Untitled - LINEG
Untitled - LINEG
Untitled - LINEG
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Renaturierung Schwafheimer Bruch<br />
Ein Gemeinschaftswerk von Wasserwirtschaft und ehrenamtlichem Natur-<br />
schutz<br />
Tim Hartmann<br />
Als etwa 1970 das Schwafheimer Meer durch Grundwasserabsenkung und bergbaubedingtem<br />
Ausbau des Aubruchkanals endgültig trocken fiel, rief das nur einige Angler<br />
auf den Plan. Aber ihr Protest verhallte ungehört, weil er zu schwach und an der<br />
falschen Stelle vorgetragen wurde. Dem Besitzer des Meeres und der dortigen Jägerschaft<br />
war es offensichtlich egal, was mit dem interessanten Lebensraum passierte.<br />
Den ehrenamtlichen Naturschutz als organisierte Institution für den damaligen<br />
Kreis Moers gab es noch nicht.<br />
Trockengefallenes Schwafheimer Meer<br />
Als dann 1977 die Kreisgruppe Wesel des Deutschen Bundes für Vogelschutz, kurz<br />
DBV genannt, aus der Taufe gehoben wurde, machte sie es zu ihrer ersten größeren<br />
Aufgabe, eine Lösung zur Wiedervernässung zu finden. Der Besitzer des Meeres war<br />
schnell gefunden und da er viel Verständnis für die Natur und unsere finanzielle Situation<br />
hatte, stellte er dem DBV das ca. 1 ha große Gebiet kostenlos zur Verfügung.
Etwa 60 Meter unterhalb des Meeres fließt der Aubruchkanal vorbei, der sein Wasser<br />
aus einem Bodensenkungsgebiet in Kaldenhausen bezieht. Besitzer des Aubruchka-<br />
nals ist die <strong>LINEG</strong>. Der DBV setzte auf ihre Unterstützung und hatte sich nicht ge-<br />
täuscht. Ich war damals beim DBV für den Amphibien- u. Reptilienschutz zuständig.<br />
Meine Beschäftigung bei der <strong>LINEG</strong> ließ es sinnvoll erscheinen, mich nun auch mit<br />
der Planung zur Renaturierung des Schwafheimer Meeres zu betrauen.<br />
Vom damaligen Geschäftsführer der <strong>LINEG</strong>, Herrn Dr. Schröder, erhielt der DBV ohne<br />
große Umstände die Genehmigung, die bestehende Verbindung zwischen<br />
Aubruchkanal und Meer manuell zu vertiefen. Skeptiker, auch unter den Fachleuten,<br />
machten dem DBV wenig Hoffnung für ihr Vorhaben.<br />
Die Verdunstung wäre zu hoch, und es würde mehr Wasser in den Trockenrissen<br />
verschwinden, als der schmale Graben herbeiführen könne, waren ihre Bedenken.<br />
Doch allen Unkenrufen zum Trotz hatte sich das Meer nach einem Jahr bis zur Hälfte<br />
mit Wasser gefüllt. Schon bald stellten sich die ersten Wasser- u. Sumpfpflanzen ein<br />
und einige Vogelarten fanden hier einen neuen Lebensraum.<br />
Schwafheimer Meer - 10 Jahre später nach Wiedervernässung
Ende 1981 gab es zusätzliches Wasser für das Gebiet. In Moers Kapellen traten Bo-<br />
densenkungen auf, die ein Abpumpen des Grundwassers erforderlich machten.<br />
Aus wasserrechtlichen Gründen musste das anfallende Wasser Richtung Moers ge-<br />
pumpt werden. Die <strong>LINEG</strong> baute eine Druckrohrleitung bis zum Schwafheimer Meer.<br />
Eisvogel Fischreiher Sumpfschwertlilie<br />
In wenigen Tagen stand das Meer randvoll mit Wasser. Ein Teil des Wassers versickerte<br />
