Farben als Genesungsfaktor
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Interview: 'Wir sollten <strong>Farben</strong> <strong>als</strong> <strong>Genesungsfaktor</strong> einsetzen'<br />
Ärzte Zeitung, 07.07.2011 05:00<br />
Interview<br />
"Wir sollten <strong>Farben</strong> <strong>als</strong> <strong>Genesungsfaktor</strong> einsetzen"<br />
Klinisches Weiß in Praxen schürt oft Ängste. Ein farbiger Anstrich, der<br />
wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen folgt, kann positive Emotionen<br />
hervorrufen. Worauf bei der Planung zu achten ist, erläutert Professor Markus<br />
Schlegel, Experte für Farbdesign.<br />
Ärzte Zeitung: Welche "emotionale Macht" schreiben Sie dem<br />
Farbdesign im Gesundheitsbau zu?<br />
Professor Markus Schlegel: <strong>Farben</strong> können ein Motivator für die<br />
Gesundung sein. Wir sollten sie daher gezielt <strong>als</strong> <strong>Genesungsfaktor</strong><br />
einsetzen. Der Raum ist natürlich kein Arzneimittel, kann aber der<br />
Nährboden für den Heilungsprozess sein.<br />
Ärzte Zeitung: Ist die Verknüpfung von Farbe und Emotion bei<br />
Menschen nicht sehr subjektiv und lässt sich nur schwer messen?<br />
Schlegel: An der HAWK begannen wir gemeinsam mit dem<br />
Fachbereich für Psychologie der Universität Mannheim bereits im Jahr<br />
2006 mit der Untersuchung "Farbe + Emotion". Über 2000 Personen<br />
verschiedener Alters- und Gesellschaftsschichten wurden dabei auf<br />
ihre Farbwahrnehmung hin getestet: Die Personen standen in sechs<br />
Quadratmeter großen Räumen und ließen unterschiedliche <strong>Farben</strong><br />
und Farbkombinationen bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen auf<br />
sich wirken.<br />
Dann befragten wir sie anhand von Piktogrammen über ihre<br />
Empfindungen. Fazit: Wir haben Farbtypologien identifiziert, die eine<br />
deutliche emotional positive Wirkung auf den Betrachter haben.<br />
Ärzte Zeitung: Sie haben vier Dialysezentren - in Bad Rothenfelde,<br />
Bonn, Gütersloh und Oranienburg - mitgestaltet. Welche<br />
Farbkompositionen und Materialien kamen zum Einsatz?<br />
Schlegel: Basierend auf den wahrnehmungspsychologischen<br />
Erkenntnissen unserer Studie haben wir Farbtypen ausgewählt, die<br />
einer Vielzahl von Menschen vertraut sind. Wir haben<br />
Farbkompositionen auf die Zentren übertragen, die angenehm<br />
anregend oder angenehm entspannend wirken, und mit Aufhellung<br />
und Verschattung der Farbtöne gearbeitet.<br />
Wichtig ist bei jedem Projekt: Wie wird das Farbkonzept in den<br />
jeweiligen Raum übersetzt, ist die Empfangstheke rund oder eckig,<br />
welche Materialien werden dafür verwendet? Ziel ist es, eine<br />
möglichst regenerative, positive Stimmung zu erzeugen. Das erreicht<br />
man etwa mit Naturtönen, wobei Echtholz oder Kautschuk aufgrund<br />
der DIN-Vorgaben oft tabu sind. So haben wir die Natur mit<br />
alternativen Materialien versucht nachzuempfinden.<br />
Ärzte Zeitung: Wie haben Sie die Wünsche der Mitarbeiter in die<br />
Planungen mit einbezogen?<br />
Schlegel: Die Räume in den Dialysezentren sollten eine hohe<br />
http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=661576&pid=669189<br />
Professor Markus<br />
Schlegel<br />
© privat<br />
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Aktuelle Position:<br />
Markus Schlegel ist<br />
Professor für Farb- und<br />
Architekturgestaltung<br />
und Projektentwicklung<br />
Farbe an der Hochschule<br />
für angewandte<br />
Wissenschaft und Kunst<br />
in Hildesheim (HAWK)<br />
sowie Mitinhaber der<br />
Bürogemeinschaft<br />
TSP.Design Talledo<br />
Schlegel & Partner für<br />
Innenarchitektur,<br />
Architekturdesign und<br />
Farbdesign in Frankfurt<br />
am Main.<br />
Werdegang: Geboren<br />
1965 in Stuttgart;<br />
Ausbildung in Siebdruck,<br />
Lichtreklame und<br />
Messebau;<br />
Chemiestudium<br />
(Ausrichtung: Farbe,<br />
Lack, Kunststoff) in<br />
Stuttgart; 1998<br />
Übernahme der Leitung<br />
des Farbdesign-Studios<br />
bei Caparol. 2002 erhielt<br />
29.07.2011
Interview: 'Wir sollten <strong>Farben</strong> <strong>als</strong> <strong>Genesungsfaktor</strong> einsetzen'<br />
Begegnungsqualität haben und eine Atmosphäre von Vertrauen und<br />
Sicherheit ausstrahlen. Man soll "atmen" können. Auch der Aspekt<br />
Nachhaltigkeit war eine Grundanforderung: Er betrifft die Materialen<br />
und das Farbdesign, das auch nach Jahren noch <strong>als</strong> stimmig<br />
empfunden werden sollte.<br />
Wir haben den Belegschaften Farbprofile mit besonderen Attributen<br />
wie "gemütlich", "Komfort" oder "Wärme" vorgestellt und ihnen damit<br />
sozusagen eine Navigationshilfe an die Hand gegeben, anstatt ihnen<br />
2000 Farbtöne zur Auswahl vorzulegen.<br />
Ärzte Zeitung: Welche Gestaltungswünsche haben Sie persönlich an<br />
ein Wartezimmer?<br />
Schlegel: Persönlich bevorzuge ich einen sehr reduzierten, sehr nüchternen Stil, eher<br />
klösterlich, viel Grau und Weiß. Der Raum sollte seelisch entschlackend wirken, natürliche<br />
Wärme käme etwa durch Licht hinein. Aber aus persönlicher Erfahrung weiß ich: Wenn es<br />
einem Menschen wirklich sehr schlecht geht und Angst im Spiel ist, hilft ein Umfeld, das in<br />
eine weiche, verwischte, natürliche Farbpalette, etwa mit Rosétönen, getaucht ist.<br />
Das Gespräch führte Sabine Henßen.<br />
Lesen Sie dazu auch:<br />
Praxis-Design: Weiß bedeutet Verzicht!<br />
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Schlegel einen Ruf an<br />
die Fakultät Gestaltung<br />
der HAWK, wo er 2004<br />
das Institute<br />
International<br />
Trendscouting (IIT)<br />
gründete. Der Autor und<br />
Farbexperte ist Kurator<br />
am Deutschen<br />
<strong>Farben</strong>zentrum und hat<br />
sich auch im<br />
Gesundheitsbau einen<br />
Namen gemacht.<br />
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