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EY-Biotech-Report_D_2013

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Umdenken ...<br />

... weiter denken, breiter denken<br />

Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Impressum<br />

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte,<br />

auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung<br />

des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten.<br />

Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung<br />

von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie,<br />

Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren)<br />

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme<br />

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie<br />

Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch<br />

ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,<br />

dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung<br />

als frei zu betrachten wären und<br />

daher von jedermann benutzt werden dürfen.<br />

Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten,<br />

die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie<br />

Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt<br />

wurden. Die in diesem <strong>Report</strong> wiedergegebenen<br />

qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit<br />

hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit<br />

der Angaben.<br />

Ernst & Young GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim<br />

April <strong>2013</strong><br />

Layout und Produktion: magenta – Kommunikation,<br />

Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim


Inhalt<br />

Vorwort/Preface 2<br />

Perspektive 4<br />

Rollenverständnis „<strong>Biotech</strong>nologie“ erweitern 5<br />

Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor 7<br />

Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies 15<br />

Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie 22<br />

Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen 29<br />

Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter 35<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie 38<br />

Zahlen und Fakten im Überblick 39<br />

Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen 40<br />

Transaktionen 44<br />

Zahlen und Fakten im Überblick 45<br />

Umdenken für attraktivere Transaktionen 47<br />

Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 48<br />

Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 55<br />

Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen 58<br />

Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt 59<br />

M&A-Transaktionen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 60<br />

M&A-Transaktionen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 63<br />

Firepower von Big Pharma nimmt ab 64<br />

Finanzierung 66<br />

Zahlen und Fakten im Überblick 67<br />

Finanzierung privater <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 69<br />

Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 90<br />

Marktkapitalisierung 96<br />

Produkte 98<br />

Zahlen und Fakten im Überblick 99<br />

Wirkstoffpipeline in Deutschland 100<br />

Biomarker als lukrative Marktprodukte 106<br />

Neugründungen mit innovativen Ideen 108<br />

Wirkstoffpipeline in Europa 112<br />

Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA 113<br />

<strong>Biotech</strong>-Standort Deutschland 114<br />

Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik 115<br />

Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung 118<br />

Danksagung 125<br />

Anhang 126<br />

Methodik und Definitionen 126<br />

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 128<br />

Verzeichnis der Expertenbeiträge 130<br />

Glossar 132


Vorwort<br />

Die aktuellen Wirtschaftsprognosen in<br />

Deutschland sind positiv und sorgen für<br />

bessere Stimmung und Zuversicht. Die<br />

Grundlage hierfür schafft der Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland mit starker Technologiebasis<br />

und darauf aufbauender Produktion<br />

von Gütern, die am Weltmarkt hoch<br />

geschätzt sind. Dennoch gibt es auch Sorgen<br />

der Menschen, z. B. aufgrund steigender<br />

Energiepreise, zunehmender Umweltbelas-<br />

tungen und deren Auswirkungen auf die<br />

Gesundheit. In dieser Situation mahnt mancher<br />

zum „Umdenken“:<br />

• Gelingt der Umstieg auf alternative Energie-<br />

quellen?<br />

• Wie kann die Umwelt besser und nachhaltig<br />

geschützt werden, um sie für nachfolgende<br />

Generationen zu erhalten?<br />

• Wie kann das Gesundheitssystem die technischen<br />

Möglichkeiten nutzen und trotzdem<br />

bezahlbar bleiben?<br />

„Umdenken“ – so auch der Titel des diesjährigen <strong>Biotech</strong>nologie-<br />

<strong>Report</strong>s. In den letzten Jahren wurde als Konsequenz aus der<br />

Finanzierungskrise über „Neue Spielregeln“ für die Unternehmen<br />

der <strong>Biotech</strong>-Branche nachgedacht und darüber, wie man „Weichen<br />

stellen“ kann, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Diese Reihe<br />

gipfelte im letztjährigen Titel „Maßgeschneidert“, der illustrierte,<br />

dass es keine Standardmodelle mehr gibt und jedes individuelle<br />

Unternehmen mit seinen spezifischen Stärken seinen eigenen Weg<br />

beschreiten muss.<br />

Warum also schon wieder „Umdenken“?<br />

Dr. Siegfried Bialojan<br />

Der vorliegende 14. Ernst & Young <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> versucht,<br />

den in den letzten drei Jahren immer enger auf das individuelle<br />

Unternehmen fokussierten Blick – auf seine USPs, seinen individuellen<br />

Businessplan, seine optimierte Finanzierungsstrategie –<br />

wieder zu weiten, um über neue Opportunitäten in einem sich<br />

ändernden, breiteren Umfeld vieler Industrien nachzudenken.<br />

In den vergangenen zehn Jahren wurde der <strong>Biotech</strong>nologie sukzessive<br />

ihre eigentliche Daseinsberechtigung und Stärke – die Entwicklung<br />

und Etablierung von „Bio-Technologien“ – entzogen; sie wurde<br />

zu sehr auf den Bereich der Therapeutikaentwicklung reduziert,<br />

ausgerechnet einen Sektor mit extrem hohen Risiken, Kosten, langen<br />

Zeitspannen und Konkurrenz bis zum Erfolg am Markt. Die Folgen<br />

waren unausweichlich: Misserfolge, gescheiterte Finanzierungs-<br />

systeme, schlechte Reputation und wenig Zutrauen in die Leistungsfähigkeit<br />

der <strong>Biotech</strong>-Branche insgesamt.<br />

„Umdenken“ bedeutet, sich wieder der eigentlichen Stärken zu<br />

besinnen. Darauf aufbauend müssen die Felder identifiziert werden,<br />

in denen die „Bio-Technologien“ auf hohen Bedarf treffen und in<br />

attraktiven Geschäftsmodellen ihren Anteil an der Wertschöpfung<br />

bekommen können.<br />

2 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Preface<br />

Current economic forecasts in Germany are<br />

positive and provide more confidence again.<br />

This is mainly driven by a strong technology<br />

base ensuring the manufacturing of high<br />

value products with an excellent reputation<br />

in global markets. Nevertheless, there are<br />

concerns as well, e. g. about the increasing<br />

cost of energy or the growing ecological<br />

damage with its consequences for public<br />

health. This situation generates a need to<br />

“Rethink”:<br />

• How can the transition to renewable energy<br />

sources be managed?<br />

• How can the environment be better protected<br />

for future generations?<br />

• How can technological innovations be<br />

leveraged best in order to sustain health<br />

care systems at affordable costs?<br />

“Rethinking” is also the title of this year’s<br />

Ernst & Young German biotech report. In previous years we have<br />

thought about “New Rules” for biotech companies in order to overcome<br />

the global financial crisis and about being “On the right<br />

tracks” to establish new business models. Along these lines, last<br />

year’s title “Tailor-made” indicated that standardized models are no<br />

longer relevant but every single enterprise has to find its own way<br />

based on its individual strengths.<br />

Why then “Rethinking” again?<br />

This 14th edition of the German Ernst & Young <strong>Biotech</strong> report attempts<br />

to widen again the perspective which had been narrowed down in<br />

previous years to more and more reflect individualized aspects –<br />

such as USPs, individual business plans or optimized financial strategies.<br />

It is about new opportunities in a changing environment with<br />

specific emphasis on applications in multiple industries.<br />

During the last decade, biotechnology had been more and more<br />

deprived of its raison d’être and actual strength – generating and<br />

establishing new “bio-technologies” – and was essentially reduced to<br />

drug development; an extremely risky sector associated with high<br />

costs, long development cycles and fierce competition on the way to<br />

market. The consequences were inevitable: failures, failed financing<br />

strategies, bad reputation and vanishing trust in the capabilities of<br />

the whole biotech sector.<br />

“Rethinking” therefore refers to reconsidering actual strengths<br />

as well as to analyzing and identifying fields with high demand for<br />

“bio-technologies”. Fields in which, at the same time, biotech can<br />

secure a valuable share of associated value chains and benefit from<br />

attractive business models.<br />

Rethinking within the therapeutic sector may mean to leverage new<br />

technology platforms for the generation of novel compound classes<br />

or to cover parts of pharmaceutical value chains. Rethinking may also<br />

mean “thinking beyond” and looking into new technology fields in


Umdenken innerhalb des Therapiesektors kann bedeuten, Technologieplattformen<br />

für innovative Produkte oder zur Abdeckung von Teilen<br />

der Wertschöpfungskette zu definieren. Umdenken beinhaltet auch<br />

„weiter denken“ in neue, interessante Technologiefelder, die sich<br />

im Diagnostikbereich zum Thema Personalisierte Medizin auftun.<br />

Und Umdenken heißt auch „breiter denken“, wenn es darum geht,<br />

die Initiativen der Bioökonomie mit Leben zu erfüllen und „Bio-Technologien“<br />

in Industrien einzubringen, die bisher außerhalb der<br />

Reichweite lagen.<br />

Unser globaler <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> Beyond borders <strong>2013</strong>, der in<br />

enger Zusammenarbeit mit dem Life Science Center in Mannheim<br />

erstellt wird, vertieft in diesem Jahr ebenfalls ein Thema, bei dem es<br />

um die Wertstellung der <strong>Biotech</strong>-Leistung geht. Für den reiferen und<br />

marktnäheren <strong>Biotech</strong>-Sektor in den USA geht es mehr darum, den<br />

Wert der Entwicklungen genau zu belegen, um in Partnerschaften<br />

oder bei Zulassungs- und Erstattungsbehörden zu bestehen. „How<br />

to demonstrate value“ ist deswegen dort das Kernthema. Dies schließt<br />

vor allem die immer stärker in den Vordergrund drängende Frage<br />

nach dem tatsächlichen Patientennutzen und dem „Health Outcome“<br />

ein. Die Unternehmen werden daraufhin analysiert, inwieweit sie<br />

sich in einem „Implementation Gap“ befinden oder hier bereits auf<br />

Höhe der Anforderungen sind.<br />

Innovationen in der Medizintechnik fanden ihren Ursprung von jeher<br />

schon viel näher am Patienten. Sie orientieren sich zukünftig noch<br />

stärker am „Patient Outcome“, mit Point–of-Care-Anwendungen,<br />

personalisierten Diagnostik-Tests und vielen neuen Health-IT-Systemen.<br />

Unter dem Begriff „PI Technologies“, einer Abkürzung für „Patient<br />

empowering and Information leveraging“ werden diese Trends in<br />

unserer globalen Medizintechnikstudie Pulse of the industry herausgearbeitet.<br />

Das Zusammenwirken aller Disziplinen der Life-Science-Industrie<br />

zu verstehen wird zu einer unabdingbaren Kernkompetenz für die<br />

Unterstützung beim Aufbau des patientenorientierten Gesundheitssystems<br />

der Zukunft. Die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen<br />

Zusammenhängen, unzählige Gespräche mit allen Beteiligten<br />

sowie ein fundiertes Wissen der Fakten schaffen eine solide Basis<br />

für eine Beratungsexpertise, die wir unseren Kunden im gesamten<br />

Life-Science-Bereich zur Verfügung stellen.<br />

Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen die vorliegende Studie<br />

hilfreiche Anregungen liefert und würde mich freuen, darüber<br />

hinaus den Dialog mit Ihnen fortsetzen zu dürfen.<br />

Dr. Siegfried Bialojan<br />

GSA <strong>Biotech</strong> Leader, Leiter Life Science Center<br />

Ernst & Young Mannheim, Germany<br />

siegfried.bialojan@de.ey.com<br />

„Beyond borders“<br />

<strong>Biotech</strong>no logy<br />

industry report <strong>2013</strong><br />

„Pulse of the industry“<br />

Medical technology<br />

report 2012<br />

the diagnostics sector around the topic of personalized medicine.<br />

Finally, rethinking also refers to “thinking more broadly” in terms<br />

of taking the new bioeconomy paradigm into account, in which<br />

“bio-technologies” will be leveraged much more widely in a variety<br />

of other industries that so far have been out of reach for biotech.<br />

Our global biotechnology report Beyond borders <strong>2013</strong> – which is put<br />

together in close cooperation with the Ernst & Young Life Science<br />

Center Mannheim – also deals with the issue of extracting value<br />

from biotech capabilities. For the more mature and market-oriented<br />

US biotech sector it is primarily relevant to demonstrate the value of<br />

biotech developments to partners, regulators or reimbursement<br />

decision makers. “How to demonstrate value” is therefore the key<br />

theme of the report. This also includes the question of how far companies<br />

have come to address the dominating issues around demonstrating<br />

“patient benefit” and “health outcome” and whether there<br />

still is an ”implementation gap”.<br />

Innovations in the medical device sector have traditionally originated<br />

closer to the patient and in cooperation with physicians. Now these<br />

innovations are starting to focus even more on the “patient outcome”,<br />

with point-of-care applications, personalized diagnostics and many<br />

new IT solutions. The term “PI technologies” (Patient empowering<br />

and Information leveraging) has been coined to describe this movement.<br />

In our global medtech study Pulse of the industry these<br />

trends are addressed in detail.<br />

Understanding the interaction of all disciplines in the life science<br />

industry will become a major key competency to support the building<br />

of a patient-oriented health system. Thinking and developing thought<br />

leadership along these lines, numerous discussions with all stakeholders,<br />

as well as sound knowledge of the facts all together establish<br />

a solid basis for the consulting expertise we offer to our clients.<br />

I hope the study on hand will provide you with helpful food for thoughts<br />

and will be able to stimulate fruitful discussions. I would also be<br />

delighted to continue our dialogue on the topics raised in this report.<br />

For more detailed information, we have<br />

posted an English Executive Summary with<br />

all major charts and analyses on our web site<br />

www.de.ey.com/biotechreport-summary<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 3


Perspektive<br />

4 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Rollenverständnis „<strong>Biotech</strong>nologie“ erweitern<br />

Blickfeld erweitern<br />

In der mittlerweile über zehnjährigen Tradition<br />

der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong>s<br />

von Ernst & Young haben wir die Entwicklungsgeschichte<br />

einer jungen, aufstrebenden<br />

Branche erfasst, analysiert und begleitet.<br />

Ein wichtiger Aspekt dabei war und ist die<br />

Identifizierung von richtungsweisenden<br />

Trends und deren Untermauerung durch ver-<br />

lässliche Statistiken.<br />

Dabei hatte sich nach den Anfängen der<br />

<strong>Biotech</strong>nologie in ihrer eigentlichen Rolle<br />

als Entwickler und Bereitsteller von „Querschnittstechnologien“<br />

mehr und mehr eine<br />

Fokussierung auf die Medikamentenentwick-<br />

lung als Hauptbetätigungsfeld der Branche<br />

herauskristallisiert. Allerdings bekam die<br />

<strong>Biotech</strong>-Branche die in diesem Bereich<br />

typischen Nachteile in vollem Ausmaß zu<br />

spüren – hohes Ausfallrisiko, immenser<br />

Finanzierungsbedarf und lange Entwicklungszeiten<br />

bis zum Markterfolg. Deshalb<br />

zeichnen gegenwärtig sowohl die Finanzierungssorgen<br />

als auch ausbleibende Erfolge<br />

bzw. konkrete Ausfälle eher ein negatives<br />

Bild in der Außendarstellung der Branche.<br />

Hier besteht dringender Handlungsbedarf,<br />

um den Zweifeln an der ohne Frage immensen<br />

Bedeutung der <strong>Biotech</strong>nologie für zukünf-<br />

tige Innovationen zum Nutzen der Menschheit<br />

nicht dauerhaft die Oberhand zu überlassen.<br />

Die Ernst & Young <strong>Report</strong>s der letzten drei<br />

Jahre hatten bereits einen „Umdenkprozess“<br />

angemahnt und gedanklich initiiert. Dabei<br />

haben wir vor allem Ansätze beschrieben,<br />

aus dem Dilemma der Unterfinanzierung<br />

herauszufinden. Ob „Neue Spielregeln“,<br />

„Weichen stellen“ oder „Maßgeschneidert“ –<br />

so die jeweiligen Titel der <strong>Report</strong>s: Es handelte<br />

sich dabei meist um Versuche, Alternativen<br />

aufzuzeigen, wie im oder um den<br />

bestehenden Kernbereich der Medikamentenentwicklung<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen weiter<br />

bestehen könnten. Die resultierenden<br />

Maßgaben umfassten im Wesentlichen immer<br />

wieder alternative Finanzierungsquellen,<br />

den effizienteren Umgang mit knappem<br />

Kapital sowie modifizierte Geschäftsmodelle.<br />

Alle Ansätze waren somit primär finanzierungsgetrieben<br />

und Ausdruck einer puren<br />

Überlebensstrategie. Ebenfalls adressierten<br />

wir bereits in den letzten <strong>Report</strong>s, dass diese<br />

Strategie der reinen Überlebenssicherung<br />

für die <strong>Biotech</strong>nologie aus volkswirtschaftlicher<br />

Sicht eine Katastrophe ist. Wenn angesichts<br />

der enormen Wachstumspotenziale<br />

nicht entsprechende Wachstumsstrategien<br />

in den Vordergrund rücken, drohen die vorbildlichen,<br />

immensen Forschungsförderungs-<br />

programme aus Steuermitteln zu verpuffen<br />

oder zumindest nicht in entsprechendem<br />

Maße an den deutschen Fiskus zurückzufließen.<br />

Umdenken …<br />

Der Titel „Umdenken“ fordert nun noch eindringlicher<br />

dazu auf, das gesamte Thema<br />

„<strong>Biotech</strong>nologie“ und vor allem die Rolle<br />

einer <strong>Biotech</strong>nologiebranche mit anderen<br />

Augen zu betrachten. Es geht nach wie vor<br />

darum, im bestehenden Kernbereich um die<br />

Medizin attraktivere Szenarien für nachhaltiges<br />

Wachstum zu entwickeln. Dazu gehört<br />

ein Rückbesinnen auf die eigentlichen Stärken<br />

und die Überlegung, wie diese im aktuel-<br />

len Life-Science-Umfeld am besten in erfolgreiche<br />

Unternehmungen eingebracht werden<br />

können. Die Pharma-Industrie liefert vor allem<br />

durch das Eingeständnis der nicht mehr ausreichenden<br />

Innovationskraft, die Tendenz<br />

zur Öffnung der F&E-Organisationen für<br />

externe Zusammenarbeiten sowie das klare<br />

Bekenntnis zu mehr Outsourcing die beste<br />

Steilvorlage für die innovativen Unternehmen<br />

der <strong>Biotech</strong>-Branche.<br />

… weiter denken,<br />

Dazu gehört auch ein „weiter denken“ –<br />

das Erkennen von neuen Einsatzfeldern,<br />

die sich aus den Entwicklungen hin zu mehr<br />

Patientenorientierung ergeben. Das viel-<br />

benutzte Schlagwort „Personalisierte Medizin“<br />

hat vor allem das Gebiet der Molekular-<br />

diagnostik neu belebt und beinhaltet enor-<br />

mes Wertschöpfungspotenzial. Hierfür<br />

zeichnen die Forschung und Entwicklungen<br />

in den <strong>Biotech</strong>-Unternehmen maßgeblich<br />

verantwortlich. Der Markt übt hier eine<br />

deutliche „Pull“-Bewegung aus, von dem<br />

die <strong>Biotech</strong>-Branche profitieren kann.<br />

… breiter denken<br />

Darüber hinaus ist es schließlich auch an der<br />

Zeit und ebenso wichtig, die ganze Breite<br />

der Anwendungsfelder von <strong>Biotech</strong>nologie<br />

jenseits der Medizin stärker in die Betrachtung<br />

einzubeziehen: „breiter denken“.<br />

Dieser Ansatz bezieht seine Berechtigung<br />

aus den in letzter Zeit viel diskutierten Aktivitäten<br />

zur „Biologisierung der Industrien“<br />

und den damit verbundenen Initiativen<br />

zur „Bioökonomie“. Darüber hinaus ist der<br />

aktuelle Bezug noch viel authentischer<br />

dadurch belegt, dass individuelle Unter-<br />

nehmen konkrete Beispiele für das Potenzial<br />

in einer Vielzahl von neuen Bereichen und<br />

Industriesegmenten deutlich unter Beweis<br />

stellen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 5


<strong>Biotech</strong> classica – Quo vadis?<br />

Dr. Timm-H. Jessen,<br />

CEO Bionamics GmbH, Hamburg<br />

<strong>Biotech</strong>-Spezies auf der Roten Liste?<br />

DeveloGen, Medigene, Paion – so oder<br />

anders hießen die Platzhirsche der 90er und<br />

frühen 2000er Jahre. Produktfokussierte<br />

<strong>Biotech</strong>-Firmen mit einem interessanten<br />

Portfolio präklinischer und klinischer Wirkstoffprojekte,<br />

inhaltlich gebündelt in einer<br />

Indikationsklammer und finanziert durch<br />

Venture Capital. Betrachten wir heute die<br />

Geschäftsstrategien der <strong>Biotech</strong>-Firmen,<br />

so scheint diese Spezies ernsthaft bedroht<br />

zu sein: <strong>Biotech</strong> classica – quo vadis?<br />

Es war kein Komet<br />

Es wäre zu einfach zu behaupten, der aus-<br />

gebliebene große Produkterfolg sei es gewesen,<br />

der diese Spezies auf die Liste der bedrohten<br />

Arten gebracht hätte; und Erfolge<br />

hat es in Teilen ja auch gegeben. Was sich<br />

jedoch bis heute als schwierig erwiesen<br />

hat, ist die Verknüpfung der erforderlichen<br />

Produkt- und Firmenentwicklungszeiten<br />

einerseits mit den Finanzierungshorizonten<br />

der Investoren andererseits. Ein typischer<br />

VC-Fonds hat bereits eine Laufzeit von<br />

durchschnittlich zehn Jahren, der Druck hin<br />

zu kürzeren Laufzeiten steigt jedoch. Und<br />

selbst ein Business Angel beginnt über<br />

Alternativen nachzudenken, wenn die Kapitalbindung<br />

zehn Jahre überschreitet. Für<br />

die Finanzierung von Produktentwicklungen<br />

aus Cashflow schließlich gibt es bereits eine<br />

Geschäftsbezeichnung: Pharma. Gründung,<br />

Aufbau, Portfoliogenerierung und Produkt-<br />

entwicklungen einer klassischen <strong>Biotech</strong>-<br />

Firma laufen aus einem zehnjährigen Investitionshorizont<br />

schnell heraus – wer möchte<br />

hier schon Gründungsfinancier sein?<br />

Neue Spezies entwickeln sich<br />

Das Kapital hat sich mittlerweile nach Alternativen<br />

umgesehen, will es denn im Life-<br />

Science-Bereich bleiben. Dadurch haben<br />

sich andere Spezies in der <strong>Biotech</strong>-Welt nach<br />

vorne entwickelt: Dienstleister, Diagnostikfirmen,<br />

Plattformentwickler und projektfokussierte<br />

Konstrukte dominieren das<br />

Terrain. Alle Spezies bemühen sich um ein<br />

Alignment der Produkt- und Geschäftsentwicklungszeiten<br />

mit dem Investitionshorizont<br />

der Geldgeber. Knüpfen wir an die oben<br />

genannten neuen Spezies an, so gelingt dies<br />

beispielsweise durch das Erreichen der Profitabilität,<br />

durch die Wahl des zu entwickelnden<br />

Produkts, durch eine Entkopplung von<br />

Technologie- und Produktentwicklung oder<br />

durch eine zeitlich beschränkte Veredlung<br />

eines Assets in einem Business Sweet Spot<br />

für Medikamentenkandidaten.<br />

Projektfokussierung als neue Maxime<br />

Investoren halten mit ihrem Anspruch nicht<br />

hinter dem Berg: So loben beispielsweise<br />

TVM, Index Ventures oder Symphony Capital,<br />

aber auch eine Reihe von Business Angels<br />

sogenannte PFCs als Investitionsoptionen<br />

aus, „project-focused companies“. Auch auf<br />

der operativen Seite herrscht Kreativität:<br />

Produkt-fokussierte Netzwerke oder Cluster<br />

wie CI3, NEU² oder BioNTech verknüpfen<br />

und nutzen existierende Strukturen und<br />

Exzellenzen auf lokaler und globaler Ebene.<br />

Das spart Infrastruktur- und Aufbauinves-<br />

titionen, erfordert Projektmanagement-<br />

Qualitäten, resultiert insgesamt jedoch in<br />

einer höheren, projektfokussierten Kapitaleffizienz<br />

für den Investor. Insbesondere der<br />

Clusteransatz erfordert ein Umdenken aller<br />

Beteiligten: Diskussionen auf Augenhöhe<br />

ergeben sich aus Kompetenzgründen;<br />

Herkunft und Größe der beteiligten Organisationen<br />

rücken dagegen mehr in den Hintergrund.<br />

IP-sharing-Modelle müssen neu<br />

erdacht werden und die Incentivierung aller<br />

Beteiligten muss durch den jeweils geeig-<br />

6 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

neten Mix aus Publikationsfreiheit, Umsatz<br />

und Rechten gelingen. Projektmanager<br />

müssen Unternehmerqualitäten zeigen und<br />

umgekehrt. Diese Konstrukte sind auf gutem<br />

Wege, ihr Produktivitätsnachweis steht<br />

jedoch noch aus.<br />

Neue Beziehungen Kapital-<strong>Biotech</strong><br />

Treibt also das Kapital die Struktur der <strong>Biotech</strong>-Landschaft<br />