und kam dem Grundwasser zugute, und was übrig war, floss durch den vom<br />
DBV ausgehobenen Graben zum Aubruchkanal ab, der nun auch reichlich Wasser<br />
führte. Sehr schnell entwickelte sich das Meer zu einem ökologisch viel versprechenden<br />
Biotop. Leider ist es heute so, dass man kaum ein Biotop sich selbst überlassen<br />
kann. Zu stark sind die negativen Einflüsse, die vor allem durch die Landwirtschaft<br />
auf kleinere Lebensräume einwirken. Die Eutrophierung der Gewässer und ihrer<br />
Randbereiche lässt einen üppigen Wuchs von Nährstoff liebenden Pflanzen entstehen,<br />
die die wertvolleren, weil selteneren Arten, entweder zurück drängen oder gar<br />
nicht erst hochkommen lassen. So ist es immer wieder nötig einzugreifen. Die ganz<br />
klugen Leute werden sagen: “Lasst die Dinge noch wachsen, die Natur wird’s schon<br />
richten“. Aber leider ist die Natur so geschwächt, dass sie nur noch Brennnessel und<br />
Wasserkresse wachsen lässt, was beim besten Willen nicht als erstrebenswerter, natürlicher<br />
Zustand bezeichnet werden kann. Nur mit einer artenreichen Flora ist eine<br />
artenreiche Fauna zu erwarten.<br />
Mit diesem Wissen ausgerüstet sind die Betreuer des DBV für dieses Gebiet ständig<br />
damit beschäftigt, es weiter zu optimieren. Um die negativen Auswirkungen der<br />
Landwirtschaft etwas zu reduzieren, pachtete der DBV an der Südwest Seite des<br />
Meeres einen 10 m breiten Streifen an. Die weitere Entwicklung gestaltete sich so
gut, dass der DBV 1984 den 2. Preis im Kosmos-Wettbewerb „Natur in unserer<br />
Hand“ erhielt. Als Krönung der gemeinsamen Bemühungen von <strong>LINEG</strong> und DBV<br />
wurde das Meer mit Umfeld (32 ha) 1992 zum Naturschutzgebiet erklärt.<br />
Um Schadensersatzansprüche durch die zu erwartenden Bodensenkungen abzu-<br />
wenden, erwarb die <strong>LINEG</strong> Grundstücke, die durch die Senkungen nachteilig betrof-<br />
fen wären. Das kam den Vorstellungen des DBV sehr entgegen. Grundstücke in<br />
Händen der <strong>LINEG</strong> brauchen keinen Gewinn zu erzielen und können daher naturver-<br />
träglich bewirtschaftet werden, bzw. sie können sich natürlich entwickeln. Zwischen<br />
DBV und <strong>LINEG</strong> wurde ein Pflege- u. Betreuungsvertrag geschlossen mit dem Ziel<br />
einer Entwicklung des Schwafheimer Meeres und einer naturverträglichen, aber ord-<br />
nungsgemäßen Pflege der Gewässerränder (das Meer gehörte mittlerweile auch der<br />
<strong>LINEG</strong>) und der übrigen im <strong>LINEG</strong> Besitz befindlichen Grundstücke.<br />
Etwa 1995 hatten sich die Entwicklungsvorstellungen des DBV erfüllt. Er nannte sich<br />
inzwischen Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, und die Führung der <strong>LINEG</strong><br />
lag in den Händen ihres Vorstandes Dipl. Ing. Manfred Böhmer. Auch er setzte die<br />
einmal eingeschlagene Richtung des Naturschutzes fort. Ohne die Bewässerungsmaßnahme<br />
und die Kooperationsbereitschaft der <strong>LINEG</strong> hätten die Renaturierungsarbeiten<br />
des NABU längst nicht soviel Erfolg verzeichnen können. Vor allem die gute<br />
