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Ein Aufruf an (christliche)

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Christen kümmert Euch mehr um Familie und Erziehung!<br />

<strong>Ein</strong> Erziehungsaufruf<br />

<strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

theologische Ausbildungsstätten<br />

von<br />

Wilhelm Faix und Dr. Siegfried Bäuerle<br />

Es ist eine Binsenweisheit, Kinder bedürfen der Erziehung, auch wenn zu allen Zeiten gestritten<br />

wurde, was unter Erziehung zu verstehen ist. Uns geht es mit diesem <strong>Aufruf</strong> darum, Christen in<br />

Bezug auf ihre Erziehungsaufgabe wachzurütteln. Wir sind überzeugt, dass es <strong>an</strong> der Zeit ist,<br />

dass <strong>christliche</strong> Gemeinden und mit ihnen alle Ver<strong>an</strong>twortlichen in Gemeinde und Kirche erken‐<br />

nen, dass Erziehung und Verkündigung des Ev<strong>an</strong>geliums, sowie Erziehung und soziale Ver<strong>an</strong>t‐<br />

wortung kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig ergänzen.<br />

Unsere Überlegungen wollen wir in der gebotenen Kürze darstellen und alle Ver<strong>an</strong>twortlichen in<br />

Gemeinden, Werken, Institutionen und theologischen sowie sozialpädagogischen Ausbildungs‐<br />

stätten bitten, über die unserer Meinung nach wichtigen nachfolgenden Ausführungen nachzu‐<br />

denken und mit uns nach Wegen zu suchen, um eine Veränderung der heutigen Erziehungswirk‐<br />

lichkeit herbeizuführen.<br />

Erziehungssituation<br />

Die unübersehbar raschen gesellschaftlichen Veränderungen führen in eine offene Milieugesell‐<br />

schaft. Milieu bedeutet dabei, dass die darin involvierten Menschen beispielsweise einen be‐<br />

stimmten Lebensstil pflegen, welt<strong>an</strong>schauliche Präferenzen vertreten oder einem bestimmten<br />

religiösen Verständnis <strong>an</strong>hängen auf dem Hintergrund unterschiedlicher Phänomene „moder‐<br />

ner“ bzw. „postmoderner“ Gesellschaften, wie Pluralität, Individualisierung, Multikulturalität,<br />

Multireligiosität, Globalisierung u.v.a.m.<br />

Die hieraus im Hinblick auf die Erziehung unserer Kinder resultierenden Konsequenzen sind,<br />

dass der notwendige Konsens über allgemeinverbindliche Erziehungswerte und ‐normen<br />

schwierig durchzusetzen ist und darum weitgehend aufgegeben wurde. Väter und Mütter füh‐<br />

len sich <strong>an</strong>gesichts dieser Lage bezüglich ihrer Erziehungsaufgabe allein ver<strong>an</strong>twortlich, was zu<br />

einer nicht unerheblichen persönlichen Drucksituation und damit zu psychischen Belastungen<br />

innerhalb der Familie führen k<strong>an</strong>n. Zwar gibt es eine kaum zu übersehende Anzahl guter<br />

brauchbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse und <strong>Ein</strong>sichten, die aber im pluralistischen Angebot<br />

nur vereinzelt bei Eltern <strong>an</strong>kommen.<br />

Der aus gesellschaftlicher Sicht verständliche Anspruch <strong>an</strong> Eltern, ihre Kinder möglichst „opti‐<br />

mal“ zu erziehen, ist besonders in <strong>christliche</strong>n Kreisen hoch. Erfahrungen zeigen, dass in christli‐<br />

chen Familien die erzieherischen Bemühungen im Allgemeinen größer sind als in m<strong>an</strong>chen<br />

nicht<strong>christliche</strong>n Familien. Die meisten Christen sind überzeugt, dass die Familie der beste<br />

Schutzfaktor im Hinblick auf seelische Gesundheit und Stabilität ihrer Kinder ist, was auch den<br />

St<strong>an</strong>d wissenschaftlicher Erkenntnis widerspiegelt. Umso tragischer ist es gerade für solche El‐<br />

tern, wenn die erhofften „Erziehungsergebnisse“ nicht eintreffen ‐ sie fühlen sich schnell als<br />

Versager.


