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politik und kultur - Deutscher Kulturrat

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AUSWÄRTIGE KULTURPOLITIK<br />

Auswärtige Kultur<strong>politik</strong> wurde in den<br />

vergangenen Monaten lebhaft öffentlich<br />

diskutiert. Dies zeugt von erstarktem<br />

öffentlichem Interesse <strong>und</strong> ist<br />

begrüßenswert. Denn zum einen ist<br />

im Kontext jüngster Ereignisse –<br />

insbesondere ist hier der Karikaturenstreit<br />

zu nennen – die Bedeutung<br />

der Auswärtigen Kultur<strong>politik</strong> <strong>und</strong> die<br />

Notwendigkeit der Förderung des inter<strong>kultur</strong>ellen<br />

Austauschs <strong>und</strong> der<br />

internationalen Verständigung auch<br />

im öffentlichen Bewusstsein stärker<br />

geworden. Zum anderen fördert die<br />

breite <strong>und</strong> durchaus kontroverse Diskussion<br />

über Konzepte <strong>und</strong> Schwerpunkte<br />

den sich abzeichnenden Konsens<br />

über den Stellenwert der Auswärtigen<br />

Kultur<strong>politik</strong> als inhärenter<br />

<strong>und</strong> neben der klassischen Diplomatie<br />

<strong>und</strong> Außenwirtschafts<strong>politik</strong><br />

gleichwertiger Bestandteil der Außen<strong>politik</strong>.<br />

Unstrittig ist, dass tragfähige internationale<br />

Beziehungen ein<br />

<strong>kultur</strong>elles F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> belastbare<br />

Dialogstrukturen benötigen<br />

<strong>und</strong> zwar im Sinne des vielfältigen,<br />

offenen Austausches <strong>und</strong> der Verständigung<br />

zwischen den Kulturen<br />

<strong>und</strong> zwischen verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Ebenen. Nichts ist hierfür<br />

wichtiger als die Begegnung von<br />

Menschen, Kunstschaffenden, Medienfachleuten,<br />

Wissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> Studierenden zu fördern. Der<br />

Auswärtigen Kultur<strong>politik</strong> kommt als<br />

Medium <strong>und</strong> Botschafter für aktive<br />

Verständigung <strong>und</strong> produktive Auseinandersetzung,<br />

für Vielfalt <strong>und</strong> für<br />

Toleranz eine zentrale Rolle zu. Sie<br />

hat aber zugleich die Aufgabe, das<br />

Interesse an unserer Kultur <strong>und</strong> an<br />

unserem Land zu wecken <strong>und</strong> ein<br />

lebensnahes Bild von Deutschland<br />

als Kulturnation in Europa zu präsentieren.<br />

Es sind zugleich die Mittel<br />

der Kultur<strong>politik</strong>, mit denen<br />

Deutschland seine Rolle als Partner<br />

in der Welt bekräftigen kann – als ein<br />

Partner, der für klassische <strong>und</strong> zeitgenössische<br />

Kultur steht, der an<br />

gleichberechtigtem Dialog <strong>und</strong> Begegnung<br />

mit anderen Völkern <strong>und</strong><br />

Kulturen interessiert ist, der sich seiner<br />

Vergangenheit in offener Auseinandersetzung<br />

stellt <strong>und</strong> dadurch<br />

glaubwürdig ist.<br />

Auswärtige Kultur<strong>politik</strong> ist ein<br />

anderes Wort für Kulturbegegnung<br />

<strong>und</strong> Kulturaustausch, der in zweierlei<br />

Richtungen <strong>und</strong> keineswegs frei<br />

von politischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher<br />

Inwertsetzung stattfindet. Er befruchtet<br />

nicht nur das Kulturgeschehen in<br />

Deutschland, er schafft Bindungen,<br />

die positiv auf die politischen <strong>und</strong><br />

wirtschaftlichen Beziehungen ausstrahlen.<br />

Fraglos sind hiermit Sympathiewerbung<br />

für Deutschland, Informationsvermittlung<br />

über Land <strong>und</strong><br />

Leute verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

verfolgt die Auswärtige Kultur<strong>politik</strong><br />

stets auch unmittelbar die Interessen<br />

Deutschlands, seiner Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> seiner Wirtschaft. Es wäre aber<br />

