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Vorfälligkeitsentschädigung bei Forwarddarlehen - msgGillardon AG

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84<br />

Beitrag<br />

03 / 2010 BankPraktiker<br />

Vorstand Kredit Konto Anlage Recht Handel Controlling Revision IT<br />

<strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong> <strong>bei</strong><br />

<strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Autoren:<br />

Prof. Dr. Konrad Wimmer,<br />

Geschäftsbereichsleiter Bankinnovation<br />

<strong>msgGillardon</strong> <strong>AG</strong> Ismaning.<br />

Dr. Patrick Rösler,<br />

Rechtsanwalt, Geschäftsführer<br />

Finanz Colloquium Heidelberg GmbH.<br />

Diskutieren Sie zum Thema<br />

dieses Beitrags mit anderen<br />

BankPraktikern in unserer Gruppe<br />

<strong>bei</strong> .<br />

Spezialfragen zur Berechnung von Nichtabnahme- und <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

<strong>bei</strong> vorzeitiger Beendigung von <strong>Forwarddarlehen</strong>.<br />

Diesen Beitrag finden Sie<br />

dort unter der Rubrik:<br />

Kredit.<br />

» Letztlich stellt<br />

sich in der Praxis<br />

häufig die Frage,<br />

ob ein <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

oder eine<br />

sofortige Umschuldung<br />

für den Kunden<br />

günstiger ist. «<br />

1 BGH vom 07.11.2000, NJW 2001, 509 = WM 2001,<br />

20 = ZIP 2001, 20, dazu von Heymann/Rösler ZIP<br />

2001, 441.<br />

2 Dazu ausführlich Lübbersmann in: Münscher/<br />

Grziwotz/Lang/Krepold, Praktikerhandbuch Baufi<br />

nanzierung, 2. Aufl ., 2007, Rdnr. 73 ff .; Rösler,<br />

WM 2000, 1930.<br />

3 Vgl. Bruchner/Krepold in: Schimansyk/Bunte/<br />

Lwowski, Bankrechtshandbuch, 3. Aufl ., 2007, S.<br />

2170, RdNr. 22a.<br />

I. Einleitung<br />

w Die <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong> soll die<br />

Bank oder Sparkasse so stellen, als ob der Darlehensvertrag<br />

bis zum Ende des geschützten<br />

Zinserwartungszeitraums vereinbarungsgemäß<br />

durchgeführt worden wäre. Damit sollen<br />

ihr grob umrissen einerseits die vertraglich<br />

vereinbarten Zahlungen zufl ießen, andererseits<br />

muss sie sich den Vorteil der sofortigen<br />

Verfügbarkeit der Mittel <strong>bei</strong> der Schadensbetrachtung<br />

anrechnen lassen. Die Schadensberechnung<br />

basiert auf der an anderer Stelle<br />

ausführlich diskutierten Barwertmethode<br />

(Kurswertmethode), die vom BGH 1 anerkannt<br />

ist.<br />

In der Praxis besteht häufi g Unsicherheit, wie<br />

dieses Konzept <strong>bei</strong> <strong>Forwarddarlehen</strong> anzuwenden<br />

ist. Bei Forward-Darlehen 2 schließt die<br />

Bank mit dem Kunden einen Darlehensvertrag<br />

ab, der in der Praxis regelmäßig erst in etwa<br />

ein bis drei Jahren (Forward-Zeit) zur Auszahlung<br />

kommen soll. Bereitstellungszinsen fallen<br />

für diese Darlehen während der Forward-Zeit<br />

regelmäßig nicht an. Durch diese Konstruktion<br />

will sich der Kreditnehmer das zum Zeitpunkt<br />

des Vertragsschlusses (niedrige) Zinsniveau<br />

zum Fordwardzinssatz sichern. Da<strong>bei</strong> treten<br />

mehrere Fragestellungen auf, denen im Folgenden<br />

nachzugehen ist. Zum einen spielt<br />

aus juristischer Sicht eine Rolle, wie unter Auslegung<br />

von § 489 Abs. 1 Ziff er 3 2. HS BGB (nach<br />

Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes Verbraucherkreditrichtline<br />