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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

theologische Ausbildungsstätten zum Erziehungsauftrag<br />

Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

Zu wenig bedacht wird dabei, dass es Familien heute schwer haben, die vielfältigen erzieheri‐<br />

schen Aufgaben zu erfüllen, was vor allem auf soziologische Gegebenheiten zurückzuführen ist:<br />

Die Kleinfamilie ist einfach zu klein, um all das bei der Erziehung leisten zu können, was von ihr<br />

erwartet wird. Auf diese Problematik hatte bereits vor mehr als 20 Jahren einer der bedeu‐<br />

tendsten Erziehungswissenschaftler der Nachkriegszeit, Wolfg<strong>an</strong>g Brezinka, hingewiesen und<br />

dazu aufgefordert, dass Familien sich zusammenschließen mögen, um sich gegenseitig unter‐<br />

stützen und helfen zu können. Sein Ruf blieb leider ungehört.<br />

Der Individualisierungsprozess nahm seinen Lauf. Wir sind „Ichlinge“ geworden, wie Deutsch‐<br />

l<strong>an</strong>ds bek<strong>an</strong>ntester Zukunftsforscher Horst O. Opaschowski es formuliert hat. Er vertritt die<br />

Meinung, dass wir zurück zum „WIR“ finden müssen. Für die Entwicklung eines Kindes, vor allem<br />

des jüngeren Kindes, ist das Wir seiner Familie eine wesentliche und nicht wegzudiskutierende<br />

Voraussetzung einer gesunden seelischen Entwicklung.<br />

Zwar hört m<strong>an</strong> in <strong>christliche</strong>n (besonders in konservativen ev<strong>an</strong>gelikalen) Kreisen immer wieder<br />

Klagen über das Ausein<strong>an</strong>derbrechen nicht weniger Familien und auch über den fortschreiten‐<br />

den Werteverfall in unserer Gesellschaft, aber in den Gemeinden (K<strong>an</strong>zel) und theologischen<br />

Ausbildungsstätten (Katheder) ist das für Gegenwart und Zukunft so wichtige Thema „Familie<br />

und Erziehung“ weitgehend ein „Fremdwort“ geblieben. ‐ Wor<strong>an</strong> liegt das?<br />

Drei Ursachen sind aus <strong>christliche</strong>r Sicht besonders zu nennen:<br />

1. W<strong>an</strong>del vom Haus zur Kleinfamilie. Erziehung k<strong>an</strong>n, wie bereits im AT und NT aufge‐<br />

zeigt, nur als integrierender Best<strong>an</strong>dteil einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gelin‐<br />

gen, wobei das Aufwachsen der Kinder in gesellschaftliches Leben eingebettet sein muss.<br />

Unsere „modern‐postmoderne“ Wirklichkeit führt uns jedoch vor Augen, dass sich die<br />

heutige Familie zunehmend in einer Isolationssphäre außerhalb des gesamtgesellschaft‐<br />

lichen Horizonts befindet. Dessen ungeachtet sollen die Eltern eine Erziehungsleistung<br />

erbringen, die sie als Kleinfamilie kaum zu leisten vermögen. Diesen offensichtlichen<br />

Zwiespalt spüren nicht wenige Väter und Mütter, haben aber nicht die notwendigen Res‐<br />

sourcen ihn aufzulösen. Stattdessen wird diese zum Teil prekäre Lage heutiger Familien<br />

vor allem von Politik und Wirtschaft „ausgenutzt“ (ob bewusst oder unbewusst sei da‐<br />

hingestellt), die seit Jahren die Erziehung unserer Kinder immer mehr von der Familie<br />

abkoppeln und auf außerfamiliäre Institutionen übertragen (Stichwort: Fremdbetreu‐<br />

ung).<br />

Es reicht unserer Meinung nach nicht aus, wenn aus <strong>christliche</strong>r Sicht – selbstverständ‐<br />

lich berechtigterweise ‐ gefordert wird, dass Erziehung eine primäre Aufgabe der Eltern<br />

ist (siehe Grundgesetz), gleichzeitig jedoch die Kleinfamilie mit dieser Forderung allein<br />

gelassen wird.