Zusammenarbeit mit dem Technischen Dezernenten, Herrn Kempken, machte den<br />
NABU-Leuten Mut, da ihr Engagement sonst meist Misserfolge aufzuweisen hat.<br />
Nach diesem erfolgreich abgeschlossenen Projekt dachte der NABU an eine Erweiterung<br />
des Gebietes. Er hätte gerne die auf der westlichen Seite des Aubruchkanals<br />
dem Schwafheimer Meer gegenüber liegenden Flächen in ein Feuchtgebiet umgewandelt.<br />
Dieser Bereich war der am längsten feuchte Teil der alten Hochflutrinne.<br />
Sogar bis zum Zeitpunkt dieser Überlegungen standen die Wiesen immer mal wieder<br />
unter Wasser. 1996 stellte der NABU in einem Gespräch mit der <strong>LINEG</strong> seine Idee<br />
vor, die Vorflutpumpanlage Vinnbusch still zu legen. Die dadurch eingesparten Betriebskosten<br />
könne man zum Kauf der tiefliegenden Wiesen verwenden, und diese<br />
dann „versaufen“ lassen. Zuerst wurde die Idee etwas belächelt und mit dem Kommentar<br />
versehen, die Naturschützer bekämen wohl nie genug. Dann kam der Zufall<br />
dem NABU zu Hilfe. Enni, ehemals Wasserwerk Moers, wollte die ihr zustehende<br />
Förderkapazität an Trinkwasser ausschöpfen und deshalb durch die <strong>LINEG</strong> eine
Wasserversickerung für das von Kapellen kommende Polderwasser im Raum<br />
Aubruchkanal anlegen lassen. Dieses Vorhaben führte dazu, dass sich die NABU-<br />
Idee schnell realisieren ließ.<br />
An den tiefsten Stellen der Weiden wurde eine ca. 6.000 qm große Versickerungsmulde<br />
bis in das Grundwasser ausgehoben und auch die nun überflüssige Pumpanlage<br />
entfernt. Durch ein fein ausgeklügeltes System wird das von Kapellen kommende<br />
Wasser zunächst ins Meer gepumpt und auf einem Soll-Wasserstand gehalten.<br />
Die darüber hinaus gehende Menge wird dann der Versickerungsfläche zugeleitet.<br />
Durch dieses Verteilungssystem erreicht man sowohl im Meer wie auch auf der Fläche,<br />
auf der die Versickerungsmulden liegen, einen ökologisch optimalen Wasserstand.<br />
Eventuelle schwankende Wasserstände gibt es nur auf den überfluteten Bereichen,<br />
und das entspricht durchaus den Schwankungen, die es ohnehin in der Natur<br />
gibt. Im September 2001 wurde die Anlage in Betrieb genommen.<br />
In erstaunlich kurzer Zeit siedelte sich hier eine überaus reiche Tierwelt an. Wasservögel<br />
sind eigentlich überall sehr schnell anzutreffen wenn neue, flache Gewässer<br />
entstehen; überrascht hat den<br />
NABU aber die große Zahl<br />
von Wasserfröschen, die<br />
Bewässerung Schwafheimer Bruch<br />
schon nach zwei Jahren lauthals<br />
ihr Konzert veranstalten.<br />
Sie waren natürlich vom Meer<br />
her eingewandert. Dort hatte<br />
es allerdings ca. 15 Jahre gedauert<br />
bis der Bestand gesichert<br />
war. Hier im neuen<br />
Flachwasserbereich trafen sie<br />
offensichtlich auf optimale Bedingungen,<br />
die eine förmliche Enwicklungsexplosion auslöste. Ähnlich ging es mit<br />
den Molchen und Wasserinsekten. Man muss sagen, die Anlage des neuen Feuchtgebietes<br />
war ein voller Erfolg für die Natur.