falsch, sie auf die politisch-gesellschaftliche<br />

oder ihre außenwirtschaftliche<br />

Dimension, geschweige<br />

denn auf ihre Informations- <strong>und</strong> Darstellungsfunktion<br />

zu beschränken.<br />

Auch im außenpolitischen Zusammenhang<br />

darf die Kultur nicht allein<br />

zweckrationales Mittel sein. Sie muss<br />

als Eigenwert <strong>und</strong> in ihrer Besonderheit<br />

– als kreatives, schöpferisches<br />

<strong>und</strong> verwertungsfreies Momentum –<br />

das eigentliche Anliegen des Kulturaustausches<br />

<strong>und</strong> Auswärtiger Kultur<strong>politik</strong><br />

sein.<br />

Die gegenwärtige Diskussion unterstreicht<br />

die wichtige <strong>und</strong> unverzichtbare<br />

Rolle der auswärtigen Kulturarbeit.<br />

Sie macht allerdings auch<br />

deutlich, dass eine Verständigung<br />

über Leitlinien <strong>und</strong> strategische Ausrichtung<br />

überfällig ist. Weltpolitische<br />

Tendenzen <strong>und</strong> globale Entwicklun-<br />

<strong>politik</strong> <strong>und</strong> <strong>kultur</strong> • Sept. – Okt. 2006 • Seite 30<br />

Neue Impulse für die Auswärtige Kultur<strong>politik</strong><br />

Zur Großen Anfrage der Grünen B<strong>und</strong>estagsfraktion • Von Uschi Eid<br />

„CARGO“, Comicausstellung: Im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland <strong>und</strong> Israel realisieren sechs junge<br />

Zeichner eine Comicreportage über das jeweils andere Land. Foto: Goethe Institut<br />

gen mitsamt ihren tief greifenden<br />

Auswirkungen auf Gesellschaft,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Kultur machen eine<br />

selbstkritische Überprüfung <strong>und</strong><br />

notfalls Anpassung der Instrumente,<br />

Ziele <strong>und</strong> Konzepte der Auswärtigen<br />

Kultur<strong>politik</strong> dringend erforderlich.<br />

Vor vier Jahren wurden die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

<strong>und</strong> Schwerpunkte der Auswärtigen<br />

Kultur<strong>politik</strong> von der rotgrünen<br />

B<strong>und</strong>esregierung neu erarbeitet.<br />

In der „Konzeption 2000“ trug<br />

diese den neuen internationalen<br />

Herausforderungen, wie zum Beispiel<br />

dem Ende des Ost-West-Konfliktes,<br />

der deutschen Wiedervereinigung,<br />

den Terroranschlägen am 11.<br />

September <strong>und</strong> dem zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Kampf des islamischen F<strong>und</strong>amentalismus<br />

gegen freiheitliche<br />

Bürgergesellschaften westlicher Prägung,<br />

den ethnisch begründeten<br />

Konflikten in Südosteuropa <strong>und</strong> dem<br />

als notwendig erachteten europäischen<br />

Integrationsprozess Rechnung.<br />

Die programmatische Neuausrichtung<br />

war entsprechend stärker werteakzentuiert<br />

<strong>und</strong> verlangte von der<br />

Auswärtigen Kultur<strong>politik</strong> einen Beitrag<br />

zur Friedenssicherung <strong>und</strong> Konfliktprävention,<br />

sie sollte dialogisch<br />

ausgerichtet sein <strong>und</strong> die europäische<br />

sowie multilaterale Dimension<br />

stärken. Mit einer regionalen Schwerpunktsetzung<br />

in Ost-/Mitteleuropa,<br />

in Asien <strong>und</strong> im Nahen Osten setzte<br />

man entsprechende Akzente <strong>und</strong> in<br />

der medialen Außenrepräsentanz<br />

wollte man neue medientechnologische<br />

Entwicklungen nutzen.<br />

Dieses anspruchsvolle Aufgabenspektrum<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

programmatische Schwerpunktsetzungen<br />

haben auch im Lichte jüngerer<br />

weltgesellschaftlicher <strong>und</strong> -politischer<br />

Entwicklungen weder an<br />

Komplexität noch Relevanz verloren.<br />

Im Gegenteil: In der Vielfalt konkurrierender<br />

Kulturen zeichnen sich<br />

produktive Verständigungsformen,<br />

aber auch neue Grenzen der Verständigungsbereitschaft<br />

ab. Als Mittel<br />

der Konfliktverhütung muss die Auswärtige<br />

Kultur<strong>politik</strong> hier ihre Dialoginstrumente<br />

weiterentwickeln,<br />

aber auch die Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Erfolgsaussichten inter<strong>kultur</strong>eller<br />

