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Qualitätssicherung in der Spinnfaser-Erzeugung - Lenzing

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April 1991 LENZINGER BERICHTE Heft 72<br />

<strong>Qualitätssicherung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nfasergarn-<strong>Erzeugung</strong><br />

(Quality Systems <strong>in</strong> the Production of Spun Fiber Yarns)<br />

Prof. Dr-Ing. Wolfgang Topf, Reutl<strong>in</strong>gen, Bundesrepublik Deutschland<br />

Spezielle Techniken zur Qualitätsbeurteilung und <strong>Qualitätssicherung</strong><br />

gew<strong>in</strong>nen zunehmend an Bedeutung. Die Automobil<strong>in</strong>dustrie über-<br />

nimmt mit ihrer hochrationalisierten Massenfe,rtigung bei extrem redu-<br />

zierter Lagerhaltung hier e<strong>in</strong>e führende Rolle. Uber verschiedene Syste-<br />

me greift <strong>der</strong> Verarbeiter textiler Flächen heute auch bis <strong>in</strong> die<br />

Organisation <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei und den Betriebsablauf <strong>der</strong> Garnherstel-<br />

lung e<strong>in</strong>. Maßnahmen zur Untersuchung <strong>der</strong> Prozeßfähigkeit, statisti-<br />

schen Prozeßregelung (SPC), die Fehler-Möglichkeits- und ,,E<strong>in</strong>fluß-<br />

Analyse (FMEA) und ähnliches mehr werden verlangt. Die Ubertra-<br />

gung an sich bekannter Verfahren auf die Sp<strong>in</strong>nerei erfor<strong>der</strong>t aber ganz<br />

beson<strong>der</strong>e Regeln.<br />

Für den Bereich <strong>der</strong> Garnerzeugung werden <strong>in</strong> Anlehnung an die ge-<br />

nannten Stichworte (SPC, FMEA) Methoden zur <strong>Qualitätssicherung</strong> vor-<br />

gestellt und die organisatorischen und verwaltungstechnischen Änfor-<br />

<strong>der</strong>ungen sowie allgeme<strong>in</strong>es zur Prüftechnik und zur Datenaufbe-<br />

reitung bzw. Datenverarbeitung erörtert.<br />

Special techniques for quality assessment and quality assurance are<br />

ga<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>g importante. The automobile <strong>in</strong>dustry takes over a<br />

lead<strong>in</strong>g role with its highly rationalised mass production and an<br />

extremely reduced material storage.<br />

Today the textile manufacturer <strong>in</strong>terferes wrth the Organisation and<br />

process<strong>in</strong>a of spun fiber varn production throuah various svstems.<br />

Measuresfor <strong>in</strong>vestigat<strong>in</strong>g process capability, stati&cal process’control<br />

(SPC), failure mode and effect analvsis (FMEA) and similar subiects are<br />

bei@ demanded. The adaptioi of these’ methods for sp<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g<br />

processes needs special regulations.<br />

This Paper will present quality assurance methods for yarn sp<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g<br />

processes, based on the kevwords SPC. FMEA, etc. Us<strong>in</strong>a these<br />

fundamentals, it is necessary to discuss the demands placed on<br />

Organisation and adm<strong>in</strong>istration as well as general Problems <strong>in</strong><br />

connection with test<strong>in</strong>g techniques, data preparation and data<br />

process<strong>in</strong>g.<br />

<strong>Qualitätssicherung</strong> gibt es solange <strong>der</strong> Mensch Produkte, z.B.<br />

auch Garne, herstellt!<br />

Wir alle sichern an irgend e<strong>in</strong>er Stelle Qualität“ als Produzent<br />

ebenso wie als Dienstleister o<strong>der</strong> als Qualitäts<strong>in</strong>genieur (übri-<br />

gens e<strong>in</strong> Titel, <strong>der</strong> bisher lei<strong>der</strong> nicht geschützt ist).<br />

Nur durch immer stärkere Arbeitsteilung <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Indu-<br />

strie ist die heutige Produktqualität zu vertretbaren Kosten und<br />

<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong> Menge herstellbar Wenn demnach nicht mehr<br />

e<strong>in</strong> Mensch e<strong>in</strong> Produkt alle<strong>in</strong>verantwortlich herstellt, herstellen<br />

kann, so ist er auf Zulieferer angewiesen.<br />

1. Die Grundlagen e<strong>in</strong>er <strong>Qualitätssicherung</strong><br />

Bei hochrationalisierter Massenfertigung, wie sie beispielsweise<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektronik o<strong>der</strong> im Automobilbau betrieben wird, ergeben<br />

sich tiefgreifende Abhängigkeiten zwischen Kunden und Liefe-<br />

ranten irgendwelcher Komponenten. Je<strong>der</strong> Lieferant ist im Nor-<br />

malfall auch wie<strong>der</strong> Kunde bei Vorlieferanten u.s.f. E<strong>in</strong>e Kette<br />

von Verflechtungen hat sich da entwickelt. Wenn dieses Bild von<br />

<strong>der</strong> Kette und ihrer Verflechtung stimmt, so kommt sofort <strong>der</strong><br />

Gedanke <strong>in</strong>s Spiel, daß e<strong>in</strong>e Kette bekanntlich nur so stark ist,<br />

wie ihr schwächstes Glied. Die Logik erzw<strong>in</strong>gt, daß somit je<strong>der</strong><br />

Verarbeiter e<strong>in</strong>es Produktes größten Wert auf gesicherte Qualität<br />

des vom Zulieferer gekauften Produktes legen muß, sonst bricht<br />

die Kette.<br />

Im Automobilbau, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektronik, zum Bau von Industrieanla-<br />

gen usw. s<strong>in</strong>d Systeme entwickelt worden, mit denen die quali-<br />

tätsbezogene Verflechtung <strong>der</strong> ,,Kettenglie<strong>der</strong>“ organisatorisch<br />

erfaßt und gesteuert werden kann.<br />

Über solche Systeme greift <strong>der</strong> Verarbeiter von textilen Flächen<br />