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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

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Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

2. Der gesamtgesellschaftliche W<strong>an</strong>del innerhalb der westlich geprägten Gesellschaften<br />

zu einer „offenen Gesellschaft“ hat zu einem Traditionsbruch geführt. Familienleben<br />

und Erziehung werden immer weniger über das Leben weitergegeben (tradiert), was zur<br />

Folge hat, dass junge Eltern bei Familiengründungen keine Affinität mehr zum eigenen<br />

Familienleben und zur eigenen Erziehung herstellen können. Sie beginnen, was Erzie‐<br />

hung ihrer Kinder <strong>an</strong>geht, sozusagen bei null. Aus M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> Erfahrungswissen resultiert<br />

sowohl eine nicht zu unterschätzende Verunsicherung junger Eltern bei der Erziehung ih‐<br />

rer Kinder als auch – gesamtgesellschaftlich betrachtet ‐ ein pluralistisch‐<br />

individualistisches Erziehungsverhalten. Eltern möchten, dass sich ihr Kind zu einer „ge‐<br />

sunden“ Persönlichkeit entwickelt, aber es gelingt ihnen häufig nicht, ihren Wunsch im<br />

Alltag umzusetzen, also in eine konkrete Lebensform zu gießen. Weitgehend alleingelas‐<br />

sen geben sie ihr Bestes, das je nach Bildungsst<strong>an</strong>d und sozialem Status unterschiedlich<br />

ausfällt. Der Druck einer zum Teil erbarmungslosen Leistungsgesellschaft (junge Väter,<br />

aber auch Mütter, müssen sich in der Phase der Familiengründung beruflich qualifizieren<br />

und installieren) und zunehmend auch die globalen Fin<strong>an</strong>z‐ und Wirtschaftskrisen (vielen<br />

jungen Familien fehlt es <strong>an</strong> fin<strong>an</strong>ziellen Mitteln) verschärfen die Situation vieler Familien<br />

im Hinblick auf ihr konkretes „Erziehungsgeschäft“.<br />

3. Die gegenwärtige Vernachlässigung des <strong>christliche</strong>n Erziehungsauftrags. Jahrhunderte<br />

hindurch wurde von der Christenheit der Erziehungsauftrag wahrgenommen. Zum Ab‐<br />

bruch einer eigenen <strong>christliche</strong>n Pädagogik kam es erst etwa <strong>an</strong> der Wende vom 19. zum<br />

20. Jahrhundert. Seit dieser Zeit verlagerte sich <strong>christliche</strong> Pädagogik zusehends auf Reli‐<br />

gionspädagogik. Familienpädagogik wurde in Folge nicht nur vernachlässigt, sondern<br />

überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Als Konsequenz dieser Entwicklung zeigt sich<br />

heute, dass es <strong>an</strong> einer Geschichte der <strong>christliche</strong>n Erziehung m<strong>an</strong>gelt, die einen kontinu‐<br />

ierlichen Entwicklungsprozess des Erziehungsauftrags der Gemeinde Jesu verfolgt und<br />

sich gleichwohl den gesellschaftlichen Anforderungen <strong>an</strong>passt, soweit dies einem Chris‐<br />

tenmenschen in Ver<strong>an</strong>twortung vor Gott notwendig erscheint. Die in den letzten hun‐<br />

dert Jahren konstatierte Vernachlässigung der <strong>christliche</strong>n Erziehung mündet heutzutage<br />

in ein Defizit <strong>an</strong> <strong>christliche</strong>r Familien‐ und Gemeindepädagogik. Nicht selten finden sich<br />

<strong>Ein</strong>stellungen wie diese: „Wofür brauchen wir eine Familienpädagogik? Wie Familie ge‐<br />

lebt wird und was Erziehung ist, weiß doch jeder.“ (Diese Aussage stammt von einer Pas‐<br />

torenfrau und zeigt was Milieudenken ist, m<strong>an</strong> überträgt seine eigene Lebenssituation<br />

auf die gesamte Gesellschaft.)