Verständigung realistisch bewerten.<br />

Nur so wird sie auf Dauer <strong>kultur</strong>ell<br />

begründeten Konflikten <strong>und</strong> Entfremdungserscheinungen<br />

zwischen<br />

abendländischer <strong>und</strong> islamischer<br />

Welt entgegenwirken können.<br />

Kulturelle Beziehungen unter<br />

den Bedingungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zu gestalten heißt Gegenläufigkeiten,<br />

aber auch erstaunlichen gemeinsamen<br />

Entwicklungsprozessen<br />

Rechnung zu tragen. Sensible Kulturarbeit<br />

erfordert ein Bewusstsein<br />

für den eigenen Standort <strong>und</strong> eine<br />

reflektierte <strong>und</strong> verlässliche Präsenz<br />

im globalen gesellschaftlichen Gefüge.<br />

Nullsummenspiele sind hier<br />

fehl am Platz. Weil aufstrebende dynamische<br />

Wirtschaftsregionen zu<br />

recht neue <strong>kultur</strong>politische Aufmerksamkeit<br />

verdienen, sind gewachsene<br />

regionale Schwerpunkte<br />

der Auslands<strong>kultur</strong>arbeit nicht aufzugeben.<br />

Dies bleibt vor allem mit<br />

Blick auf die <strong>kultur</strong>elle Zusammenarbeit<br />

in Europa festzuhalten. Gerade<br />

nach dem Scheitern des europäischen<br />

Verfassungsprozesses <strong>und</strong> beobachtbarenRenationalisierungstendenzen<br />

in einzelnen Mitgliedsländern<br />

ist eine Stärkung der europäischen<br />

Dimension Auswärtiger<br />

Kultur<strong>politik</strong> wichtiger denn je. Für<br />

den Integrationsprozess eines erweiterten<br />

Europas sind der Faktor „Kultur“,<br />

neue <strong>kultur</strong>elle Initiativen <strong>und</strong><br />

Impulse jene entscheidende „Währung“,<br />

um Europa in seiner <strong>kultur</strong>ellen<br />

Vielfalt <strong>und</strong> als Wertegemeinschaft<br />

zusammenwachsen zu lassen.<br />

Versucht man zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt eine Bilanz der Auswärtigen<br />