-z.B. Polsterstoffe im Automobil o<strong>der</strong> Glasgewebe bei Leiterplat-<br />

ten - heute über den Weber o<strong>der</strong> den Ausrüster usw. bis auf<br />

den Garnhersteller und gegebenenfalls auch auf den Faserpro-<br />

duzenten zurüclk und nimmt großen Anteil an dessen Organisa-<br />

tion und Arbeitsablauf.<br />

Es ist ke<strong>in</strong>eswegs ungewöhnlich, daß e<strong>in</strong> Garnhersteller von sei-<br />

nem Kunden e<strong>in</strong>en Brief mit Fragebögen bekommt, nach denen<br />

e<strong>in</strong>e sogenannte Lieferantene<strong>in</strong>stufung vorgenommen werden<br />

soll. In den meisten Fällen lehnen sich solche E<strong>in</strong>stufungssyste-<br />

me an DIN ISO 9000 bis 9004 bzw. an die gleichlautende EN<br />

29000 bis EN 29004 an und werden oft mit Punktbewertungen<br />

objektiviert.<br />

E<strong>in</strong>e Problematik solcher Lieferantene<strong>in</strong>stufungen liegt <strong>in</strong> dem<br />

Punktsystem. Danach kann es se<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong> an sich bewährter<br />

Lieferant herabgestuft werden muß, weil er bestimmte gefor<strong>der</strong>-<br />

te Organisations-Strukturen nicht besitzt vielleicht läßt bei-<br />

spielsweise se<strong>in</strong>e Betriebsgröße bestimmte Organisationen<br />

nicht zu. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Rückstufungsgrund kann e<strong>in</strong> fehlendes,<br />

formalisiertes Programm zur Mitarbeiterschulung se<strong>in</strong> und ähnli-<br />

ches mehr.<br />

Wesentliche Fragen, die neben <strong>der</strong> Organisation immer wie<strong>der</strong><br />

auftauchen, beziehen sich auf die Prozeßfähigkeit (SPC), die<br />

Fehler-Möglichkeits- und E<strong>in</strong>fluß-Analyse (FMEA) und auf die<br />

Dokumentation <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong>smaßnahmen.<br />

Im folgenden werden diese Begriffe untersucht und aus <strong>der</strong><br />

Sp<strong>in</strong>nerei mit Beispielen erläutert. Daraus ergeben sich Ansätze,<br />

wie den For<strong>der</strong>ungen des Kunden Genüge getan werden kann,<br />

2. Die Organkation <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Garn-<br />

erzeugung<br />

Die <strong>Qualitätssicherung</strong> kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen, gleich wel-<br />

cher Branche o<strong>der</strong> Struktur, immer nur ,,von oben” ausgehen<br />

(Abb. 1). Somit ist es wichtig, daß auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei die<br />

grundsätzlichen, unternehmensstrategischen Ziele und Vorge-<br />

hensweisen, die Analitätspolitik, von <strong>der</strong> Unternehmensleitung<br />

festgelegt werden. Gemäß DIN ISO 9001 hat e<strong>in</strong> Lieferant si-<br />

cherzustellen, daß se<strong>in</strong>e Qualitätspolitik <strong>in</strong> allen Ebenen des Un-<br />

ternehmens verstanden und e<strong>in</strong>geführt ist und auch beachtet<br />

wird.<br />

Die Verantwortungen, die Zuständigkeiten und die gegenseiti-<br />

gen Beziehungen aller Mitarbeiter, die leitende, ausführende<br />

und überwachende Arbeiten ausüben, welche die Qualität be-<br />

e<strong>in</strong>flussen, müssen festgelegt werden. Insbeson<strong>der</strong>e muß das<br />

Qualitätspersonal Befugnisse besitzen:<br />

- Verhütungsmaßnahmen gegen Qualitätsfehler zu veran-<br />

lassen,<br />

- Qualitätsprobleme festzustellen und aufzuzeichnen,<br />

- Problemlösungen zu empfehlen, festzulegen und gegebe-<br />

nenfalls auch zu veranlassen sowie <strong>der</strong>en Ausführung zu<br />

überprüfen,<br />

- die Weiterbearbeitung und/o<strong>der</strong> Auslieferung fehlerhafter<br />

Produkte solange zu überwachen, bis <strong>der</strong> Fehler behoben<br />

ist.<br />

Diese Aufgaben können nur erfüllt werden, wenn die damit be-<br />

trauten Personen vom Produktionsbereich unabhängig s<strong>in</strong>d<br />

und direkt <strong>der</strong> Unternehmensleitung berichten.<br />

Nach <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternational geltenden Norm DIN ISO 9001 müssen<br />

die Mitarbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> ausgebildet und qualifi-<br />

ziert se<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d ständig weiterzubilden, wobei die entspre-<br />

47


Steuerunassvstem<br />

Qualitätskosten<br />

Prüfmittelverwaltung<br />

s9tl%cal Process Conlrol<br />

Itistische Prczessregelung Meßtechnik (NC)<br />

Failure Mode and Elfect Anäiys6 Taguchi-Methode<br />

Lleferantenbewertung<br />

Abb. 1: Organisatorische Voraussetzungen und Methoden <strong>der</strong> Quali-<br />

tätsskherurg (Quelk <strong>der</strong> Abbiklungen im Literaturverzeichnis)<br />

chenden Maßnahmen auch zu dokumentieren s<strong>in</strong>d. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist vom Unternehmen e<strong>in</strong>e Person zu benennen, die -<br />

unabhängig von an<strong>der</strong>en Aufgaben die <strong>in</strong> aller Regel schriftlich<br />

festgelegte Verantwortung und Befugnis besitzt, um alle Anfor-<br />

<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> zu erfüllen.<br />

Das Qualitätssystem e<strong>in</strong>er Sp<strong>in</strong>nerei muß <strong>in</strong> geeigneten Interval-<br />

len bewertet werden, um se<strong>in</strong>e ständige Eignung und Wirksam-<br />

keit sicherzustellen. Aufzeichnungen darüber s<strong>in</strong>d aufzubewah-<br />

ren und wie alle an<strong>der</strong>en Dokumente zur <strong>Qualitätssicherung</strong><br />