vor sich her? Das würde die<br />

Rollen zu ungleich verteilen. Beide Lager<br />

haben eine schmerzhafte Lernkurve hinter<br />

sich und versuchen sich nun an Alternativen,<br />

die für beide Parteien gewinnbringend sind.<br />

Längere Produktentwicklungszyklen als im<br />

Bereich der Arzneimittelentwicklung sind in<br />

der gesamten Industrie kaum zu finden, und<br />

wenn – wie beispielsweise in der Luftfahrt –<br />

genießen diese Industrien in der Regel staatliche<br />

Unterstützung durch Garantien den<br />

finanzierenden Banken gegenüber. Das zunehmende<br />

Engagement der öffentlichen<br />

Hand in der <strong>Biotech</strong>-Industrie ist möglicherweise<br />

in diesem Kontext zu verstehen, und<br />

dessen sinnvoller Ausbau sollte gemeinsam<br />

erörtert werden. Eine nachhaltige Entkopplung<br />

von Finanzierungshorizont und Entwicklungszyklen<br />

gelingt im vorliegenden<br />

Fall zudem nur durch neue Finanzmodelle<br />

(Evergreen-Fonds, Crossfund Investments<br />

etc.) oder durch die Industrie selbst. Das<br />

riefe Pharma wiederum auf den Plan, die<br />

sich Anfang 2000 bereits selbst einmal an<br />

<strong>Biotech</strong>nologiefirmen-ähnlichen Konstrukten<br />

versucht hatte, den indikationsfokussierten<br />

CEDDs (Center of Excellence in Drug Dis-<br />

covery & Development). Diese litten jedoch<br />

oft unter deren gesellschaftsrechtlicher<br />

Hegemonie, unter der strategischen Abhängigkeit<br />

und den wissenschaftlichen Altlasten.<br />

Vielleicht sind es Mischformen aus den neuen<br />

<strong>Biotech</strong>-Spezies und den ehemaligen CEDDS<br />

einerseits sowie den Corporate & Longterm<br />

Investors andererseits, die <strong>Biotech</strong> classica<br />

wieder zu einem Revival verhelfen können.<br />

www.bionamics.de


Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor<br />

Gute Positionierung in medizinnahen<br />

Anwendungen<br />

<strong>Biotech</strong>nologieunternehmen müssen vor<br />

allem in medizinnahen Anwendungen klarer<br />

definierte Alleinstellungsmerkmale etablieren,<br />

die ihnen attraktive Positionen neben<br />

den dominierenden Pharma-Firmen ermöglichen.<br />

Das vielfach praktizierte Kopieren des<br />

Pharma-Modells für die Entwicklung und<br />

eigenständige Vermarktung von Therapeutika<br />

kann für KMU im <strong>Biotech</strong>-Sektor unter<br />

den gegebenen Umständen nicht nachhaltig<br />

erfolgreich sein. Sowohl der Finanzierungsbedarf<br />

als auch das Risikoprofil über die<br />

langen Zeitschienen passen nicht auf die<br />

vorgegebenen Modelle der Beteiligungsinvestoren.<br />

Jedoch haben einige <strong>Biotech</strong>-Vertreter ihre<br />

Unternehmen in diesem Bereich so interessant<br />

positioniert, dass diese unabhängig<br />

agieren können und auch im medizinnahen<br />

Anwendungsgebiet erfolgreich bestehen.<br />

Alleinstellungsmerkmal und<br />

Best Practice „Technologie-Plattform“<br />

Die Rolle von <strong>Biotech</strong> über eindeutige Allein-<br />

stellungsmerkmale besser zu definieren<br />

findet eine ganze Reihe von Ansatzpunkten.<br />

Stärkere Fokussierung auf die Technologiebasis<br />

ist einer der wichtigsten. Dies entspricht<br />

auch einer Rückbesinnung auf den<br />

eigentlichen Ursprung und die Stärke der<br />

Bio-„Technologie“ per se. Verbunden mit<br />

einer starken Technologie sind auch immer<br />

das menschliche Know-how, die gesammelten<br />

Erfahrungen und das Konzept rund um<br />

eine Technologiebasis sowie deren kontinuierliche<br />

Weiterentwicklung und Verbesserung.<br />

Stimmt das Konzept, kann rund um<br />

die Technologiebasis ein nachhaltiges und<br />

auch längerfristig eigenständig agierendes<br />

Geschäft aufgebaut und weiterentwickelt<br />

werden.<br />

Plattformen, die zur Generierung von neuen<br />

Wirkstoffklassen herangezogen werden,<br />

sind ein Beispiel hierfür. Sie stehen im Mittelpunkt<br />

von Allianzen, die für die Anbieter<br />

interessante Konditionen bieten(siehe hierzu<br />

die Erläuterungen im Kapitel „Transaktio-<br />

nen“). Demgegenüber zeigte sich in der Vergangenheit,<br />

dass solche Technologieplattformen<br />

nach erfolgreicher Übernahme und<br />

Integration in einen Großkonzern selten wei-<br />

terhin erfolgreich für den Käufer waren. So<br />

ist zum Beispiel die Antikörperplattform von<br />

Cambridge Antibody Technology (CAT) –<br />

lange eine direkte Konkurrenz zu MorphoSys –<br />

nach der Übernahme durch AstraZeneca im<br />

Jahr 2006 mittlerweile nicht mehr sichtbar.<br />

Um erfolgreich zu sein, muss ein Unternehmen<br />

nicht unbedingt eine eigene Produktplattform<br />

aufweisen. Wichtig ist der Nachweis<br />

eines nachhaltigen Geschäftsmodells<br />

mit einer soliden Technologie-Toolbox, welche<br />

für spezifische Fragestellungen eingesetzt<br />

werden kann: Sei es dem Innovationsdruck<br />

im Life-Science-Umfeld mit neuen Medikamentenklassen<br />

entgegenzuwirken, Kosten<br />

in der Medikamentenentwicklung einzusparen,<br />

die klinische Entwicklung schneller<br />

voranzutreiben oder aber auch komplexe<br />

Informationen schnell und einfach bereit-<br />

zustellen. Je nach Ausprägung und Modell<br />

lassen sich Technologie-Toolboxen in verschiedene<br />

Einsatzbereiche einteilen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 7


1. Toolbox „Tech@Translation“ als<br />

Treiber der Innovationseffizienz<br />

Im Zusammenhang mit dem enormen Innovationsdruck<br />

des Life-Science-Umfelds muss<br />

die Translation von innovativen Ideen aus<br />

der Akademie auf die kommerzielle Schiene<br />

besser funktionieren. Innovationseffizienz<br />

ist das Stichwort. Kernpunkt ist die frühestmögliche<br />

Kombination von exzellenten Forschungsideen<br />

mit den besten Technologien<br />

zum Zwecke einer schnellstmöglichen Abklärung<br />

der Tragfähigkeit akademischer<br />

Theorien. Hierbei spielen viele Aspekte eine<br />

Rolle, die <strong>Biotech</strong> im Vergleich zu großen<br />

und schwerfälligen Pharma-R&D-Organisa-<br />

tionen Vorteile zubilligen und somit als<br />

Alleinstellungsmerkmale dienen:<br />

• Forschungs-„Mindset“ und eine Bereitschaft<br />

für „Open Innovation“<br />

• Expertise bezüglich enger und proaktiver<br />

Interaktion mit akademischen Instituten<br />

• Agilität und Kreativität, speziell auch im<br />

Umgang mit komplexen biologischen Systemen<br />

• Know-how für die frühe kommerzielle Entwicklung<br />

von Produkten<br />

• Link zu den in der Wertschöpfungskette<br />

eher später einsteigenden Pharma-Firmen<br />

Genau diese Komponenten waren die Erfolgsfaktoren<br />

für zwei herausragende Kol-<br />

laborationen, die Evotec mit den Eliteuniversitäten<br />

Harvard und Yale auf den Weg<br />

gebracht hat. Über die Zielsetzung der Zusammenarbeit<br />

mit Harvard wurde bereits<br />

im letzten <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> berichtet.<br />

Werner Lanthaler, CEO von Evotec, hatte in<br />

seinem Artikel den Aspekt der „Innovationseffizienz“<br />

dargelegt. Zum damaligen Zeit-<br />

Perspektive<br />

punkt war die Initiative gerade gestartet<br />

und somit der Erfolg nur theoretisch vorgezeichnet.<br />

Umso beeindruckender der tatsächliche<br />

Beleg für die erfolgreiche Umsetzung<br />

dieses Ansatzes: 2012 konnte Evotec<br />

Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Harvard<br />

bereits nach 18 Monaten in eine lukrative<br />

Allianz mit Johnson & Johnson (J&J) einbringen.<br />

J&J kaufte sich in das Kollabora-<br />

tionsprogramm zwischen Evotec und der<br />

Harvard-Gruppe um Prof. Doug Melton ein,<br />

welches ein Portfolio von regenerativen<br />

Diabetes-Therapien beinhaltet. Mit einem<br />

Volumen von 300 Millionen US-Dollar an<br />

erfolgsabhängigen Meilensteinzahlungen<br />

ist der Deal gemessen an dem noch sehr<br />

frühen Stadium bemerkenswert. Anfang des<br />

Jahres folgte gleich eine weitere, ähnlich<br />

gelagerte Allianz mit der Yale University.<br />

Inhaltlich werden dort innovative Ansätze in<br />

den Gebieten ZNS, Onkologie sowie metabolische<br />

und immunologische Erkrankungen<br />

gemeinsam bearbeitet. Auch hierbei steht<br />

die enge Verknüpfung von Evotecs Drug-<br />

Discovery-Plattform mit der erstklassischen<br />

Forschung der Yale University im Zentrum<br />

der Zusammenarbeit.<br />

Zwar gibt es durchaus Bestrebungen einiger<br />

Pharma-Unternehmen, ebenfalls früh und<br />

direkt mit akademischen Institutionen zu<br />

interagieren, allerdings sind hier größere<br />

Hürden zu überwinden bis das „Open Innovation<br />

Paradigm“ auch bei den Großen<br />

verinnerlicht wird. Hier können <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen mit entsprechendem Technologieangebot<br />

deutlich punkten.<br />

Die effizientere Translation von Forschungsergebnissen<br />

in die kommerzielle Nutzung<br />

Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz<br />

Target-Identi-<br />

fikation und<br />

Bewertung<br />

Screening<br />

Hit- und<br />

Lead-<br />

Identifikation<br />

Lead-<br />

Optimierung<br />

8 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Präklinik<br />

war auch Triebfeder für die Gründung des<br />

Lead Discovery Center (LDC). Im Gegensatz<br />

zu der zuvor beschrieben Initiative, die<br />

aus einer bereits etablierten kommerziellen<br />

Plattform auf die Akademie zuging, entstand<br />

das LDC als kommerzielles Unternehmen<br />

aus einer Ausgliederung der Max-Planck-<br />

Gesellschaft. Erklärtes Ziel ist es, durch die<br />

enge Kollaboration von Wissenschaftlern<br />

mit dem Drug-Discovery-Apparat des LDC<br />

schnellstmöglich Ideen auf ihre Produkt-<br />

und Anwendungstauglichkeit zu prüfen. Die<br />

Validität des Ansatzes und die Attraktivität<br />

dieses Modells werden weiter bestätigt durch<br />

sein Finanzierungsmodell: Neben der Max-<br />

Planck-Gesellschaft selbst konnte das LDC<br />

signifikante Fördermittel als einer der Gewinner<br />

des BMBF BioPharma-Wettbewerbs<br />

einnehmen. Außerdem konnten die Dortmunder<br />

Fördermittel im Rahmen des EU-<br />

Programms FP7 einwerben und Mittel aus<br />

der Marie Curie Stiftung sowie der Michael<br />

J. Fox Foundation heben. Zielsetzung ist<br />

dennoch, das als kommerzielles Unternehmen<br />

gegründete LDC nach Ablauf von zehn<br />

Jahren vollständig aus eigenen Erträgen<br />

zu finanzieren. Auch hier zeigen sich erste<br />

Erfolge. Im Jahr 2011 schloss das LDC<br />

einen Lizenzvertrag mit Bayer zur weiteren<br />

Entwicklung eines neuen Onkologie-Wirkstoffes.<br />

Weitere Vereinbarungen laufen mit<br />

Merck KGaA in Darmstadt. Im Zuge der<br />

stärkeren Internationalisierung und globalen<br />

Wahrnehmung der „Translation“ als wesentlichen<br />

Innovationstreiber hat sich das LDC<br />

mittlerweile in einen Verbund von weiteren<br />

international führenden Technologietransfer-<br />

Einrichtungen integriert (Artikel von Bert<br />

Klebl auf S. 10).<br />

Klinische<br />

Phasen<br />

Zulassung<br />

und<br />

Vermarktung<br />

Akademie Tech@Translation<br />

Pharma<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation<br />

Dr. Werner Lanthaler,<br />

CEO Evotec AG, Hamburg<br />

Baustopp auf der Baustelle?<br />

Sie kennen vielleicht das Phänomen: Ein<br />

junges Paar ist motiviert von der Idee, ein<br />

Haus zu bauen; der tolle Architekt ist schnell<br />

bestellt, der Plan ist rasch diskutiert, eingereicht,<br />

genehmigt und schon geht’s los. Doch<br />

bereits nach kurzer Zeit ereilt das junge Paar<br />

erst die Ernüchterung und anschließend<br />

das böse Erwachen. Zunächst werden zwar<br />

nur Extras wie der Swimmingpool oder die<br />

Sauna von der Bauzeichnung gestrichen;<br />

doch trotz Reorganisation und Sparstift wird<br />

schnell klar, dass das Projekt mehr kostet, als<br />

man geplant hat und der Hausbau darüber<br />

hinaus um einiges länger dauert, als die angespannten<br />

eigenen Finanzen und die Bank<br />

es zulassen. Baustopp auf der Baustelle –<br />

wer will das schon! Nun gilt es, sich von den<br />

alten Mustern zu befreien; ein Ansatz, der<br />

sich auch auf viele Unternehmen in der Gesundheitsindustrie<br />

übertragen lässt.<br />

Das Problem: Aufgrund von<br />

„Erfolglosigkeit“ zurück zum Start<br />

Neben dem Beklagen von Finanzierungs-<br />

lücke und mangelndem Innovationsgeist in<br />

Europa scheint es, dass wir ein fundamentales<br />

analytisches und ökonomisches Problem<br />

über die letzten Jahrzehnte hinweg ignoriert<br />

haben. Neue Produkte erfordern größere<br />

Innovationsleistungen, als man geglaubt hat,<br />

kosten signifikant mehr und dauern wesentlich<br />

länger, als finanzierungswillige Unternehmen<br />

ihren Investoren immer wieder ein-<br />

reden wollten. Die Tufts University beschreibt<br />

im Jahr 2011 in einer Studie, dass die Bio-<br />

technologie die Kosten im Durchschnitt um<br />

250 Prozent unterschätzt hat. Auch die Entwicklungsdauer<br />

von neuen Produkten war<br />

durchschnittlich vier Jahre länger als ursprünglich<br />

angenommen. Und das sind die<br />

Analyseergebnisse der erfolgreichen Projekte!<br />

Trotz Milliardeninvestitionen in vielen Innovationsbereichen<br />

ist kaum Produktfortschritt<br />

festzustellen. Zudem gab es in den letzten fünf<br />

Jahren signifikante Rückschläge. Am deutlichsten<br />

wurde das wohl erst kürzlich von der<br />

FDA selbst illustriert, als sie alle Innovationsspieler<br />

direkt und sehr deutlich dazu aufforderte,<br />

in der Alzheimerforschung in Zukunft<br />

viel stärker zusammenzuarbeiten. Der Grund<br />

für diesen Schritt ist für uns alle alarmierend,<br />

denn die parallel laufenden spätphasigen<br />

Ansätze, die der Behörde vorliegen, deuten<br />

darauf hin, dass sie die Krankheit weder<br />

lindern noch deren Ursache aufklären und<br />

behandeln können. Die Order kommt also<br />

sogar von der regulativen Instanz: Alle gemeinsam<br />

„stop loss“ und zurück zum Start!<br />

Dieses Muster gilt leider nicht nur für Alzheimer,<br />

sondern auch für Diabetes, Krebs, HIV<br />

etc. Generell sind Krankheiten in den letzten<br />

Jahren zwar deutlich besser diagnostizierbar,<br />

aber leider kaum besser behandelbar<br />

geworden. Gesellschaftspolitisch langfristig<br />

effiziente Mittelverwendung bedeutet demnach<br />

eine nachhaltige Ursachenanalyse und<br />

-bekämpfung und nicht nur Symptomerkennung<br />

und -linderung.<br />

Die Komplikation: Zu viele wollen die<br />

Illusion zu lange am Leben lassen<br />

Die Diskussion darüber, was die akademische<br />

Welt, <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Unternehmen<br />

versprochen haben und was tatsächlich gehalten<br />

wurde, wird immer wieder vermieden.<br />

Doch wenn über Jahre nicht die gewünschten<br />

Erfolge erzielt werden, leidet irgendwann<br />

die Glaubwürdigkeit. Insbesondere in Branchen,<br />

in denen Anschlussfinanzierungen<br />

sehr stark auf ebenjener Glaubwürdigkeit<br />

basieren, ist ein vermindertes Vertrauen<br />

gleichzusetzen mit einem geplatzten Scheck.<br />

Der Schweinezyklus der notwendigen Finanzierungen<br />

treibt die Spirale von mehr und<br />

mehr Versprechen jedoch immer weiter an,<br />

auch ohne dass tatsächlich kommerziell<br />

fassbare Endprodukte und Resultate erkennbar<br />

werden. Dies bedeutet allerdings nicht,<br />

dass die ganze Branche die Asymmetrie von<br />

„Versprechen und Halten“ absichtlich ver-<br />

größert hätte. Im Gegenteil, die Wissenschaftsleistung<br />

und Managementanstrengungen<br />

sind deutlich besser als je zuvor,<br />

doch leider ist die Lücke zwischen Finanzie-<br />

rungsmöglichkeit und Finanzierungsnot-<br />

wendigkeit immer größer geworden. Es ist<br />

keine Schande, dies einzugestehen, denn es<br />

spiegelt die Komplexität der Biologie und<br />

vieler Krankheitsbilder wider. Die Spirale von<br />

immer größeren Versprechen zu stoppen, ist<br />

aber der Beginn einer konstruktiven Kooperation<br />

zwischen allen Innovationsspielern.<br />

Die Lösung: Gemeinsam statt einsam und<br />

voll motiviert zurück zum Start<br />

Zu erkennen, dass man bei vielen Indikationen<br />

leider keine erfolgsversprechenden Phase-II-<br />

und Phase-III-Ansätze mehr hat und keine<br />

weitere Wirkstoffpipeline vorhanden ist, sollte<br />

uns heute nicht frustrieren. Ganz im Gegenteil,<br />

es sollte uns motivieren, noch einmal ganz<br />

von vorne anzufangen. Zu erkennen, dass<br />

sich die klassischen Finanzierungsquellen in<br />

den nächsten Jahren weiter dramatisch ändern<br />

werden, sollte uns die Illusionen der<br />

Produktversprechen nicht weiter aufbauen<br />

lassen. Ganz im Gegenteil, je rascher wir anfangen,<br />

diese Versprechen abzubauen, umso<br />

besser. Industrie und Akademia haben sehr<br />

viel gelernt, und dieses Wissen gemeinsam zu<br />

nutzen sollte auch viel bessere neue Ansätze<br />

schaffen. Genau hier wird das neue vielversprechende<br />

Potenzial für VC, BA, Förderungs-<br />

geber und Lizenzdeals liegen. Wo sind die oft<br />

beschworenen kooperativen Ansätze, die<br />

Konsortien von Forschungsinstitutionen gemeinsam<br />

mit <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Unternehmen?<br />

Theoretisch geistern diese Kon-<br />

strukte ja schon lange durch die einschlägigen<br />

Magazine und Sonntagsreden von Pharma-<br />

Managern und erste Ansätze gibt es auch<br />

schon, aber es sind noch viel zu wenige.<br />

Evotec hat hier gemeinsam mit Harvard, Yale<br />

und Janssen ihre ersten signifikanten Allianzen<br />

schon geschmiedet und auch veröffentlicht.<br />

Für alle Beteiligten gilt: Es ist äußerst<br />

motivierend, dass man endlich tatsächlich<br />

an der Ursache und nicht nur an den Symptomen<br />

forscht. Noch nie war es so klar wie<br />

heute, dass nur, wenn wir gemeinsam zum<br />

Start zurück gehen werden, wir vielleicht<br />

heute in zehn Jahren Alzheimer, Aids, Krebs,<br />

Diabetes und viele andere Krankheiten tatsächlich<br />

besiegt und dabei alle ein Bombengeschäft<br />

gemacht haben werden.<br />

www.evotec.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

9


Lead Discovery Center: Skipping <strong>Biotech</strong> – Verzichtet Pharma<br />

in Zukunft auf <strong>Biotech</strong>?<br />

Dr. Bert Klebl,<br />

CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH,<br />

Dortmund<br />

Brücke zwischen Akademie und Pharma<br />

Das Lead Discovery Center wurde 2008 von<br />

der Max-Planck-Innovation GmbH (MI) gegründet,<br />

um biomedizinische Innovationen<br />

aus dem MPG-Umfeld effizienter in die pharmazeutische<br />

Anwendung zu überführen.<br />

Es werden innovative Projekte durchgeführt,<br />

deren Grundlage meist die Forschungsergeb-<br />

nisse von MPG-Wissenschaftlern sind. Die<br />

einzelnen Projektvorschläge werden im Lauf<br />

ihrer Inkubation am LDC als neue Therapieansätze<br />

mit hohem medizinischen Bedarf<br />

(de)validiert und in enger Kooperation mit<br />

MPG-Wissenschaftlern und u. U. weiteren<br />

Partnern durchgeführt. Nach erfolgreicher<br />

Inkubation am LDC werden die Projekte vermarktet<br />

bzw. verpartnert. Bei Vermarktung /<br />

Lizenzierung profitieren alle beteiligten<br />

Partner am Vermarktungserfolg („geteilter<br />

Vermarktungserfolg“).<br />

Finanzierung<br />

Die MPG hat mit dem LDC einen mehrjährigen<br />

Rahmenvertrag geschlossen, der die<br />

Finanzierung von Forschungsprojekten aus<br />

den verschiedenen Max-Planck-Instituten<br />

ermöglicht und vor kurzem bis Mitte 2018<br />

verlängert wurde. Zudem finanziert sich das<br />

LDC vermehrt aus Einnahmen von Lizenz-<br />

oder Kooperationsverträgen, welche in die<br />

pharmakologische Forschung reinvestiert<br />

werden. Die Möglichkeit, mit dem LDC zu<br />

arbeiten ist, für alle (Akademie, <strong>Biotech</strong>-<br />

und Pharma-Industrie, Investoren etc.)<br />

offen und wird nur durch die Technologie-<br />

breite (niedermolekulare und peptidbasierte<br />

Wirkstoffe) am LDC oder die Finanzkraft<br />

einer interessierten Partei begrenzt. Durch<br />

Fördermaßnahmen des Landes NRW, des<br />

BMBF und der EU ist das LDC auch für Akademiker<br />

außerhalb der MPG zugänglich.<br />

Derzeit kommt bereits etwa die Hälfte der<br />

Projektfinanzierungen am LDC aus Nicht-<br />

MPG-Quellen. Das unterstreicht die Wert-<br />

haltigkeit und den Bedarf für dieses neue<br />

Modell.<br />

Erfolgreiche Kollaborationen<br />

Im Jahr 2010 konnte eine neue Leitstruk-<br />

tur in der Onkologie (Wirksamkeitsnachweis<br />

im Tiermodell) nominiert werden, welche<br />

2011 exklusiv an die Bayer Healthcare AG<br />

für über 135 Millionen Euro inklusive Meilen-<br />

steinzahlungen lizenziert wurde. Auch 2010<br />

wurde ein Kooperationsvertrag mit der Firma<br />

Merck Serono zur anteiligen Finanzierung<br />

eines Projektes zusammen mit Mitteln aus<br />

dem BioPharma-Programm des BMBF ge-<br />

schlossen, der bei Erfolg in einen Lizenzvertrag<br />

mündet. Zudem wurden in den letzten<br />

beiden Jahren Partnerschaften mit <strong>Biotech</strong>-<br />

Firmen, z. B. der HMNC GmbH aus München,<br />

geschlossen. Weitere Kooperationen und<br />

Lizenzierungen an Pharma- und <strong>Biotech</strong>-<br />

Partner, wie jüngst mit AstraZeneca, unterstreichen<br />

die Flexibilität des Geschäftsmodells,<br />

zeigen aber auch die gute Akzeptanz<br />

im Markt.<br />

Skipping <strong>Biotech</strong>?<br />

Nein! Das LDC hat sich zwar in einer Nische<br />

breitgemacht, die eigentlich für <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen angedacht war: nämlich das<br />