§ 489 Abs. 1 Ziff er 2 2. HS<br />

BGB) der rechtlich geschützte Zinserwartungszeitraum<br />

<strong>bei</strong> <strong>Forwarddarlehen</strong> zu defi nieren ist.<br />

Außerdem ist häufi g unklar, wie aus fi nanzmathematischer<br />

und juristischer Sicht die konkrete<br />

Berechnung der Nichtabnahme- und <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

<strong>bei</strong> vorzeitiger Rückführung<br />

bzw. Nichtabnahme von <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

zu erfolgen hat. Letztlich stellt sich in der<br />

Praxis häufi g die Frage, ob ein Forwarddarle-<br />

hen oder eine sofortige Umschuldung für den<br />

Kunden günstiger ist.<br />

II. Rechtlich geschützter<br />

Zinserwartungszeitraum<br />

<strong>bei</strong> <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

1. Neuer (Forward-)Kreditvertrag<br />

Beispiel 1:<br />

Die Bank schließt mit einem Kunden einen<br />

neuen Forward-Kreditvertrag mit einer zehnjährigen<br />

Zinsbindung ab, da der Kunde a) erst<br />

in der Zukunft (z. B. in 2 Jahren) den Kredit für<br />

einen Umbau o. ä. benötigt, aber sich schon<br />

jetzt das vermeintlich niedrige Zinsniveau<br />

sichern will oder b) eine <strong>bei</strong> einer anderen Bank<br />

noch (z. B. 2 Jahre) laufende Festzinsfi nanzierung<br />

ablösen will und sich wiederum das aktuelle<br />

Zinsniveau sichern will.<br />

In <strong>bei</strong>den Konstellationen liegt der Fall des<br />

§ 489 Abs. 1 Ziff er 3 2. HS BGB vor, d. h. die<br />

10-Jahresfrist läuft nach dem Wortlaut des<br />

Gesetzes ab dem vollständigen Erhalt der Darlehensvaluta<br />

3 . Problematisch ist hier allerdings<br />

die Koppelung von Forwardvereinbarungen<br />

mit einem normalen Festzinskredit.<br />

Bezogen auf den Wortlaut der Norm kann die<br />

Forward-Zeit beliebig lang sein, theoretisch<br />

kommen 5, 10 und auch 15 Jahre Forward-<br />

Zeit in Betracht. In Übereinstimmung mit dem<br />

Wortlaut der Vorschrift könnte dies bedeuten,<br />

dass der Darlehensnehmer heute einen Kreditvertrag<br />

zur sofortigen Auszahlung mit einer<br />

10-jährigen Zinsfestschreibungszeit abschließt<br />

und einen zweiten Kreditvertrag wiederum mit<br />

10-jähriger Zinsfestschreibung und Auszahlung<br />

in 10 Jahren, wenn die Zinsfestschreibung des<br />

ersten Darlehens abgelaufen ist. Damit hätte er<br />

sich die heutige Zinskondition für wirtschaftlich


ein und dasselbe Darlehen für 20 Jahre gesichert<br />

(Doppeldarlehen).<br />

Zweck des § 489 BGB ist, dem Kreditnehmer<br />

seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit zu<br />

erhalten und ihn nicht übermäßig lange an Kreditverträge<br />

zu binden, um unter dem Druck des<br />

Kündigungsrechts marktgerechte Zinsen zu<br />

vereinbaren und Umschuldungen zu erleichtern.<br />

Die Kündigungsrechte des Darlehensnehmers<br />

dürfen nach § 489 Abs. 4 BGB durch<br />

Vertrag weder ausgeschlossen noch erschwert<br />

werden.<br />

Aus diesem Grund wird die durch obige Konstruktion<br />

des Doppeldarlehens erzielte, faktisch<br />

20-jährige Zinsbindung gegen § 489<br />

BGB verstoßen. Der Darlehensnehmer wäre<br />

20 Jahre wirtschaftlich an dieselbe Finanzierung<br />