Beauftragten des Kunden zur E<strong>in</strong>sichtnahme vorzulegen. - So-<br />

weit s<strong>in</strong>ngemäß DIN ISO 9001. Aus <strong>der</strong> großen Zahl von Forde-<br />

rungen, Anfor<strong>der</strong>ungen und Maßnahmen im Betriebsablauf al-<br />

le<strong>in</strong> auf organisatorischer Ebene konnten hier nur e<strong>in</strong>ige<br />

wichtige herausgegriffen werden. Für jeden Sp<strong>in</strong>nereibetrieb,<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes <strong>Qualitätssicherung</strong>s-Konzept aufbauen will<br />

o<strong>der</strong> muß, ergeben sich spezifische Son<strong>der</strong>formen <strong>der</strong> Organi-<br />

sation und des Ablaufes.<br />

Die PraktischeTätigkeit <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sp<strong>in</strong>ne-<br />

reibetrieb umfaßt alle prüfenden und kontrollierenden Aktivitäten<br />

zwischen Rohstoffauswahl und Rohstoffe<strong>in</strong>kauf auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

und Prüfung <strong>der</strong> Garne nach vorgegebenen Regeln auf <strong>der</strong> an-<br />

<strong>der</strong>en Seite.<br />

Langfristig werden alle Garnerzeuger entsprechende Maßnah-<br />

men e<strong>in</strong>führen und Qualitätssysteme aufbauen müssen. Viel-<br />

fach for<strong>der</strong>t heute auch <strong>der</strong> Handel von se<strong>in</strong>en Lieferanten be-<br />

reits Unterlagen, Berichte, Protokolle usw. wie die Automobil-<br />

o<strong>der</strong> Elektronik<strong>in</strong>dustrie. Die e<strong>in</strong>gangs erwähnte Verflechtung<br />

gew<strong>in</strong>nt immer mehr an Boden. Hier e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es-vielleicht extre-<br />

mes - Beispiel aus dem Handel:<br />

Der Unistoff e<strong>in</strong>er Jacke kommt von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Lieferanten<br />

als <strong>der</strong> <strong>der</strong> Hose, beides wird von verschiedenen Herstellern<br />

konfektioniert aber zusammen wie e<strong>in</strong> Tel verkauft und ge-<br />

tragen.<br />

Wenn da die <strong>Qualitätssicherung</strong> nicht funktioniert, paßt nichts<br />

mehr. Ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong> also, daß Garnerzeuger Unterlagen zur Lie-<br />

ferantene<strong>in</strong>stufung erhalten und bearbeiten müssen.<br />

Nach diesen organisatorischen Grundlagen e<strong>in</strong>er Qualitätssi-<br />

cherung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nfaser-Garnerzeugung werden folgend e<strong>in</strong>i-<br />

ge technische Verfahrensweisen betrachtet.<br />

48<br />

LENZINGER BERIC:HTE April 1991<br />

3. Die Qualitätsfähigkeitsanalyse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei<br />

Da die Technik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei zunehmend komplexer gewor-<br />

den ist und gleichzeitig auch die Produktivität zum Erhalt <strong>der</strong><br />

Wettbewerbsfähigkeit ständig steigen mußte, genügt die klassi-<br />

sche Garnprüfung und Fehlerbehebung alle<strong>in</strong> nicht mehr. Die<br />

Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> s<strong>in</strong>d durch Verfahren zu er-<br />

gänzen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er qualitativ und technisch beherrschten Sp<strong>in</strong>-<br />

nerei zwangsläufiger als bisher zu qualitätsfähigen Konzepten<br />

und zu fertigungsgerechten Garnentwicklungen führen.<br />

Dazu hilft e<strong>in</strong>e Qualitätsfähigkeitsanalyse. Sie beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>er<br />

Uberprilfung des Konzeptes für e<strong>in</strong> Garn h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er<br />

pr<strong>in</strong>zipiellen Eignung für den geplanten E<strong>in</strong>satz, geht über zu<br />

e<strong>in</strong>er Fehler-Möglichkeits- und E<strong>in</strong>flußanalyse (FMEA) und<br />

schließt mit e<strong>in</strong>er Betrachtung <strong>der</strong> Prozeßfähigkeit (statisticai<br />

process control - SPC) ab. Die e<strong>in</strong>zelnen Stufen können sich<br />

<strong>in</strong> Randbereichen überschneiden.<br />

3.1. Das Konzept <strong>der</strong> Garnkonstruktion<br />

Zur Überprüfung <strong>der</strong> pr<strong>in</strong>zipiellen Eignung e<strong>in</strong>es Garnes für ei-<br />

nen vorgegebenen Zweck s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Reihe von e<strong>in</strong>fachen oft nur<br />

qualitativ bewertbaren Fragen zu beantworten. E<strong>in</strong>ige Beispiele<br />

sollen das Geme<strong>in</strong>te verdeutlichen:<br />

a) E<strong>in</strong> Garn für e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>spielhose sollte pr<strong>in</strong>zipiell reiß- und<br />

scheuerfest, gut waschbar und pflegeleicht, echtfärbbar und<br />

nicht zu teuer se<strong>in</strong>. Damit s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Reihe von Faserarten und<br />

Sp<strong>in</strong>nverfahren bereits grundsätzlich ausgeschlossen, z.B.<br />

fe<strong>in</strong>e Wollen, Streichgarne, weichgedrehte R<strong>in</strong>ggarne usw.<br />

b) E<strong>in</strong> Garn für elegante Damenpullover sollte demgegenüber<br />

weich und fließend se<strong>in</strong> im Griff, edlen Glanz und hohe Farb-<br />

brillal?z aufweisen, und <strong>der</strong> Garnpreis darf sicher etwas hö-<br />

her se<strong>in</strong>. Hier kommen an<strong>der</strong>e Faserarten <strong>in</strong> Frage, wie Cash-<br />

mere, Lambswool u.ä., verarbeitet im Kammgarn- o<strong>der</strong><br />

Streichgarnsp<strong>in</strong>nverfahren.<br />

Das Konzept <strong>der</strong> Garnkonstruktion hat sich immer nach dem<br />

Artikele<strong>in</strong>satz zu richten und ist darüber h<strong>in</strong>aus auch von modi-<br />

schen Gesichtspunkten geprägt. Die unter dem Aspekt Mode<br />

und pr<strong>in</strong>zipielle Garneignung auftretenden Qualitätsfragen las-<br />

sen sich mit den bekannten Verfahren <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungsprofile<br />

bearbeiten und sollen hier nicht weiter erörtert werden. Richtig<br />

ernst wird es erst bei Garnzulieferungen für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Auto-<br />

mobiltextilien.<br />

c) E<strong>in</strong> Garn z.B. für Polsterstoffe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Automobil hat neben<br />

den selbstverständlichen ästhetischen Eigenschaften e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von technischen Anfor<strong>der</strong>ungen zu erfüllen, die sich<br />