Die Herausforderung<br />

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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

theologische Ausbildungsstätten zum Erziehungsauftrag<br />

Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

1. A. H. Fr<strong>an</strong>cke und N. L. Graf von Zinzendorf waren in der Tat der festen Überzeugung,<br />

dass m<strong>an</strong> durch Erziehung die Welt verändern k<strong>an</strong>n. Diese <strong>Ein</strong>stellung war auch der<br />

Grund dafür, warum sie sich um die Erziehung von Kindern und Jugendlichen bemühten.<br />

A. H. Fr<strong>an</strong>cke hat ein weithin beachtliches Erziehungs‐ und Schulprogramm initiiert, was<br />

teilweise von staatlichen Org<strong>an</strong>en übernommen wurde (beispielsweise geht die heutige<br />

Realschule auf Fr<strong>an</strong>cke zurück). Da Zinzendorf der Meinung war, dass gelebte Gemein‐<br />

schaft für Kinder die größte pädagogische Wirkung hat, setzte er bei der Gemeinde <strong>an</strong>.<br />

Dies sind nur zwei sehr kurz gefasste Beispiele aus der <strong>christliche</strong>n Erziehung, die deut‐<br />

lich machen, dass unser o. g. Ged<strong>an</strong>ke durchaus nicht so fremdartig ist, wie er m<strong>an</strong>chen<br />

auf den ersten Blick erscheinen mag. Es lohnt sich gerade in unserer gegenwärtigen Er‐<br />

ziehungssituation sich mit der Geschichte der <strong>christliche</strong>n Erziehung zu beschäftigen, um<br />

hieraus zu lernen, wie wir <strong>christliche</strong> Erziehung in Familie, Gemeinde und Gesellschaft<br />

umsetzen können.<br />

2. Christliche Erziehung hat in (säkularen) Medien im Allgemeinen keine gute Presse. Bei‐<br />

spiel: In der Süddeutschen Zeitung erschien im September 2010 ein Bericht mit dem<br />

Thema: „Erziehen mit der Rute“. Zuvor hatten ihre Reporter versucht, bei ev<strong>an</strong>gelikalen<br />

Werken und Institutionen nachzufragen, was diese über das <strong>an</strong>gesprochene Thema den‐<br />

ken. Da die Zeitung leider keine schlüssigen Antworten erhielt, übernahmen ihre Redak‐<br />

teure die Meinung der Autoren Michael & Debi Pearl sowie Tedd Tripp (Michael & Debi<br />

Pearl: „Wie m<strong>an</strong> einen Knaben gewöhnt“ und Tedd Tripp: „Eltern – Hirten der Herzen.<br />

Biblisch orientierte Erziehung“). Die Publikation in der Süddeutschen Zeitung versuchte<br />

dem Leser den <strong>Ein</strong>druck zu vermitteln, dass die Ev<strong>an</strong>gelikalen in Deutschl<strong>an</strong>d eine „Ru‐<br />

tenpädagogik“ vertreten. Daraufhin haben sich führende Vertreter der Ev<strong>an</strong>gelikalen zu<br />

Recht gegen eine derartige Darstellung gewehrt. Die Zeitschrift EiNS der Ev<strong>an</strong>gelischen<br />

Alli<strong>an</strong>z (Nr. 1/2011) hat kurze Zeit d<strong>an</strong>ach das Thema aufgegriffen und ein Themenheft<br />

mit dem Titel „Wie erziehen Christen ihre Kinder?“ herausgebracht. Damit wurde in posi‐<br />

tiver Weise aufgezeigt, wie <strong>christliche</strong> Erziehung heute aussehen k<strong>an</strong>n.<br />

3. Es gilt eine Pädagogik des Vertrauens auf <strong>christliche</strong>r Grundlage zu etablieren. So eine<br />

Pädagogik beruht auf biblischen Grundlagen, entwickelt im Dialog mit wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen. Im Zentrum einer <strong>an</strong> der Bibel orientierten Pädagogik stehen nicht <strong>Ein</strong>‐<br />

zel<strong>an</strong>weisungen, sondern eine Lebensgestaltung, die auf Vertrauen (Glaube), Gnade,<br />

Liebe und Vergebung beruht. (Vgl. 2Tim 3,16; Tit 2,12; Hebr 11,1ff.; 1Kor 2,5; 1Kor 13;<br />

Eph 4,32) Aus dem Fundament einer derartigen Grundhaltung erwachsen einzelne Erzie‐<br />

hungsmaßnahmen, wie Regeln einhalten, Grenzen setzen, Vergebungsbereitschaft üben<br />

und <strong>an</strong>dere Erziehungsmittel. <strong>Ein</strong>e <strong>christliche</strong> Erziehungslehre ist Voraussetzung für eine<br />

„gesunde“ <strong>christliche</strong> Erziehung in einer offenen Gesellschaft.