gebunden. Dies würde z. B. im Falle der<br />

Nichtabnahme des Darlehens wenige Wochen<br />

nach Abschluss der <strong>bei</strong>den Darlehensverträge<br />

bedeuten, dass der Darlehensnehmer für das<br />

zuerst zur Auszahlung gelangende Darlehen<br />

für die rechtlich geschützte Zinserwartung der<br />

Bank Nichtabnahmeentschädigung bezahlen<br />

muss 4 . Die rechtlich geschützte Zinserwartung<br />

der Bank beträgt in diesem Fall 10 Jahre und<br />

6 Monate, d. h. der Darlehensnehmer kann das<br />

Darlehen frühestens 10 Jahre nach Auszahlung<br />

kündigen, muss aber eine Kündigungsfrist<br />

von 6 Monaten einhalten. Gleiches gilt für das<br />

Anschlussdarlehen, die Bank könnte nach dem<br />

Wortlaut des Gesetzes darauf vertrauen, dass<br />

dieses Darlehen nach Auszahlung in 10 Jahren<br />

nochmals für 10 Jahre Zinsfestschreibung läuft<br />

und insgesamt für über 20 Jahre Nichtabnahmeentschädigung<br />

für das zweite Darlehen<br />

verlangen. In der Gesamtbetrachtung würde<br />

die Bank grob betrachtet also für wirtschaftlich<br />

ein und dasselbe Darlehen für die ersten<br />

10 Jahre doppelt und außerdem für die Jahre<br />

10–20 eine Entschädigung für eine Nichtabnahme<br />

verlangen können. Weniger extrem<br />

aber prinzipiell ähnlich ist die Schadensbetrachtung,<br />

wenn der Kreditnehmer ein ihm<br />

zustehendes vorzeitiges Tilgungsrecht während<br />

der Laufzeit des ersten Darlehens ausübt<br />

und die Bank dann <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

für das erste Darlehen und Nichtabnahmeentschädigung<br />

für das zweite Darlehen verlangt.<br />

Aus diesem Grund wird eine überzogene<br />

Konstruktion des Forward-Darlehens insbesondere<br />

<strong>bei</strong> Doppeldarlehen als Umgehung des<br />

§ 489 BGB nicht möglich sein. Dem Darlehensnehmer<br />

wird dennoch ein Kündigungsrecht<br />

zustehen.<br />

Unter Abwägung des erheblichen Kundeninteresses<br />

am Produkt Forward-Darlehen, insbesondere<br />

in Zeiten einer Niedrigzinsphase<br />

wie derzeit, der normalen Auszahlungsfristen<br />

über Monate oder Jahre <strong>bei</strong> Baufinanzierungen<br />

(vgl. z. B. Ratenmodell nach § 3 MaBV) und des<br />

eindeutigen Gesetzeswortlauts erscheint es<br />

zulässig, eine Forward-Zeit bis zur Hälfte der<br />

gesetzlich zulässigen Bindung, also 5 Jahre, zu<br />

vereinbaren. Mit dieser Begrenzung dürften<br />

auch Anschlußdarlehen, die nach Ablauf der<br />

ersten 5 Jahre des bestehenden Darlehensvertrages<br />

<strong>bei</strong> Zinsfestschreibung von 10 Jahren<br />

geschlossen werden oder Doppeldarlehen mit<br />

gleichzeitigem Abschluß und einer Beschränkung<br />

auf 5 Jahre Zinsfestschreibung und<br />

5 Jahre Forward-Zeit, zulässig sein. Darüber<br />

hinaus dürfte eine weitere Ausdehnung der<br />

Forward-Zeit (auch unter besonderer Aufklärung<br />

des Kunden) rechtlich nicht möglich sein<br />

- vom wirtschaftlichen Aspekt der in Abhängigkeit<br />

von der Zinsstrukturkurve möglicherweise<br />

sehr hoch ausfallenden Forwardprämie ganz<br />

abgesehen. Im Ergebnis kann sich die <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong>/Nichtabnahmeentschädigung<br />