<strong>in</strong> ihren Tendenzen sogar noch wi<strong>der</strong>sprechen können. Bei<br />

Polsterstoffen s<strong>in</strong>d rund 35 E<strong>in</strong>zelfestlegungen getroffen, da-<br />

von je nach Automobilhersteller alle<strong>in</strong> 8 - 10 Posjtionen nur<br />

für das Garn, z.B. wird vom Abnehmer neben so allgeme<strong>in</strong>en<br />

D<strong>in</strong>gen wie Garnfe<strong>in</strong>heit o<strong>der</strong> Garn- und Zwirndrehung auch<br />

sehr genau die Mischung, die zu verwendenden Fasertypen<br />

<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>heit und Länge und bei Chemiefasern auch die spe-<br />

zielle Type vorgeschrieben. Hier gibt es - und das ist die klare<br />

Zielsetzung - ke<strong>in</strong>e Manipulationsmöglichkeit mehr.<br />

Wie sichert nun aber die Sp<strong>in</strong>nerei ihre Qualität, wenn die Anfor-<br />

<strong>der</strong>ungen so eng s<strong>in</strong>d, wie angedeutet und man natürlich trotz-<br />

dem auf se<strong>in</strong>e Kosten kommen will und muß?<br />

3.2. Diie FMEA - <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei<br />

Die Fehler-Möglichkeits- und E<strong>in</strong>flußanalyse ist ganz allgeme<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Methode, um systematisch potentielle Fehler bei <strong>der</strong> Ent-<br />

wicklunlg und Fertigung e<strong>in</strong>es Produktes zu erfassen und durch<br />

geeignete Maßnahmen zu vermeiden. FMEA ist damit auch e<strong>in</strong><br />

Hilfsmittel, um Risiken zu m<strong>in</strong>imieren.<br />

Bei allen Betrachtungen zur FMEA ist beson<strong>der</strong>s wichtig, diese<br />

ständig zu überprüfen und anzupassen und nicht nach Erstel-<br />

lung <strong>in</strong> die Schublade abzulegen. Immer erfor<strong>der</strong>n FMEA-<br />

Maßnahmen e<strong>in</strong> hohes Maß an Vertrauen zwischen Kunden und


April 1991 LENZINGER BERICHTE Heft 72<br />

Lieferanten <strong>in</strong> allen Entwicklungsphasen. Ohne Diskretion geht<br />

es nicht, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn e<strong>in</strong> Verarbeiter für e<strong>in</strong> Produkt ver-<br />

schiedene Lieferanten hat.<br />

Bei e<strong>in</strong>er FMEA werden:<br />

- alle möglichen Fehler systematisch aufgelistet und auf ihre<br />

Folgen für den Kunden bzw. für das Produkt beurteilt,<br />

- die möglichen Fehlerursachen bestimmt,<br />

- die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten des Auftretens, die Auswirkungen<br />

und die Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Entdeckung <strong>der</strong> Fehler beurteilt<br />

und daraus Risiko-Prioritätszahlen gebildet,<br />

- notwendige Fertigungsmaßnahmen und Prüfverfahren fest-<br />

gelegt und<br />

- die Verantwortlichkeiten bestimmt.<br />

Entsprechend dieser Aufgabenstellung unterscheidet man:<br />

- die Konstruktions- bzw. Entwicklungs-FMEA und<br />

- die Prozeß-FMEA.<br />

32.1. Die Konstruktions- bzu! Entwicklungs-FMEA im Sp<strong>in</strong>nerei-<br />

betrieb<br />

Unter diesem Stichwort werden alle denkbaren Ausfälle o<strong>der</strong><br />

Fehler behandelt, wobei man immer davon ausgeht, daß diese<br />

zwar auftreten können, aber nicht auftreten müssen. Im Sp<strong>in</strong>ne-<br />

reibetrieb s<strong>in</strong>d mit Konstruktions- bzw. Entwicklungsfehlern alle<br />

diejenigen Fehler geme<strong>in</strong>t, die im weiteren S<strong>in</strong>n mit dem Mate-<br />

rial, d.h. den Fasern und gegebenenfalls Hilfsmitteln, vielleicht<br />

den Sehmälzen und Avivagen zusammenhängen. E<strong>in</strong>ige Bei-<br />

spiele sollen die Zusammenhänge verdeutlichen, wobei jede<br />

E<strong>in</strong>zelbetrachtung immer nur für e<strong>in</strong>en bestimmten Artikel gilt.<br />

Vom Artikel her, <strong>der</strong> aus dem zu sp<strong>in</strong>nenden Garn gefertigt wer-<br />

den soll, ergeben sich die e<strong>in</strong>gesetzten Rohstoffe und damit<br />

auch meist die denkbaren Sp<strong>in</strong>nprozesse. Betrachten wir e<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> drei oben gewählten Beispiele, den<br />

Autopolsterstoff:<br />

Faser PolyesterIWolle-Mischung 55145 010<br />

bei e<strong>in</strong>er bestimmten Farbkomb<strong>in</strong>ation 70/30 %<br />

Wolle 265 +/- 0,5 Pm, 60 mm<br />

Polyester 4,4 dtex/60 mm Kammzug gefärbt<br />

Garn Kette wie Schuß<br />

53 tex x 2 (Nm 18/2)<br />

370 +/- 10 Drehungen pro m im Garn<br />

400 +/- 10 Drehungen im Zwirn<br />

Listen wir die möglichen Fehler im Garn für diesen E<strong>in</strong>satz auf,<br />

so käme vielleicht folgende Aufzählung zustande:<br />

- Garnfestigkeit zu ger<strong>in</strong>g,<br />

- Schwachstellenniveau ungünstig,<br />

- Farbausfall und Gleichmäßigkeit nicht musterkonform,<br />

- Partie Sp<strong>in</strong>nung,<br />

- Garnhaarigkeit zu hoch.<br />

Die genannten Positionen können materialbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong> und ge-<br />

gebenenfalls durch Auswahl an<strong>der</strong>er Fasern bee<strong>in</strong>flußt werden,<br />

denn we<strong>der</strong> die Wolle noch die Polyesterfaser s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s<br />

genau def<strong>in</strong>iert.<br />

E<strong>in</strong>e FMEA kann die Wertigkeit <strong>der</strong> verschiedenen Möglichkei-<br />

ten zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausweisen und damit Entscheidungshilfen für<br />