Der NABU sieht seine Aufgabe nicht nur in der praktischen Naturschutzarbeit vor Ort.<br />
Er hat sich auch eine pädagogische Aufgabe gestellt nach der Überzeugung, man<br />
liebt nur was man kennt, und man schützt nur was man liebt. Hier am Schwafheimer<br />
Meer ergab sich eine gute Möglichkeit, den Bürger mit der Natur vertraut zu machen.<br />
Nur an wenigen Stellen des linken Teils des Kreises Wesel kann man in so enge Be-<br />
rührung mit einem intakten Feuchtgebiet kommen.<br />
Diese Tatsache brachte uns auf den Gedanken, im Bereich Schwafheimer-<br />
Bruch/Aubruchkanal einen Lehrpfad unter<br />
dem Motto „Lebensraum Hochflutrinne“<br />
einzurichten. Dabei könnte man auf<br />
die komplizierten Vorflutverhältnisse in<br />
unserem von Bergsenkungen heimgesuchten<br />
Gebiet hinweisen, und auch die<br />
Möglichkeiten aufzeigen, wie man der<br />
Natur wieder auf die Sprünge helfen<br />
kann.<br />
Einweihung Lehrpfad 15. Dezember 2005<br />
Es sollte ein Lehrpfad werden, der die Besucher an ausgewählte, die Tierwelt nicht<br />
störende Punkte führt und dort durch Hinweistafeln die Natur erläutert. Die <strong>LINEG</strong><br />
wurde dafür gewonnen, die wassertechnischen Dinge<br />
zu erklären. Die Nordrhein-Westfälische Stiftung für<br />
Umwelt und Entwicklung Bonn fand den Plan des<br />
NABU im Sinne ihrer Satzung und finanzierte den naturpädagogischen<br />
Teil des Lehrpfades. Der Teil, der<br />
sich mit der Be- u. Entwässerung beschäftigt, wurde<br />
von der <strong>LINEG</strong> übernommen. Am 15.12.2005 wurde<br />
Ansprache im Festzelt<br />
der Lehrpfad offiziell eröffnet. Zahlreiche Gäste hatten<br />
sich zu diesem Anlass eingefunden.<br />
Darunter der pensionierte Chef der <strong>LINEG</strong>, Herr Böhmer, und der neue Chef, Herr<br />
Brandt, der Landesverbands Vorsitzende des NABU, Herr Tumbrinck, der Vertreter<br />
der NRW-Stiftung für Umwelt und Entwicklung (Finanzierung der Lehrpfades), Herr<br />
Krebuel und weitere Vertreter von Kommunen und Behörden. In dem von der <strong>LINEG</strong>
zur Verfügung gestellten Festzelt sparten die Redner nicht mit Gratulationen und<br />
Glückwünschen zu dem gelungenen Projekt.<br />
Aber alle Glückwünsche halfen nicht gegen Vandalismus. Kaum eine der 22 aufgestellten<br />
Informationstafeln wurde verschont. Fast alle wurden mehrmals besprüht<br />
und mit Hammer und Brecheisen wurden etwa zehn Tafeln so zugerichtet, dass sie<br />
komplett erneuert werden mussten. Neben den Kosten, die die Stiftung trug, leistete<br />
der Naturschutz zwischen 250 und 300 Arbeitsstunden.<br />
Mutwillige Zerstörung am Lehrpfad (Bild rechts)<br />
Wenn man erleben muss wie mutwillig zerstört wird, was von den meisten Bürgern<br />
als gut und sinnvoll angesehen wird, fragt man sich, ob es noch zumutbar ist, sich<br />
ehrenamtlich zu engagieren.<br />
Wasserwirtschaft und Naturschutzverbände beziehen im Allgemeinen gegensätzliche<br />
Positionen, wenn es um Naturschutz geht. Nicht so im linksrheinischen Teil des Kreises<br />
Wesel. Durch das Zusammenwirken der Linksniederrheinischen Entwässerungs-<br />
Genossenschaft und der Kreisgruppe Wesel des Naturschutzbundes Deutschland<br />
wurde ein rund 32 ha großer Lebensraum geschaffen, der in diesem Raum kaum<br />
seinesgleichen hat. Alle Beteiligten wünschen sich, dass dieses Beispiel Schule<br />
macht.