im beschriebenen Fall des Doppeldarlehens<br />

(„2*10 Jahre“) maximal auf die Restlaufzeit<br />

des Erstdarlehens mit 5 Jahren, das ist zugleich<br />

der Vorlauf des <strong>Forwarddarlehen</strong>s, und einer<br />

Nichtabnahmeentschädigung eines <strong>Forwarddarlehen</strong>s<br />

mit einer Zinsbindung von 10 Jahren<br />

zusammensetzen.<br />

2. Neue Zinsvereinbarung<br />

Beispiel 2:<br />

Die Bank schließt mit einem Kunden <strong>bei</strong> einem<br />

bereits bestehenden Festzinskredit mit einer<br />

zehnjährigen Zinsbindung z. B. 2 Jahre vor<br />

Ablauf eine Prolongationsvereinbarung wiederum<br />

für 10 Jahre (ab Ablauf der alten Zinsbindung),<br />

da der Kunde sich schon jetzt das<br />

aktuelle Zinsniveau sichern will. Da<strong>bei</strong> stellt<br />

sich die Frage, ob der Wortlaut § 489 Abs. 1<br />

Ziffer 3 1. HS BGB greift, wonach die 10-Jahresfrist<br />

ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung<br />

läuft (in der Abbildung unten also ab dem Jahr<br />

8) oder ob die 10-Jahresfrist erst ab Geltung<br />

der neuen Kondition läuft 5 . Für den Kunden<br />

03 / 2010 BankPraktiker<br />

Beitrag<br />

» Aus diesem Grund<br />

wird eine überzogene<br />

Konstruktion<br />

des Forward­Darlehens<br />

– insbesondere<br />

<strong>bei</strong> Doppeldarlehen<br />

– als Umgehung<br />

des § 489 BGB nicht<br />

möglich sein. «<br />

4 BGH WM 1991, 760, dazu WuB I E 4. – 7.91<br />

Beckers; Rösler/Wimmer, WM 2000, 164.<br />

5 So Bruchner/Krepold in: Schimansyk/Bunte/<br />

Lwowski, Bankrechtshandbuch, 3. Aufl., 2007,<br />

S. 2170, RdNr. 22b.<br />

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86<br />

Beitrag<br />

03 / 2010 BankPraktiker<br />

hat dies erkennbar weitreichende Folgen, da<br />

zum einen der Zeitraum der Festzinsbindung<br />

tangiert wird und zum anderen der Zeitraum<br />

der Schadensberechnung <strong>bei</strong> der Nichtabnahme-/<strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong>betroffen<br />

ist (siehe Abb. 1).<br />

Aufgrund der aus vertraglicher Sicht vorgenommenen<br />

Umschuldung durch Abschluss<br />

eines neuen Kreditvertrages kann das Forward-Darlehen<br />

jedoch nicht als Anwendungsfall<br />

von § 489 Abs. 1 Nr. 3 zweiter Halbsatz BGB<br />

eingestuft werden. Diese Norm erfasst nur Fälle,<br />

<strong>bei</strong> denen sich Darlehensnehmer und Bank vor<br />

Ablauf der Zinsfestschreibung über eine neue<br />

Zinsfestschreibung – in aller Regel mit einem<br />

geänderten Zinssatz – für das bereits bestehende<br />

Darlehen einigen. Ein neuer Darlehensvertrag<br />

wie <strong>bei</strong>m Forward-Darlehen wird in<br />

diesen Fällen gerade nicht geschlossen. Also ist<br />

in jedem Fall abzugrenzen, ob ein neuer Darlehensvertrag<br />

abgeschlossen wurde und damit<br />

ein vom Anwendungsbereich dieser Norm ausgeschlossener<br />

Forwardkredit vorliegt oder ob<br />

Bank und Kunde lediglich zum bestehenden<br />

Darlehensvertrag eine neue Zinsvereinbarung<br />

geschlossen haben, der Vertrag aber ansonsten<br />

unverändert fortlaufen soll. In Abb. 1 ist damit<br />

ausgehend von der Erklärung der Nichtabnahme<br />

des prolongierten Darlehens im Jahr 9<br />

das Jahr 18 für das Ende der rechtlich geschützen<br />

Zinswartung maßgeblich, wenn eine neue<br />

Zinsvereinbarung geschlossen wird, hingegen<br />

das Jahr 20, wenn ein neuer (Forward-)Kredit<br />

abgeschlossen wird.<br />

Abbildung 1: Zinserwartungszeitraum <strong>bei</strong> <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Kreditver -<br />

