2.K-Lifestyle-Flieger S. 92-93
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LIFESTYLE<br />
Nordavia-Chef Helmut Heidemann<br />
vor einem Citation Jet<br />
Ready for Take-off<br />
Air Charter Broker wie Helmut<br />
Heidemann makeln Flugzeuge<br />
jeder Größenordnung – vom<br />
Learjet bis zum Jumbo.<br />
Ein amerikanischer Geschäftsmann<br />
und seine Frau, gewandet in edler<br />
Abendrobe, steigen auf dem Flughafen<br />
Frankfurt/Main in den gecharterten<br />
Jet, der kurz darauf mit dem Ziel<br />
Beirut/Libanon abhebt. Nach einer<br />
Stunde fragen die Passagiere nach der<br />
verbleibenden Flugzeit. Der Pilot sagt<br />
lächelnd: „Die Alpen liegen hinter uns,<br />
in zweieinhalb Stunden sind wir da.“ Er<br />
erntet Verständnislosigkeit: Wie kann<br />
ein Flug nach Bayreuth zur „Parsifal“-<br />
Aufführung so lange dauern?<br />
Eine kuriose, aber wahre Begebenheit.<br />
„So ein folgenschweres Missverständnis<br />
kann’s bei uns nicht geben.<br />
Unsere Fluggäste erhalten klar formulierte<br />
Verträge in deutscher oder in<br />
englischer Sprache“, betont Helmut<br />
Heidemann, Chef der Nordavia Fluggesellschaft<br />
mbH in Hamburg. Der 61-<br />
Jährige kennt das Business aus dem Eff-<br />
eff: „Wir sind der erste deutsche Air<br />
Charter Broker, wie der internationale<br />
Begriff für Luftfahrtmakler lautet.“<br />
Als der ausgebildete Flugkapitän<br />
1976 mit einem Sechssitzer als Taxiflugunternehmen<br />
startete, war das private<br />
Chartergeschäft nur in den USA<br />
und Großbritannien bekannt. „Ich<br />
musste mir bald wegen der wachsenden<br />
Passagierzahlen Kapazitäten dazumieten.<br />
Da kam ich zwangsläufig zum<br />
Makeln.“<br />
In erster Linie Geschäftskunden<br />
Heidemanns Beispiel machte Schule:<br />
„Heute sind hierzulande drei bis vier<br />
ernstzunehmende Konkurrenten aktiv<br />
– von einigen One-Man-Shows einmal<br />
abgesehen.“<br />
Die Luftfahrtmaklerei ist indes nach<br />
wie vor ein Geschäftsfeld, dessen Bedeutung<br />
in der Öffentlichkeit unterschätzt<br />
wird. Allein Nordavia befördert<br />
rund 10.000 Fluggäste pro Jahr. Die<br />
Passagiere sind zu 99 Prozent Geschäftskunden.<br />
Heidemann: „Dazu zählen<br />
übrigens etliche Finanzdienstleister:<br />
Von Assekuranzen bis zu Vertrieben,<br />
die unseren Service für Roadshows<br />
oder Incentive-Reisen nutzen.“<br />
Die Buchungen sind vielfältig: Mal<br />
muss ein 43-köpfiger deutscher Chor<br />
nach Ausfall eines Billigfliegers auf<br />
schnellstem Wege an die Nordostküste<br />
Großbritanniens, mal ordert ein großer<br />
Farbenhersteller Plätze in Kompanie-<br />
stärke – nebst Ausstattung des Flugzeugs<br />
in seinem Corporate Design.<br />
Auf Knopfdruck hat Nordavia dafür<br />
dank einer speziellen Software weltweit<br />
45.000 gewerblich mietbare Flugzeuge<br />
zur Auswahl: Vom Learjet bis<br />
zur Boeing 747. Allein in Europa („unser<br />
Kernmarkt, auf dem wir mit 200<br />
Airlines zusammenarbeiten“) stehen<br />
mehr als 5.000, in Deutschland rund<br />
600 <strong>Flieger</strong> zur Verfügung. Dazu kommen<br />
die Daten aller weltweiten Großund<br />
auch Regionalflughäfen wie etwa<br />
Lübeck oder Hahn bei Frankfurt – inklusive<br />
der Informationen, ob etwa<br />
Nachtanflug möglich oder eine Zollstation<br />
vor Ort ist.<br />
Air Charter Broker wie Nordavia<br />
sind immer up to date: Mittlerweile<br />
melden auch viele große Luftfahrtge-<br />
© CASH-Print GmbH · Brabandstraße 1 · 22297 Hamburg · Telefon 0 40 / 5 14 44 - 02 · Telefax 0 40 / 5 14 44 - 1 20<br />
Fotos: HJ Buchholz (1), Nordavia (5)
sellschaften ihre freien Kapazitäten.<br />
Heidemann: „Wir holen dann verschiedene<br />
Angebote ein und suchen das<br />
passende aus.“ Er hakt bei jeder Anfrage<br />
nach, von wo nach wo genau die<br />
Fluggruppe will: „Wenn es zum Beispiel<br />
zunächst heißt, von Frankfurt nach Nizza,<br />
das eigentliche Ziel jedoch Cannes<br />
ist, so wird dann auch direkt Cannes angeflogen.<br />
Daraus resultiert in vielen<br />
Fällen ein erheblicher Zeitgewinn.“<br />
So ist es auch möglich, mehrere Ziele<br />