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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

theologische Ausbildungsstätten zum Erziehungsauftrag<br />

Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

Um die Erziehungsnot auch vieler <strong>christliche</strong>r Eltern zu lindern, scheint uns dringend notwen‐<br />

dig zu sein, das Thema „Familie und Erziehung“ in Gemeinden stärker als bisher in den Mittel‐<br />

punkt zu rücken. Es darf nicht länger ein R<strong>an</strong>dthema bleiben. Nur wenn diese Thematik noch<br />

tiefer ins Bewusstsein aller Gemeindeglieder (besonders auch der Hauptamtlichen) gel<strong>an</strong>gt,<br />

k<strong>an</strong>n sich l<strong>an</strong>gfristig etwas zum Guten ändern.<br />

Wie k<strong>an</strong>n das geschehen? Es gilt „auf der g<strong>an</strong>zen Linie“ <strong>an</strong>zusetzen. Hier einige konkrete<br />

Hinweise, die selbstverständlich ergänzungswürdig sind:<br />

• Verkündigung: Fragen und Probleme aus Ehe, Familie und Erziehung (diese drei Themen‐<br />

bereiche hängen eng zusammen) sollten verstärkt in den Fokus von Predigten, Bibelge‐<br />

sprächen und Hauskreisen gerückt werden (möglicherweise auch Familiengottesdienste).<br />

Der Wert der Stabilität unserer Familien k<strong>an</strong>n auch im Hinblick auf Glaubensweitergabe<br />

nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bei den gen<strong>an</strong>nten Schwerpunktsetzungen wird<br />

das Wort Gottes auf den konkreten Ort der Familie „heruntergebrochen“, was sicherlich<br />

junge Menschen (die heute zuweilen im Gottesdienst unterrepräsentiert sind) zusätzlich<br />

motivieren könnte, eine Predigt <strong>an</strong>zuhören und in Bibelgesprächen dabei zu sein, um bib‐<br />

lische Wahrheiten mit ihrem persönlichen Leben in Verbindung zu bringen (Stichwort:<br />

„Nachhaltigkeit“ von Predigten). Natürlich ist hierfür eine pädagogische Kompetenz not‐<br />

wendig.<br />

• Glauben zu Haus leben: Durch den nicht zu übersehenden Traditionsbruch, der auch im<br />

<strong>christliche</strong>n Leben stattgefunden hat und die Säkularisierung des gesellschaftlichen Lebens<br />

ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Eltern den Glauben zu Haus mit den Kindern<br />

so leben, dass diese in g<strong>an</strong>z „natürlicher“ Weise in den <strong>christliche</strong>n Glauben hineinzu‐<br />

wachsen vermögen. Viele Eltern verlassen sich in dieser Hinsicht auf ihre Gemeinde, für<br />

die es aber immer schwieriger wird, Kindern den Glauben zu vermitteln. Darum benötigen<br />

Eltern Hilfen, wie sie ihren <strong>christliche</strong>n Glauben im Familienalltag leben können. Darüber<br />

hinaus bedarf es einer Vernetzung von Familie und Gemeinde.<br />

• Vorträge und Seminare: Erziehungsvorträge und Seminare zur Stärkung der Erziehungs‐<br />

kompetenz sollten möglichst in allen Gemeinden <strong>an</strong>geboten werden. Vortragende und<br />

Seminarleiter können selbstverständlich auch Personen außerhalb der Gemeinde sein. Be‐<br />

sonders fruchtbringend können Vorträge und Seminare sein, die Erziehungsfragen der ers‐<br />

ten sechs Lebensjahre von Kindern thematisieren (hierzu gibt es wissenschaftliche Befun‐<br />

de, die unbedingt zur Kenntnis genommen werden sollten). Zweifellos wird in den ersten<br />

Lebensjahren die Lebensbahn eines Menschen „grundgelegt“ ‐ das Leben gibt diesen Kin‐<br />

dern keine zweite Ch<strong>an</strong>ce. In diesem frühen Lebensabschnitt können Eltern besonders se‐<br />

gensreich für ihre Kinder sein, weshalb solche Informationen von Erziehungsberechtigten<br />

auch gerne aufgenommen werden. Außerdem hat unserer Meinung nach die Christenheit<br />

einen besonderen Auftrag, sich gerade für Kleinkinder einzusetzen, die sich nicht selbst ar‐<br />

tikulieren können.