trag neu<br />

Jahr 8<br />

Zins -<br />

prolongation<br />

Neuer<br />

Zinssatz<br />

verein -<br />

bart<br />

Jahr 9<br />

NA des<br />

prolongierten<br />

Darle -<br />

hens<br />

Jahr 10<br />

III. Berechnung der<br />

Nichtabnahme-/<strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Im obigen Beispiel 1 ist aus juristischer und aus<br />

ökonomischer Sicht davon auszugehen, dass<br />

der Schaden gerechnet auf den geschützten<br />

Zinserwartungszeitraum zu erfolgen hat. Bei<br />

einer Forwardvereinbarung heute mit einer<br />

Vorlaufzeit von 2 Jahren und einer Zinsbindung<br />

von 10 Jahren ab Auszahlung wird der Schaden<br />

<strong>bei</strong> einer angenommenen Nichtabnahme am<br />

Tag des Darlehensvertragsschlusses zum Zeitpunkt<br />

der Auszahlung in 2 Jahren auf 10 Jahre<br />

(Ablauf der Zinsbindung) gerechnet, womit<br />

der künftige Cash-Flow <strong>bei</strong> der Berechnung in<br />

zwei Jahren startet. Die „weit“ in der Zukunft liegenden<br />

Cash-Flows sind dementsprechend auf<br />

den „heutigen“ Tag abzuzinsen. Würde fälschlicherweise<br />

eine Sofortauszahlung „heute“ <strong>bei</strong><br />

der Schadensbetrachtung angenommen, so<br />

würde der Schaden deutlich überzeichnet, da<br />

die Cash-Flows zu gering abgezinst würden.<br />

Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, wird<br />

angenommen, dass der Bankkunde ursprünglich<br />

zum Zeitpunkt 0 einen Kredit über 100 T€<br />

zu 5% p. a. <strong>bei</strong> einem Tilgungssatz von 2% abgeschlossen<br />

hat. Bei einer angenommen normal<br />

verlaufenden Zinsstrukturkurve (1 Jahr 3%,<br />

vereinfachend wiederum pro Jahr um linear<br />

0,25%-Punkte ansteigend) ergibt sich der in<br />

Abb. 2 dargestellte Cash-Flow und der damit<br />

verbundene Margenbarwert.<br />

Zins -<br />

prolongation<br />

Beginn<br />

neue<br />

Zinsbin -<br />

dung<br />

Schadensberechnung bis Jahr 18 oder 20?<br />

Jahr 20


Der Kunde schließe später zum Zeitpunkt 3 auf<br />

Basis der vereinfachend als unverändert angenommeen<br />

Zinsstrukturkurve ein <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

ab, das in zwei Jahren zur Auszahlung<br />

gelangt. Das Volumen in Höhe von 90 T€ 6 wird<br />

pro Jahr zu 2% getilgt; Forwardsatz 6,0791%.<br />

Die Bewertung des Darlehens ergibt: Margenbarwert<br />

zum Zeitpunkt 3 der ursprünglichen<br />

Zeitachse 3,6034 T€, Marge 1,02188% und Einstandssatz<br />

5,05721% 7 .<br />

Wie Abb. 2 zu entnehmen ist, führen die Vertragsmodalitäten<br />

zu einem geplanten Cash-<br />

Flow, der im Jahr t = 5 der ursprünglichen Zeitachse<br />

startet und der per t = 3 dieser Zeitachse<br />

bewertet wird. Die Bank, welche die Forwardposition<br />

im Kundengeschäft am Geld- und<br />

Kapitalmarkt bereits zum Abschlussdatum t = 3<br />

absichern könnte, errechnet einen Margenbarwert<br />

in Höhe von 3,6034 T€.<br />

Ein Jahr nach Abschluss der Forwardvereinbarung<br />

(t = 4 der ursprünglichen Zeitachse)<br />

erklärt der Kunde, dass er das Darlehen nicht<br />

abnimmt; die Zinskurve verläuft jetzt wiederum<br />

normal (jetzt 1. Jahr 2%, pro Jahr um linear<br />

