Ausgabe 01-12 - Lebenshilfe Waltrop

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Lebenshilfe Journal - Seite 18 Ambulanter Dienst Körper, Liebe und Sexualität - Wie kann ich als Angehöriger damit umgehen? Von Julia Kerker Katja ist 17 Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Sie hat sich in einen der Betreuer vom Freizeit-Treff verliebt und will ihn ständig umarmen und am liebsten auch küssen. Der Betreuer weiß gar nicht so recht, was er tun soll, um Katja auf Distanz zu halten, sie aber nicht vor den Kopf zu stoßen. Katjas Mutter ist die Situation, die es auch schon des Öfteren mit verschiedenen Betreuern gab, allmählich unangenehm. Sie kann ihrer Tochter kaum begreiflich machen, warum die Betreuer keine Beziehung mit ihr eingehen können und wollen. Katja möchte auf jeden Fall einen Freund haben und auch mal Zärtlichkeiten austauschen. Schon dieses kleine Beispiel aus dem Alltag lässt ein großes Dilemma im Leben behinderter Menschen erkennen. Es ist nur ein Beispiel aus der breiten Palette der Themen und Problemstellungen rund um Sexualität und Behinderung, aber es macht trotzdem schon im Ansatz deutlich, mit welchen Problemen die Beteiligten, wie z.B. Angehörige, BegleiterInnen und vor allem die Betroffenen selbst konfrontiert werden können. Zunächst ist es aber sicher von Bedeutung klarzustellen, dass jeder Mensch ein Recht auf Sexualität bzw. sexuelle Selbstbestimmung hat. Dies lässt sich aus den ersten drei Artikeln des Grundgesetzes ableiten: Artikel 1: Unantastbarkeit der menschlichen Würde, Artikel 2: Recht auf Persönlichkeitsentfaltung und Artikel 3: Benachteiligungsverbot aufgrund von Behinderung. Sicher benötigen viele Menschen mit Behinderungen eine lebenslange Begleitung in Fragen der Sexualität, aber dennoch ist dies immer eine höchstpersönliche Angelegenheit und ein menschliches Grundbedürfnis, ganz unabhängig von einer Behinderung. Es ist sehr wichtig, bei jeder Diskussion über Themen aus dem Bereich Sexualität und Behinderung eine weite Definition von Sexualität zu Grunde zu legen. Es geht um weit mehr als „nur“ Geschlechtsverkehr, es geht oft vielmehr um Zärtlichkeiten, Berührungen, Flirten und ähnliches. Besonders bei Menschen mit schwereren Behinderungen geht es auch um Körper- und Sinneserfahrungen. Die Sexualität behinderter Menschen wird regelmäßig zusätzlich behindert durch ein regelrechtes doppeltes Tabu: Die beiden Tabus von Sexualität und Behinderung potenzieren sich in der nicht- behinderten Gesellschaft häufig, wenn sie aufeinander treffen und versperren den Betroffenen die wichtigen Zugänge zu Information und Austausch über Sexualität. Also ist es, besonders für die Angehörigen, wichtig, viel Mut, Spaß und Kreativität bei diesen Themen aufzubringen. Es wird ihnen viel abverlangt, denn eine aktive, lebensnahe und konkrete Sexualerziehung und -begleitung sind unglaublich wichtig. Diese sollten natürlich möglichst früh einsetzen und sich Lebensbegleitend fortsetzen. Die Tabus aufrecht erhalten, hätte fatale Folgen für die Menschen mit Behinderungen. Es ist sehr wichtig, dass sie schon in jungen Jahren eine Sprache für Sexualität entwickeln, z.B. um sich auch selbst Informationen beschaffen zu können und ihre Sexualität damit besser ausleben zu können. Bei all diesen Problemstellungen sollten dennoch alle, die mit Menschen mit Behinderungen zu diesem Thema zu tun haben, eines auf keinen Fall aus den Augen verlieren: Sexualität ist schön! Es ist eine Lebensenergie und etwas grundsätzlich Positives! Wir sollten versuchen, eine darauf aufbauende Grundeinstellung zu vermitteln. Was kann ich als Angehöriger tun? 1. Stellen Sie sich dem Thema! Tabuisieren Sie nicht und stellen Sie sich dem Thema. Mit dieser Herangehensweise haben Sie schon viel gewonnen. Machen Sie immer wieder Gesprächsangebote und greifen Sie dazu alltägliche Situationen auf, wie z.B. die schwangere Nachbarin oder die Benennung der Körperteile beim täglichen Waschen. Sie sollten möglichst keinen Druck ausüben und gerade bei diesem schwierigen Thema sich nicht scheuen, (professionelle) Unterstützung in Anspruch nehmen. 