Verän<strong>der</strong>ungen leisten. Aus den berechenbaren Risiko-Priori-<br />

tätszahlen ergibt sich diese Möglichkeit mit ziemlicher Genauig-<br />

keit. Bei konsequenter Anwendung <strong>der</strong> FMEA kann bereits <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Planungsphase e<strong>in</strong>es Garnes für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em be-<br />

stimmten Artikel beurteilt werden, ob und welche Fehler mit wel-<br />

chem Risiko auftreten können.<br />

3 2.2. Die Prozeß-FMEA im Sp<strong>in</strong>nereibetrieb<br />

Während sich im Sp<strong>in</strong>nereigeschehen die Konstruktions- bzw.<br />

Entwicklungs-FMEA vornehmlich mit dem Fasermaterial befaßt,<br />

wird mit <strong>der</strong> Prozeß-FMEA <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nprozeß als solcher unter-<br />

sucht. Dabei ist die Vorgehensweise genau gleich wie oben ge-<br />

schil<strong>der</strong>t, z.B.:<br />

- Auflisten <strong>der</strong> möglichen Fehler,<br />

- Beurteilung <strong>der</strong> Folgen,<br />

- Wahrsche<strong>in</strong>llichkeiten des Auftretens,<br />

- Bewertung <strong>der</strong> Risiken usw.<br />

Auch die verwendeten Formulare, Fragebögen usw. s<strong>in</strong>d gleich.<br />

Im Beispiel mit dem Autopolsterstoff können von <strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>en-<br />

seite her vielleicht folgende Fehler auftreten:<br />

- Die Strecke verzieht ungleichmäßig, unter Umständen <strong>in</strong>fol-<br />

ge von Unterschieden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präparation und<br />

- durchmischt damit entsprechend schlecht.<br />

- Der Ablauf des Vorgarnes ist ungleichmäßig, daraus s<strong>in</strong>d<br />

Garnfe<strong>in</strong>heitsschwankungen bed<strong>in</strong>gt.<br />

- Der Olauftrag an <strong>der</strong> Zwirnmasch<strong>in</strong>e sowie <strong>der</strong>en Faden-<br />

Spannung schwanken.<br />

- Die gefor<strong>der</strong>ten Drehungswerte im Garn o<strong>der</strong> Zwirn werden<br />

nicht im Toleranzbereich gehalten u.v.m.<br />

An vielen Stellen wird sich die Entwicklungs- und die Prozeß-<br />

FMEA überschneiden, und oft gel<strong>in</strong>gt es auch nicht, klar von<br />

<strong>der</strong> nachfolgend zu diskutierenden Prozeßfähigkeitsuntersu-<br />

chung zu treniien.<br />

3.3. Die Untersuchung <strong>der</strong> Prozeßfähigkeit <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei<br />

Das ,ziel <strong>der</strong> Prozeßfähigkeitsuntersuchung ist die Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Ubere<strong>in</strong>stimmung des (Sp<strong>in</strong>n-)Prozesses mit den vorgege-<br />

benen Qualit&-Anfor<strong>der</strong>ungen unter Anwendung mathema-<br />

tisch-statistischer Auswerteverfahren. Die Methoden, nach de-<br />

nen gearbeitet wird, lassen sich unter dem Stichwort “SPC” (Sta-<br />

tistical Process; Control bzw. statistische Prozeßregelung) zu-<br />

sammenfassen. Die Prozeßfähigkeit wie auch das Verfahren <strong>der</strong><br />

statistischen Prozeßkontrolle s<strong>in</strong>d Aussagen bzw. Methoden, die<br />

sich immer auf e<strong>in</strong> Merkmal, e<strong>in</strong>en Sollwert und evtl. vorgegebe-<br />

ne Toleranzen (Abb. 2) beziehen.<br />

sonvmrl<br />

des Mefkma!s<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Prozeßlage<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Streuung<br />

Abb. 2: Prozel3lege und Streuung: e<strong>in</strong> Vergleich zwischen ,,Soll“ - und<br />

Otig<strong>in</strong>e~~rozeß (To bzw. Lid bedeutet Toleranz nach oben bzw.<br />

unten)<br />

49


Heft 72 LENZINGER BERICHTE April 1991<br />

Vere<strong>in</strong>facht ausgedrückt wird dabei gefragt:<br />

Kann man tatsächlich diese Ware <strong>in</strong> den Toleranzen produzie-<br />

ren, die gefor<strong>der</strong>t werden?<br />

E<strong>in</strong>e gleichmäßige Garnqualität kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei nur durch<br />

e<strong>in</strong>en ,,fähigen” und langfristig ,,stetigen” Prozeß erreicht wer-<br />

den. Nicht ,,fähige” o<strong>der</strong> nicht ,,stetige” Prozesse führen zum Sor-<br />

tieren und Nacharbeiten (z.B. erneutes Umspulen) von Garnen.<br />

Die Prozeßfähigkeit selbst ist dann e<strong>in</strong> Maß für die Streuung ei-<br />

nes Prozesses, sie wird mit e<strong>in</strong>em Prozeßfähigkeits-lndex Cp<br />

bzw. Cpk ausgedrückt.<br />

Der CP-Index mißt die Eignung e<strong>in</strong>es Prozesses, e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Merkmal unter E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> vorgegebenen Toleranzen zu er-<br />

zeugen. E<strong>in</strong> Prozeß ist:<br />

- fähig, wenn Cp größer 1,33,<br />

- bed<strong>in</strong>gt fähig, wenn Cp zwischen 1,0 und 1,33,<br />

- nicht fähig, wenn Cp kle<strong>in</strong>er l,O.<br />

Der Cpk-Index mißt darüber h<strong>in</strong>aus die Zentrierung des Prozes-<br />

ses <strong>in</strong>nerhalb des Toleranzbereiches, wobei die Beurteilung wie<br />

beim CP-Index erfolgt.<br />

Die Prozeßfähigkeit kann bestimmt werden, wenn alle “systema-<br />

tischen Störe<strong>in</strong>flüsse” <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sp<strong>in</strong>nprozeß weitgehend besei-<br />