0,25%-Punkte ansteigend). Die Nichtabnahmeentschädigung<br />

beläuft sich auf 9,923 T€, die<br />

sich in den Zinsmargenschaden ZMS (3,835 T€)<br />

und den Zinsverschlechterungsschaden ZVS<br />

(5,992 T€) aufspalten lässt (vgl. Abb. 3).<br />

Falsch wäre es hingegen, die Berechnung<br />

so durchzuführen, als ob das Darlehen zum<br />

Berechnungszeitpunkt zur Auszahlung gelänge<br />

– man würde <strong>bei</strong>spielsweise den Auszahlungsbetrag<br />

nicht abzinsen, obwohl dieser erst in<br />

einem Jahr zur Auszahlung gelangen würde.<br />

IV. Vergleich Umschuldung und<br />

<strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Abbildung 2: Kalkulation Ursprungsdarlehen und <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Vergleicht man die Situation der <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

mit dem Ergebnis <strong>bei</strong> einer<br />

Umschuldung, so zeigt sich, dass der Kunde<br />

infolge der Umschuldung bezogen auf den<br />

rechtlich geschützten Zinserwartungszeitraum<br />

des Restdarlehens nichts gewinnt, da er die<br />

<strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong> zu zahlen hat. Im<br />

Gegenteil: Die Umschuldung führt <strong>bei</strong> einem<br />

Wechsel zu einer anderen Bank dazu, dass er<br />

im Neudarlehen die volle Marge zahlt, jedoch<br />

auch <strong>bei</strong>m Altdarlehen über die <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

die „alte“ Marge begleicht. Wird<br />

die bisherige Bankverbindung <strong>bei</strong>behalten, so<br />

sollte – wie von den Autoren mehrfach gefordert<br />

8 – der Margenausgleich (Erstattung der<br />

Neugeschäftsmarge) vorgenommen werden<br />

(vgl. Abb. 5). Der Kunde profitiert, wenn sich<br />

die Zinssituation zu Gunsten des Kunden entwickelt,<br />

d. h. der Marktzins steigt.<br />

Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, wird der<br />

ursprünglich aufgenommene und in Abb. 2 dargestellte<br />

Kredit über 100 T€ zu 5% p. a. <strong>bei</strong> einem<br />

Tilgungssatz von 2% Ende t=3 der ursprünglichen<br />

Zeitachse umgeschuldet: es verbleiben <strong>bei</strong><br />

Zeitachse 0 1 2 3 4 5<br />

-100 7 6,9 6,8 6,7 96,6 Cash-Flow<br />

1,0000000 0,970873786 0,937962811 0,90163355 0,86227216 0,82027914 Abzinsfaktoren<br />

-100 6,7961 6,4719 6,1311 5,7772 79,2390 Barwerte CF<br />

Margenbarwert 4,4154<br />

<strong>Forwarddarlehen</strong> Abschluss Jahr 3 6,0791% Tilgungssatz (%): 2<br />

Zeitachse 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-90 7,47 7,35 7,23 7,11 86,98 Cash-Flow<br />

1,00000000 0,970873786 0,937962811 0,90163355 0,862272164 0,820279142 0,7760639 0,730039388 Abzinsfaktoren<br />

0 0 -84,41665295 6,73626999 6,337357212 5,928994151 5,51505 63,50237134 Barwerte<br />

Margenbarwert 3,6034<br />

Abbildung 3: Nichtabnahmeentschädigung <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

<strong>Forwarddarlehen</strong>: Nichtabnahme im Jahr 4 6,079093%<br />

Zeitachse 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Ablösung/NA -90 7,47118386 7,34960199 7,2280201 7,1064383 86,9848564 Cash-Flow<br />

