Marcus de Bye - Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
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Überraschen<strong>de</strong>r Fall von Restitution<br />
in <strong>de</strong>r <strong>Kunsthalle</strong> <strong>Karlsruhe</strong><br />
43 Druckgrafiken von <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> gehen nach Toronto<br />
Die <strong>Staatliche</strong> <strong>Kunsthalle</strong> <strong>Karlsruhe</strong> gibt ein Konvolut von 43 Druckgrafiken aus <strong>de</strong>m<br />
17. Jahrhun<strong>de</strong>rt an <strong>de</strong>n Neffen <strong>de</strong>s ehemaligen jüdischen Besitzers Iwan Moos<br />
(1881– 1971) zurück. Die Grafiken sind nie ins Eigentum <strong>de</strong>r <strong>Kunsthalle</strong> übergegangen,<br />
lagerten aber <strong>de</strong>nnoch seit 1953 im Kupferstichkabinett, in <strong>de</strong>m über 90 000<br />
Blätter aufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Da sie keine Inventarnummern trugen, wur<strong>de</strong>n sie bei<br />
einer Inventur im Herbst 2011 als nicht zum Bestand <strong>de</strong>r <strong>Kunsthalle</strong> gehörend<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert. Im Rahmen <strong>de</strong>r Provenienzforschung am Haus konnte durch intensive<br />
Recherchen <strong>de</strong>r rechtmäßige Eigentümer ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong>, Löwe <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong>, Bär<br />
Der Kunsthändler Iwan Moos führte zusammen mit seinem Bru<strong>de</strong>r eine Galerie in <strong>de</strong>r<br />
<strong>Karlsruhe</strong>r Innenstadt, die schon vor <strong>de</strong>m Ersten Weltkrieg gegrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n war. In<br />
<strong>de</strong>n 1920er Jahren vertrat sie be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> zeitgenössische Künstler, u.a. aus <strong>de</strong>r<br />
Gruppe Rih. Nach <strong>de</strong>r Machtergreifung <strong>de</strong>r Nationalsozialisten wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
jüdischen Kunsthändlern 1936 von <strong>de</strong>r Reichskulturkammer das Verbot erteilt, Kunst<br />
zu verkaufen o<strong>de</strong>r zu versteigern. Daraufhin verkaufte Iwan Moos am 1. Dezember<br />
1936 sein La<strong>de</strong>ngeschäft in <strong>de</strong>r Karlstraße an Armin Graeff. Sein privater Kunstbesitz<br />
wur<strong>de</strong> konfisziert. Am 24. Oktober 1940 wur<strong>de</strong> Iwan Moos nach Gurs <strong>de</strong>portiert.<br />
Zuvor war er bereits einige Zeit in Dachau inhaftiert gewesen. Er hat die Internierung<br />
in bei<strong>de</strong>n Konzentrationslagern überlebt.<br />
Die beschlagnahmten Kunstgegenstän<strong>de</strong> gelangten an <strong>de</strong>n <strong>Karlsruhe</strong>r Polizeipräsi<strong>de</strong>nten,<br />
<strong>de</strong>r aus diesem Bestand am 29. August 1941 u.a. eine Mappe mit<br />
Radierungen von <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> (1621–1679) als museal wertvolles Kunstgut aus<br />
jüdischem Besitz an die <strong>Kunsthalle</strong> überwies. Diese Zugangsinformation ist auch im<br />
Inventarbuch <strong>de</strong>s Kupferstichkabinetts vermerkt. Nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges wur<strong>de</strong>n die<br />
Radierungen aus <strong>de</strong>m Inventar getilgt und als „ehemals jüdischer Besitz“ an <strong>de</strong>n<br />
Central Collecting Point Wiesba<strong>de</strong>n (CCP) abgegeben. Einer Aktennotiz vom 21.<br />
August 1950 ist zu entnehmen, dass <strong>de</strong>r damalige <strong>Kunsthalle</strong>nleiter Kurt Martin<br />
(1899–1975), Iwan Moos über diese Abgabe persönlich informiert hat: „Herr Moos<br />
konnte im Rahmen dieses Termins eine Reihe von Objekten als seinen Besitz<br />
i<strong>de</strong>ntifizieren, z.B. Arbeiten von Poeck, Zeichnungen von Schwind, Kulissen von<br />
Thoma und mehrere Reihen Druckgrafik.“<br />
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<strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong>, Leopard Iwan Moos<br />
In Wiesba<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n für alle abgegebenen Kunstwerke eigene Karteikarten<br />
angelegt, auf <strong>de</strong>nen die Alliierten die über sie zu ermitteln<strong>de</strong>n Informationen<br />
notierten. Diese sogenannten Property-cards haben sich im Bun<strong>de</strong>sarchiv in Koblenz<br />
erhalten. Aus ihnen geht hervor, dass die Radierungen von <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> am 20.<br />
Juni 1952 aus <strong>de</strong>m CCP Wiesba<strong>de</strong>n an die Treuhandverwaltung für Kulturgutverluste<br />
in München überwiesen wur<strong>de</strong>n und von dort am 21. April 1953 an Iwan Moos<br />
restituiert. Offenbar erfolgte die Abgabe jedoch nicht direkt an <strong>de</strong>n Geschädigten,<br />
son<strong>de</strong>rn über die <strong>Kunsthalle</strong>, wo Moos sich sein Eigentum wahrscheinlich abholen<br />