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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

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Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

• Erziehungs‐ und Elternberatung: Es gibt inzwischen ein umf<strong>an</strong>greiches Netz <strong>an</strong> Erzie‐<br />

hungsberatungsstellen vor allem im säkularen Bereich, wie die von den verschiedenen<br />

Wohlfahrtsverbänden. Aber diese haben in der Regel nichts mit den örtlichen <strong>christliche</strong>n<br />

Gemeinden zu tun. Im <strong>christliche</strong>n Bereich gibt es nur wenige Angebote (zum Beispiel<br />

Team.F, PEP4Kids und neuerdings auch Willow Creek mit dem Thema „Glauben zu Hause<br />

leben“), die natürlich nicht ausreichend sind. Bevor ein Beratungs<strong>an</strong>gebot in Anspruch ge‐<br />

nommen wird, müssen die Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes in Kindergarten und<br />

Schule recht groß sein, erst d<strong>an</strong>n sind Eltern bereit zur Beratung zu gehen. Uns geht es da‐<br />

rum, Eltern bereits im Vorfeld einer psychologischen oder psychiatrischen Beratung zu<br />

helfen (präventiver Aspekt). Ziel wäre es, in den Gemeinden Beratungspersonen auszubil‐<br />

den und l<strong>an</strong>gfristig einen qualifizierten Beraterstab aufzubauen. Als Berater für diese häu‐<br />

fig zeitaufwändige Arbeit können beispielsweise Eltern gewonnen werden, die ein gesun‐<br />

des pädagogisches Gespür haben oder auch Pädagogen bzw. Psychologen, die sich der<br />

Gemeinde zur Verfügung stellen und als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Gemeinde tätig<br />

sind.<br />

• Kindergarten: Zur allmählichen Ablösung von ihren Eltern und um sozial‐emotionale Er‐<br />

fahrungen mit Gleichaltrigen zu sammeln, sollten Eltern ihre Kinder ab etwa dem dritten<br />

Lebensjahr in einen Kindergarten schicken (bis zu drei Jahren sollte das Kind möglichst zu<br />

Hause von den Eltern betreut werden). Da sich bei Kindern in den Jahren 3 bis 6 Grundle‐<br />

gendes im Hinblick auf Sozialfähigkeit, Gewissens‐ und Glaubensentwicklung ereignet, ist<br />

es keineswegs gleichgültig, welche Betreuung ein Kind erhält. Das Personal konfessioneller<br />

Kindergärten sollte dahingehend gefördert werden, um dem imm<strong>an</strong>enten Auftrag einer<br />

<strong>christliche</strong>n Erziehung ver<strong>an</strong>twortungsvoll nachkommen zu können. Gemeinden sollten<br />

sich hinsichtlich dieser Fragestellung stärker engagieren als das bisher der Fall ist. Hier soll‐<br />

te in der örtlichen Gemeinde ein kompetenter Ansprechpartner sein, der mit Eltern <strong>an</strong>ste‐<br />

hende Fragen bespricht. Die Gründung von <strong>christliche</strong>n Kindergärten könnte auch ein<br />

möglicher Weg sein. Warum nicht? Andere Gruppierungen gründen auch Kindergärten.<br />

• Kinderbetreuung: Der gesellschaftspolitische Dr<strong>an</strong>g zur g<strong>an</strong>ztägigen Kinderbetreuung<br />

scheint immer stärker zu werden. Gerade bei dieser – auch für Christen umstrittenen –<br />

Thematik bedarf es einer auf seriösen wissenschaftlichen Befunden aufbauenden Aufklä‐<br />

rungsarbeit. Vor allem ist zu klären, ab w<strong>an</strong>n eine G<strong>an</strong>ztagsbetreuung dem Kind hinsicht‐<br />

lich seiner emotionalen Entwicklung keinen Schaden zufügen k<strong>an</strong>n bzw. was <strong>an</strong> Vorausset‐<br />

zung nötig ist, damit eine solche Betreuung zum Wohle des Kindes gelingt. <strong>Ein</strong>e nicht zu<br />

unterschätzende Möglichkeit, sich als Gemeinde zu engagieren, wäre eine richtig verst<strong>an</strong>‐<br />

dene Tagesmütterarbeit. Hier könnten Gemeinden einzelnen Familien, besonders Allein‐<br />

erziehenden, eine große Hilfe sein und eine fachlich gute Betreuung <strong>an</strong>bieten, die auch<br />

gleichzeitig die Eltern‐Kind‐Beziehung stärkt.