Risiko aus hochinnovativen Projektideen der<br />

pharmazeutischen Wirkstoffforschung zu<br />

nehmen. Leider fehlt seit mehreren Jahren<br />

die Finanzierungsgrundlage in Kontinentaleuropa,<br />

um eine vitale rote <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

zu erhalten. Zudem ziehen sich auch viele<br />

Pharma-Firmen aus dem frühen Wirkstoffforschungsbereich<br />

zurück. Als Kunden haben<br />

sie jedoch weiterhin Bedarf an neuen, validier-<br />

ten Therapiekonzepten. Die Finanzierungslast<br />

wird also vermehrt auf die öffentliche<br />

Hand verlagert. Genau dieser Trend wird<br />

durch die Realisierung des LDC-Konzeptes<br />

bestätigt. Trotzdem kann eine Organisation<br />

wie das LDC nur einen Teil der präklinischen<br />

Kosten tragen. LDC-ähnliche Inkubatoren<br />

können das Risiko von neuen Forschungs-<br />

hypothesen reduzieren, jedoch nicht flächen-<br />

10 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

deckend die gesamte pharmazeutische Forschung<br />

bedienen. Daher kann es nicht das<br />

Ansinnen solcher Inkubatoren sein, die <strong>Biotech</strong>-Branche<br />

zu verdrängen. Ganz im Gegenteil<br />

sind diese eine ideale Brutstätte für<br />

neue Unternehmen oder können bestehende<br />

<strong>Biotech</strong>s effizient mit Projekten befeuern.<br />

Unternehmen und Zentren wie das LDC dürfen<br />

deshalb als Stärkung einer nachhaltigen<br />

<strong>Biotech</strong>-Szene verstanden werden. Universitäten<br />

und Institute bleiben die Quellen der<br />

Innovationen. Direkte, strategische Partnerschaften<br />

zwischen akademischen Einrichtungen<br />

und der Pharma-Industrie werden in<br />

Zukunft im präkompetitiven Bereich möglich<br />

sein, aber darüber hinaus aufgrund zu unter-<br />

schiedlicher Zielsetzungen problematisch<br />

bleiben.<br />

Ausblick<br />

Translationale Zentren und Inkubatoren für<br />

die Wirkstoffforschung werden ihren Platz in<br />

der pharmazeutischen Wertschöpfungskette<br />

behalten und festigen. Sie dienen als erster<br />

Filter, um das große Risiko aus neuen therapeutischen<br />

Hypothesen zu nehmen. Aufgrund<br />

ihrer zentralen Organisation können sie aus<br />

dem Gesamtpool der wissenschaftlichen<br />

Hypothesen die vielversprechenden herausfiltern<br />

und für <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Firmen<br />

interessant machen. Eine zentrale Organisationsstruktur<br />

ist aufgrund der Filterfunktion<br />

wichtig. Es macht keinen Sinn, wenn jede<br />

Universität ihr „eigenes“ LDC gründet und<br />

unterhält. Allgemein ist auch ein Umdenken<br />

von Seiten der Investoren notwendig. Der<br />

präklinische Wirkstoffmarkt lebt, es können<br />

lukrative Geschäfte realisiert werden. Allein<br />

die Dauer und Erwartung an Investitionen<br />

muss neu überdacht werden. Wird der Investitionszeitraum<br />

zu kurz gewählt, bleibt die<br />

Mehrzahl von interessanten Projekten auf<br />

der Strecke. Erste Modelle, die eine nach-<br />

haltigere forschende <strong>Biotech</strong>-Szene unterstützen<br />

sind in Reichweite, z. B. „Corporate<br />

Ventures“, Investitionen direkt aus Pharma,<br />

alternative Investitionsmodelle durch Business<br />

Angels oder Projektinvestitionen bzw. neuartige<br />

Fondsstrukturen. Die präklinische<br />

Pharma-Forschung wird weiterhin ein lukrativer<br />

Markt bleiben. Einzig die Qualität der<br />

Produkte muss stimmen. Investitionen<br />

machen nur Sinn, wenn sie ausreichen, um<br />

diese Qualitätsanforderungen zu erfüllen.<br />

www.lead-discovery.de


2. Toolbox „Tech@Process“ als Teil<br />

der Pharma-Wertschöpfungskette<br />

Mit der weiter zunehmenden Tendenz zum<br />

Outsourcing von Teilen des Wertschöpfungs-<br />

prozesses „Pharma“ gestalten sich Technologieplattformen,<br />

die ganze Abschnitte der<br />

Pharma-Wertschöpfungskette abdecken,<br />

immer attraktiver. Initial werden diese zwar<br />

meist in Form von Dienstleistungen eingekauft,<br />

wobei in diesem Modell den Anbietern<br />

selbst kein Anteil an der Wertschöpfung<br />

zusteht. Im Zuge einer stärkeren Integration<br />

von signifikanten Abschnitten der Wertschöp-<br />

fungskette unter einem Service-Anbieter<br />

kann dieser jedoch zusehends bessere Deals<br />

aushandeln – bis hin zu erfolgsabhängigen<br />

Zahlungen im weiteren Verlauf der Entwicklung.<br />

Wiederum präsentiert sich Evotec für diese<br />

Nutzung seiner Technologie-Toolbox als<br />

Paradebeispiel in Deutschland. Ausgehend<br />

von der ursprünglichen Kernkompetenz<br />

im High-throughput Screening haben die<br />

Hamburger inzwischen durch sukzessive<br />

Akquisitionen (u. a. OAI Oxford Asymmetry<br />

International , Renovis, Summit / Zebrafish,<br />

RSIPL, DeveloGen, Kinaxo, Cell Culture Service)<br />

die Integration weiterer Kompetenzen<br />

(breite Testpalette, Tiermodelle, chemische<br />

Technologien zur Leitstrukturoptimierung<br />

Perspektive<br />

etc.) vorangetrieben. Die inzwischen etablierte<br />

„Drug Discovery Engine“ nutzen sehr<br />

viele großen PharmaFirmen (u. a. Bayer,<br />

Boehringer Ingelheim, Cubist, Genentech,<br />

Novartis, Ono, Roche, Shionogi, UCB, Vifor).<br />

Entsprechende Deals haben Evotec inzwischen<br />

einen steten Zufluss von Erfolgs-<br />

Meilensteinzahlungen eröffnet und außerdem<br />

die finanzielle Basis geschaffen, auch<br />

eigene Entwicklungsprogramme zu bestreiten.<br />

Ähnlich erfolgreich wie prominent und<br />

ebenfalls mit entsprechender Deal-Erfolgsbilanz<br />

kann das belgische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Galapagos aufwarten. Mit seinen<br />

Plattformen BioFocus ® , Argenta Discovery TM<br />

und Fidelta ® – ebenso über mehrere Zukäufe<br />

(u. a. BioFocus, Inpharmatica, Sareum,<br />

Argenta Discovery, ProSkelia) unter einem<br />

Dach vereinigt – bietet das Unternehmen<br />

u. a. Biologie (Target Discovery und Screening),<br />

Medizinalchemie, Substanzbanken<br />

sowie ADME / PK-Services an. Entsprechend<br />

wurden ebenfalls lukrative Allianzen mit<br />

Pharma-Unternehmen geschlossen (u. a.<br />

Roche, GSK, Servier). 2012 kam ein weiterer<br />

Deal mit Abbott hinzu, der allein über<br />

ein Gesamtvolumen an Erfolgszahlungen<br />

von über einer Milliarde US-Dollar ging und<br />

damit unter den Top-3-Allianzen in Europa<br />

und weltweit platziert ist.<br />

Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette<br />

Target-Identi-<br />

fikation und<br />

Bewertung<br />

Target-Identi-<br />

fikation und<br />

Bewertung<br />

Screening<br />

Screening<br />

Hit- und<br />

Lead-<br />

Identifikation<br />

Hit- und<br />

Lead-<br />

Identifikation<br />

Tech@Process<br />

Lead-<br />

Optimierung<br />

Lead-<br />

Optimierung<br />

Präklinik<br />

Präklinik<br />

Weitere deutsche Beispiele sind 4SC Dis-<br />

covery und im engeren Sinne auch Phenex<br />

Pharmaceuticals. Die Ende 2011 gegründete<br />

4SC Discovery mit Kernkompetenzen<br />

ursprünglich im Bereich Computational<br />

Chemistry hat mittlerweile eine breitere<br />

Drug-Discovery-Maschinerie etabliert.<br />

Phenex Pharmaceuticals bietet dagegen ein<br />

sehr spezielles Prozessangebot mit einer<br />

Discovery-Plattform zur Identifizierung von<br />

Substanzen mit Wirkung auf Kernrezep-<br />

toren. Auch diese beiden Vertreter konnten<br />

aktuell im letzten Jahr mit lukrativen<br />

Deals aufwarten, die den Erfolg mittels des<br />

Alleinstellungsmerkmals „Tech@Process“<br />

bestätigen (Phenex / Janssen Pharmaceuticals,<br />

4SC Discovery / BioNTech).<br />

Neben Plattformen, die im weiteren oder<br />

engeren Rahmen im Bereich Drug Discovery<br />

ansetzen, sind auch an anderen Stellen der<br />

Pharma-Wertschöpfungskette sinnvolle und<br />

tatsächlich genutzte Eingriffsmöglichkeiten<br />

für <strong>Biotech</strong> vorhanden: beispielsweise im<br />

Bereich „Drug Delivery“, wo ebenfalls Technologien<br />

und Innovationen eine wichtige<br />

Rolle spielen. Unternehmen wie Rodos<br />

BioTarget und Soluventis sind dabei typische<br />

Vertreter, die ihre Technologien für Pharma-<br />

Partnerschaften anbieten.<br />

Klinische<br />

Phasen<br />

Zulassung<br />

und<br />

Vermarktung<br />

Pharma<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 11


Perspektive<br />

Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten<br />

Tech@MPO<br />

(Antikörper, RNAi, Peptide etc.)<br />

Multiple Product Opportunities<br />

Target-Identi-<br />

fikation und<br />

Bewertung<br />

3. Toolbox „Tech@MPO“ zur kontinuierlichen<br />

Generierung von Produkten<br />

Die am weitesten entwickelten sowie mög-<br />

licherweise attraktivsten und lukrativsten<br />

Technologieplattformen sind solche zur<br />

kontinuierlichen Generierung von innovativen<br />

Produkten (MPO – „Multiple Product<br />

Opportunities“). Dieses Feld ist ebenso<br />

prädestiniert, Alleinstellungsmerkmale für<br />

<strong>Biotech</strong> abzuleiten. Gerade in Deutschland<br />

ist dieses Modell exzellent besetzt und kann<br />

deswegen der gesamten Branche positiven<br />

Aufschwung ermöglichen. Nach wie vor<br />

dominieren hier Antikörperplattformen in<br />

unterschiedlichen Ausprägungen. Daneben<br />

geht es um DNA / RNA-basierte Wirkstoffe,<br />

Zelltherapien, Vakzine etc.<br />

Beispiele für solche Plattformen wurden<br />

bereits im letzten <strong>Report</strong> aufgezählt und<br />

auch mit den jeweiligen Unternehmen belegt<br />

(MorphoSys, Pieris etc.). Auffallend<br />

für dieses Segment ist ihre zunehmende<br />

Dominanz auf der Liste der Allianzen. Auf<br />

Screening<br />

Hit- und<br />

Lead-<br />

Identifikation<br />

Lead-<br />

Optimierung<br />

deutscher Seite stechen dabei Unternehmen<br />

wie MorphoSys (mehrere Transaktio-<br />

nen, Hauptdeal mit Novartis), Pieris (Deals<br />

mit Sanofi, Allergan, Daiichi Sankyo), Cure-<br />

Vac (Deal mit Sanofi Pasteur) oder NOXXON<br />

Pharma (Deals mit Pfizer, Eli Lilly) heraus.<br />

Im europäischen Umfeld zeigt sich die zunehmende<br />

Bedeutung der MPO-Plattformen<br />

noch deutlicher in der Auflistung der Top-<br />

<strong>Biotech</strong>-Allianzen 2012 (siehe Kapitel<br />

„Transaktionen“). Von den Top-6-Allianzen<br />

basieren allein vier auf Tech@MPO-Plattformen,<br />

die hochvolumige Transaktionen<br />

unter Dach und Fach bringen konnten; unter<br />

anderem Molecular Partners (Schweiz,<br />

1.463-Millionen-Euro-Deal mit Allergan),<br />

Genmab (Dänemark, 1.135-Millionen-US-<br />

Dollar-Deal mit J&J), Symphogen (Dänemark,<br />

495-Millionen-Euro-Deal mit Merck<br />

KGaA) und Ablynx (Belgien, 457-Millionen-<br />

US-Dollar-Deal mit Merck & Co.).<br />

12 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Präklinik<br />

Klinische<br />

Phasen<br />

Zulassung<br />

und<br />

Vermarktung<br />

Produkt 1<br />

Produkt 2<br />

Produkt 3<br />

Produkt ...<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Tech@MPO-Plattformen müssen sich nicht<br />

nur auf innovative Scaffolds beziehen. Eine<br />

weitere Möglichkeit der nachhaltigen Generierung<br />

von Wirkstoffen liefern sie mittels<br />

Modifizierung und Optimierung von Wirkstoffmolekülen.<br />

Hierzu zählen beispielsweise<br />

Plattformen zur Glykosylierung, wie sie von<br />

Glycotope durch gezielte gentechnische<br />

Manipulation der entsprechenden Stoffwechselwege<br />

(„Glycoengineering“) dargestellt<br />

werden oder von Cevec über die Nutzung<br />

entsprechender (humaner) Zelllinien<br />

zur Expression von Humanzuckerstrukturen.<br />

Ebenso findet sich hier der Ansatz<br />

der XL-protein, die mittels „PASylierung ® “<br />

die Plasmahalbwertszeit von pharmazeutischen<br />

Proteinen verändert.<br />

Die erfolgreiche Vermarktung dieser Plattformen<br />

zeigt sich auch hier an Deals mit<br />

Partnern, für die diese Technologien wertvoll<br />

in der Verbesserung oder im Life-Cycle-<br />

Management bestehender Pipeline-Assets<br />

sind. Ferner bedient dieses Modell das an<br />

Bedeutung zunehmende Feld der Biosimilars<br />

und Biobetters und ermöglicht mittelfristig<br />

auch eigene Produktentwicklungen.


Alleinstellungsmerkmal und<br />

Best Practice „Tech@Disease“<br />

Nicht exakt der Definition einer Technologieplattform<br />

entsprechend, dennoch aber<br />

mit einigen Charakteristika übereinstimmend,<br />

stellen sich Know-how-Plattformen<br />

um konkrete Therapiegebiete dar. Das<br />

Alleinstellungsmerkmal für die damit beschäftigten<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist im<br />

weitesten Sinne die „Neue Biologie“, die im<br />

spezifischen Wissensschatz in einem definierten<br />

Gebiet bzw. um relevante Wirkstoffklassen<br />

begründet ist. Auch dieser Ansatz<br />

befähigt Unternehmen zur nachhaltigen Generierung<br />

von Wirkstoffen. Zudem werden<br />

die Entwicklungsrisiken auf ein breiteres<br />

Portfolio verteilt und ebenfalls attraktive<br />

Allianzen abgeschlossen.<br />

Das herausragende Beispiel des letzten<br />

Jahres stellt AiCuris mit einer Plattform zur<br />

Identifizierung von Antiinfektiva und dem<br />

Know-how zur Entwicklung dieser Wirkstoffe<br />

dar. Die in Fachkreisen bestaunte<br />

Allianz mit Merck & Co. sticht vor allem<br />

durch die ungewöhnlich hohe Upfront-Zahlung<br />

(110 Mio. €) hervor. Allerdings ist<br />

für dieses Modell im Unterschied zu den<br />

zuvor beschriebenen Technologieplattformen<br />

ein wesentliches Erfolgskriterium<br />

die Finanzierung bis zum Erreichen eines<br />

für die Verpartnerung interessanten Asset-<br />

oder Portfoliostatus. Insofern ist hier der<br />

Zugang zu Kapital mit entsprechender Risiko-<br />

akzeptanz vorauszusetzen. Im Falle von<br />

AiCuris wird dies sowohl durch die Historie<br />

als Ausgründung von Bayer als auch durch<br />

die finanzielle Unterstützung durch das<br />

Family Office der Brüder Strüngmann entscheidend<br />

getragen.<br />

Auch diese Kategorie von Firmen sticht aus<br />

der Auflistung der lukrativsten Allianzen<br />

europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen deutlich<br />

hervor: Neben AiCuris befinden sich dort<br />

ThromboGenics (Belgien, Augenerkrankungen,<br />

375-Millionen-Euro-Deal mit Alcon /<br />

Novartis), AC Immune (Schweiz, Alzheimer,<br />

400-Millionen-Schweizer-Franken-Deal mit<br />

Genentech) und Savira (Österreich, Influ-<br />

enza, 240-Millionen-Euro-Deal mit Roche).<br />

Perspektive<br />

Alleinstellungsmerkmal und Best<br />

Practice „Therapeutikaentwicklung“<br />

Das Modell der Therapeutikaentwickler hat<br />

sich in den letzten Jahren für <strong>Biotech</strong>-Unter-<br />

nehmen als zusehends schwierig erwiesen.<br />

Zu lange Zeitschienen mit enormem Finanzierungsbedarf<br />

passen nicht zu den Inves-<br />

titionsstrategien der Beteiligungsfonds.<br />

Darüber hinaus existieren zu hohe Risiken,<br />

die dadurch noch gesteigert werden, dass<br />

<strong>Biotech</strong>-Start-ups in der Regel nur sehr<br />

schmale Portfolios an Produkten verfolgen<br />

können und damit die Risikostreuung weiter<br />

limitiert ist. Insofern werden nur wenige<br />

Firmen dieses Modell in reiner Form fahren<br />

können.<br />

Solche, die es dennoch versuchen, sollten<br />

gewisse Anforderungen erfüllen:<br />

• Fokussierung auf klare Nischenindikatio-<br />

nen (z. B. Rare Diseases) mit den Vorteilen<br />

kleinerer klinischer Studien, kürzerer<br />

Time-to-Market und niedrigerer Kosten<br />

• Definition eines Fünf-Jahres-Businessplans<br />

bis zum Exit durch Auswahl geeigneter Indikationen<br />

(„ultra-targeted“), optimierter<br />

kürzerer Prozesse, enger Stratifizierung,<br />

möglicherweise mit der Option, die Phase III<br />

in eigener Regie durchzuführen<br />

• Zugang zu besonderen Investoren (z. B.<br />

Family Offices Hopp / Strüngmann)<br />

Gerade die letzte Option kennzeichnet einige<br />

der deutschen <strong>Biotech</strong>-Firmen, die im<br />

reinen Therapeutika-Modell agieren. Apogenix<br />

in Heidelberg konnte durch die Unterstützung<br />

der dievini Hopp BioTech holding eine gut<br />

durchdachte klinische Phase-II-Studie in der<br />

schwierigen Indikation „Malignes Melanom“<br />

erfolgreich durchführen. Weder strategische<br />

Partner noch VC-Investoren waren<br />

bereit, den Hochrisiko-Einproduktansatz in<br />

einer früheren Phase zu finanzieren.<br />

CureVac in Tübingen betritt mit einem neuen<br />

Ansatz (RNA-Vakzine) Neuland. Die anstehende<br />

Phase-II-Studie birgt somit ebenfalls<br />

hohes Risiko und konnte nur durch eine<br />

„Alles oder nichts“-Entscheidung weiter<br />

vorangebracht werden. Noch riskanter sind<br />

Ansätze, wie sie von BioNTech in Mainz verfolgt<br />

werden. Das Unternehmen setzt auf<br />

neuartige Verfahren der individualisierten<br />

Immuntherapie durch Tumorvakzine. Im Erfolgsfall<br />

sind hier Durchbruchsinnovationen<br />

zu erwarten, die vor allem der individuellen<br />

medizinischen Behandlung von Krebspatienten<br />

zugutekommen würden. Allerdings ist<br />

kaum vorstellbar, dass diese Ansätze ohne<br />

die Hauptinvestoren Thomas und Andreas<br />

Strüngmann eine Chance der Finanzierung<br />

gehabt hätten.<br />

Diese Beispiele belegen einerseits, wie wichtig<br />

solche Investoren insbesondere für Hoch-<br />

risikoprojekte und die damit verbundenen<br />

Innovationschancen sind. Andererseits ist<br />

rein statistisch – gerade auch für derartige<br />

Hochrisikoprojekte – zu erwarten, dass Fehlschläge<br />

auftreten – wie während des letzten<br />

Jahres mit SYGNIS Pharma, Agennix, WILEX<br />

und Curacyte aus dem Hopp-Portfolio –<br />

die dann wiederum zu Negativschlagzeilen<br />

führen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 13


Übersicht der deutschen<br />

Tech@Companies im<br />

Therapiesektor<br />

n = 188<br />

16 %<br />

30 %<br />

10 %<br />

1 %<br />

Therapeutikaentwicklung<br />

Tech@Process<br />

Tech@MPO<br />

Tech@Disease<br />

Tech@Translation<br />

43 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Perspektive<br />

Unternehmenszuordnung zu Therapie-<br />

assoziierten Plattformen<br />

Im Therapiesektor der deutschen <strong>Biotech</strong>-<br />

Branche ergibt sich eine Aufteilung, deren<br />

größtes Einzelsegment zwar immer noch<br />

überwiegend die auf individuelle Wirkstoffe<br />

fokussierten Firmen sind (43 %), zusammengenommen<br />

bilden die Technologieplattformen<br />

aber bereits die Mehrheit (57 %).<br />

Mit einem Anteil von 30 Prozent liegen<br />

Tech@Process-Firmen an zweiter Stelle,<br />

die sich den Outsourcing-Trend von Teilen<br />

der Wertschöpfungskette durch mehr oder<br />

minder breite Positionierung zunutze machen.<br />

Darin spiegelt sich inbesondere die<br />

Service-Orientierung der deutschen <strong>Biotech</strong>-Szene<br />

wider. Tech@MPO-Plattformen<br />

zur nachhaltigen Produktion bestimmter<br />

Wirkstoffklassen (z. B. Antikörper) nehmen<br />

immerhin 16 Prozent ein. Die breit aufgestellten<br />

Tech@Disease-Plattformen sind mit<br />

insgesamt zehn Unternehmen unterrepräsentiert.<br />

Ausschließlich auf die Prototypen<br />

Evotec und LDC beschränkt stellt sich das<br />

Tech@Translation-Segment noch sehr klein<br />

dar. Die erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes<br />

in beachtliche Deals – wie weiter oben oder<br />

im Kapitel „Transaktionen“, beschrieben –<br />

lässt aber auch für diese Ausrichtung einige<br />

Möglichkeiten erhoffen.<br />

Es wird zukünftig interessant zu beobachten<br />

sein, ob und wie sich bei anhaltenden Finanzierungsengpässen<br />

dieses Bild verschieben<br />

wird – hin zu Modellen mit weniger Risiko und<br />

breiteren Geschäftsmöglichkeiten basierend<br />

auf vielfältigen Technologie-Toolboxen.<br />

14 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Erfolgsmessung<br />

Allen zuvor beschriebenen inhaltlichen Aufstellungsvarianten<br />

für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

ist als Messparameter für die Erfolgsbeurteilung<br />

das Abschließen lukrativer Deals gemein.<br />

Unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell<br />

(Service, Lizenzpartnerschaft, Co-Development<br />

etc.) wird das Qualitätssiegel dadurch<br />

verliehen, dass der Kunde (in aller Regel<br />

Pharma) bereit ist, dafür zu bezahlen. Insofern<br />

ist die Referenzliste der vorhandenen<br />

Kunden in jedem Fall der beste Beweis für<br />

die Funktionalität der Plattform bzw. der<br />

Wirksamkeit der Produkte.<br />

Aus den meisten gezeigten Beispielen ist<br />

ebenso ablesbar, dass diese Ansätze es<br />

ermöglichen, auf Dauer die eigene Produkt-<br />

Wertschöpfungskette aufzubauen – und<br />

zwar mit abgefederten Risiken über den<br />

Weg der Grundfinanzierung aus bestehenden<br />

Allianzen.


Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies<br />

Disruptive Innovation „PI Technologies“<br />

Während der globale Diagnostikmarkt insgesamt<br />

derzeit eher über Umsatzrückgänge<br />

und pessimistische Wachstumsprognosen<br />

klagt, ist ein Segment hier eindeutig ausgenommen:<br />

In-vitro- und Molekulardiagnostik.<br />

Aktuell werden in diesem Teilmarkt weltweit<br />

52,4 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Mit<br />

sehr steilen Wachstumsprognosen für die<br />

kommenden Jahre – einem vorhergesagten<br />

CAGR von sieben Prozent zwischen 2012<br />

und 2017 – schaut dieser Teilbereich sehr<br />

optimistisch in die Zukunft.<br />

Diese Entwicklung ist wiederum sehr eng<br />

mit den Umwälzungen des gesamten Life-<br />

Science-Sektors verknüpft, vor allem mit<br />

der stärkeren Fokussierung der Life-Science-<br />

Industrie auf den Patienten. „Personalized<br />

Medicine“, „Patient Stratification“ und<br />

„Companion Diagnostics“ – die Kernelemente<br />

dieser Entwicklung – beinhalten bereits<br />

Diagnostik als inhärenten Teil ihrer<br />

Vorgehensweise.<br />

Auch hier stehen wiederum Technologien<br />

im Zentrum. Die enormen Fortschritte in<br />

der technischen Bewältigung und Nutzbarmachung<br />

von Big Data haben mittlerweile<br />

einen Stand erreicht, der es ermöglicht,<br />

individuelle Patientengenome zu analysieren<br />

und damit dem einzelnen Patienten eine<br />

auf ihn abgestimmte, individuelle Behandlung<br />

zuzuführen. Ermöglicht wird dies durch<br />

Entwicklungen im Bereich von Next-Generation-Sequencing-Ansätzen,<br />

die Speicherung<br />

von Expressionsdaten und Mutationsanalysen<br />

auf DNA Microarrays sowie das Nutzen verschiedener<br />

Omix-Datenbanken (Proteom,<br />

Metabolom etc.).<br />

Nicht ganz so neu, aber dennoch mit Wachs-<br />

tumspotenzial und ebenfalls stärkerer Patientenfokussierung<br />

(Point of Care, Disease<br />

Monitoring, Home Monitoring) ist auch die<br />

schon fast „klassische“ Molekulardiagnostik<br />

wieder attraktiv positioniert.<br />

All diese immer stärker auf den individuellen<br />

Patientennutzen ausgerichteten technischen<br />

Entwicklungen generieren große Mengen<br />

an Daten, über deren Verwendung immer<br />

mehr von Patienten selbst entschieden wird<br />

(„Patient Empowering“). Allerdings können<br />

aus der Flut der Daten nur deshalb sinnvolle<br />

Aussagen entstehen, weil ebenso hochinnovative<br />

IT-Lösungen entwickelt wurden, die<br />

nicht nur Daten speichern sondern in der<br />

Lage sind, Big Data in sinnvolle Informationen<br />

und Patienten-relevantes Wissen umzusetzen<br />

(„Information Leveraging“). Aus<br />

der Symbiose dieser beiden Treiber – „Patient<br />

Empowering / Big Data“ und „Informa-<br />

tion Leveraging“ – ist gerade im Bereich<br />

der Diagnostik ein neues Paradigma entstanden,<br />

das unter dem Begriff „PI Technologies“<br />

die Kernbegriffe vereint.<br />

Für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen – neben IT- und<br />

Medizintechnikfirmen – entstehen hier neue<br />

Geschäftsfelder, die die biotechnischen<br />

Fähigkeiten als Grundvoraussetzung benötigen.<br />

Insofern lassen sich auch in diesen<br />

Bereichen Alleinstellungsmerkmale definieren,<br />

an denen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Best<br />

Practice präsentieren können.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 15


Alleinstellungsmerkmal und<br />

Best Practice „Tech@BigData“<br />

Die Verarbeitung großer Datenmengen im<br />

Bereich von Terabytes, Petabytes und Exabytes<br />

ist ein wachsender Trend und eine<br />

ökonomische Chance für viele Industrien.<br />

Im <strong>Biotech</strong>-Universum stehen hier neben<br />

Informationen, die bei klinischen und prä-<br />

klinischen Studien erhoben werden, in erster<br />

Linie genetische Sequenzdaten, welche<br />

durch Sequenzierverfahren der zweiten<br />

und dritten Generation (Next Generation<br />

Sequencing, NGS) immer effizienter generiert<br />

werden können. Allein in Deutschland<br />

existiert eine ganze Reihe von <strong>Biotech</strong>-<br />

Firmen, die aufgrund ihrer technologischen<br />

Kernkompetenz das Thema „Big Data“-<br />

Handling im Fokus haben.<br />

Generierung und Interpretation von<br />

NGS-Daten<br />

Den nachfolgenden Firmen ist gemeinsam,<br />

dass sie mit Hochdurchsatz-Sequenzierungs-<br />

technologien Daten erzeugen, die beispielsweise<br />

in der Forschung für die Aufklärung<br />

von Krankheitsphänomenen ebenso genutzt<br />

werden wie als Marker in der Diagnostik:<br />

• Alacris Theranostics, Berlin<br />

• CeGaT, Tübingen<br />

• GATC <strong>Biotech</strong>, Konstanz<br />

• Genovoxx, Lübeck<br />

• GENterprise, Mainz<br />

• IMGM Laboratories, Martinsried<br />

• SEQLAB, Göttingen<br />

• Sequiserve, Vaterstetten<br />

Die Genannten verfolgen primär ein Service-<br />

Geschäftsmodell und unterliegen dabei<br />

dem Druck, mit der rasanten technischen<br />

Entwicklung Schritt zu halten. Der Druck<br />

wird noch verstärkt durch die kontinuierlich<br />

fallenden Preise für Sequenzierleistungen,<br />

die im direkten Verhältnis zur immer weiter<br />

steigenden Sequenziergeschwindigkeit stehen.<br />

Hieraus generiert sich aber gleichzeitig<br />

auch ihre erfolgreiche Positionierung als<br />

Dienstleister. Keiner der Kunden aus der<br />

akademischen Forschung, die oft den Löwenanteil<br />

der Kunden ausmachen, oder der<br />

Life-Science-Industrie wäre heute in der<br />

Lage, mit dieser Dynamik Schritt zu halten.<br />

Perspektive<br />

Die meisten der genannten Anbieter von<br />

Hochdurchsatz-Sequenzierungen nutzen<br />

jedoch Technologien in Lizenz, die primär<br />

von wenigen Technologiefirmen entwickelt<br />

wurden. Insofern liegen die Erfolgsfaktoren<br />

vor allem in:<br />

• einem stabilen Lizenzvertrag oder eigener,<br />

starker IP<br />

• einer perfekten Organisation<br />

• der kürzesten Zeit zum Abarbeiten von<br />

Kundenaufträgen<br />

• der bestmöglichen Qualität<br />

• dem günstigsten Preis<br />

Messparameter ist damit der Umfang der Kun-<br />

denliste und die Zufriedenheit der Kunden.<br />

Darüber hinaus gibt es weitere Alleinstellungsmerkmale:<br />

• das „Portfolio“ an etablierten einlizenzierten<br />

Plattformen<br />

• die Breite der angebotenen Services<br />

• die geschäftliche Weiterentwicklungen aus<br />

dem Service- in ein Produkt-Modell<br />

IMGM Laboratories stellt in seinem Angebot<br />

die breite technische Plattform besonders<br />

heraus. Die Partner im Technologiebereich<br />

lesen sich wie das „Who is Who?“ der DNA-<br />

Analytik-Branche: Agilent Technologies,<br />

Affymetrix, Roche, Life Technologies,<br />

Fluidigm.<br />

GATC <strong>Biotech</strong> hat inzwischen ein breites<br />

Portfolio an Anwendungen allein im Next-<br />

Generation-Sequencing-Bereich aufgebaut,<br />

welches von der Sequenzierung ganzer<br />

Patientengenome über die Untersuchung<br />

von Transkriptomen, Metabolomen und<br />

Regulomen reicht. IMGM Laboratories verbreitert<br />

sein Service-Angebot durch namhafte<br />

Partner. So sind sie als „Preferred<br />

Supplier“ in Partnerschaften mit Agilent<br />

Technologies, Affymetrix und SIRION<br />

<strong>Biotech</strong> (siRNA-Analysen) eingebunden.<br />

Interessant auch das Unternehmen GENterprise,<br />

das neben dem Sequenzier-„Vollservice“-Angebot<br />

eine preisgünstigere „light“-<br />

Version in einem Tochterunternehmen<br />

(StarSEQ ® ) anbietet, wo Kunden mit vor-<br />

liegender Kompetenz in der Datenanalyse<br />

lediglich die Rohdaten in Auftrag geben<br />

können.<br />

16 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Darüber hinaus sind einige der o. a. Unternehmen<br />

nun auch dazu übergegangen, Produkte<br />

in Form von Tests für den Diagnostikmarkt<br />

herzustellen, die auf Sequenzierdaten<br />

beruhen. GATC <strong>Biotech</strong> hat diesen Schritt<br />

durch die Ausgründung von LifeCodexx vollzo-<br />

gen. Der Inhalt dieses Unternehmens besteht<br />

in der Vermarktung von Tests (PrenaTest ® )<br />

zur pränatalen Bestimmung von fetalen<br />

Chromosomenaberrationen (Trisomien 13,<br />

18, 21). Ähnlich aufgestellt ist CeGaT. Neben<br />

neuesten NGS-Technologien für die Abarbeitung<br />

von Kundenaufträgen aus Akademie,<br />

Pharma- und Diagnostikindustrie hat das<br />

Unternehmen für eine ganze Liste von Krankheiten<br />

sogenannte „Diagnostik-Panels“<br />

erstellt, die auf DNA-Ebene typische Muta-<br />

tionen detektieren und somit hilfreich in der<br />

eindeutigen Zuordnung von Krankheiten<br />

sind.<br />

Auf Seiten der tatsächlichen Technologie-<br />

entwickler hebt sich als unbestrittener Star<br />

Illumina mit Hauptsitz in San Diego am Himmel<br />

der Sequenziertechnologie hervor.<br />

Nicht von ungefähr hatte Roche 2012 hartnäckig<br />

und dennoch letztlich erfolglos versucht,<br />

Illumina für 6,7 Milliarden US-Dollar<br />

zu übernehmen und damit das Technologie-<br />

portfolio des weltweit führenden Diagnostikunternehmens<br />

perfekt zu ergänzen. Ein<br />

Zeichen dafür, wie attraktiv Technologieanbieter<br />

auf dem Gebiet der Sequenzierung<br />

gerade für die Diagnostikindustrie geworden<br />

sind.


Bioinformatische Anwendungen zur<br />

Bewältigung von Big Data<br />

Bioinformatische Anwendungen sind bei der<br />

Interpretation von „Big Data“ geradezu unverzichtbar.<br />

Die genetische Information der<br />

entzifferten DNA-Sequenzen wird erst durch<br />

die entsprechende Interpretation werthaltig.<br />

In der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie stellen<br />

Bioinformatik-Firmen eine durchaus sichtbare<br />

Größe von ca. 20 Unternehmen dar.<br />

Diese lassen sich weiterhin in drei Gruppen<br />

unterteilen:<br />

1. Bioinformatik zur Interpretation großer<br />

NGS-Datenmengen<br />

Die erste Kategorie der NGS-assoziierten<br />

Firmen legt ihren Fokus enger auf den Bereich<br />

großer Sequenzdatenmengen. Sie entwickeln<br />

bioinformatische Methoden für die<br />

Analyse genetischer Variationen und Mutationen,<br />

für funktionelle Annotationen sowie<br />

zur Detektion genetischer Krankheiten.<br />

Beispiele dieses Segments sind:<br />

• AptaIT, München<br />

• BIOBASE, Wolfenbüttel<br />

• Biomax Informatics, Martinsried<br />

• geneXplain, Wolfenbüttel<br />

• Genomatix, München<br />

• MicroDiscovery, Berlin<br />

Einige der genannten Firmen kommen<br />

ursprünglich aus dem Bereich der Gene<br />

Arrays, in dem genetische Information aus<br />

dem Abgleich von Sequenzen mit vorgegebenen<br />

Sequenzmustern auf Arrays zu interpretieren<br />

waren. Die neue Generation der<br />

Primärdatenquelle ist eindeutig aber Next<br />

Generation Sequencing. Somit musste sich<br />

auch die Welt der Bioinformatik weiterdrehen,<br />

deren Hauptkunden neben akademischen<br />

Institutionen auch Sequenzier-<br />

firmen sind.<br />

Perspektive<br />

Das Tandem CeGaT und Genomatix veranschaulicht<br />

diese Symbiose deutlich. Sequenzierer<br />

und Bioinformatiker entschlüsseln<br />

gemeinsam Sequenzdaten und setzen sie in<br />

entsprechenden Tests um (s. o.). In diesem<br />

Zusammenhang wurden beide Unternehmen<br />

im letzten Jahr mit prominenten Preisen<br />

bedacht und gewannen gemeinsam die<br />

„Clarity Challenge“, einen Wettbewerb des<br />

Boston Children’s Hospital zur Identifizierung<br />

von Krankheiten auf Basis von Sequenz-<br />

daten.<br />

2. Bioinformatik zur Integration von<br />

Daten aus unterschiedlichen Quellen<br />

(„Life Science Knowledge Management“)<br />

Das Thema „Big Data“ geht heute bereits weit<br />

über Sequenzierdaten hinaus und schließt<br />

sehr viel umfassender die Integration von<br />

Informationsdatensätzen aus unterschiedlichsten<br />

Quellen (Proteomics-Daten, klinische<br />

Parameter, Patientendaten etc.) ein. Hier<br />

haben sich Technologien im Bereich der<br />

Bioinformatik entwickelt, die hochkomplexe<br />

Daten in sinnvolle Information und nutzbares<br />

Wissen umsetzen, so z. B.:<br />

• Biomax Informatics, Planegg<br />

• BMI Biomedical Informatics, Heidelberg<br />

• geneXplain, Wolfenbüttel<br />

• Metalife, Winden<br />

Diese Aufzählung zeigt bereits die Überlappung<br />

zur vorherigen Kategorie und gleichzeitig<br />

ein Stück des zukünftigen Weges zur<br />

Bewältigung von großen Datenmengen und<br />

deren Übersetzung in brauchbares Wissen.<br />

3. Bioinformatik für in silico-Forschung<br />

Zur dritten Gruppe zählen einige Unternehmen,<br />

die im Umfeld von virtuellen Modellierungen<br />

innerhalb des Forschungs- und<br />

Entwicklungsprozesses tätig sind, wie beispielsweise:<br />

• BioSolveIT, Sankt Augustin<br />

• Insilico <strong>Biotech</strong>nology, Stuttgart<br />

• molConcept, Berlin<br />

• quantiom bioinformatics, Weingarten<br />

• XAPIEN, Heidelberg<br />

Bei diesen stehen vor allem Methoden zum<br />

„Molecular Drug Design“ im Fokus der<br />

Geschäftstätigkeit. Sie entsprechen damit<br />

eher der klassischen Herangehensweise von<br />

Bioinformatik, basierend auf Strukturdaten<br />

von Target-Wirkstoffinteraktionen. Aufgrund<br />

dieser Positionierung sind die Firmen stärker<br />

mit kommerziellen Partnern verbunden,<br />

die Therapeutika entwickeln und weniger mit<br />

Unternehmen im Bereich Diagnostik.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 17


Alleinstellungsmerkmal und Best<br />

Practice „Tech@CompanionDiagnostics“<br />

Die mit Abstand attraktivste Perspektive im<br />

Diagnostiksektor haben im gegenwärtigen<br />

Life-Science-Umfeld die Unternehmen, die<br />

sich um die Kernthemen Personalisierte<br />

Medizin und „Patient Outcome“ positioniert<br />

haben.<br />

Unter dem Stichwort Tech@Companion-<br />

Diagnostics sind Ansätze zusammengefasst,<br />

die vor allem in der Stratifizierung (d. h. der<br />

Vorauslese und Zuordnung) von Patienten<br />

für bestimmte Behandlungen eingesetzt<br />

werden. Die Anwendung von Companion<br />

Diagnostics beginnt bereits in der Medikamentenentwicklung<br />

in Form von Surrogat-<br />

Biomarkern (d. h. Mess- und Ergebnisparametern<br />

in klinischen Studien) und setzt sich<br />

fort in der dedizierten Indikationsstellung<br />

für Medikamente am Markt bis hin zum<br />

Monitoring von Therapien.<br />

Neben der logischen Rationale für eine prosperierende<br />

Zukunft des Tech@Companion-<br />

Diagnostics-Bereichs belegen bereits auch<br />

eindeutige Zahlen diesen Trend. Der US-Markt<br />

der personalisierten Medizin – also Therapien<br />

mit evidenzbasierter Zuordnung zu individuellen<br />

Patienten(gruppen) – steht mit<br />

aktuell ca. 28 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz<br />

noch am Anfang (mit einer beachtlichen<br />

Wachstumsdynamik und Prognosen<br />

Perspektive<br />

auf über 40 Milliarden US-Dollar Umsatz im<br />

Jahr 2015; Kalorama Information). Diese<br />

Dynamik ist allerdings erst in den letzten<br />

Jahren entstanden. Pharma-Firmen haben<br />

langsam begriffen, dass nach dem „Auslaufmodell<br />

Blockbuster“ auch trotz eines durch<br />

Patientenstratifizierung segmentierten<br />

Marktes bei richtiger Strategie gutes Geld<br />

zu verdienen ist. Es hat in der Tat über<br />

15 Jahre gedauert, bis nach dem ersten<br />

Meilenstein Herceptin ® mittlerweile nur<br />

ca. 20 Wirkstoffe in Verbindung mit einem<br />

stratifizierenden Test auf den Markt kamen<br />

(Details siehe Kapitel „Produkte“).<br />

Der Blick in die aktuelle Medikamentenentwicklung<br />

zeigt aber eindeutig, welchen Stellenwert<br />

die Stratifizierung inzwischen einnimmt.<br />

Während in weiter fortgeschrittenen<br />

klinischen Phasen erst 30 Prozent der Medikamente<br />

parallel mit einem Stratifizierungsmarker<br />

entwickelt werden, trifft dies bereits<br />

für rund 50 Prozent in der Phase I zu und in<br />

noch stärkerem Ausmaß (60 %) für präklinische<br />

Programme.<br />

Treiber für die Entwicklung von Companion<br />

Diagnostics ist sicherlich nicht die späte<br />

Erkenntnis bei den Pharma-Firmen, sondern<br />

vor allem der Druck der Zulassungs-<br />

behörden. Den Behörden geht es v. a. um<br />

die Patientensicherheit und sie fordern bei<br />

Vorliegen von evaluierten Stratifizierungsmarkern<br />

natürlich ein, nur Patienten mit<br />

Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics<br />

Rx<br />

CDx<br />

Drug Discovery Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />

Biomarker-<br />

Identifikation<br />

Biomarker-<br />

Validierung +<br />

Standardisierung<br />

Biomarker-Validierung<br />

* PPV = positiver Vorhersagewert, NPV = negativer Vorhersagewert<br />

Therapeutikaentwicklung<br />

Entwicklung<br />

eines<br />

Prototyp<br />

Assays<br />

Analytisch-technische<br />

Validierung<br />

Phase I<br />

Sensitivität +<br />

Spezifität<br />

Klinische Validierung<br />

Phase II<br />

PPV + NPV*<br />

Optimierung der<br />

technischen Plattform<br />

18 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

entsprechendem Target-Profil zu behandeln.<br />

Zunehmend werden auch die Stimmen der<br />

Pharma-Ökonomie sowie die der Kostenträger<br />

vernommen.<br />

Die Attraktivität des Companion-Diagnostics-Segmentes<br />

aus Sicht der Diagnostik-<br />

branche bezieht sich vor allem auf die wachsende<br />

Bedeutung dieser Sparte als Partner<br />

von Pharma-Firmen. Darin steckt ebenso<br />

die Hoffnung, auch hinsichtlich der Preis-<br />

gestaltung zukünftig näher an die „Value-<br />

based“-Betrachtung der Pharma-Produkte<br />

zu kommen.<br />

Der Markt für Companion-Diagnostics-Tests<br />

selbst ist derzeit mit 1,3 Milliarden US-Dollar<br />

noch klein. Ähnlich der Wachstumsprognose<br />

für die parallel entwickelten Medikamente<br />

wächst auch dieses Segment mit großer<br />

Dynamik (ca. 26 %) und verspricht Umsätze<br />

im Bereich von 3,5 Milliarden US-Dollar<br />

bis 2015 (Visiongain-Studie). Diese Zahlen<br />

könnten sicherlich deutlich übertroffen werden,<br />

wenn die Preisgestaltung für Companion<br />

Diagnostics entsprechend ihrem Wert für<br />

den Patientennutzen beurteilt würde und<br />

nicht – wie nach wie vor üblich – im Niedrigpreissegment<br />

der Routine-Diagnostika. Hier<br />

allerdings sind wichtige Fragen zu klären,<br />

etwa wie die für Arzneimittel eingeführte<br />

Kosten-Nutzen-Beurteilung und daran geknüpfte<br />

Erstattung auf Diagnostika übertragen<br />

werden kann.<br />

Phase III<br />

Klinischer Nut-<br />

zennachweis<br />

Zulassung<br />

Zulassung<br />

Medikament<br />

Klinisch<br />

validierter<br />

Test<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Die Tests selbst beziehen dabei die folgen-<br />