tigt s<strong>in</strong>d und nur noch ,,zufallsbed<strong>in</strong>gte Störungse<strong>in</strong>flüsse“ wir-<br />

ken (Abb. 3 u. 4).<br />

Je<strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nprozeß umfaßt die klassischen fünf Hauptgruppen<br />

und e<strong>in</strong>e ganze Vielzahl von E<strong>in</strong>flußgrößen o<strong>der</strong> Teilprozessen,<br />

die pr<strong>in</strong>zipiell alle auch untersucht werden müssen. Die Haupt-<br />

gruppen s<strong>in</strong>d die “fünf M” und bedeuten:<br />

- Mensch,<br />

- Masch<strong>in</strong>e,<br />

- Methode,<br />

- Material,<br />

- Milieu.<br />

-JA-:<br />

’ Vorbereitung. Voraussetzungen<br />

fur die Fahlgkettsunter-<br />

suchung schaffen<br />

Untersuchung durchfuhren.<br />

StIchproben entnehmen.<br />

Daten m p-Regelkarte<br />

elntragen. bzw. weitere<br />

benotlgte Daten errechnen<br />

und darstellen<br />

Ist<br />

<strong>der</strong> Prozeß<br />

beherrscht3<br />

JA<br />

CF<br />

Auswertung durchführen.<br />

&-Index errechnen<br />

/’ ’ M-., _<br />

,’<br />

‘.\*<br />

c,, 22 1.33 ,+NEIN7<br />

\ ’ ‘,_<br />

*<br />

Ermittlung<br />

<strong>der</strong><br />

systematischen<br />

Streuungseln-<br />

flusse<br />

NEIN<br />

“” Prozeß<br />

mcht fähig<br />

Abb. 3: Ablaufplan für e<strong>in</strong>e Prozeßfähigkeitsuntersuchung für quali-<br />

tative (zählbare) Qualitätsmerkmale<br />

50<br />

,/”<br />

/<br />

I<br />

Abb. 4: Ablaufplan für e<strong>in</strong>e Pmzeßfätigkeitsunterwchung für quanti-<br />

iative (meßbare) Qualitätsmerkmale<br />

Von qualifizierten Menschen, werden unter Benutzung sicher<br />

und gleichmäßig arbeiten<strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>en, verbunden durch ei-<br />

nen tadellosen Sp<strong>in</strong>nplan (Methode) gut geeignete Fasern (Ma-<br />

terial) bei regelrechten Klimabed<strong>in</strong>gungen (Milieu) Qualitätsgar-<br />

ne gesponnen.<br />

Lei<strong>der</strong> unterliegen die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auflistung genannten ,,fünf M”<br />

immer:<br />

- zufälligen Streuungse<strong>in</strong>flüssen und<br />

- systematischen Streuungse<strong>in</strong>flüssen.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d zufällige E<strong>in</strong>flüsse o<strong>der</strong> auch äußere E<strong>in</strong>flüsse auf<br />

die Prozeßfähigkeit Fehler an Masch<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> Teilen davon wie<br />

Brüche, Risse usw. an Druckrollern, Ballon-E<strong>in</strong>engungs-R<strong>in</strong>gen,<br />

Läufern, Lagern usf. Pannen, die immer wie<strong>der</strong> vorkommen und<br />

wohl aulch <strong>in</strong> Zukunft vorkommen werden.<br />

Systemaltische Streuungse<strong>in</strong>flüsse o<strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Störungen auf<br />

die Prozleßfähigkeit s<strong>in</strong>d demgegenüber eher im Bereich Sp<strong>in</strong>n-<br />

planfehler, Rohstoff-Abweichungen, Informationslücken vom<br />

Meister zur Masch<strong>in</strong>enbedienung u.ä. zu suchen.<br />

Wenn im Sp<strong>in</strong>nprozeß die systematischen Streuungse<strong>in</strong>flüsse<br />

weitestgehend elim<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d und nur noch zufällige E<strong>in</strong>flüsse<br />

wirken, so ist <strong>der</strong> Prozeß im mathematisch-statistischen S<strong>in</strong>n als<br />

stabil o<strong>der</strong> beherrscht zu bezeichnen.<br />

Zur Überprüfung dieses Zustandes und damit zur Untersu-<br />

chung <strong>der</strong> Prozeßfähigkeit werden bei den quantitativen Quali-<br />

tätsmerkmalen und bei den qualitativen Merkmalen (d.h. meß-<br />

baren o<strong>der</strong> nur zählbaren Merkmalen) sogenannte Regelkarten<br />

verwenclet. Die Funktionsweise solcher Karten kann hier nicht<br />

erörtert werden, dazu muß auf die e<strong>in</strong>schlägige Literatur verwie-<br />

sen werden.<br />

Aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Kontrollmessung e<strong>in</strong>es Qualitätsmerk-<br />

males und aus <strong>der</strong> zulässigen Toleranz kann <strong>der</strong> Cp- bzw. <strong>der</strong>


April 1991 LENZINGER BERICHTE<br />

Cpk-Index berechnet werden. Das Verfahren ist hier vere<strong>in</strong>facht<br />

kurz aufgezeigt:<br />

c = ~- OSG - USG<br />

P<br />

6 Sigma<br />

OSG/USG: obere/untere Toleranzgrenze<br />

Sigma : Standardabweichung <strong>der</strong> Kontrollmessung<br />

Verglichen wird also die erlaubte Toleranzbreite (OSG/USG) mit<br />

<strong>der</strong> gemessenen Abweichung. Die DGQ (Deutsche Gesell-<br />

schaft für Qualität) und viele an<strong>der</strong>e Anwen<strong>der</strong> dieser Methoden<br />

gehen davon aus, daß 75 Yo <strong>der</strong> Bandbreite <strong>der</strong> erlaubten Tole-<br />

ranz von <strong>der</strong> Prozeßstreubreite nicht überschritten werden soll-<br />

ten Damit errechnete sich e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destwert für Cp von 1,33 als<br />

zulässig.<br />

Der Cpk-Index berücksichtigt neben <strong>der</strong> Standardabweichung<br />

<strong>der</strong> Kontrollmessung auch noch die Lage des Mittelwertes im<br />