0,9803922 0,9564217 0,9283704 0,8965522 0,8613086 0,8230034 Abzinsfaktoren<br />

Nichtabnahmeentschädigung per t=1 9,923 - 88,235 7,146 6,823 6,480 6,121 71,589 Barwerte<br />

0,919692 0,8992544 0,8788168 0,8583792 0,8379416 Marge<br />

davon ZMS 3,835 0,8796 0,8348 0,7879 0,7393 0,6896 abgezinste Margen<br />

davon ZVS 5,992<br />

03 / 2010 BankPraktiker<br />

Beitrag<br />

6 Zum Zeitpunkt der Ausreichung ist das Altdarlehen<br />

bereits auf 90 T€ (=100 - 100*2%*5) zurückgeführt.<br />

7 Zu Details der Kalkulationsmethodik vgl.<br />

Wimmer, Bankkalkulation und Risikomanagement,<br />

3. Aufl., Ber lin 2004 und Wimmer, Moderne<br />

Bankkalkulation, 3. Aufl., Stuttgart 2006.<br />

8 Rösler/Wimmer/Lang: Vorzeitige Beendigung<br />

von Darlehensverträgen, S. 140–142, München<br />

2003, S. 147–149 und S. 225 ff.; Wimmer/Rösler,<br />

WM 2005, 1873.<br />

87


88<br />

Beitrag<br />

» Aus diesem<br />

Margen vergleich<br />

ergibt sich, dass die<br />

<strong>bei</strong>den Alternativen<br />

gleichwertig sind. «<br />

03 / 2010 BankPraktiker<br />

Abbildung 4: Umschuldung (grafische Darstellung)<br />

Jahr 0<br />

Kreditvertrag<br />

neu 100 T€<br />

Zinsprolongation:<br />

Neuer Zinssatz<br />

vereinbart<br />

Jahr 3<br />

Jahr 3<br />

einer Restschuld von 94 T€ noch die zwei Raten<br />

über 6,7 und 96,6 T€, die für die Ermittlung der<br />

<strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong> relevant sind. Übernimmt<br />

man die bereits oben verwendete geänderte<br />

Zinskurve (jetzt 1. Jahr 2%, pro Jahr um<br />

linear 0,25%-Punkte ansteigend), so beläuft sich<br />

die <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong> auf 4,96 T€. Darin<br />

enthalten ist die Marge des Altgeschäfts.<br />

Wird das Neudarlehen marktgerecht kalkuliert<br />

und gepreist, wo<strong>bei</strong> hier bewusst angenommen<br />

wird, die Alt- und die Neugeschäftsmarge<br />

seien identisch, so ergibt sich der neue Darlehenszinssatz<br />

mit knapp 4% p. a. Die Umschuldungskonstruktion<br />

wird in Abb. 4 nochmals<br />

grafisch aufbereitet.<br />

Insgesamt resultiert aus der Umschuldung das<br />

folgende Ergebnis, wenn die Neugeschäftsmarge<br />

ausgeglichen wird. Wie Abb. 5 zu ent-<br />

VE<br />

Jahr 5<br />

Jahr 5<br />

Abbildung 5: Umschuldung und <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

Jahr 8<br />

nehmen ist, zahlt der Kunde mit der <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong><br />