den Parameter als Stratifizierungskriterien<br />

mit ein:<br />

• Wirksamkeit – Vorhandensein des Targets,<br />

Mutationen im Target oder in assoziierten<br />

Pathway-Komponenten<br />

• Sicherheit – Verträglichkeitshinweise basierend<br />

auf Wechselwirkung mit anderen<br />

Stoffwechselwegen<br />

• Metabolisierung – Abbaudynamik aufgrund<br />

genetisch determinierter individueller<br />

Enzymausstattung<br />

Die beschriebenen Einsatzgebiete der Tests<br />

und vor allem die zunehmend wichtigere<br />

Aufgabe der klinischen Validierung von Biomarkern<br />

verlagern die Schwerpunkte der<br />

Diagnostikentwicklung:<br />

• Einerseits treten Companion Diagnostics –<br />

wie der Name schon andeutet – nicht nur<br />

im Markt als „Begleiter“ der Medikamente<br />

auf, sondern auch ihre Entwicklung erfolgt<br />

in enger Koordination weitgehend parallel<br />

zur Medikamentenentwicklung. Die fast<br />

unabhängige Vorgehensweise – wie noch<br />

zu Herceptin-Zeiten – dürfte damit der Vergangenheit<br />

angehören.<br />

• In diesem Zusammenhang werden zukünftig<br />

häufiger One-to-one-Partnerschaften<br />

zwischen Diagnostik- und Pharma-Unternehmen<br />

für die parallele Entwicklung von<br />

Medikament (Rx) und Diagnostikum (Dx)<br />

die Regel sein; es ist deshalb vermutlich<br />

auch nicht mehr mit einem so harten Konkurrenzkampf<br />

zwischen CDx-Anbietern für<br />

den gleichen Test zu rechnen.<br />

• Weiterhin ist die Dx-Wertschöpfungskette<br />

zweigeteilt, mit einem Standbein in der<br />

„Biologie“ zur Identifizierung und Validierung<br />

von krankheitsrelevanten Biomarkern<br />

sowie dem traditionellen Schwerpunkt der<br />

Diagnostikindustrie auf der technischen<br />

Testentwicklung mit Fokus auf Selektivität,<br />

Spezifität und Sensitivität der Messung.<br />

In diesem Markt sind bereits auch etliche<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland zu<br />

finden, vor allem solche, die ihre Ergebnisse<br />

aus systembiologischen Ansätzen oder<br />

durch Sequenzierungstechnologien in<br />

Richtung Biomarker umsetzen. Beispiele<br />

hierfür sind:<br />

• Alacris Theranostics, Berlin<br />

• CBC Comprehensive Biomarker Center,<br />

Heidelberg<br />

Perspektive<br />

• CorTAG, Dortmund<br />

• Epigenomics, Berlin<br />

• Epivios, Düsseldorf<br />

• GeneWake, Neuried<br />

• humatrix, Frankfurt/Main<br />

• Immungenetics, Rostock<br />

• Indivumed, Hamburg<br />

• Inostics, Hamburg<br />

• oncgnostics, Jena<br />

• PAREQ, Düsseldorf<br />

• Signature Diagnostics, Potsdam<br />

• Sividon Diagnostics, Köln<br />

• TARGOS Molecular Pathology, Kassel<br />

Kernkompetenzen für die Biomarker- und<br />

Companion-Diagnostics-Unternehmen sind<br />

ihre biotechnologische Aufstellung, wobei<br />

vor allem die Sequenzier-, Array- und andere<br />

Hochdurchsatztechnologien entscheidend<br />

sind. Darüber hinaus spielt der Zugang zu<br />

Biobanken eine immer größere Rolle und<br />

nicht zuletzt die Kompetenz, identifizierte<br />

Biomarker klinisch zu validieren. Letzteres<br />

kann den Aufwand für die Biomarker-Entwicklung<br />

deutlich ausweiten. Wenn es darum<br />

geht, die Aussagekraft der Tests bei indivi-<br />

duellen Patienten nachzuweisen, kommt<br />

dieser Aufwand unter Umständen der klini-<br />

schen Medikamentenentwicklung nahe, was<br />

erneut die Frage der Preise und der Erstattung<br />

aufbringt.<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen können in diesem<br />

„Setting“ klare Positionen besetzen und<br />

haben Perspektiven für lukrative Geschäftsmodelle.<br />

Indem sie die biologienahen Kompetenzen<br />

der CDx-Entwicklung besetzen,<br />

interagieren sie – wie bereits gewohnt –<br />

eng mit Therapeutikaentwicklern. Darüber<br />

hinaus gewinnen sie andere Partner im Bereich<br />

Diagnostik für die technische Entwicklung<br />

von Tests und deren Vermarktung.<br />

Ein gutes Beispiel liefert Qiagen, das seine<br />

Schwerpunkte stark auf den Bereich „Companion<br />

Diagnostics“ verlagert. In diesem<br />

Prozess wurden einerseits eine ganze Reihe<br />

von Allianzen mit <strong>Biotech</strong>-Firmen geschlossen,<br />

um Zugang zu validierten Biomarkern<br />

zu erhalten (z. B. Insight Genetics, Drug<br />

Response Dx, Personal Genome Diagnostics,<br />

Pathway Diagnostics, Lepu Medical). Darüber<br />

hinaus wurden zu diesem Zweck auch<br />

zwei Unternehmen (DxS und Ipsogen)<br />

übernommen. Auf der anderen Seite hat<br />

Qiagen mittlerweile für die gemeinsame<br />

Vermarktung der Diagnostik-Tests mit den<br />

entsprechenden Medikamenten zahlreiche<br />

Allianzen mit Pharma-Firmen etabliert<br />

(z. B. Boehringer Ingelheim, AstraZeneca,<br />

BMS, Eli Lilly / ImClone, Pfizer).<br />

Ein deutsches Best-Practice-Beispiel bezüglich<br />

der Umsetzung seines <strong>Biotech</strong>-Know-how<br />

im Feld „Companion Diagnostics“ liefert das<br />

Berliner Unternehmen Alacris Theranostics.<br />

Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung<br />

neuer Verfahren in der personalisierten<br />

Medizin für Krebspatienten spezialisiert:<br />

insbesondere in den Bereichen der Entwicklung<br />

von neuen Ansätzen der Diagnose,<br />

Behandlung und Stratifizierung. Alacris verfolgt<br />

dabei einen systembiologischen Ansatz.<br />

Der Einsatz von Transkriptom- und Genom-<br />

Informationen, kinetischen Signaltransduktionsdaten<br />

sowie von Informationen aus<br />

Mutations- und Medikamentendatenbanken<br />

erzeugt ein „Virtuelles Patientenmodell“.<br />

Dieses kann die Wirkung der medikamen-<br />

tösen und optimierten kombinatorischen<br />

Behandlung vorhersagen und so die Stratifizierung<br />

von Krebspatienten und Verfahren<br />

in der personalisierten Medizin unterstützen.<br />

Ein zweiter großer Vorteil des ModCell TM -<br />

Systems ist die Bildung von virtuellen klini-<br />

schen Studien. Solche Studien erlauben die<br />

In-silico-Analyse bekannter Medikamente<br />

oder von Medikamenten, die noch in echten<br />

klinischen Studien getestet werden müssen.<br />

Dadurch können In-silico-Patientengruppen<br />

oder genetische Profile und Krankheiten<br />

identifiziert werden und so durch bestimmte<br />

Medikamente gezielt behandelt werden.<br />

Mit diesem Ansatz hat es das Unternehmen<br />

inzwischen geschafft, sich international<br />

zu positionieren. Eine Vereinbarung mit<br />

GlaxoSmithKline (GSK) erlaubt dem Pharma-<br />

Unternehmen die Nutzung von Alacris‘ proprietärem<br />

ModCell TM -System zur Medikamentenstratifizierung<br />

auf Basis von Daten<br />

aus den Frühphasen der Krebsforschung.<br />

GSK wird seine präklinischen biologischen<br />

Daten aus einem Wirkstoffforschungsprojekt<br />

im Bereich der Onkologie zur Verfügung<br />

stellen und Alacris wird sein proprietäres<br />

biologisches Modellsystem einsetzen, um<br />

den Effekt eines Inhibitors in seinem „Vir-<br />

tuelle klinische Studien“-System zu charakterisieren.<br />

Außerdem wird der Technologieansatz<br />

durch das strategische Investment<br />

von Qiagen geadelt, die sich Zugang zu<br />

neuen Biomarkern erhoffen, um ihre Mole-<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 19


Perspektive<br />

kulardiagnostik-Sparte weiter auszubauen.<br />

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass<br />

dieses Modell einer <strong>Biotech</strong>-Unternehmung<br />

sowohl in direkten Partnerschaften mit<br />

Pharma als auch mit großen Diagnostikfirmen<br />

interagieren kann. Die Mitgliedschaft<br />

in mehreren wissenschaftlich-kommerziellen<br />

Koalitionen untermauert die Position zusätzlich,<br />

z. B. die Personalized Medicine<br />

Coalition (PMC), 2004 gegründet, mit dem<br />

Ziel, die Entwicklung der personalisierten<br />

Medizin voranzutreiben. Ferner auch die<br />

ESPT (European Society for Pharmacogenomics<br />

and Theranostics), die sowohl an<br />

20 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

allen Aspekten der Pharmakogenomik<br />

interessiert ist, als auch an allen Ansätzen<br />

zur Verbesserung der Bereitstellung von<br />

Medikamenten für den richtigen Patienten<br />

mit der richtigen Dosierung zum richtigen<br />

Zeitpunkt. Alacris ist auch Partner des<br />

OncoTrack-Projekts der Innovative Medicine<br />

Initiative (IMI), einer öffentlich-privaten<br />

Partnerschaft zwischen der Europäischen<br />

Union und der European Federation of Pharmaceutical<br />

Industries and Associations<br />

(EFPIA). Innerhalb des Projekts sollen neue<br />

Wege in der Diagnose und Behandlung von<br />

Darmkrebs beschritten werden, indem durch<br />

neue Methoden systematisch Biomarker der<br />

nächsten Generation entwickelt werden.<br />

Weitere Beispiele in ähnlicher Richtung –<br />

wenngleich in ihrer Entwicklung erst am<br />

Anfang – stellen Signature Diagnostics und<br />

das CBC Comprehensive Biomarker Center<br />

dar. Beide sind stark in DNA-Technologien<br />

aufgestellt und wenden diese speziell für die<br />

Identifizierung von Biomarkern an. Insgesamt<br />

operieren die genannten Unternehmen<br />

vorwiegend noch in einem Service-Modell.<br />

Die Chancen, sich als Partner für Pharma-<br />

oder größere Diagnostikunternehmen zu<br />

etablieren, sind aber definitiv gegeben.<br />

Gleichzeitig zeigen sich auch VC-Investoren<br />

zusehends interessiert an diesem Modell,<br />

wie getätigte Investments bestätigen. In<br />

Deutschland erhielten die beiden Start-up-<br />

Unternehmen Epivios und oncgnostics jeweils<br />

Gründungsfinanzierungen aus dem<br />

High-Tech Gründerfonds und von lokalen<br />

weiteren Investoren. Beide sind im Segment<br />

der Biomarker-Identifikation und -Entwicklung<br />

tätig.<br />

Schließlich bietet dieses Szenario auch die<br />

Möglichkeit, auf Basis biotechnologischer<br />

Wurzeln vollintegrierte Companion-Diagnos-<br />

tics-Unternehmen aufzubauen. Ein Beispiel<br />

hierfür ist Agendia in den Niederlanden.<br />

Nicht nur die 65-Millionen-US-Dollar-Finanzie-<br />

rungsrunde der auf onkologische Biomarker<br />

fokussierten <strong>Biotech</strong>-Firma, sondern auch<br />

der in dieser Runde dominierende strategische<br />

Investor Debiopharm dokumentieren<br />

die Attraktivität für Investoren und gleichermaßen<br />

für Strategen.


Alleinstellungsmerkmal und<br />

Best Practice „Disease Detection &<br />

Monitoring“<br />

Eher die klassische Schiene der Molekular-<br />

diagnostik verfolgt ein dritter Ast von Diagnostikfirmen<br />

mit Tests zum Nachweis von<br />

krankheitsrelevanten Faktoren, wie zum Beispiel<br />

Infektionserregern, Stoffwechselprodukten<br />

oder Blutwerten. Das von Seiten <strong>Biotech</strong><br />

hier einzubringende Know-how bezieht<br />

sich sowohl auf die Biologie der Targets als<br />

auch auf die Technologie zu deren Nachweis.<br />

Als absolut wichtigste Technologiebasis<br />

steht hier die PCR im Zentrum der meisten<br />

Anwendungen. Weniger ausgeprägt ist die<br />

Nutzung von Gene Arrays. Beispiele für<br />

Unternehmen, die mit PCR-Technologien<br />

operieren, sind:<br />

• AmplexDiagnostics (Infektionen)<br />

• AnDiaTec (Infektionen, Thrombosen,<br />

Stoffwechsel)<br />

• Attomol (Infektionen)<br />

• Biotype Diagnostics (Dermatologie,<br />

Hämatologie, Onkologie)<br />

• Carpegen (Paradontose)<br />

Die Anwendungen zielen meist auf ver-<br />

schiedene Krankheitsfelder, allen voran bei<br />

Infektionserkrankungen zum spezifischen<br />

Nachweis von Erregern und deren zielgerichteter<br />

Behandlung. Ein weiteres an Bedeutung<br />

zunehmendes Feld hat sich im<br />

Bereich der genetischen Testung in Bezug<br />

auf Vaterschaften oder genetische Dispositionen<br />

und Krankheitsanlagen etabliert<br />

(bj-diagnostik, DelphiTest, GENOLYTIC,<br />

Galantos Pharma, humatrix, ID-Labor etc.).<br />

Die Unternehmen in der Kategorie der<br />

Krankheitsdetektion entscheiden den Wettbewerb<br />

am Markt mit weitgehend übereinstimmenden<br />

kompetitiven Faktoren:<br />

• Zeit des Tests bis zum Vorliegen des<br />

Ergebnisses<br />

• Zuverlässigkeit des Ergebnisses<br />

• Testformate und Probendurchsatz<br />

(z. B. Multiparameteranalysen)<br />

• Leichte Standardisierbarkeit der Test-<br />

verfahren<br />

• Therapeutischer Mehrwert (z. B. gezielte<br />

Therapie, schnellerer Therapiebeginn,<br />

Dosierungshilfe)<br />

Perspektive<br />

Im Zuge der Abwendung der Venture-Capital-<br />

Investoren von langwierigen und risikoreichen<br />

Therapeutikaentwicklungen kam gerade<br />

diese Sparte der Diagnostikunternehmen<br />

„en vogue“, was sich an einigen Finanzierungsrunden<br />

der letzten Jahre zeigt:<br />

• Curetis erhält 15,6 Millionen Euro von<br />

einem Konsortium mit CD Venture, Forbion<br />

Capital Partners, Roche Venture Fund<br />

(Oktober 2011)<br />

• Biocartis in der Schweiz erhält insgesamt<br />

105,5 Millionen Euro von einem Konsor-<br />

tium vornehmlich aus Strategen (November<br />

2011 und Folgefinanzierung im Dezember<br />

2012)<br />

• Lophius Biosciences erhält 1,4 Millionen<br />

Euro von Bayern Kapital, S-Refit und HTGF<br />

(Juli 2011)<br />

• Sividion Diagnostics erhält VC-Kapital von<br />

Creathor Venture, KfW und Rheinland VC<br />

(August 2011)<br />

• AyoxxA Biosystems erhält insgesamt<br />

3 Millionen Euro VC-Kapital von privaten<br />

Investoren zusammen mit Wellington Partners,<br />

HTGF, KfW und NRW.Bank (September<br />

2012, Januar <strong>2013</strong>)<br />

Dennoch überwiegen in den Geschäftsmodellen<br />

noch Dienstleistungsangebote vor<br />

der Herstellung und dem Vertrieb von<br />

Test-Produkten.<br />

Insgesamt gesehen kann für alle Teilsegmente<br />

der Diagnostikindustrie der zunehmende<br />

Einfluss von <strong>Biotech</strong>nologie konstatiert<br />

werden und die dort positionierten<br />

Unternehmen können interessante Geschäftsmöglichkeiten<br />

finden. Wenngleich<br />

sie sich, zumindest ad hoc, noch meist in<br />

Abhängigkeit als „Zulieferer“ in Partnerschaften<br />

mit oder Kundenbeziehungen zu<br />

großen Unternehmen (Pharma und Diagnostik)<br />

befinden, so stellen sich aufgrund<br />

der kürzeren Entwicklungszeiten, der niedrigeren<br />

Risiken und Zulassungshürden die<br />

Chancen auf eigenständige Positionierung<br />

optimistischer dar.<br />

Die derzeit aktive Diskussion über die Bewertung<br />

von Companion-Diagnostics-Produkten<br />

im Vergleich zu Medikamenten wird<br />

die Attraktivität dieses Sektors weiterhin<br />

steigern.<br />

Verteilung von <strong>Biotech</strong>-Firmen auf<br />

Diagnostik-Kategorien<br />

Eine Zuordnung der im Diagnostikbereich<br />

tätigen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland<br />

zu den hier beschriebenen Untersegmenten<br />

der Diagnostik zeigt, dass bereits<br />

eine beachtliche Zahl an <strong>Biotech</strong>-Firmen im<br />

Bereich „Companion Diagnostics“ Fuß gefasst<br />

hat (22 %) und ebenfalls das Segment<br />

der Unternehmen, die sich dem Thema „Big<br />

Data“ widmen (33 %).<br />

Dennoch ist die Mehrzahl (45 %) nach wie<br />

vor mit individuellen Testsystemen befasst,<br />

dem eher klassischen Sektor der Diagnostik-<br />

branche.<br />

Übersicht der deutschen<br />

Tech@Companies im<br />

Diagnostiksektor<br />

n = 91<br />

Disease Detection & Monitoring<br />

Tech@BigData<br />

Tech@CompanionDiagnostics<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 21<br />

22 %<br />

33 %<br />

45 %


Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie<br />

Die Breite des <strong>Biotech</strong>-Spektrums<br />

Wenn von <strong>Biotech</strong>nologie und vor allem der<br />

<strong>Biotech</strong>-Branche die Rede ist – zugegebener-<br />

maßen auch in den Ernst & Young <strong>Report</strong>s –<br />

bezieht sich dies meist auf die medizinnahen<br />

Bereiche. Jedoch wirken die Potenziale der<br />

<strong>Biotech</strong>nologie deutlich breiter.<br />

Unter dem Stichwort „Biologisierung von<br />

Industrien“ hat sich auch in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung ein weit breiteres Spektrum<br />