2. Gehen Sie verantwortungsvoll damit um! Sexualität oder sexuelles Verlangen hat nichts mit der Art oder dem Grad der Behinderung zu tun. Sie sollten in jedem Fall nicht ignoriert werden, ganz nach dem Motto „Keine schlafenden Hunde wecken“. Selbstverständlich tauchen oft nach den ersten Stunden Sexualkundeunterricht in der Schule weitere Fragen und Interesse auf, aber das sollte Sie als Eltern nicht davon abhalten, weiter auf diese einzugehen. Was Sie immer beachten müssen, ist, dass natürlich oft die körperliche und geistige Entwicklung der Menschen mit Behinderungen weit auseinander geht. Besonders in der Pubertät wird dies deutlich, wenn z.B. derjenige äußerlich zum Mann heranreift und somit auch von seiner Umwelt als solcher wahrgenommen wird, innerlich aber nach wie vor großen Entwicklungsbedarf hat. 3. Es ist wichtig zu wissen was dazugehört! Eine erfolgreiche Sexualaufklärung von Menschen mit Behinderungen verlangt nicht nur den Einsatz besonderer Methoden und Materialien, die dem Entwicklungsstand angepasst sind, sondern auch die Vorstellung aller Themenbereiche rund um das Thema. Alle Beteiligten sollten sich, auch wenn es gerade bei diesem Thema schwer- fällt, eine möglichst einfache Sprache aneignen. Es passiert
Ambulanter Dienst hier häufig, dass man aus Unsicherheit in eine besonders verschachtelte und komplizierte Sprache verfällt. Es gibt außerdem immer mehr Bücher und Broschüren in leichter Sprache mit vielen Bildern, die sich gut für den Einsatz in diesem Gebiet eignen. Grenzen in der Vermittlung gibt es selbstverständlich, aber dennoch können alle Menschen sicher von einer durchdachten Sexualpädagogik profitieren. So könnte die junge Katja aus unserem eingangs erwähnten Beispiel unter anderem an einer sexualpädagogischen Einzelberatung teilnehmen. Es könnte intensiv an Themen wie Nähe und Distanz oder auch Partnerschaft gearbeitet werden. Sie könnte auch durch ein „Flirt-Seminar“ oder andere Gruppen Kontakte zu anderen Singles mit Behinderung knüpfen und so vielleicht einen Partner kennenlernen. Des Weiteren muss natürlich ihr Elternhaus immer wieder erklären, warum sie in keinem Fall eine Beziehung mit einem Betreuer eingehen kann. Dies ist sicher ein langer aber wichtiger Prozess. Eine umfassende Aufklärung durch die Angehörigen und auch durch andere Stellen ist sehr wichtig, da sie u. a. erste Schritte der Prävention vor sexuellen Übergriffen darstellt. Nur wer Bescheid weiß, kann sich wehren und überhaupt begreifen und berichten, wenn ein Übergriff passiert ist. Es ist von großer Bedeutung, dass bereits Kinder und Jugendliche ein positives Körpergefühl vermittelt bekommen und so ihr Selbstwertgefühl steigern können. Sie sind darauf aufbauend oft besser in der Lage, eigene und fremde Grenzen wahrzunehmen und einzuhalten. Und es hilft ihnen, gute und schlechte Gefühle zu differenzieren und sie auch so zu kommunizieren. Aufklärung und Information helfen den Menschen mit Behinderungen -und auch allen ohne Behinderung- außerdem, ihre Sexualität auszuleben bzw. zu kanalisieren. So können mitunter Sekundärprobleme vermieden oder gemildert werden. Zum Beispiel kann die fehlende Information, wie der junge Mann mit geistiger Behinderung beim Masturbieren zum Erfolg kommen kann, Frustration und womöglich auch Verletzungen vorbeugen. Patentrezepte zum Umgang mit dem Thema Sexualität behinderter Menschen gibt es leider weder für Angehörige noch für Fachleute. Es gibt zu viele ganz individuelle Unterschiede und die Sexualität betrifft immer die ganze Persönlichkeit. Lassen Sie sich dennoch nicht entmutigen und bleiben Sie aktiv und offen! Unseren aktuellen Flyer zum Thema erhalten Sie in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Flyer Kontakt: Julia Kerker Tel.: 0 23 09 - 95 88 16 E-Mail: kerker@lebenshilfe-waltrop.de Lösung Suchbild Seite 15 Lebenshilfe Journal - Seite 19 Neue Mitarbeiterin der Lebenshilfe Waltrop im Bereich Bildung Seit dem 15. Januar gibt es ein neues Gesicht in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Datteln, Castrop-Rauxel. Oer-Erkenschwick, Waltrop. Hannah Bennemann befasst sich ab sofort mit dem Bildungsbereich des Vereins, insbesondere innerhalb des Mach et. Dabei stehen vor allem die Bedürfnisse der Kunden und Klienten im Vordergrund. Sie sollen in ihren individuellen Fähigkeiten und Interessen gestärkt werden und mehr Raum für ein selbst bestimmtes Leben gewinnen. Die neue Kollegin koordiniert außerdem das Weiterbildungsprogramm „Durchblick" für MitarbeiterInnen der Lebenshilfe Waltrop. Immer offen für Anregungen erreicht ihr sie so: montags 12-16 Uhr, donnerstags 14:30-18:30 Uhr und freitags 9-13 Uhr in der Geschäftsstelle in der Kukelke 1,45731 Waltrop Telefonisch: 02309 - 958822 per Mail: bennemann@lebenshife-waltrop.de
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