für das Altdarlehen die<br />

dort eingepreiste Marge, während im Neudarlehen<br />

für den Überlappungszeitraum von<br />

Alt- und Neudarlehen (zwei Jahre) die Neugeschäftsmarge<br />

angerechnet wird. Das barwertige<br />

Ergebnis für die Bank ist in Abb. 5 dargestellt.<br />

Die Margen, die der Kunde in den <strong>bei</strong>den<br />

Varianten Umschuldung bw. <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

zahlt, gehen aus Abb. 6 hervor. Aus diesem<br />

Margenvergleich ergibt sich, dass die <strong>bei</strong>den<br />

Alternativen gleichwertig sind.<br />

Abb. 6 belegt, dass die Kombination Alt- und<br />

Neudarlehen mit Vorteilsausgleich die Doppelvereinahmung<br />

von Margen vermeidet und der<br />

Bank pro Jahr die vertraglich im Zins eingear<strong>bei</strong>tete<br />

Marge verbleibt. Zum gleichen Ergebnis<br />

kommt man <strong>bei</strong> der Kombination Alt- und<br />

<strong>Forwarddarlehen</strong>. £<br />

Zeitachse<br />

5%<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

Altdarlehen 94,00 6,70 96,60 Rest- Cash-Flow<br />

1,0000000 0,980392157 0,956421688 Abzinsfaktoren<br />

94,00 6,5686 92,3903 Barwerte Rest-Cash-Flow<br />

VE 4,9590<br />

Neudarlehen Tilgungssatz (%): 2,00 Nominalzins: 3,998806%<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

-94 2,00<br />

2 2 2 86 Tilgung<br />

92 90 88 86 0 Restschuld<br />

3,758877879 3,678901754 3,598925628 3,518949503 3,438973378 Zinsen<br />

-94 5,758877879 5,678901754 5,598925628 5,518949503 89,43897338 Cash-Flow<br />

1,000000 0,980392 0,956422 0,928370 0,896552 0,861309 Abzinsfaktoren<br />

-94 5,6460 5,4314 5,1979 4,9480 77,0346 Barwerte CF<br />

MBW NEU 4,2578<br />

Margenerstattung - 0,9606 - 0,9401 bezieht sich auf die Kapitalbindung des Altgeschäfts und die Neugeschäftsmarge<br />

Barwert Marge - 1,8409 - 0,9417 - 0,8992<br />

Gesamtergebnis 7,3759<br />

davon VE 4,9590<br />

davon MBW neu 4,2578<br />

Margenanrechnung - 1,8409<br />

Abbildung 6: Margenvergleich Umschuldung und <strong>Forwarddarlehen</strong><br />

Margen-Sicht 0 1 2 3 4 5<br />

Neudarlehen erstattet 0,9606 0,9401 0,9197 0,8992 0,8788<br />

Altdarlehen 0,9606 0,9401<br />

Summe 0,9606 0,9401 0,9197 0,8992 0,8788<br />

Summe barwertig 4,2578 0,9417 0,8992 0,8538 0,8062 0,7569<br />

FW-DL 0,9197 0,8993 0,8788<br />

Altdarlehen 0,9606 0,9401<br />

Summe 0,9606 0,9401 0,9197 0,8993 0,8788<br />

Summe barwertig 4,2579 0,9417 0,8992 0,8538 0,8062 0,7569


PRAXISTIPPS<br />

Beitrag<br />

Wird ein neuer (Forward-)Darlehensvertrag abgeschlossen, so stellt sich die Problematik der Koppelung von mehreren<br />

Krediten und die damit verbundene Umgehenung der 10-Jahresfrist nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB. § 489 Abs. 1 Nr 3 zweiter<br />

Halbsatz BGB ist auf diesen Sachverhalt nicht anzuwenden, sondern bezieht sich auf die Vereinbarung einer neuen<br />

Zinsvereinbarung eines bereits bestehenden Vertrags.<br />

Die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung (ebenso <strong>Vorfälligkeitsentschädigung</strong>) erfolgt nach den üblichen<br />

Grundsätzen. Bei einer Nichtabnahme ist auf das Datum abzuzinsen, an dem die Nichtabnahme erklärt wird. Die Cash-<br />

Flows sind jeweils auf das Datum zu legen, das laut Forwardvereinbarung als Zahlungstermin vorgesehen war.<br />

Umschuldung <strong>bei</strong> derselben Bank oder Abschluss eines <strong>Forwarddarlehen</strong>s wird für den Kunden im Ergebnis unter idealtypischen<br />

Bedingungen und der Margenanrechnung dasselbe Ergebnis zeigen. Bei der Umschuldung zu einer anderen<br />

Bank fällt dagegen die Marge doppelt an für die Restlaufzeit. Auch die Transaktionskosten (insbes. Grundschuldübertragung)<br />

werden diese Variante verteuern.

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