an Chancen eröffnet. Den „Bio-Technologien“<br />

wird technisch dabei einiges zugetraut.<br />

Experten aus Industrie und Wissenschaft<br />

schätzen, dass bereits 2030 ein Drittel der<br />

weltweiten industriellen Produktion aus biotechnologischen<br />

Prozessen stammen wird.<br />

Bioprozesse sind nachhaltig und ressourcen-<br />

schonend. Die entsprechenden Katalysatoren<br />

werden kostengünstig auf der Grundlage<br />

nachwachsender Rohstoffe generiert<br />

und arbeiten unter milden Reaktionsbeding-<br />

ungen. In der Erkenntnis, dass diese technischen<br />

Möglichkeiten auch kommerziell<br />

großes Potenzial haben können, ergab sich<br />

der Begriff „Bioökonomie“.<br />

Als Treiber für die Biologisierungsbewegung<br />

gelten vor allem:<br />

• Technische Fortschritte in der <strong>Biotech</strong>nologie<br />

selbst<br />

• Vereinfachung hochkomplexer chemischer<br />

Verfahren durch einfachere biologische<br />

Systeme<br />

• Kosteneinsparung im Vergleich zu chemi-<br />

schen Prozessen<br />

• Energieeinsparung im Vergleich zu chemi-<br />

schen Prozessen<br />

• Gestiegene Bedenken gegen eine weiterhin<br />

zu sorglose Ausbeutung der limitierten fos-<br />

silen Brennstoffe als Basis für Verbrauchsgüter<br />

aller Art<br />

• Gestiegenes Bewusstsein für den Umweltschutz<br />

(z. B. CO 2 -Emission)<br />

Gegenüber den letztgenannten Argumenten<br />

(Rohstoff-Ressourcen, Umweltschutz) treten<br />

die vormals stärker kostengetriebenen Über-<br />

legungen zumindest etwas zurück. Selbst<br />

große Chemie-Unternehmen, die das Thema<br />

„industrielle <strong>Biotech</strong>nologie“ bislang allenfalls<br />

in individuellen Fällen – und fast nur dann,<br />

wenn deutliche Kostenvorteile gegenüber<br />

Chemie-Prozessen vorlagen – einsetzten,<br />

sind zum Umdenken bereit. Sie erkennen<br />

dabei auch die technischen Fortschritte an,<br />

die nicht mehr nur etablierte chemische<br />

Prozesse ersetzen (z. B. Aminosäuren-,<br />

Vitaminsynthese), sondern völlig neue<br />

Produktklassen mit entsprechend neuen<br />

Eigenschaften erschließen.<br />

Nun gilt es, die wirkliche Bedeutung dieses<br />

Technologiezweiges anhand einer breiteren<br />

Palette von Anwendungsfeldern zu verdeutlichen<br />

und in diesen auch attraktive Geschäftspotenziale<br />

aufzuzeigen. Beispiele aus<br />

der <strong>Biotech</strong>-Industrie und aktuelle konkrete<br />

Entwicklungen, die Biologisierung auch<br />

kommerziell im Rahmen einer echten Industrialisierung<br />

umzusetzen, unterstreichen<br />

die Bedeutung der Bioökonomie-Initiative.<br />

Biologisierung der Industrien<br />

Papier-<br />

Industrie<br />

Lebensmittel-<br />

Industrie<br />

Verbrauchsgüter-<br />

Industrie<br />

Futtermittel-<br />

Industrie<br />

22 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Kraftstoff-<br />

Industrie<br />

<strong>Biotech</strong>nologie<br />

Textil-<br />

Industrie<br />

Die Zusammenstellung der Zielmärkte vermittelt<br />

einen guten Eindruck über die Möglichkeiten<br />

und Chancen, die sich für die Unter-<br />

nehmen der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />

ergeben:<br />

• Chemie-Industrie (Feinchemie, spezielle<br />

chemische Reaktionen)<br />

• Pharma-Industrie (Grundstoffe, Zwischenprodukte,<br />

APIs)<br />

• Medizintechnik-Industrie (Tissue Engineering,<br />

biofunktionalisierte Implantate)<br />

• Lebensmittel-Industrie (Lebensmittel-<br />

zusätze, Lebensmittelverarbeitung)<br />

• Futtermittel-Industrie (Enzyme, Futter-<br />

mittelverarbeitung)<br />

• Life-Science-Industrie (Forschungs-<br />

enzyme)<br />

• Verbrauchsgüter-Industrie (Wasch-<br />

mittelenzyme, Fleckenentfernerenzyme)<br />

• Kraftstoff-Industrie (Bio-Raffinerie)<br />

• Textil-Industrie (Lederbehandlung)<br />

• Papier-Industrie (Zellstofflyse)<br />

• Kosmetik-Industrie (biogene Inhaltsstoffe)<br />

Medizintechnik-<br />

Industrie<br />

Kosmetik-<br />

Industrie<br />

Pharma-<br />

Industrie<br />

Chemie-<br />

Industrie<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


<strong>Biotech</strong> „re-loaded“<br />

Im Zusammenhang mit dieser breiteren<br />

Betrachtung von Möglichkeiten sollte auch<br />

die Definition der <strong>Biotech</strong>-Branche generell<br />

neu überdacht werden. Als ein Segment<br />

mit 400 oder 500 Unternehmen wird sie nie<br />

ihr wahres Potenzial zeigen können, wenn<br />

dazu nur die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

dieser Kerngruppe von Unternehmen als Maß<br />

herangezogen wird. Noch problematischer<br />

gestaltet sich dies, wenn heute erfolgreiche<br />

Entwicklungen der <strong>Biotech</strong>nologie durch<br />

Aufkauf bei großen Unternehmen landen<br />

und selten selbst an den Markt gebracht<br />

werden. Nachhaltige, selbständige Unternehmen<br />

mit Entwicklungsmöglichkeiten bis<br />

hin zu einem weltweit führenden Unternehmen<br />

sind kaum realistisch, wenn statt Börsengang<br />

und Wachstum in Eigenregie „Trade<br />

Sale“ und damit Eliminierung des Unternehmens<br />

als weit wahrscheinlicher gelten.<br />

Die Bedeutung der <strong>Biotech</strong>nologie sollte nicht<br />

nur am Wert der <strong>Biotech</strong>nologie-Unternehmen<br />

an sich bemessen werden. Die Größe<br />

und Zukunftsperspektiven der durch die<br />

<strong>Biotech</strong>nologie in Zukunft stärker geprägten<br />

Märkte muss künftig in die Bewertung mit<br />

einbezogen werden.<br />

Perspektive<br />

Für die Pharma-Industrie – immerhin ein<br />

knapp 900 Milliarden US-Dollar schwerer<br />

Markt – wurde dies bereits ausführlich dokumentiert.<br />

Ohne <strong>Biotech</strong>nologie ist Innovation<br />

hier kaum mehr vorstellbar. Allein die Rolle<br />

der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist nach wie vor<br />

schwierig. Nur wenige sehr erfolgreiche<br />

Unternehmen haben es tatsächlich geschafft,<br />

eigene Produkte an den Markt zu bringen<br />

und somit die entsprechende Wertschöpfung<br />

für sich in Anspruch zu nehmen; das<br />

Gros partizipiert allenfalls teilweise über<br />

Lizenzeinnahmen aus Allianzen oder kann<br />

über Dienstleistungen indirekt am großen<br />

Wertschöpfungstopf der Pharma-Industrie<br />

teilhaben.<br />

Die Frage danach, wie dies in den weiteren<br />

Zukunftsmärkten – Ernährung, Energie,<br />

Chemie, Kosmetik etc. – aussehen wird, lässt<br />

sich leider aufgrund der kleineren Zahl von<br />

Unternehmen, die die Felder außerhalb des<br />

Gesundheitsmarktes bedienen, statistisch<br />

kaum erörtern. Die Beschreibung von Best<br />

Practice, wie sie bereits im letztjährigen<br />

<strong>Report</strong> unter dem Titel „Maßgeschneidert“<br />

angestoßen worden war, soll dennoch die<br />

Wichtigkeit dieser Bestrebungen belegen.<br />

Individuelle Erfolge zählen und dienen als<br />

Rollenmodell für eine differenziertere Branchenentwicklung.<br />

Industrialisierung der <strong>Biotech</strong>nologie<br />

Das Blickfeld zu erweitern beinhaltet auch<br />

einen weiteren Aspekt: Die zunehmende<br />

Reife der „Bio-Technologien“ bedingt den<br />

Eintritt in die nächste Phase der Entwicklung.<br />

Die bisher vor allem aus einem F&E-<br />

Blickwinkel als Experimentierfeld wahrgenommene<br />

Branche bewegt sich sichtbar in<br />

Richtung einer Industrialisierung. Anhand<br />

von Technologieplattformen, wie denen von<br />

MorphSys oder Evotec im medizinischen<br />

Bereich, wurde dies im letzten Jahr bereits<br />

adressiert. Aktuelle Entwicklungen, z. B. die<br />

Neuausrichtung der BRAIN, zeigen dies nun<br />

auch im Bereich der industriellen <strong>Biotech</strong>no-<br />

logie auf. In diesem Zusammenhang zeigt sich<br />

definitiv ein Weg zum nachhaltigen Erfolg.<br />

Evotec und MorphoSys haben sich mittlerweile<br />

erfolgreich zu profitablen Unternehmen<br />

gemausert, die gewichtige Partnerschaften<br />

mit den großen Playern im Pharma-Bereich<br />

aufweisen und über diesen Weg auch zu<br />

eigenen Marktprodukten gelangen. Auch<br />

für Unternehmen wie BRAIN zeichnen sich<br />

Perspektiven ab, ihr biotechnisches Potenzial<br />

in eigene Markterfolge umzusetzen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 23


Technologieplattformen für die<br />

Biologisierung der Industrien<br />

Naturstoffplattformen<br />

In der logischen Reihenfolge einer Auflistung<br />

von Plattformen um die Biokonversion stehen<br />

die Naturstoffisolierer am Anfang. Unternehmen<br />

wie AnalytiCon Discovery bauen ihr<br />

Geschäft auf Basis der Isolierung, Aufreinigung<br />

und chemischen Charakterisierung von<br />

Naturstoffen auf. Weiterentwickelt dienen<br />

diese dann als Grund- und Wirkstoffe in der<br />

Lebensmittel-, Chemie- und Pharma-Industrie.<br />

Biokonversionsplattformen<br />

Die Kerntechnologieplattform der industriellen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie stellt sich in untenstehender<br />

Abbildung am besten dar. Im Zentrum<br />

steht die Biokonversion als zentrale Plattform<br />

für die Stoffumwandlung. Die Spezifität<br />

der Prozesse und somit auch die Alleinstellung<br />

der Unternehmen beruht auf unterschiedlichen<br />

Substraten als Ausgangsstoffe,<br />

spezifischen Katalysatoren und schließlich<br />

dem unterschiedlichen Produktportfolio.<br />

Kernpunkt jedoch bildet vornehmlich das<br />

konkrete Know-how im Bereich der Katalysatoren.<br />

Sie steuern und determinieren die Biokonversion<br />

hinsichtlich Substratverwendung,<br />

der spezifischen enzymatischen Reaktionen<br />

und bzgl. des Produkt-Outputs.<br />

Perspektive<br />

Die Biokatalysatoren sind Mikroorganismen<br />

oder bestimmte Enzyme aus diesen, die<br />

einerseits in der natürlichen Vielfalt, andererseits<br />

heute bereits in einer fast beliebigen<br />

Zahl durch genetische Manipulation gezielt<br />

auf bestimmte enzymatische Leistungen<br />

getrimmt bzw. selektioniert sind. Insofern<br />

spielt heute die Expertise im Bereich der<br />

mikrobiellen Genomforschung und dort vor<br />

allem die Entschlüsselung und physische<br />

Nutzung von Metagenomen (genetische<br />

Basis der Stoffwechselwege) eine entscheidende<br />

Rolle.<br />

Die zentrale Bedeutung der Biokatalysatoren<br />

ist auch in der Aufstellung der deutschen<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen im Sektor „industrielle<br />

<strong>Biotech</strong>nologie“ reflektiert. Die meisten sind<br />

in der Tat spezialisiert auf die Identifizierung<br />

oder das gezielte Genetic Engineering, um<br />

mit neuen Enzymfunktionen ein breites Spektrum<br />

von Anwenderindustrien zu beliefern.<br />

Allein die Vielfalt der unterschiedlichen<br />

Enzymspezifikationen zusammen mit den<br />

Einsatzfeldern macht den Begriff „Biologisierung<br />

von Industrien“ mehr als plausibel.<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland mit<br />

Fokus auf Biokatalysatoren sind u. a.:<br />

• aevotis, Potsdam<br />

• ASA Spezialenzyme, Wolfenbüttel<br />

• BRAIN, Zwingenberg<br />

Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung<br />

Substrate<br />

• Auswahl des Rohstoffes + Analyse<br />

der geeigneten Substrate<br />

• Aufreinigung des Substrats<br />

• Verfügbarkeit des Substrats für<br />

industrielle Produktion<br />

• Verfahrensparameter<br />

• Verfahrensentwicklung<br />

• Optimierung + Technologietransfer in die Produktion<br />

Biokatalysatoren<br />

Biokonversion<br />

• Identifikation<br />

• Isolation + Charakterisierung<br />

• Expressionssystem<br />

• Stammentwicklung<br />

• Übertragung Labor auf Großanlage<br />

24 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

• c-LEcta, Leipzig<br />

• Cyano <strong>Biotech</strong>, Berlin<br />

• Cysal, Münster<br />

• DIREVO Industrial <strong>Biotech</strong>nology, Köln<br />

• Enzymicals, Greifswald<br />

• evocatal, Düsseldorf<br />

• W42 Industrial <strong>Biotech</strong>nology, Marl<br />

Zwischen den genannten Unternehmen gibt<br />

es allerdings unterschiedliche Gewichtungen<br />

in der Zielsetzung. Eine Gruppe stellt beispielsweise<br />

das Thema der Biomasse-Konversion<br />

und der Nutzung nachwachsender Rohstoffe<br />

in den Mittelpunkt (d. h. die Substratseite,<br />

z. B. aevotis, DIREVO Industrial <strong>Biotech</strong>nology).<br />

Insbesondere getrieben durch<br />

die sich verbreiternden technischen Möglichkeiten,<br />

den Bedarf und die billigen Ausgangsstoffe<br />

wird dieser Bereich sicherlich an<br />

Bedeutung zunehmen. Allerdings wird es<br />

in diesem Umfeld auch darauf ankommen,<br />

in der Diskussion der nachwachsenden Rohstoffe<br />

nicht weiter in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion<br />

zu stehen. Vielmehr<br />

sollte die Verwendung von pflanzlichen Abfallprodukten<br />

in den Vordergrund rücken.<br />

Nach wie vor ist der größere Teil der Firmen<br />

stärker an den Endprodukten und damit an<br />

den Kundenmärkten orientiert. Sie richten<br />

ihre Entwicklungsaktivitäten konkret an den<br />

Wünschen der Kunden aus. Ein weiteres<br />

Produkt<br />

• Analytik<br />

• Charakterisierung<br />

• Mustermengen<br />

• Aufreinigung<br />

• Anwendung<br />

• Vermarktungskonzept<br />

Quelle: Ernst & Young, aevotis GmbH, <strong>2013</strong>


Differenzierungskriterium ergibt sich hierbei<br />

aus dem Vertiefungsgrad der Biokatalysatoren-Forschung.<br />

Während klassische Ver-<br />

treter mit Naturisolaten arbeiten und dann<br />

vor allem über das Screening auf neue Eigen-<br />

schaften setzen (z. B. ASA Spezialenzyme),<br />

nutzen modernere Ansätze vor allem die<br />

Genominformationen zum gezielten gentechnischen<br />

Design maßgeschneiderter neuer<br />

Enzymfunktionen (z. B. BRAIN, c-LEcta,<br />

evocatal). Schließlich determiniert die Breite<br />

der adressierten Zielmärkte (s. o.) die Wettbewerbsposition<br />

von Unternehmen.<br />

Ein Paradebeispiel für Unternehmen im<br />

Bereich der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie ist<br />

BRAIN aus Zwingenberg mit Schwerpunkt<br />

auf innovativen biotechnologischen Lösungen<br />

für Prozess- oder Produktanforderungen<br />

in allen denkbaren Industrieanwendungen.<br />

Dazu macht die von Wissenschaftlern und<br />

Technikern dominierte Firma in einem einzigartigen<br />

Ansatz zur Entdeckung und Produktion<br />

neuer biologischer Wirkstoffe und<br />

neuer Biokatalysatoren kreative Lösungen<br />

aus der unerschlossenen Biodiversität verfügbar.<br />

Der Erfolg fußt auf einem proprietären<br />

Bioarchiv, bestehend aus Millionen<br />

von Naturstoffen, Mikroorganismen, mikrobiellen<br />

Genen und Metagenom-Bibliotheken.<br />

Die Kernkompetenz von BRAIN liegt in der<br />

Etablierung neuer Biokonversionsprozesse –<br />

immer motiviert durch existierende Bedarfssituationen<br />

bzw. Marktpotenziale. Meist erfolgt<br />

dann die technische Ausarbeitung im<br />

industriellen Maßstab durch den Kunden<br />

selbst oder in Partnerschaften mit BRAIN.<br />

Mit über 70 Partnerschaften zur Technologieentwicklung<br />

in unterschiedlichsten Feldern<br />

erreichen die Zwingenberger ebenfalls<br />

einen Spitzenplatz. Die Partner kommen<br />

dabei aus vielen Industrien, allen voran der<br />

Chemie: BASF, Ciba, Clariant, Evonik Degussa,<br />

DSM, Genencor, Henkel, Celanese /<br />

Nutrinova, RWE, Sandoz, Südzucker, Symrise<br />

und weitere. In puncto Innovation und Anwendungsbreite<br />

war BRAIN von Anbeginn<br />

ein Aushängeschild. Dabei reichen die „ungewöhnlichen“<br />

Ideen von biotechnologi-<br />

schen Ansätzen zur Rauchgasentgiftung bis<br />

hin zu Anti-Falten-Produkten.<br />

Perspektive<br />

Spezialisierte und hierfür eigens entwickelte<br />

Mikroorganismen können in einer Allianz mit<br />

RWE CO 2 -haltige Rauchgase aus Braunkohlenkraftwerken<br />

direkt als „Futter“ verwerten<br />

und selbst bei einer Temperatur von 60 Grad<br />

Celsius wachsen. Ziel der Forschungsallianz<br />

ist es, Kohlendioxid mit Mikroorganismen in<br />

Biomasse oder direkt zu Wertstoffen umzuwandeln<br />

(neue Biomaterialien, Biokunst-<br />

stoffe und chemische Zwischenprodukte).<br />

Am anderen Ende des Spektrums stehen<br />

Innovationen im Kosmetikbereich in Zusammenarbeit<br />

mit MONTEIL Cosmetics. Das<br />

Verstehen der molekularen Prozesse der<br />

Hautalterung führte zur Entwicklung von<br />

Cremes mit peptidischen Wirkstoffen, die<br />

über die Hemmung der Capsaicin-Rezepto-<br />

ren Hautreizungen verringern.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 25


Plattformen für Anwendungsinnovationen<br />

Neben dem Fokus auf Biokonversionsplattformen<br />

gibt es im Sektor der weißen <strong>Biotech</strong><br />

auch Unternehmen, die sich in puncto<br />

Umwandlung auf ein bestimmtes Verfahren<br />

festgelegt haben und dann das resultierende<br />

Produkt in maximaler Breite durch nachgeschaltete<br />

Verarbeitungsprozesse vermarkten.<br />

Das beste Beispiel hierfür liefert das Unternehmen<br />

AMSilk in Planegg bei München.<br />

Hier hat die Natur für die Produktidee an<br />

sich Pate gestanden: Spinnenseide und ihre<br />

hervorragenden physikalischen Eigenschaften<br />

(Festigkeit, Dehnbarkeit, Variabilität,<br />

Abbaubarkeit). Die Kernkompetenz von<br />

AMSilk besteht darin, einen rekombinanten<br />

Herstellungsprozess für Spinnenseideprotein<br />

im industriellen Maßstab entwickelt zu<br />

haben. Die weiterführende Wertschöpfung<br />

beruht in der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten.<br />

Unter dem Überbegriff „High performance<br />

materials inspired by nature’s blueprint“<br />

stehen Hochleistungsmaterialien mit<br />

optimierten Spezifikationen zur Verfügung.<br />

Die Anwendungsbereiche reichen von der<br />

Textil-Industrie („BioSteel“) über die Kosme-<br />

tik-Industrie zur Medizintechnik (Zellkultur,<br />

Tissue Engineering, Wundheilung).<br />

Geschäftsmodelle für die industrielle<br />

<strong>Biotech</strong>nologie<br />

Das Gros der weißen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

gründet sich auf einer starken technologi-<br />

schen Basis. Neue Entwicklungen in der<br />

Genomforschung zur Etablierung von Metagenombanken,<br />

die Ableitung innovativer<br />

Biokonversionsenzyme sowie die auf labortechnischem<br />

Level ausgearbeiteten Prozesse<br />

stehen im Mittelpunkt. Da diese F&E-<br />

basierten Unternehmen oft weder das Know-<br />

how auf der Marktseite besitzen, noch die<br />

großtechnische Herstellung im industriellen<br />

Maßstab beherrschen, sind sie auf die Zusammenarbeit<br />

mit etablierten Großindustrie-<br />

Unternehmen angewiesen. Dazu kommt<br />

auch, dass dieser Sektor nicht oder nur selten<br />

Beteiligungskapital anzieht und infolgedessen<br />

traditionell eher als Dienstleister<br />

operiert.<br />

Perspektive<br />

Die zunehmende Reife des industriellen<br />

<strong>Biotech</strong>-Sektors und auch die bessere Wahrnehmung<br />

des wirtschaftlichen Potenzials<br />

(Stichwort „Bioökonomie“) führen immerhin<br />

dazu, dass inzwischen durchaus auch<br />

lukrative Allianzen mit großen Playern geschlossen<br />

werden. Die zuvor aufgeführten<br />

Unternehmen werden hier wiederum deutlich<br />

sichtbar (BRAIN, c-LEcta, DIREVO,<br />

evocatal etc.). Dabei spielen sie jedoch eindeutig<br />

die Junior-Rolle als Zulieferer von<br />

Produkten, Prozessen und Technologien.<br />

Selbst das erfolgreiche Start-up AMSilk<br />

erreicht nur über Partner seine Endmärkte.<br />

Allein die Zahl der möglichen unterschiedlichen<br />

Märkte bedingt diese Aufgaben-<br />

teilung, zumindest für ein noch so junges<br />

Unternehmen.<br />

BRAIN hat nun erstmals ein neues Modell<br />

ins Spiel gebracht. Unterstützt von finanzkräftigen<br />

Investoren – dem Family Office<br />

Putsch (ehem. RECARO Autositze) sowie<br />

den MIG Fonds – wurde eine Strategie kommuniziert,<br />

die das Technologieunternehmen<br />

nun direkt an die relevanten Wertschöpfungs-<br />

ketten bis zum Markt anbindet. Mit einem<br />

Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro<br />

sollen erklärtermaßen Marktunternehmen<br />

zugekauft werden, die die technischen<br />

Lösungen aus der BRAIN-Technologiewerkstatt<br />

bis zum Markt entwickeln und dort mit<br />

ihrer spezifischen Expertise und Branchen-<br />

Insights auch erfolgreich verkaufen. So soll<br />

es gelingen, den bisherigen Technologie-<br />

schwerpunkt nicht aufzugeben, sondern mit<br />

höherem Wert zu kommerzialisieren. Den<br />

Anfang der jetzt offen kommunizierten Strate-<br />

gie hatte bereits das in den letzten Jahren<br />

erfolgte Engagement zum Aufbau einer<br />

durchgängigen Wertschöpfungskette im<br />

Sektor Kosmetik markiert:<br />

• 2009: Kauf der LH Schmidt Chemisch-<br />

Kosmetische Fabrik als Produktionsfirma<br />

• 2012: Kauf der Kosmetikmarke MONTEIL<br />

als Marktpräsenz<br />

Nach diesem Modell sollen weitere Wertschöpfungsketten<br />

unter BRAIN-Regie und in<br />

direkter Anbindung an die Biokonversionsplattform<br />

entstehen.<br />

26 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

<strong>Biotech</strong>-Rolle als „Impact-Factor“ in<br />

unterschiedlichen Industrien<br />

Aus der vorherigen Diskussion über Bioökonomie<br />

und die Biologisierung von industriellen<br />

Prozessen könnte auch eine weitaus<br />

bedeutsamere Rolle für die <strong>Biotech</strong>nologie<br />

entwickelt werden. Vor allem würde in<br />

einem durch die Bioökonomie geprägten<br />

Rollenverständnis die Branche vermutlich<br />

wesentlich positiver erscheinen.<br />

Dieser Ansatz müsste die zuvor genannten<br />

Industrien gemäß ihrer gesamten Wirtschaftskraft<br />

(Umsatz) sowie ihrer zukünftigen<br />

Entwicklung darstellen und dies in<br />

einen Bezug setzen mit bereits evidenten<br />

Einflüssen und zukünftigem „Impact“ durch<br />

Biologisierung bzw. <strong>Biotech</strong>nologie.<br />

Noch offensichtlicher und wirksamer in der<br />

öffentlichen Wahrnehmung wären aber vor<br />

allem <strong>Biotech</strong>nologiebeiträge, die in den<br />

modernen Life Style passen, wie beispielsweise:<br />

• Umweltfreundliche Prozesse (Stoffeinsatz)<br />

• Ressourcenschonende Prozesse (Biomasse<br />

statt Öl)<br />

• Energiesparende Prozesse (Biofermentation<br />

statt Chemieverfahren)<br />

• Natürlichere Kosmetik (natürliche Inhaltsstoffe<br />

mit klinisch nachgewiesenem Effekt)<br />

• Functional Food / Futterstoffe / Kleidung


Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße <strong>Biotech</strong>nologie<br />

