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Ohne Titel - Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

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Das dunkle Kapitel <strong>Jugendwerkhof</strong><br />

19. Januar 2013 | 16:03 Uhr | Von: Nadine Schuldt<br />

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Heidemarie Puls hält eine kleine "Trophäe" mit der Siegesgöttin den den Händen. Die hatte<br />

sie dem Klosterverein zu ihrer Lesung mitgebracht, um auch daran zu erinnern, dass es in<br />

Rühn einen <strong>Jugendwerkhof</strong> gegeben hat. Nadine Schuldt<br />

Schreie, Schläge und auch Isolation in der Zelle - Heidemarie Puls schildert in ihren<br />

Erinnerungen an die Zeit im geschlossenen <strong>Jugendwerkhof</strong> <strong>Torgau</strong> auch die schlimmsten<br />

Episoden. Bei der Veranstaltungsreihe "Kulturpunkt Kloster" hat sie Donnerstagabend aus<br />

ihrem Buch "Schattenkinder - Hinter <strong>Torgau</strong>er Mauern" gelesen.<br />

Den ganzen Abend stand ihr bewegendes Schicksal im Mittelpunkt. Deutlich schildert sie<br />

ihre zerrütteten Familienverhältnisse, rennt als Kind immer wieder von zu Hause weg, weil<br />

sie Angst vor ihrem Stiefvater hat. Ungläubiges Kopfschütteln, wenn sie von Schlägen der<br />

Erzieher berichtet. Davon, wie sie in der Nacht geweckt wurde. Entsetzen aber auch,<br />

wenn sie von der Hierarchie der Jugendlichen und ihrer Kälte untereinander erzählt. Ihre<br />

Schilderungen sind auch deshalb bedrückend, weil es in Rühn ebenfalls einen offenen<br />

<strong>Jugendwerkhof</strong> gegeben hat. Und einige der Besucher der Lesung haben dort gearbeitet,<br />

können einige Schilderungen sogar nachvollziehen. So wie ein älterer Herr. Doch die<br />

Aussagen, dass einige Erzieher die Jugendlichen auch missbraucht und geschlagen habe,<br />

will er so nicht stehen lassen. Es habe auch in Rühn Erzieher gegeben, "die ihre<br />

Sorgfaltspflicht überschritten haben", sagt der Mann, der den hiesigen <strong>Jugendwerkhof</strong><br />

zeitweise sogar selber geleitet hat. "Aber das haben wir nicht durchgehen lassen,<br />

dagegen wurde vorgegangen", macht er deutlich. Allerdings bringe es ihn auf die Palme,<br />

wenn sich Leute, die nie in einem <strong>Jugendwerkhof</strong> gearbeitet hätten, negativ über die


Einrichtung äußern.<br />

Plötzlich steht auch die generelle Aussage "Die, die im <strong>Jugendwerkhof</strong> waren, haben nicht<br />

umsonst dort gesessen" im Raum. Eine Aussage, der immer wieder in der Diskussion um<br />

die Jugendwerkhöfe in der DDR auftaucht. Ist damit doch auch der Gedanke verbunden,<br />

dass nicht alle Jugendlichen "unbeschriebene Blätter" waren, die dort hinkamen.<br />

"Wir waren noch Kinder, ich war für das, was ich als Kind getan habe, nicht<br />

verantwortlich", sagt Heidemarie Puls. Allerdings wurde auch gefragt, warum man heute<br />

ein Thema aufrollen muss, was in der Vergangenheit stattgefunden hat. "Damals hatte<br />

man ja gar keine Möglichkeiten, irgendetwas zu sagen oder zu machen", sagt Besucherin<br />

Isabell Peters. Entweder habe man dann Ärger in der Schule bekommen oder musste<br />

seine Karriere an den Nagel hängen, fügt sie hinzu. Sie selbst sei entsetzt, wie viele Dinge<br />

man nicht gewusst habe. Ihr sei es wichtig, dass man die Historie dieser Einrichtung<br />

aufarbeitet.<br />

Wo und bei wem fängt die Schuld an, wenn ein Kind damals in ein Heim kam?, schildert<br />

eine weitere Besucherin einen anderen Blickwinkel. So habe sie als damals tätige<br />

Pädagogin zahlreiche Beurteilungen über Schüler geschrieben, erzählt sie offen. Sie<br />

wisse, dass aufgrund eines Schreibens ein Kind in ein Heim kam. Auch Christel Schabow<br />

öffnet sich, sagt, dass sie sieben Jahre im Ort Vollrathsruhe, wo es auch einen<br />

<strong>Jugendwerkhof</strong> gab, gelebt hat. Jeden Morgen sei sie an dem Gelände vorbei gegangen,<br />

und ein Junge hätte jedes Mal drum gebeten, mitgenommen zu werden. Doch auch<br />

Schabow wusste nicht, was sich in der Einrichtung abspielt, erst die Aufzeichnungen von<br />

Heidemarie Puls haben ihr das Ausmaß der "Erziehungsmethoden" näher gebracht. Für<br />

Sigrid Papendorff, einstige Deutschlehrerin, steht eines jedoch fest: "Jedes Kind wird<br />

unschuldig geboren, und wenn es in einen <strong>Jugendwerkhof</strong> kam, dann hatten das die<br />

Eltern oder die Gesellschaft aus ihm gemacht".

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