Kultur<strong>politik</strong>, so zeigt sich<br />

eine Reihe strategischer Leerstellen<br />

<strong>und</strong> Unstimmigkeiten. Konzeptionelle<br />

Impulse sind dringend notwendig,<br />

um Aufgaben <strong>und</strong> vorhandene<br />

Instrumente miteinander in<br />

Einklang zu bringen <strong>und</strong> die Arbeit<br />

der zahlreichen Mittlerorganisationen<br />

zu stärken. Und es geht um<br />

mehr als Struktur- <strong>und</strong> Ressourcenfragen.<br />

Jüngst hat Außenminister<br />

Steinmeier die Auswärtige Kultur<strong>politik</strong><br />

als „Brückenpfeiler“ neu umschrieben,<br />

als unverzichtbares <strong>und</strong><br />

aufzuwertendes Instrument mit dem<br />

die „Köpfe <strong>und</strong> Herzen der Menschen“<br />

erreicht werden. Derzeit aber<br />

sind mehr als löbliche Wertschätzung<br />

<strong>und</strong> neue Metaphern gefragt.<br />

Es geht vor allem um eine Verständigung<br />

darüber, welche Ziele mit<br />

auswärtiger Kulturarbeit realistischerweise<br />

verfolgt werden sollen<br />

<strong>und</strong> wie ein zukunftsfähiger Kulturaustausch<br />

konzeptionell gestaltet<br />

<strong>und</strong> weiterentwickelt werden kann.<br />

Gerade weil die Auswärtige Kultur<strong>politik</strong><br />

derzeit mit neuen Dialognotwendigkeiten<br />

<strong>und</strong> sich abzeichnenden<br />

Zivilisationskonflikten konfrontiert<br />

ist, ist eine Überprüfung des<br />

ohnehin komplexen Aufgabenkatalogs<br />

<strong>und</strong> nicht seine ziellose Erweiterung<br />

notwendig. Nach wie vor<br />

aber steht eine Befragung der vorhandenen<br />

Instrumente auf ihre<br />

Wirksamkeit hin <strong>und</strong> eine Evaluierung<br />

der Programme aus. Ohne eine<br />

solche umfassende Evaluierung <strong>und</strong><br />

konzeptionelle Klärung dessen, was<br />

Das Stuttgarter Sparmodell<br />

Zehntausende Blätter der Graphischen<br />

Sammlung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums<br />

warten nach<br />

Informationen der Süddeutschen<br />

Zeitung vom 12. August darauf wenigsten<br />

inventarisiert zu werden.<br />

Der zuständige Mitarbeiter ist auch<br />

noch in den Vorruhestand gegangen<br />

<strong>und</strong> seine Stelle wird zwei Jahre lang<br />

nicht besetzt.<br />

Ein Problem, nein eine Chance. Der<br />

Rechnungshof Baden-Württemberg hat<br />

jüngst, wie er es nennt, „Verbesserungspotenziale<br />

im inneren Betrieb“ der<br />

Staatsgalerie Stuttgart ausfindig gemacht,<br />

die als Vorbild dienen sollten.<br />

Er empfiehlt zum Beispiel einen maßvollen<br />

Abbau der Sammlungsbestände<br />

der Staatsgalerie Stuttgart. Der Rechnungshof<br />

glaubt, dass damit räumliche<br />

<strong>und</strong> personelle Ressourcen freigesetzt<br />

werden <strong>und</strong> außerdem auch ein Ver-<br />

von der Auswärtigen Kultur<strong>politik</strong><br />

erwartet wird, sind weder weitergehende<br />

Finanzierungsfragen politisch<br />

sinnvoll verhandelbar noch lassen<br />

sich regionale Schwerpunktsetzungen<br />

bewerten. Noch weniger<br />

aber lassen sich Debatten – wie etwa<br />

die über die geostrategische Ausrichtung<br />

der Kulturarbeit der Goethe-Institute<br />

– produktiv führen.<br />

Dass das Jahr 2006 vom Auswärtigen<br />

Amt als Reflexionsphase angekündigt<br />

wurde, um die im Jahr 2002 formulierten<br />

Leitsätze zu überprüfen, ist<br />

zu begrüßen. Insofern kommt die Große<br />

Anfrage der Grünen B<strong>und</strong>estagsfraktion<br />

zum richtigen Zeitpunkt <strong>und</strong><br />

sie kann <strong>und</strong> – dies ist erklärter Anspruch<br />

– will einen konstruktiven Beitrag<br />

zu dieser Reflexionsarbeit leisten.<br />

Der Verfasserin ist Sprecherin für<br />

Auswärtige Kultur- <strong>und</strong> Bildungs<strong>politik</strong><br />

der B<strong>und</strong>estagsfraktion<br />

Bündnis 90/Die Grünen<br />

Zimmermann’s Blackout<br />

äußerungserlös zu erzielen sei. Dieser<br />

Abbau der Sammlungsbestände der<br />

Staatsgalerie Stuttgart ist aber auch<br />

deshalb notwendig, weil die Prüfung ergeben<br />

hat, dass die Staatsgalerie mit<br />

der sachgerechten Verwaltung des bisherigen<br />

Bestandes teilweise überfordert<br />

ist, so der Rechnungshof Baden-<br />

Württemberg weiter. Na also, da ist<br />

doch die Lösung all unserer Probleme.<br />

Wenn ein Museum, unterfinanziert <strong>und</strong><br />

im Personalnotstand, mit seiner Arbeit<br />

nicht nachkommt, verkaufen wir doch<br />

einfach die Sammlung. Ohne Sammlung<br />

hat man auch keine Arbeit mit ihr<br />

– ist doch logisch.<br />

Die Kölner sollten sich an dem Stuttgarter<br />

Sparmodell ein Beispiel nehmen,<br />

damit der tolle Vorschlag des Rechnungshofes<br />

endlich Schule macht.<br />

Olaf Zimmermann

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