an einem Tag anzusteuern, was sich<br />
mit Linienflügen nur schwerlich realisieren<br />
lässt. Heidemann: „Oft können<br />
die Kosten für Übernachtungen beim<br />
Chartern eingespart werden.“<br />
Apropos Kosten: Die Preise für einen<br />
Charterflug reduzieren sich ab einer gewissen<br />
Gruppengröße drastisch. Für einen<br />
Learjet mit sechs Fluggästen ist in<br />
etwa der Tarif, der bei einem Linienflug<br />
für eine First-Class-Beförderung anfällt,<br />
zu veranschlagen. Ab 50 Personen<br />
wird die Economy-Schwelle erreicht,<br />
beim 500-sitzigen Jumbo rangiert der<br />
Preis zwischen Economy-Klasse und<br />
Billigflieger.<br />
„Wir handeln Termingeschäfte“<br />
Zum überwiegenden Teil werden die<br />
Air Charter Broker von Agenturen<br />
oder Reisebüros kontaktiert, die etwa<br />
die Anreise zu einem Kongress organisieren.<br />
Viele versuchen zunächst, bei<br />
den ihnen bekannten Airlines ein Flugzeug<br />
zu chartern. Kommentar des<br />
Nordavia-Chefs: „Fragen Sie dort einmal<br />
nach einem Flug von Hamburg<br />
nach Edinburgh am 16. November dieses<br />
Jahres. Daraufhin wird allenfalls<br />
ein unverbindlicher Zirka-Preis genannt<br />
– vorbehaltlich der Verfügbarkeit<br />
des Fluggeräts und der Crew sowie<br />
einem nicht steigenden Benzinpreis und<br />
Dollarkurs.“<br />
Anders bei Nordavia: „Wir machen<br />
bis zu einem Jahr im Voraus ein verbindliches<br />
Angebot und garantieren<br />
die Abwicklung – ähnlich wie ein Termingeschäft-Händler<br />
an der Börse“, so<br />
Heidemann. Die Marge für den<br />
Broker beträgt im Schnitt zwischen<br />
fünf und 10 Prozent.<br />
Bei der Buchung gilt: Je größer<br />
das Flugzeug, desto länger die<br />
Vorlaufzeit. Ein Executive Jet (bis<br />
18 Fluggäste) steht binnen 90 Minuten<br />
überall in Europa, in den USA und<br />
weiten Teilen Asiens zur Verfügung, ein<br />
100-Sitze-<strong>Flieger</strong> in sechs Stunden.<br />
Heidemanns neuester Coup ist die<br />
Absicherung der Gäste gegen Ausfall<br />
Die Boeing 737 der Fluggesellschaft Hamburg International<br />
(bietet Platz für 148 Passagiere) gehört zum Pool<br />
der Charterflugzeuge von Air Charter Brokern.<br />
des Fluges auch bei höherer Gewalt, etwa<br />
bei Fluglotsenstreik oder Unwetter:<br />
„Wir stehen kurz vor Abschluss der<br />
Verhandlungen mit einem großen Versicherer.<br />
Damit werden wir einen neuen<br />
Standard im Markt setzen.“<br />
Bisweilen gehören auch spektakuläre<br />
Aufträge zum Programm. Beispielsweise,<br />
als vor einigen Jahren ein Kreuzfahrtschiff<br />
nahe dem Nordpol bei der<br />
Querung der Nord-Ost-Passage auf<br />
Grund gelaufen war und Nordavia sich<br />
im Auftrag der Reederei der Sache annehmen<br />
sollte. Heidemann befragte<br />
den Computer: „Er zeigte, dass der<br />
nächstgelegene Flugplatz Cambridge<br />
Bay zwar 800 Kilometer weit weg liegt,<br />
dort aber eine Mini-Airline ansässig<br />
ist.“ Und die, so stellte sich heraus,<br />
verfügt über einen 18-Sitzer mit Tundra-Reifen,<br />
der auf einer Geröllpiste<br />
nahe der Havariestelle landen konnte.<br />
Dann ging alles ganz schnell: Die 150<br />
Reisenden wurden mit kleinen Booten<br />
zur Landepiste übergesetzt und nach<br />
Cambridge Bay geflogen. Eine große<br />
Zahl von ihnen konnte die Reise sogar<br />
fortsetzen, weil sich in der Region ein<br />
für die Passagierbeförderung umgebauter<br />
russischer Eisbrecher befand.<br />
„Den Transfer des dringend benötigten<br />
Champagners und Kaviars haben<br />
wir übrigens gleich mit organisiert“,<br />
schmunzelt Heidemann. „Service ist<br />
schließlich Service.“ md<br />
In den 80er Jahren übernahm Nordavia<br />
(hinten: Helmut Heidemann) Flüge im<br />
Auftrag der Hilfsorganisation Cap Anamur<br />
(vorne: Gründer Rupert Neudeck).<br />
aus Cash● 5/2005<br />
Ein Learjet startet vom Flugplatz Aspen,<br />
Colorado: Mehr als 45.000 Flugzeuge stehen<br />
Air Charter Brokern weltweit zur Verfügung.<br />
Airport mitten im Indischen<br />
Ozean: Start- und Landebahn<br />
auf Male/Malediven.<br />
Nicht nur Beinfreiheit:<br />
Nobles Ambiente eines<br />
Business-Jets.