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Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

• Familienzentren: Auf diesem Sektor können sich für Gemeinden und Gemeindeverbände<br />

neue Möglichkeiten eröffnen, Familien in unterschiedlichster Art und Weise mit Rat und<br />

Tat zur Seite zu stehen. Inzwischen gibt es bereits eine Reihe solcher <strong>Ein</strong>richtungen auf<br />

Gemeindebasis, in der Summe natürlich viel zu wenig. Familienzentren können g<strong>an</strong>z un‐<br />

terschiedliche Schwerpunkte haben. Neben den sozialpädagogischen Angeboten sollten<br />

vor allem auch allgemeine Erziehungs<strong>an</strong>gebote vorh<strong>an</strong>den sein, die Eltern befähigen, ihrer<br />

Erziehungsver<strong>an</strong>twortung besser nachzukommen. Darüber hinaus könnten solche Famili‐<br />

enzentren zu einem Refugium aufgebaut werden, wo Fachkenntnisse und Kompetenzen<br />

für die Gesamtthematik „Familienpädagogik und <strong>christliche</strong> Erziehung“ bereitgestellt wer‐<br />

den (z. B. Literaturrecherche <strong>christliche</strong>r Literatur oder wissenschaftliches Arbeiten über<br />

ausgewählte Themenbereiche). Zwar liegen recht viele <strong>Ein</strong>zelbefunde im Hinblick auf<br />

<strong>christliche</strong> Familienpädagogik und Erziehung vor, sie sind aber nicht systematisch geordnet<br />

und stehen daher dem <strong>Ein</strong>zelnen nicht wirklich zur Verfügung (Vernetzung von Wissen un‐<br />

ter Nutzung moderner Medien). Weiterhin könnte eine Vernetzung der einzelnen Famili‐<br />

enzentren zur Hilfe und Ergänzung werden; was das eine Zentrum nicht leisten k<strong>an</strong>n,<br />

könnte beim <strong>an</strong>dern möglich sein.<br />

• Familienfreizeiten mit Schwerpunktthemen der Erziehung: Da bei Familienfreizeiten eine<br />

größere Anzahl von <strong>christliche</strong>n Familien zusammenkommt, k<strong>an</strong>n in diesem Rahmen ein<br />

nutzbringender Austausch über Erziehungsfragen zwischen einzelnen Elternteilen stattfin‐<br />

den. Auch Netzwerke von <strong>christliche</strong>n Familien, die möglicherweise Kinder in etwa dem‐<br />

selben Alter haben, könnten geknüpft und aufgebaut werden (m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n auch dazu ermu‐<br />

tigen). Konkrete Bedürfnisse und Wünsche der Eltern ließen sich durchaus in die zu be‐<br />

h<strong>an</strong>delnden Schwerpunktthemen einfließen.<br />

• Freizeiten für Väter mit Söhnen und Töchtern, aber auch Freizeiten für Mütter mit Söh‐<br />

nen und Töchtern: Bei solchen Freizeiten können zum einen Erziehungsthemen bearbeitet<br />

werden, die darlegen (was Forschungsbefunde beweisen), dass Väter und Mütter im Hin‐<br />

blick auf Söhne und Töchter unterschiedliche Erziehungsmuster haben, was dokumentiert,<br />

dass beide Elternteile für eine gelingende Erziehung notwendig sind (göttliche Schöp‐<br />

fungsordnung). Zudem erfahren Söhne bzw. Töchter ihren Vater bzw. ihre Mutter in einer<br />

<strong>Ein</strong>zelsituation, was für ihre Persönlichkeitsfindung von Bedeutung sein k<strong>an</strong>n. Solche Frei‐<br />

zeiten können als Ergänzung zu Familienfreizeiten <strong>an</strong>gesehen werden. Im <strong>Ein</strong>zelfall können<br />

sogar Freizeiten für Großeltern mit Enkeln <strong>an</strong>geboten werden. Zwar ist der Erziehungsein‐<br />

fluss von Großeltern auf Enkel im Allgemeinen geringer als bei Eltern, doch können sich<br />

heute die rüstigen Rentner eher Zeit für ihre Enkelkinder nehmen.<br />

• Erziehungshilfen für Alleinerziehende: Besonders schwierig ist die Erziehungs‐ und Famili‐<br />

ensituation für Alleinerziehende. Da die Anzahl „Alleinerziehender“ auch in <strong>christliche</strong>n<br />