Dr. Holger Zinke,<br />

Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />

Bottleneck<br />

Marktumfeld und Geschäftsmodelle roter und<br />

weißer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen mögen sich<br />

in vielem unterscheiden, haben aber eines<br />

gemeinsam: Das Finanzierungsumfeld ist<br />

für beide Gattungen nach wie vor schwierig.<br />

Dies liegt klar nicht etwa an fehlenden Produktkonzepten,<br />

mangelnder Technologie-<br />

reife oder konjunkturellen Zyklen. Es ist<br />

schlichtweg das Fehlen von Exit-Perspektiven<br />

für Investoren, welches zu einer paradoxen<br />

Situation führt. Auf der einen Seite steht<br />

eine seit zwanzig Jahren andauernde „bio-<br />

logische“ Revolution mit enormer branchentransformierender<br />

Kraft, auf der anderen<br />

eine grenzwertige Finanzierungssituation<br />

für Entrepreneure und ihre Unternehmen.<br />

Biologisierung<br />

In beiden Segmenten, rot und weiß, ist die<br />

„Biologisierung“ der Zielbranchen fortge-<br />

schritten. Keine Pharma-Entwicklung ist mehr<br />

ohne <strong>Biotech</strong> denkbar. Umsatz- und Gewinn-<br />

treiber sind biotechnologische Entwicklungen<br />

wie monoklonale Antikörper oder Cytokine.<br />

Seit Jahren sind die Zulassungsstatistiken<br />

„<strong>Biotech</strong>“-dominiert. Mit Biosimilars steht<br />

nun auch der Generika-Sektor vor der biotechnologischen<br />

Revolution. Es wurde und<br />

wird viel Geld mit biotechnologischer Innovation<br />

verdient. Im weißen Sektor bekennen<br />

sich nun zunehmend auch Chemieunter-<br />

nehmen zu ihrem biologischen Segment:<br />

Im November letzten Jahres übertrafen<br />

sich DSM und Evonik in positiven (und biologischen)<br />

Ausblicken; „LifeScience &<br />

MaterialScience“ hier, „Health & Nutrition“<br />

dort, werden die Wachstumscluster bezeichnet.<br />

Geld wird verdient, die Wachstums-<br />

raten sind zweistellig.<br />

Industrialisierung<br />

Technologieunternehmen unterscheiden sich<br />

von den oben genannten Branchenbeispielen<br />

darin, dass sie keinen direkten Marktzugang<br />

haben, mithin am „Market Pull“ nur indirekt,<br />

namentlich über industrielle Entwicklungspartnerschaften,<br />

partizipieren können. Häufig,<br />

und gerade in den Fällen des sich einstellenden<br />

Erfolges, werden die Unternehmen auch<br />

ganz akquiriert. BRAIN hat als auf die weiße<br />

<strong>Biotech</strong>nologie fokussiertes Technologieunter-<br />

nehmen mit seinen Investoren, der MIG AG<br />

und dem Family Office Putsch, eine Industrialisierungsstrategie<br />

vereinbart, um gemeinsam<br />

einen neuen Weg zu gehen: B2B- und B2C-<br />

Marktzugänge werden geschaffen, um den<br />

Wert von Entwicklungen unmittelbar zu realisieren.<br />

Diese Marktzugänge werden nicht<br />

primär selbst aufgebaut, sondern über die<br />

Akquisition von Unternehmen oder Unternehmensteilen<br />

erworben und mit vorhandenen<br />

Entwicklungen gespeist. Motivation für<br />

diese Vereinbarung war zum einen natürlich<br />

der Wunsch, nicht nur über Royalty-Modelle<br />

an Produktinnovationen wertmäßig zu partizipieren.<br />

Zum anderen, wichtiger noch, um<br />

Zeit zu sparen. Durch „Infusion“ von Entwicklungskandidaten<br />

in das Produktportfolio<br />

von Unternehmen, die bereits im Markt präsent<br />

sind, kann entscheidend die Time-to-<br />

Market verkürzt werden. Dies hat große Aus-<br />

wirkung auf den Wert der Einzelprojekte und<br />

des Gesamtunternehmens. Es ist nicht das<br />

Ziel, die akquirierten Unternehmen zu assimilieren.<br />

Diese agieren als selbständige<br />

Entitäten in den jeweiligen Märkten wie<br />

Satelliten, mit unterschiedlichen Konzepten,<br />

Standorten und Unternehmenskulturen.<br />

JV-Konstruktionen sind ebenfalls im Fokus<br />

dieser Strategie. Der Wert kann für BRAIN<br />

und die Investoren anschließend durch Verkauf<br />

einzelner Satelliten realisiert werden.<br />

Realisierung<br />

Diese Strategie ist bislang in der <strong>Biotech</strong>-<br />

Branche ohne direktes Vorbild. Doch hat sie<br />

das Konzeptstadium bereits verlassen: als<br />

erstes Maßnahmenpaket wurde, deutlich vor<br />

der im November letzten Jahres bekanntgegebenen<br />

Finanzierungsrunde, ein B2C-Zu-<br />

gang zum Kosmetikmarkt aufgebaut. Hierzu<br />

wurden zum einen eine chemisch-kosmetische<br />

Fabrik, die vor allem als Lohnhersteller, also<br />

B2B tätig war und ist, zum anderen eine international<br />

sichtbare Marke über ein Joint<br />

Venture (MONTEIL International GmbH) mit<br />

der BRAIN verzahnt. Durch die nunmehr geschlossene<br />

Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette<br />

konnten innerhalb kürzester<br />

Zeit zwei neue <strong>Biotech</strong>-Linien konzipiert, ent-<br />

wickelt, produziert und in den Handel gebracht<br />

werden. Beide Akquisitionen entwickeln sich<br />

nach der Technologietransfusion operativ<br />

erfreulich. Die Erfahrungen aus diesen mit<br />

„Bordmitteln“ durchgeführten Transaktionen<br />

bestärkten Management, Aufsichtsrat und<br />

Aktionäre, auch größere Akquisitionen ins<br />

Auge zu fassen und dies durch eine Finanzie-<br />

rungsrunde auch kapitalmäßig zu unterlegen.<br />

Insights<br />

Für die erste komplett geschlossene Wertschöpfungskette<br />

wurde ein komplexer, weniger<br />

durch Technologie als durch die Markenpositionierung<br />

geprägter Marktzugang<br />

angegangen. Es wurde direkt der Konsument<br />

(besser: die Konsumentin) erreicht<br />

und es ergeben sich für ein Technologieunternehmen<br />

eher ungewöhnliche „consumer<br />

insights“, die sich aber fruchtbar und motivierend<br />

auf die Entwicklungskompetenz der<br />

Bioactives-Technologieeinheit und auch auf<br />

das Gesamtunternehmen ausgewirkt haben.<br />

MONTEIL war insbesondere im US-Markt bis<br />

in die siebziger Jahre als große Marke mit<br />

der „Brand Heritage“ der aus Paris in die<br />

USA ausgewanderten Modeschöpferin Germaine<br />

Monteil bekannt und für 80 bis 100<br />

Millionen US-Dollar Umsatz gut. Dies wäre<br />

nach heutiger Kaufkraft fast neunstellig. Bis<br />

dahin ist indes noch ein Weg zu gehen.<br />

Proof<br />

Für BRAIN war es wichtig zu zeigen, dass die<br />

Industrialisierungsstrategie von der biologischen<br />

Innovation in volumen- und wertschöp-<br />

fungsmäßig stark skalierbare Märkte selbst im<br />

B2C-Bereich im Grundsatz gangbar ist. In<br />

der klassischen B2B-Spezialchemie, wo die<br />

Mehrzahl der BRAIN-Entwicklungen aus den<br />

drei Technology Units BioActives, Production<br />

Strain Development und Enzyme Technologies<br />

ihre Anwendungen finden, könnten<br />

künftige M&A-Maßnahmen einerseits weniger<br />

komplex, andererseits aber volumiger sein.<br />

www.brain-biotech.de<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

27


Von Brustimplantaten zur Textilfaser:<br />

AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum<br />

Axel Leimer,<br />

CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried<br />

Am Anfang war die Faser<br />

Spinnenseide hat Forscher schon seit langer<br />

Zeit fasziniert. Der Faden des Spinnennetzes<br />

ist eine der leistungsstärksten Fasern die es<br />

gibt, mit einer dreifach höheren Belastbarkeit<br />

als Kevlar. Wer an Spinnenseide forscht,<br />

forscht an der Faser. Zumindest war dies das<br />

Credo der Seidenforscher, als wir unsere<br />

Firma gründeten. Einen kommerziellen, skalierbaren<br />

Spinnprozess zu finden war jedoch<br />

noch mit Risiko verbunden. Selbst große<br />

Konzerne wie Dupont hatten hier schon aufgegeben.<br />

Thomas Scheibel, seinerzeit Forscher<br />

an der Technischen Universität München,<br />

hatte jedoch schon damals größere<br />

Visionen. So startete er zusammen mit<br />

einem Chirurgen aus Würzburg eine erste<br />

Tierstudie, um den Effekt einer Spinnen-<br />

seidenbeschichtung für Brustimplantate zu<br />

testen. Die Studie war ein Erfolg.<br />

Von der Bastelstube zum<br />

Produktentwickler<br />

Bei der Gründung der AMSilk, deren geistiger<br />

Vater Scheibel ist, legten wir auch weiterhin<br />

Wert darauf, breiter zu denken. Die Natur<br />

hatte die Blaupause vorgegeben, die es galt<br />

nachzuahmen und gleichzeitig auch zweckzuentfremden.<br />

So machten wir uns daran,<br />

nicht nur einen skalierbaren Prozess für die<br />

Faser zu finden, sondern auch die Eigenschaften<br />

der Seidenproteine für andere Zwecke<br />

in der Medizintechnik, Dermatologie und<br />

Pharmagalenik zu nutzen. Die Herstellung<br />

des Grundmaterials durch <strong>Biotech</strong>nologie war<br />

nur ein Mittel zum Zweck, wenn auch ein<br />

Alleinstellungsmerkmal. Ziel war es immer,<br />

ein Material- und Produktunternehmen zu<br />

werden. Als wir Ende 2009, ein Jahr nach<br />

Gründung, die ersten Kilogrammmengen<br />

herstellten, wussten wir, dass wir nun auch<br />

parallel mit der Entwicklung erster Anwendungen<br />

beginnen müssen.<br />

Die Weiterentwicklung der Seide<br />

Thomas Scheibels Tierstudie wurde im größeren<br />

Stil wiederholt und brachte ein Proof of<br />

Concept im Jahr 2012. Spinnenseide ist extrem<br />

gut verträglich, nicht immunogen und<br />

verändert Oberflächen von Kunststoffen –<br />

macht sie natürlicher. Kapselfibrose, Kapseldicke<br />

und Entzündung um das Implantat<br />

konnten drastisch reduziert werden und Bindegewebe<br />

erscheint wesentlich normaler.<br />

Das bringt neue Hoffnung für Patientinnen,<br />

die auf Silikonimplantate setzen, und ist für<br />

AMSilk ein großer Markt. Spinnenseide als<br />

Material erlaubt eine breite Strategie. Nicht<br />

eine einzige Eigenschaft, sondern die besondere<br />

und einzigartige Kombination von Eigen-<br />

schaften eröffnete die Chance, breiter zu<br />

planen als für eine klassische Plattformtechnologie.<br />

Als bisher einziger Spinnenseiden-<br />

Materialhersteller können wir vertikal mit<br />

dem Produkt mitwachsen.<br />

Diversifizierte Endkunden<br />

Große Wertsprünge werden in der Innova-<br />

tions- und Expansionsphase gemacht. Wer<br />

sich auf ein einziges Produkt festlegt, kann<br />

diese Phasen nur einmal durchschreiten. Für<br />

AMSilk ergibt sich diese Möglichkeit sowohl<br />

in der Medizintechnik als auch für Hochleistungstextilien<br />

mehrfach. Hierbei achten wir<br />

aber darauf, Basistechnologien und Produktionsprozesse,<br />

die einmal etabliert sind, in<br />

mehreren Produkten zu hebeln. Für den Erfolg<br />

zählt funktionierende Technik, aber auch<br />

die richtige Strategie. Ein Vorteil für AMSilk<br />

ist, dass mehrere Gesellschafter diese Phasen<br />

als Unternehmer schon mindestens einmal<br />

selbst durchlebt haben. Erfahrene Unternehmer<br />

als Gesellschafter – und insbesondere<br />

auch als Investoren – zu haben, zahlt sich<br />

hier aus.<br />

Biosteel<br />

Im März konnten wir Biosteel, die weltweit<br />

erste industriell herstellbare Spinnenseidenfaser,<br />

vorstellen. Die mechanischen Eigenschaften<br />

kommen dem Spinnennetz gleich.<br />

28<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Spinnenseidenfasern sind nicht mit Chemiefasern<br />

zu vergleichen, ihre Eigenschaften<br />

sind anders und neu. Biosteel vereint hohe<br />

Reißfestigkeit mit hoher Dehnbarkeit – wie<br />

in der Natur. Neue Eigenschaften ermög-<br />

lichen nicht nur verbesserte, sondern auch<br />

neue Produkte! Damit ist Biosteel nicht in<br />

einem reinen Verdrängungswettbewerb und<br />

trotzdem ein Game Changer.<br />

Vom Produktentwickler zum<br />

produzierenden Unternehmen<br />

Wir haben von Anfang an darauf gesetzt,<br />

Lizenznehmern schlüsselfertige, voll skalierte<br />

Herstellungsprozesse für Produkte liefern zu<br />

können. Unser Geschäftsmodell sieht vor,<br />

dass Partner für die Produkte und den Materialzugang<br />

einen Systempreis zahlen, der<br />

von der jeweiligen Anwendung abhängt. So<br />

werden Qualität und Preis für verschiedene<br />

Anwendungen sehr unterschiedlich ausfallen.<br />

Dass wir bei bestimmten Produkten auch in<br />

der Entwicklung mit ins Risiko gehen, versteht<br />

sich von selbst. Dafür muss AMSilk<br />

eine ständig Evolution durchlaufen: von der<br />

Bastelstube zum Produktentwickler, zum<br />

produzierenden Unternehmen – innerhalb<br />

von vier Jahren. Unsere Mitarbeiter sind flexibel,<br />

entwickeln sich mit den Projekten und<br />

das Team wird je nach Expertise ergänzt.<br />

Das Management schafft dabei den Raum,<br />

in dem Mitarbeiter Werte schaffen können.<br />

Gut finanziert in die weitere<br />

Diversifizierung des Produktportfolios<br />

Im Februar konnten wir eine dritte Finanzierung<br />

in Höhe von fünf Millionen Euro aufneh-<br />

men. Mit den zusätzlichen Mitteln wird die<br />

Produktion in den Tonnenmaßstab gebracht<br />

und die finale Optimierung der Faser in einer<br />

Pilotanlage umgesetzt werden. Erste Medizinprodukte<br />

werden mit Partnern zur Zulassung<br />

gebracht. AMSilk setzte von Anfang an auf ein<br />

diversifiziertes Produktportfolio, um Risiko zu<br />

streuen. Möglich wurde dies durch die breite<br />

Anwendbarkeit des Materials, aber insbesondere<br />

auch durch die Ressourcen, die zur<br />

Verfügung standen. Signifikante Fördermittel<br />

vom Freistaat Bayern und dem BMBF, exzellente<br />

Kooperationspartner und Dienstleister,<br />

motivierte Mitarbeiter, kompromissloser Fokus<br />

und sicherlich auch ein wenig Glück trugen<br />

dazu bei, diese breite Strategie umsetzen zu<br />

können. Viele Faktoren waren vom Standort<br />

abhängig. Auch hier hatten wir Glück.<br />

www.amsilk.com


Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen<br />

Firmenneugründungen mit<br />

durchdachten Konzepten<br />

Die wesentlichen Erfolgsfaktoren für <strong>Biotech</strong>-<br />

Firmen müssen heute bereits in der Gründungsphase<br />

auf individueller Basis gründlich<br />

geprüft werden. Die allzu optimistische<br />

Gründungswelle in Zeiten der <strong>Biotech</strong>-Blase<br />

ist längst passé. Reichten früher schon vielversprechende<br />

Forschungsergebnisse, um<br />

Investoren von einer Unternehmensgründung<br />

zu überzeugen, heißt heute die Devise:<br />

Durchdenken, und zwar von A bis Z.<br />

Heutzutage müssen nicht nur die wissenschaftlichen<br />

Daten stimmen. Der zukünftige<br />

Markt muss von Anbeginn abgegrenzt und<br />

Wachstumsprognosen in die Planung eingeschlossen<br />

werden. Ab wann wird sich das<br />

Produkt / Projekt von selbst tragen? Welches<br />

Geschäftsmodell wird angestrebt? Herrscht<br />

Patentfestigkeit? Wie wird bis zum Break-<br />

even finanziert? Auch pharma-ökonomische<br />

Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen<br />

werden. Kann das Therapeutikum einer Nutzenbewertung<br />

standhalten?<br />

Belastbare Businesspläne müssen sich auf<br />

einem harten Parkett gegen unzählige andere<br />

gute Forschungsergebnisse durchsetzen<br />

und vor den Augen strenger Juroren standhalten.<br />

Was genau ist die Unique Selling<br />

Position, das Alleinstellungsmerkmal? Generell<br />

gilt es, folgendes gut durchzudenken:<br />

• Solide Überprüfung der Geschäftsidee hinsichtlich<br />

technischer Machbarkeit, Kosten /<br />

Finanzierung, Patentschutz, Marktbedarf /<br />

Marktgröße, Umsatzpotenzial / Marktentwicklung,<br />

Wettbewerb etc.<br />

• Selektive Auswahl der am besten geeigneten<br />

Personen für Management und operative<br />

Schlüsselaufgaben (sowohl die „Entrepreneure“<br />

als auch Fachleute müssen gut gewählt<br />

sein und zusammen passen)<br />

• Professionelle Ausarbeitung des Geschäftsplans<br />

unter besonderer Berück-<br />

sichtigung der o. a. Kriterien und deren<br />

quantitativer Umsetzung in Umsatz- und<br />

Kostenprojektionen<br />

• Frühzeitige Miteinbeziehung von Exit-<br />

Szenarien<br />

Die Gründer müssen Investoren nicht nur mit<br />

der Idee der Unternehmung überzeugen,<br />

sondern auch von sich selbst. Idealerweise<br />

tun sich die jungen Naturwissenschaftler<br />

schon von vornherein mit jungen Wirtschaftswissenschaftlern<br />

zusammen. Mehrere<br />

Universitäten fördern diese Art der Zusammenarbeit<br />

bereits. In verschiedenen Start-<br />

up-Initiativen, wie dem LSI (Life Science<br />

Inkubator) oder dem HTGF (High-Tech<br />

Gründerfonds), wird das zukünftige Gründerteam<br />

analysiert und bestmöglich mit den<br />

fehlenden Kompetenzen ergänzt. Hier kommen<br />

unter Umständen auch Interim-Manager<br />

in Frage (vgl. Artikel von Alrik Koppenhöfer<br />

auf S. 30).<br />

LSI<br />

Der Life Science Inkubator (LSI) am Forschungszentrum<br />

caesar in Bonn stellt ein<br />

neuartiges Modell zur Förderung von Forschungsvorhaben<br />

dar. Der LSI greift dabei<br />

besonders früh in der Entwicklung eines<br />

Unternehmens, nämlich bereits vor der<br />

Gründung. Forschungsprojekte aus Therapie,<br />

Diagnostik, Prävention und Rehabilitation<br />

werden gezielt entwickelt und gefördert.<br />

Ziel ist dabei die Finanzierungs- und / oder<br />

Marktreife. Über einen eigenen Fonds werden<br />

darüber hinaus auch Geldmittel zur<br />

Verfügung gestellt (weitere Informationen<br />

im Artikel von Jörg Fregien auf S. 31).<br />

Auch Forschungsinstitute selbst machen<br />

sich Gedanken darüber, wie man Wissenschaft<br />

am Besten in Wirtschaft überführt.<br />

Ascenion mit Spinnovator<br />

Der Technologietransferpartner der Helmholtz-<br />

und Leibniz-Gemeinschaften – Ascenion –<br />

analysiert Technologiepotenziale und begleitet<br />

diese quasi als Coach und Sparrings-<br />

partner in die Selbstständigkeit. Zudem<br />

wurde mit dem Spinnovator ein neues Förderinstrument<br />

in Zusammenarbeit mit dem<br />

BMBF und weiteren Investoren geschaffen,<br />

welches Start-ups auch finanziell unter<br />

die Arme greift. Das Förderinstrument für<br />

gründungswillige Wissenschaftler wird von<br />

Ascenion in enger Zusammenarbeit mit<br />

dem Risikokapitalgeber Vesalius Biocapital<br />

gemanagt und vom BMBF unterstützt. Projekte,<br />

die für den Spinnovator ausgewählt<br />

werden, erhalten professionelle Unterstüt-<br />

zung der Partner und bis zu 7,4 Millionen<br />

Euro an Finanzmitteln, die in Abhängig-<br />

keit vom Projektfortschritt von Vesalius<br />

Biocapital und dem BMBF bereitgestellt<br />

werden (vgl. Artikel Christian A. Stein auf<br />

S. 33).<br />

Ein neuer Aspekt, der nun mit in die <strong>Biotech</strong>-Gründungsszene<br />

spielt, sind die „alten<br />

Hasen“ der Branche. Mit dem Schatz an eigenen<br />

Erfahrungen versuchen sie nun jungen<br />

Wissenschaftlern mit Rat, Tat und Finanzmitteln<br />

zur Seite zu stehen. Auch, weil ihnen<br />

die Branche am Herzen liegt und sie nach<br />

wie vor etwas bewegen wollen, engagieren<br />

sich Größen wie Karsten Henco und Rainer<br />

Christine nun auf der anderen Seite. Sie<br />

versuchen die Spreu vom Weizen zu trennen<br />

und können mit ihrem Erfahrungshintergrund<br />

einschätzen, welches Team mit welcher Idee<br />

in welchem Markt bestehen kann; wer Potenzial<br />

hat, auch in schwierigen Zeiten das Projekt<br />

„eigenes Unternehmen“ zu stemmen.<br />

Nach erfolgreichen Firmengründungen und<br />

-verkäufen – Henco mit Qiagen, Christine<br />

mit amaxa – unterstützten sie die <strong>Biotech</strong>-<br />

Branche zunächst als Business Angel. Heute<br />

sind sie beide mit einem eigenen Fonds aktiv.<br />

HS Life Sciences<br />

Henco und Kollegen pushen seit 2008 Life-<br />

Science-Sprösslinge nicht nur finanziell über<br />

den QureInvest II Fonds (insgesamt 70<br />

Mio. €), sondern auch in Bezug auf Firmenentwicklung<br />

und Management. Bis jetzt ist<br />

das Portfolio schon auf über sieben deutsche<br />

und schweizerische Neugründungen im<br />

Bereich <strong>Biotech</strong> und Medizintechnik angewachsen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 29