sollte. Die genauen Hintergrün<strong>de</strong> dieses Vorgangs konnten nicht ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Generallan<strong>de</strong>sarchiv <strong>Karlsruhe</strong> hat sich zwischen <strong>de</strong>n alten Korrespon<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r<br />
<strong>Kunsthalle</strong> eine von Karl Lin<strong>de</strong>gger (Inhaber <strong>de</strong>r Kunsthandlung M. Bieg&Co.,<br />
<strong>Karlsruhe</strong>, Aka<strong>de</strong>miestr. 16) unterschriebene Empfangsbescheinigung erhalten, die<br />
besagt, dass die Radierungen von <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> zusammen mit weiteren<br />
Papierarbeiten von Schwind und Poeckh sowie zwei Ölgemäl<strong>de</strong>n am 24. Juni 1954<br />
von <strong>de</strong>r <strong>Staatliche</strong>n <strong>Kunsthalle</strong> <strong>Karlsruhe</strong> an ihn übergeben wur<strong>de</strong>n. Lin<strong>de</strong>gger<br />
übernahm diese Kunstwerke im Auftrag von Iwan Moos. Das von Lin<strong>de</strong>gger<br />
unterschriebene Dokument mit <strong>de</strong>r Listung <strong>de</strong>r übergebenen Kunstwerke wird durch<br />
folgen<strong>de</strong>n Satz eingeleitet: „Hiermit bestätige ich, von <strong>de</strong>r <strong>Staatliche</strong>n <strong>Kunsthalle</strong><br />
<strong>Karlsruhe</strong> für Herr I. Moos übernommen zu haben […].“ Am Vortag hatte er bereits<br />
sechs Kulissen für ein Puppentheater von Hans Thoma und einen Holzschnitt, das<br />
Großherzoglich Badische Grenzpersonal darstellend, für Iwan Moos quittiert. Aus<br />
ungeklärten Grün<strong>de</strong>n sind die druckgrafischen Blätter von <strong>de</strong>r Hand <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong>s<br />
trotz<strong>de</strong>m im <strong>Karlsruhe</strong>r Kupferstichkabinett verblieben. Erst im Rahmen <strong>de</strong>r aktuellen<br />
Aufarbeitung <strong>de</strong>r Provenienzen <strong>de</strong>s Bestands konnten kürzlich die Nachfahren von<br />
Iwan Moos ermittelt wer<strong>de</strong>n. Die Tochter von Iwan Moos, Marion Meyer-Moos (1924–<br />
2012) lebte in Genf. Da sie die Blätter nicht übernehmen wollte, vermachte sie sie<br />
ihrem Cousin Walter Moos, <strong>de</strong>r in Toronto ganz im Sinne <strong>de</strong>r Familientradition eine<br />
Kunstgalerie führt.<br />
Die Tatsache, dass die Papierarbeiten nach 76 Jahren wie<strong>de</strong>r zurück in <strong>de</strong>n Besitz<br />
<strong>de</strong>r Familie Moos überführt wer<strong>de</strong>n können, ist für die <strong>Kunsthalle</strong> ein sehr<br />
erfreuliches Ereignis und zeigt, wie die aktive Provenienzforschung am Museum<br />
auch spät noch für alle Seiten befriedigen<strong>de</strong> Ergebnisse erbringen kann.<br />
2
Wolfgang Strauß aus Karlsbad verwahrte weitere Kunstwerke aus <strong>de</strong>m Besitz von Iwan Moos.<br />
Fehlen<strong>de</strong> Werke aufgetaucht<br />
Reaktion auf Bekanntgabe <strong>de</strong>r Restitution <strong>de</strong>r Zeichnungen von<br />
<strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> in <strong>de</strong>r <strong>Kunsthalle</strong> <strong>Karlsruhe</strong><br />
Als Reaktion auf die Berichterstattung über die Rückgabe <strong>de</strong>r 43 Druckgraphiken von<br />
<strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> an die Erben nach Iwan Moos (1881-1971) in <strong>de</strong>r örtlichen<br />
Tageszeitung mel<strong>de</strong>te sich ein Freund <strong>de</strong>r Familie Moos, Dipl. Volkswirt Wolfgang<br />
Strauß, aus Karlsbad. Er hatte bereits 2007 einige Kunstwerke aus <strong>de</strong>m Besitz von<br />
Iwan Moos, die fälschlicherweise in <strong>de</strong>r <strong>Kunsthalle</strong> lagerten, im Auftrag von <strong>de</strong>ssen<br />
Familie übernommen, um sie zu verkaufen. Dies ist ihm bis heute nicht gelungen. Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich um Werke, die <strong>de</strong>r ehemalige <strong>Kunsthalle</strong>nleiter Kurt Martin (1899–1975)<br />
bereits am 21. August 1950 als Eigentum von Iwan Moos erkannt hatte, was er in<br />
einer Aktennotiz erwähnte: „Herr Moos konnte im Rahmen dieses Termins eine<br />
Reihe von Objekten als seinen Besitz i<strong>de</strong>ntifizieren, z.B. Arbeiten von Poeckh,<br />
Zeichnungen von Schwind, Kulissen von Thoma und mehrere Reihen Druckgrafik.“<br />
Der Maler Theodor Poeckh (1839-1921) lehrte von 1878 bis 1892 an <strong>de</strong>r <strong>Karlsruhe</strong>r<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künste. Die von Strauß damals übernommenen<br />
Zeichnungen von Poeckh, ein farbiger Stahlstich sowie fünf Kulissen für ein<br />
Puppentheater von Hans Thoma wer<strong>de</strong>n nun zusammen mit <strong>de</strong>n Tierdarstellungen<br />
von <strong>Marcus</strong> <strong>de</strong> <strong>Bye</strong> nach Toronto zu ihren rechtmäßigen Eigentümern versand.<br />
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