Vergleich zum Zentrum zwischen OSG und USG.<br />

Cpk =<br />

A krit A krit = F - USG<br />

3 Sigma bzw.<br />

A krit = OSG - 7<br />

A krit: kritischer Abstand des Gesamtmittelwertes<br />

zur Spezifikationsgrenze<br />

Unterscheiden sich Cp und Cpk, so wird nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong><br />

vorgegebenen Toleranz produziert. Wenn dennoch e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> To-<br />

leranzgrenzen nicht überschritten werden darf, so ist mit kle<strong>in</strong>e-<br />

rer Standardabweichung zu produzieren, um den gleicherma-<br />

ßen geltenden Grenzwert Cpk = 1,33 nicht zu unterschreiten.<br />

Bei ,,Ford” s<strong>in</strong>d beispielsweise die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tabelle 1 dargestellten<br />

Regeln zur Bedeutung <strong>der</strong> Cp- bzw. <strong>der</strong> Cpk-Indizes e<strong>in</strong>geführt.<br />

Tabelle 1: E<strong>in</strong>ordnung <strong>der</strong> Proze8fähigkeits-Indizes bei Ford<br />

Nach diesen im ersten Moment vielleicht etwas theoretisch an-<br />

mutenden Ausführungen soll das Augenmerk wie<strong>der</strong> auf kon-<br />

krete D<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei gelenkt werden.<br />

Die Stichworte s<strong>in</strong>d noch e<strong>in</strong>mal:<br />

Mensch/Masch<strong>in</strong>e/Methode/Materia//Mi/ieu<br />

Zu allen fünf Punkten sollen e<strong>in</strong>ige Beispiele aus dem Sp<strong>in</strong>nerei-<br />

bereich vorgestellt werden.<br />

Der Mensch<br />

muß qualifiziert, d.h. für se<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nerei genü-<br />

gend gut geschult se<strong>in</strong>. Beispiel: Immer wie<strong>der</strong> stimmte die Fa-<br />

sermischung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb nicht. Der Staplerfahrer, <strong>der</strong> die<br />

Ballen laut Auftragszettel aus dem Lager holte und auspackte,<br />

konnte nicht lesen.<br />

Die Masch<strong>in</strong>e<br />

muß sicher und gleichmäßig arbeiten. Beispiel: Die Bandfe<strong>in</strong>heit<br />

<strong>der</strong> Regulierstrecke triftete im Laufe des Tages. Ursache war<br />

e<strong>in</strong>e fehlerhafte Temperaturkompensation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektronik. Ver-<br />

schleißteile, wie Garnituren, Druckroller, Riemchen, Läufer, R<strong>in</strong>-<br />

ge, Fadenführer usf., werden nicht pünktlich und nicht systema-<br />

tisch gewechselt.<br />

Die Methode<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nplan muß sorgfältig aufgestellt se<strong>in</strong>. Bei <strong>der</strong> Pla-<br />

nung von Sp<strong>in</strong>nerei-Anlagen wird versäumt, die Masch<strong>in</strong>en-<br />

Zuordnung zu systematisieren. Systematisch wäre z.B., wenn<br />

e<strong>in</strong>e bestimmte Strecke zwei Flyer bedient und e<strong>in</strong>e Sp<strong>in</strong>nstelle<br />

des Flyers e<strong>in</strong>e bestimmte Anzahl (vielleicht 8 o<strong>der</strong> 10) festge-<br />

legte Sp<strong>in</strong>nstellen auf <strong>der</strong> R<strong>in</strong>gsp<strong>in</strong>nmasch<strong>in</strong>e versorgt, o<strong>der</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Garndaten ist es wenig zweckmäßig, immer<br />

nur volle Kopse heranzuziehen, denn während des Kopsauf-<br />

baus än<strong>der</strong>n sich bekanntlich die Garnwerte.<br />

Das Material<br />

den zu sp<strong>in</strong>nenden Garnen anzupassen, kl<strong>in</strong>gt selbstverständ-<br />

lich, ist es aber nicht, denn sehr oft werden wohlfeile Posten<br />

mit abweichenden Faserdaten e<strong>in</strong>gemischt, und nachher ist die<br />

Verwun<strong>der</strong>ung groß wegen mangelhafter Re<strong>in</strong>heit, zu vieler Nis-<br />

sen usw.<br />

Das Milieu<br />

o<strong>der</strong> das Klima kann von zwei Seiten her betrachtet werden,<br />

beide s<strong>in</strong>d wichtig:<br />

Das Klima als Temperatur und Feuchte, weil bestimmte Fasern<br />

hier bestimmte Bed<strong>in</strong>gungen erfor<strong>der</strong>n, um optimale Ergebnis-<br />

se zu ermöglichen und vor allem ,,das Betriebsklima”. Die Moti-<br />

vation - eigentlich e<strong>in</strong> sechstes ,,M” - ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Indu-<br />

strie fast wichtiger als alles an<strong>der</strong>e. Mitdenken und Mitarbeiten<br />

muß nach Kräften geför<strong>der</strong>t werden. Weil das so wichtig ist, fragt<br />

die Lieferanten-E<strong>in</strong>stufung sehr detailliert nach diesen D<strong>in</strong>gen,<br />

z.B. ihre Struktur, Planung, Organisation und Uberwachung. All<br />

dieses ist im übrigen bis <strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zelne auch zu belegen,<br />

4. Die Dokumentation <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sp<strong>in</strong>nerei<br />

Für e<strong>in</strong>en Sp<strong>in</strong>nereibetrieb mit geprüfter Prozeßfähigkeit ist es<br />

unabd<strong>in</strong>gbar, die anfallenden Meßdaten aus <strong>der</strong> Produktion<br />

auch zu dokumentieren und vor allem auch aufzubewahren.<br />

DIN ISO 9000 9004 schreibt Verfahrensweisen direkt vor, von<br />

denen nur auszugsweise e<strong>in</strong>ige diskutiert werden sollen:<br />

- Der Rohstoff (das Fasermaterial) ist e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>gangsprüfung<br />

zu unterziehen, und vor allem se<strong>in</strong>e Rückverfolgbarkeit muß<br />

gesichert werden.<br />

- Der Produzent (die Sp<strong>in</strong>nerei) ist verpflichtet, Verfahren zur<br />

