haust er in einer kleinen Wohnung in Salzburg – der Absturz<br />
scheint vorprogrammiert. Der Vorwurf der Fälschung nagt weiter<br />
an ihm. Immer wieder fordert er von seiner früheren Uni in Genf:<br />
Man solle publik machen, dass die Untersuchungskommission den<br />
Fälschungsverdacht nicht bestätigt habe. Doch nichts passiert. Der<br />
Name Illmensee gerät in Vergessenheit, die Chance auf wissenschaftliche<br />
Rehabilitierung sinkt.<br />
Aber als 1997 das Klon-Schaf Dolly für Aufregung sorgt, schöpft<br />
Illmensee wieder neuen Mut. Er beginnt, Briefe an alte Forscherkollegen<br />
zu schreiben, korrespondiert mit Fachmagazinen. Doch<br />
selbst wieder in die Klonforschung einzusteigen, dazu fehlen ihm<br />
die Mittel. Inzwischen ist er in Innsbruck an der dortigen Frauenklinik<br />
tätig – da meldet sich Anfang 2001 Severino Antinori. Der<br />
SASCHA KARBERG (3)<br />
Spur nach Deutschland<br />
Zu Testzwecken für sein Klonexperiment<br />
benutzte Karl Oskar<br />
Illmensee aus Mangel an kostbaren<br />
menschlichen Eizellen die<br />
Eizellen von Rindern – und versah<br />
diese mit Zellkernen von vier<br />
unfruchtbaren Männern. Aus solchen<br />
»Inter-Spezies-Klonen« kann<br />
sich zwar nie ein funktionierender<br />
Embryo entwickeln, doch die<br />
ersten Phasen der Embryonalentwicklung<br />
laufen mehr oder weniger<br />
normal ab. Das reicht aus, um<br />
die Methode zu üben, Kulturbedingungen<br />
zu optimieren und<br />
auszuloten, ob es besser ist,<br />
Haut-, Fett- oder Muskelzellen der<br />
Männer zu verwenden. Die gleiche<br />
Methode wurde vor Kurzem<br />
in England staatlich zugelassen,<br />
um die besten Bedingungen zur<br />
Produktion von Klon-Embryonen<br />
für das therapeutische Klonen<br />
austesten zu können. In Deutschland<br />
ist das Herstellen solcher<br />
Mischformen aus Tier und<br />
Mensch jedoch nicht zulässig.<br />
»Mit Erbgut von jedem der vier<br />
unfruchtbaren klonwilligen Männer<br />
und von der einen Frau haben<br />
wir vorher Inter-Spezies-Klone<br />
gemacht«, sagt Illmensee. »Wir<br />
haben gesagt: Nur wenn sich diese<br />
Embryonen gut entwickeln,<br />
macht ein Klonversuch Sinn.« Das<br />
Know-how, mit Rinder-Eizellen<br />
umzugehen, sowie andere Klontricks<br />
hat Illmensee beim Klonforscher<br />
Eckhard Wolf am Versuchsgut<br />
in Oberschleißheim<br />
nördlich von München studiert.<br />
Die Analysen der Inter-Spezies-<br />
Embryonen führte ein anderer<br />
alter Forscherkollege, der Tierge-<br />
DAS EXPERIMENT Am<br />
14. März 2003 versucht<br />
Illmensee erstmals, einen<br />
Menschen zu klonen<br />
(rechts: sein Arbeitsprotokoll).<br />
Unten: zweizelliger<br />
sowie fünfzelliger<br />
Klon-Embryo aus einem<br />
der folgenden Versuche<br />
im Jahr 2005. Unten<br />
rechts: hochpräzise<br />
Instrumente zum Klonen.<br />
Links: Illmensee in<br />
seinem heutigen Labor<br />
netiker Bertram Brenig, an der<br />
Universität Göttingen durch –<br />
mit Kostenerstattung durch<br />
Panayiotis Zavos. »Wir selbst<br />
waren bei den Experimenten<br />
nicht dabei«, erzählt Brenig: »Wir<br />
haben nur kleine Plastikgefäße<br />
bekommen, in denen die Zellen<br />
schwammen. Wir sollten überprüfen,<br />
welche DNA sich in den Zellen<br />
befindet.« Illmensee betont,<br />
dass Brenig und Wolf mit den<br />
Klonversuchen selbst nichts zu<br />
tun gehabt haben. »Von meiner<br />
Seite ist es<br />
ganz klar, dass reproduktives Klonen<br />
von Menschen nicht befürwortet<br />
werden kann. Damit<br />
möchte ich nichts zu tun haben«,<br />
sagt Brenig. Allerdings: Im Zuge<br />
der Göttinger Untersuchungen<br />
waren möglicherweise Klon-<br />
Embryonen mit menschlicher<br />
DNA auf deutschem Boden.<br />
»Aber die sind nicht mehr lebensfähig<br />
gewesen«, sagt Brenig:<br />
»Das waren keine Klone mehr,<br />
sondern geplatzte Zellen.«