Kreisen <strong>an</strong>steigt und Christen einen klaren biblischen Auftrag für diese Eltern haben, soll‐


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<strong>Ein</strong> <strong>Aufruf</strong> <strong>an</strong> die <strong>christliche</strong>n Gemeinden, Werke, Institutionen und<br />

theologische Ausbildungsstätten zum Erziehungsauftrag<br />

Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

ten in Gemeinden Überlegungen <strong>an</strong>gestellt werden, wie m<strong>an</strong> besonders solchen Familien<br />

konkret beistehen k<strong>an</strong>n (z.B. Kontaktaufnahme mit <strong>an</strong>deren Familien, Erziehungsmento‐<br />

ren für alleinerziehende Mütter bzw. Väter, teilweise auch fin<strong>an</strong>zielle Unterstützung<br />

u.a.m.). Gerade diese Eltern leiden unter der Doppelbelastung von Familie und Beruf und<br />

bedürfen der Wertschätzung, Anerkennung und Hilfe durch <strong>an</strong>dere Christen.<br />

• Elternschulen zum Thema „Familie leben“: In Gemeinden können „Elternschulen“ (ähnlich<br />

was Volkshochschulen im säkularen Bereich leisten) <strong>an</strong>geboten werden. Eltern kommen<br />

über einen bestimmten Zeitraum zu einer Schulung in die Gemeinde, wo unterschiedliche<br />

Themen aus dem Bereich der Familienpädagogik und der <strong>christliche</strong>n Erziehung <strong>an</strong>gebo‐<br />

ten werden. ‐ Beispiele: Verbindlichkeit und Treue in der Ehe von M<strong>an</strong>n und Frau, Konflikt‐<br />

lösungen in der Familie, Stressbewältigung im Alltag, Gesprächsführung mit dem Ehepart‐<br />

ner, Umg<strong>an</strong>g mit schwierigen Kindern, Persönlichkeitserziehung von Kindern, Feste und<br />

Feiern in der Familie, <strong>Ein</strong>führung von Ritualen und Regeln usw. Im säkularen Bereich wer‐<br />

den bereits „Eltern‐Führerscheine“ und „Elterndiplom‐Seminare“ <strong>an</strong>geboten. Wo ist da<br />

das <strong>christliche</strong> Angebot? (Ausnahme Team.F und PEP4Kids) Gemeinden sollten erkennen,<br />

dass die Gestaltung des Familienlebens keine Selbstverständlichkeit mehr ist, sondern ge‐<br />

lernt werden muss.<br />

• Publikationen sowie Hörfunk– und Fernsehreihen zum Thema <strong>christliche</strong> Erziehung: Da<br />

die säkulare Presse einer <strong>christliche</strong>n Erziehung nicht gerade gewogen ist, sollten vor al‐<br />

lem <strong>christliche</strong> Medien das Thema Familienpädagogik und <strong>christliche</strong> Erziehung stärker<br />

beachten und in ihre Programme aufnehmen. Des Weiteren wäre es gut, wenn <strong>christliche</strong><br />

Eltern auf Publikationen und auf Hörfunk‐ bzw. Fernsehreihen <strong>christliche</strong>r Sender auf‐<br />

merksam gemacht werden. Gemeinden sollten <strong>christliche</strong> Erziehungs‐ und Familienlitera‐<br />

tur empfehlen und <strong>an</strong>bieten.<br />

Unsere Familien haben es verdient, dass wir uns für sie einsetzen.<br />

Familie darf nicht zum „Modernitätsverlierer“ werden.<br />

Kinder sind eine Gabe Gottes, mit der es ver<strong>an</strong>twortungsvoll umzugehen gilt.<br />

Adelshofen / Waldbronn, Mai 2012<br />

Wilhelm Faix und Siegfried Bäuerle<br />

Wilhelm.Faix@t‐online.de ‐ Sig.Baeuerle@gmx.de<br />

Der Erziehungsaufruf k<strong>an</strong>n vom Internet heruntergeladen werden unter:<br />

www.lza.de/medien

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