Uberwachung aller qualitätsrelevanten Daten und Unterla-<br />

gen e<strong>in</strong>zuführen und aufrechtzuerhalten, die ihrer Identifizie-<br />

rung, Sammlung, Registrierung, Archivierung, Pflege, Prü-<br />

fung und Verteilung dienen. Diese Dokumente s<strong>in</strong>d dem<br />

Kunden (dem Garnverarbeiter) und auf Verlangen auch<br />

nachgelagerten Stufen (z.B. dem Konfektronär) vorzulegen.<br />

- Der Betrieb (die Sp<strong>in</strong>nerei) hat e<strong>in</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong>s-<br />

Handbuch aufzustellen, <strong>in</strong> dem alle wichtigen, qualitätsrele-<br />

vanten Verfahren <strong>der</strong> Organisation, <strong>der</strong> Technik und des Prü-<br />

fens im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Regelwerkes dokumentiert s<strong>in</strong>d.<br />

5. Schlußbetrachtungen<br />

E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ner Sp<strong>in</strong>nereibetrieb mit e<strong>in</strong>er qualitativ und vielleicht<br />

auch modisch hochwertigen Garnpalette kommt ohne e<strong>in</strong> aus-<br />

gefeiltes QualitätsSicherungs-System nicht mehr aus. Anfangs<br />

51


Heft 72 LENZINGER BERICHTE April 1991<br />

mag es die Betriebsleitung ziemlich abschrecken, wenn sie sich 8)<br />

vor Augen hält, welche enorme Arbeit mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es<br />

solchen Qualitäts-SicherungsSystems verbunden ist. Nach<br />

dem Durchleiden dieser E<strong>in</strong>führungsphase leuchtet aber e<strong>in</strong>e 9)<br />

qualitätsgesicherte Zukunft.<br />

Me<strong>in</strong>en Mitarbeitern am Staatlichen Prüfamt für Textilstoffe <strong>in</strong><br />

Reutl<strong>in</strong>gen danke ich für die Unterstützung bei dieser Arbeit.<br />

10)<br />

E<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>er Dank gebührt me<strong>in</strong>em Kollegen Prof. Tau-<br />

tenhahn, dessen Anregungen und Gedanken <strong>in</strong> diese Arbeit<br />

e<strong>in</strong>geflossen s<strong>in</strong>d.<br />

Liiratur 13)<br />

1)<br />

2)<br />

3)<br />

4)<br />

5)<br />

6)<br />

7)<br />

52<br />

Mas<strong>in</strong>g, W.; Handbuch <strong>der</strong> <strong>Qualitätssicherung</strong>, 2. Auflage,<br />

1988, Carl Hanser Verlag, München<br />

VDA; Qualitätskontrolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie, Band 1<br />

bis 5, VDA - Frankfurt 1986<br />

DGQ; <strong>Qualitätssicherung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fertigung, DGQ, 15 - 44,<br />

Beuth-Verlag GmbH, Berl<strong>in</strong>, 1983<br />

Ford; Qualitätssystem-Richtl<strong>in</strong>ien, Q-101, Mai 1988, Ford<br />

AG, Köln<br />

Ford; Leitfaden Statistische Prozeßregelung, EU 880 b,<br />

April 1985. Ford AG., Köln 17)<br />

DIN ISO; 9000,9001,9002,9003,9004, Leitfaden zur Quali-<br />

tätssicherung, Beuth Verlag GmbH., Berl<strong>in</strong> 1987<br />

DIN; 55 350; Teil 21, 22, 23, 24, Begriffe <strong>der</strong> Qualitätssiche- 18)<br />

rung und Statistik, Beuth Verlag GmbH., Berl<strong>in</strong> 1982/1983<br />

12)<br />

14)<br />

15)<br />

16)<br />

Oestreich, B.-S.; Prozeßregelkarten - Praktische Anwendun-<br />

gen <strong>der</strong> Statistik, Sem<strong>in</strong>ar Deutsches Industrieforum, Kem-<br />

pen, März 1990<br />

Oestreich, B.-S.; Prozeßregelkarten - E<strong>in</strong> Werkzeug zur steti-<br />

gen Verbesserung <strong>der</strong> QS, Sem<strong>in</strong>ar Deutsches Industriefo-<br />

rum, Kempen, März 1990<br />

Tautenhahn, K.; FMEA als SPC Element, Sem<strong>in</strong>ar-Unter-<br />

lagen 1990, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft<br />

Reutl<strong>in</strong>gen<br />

Me<strong>in</strong>dl, H.; Total Quality Management; Melliand TextBer. 70<br />

(1989) 803<br />

Schmidt, G.F; Automobil- und Textil<strong>in</strong>dustrie, Partner <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Entwicklung zur Qualität; Vortrag VDI-Arbeitskreis, Reutl<strong>in</strong>-<br />

gen, 07.06.1990<br />

Egbers, G.; Anfor<strong>der</strong>ungen an die Rohstoffprüfung aus <strong>der</strong><br />

Sicht <strong>der</strong> Textil<strong>in</strong>dustrie; Textil-Praxis 45 (1990) 345<br />

Gallitzendörfer, J.; Anwendung des Materials .Textil” im Au-<br />

tomobilsektor und se<strong>in</strong>e Bewertung und Prüfung, Vortrag<br />

26. Tagung Deutsche Wallforschung, Aachen 30.09.1982<br />

N.N.; div. Mitteilungen und Unterlagen aus den Häusern<br />

BMW, Daimler Benz, Ford, VW u.a.<br />

Bär, H.P., Furter, R., Harzenmoser, J.; E<strong>in</strong>fluß <strong>der</strong> Regulie-<br />

rung und Onl<strong>in</strong>e-Qualitätsüberwachung auf die Qualität<br />

von R<strong>in</strong>ggarnen, Vortrag 4. RSM Kolloquium, Reutl<strong>in</strong>gen,<br />

24.l25.10.1989<br />

Topf, W.; <strong>Qualitätssicherung</strong> im Betrieb, Sem<strong>in</strong>ar: Berufliche<br />

Bildung, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft,<br />

14.02.1990, Reutl<strong>in</strong>gen<br />

Chance or Threat for Sp<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g Mills; Chemiefasern Text.<br />

Ind.; Sp<strong>in</strong>n<strong>in</strong>gTwist<strong>in</strong>g-W<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Year Book 1990

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