Interim-Management: Mit Erfahrung starten<br />

Dr. Alrik Koppenhöfer,<br />

LSCN Ltd., Heidelberg<br />

Interim-Management als Alternative<br />

In einer Zeit knapper finanzieller Mittel für<br />

<strong>Biotech</strong>-Start-ups und schwieriger Anschluss-<br />

finanzierungen sind Unternehmensgründer<br />

und Management besonders gefordert: Es<br />

gilt, effektive und kosteneffiziente Lösungen<br />

für zentrale Aufgabenbereiche des Unternehmens<br />

zu finden. Interim-Manager und<br />

Coaches bieten hier Vorsprung durch Wissen,<br />

Erfahrung und Netzwerke. Als Macher<br />

werden sie verstärkt nachgefragt, um Unternehmen<br />

nicht nur strategisch, sondern auch<br />

operativ kompetent zu unterstützen. Die<br />

Pharma-Industrie arbeitet seit Jahren mit<br />

hochqualifizierten Interim-Managern. In der<br />

deutschen <strong>Biotech</strong>nologie ist eine zögerlich<br />

wachsende Nachfrage zu beobachten. Die<br />

Einbindung von Interim-Managern bietet dabei<br />

gerade Unternehmensgründern und<br />

KMU handfeste Vorteile:<br />

• Produktorientierte Beurteilung von<br />

Innovationen<br />

• Unvoreingenommener Vergleich vom<br />

Stand der Technik und von Mitbewerbern<br />

• Objektive Beurteilung der Marktchancen<br />

und Markteintrittsbarrieren<br />

• Direkter Netzwerkzugang zu Kunden und<br />

Entscheidungsträgern<br />

Beratung bei Neugründungen<br />

Wie und wo externe Unterstützung des Managements<br />

von Vorteil ist, interessiert zunehmend<br />

auch Investoren. Deutschlands<br />

wichtigster Seed-Finanzierer, der High-Tech<br />

Gründerfonds (HTGF), bietet bereits vor<br />

seiner Beteiligung finanzielle Anreize, um<br />

Coaches mit operativer Industrieerfahrung<br />

in Neugründungen zu verankern. Darüber<br />

hinaus bezuschussen auch regionale Fördergesellschaften<br />

und Institutionen die enge<br />

Einbindung von erfahrenen Beratern bei<br />

Neugründungen. Mit „Helmholtz Enterprise“<br />

wurde ein Programm geschaffen, das potenzielle<br />

Gründer befähigt, ihr Vorhaben mit<br />

Hilfe externer Unterstützung erfolgreich am<br />

Markt zu positionieren.<br />

Beratung in der frühen<br />

Unternehmensphase<br />

Kompetente Unterstützung kann auch kurzfristig<br />

durch externe Experten realisiert werden,<br />

die z. B. in der Gründungsphase selbst<br />

als Interim-Geschäftsführer eingebunden<br />

werden. So wird das Know-how der zumeist<br />

technisch-wissenschaftlich orientierten<br />

Gründer in Bezug auf Corporate und Busi-<br />

ness Development ergänzt, insbesondere<br />

unter marktstrategischen und finanziellen<br />

Aspekten. In dieser Rolle nutzen Experten<br />

ihre Erfahrung, um gangbare Strategien zu<br />

erarbeiten, Unternehmen mitzuführen,<br />

Gründer zu managen und gegebenenfalls<br />

durch weitere Expertisen zu verstärken.<br />

Dazu zählt auch, die nötigen Ressourcen zu<br />

beziffern und einzuwerben. Typische Aufgaben<br />

sind:<br />

• Businessplan-Erstellung<br />

• Erarbeitung von Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien<br />

• Operative Geschäfts- und Finanzplanung<br />

• Business Development und Produkt-<br />

management<br />

• Ansprache von potenziellen Erstkunden,<br />

strategischen Partnern und Investoren<br />

Weitere praktische Hilfen sind die Einbin-<br />

dung von erfahrenen, externen Dienst-<br />

leistern wie Patentanwälten, Anwälten im<br />

Gesellschafts- und Handelsrecht, Steuer-<br />

beratern, Webdesignern, etc.<br />

Interaktion zwischen<br />

Interim-Manager und Start-up<br />

Die externe Managementunterstützung<br />

sollte sich auf die Erstellung eines belast-<br />

baren Investment Cases und die Entwick-<br />

lung eines marktfähigen Produktes fokus-<br />

30 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

sieren und einen Überblick über alle anste-<br />

henden Aufgaben und ihre Prioritäten liefern.<br />

Dabei müssen die Erwartungen und<br />

Verantwortlichkeiten der Erfinder, Gründer<br />

und der übrigen Interessenvertreter in Übereinstimmung<br />

gebracht werden. Entscheidende<br />

Voraussetzung, um ein Unternehmen<br />

erfolgreich zu platzieren, sind Vertrauen,<br />

Verständnis und Einvernehmen zwischen<br />

dem Interim-Manager, den Gründern und<br />

allen anderen Interessenvertretern. Ist die<br />

geplante Unternehmung nicht in der Lage,<br />

die gewünschten Investitionen oder Kunden<br />

zu akquirieren, sollte der Interim-Manager<br />

dem Gründungsteam darlegen, wie die Geschäftsidee<br />

verbessert werden kann. Dabei<br />

helfen die Erfahrung und der Abstand des<br />

Interim-Managers, ggf. auch ein nötiges<br />

„Nein“ oder sogar den Abbruch der Aktivitäten<br />

zu vertreten.<br />

Finanzielle Anreize<br />

Für Gründer und Investoren bieten Interim-<br />

Management-Lösungen zudem auch entscheidende<br />

finanzielle Vorteile:<br />

• Transparent bemessene und vergütete<br />

Leistungen<br />

• Keine weiteren Arbeitgeberkosten<br />

(Urlaub, Krankheit, Sozialkassen usw.)<br />

• Teilhabe am Erfolg des Unternehmens ist<br />

verhandelbar<br />

• Flexible Gestaltung durch zeitliche oder<br />

projektbedingte Befristung<br />

• Vermeidung von kritischen Liquiditäts-<br />

engpässen, da Rekrutierung von Interim-<br />

Managern nach Bedarf<br />

LSCN<br />

Als Beratungsgesellschaft für Geschäfts-<br />

entwicklung und Interim-Management hat<br />

LSCN Ltd. durch seine Partner viele Referenzen<br />

in Start-ups und bei etablierten <strong>Biotech</strong>-Firmen.<br />

Es gibt Erfahrungen als akkreditierter<br />

„HTGF Coach“, als „bwcon Coach“<br />

und als Interim-Manager im Rahmen von<br />

„Helmholtz Enterprise“. Außerdem bietet<br />

der LSCN Partner Talentmark Ltd. eine<br />

internationale Vermittlung von Interim-<br />

Managern. Dieses Angebot wird besonders<br />

in Großbritannien und den USA, aber auch<br />

verstärkt in Deutschland und im übrigen<br />

Europa nachgefragt.<br />

www.lscn.eu


Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups<br />

Dr. Jörg Fregien,<br />

Geschäftsführer Life Science Inkubator,<br />

Bonn<br />

Viele Ideen, begrenztes Kapital<br />

Unternehmensgründungen in den Life<br />

Sciences sind zu einem schweißtreibenden<br />

Unterfangen geworden. Selbst bei bester<br />

Vorbereitung ist es schwer, das nötige Kapital<br />

zu finden, um eine wissenschaftliche Entdeckung<br />

oder eine Technologie in ein markt-<br />

fähiges Produkt weiter zu entwickeln. Dabei<br />

standen noch vor zehn Jahren den gründungswilligen<br />

Wissenschaftlern alle Türen<br />

offen, solange sie nur auf vielversprechende<br />

Forschungsergebnisse verweisen konnten.<br />

Heute dagegen herrscht ein harter Wettbewerb.<br />

Gute Gründungsideen gibt es viele, aller-<br />

dings sind die Investoren wie auch industrielle<br />

Partner zurückhaltender. Sie wollen ihr<br />

Anlagerisiko klein halten und stellen darum<br />

deutlich höhere Ansprüche an potenzielle<br />

Start-ups. Geht es nach ihnen, dann ist die<br />

Idee möglichst schon zu einem marktreifen<br />

Produkt gediehen und das Unternehmenskonzept<br />

dazu bereits bestens ausgearbeitet.<br />

Erfolg aus einem ganzheitlichen<br />

Gründungskonzept<br />

Nun sind Wissenschaftler oft nicht mit dem<br />

unternehmerischen Rüstzeug ausgestattet,<br />

welches für eine Gründung nötig ist. Um erfolgreich<br />

zu sein, können sie sich nicht allein<br />

auf die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen<br />

verlassen. Vielmehr braucht es<br />

einen unternehmerischen und ganzheitlichen<br />

Ansatz – das Produkt muss am Markt auch<br />

konkurrenzfähig, die Patente tragfähig sein.<br />

Ebenso wichtig ist die Teambildung, denn in<br />

einem gewinnorientierten Unternehmen gestalten<br />

sich Zusammenarbeit und Zielsetzun-<br />

gen anders als in der Wissenschaft. Forschungsleiter,<br />

die zuvor regelmäßig und mit<br />

Begeisterung im Labor standen, müssen als<br />

Geschäftsführer diese Tätigkeiten oft an Mitarbeiter<br />

delegieren – was gar nicht so leicht<br />

fällt.<br />

Exzellente Forschung marktreif machen<br />

Dieser ganzheitliche Ansatz ist die Arbeitsgrundlage<br />

des Bonner Life Science Inkubators<br />

(LSI). Wissenschaftler aus den verschiedenen<br />

Bereichen der Medizinforschung<br />

finden hier die Zeit und die Ausstattung, ihr<br />

Forschungsprojekt zu einem Produkt weiterzuentwickeln.<br />

Im Aufnahmeverfahren werden<br />

alle Projekte ausführlich nach den Kriterien<br />

Qualität des Forschungskonzepts, Markt-<br />

fähigkeit, Belastbarkeit der Patente und Team-<br />

entwicklung begutachtet. Wichtig ist natürlich<br />

auch der herausragende wissenschaft-<br />

liche Ansatz. Daraus muss sich jedoch ein<br />

kommerzielles Geschäftsmodell entwickeln<br />

lassen, denn sonst macht eine Ausgründung<br />

keinen Sinn. Was darüber hinaus an Knowhow<br />

benötigt wird, lässt sich lernen. Entsprechend<br />

erhalten die Wissenschaftler am<br />

LSI ein intensives, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes<br />

Coaching. Die Arbeit am Bonner<br />

Inkubator wird durch das Bundesforschungsministerium<br />

und das nordrhein-west-<br />

fälische Wissenschaftsministerium mit bis zu<br />

zwei Millionen Euro pro Jahr gefördert. Zum<br />

Inkubator gehört außerdem ein Fonds, der<br />

nach erfolgreicher Inkubation dem Start-up<br />

eine Anschlussfinanzierung gewährt. Dieser<br />

Fonds wird finanziert durch die NRW.Bank,<br />

die Sparkasse Köln-Bonn, private Investoren<br />

sowie die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraun-<br />

hofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft<br />

und das Forschungszentrum caesar.<br />

Ausweitung und Regionalisierung<br />

der Inkubatoridee<br />

Insgesamt wurden im LSI bis jetzt neun Projekte<br />

aufgenommen, vier davon sind 2012<br />

in der Transferphase angekommen. Aktuell<br />

wurden bereits zwei Unternehmen gegründet,<br />

ein weiteres befindet sich kurz davor.<br />

Die Epivios GmbH wurde im Juli 2012 etabliert<br />

und ist ein Kooperationsprojekt der LSI<br />

Pre-Seed-Fonds GmbH, des High-Tech Gründerfonds<br />

(HTGF) und privater Investoren.<br />

Epivios entwickelt ein Verfahren für die Früherkennung<br />

von Krebserkrankungen über<br />

den Ansatz epigenetischer Veränderung von<br />

Zellen – ein frühes Ereignis der Krebs-entstehung.<br />

Die BOMEDUS GmbH ist ebenfalls<br />

eine Kooperationsgründung mit dem HTGF.<br />

Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung<br />

von neuen Behandlungsmethoden zur<br />

Akuttherapie von Schmerzen unter Nutzung<br />

modernster Technologien und gezielter Beeinflussung<br />

der „neuronalen Plastizität“. Die<br />

VLP-Gruppe, seit 2009 am LSI, ist in der<br />

Transferphase angekommen. VLP hat während<br />

der Inkubation eine „Medikamentenfähre“<br />

entwickelt, die Wirkstoffe von der Blut-<br />

bahn gezielt ins Gehirn transportieren kann.<br />

Dadurch kann die Blut-Hirn-Schranke überwunden<br />

werden, was die Möglichkeit eröffnet,<br />

Hirntumore oder MS direkt mit Medikamenten<br />

zu behandeln. Und: das Modell des LSI<br />

macht Schule. In Dresden ist ein regionaler<br />

Life Science Inkubator entstanden, und<br />

in Göttingen wird ein Inkubator mit dem<br />

Technologieschwerpunkt Photonik aufgebaut.<br />

Forschungsrisiko durch gute Businesskonzepte<br />

ausgleichen<br />

Mit seinem Schwerpunkt auf der Entwick-<br />

lung tragfähiger Konzepte platziert sich der<br />

LSI zusammen mit der Gründungsoffensive<br />

GO-Bio in Bezug auf die Unternehmensphase<br />

vor dem Förderinstrument „High-Tech Gründerfonds“.<br />

GO-Bio und LSI arbeiten dabei<br />

synergistisch und zielorientiert. In Zukunft<br />

wird der LSI diesen Transfer noch besser<br />

durch ein Inkubatornetzwerk mit unterschied-<br />

lichen Technologien und Standorten begleiten,<br />

damit die in Deutschland herausragende<br />

Grundlagenforschung nicht mehr im Ausland<br />

weiterentwickelt und zu kommerziellem<br />

Erfolg gebracht werden muss.<br />

Mut zum Transfer, aber mit<br />

durchdachten Konzepten<br />

Alle Förder- und Finanzierungsinstrumente<br />

sind für die <strong>Biotech</strong>-Branche unverzichtbar,<br />

gewährleisten sie doch den Transfer von der<br />

Wissenschaft zu marktfähigen Produkten und<br />

Technologien. Um in den Hochtechnologien<br />

in der Spitzengruppe zu verbleiben, erfordert<br />

allerdings noch mehr Mut bei der Umsetzung<br />

von innovativen Ideen. Dass Forschung stets<br />

auch ergebnisoffen und nicht immer von Erfolg<br />

gekrönt ist, lässt sich durchaus aushalten,<br />

wenn man, wie der LSI, darüber hinaus auf<br />

solide unternehmerische Konzepte setzt.<br />

www.life-science-inkubator.dee<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

31


science to market Venture Capital<br />

Gegründet von Christine und ehemaligen<br />

amaxa-Kollegen möchte der Fonds mit einer<br />

Zielgröße von 100 Millionen Euro Unternehmen<br />

aus dem Life-Science-Bereich in ganz<br />

Europa Risikokapital zur Verfügung stellen.<br />

Auch hier wird dem Gründerteam Managementerfahrung<br />

zur Seite gestellt und sich<br />

aktiv und strategisch mit der Unternehmensentwicklung<br />

beschäftigt.<br />

Perspektive<br />

Weitere Projekte sind in Planung. So feilt<br />

Peter Heinrich, Vorstand der BIO Deutschland,<br />

an einem Coaching-Unternehmen,<br />

Sinfonie Life Science Management; man darf<br />

auf die Resultate gespannt sein. Prof. Carsten<br />

Claussen, ehemals CEO von Evotec Technologies,<br />

heute CEO des European Screening-<br />

Ports, initiierte die Gründung der Volkspark-<br />

Labs in Hamburg. Zusammen mit Privat-<br />

investoren stellt er <strong>Biotech</strong>-Start-ups die<br />

32 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Infrastruktur und das Netzwerk von erfolgreichen<br />

Life-Science-Unternehmen zur<br />

Verfügung und betreut die Neulinge in dem<br />

ehemaligen Gebäude von Evotec über die<br />

ganze Bandbreite der Unternehmensentwick-<br />

lung hinweg mit (siehe Artikel auf S. 34).<br />

Qualität statt Quantität<br />

An der Statistik der Unternehmensneugründungen<br />

sieht man deutlich, dass heutzutage<br />

weniger gegründet wird als zu Zeiten, in<br />

denen die VC-Töpfe voll waren und alles mög-<br />

lich schien. Von den 66 Firmen, die 2000<br />

frisch in der Branche aufschlugen, existieren<br />

heute noch 33 – elf Prozent haben im Zuge<br />

von M&As den Besitzer gewechselt und<br />

33 Prozent haben ihre Geschäftstätigkeit bereits<br />

wieder eingestellt. Nach 2001 sinkt die<br />

Zahl der Start-ups deutlich und die Zeit wird<br />

zeigen, ob die momentanen Ansätze zum<br />

durchdachten Gründen nachhaltig sind und<br />

in Zukunft zu erfolgreicheren Firmen führen.<br />

Nichtsdestotrotz, nur wer sich gegen Widerstände<br />

durchsetzt, wird erfolgreich bestehen.<br />

Auch wenn sich keine der aktuell agierenden<br />

Start-up-Förderer für die eigene Idee begeis-<br />

tern lässt, sollten sich junge Gründer nicht<br />

einschüchtern und von eventuellen Risiken<br />

abschrecken lassen.<br />

Deutschland benötigt Innovation mehr denn<br />

je und die Visionäre der Branche haben dies<br />

bereits verstanden und arbeiten an Initiativen<br />

zur Unterstützung. Doch es braucht auch<br />

Gründer, die mit Feuer und Flamme bereit<br />

sind, ihre Idee umzusetzen – auch wenn<br />

etliche Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg<br />

liegen bzw. ein Scheitern nicht ausgeschlossen<br />

werden kann. Um es mit den Worten<br />

eines der wohl berühmtesten Firmengründer,<br />

Steve Jobs, zu sagen: Stay hungry, stay<br />

foolish.


Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion<br />

Christian A. Stein,<br />

CEO Ascenion GmbH, München<br />

Neue Aufgaben für den Technologietransfer<br />

Der Wissenschafts- und Technologietransfer<br />

im akademischen Raum hat sich in den vergangenen<br />

zehn Jahren erheblich gewandelt.<br />

Bis 2000 genügte es im Allgemeinen, Erfindungen<br />

zu scouten, schutzrechtlich abzusichern<br />

und mit der Industrie zu verpartnern –<br />

sei es durch Kooperation, Lizenzierung oder<br />

Optionierung. Zunächst vereinzelt, später<br />

immer häufiger, wurden auch Spin-offs begleitet<br />

und zusehends setzte man sich im Technologietransfer<br />

mit dem Thema Beteiligung<br />

auseinander. Inzwischen werden Hochschulen<br />

und Forschungseinrichtungen ermutigt,<br />

selbst Unternehmensbeteiligungen an Spinoffs<br />

zu nehmen und zu managen, obwohl das<br />

für das Beteiligungsmanagement erforderliche<br />

Know-how und die damit verbundenen<br />

wirtschaftlichen Risiken erheblich sind. Ob<br />

mit Investitionen in wagniskapitalfinanzierte<br />

Spin-offs und mit der Durchführung von Beteiligungsmanagement<br />

Ressourcen im akademischen<br />

Bereich richtig eingesetzt sind, darf<br />

hinterfragt werden. Eine sinnvolle Alternative<br />

ist die Auslagerung dieser Aktivitäten in<br />

Stiftungen und ihre vermögensverwaltenden<br />

Einheiten, welche in Deutschland noch immer<br />

zu wenig genutzt wird.<br />

Seed-Fonds für frühe Projekte?<br />

Eine kritische Tatsache bleibt, dass mindes-<br />

tens zwei Drittel aller patentierten Erfindungen<br />

zu weit von der Anwendung entfernt<br />

sind, um einen Partner in der Industrie zu<br />

finden oder in Spin-offs ausgegründet zu<br />

werden. Die Hoffnung, dass Risikokapitalgeber<br />

diese Lücke durch spezielle Seed-Fonds<br />

füllen würden, hat sich in mehr als einem<br />

Jahrzehnt nicht erfüllt. Spätestens die<br />

Kauffman-Studie 2012 „We have met the<br />

enemy… and he is us“ hat uns diesbezüglich<br />

letzter Illusionen beraubt. Mit den bisherigen<br />

Strukturen und Mechanismen im Fonds-Geschäft<br />

sind frühe Entwicklungen akademischer<br />

Projekte, ganz besonders im Therapie- und<br />

Diagnostikbereich, kaum rentabel darstellbar.<br />

Das liegt an dem extrem ungünstigen Risikoprofil<br />

der Projekte, mit denen wir arbeiten. Im<br />

Therapiesegment liegen die Erfolgschancen<br />

im sehr niedrigen einstelligen Bereich. Das<br />

Zauberwort für die Partnerfindung heißt<br />

daher: De-risking. Wir müssen akzeptieren,<br />

dass Lizenznehmer und Investoren ein tragbares<br />

Risikoprofil benötigen, um in die Projektentwicklung<br />

einzusteigen. Ascenion und<br />

viele andere Akteure im Technologietransfer<br />

haben deshalb Instrumente entwickelt, mit<br />

denen man das Risiko teilen oder reduzieren<br />

kann, um das Potenzial früher Projekte besser<br />

zu entfalten.<br />

De-risking-Initiativen<br />

Ascenion verfügt heute über eine eigene<br />

Spin-off- und Equity-Abteilung, aus der wir<br />

Gründer und ihre Projekte Schritt für Schritt<br />

unterstützen, praktisch und strategisch.<br />

Gemeinsam erstellen wir Entwicklungspläne,<br />

kalkulieren Kosten, finden Drittmittel, Soft<br />

Money und andere Finanzierungsmöglichkeiten<br />

und vermitteln geeignete Partner.<br />

Dabei kooperieren wir mit dem Life Science<br />

Inkubator (LSI), dem Lead Discovery Center<br />

(LDC GmbH), der Vakzine Projekt Management<br />

(VPM GmbH) und vielen anderen, um<br />

die Klippen in der präklinischen Entwicklung<br />

besser und günstiger zu umschiffen.<br />

Spinnovator: Life Science into Business<br />

Mit dem „Spinnovator“ haben wir außerdem<br />

ein intelligentes Instrument geschaffen, das<br />

erstmals in Deutschland öffentliche Fördermittel<br />

mit privatem Risikokapital und spezifischer<br />

Expertise kombiniert, um frühe Projekte<br />

aus den Bereichen Therapie, Diagnostik,<br />

Ernährung und Medizintechnik über Startups<br />

zu entwickeln und zu finanzieren. Das<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) und Vesalius Biocapital Partners<br />

haben die Initiative mit auf den Weg gebracht.<br />

Zahlreiche Investoren sind inzwischen als Partner<br />

dazu gestoßen (BioGeneration Ventures,<br />

Creathor Venture, Forbion Capital Partners,<br />

Peppermint VenturePartners und TVM<br />

Capital). Unsere 22 Partnerinstitute der<br />

Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft und<br />

medizinischen Hochschulen können damit<br />

frühe Projekte effizienter und mit höherer<br />

Wertschöpfung voranbringen, und Risiko-<br />

kapitalgeber können bei reduziertem Risiko<br />

einsteigen. Solche Initiativen ergänzen bewährte<br />

Instrumente wie das exzellente Förderprogramm<br />

GO-Bio und den High-Tech<br />

Gründerfonds (HTGF), der heute ohne Zweifel<br />

der wichtigste Risikokapitalgeber im frühphasigen<br />

Hochtechnologiebereich ist. Ganz<br />

Europa beneidet uns um solche Instrumente.<br />

Bleibende Herausforderung<br />

Doch all dies reicht nicht aus, wenn wir die<br />

zwei Drittel ungenutzter „Schätze“ heben<br />

wollen, die in akademischen Schutzrechts-<br />

portfolios schlummern. Nicht jedes Projekt<br />

wird halten, was es verspricht. Aber auch<br />

das muss Aufgabe neuer Validierungsinstrumente<br />

sein: herauszufinden, was funktioniert<br />

und was nicht. Dabei ist es wichtig, rigide<br />

Abbruchkriterien und Meilensteine zu implementieren,<br />

um Ressourcen nicht unnötig zu<br />

vergeuden. Einige sehr erfolgreiche Ansätze<br />

hierzu gibt es seit geraumer Zeit im Forschungsförderungs-<br />

und im Wagniskapital-<br />

Segment. Gemeinsam mit unseren Partnern<br />

im Technologietransfer, in der Forschung,<br />

Industrie, Politik und Investmentbranche<br />

arbeiten wir intensiv daran, unser Wissen<br />

und unsere Erfahrung zusammenzuführen,<br />

um den Technologietransfer zu unser aller<br />

Nutzen weiter zu verbessern. Noch sind wir<br />

weit davon entfernt, auch nur die Hälfte<br />

aller „Schätze“ ans Licht zu bringen. Dies<br />

ist unser nächster Meilenstein.<br />

www.ascenion.de<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

33


VolksparkLabs – Eine Privatinitiative<br />

zur Förderung von Life Science<br />

Prof. Dr. Carsten Claussen,<br />

Initiator der VolksparkLabs,<br />

CEO European ScreeningPort GmbH,<br />

Hamburg<br />

Raum für Gründer und Forscher abseits<br />

der üblichen Modelle<br />

Im Hamburger Westen werden im Herbst<br />

<strong>2013</strong> die VolksparkLabs eröffnet. Sind diese<br />

ein weiteres Technologie- und Gründerzentrum<br />

für Norddeutschland? Eher nicht. Es<br />

handelt sich vielmehr um eine Privatinitiative,<br />

die Raum und laufenden Betrieb für Gründer<br />

und Forscher anbietet, damit diese inhaltlich<br />

in ihrer Firmenentwicklung begleitet werden.<br />

Die direkte Interaktion der Mieter ist das<br />

angestrebte Erfolgskriterium.<br />

Hamburg hat Potenzial, ist aber noch<br />

lange kein Leuchtturm<br />

Hamburg ist nicht unbedingt als Hochburg<br />

der Wissenschaft bekannt. Die großen Ex-<br />

zellenzwellen der vergangenen Jahre sind<br />

an der Stadt vorbeigerollt. Auch die angewandte<br />

Forschung und die Interaktion zwischen<br />

den Universitäten und der Industrie<br />

sind in Hamburg nicht vergleichbar ausgeprägt<br />

wie an anderen Standorten. Wie sagte<br />

doch ein alt eingesessener Hamburger Unternehmenslenker,<br />

als ihm eine Beteiligung<br />

an einem <strong>Biotech</strong>-Start-up vorgeschlagen<br />

wurde: „uns gibt es in fünfter Generation und<br />

wir haben bisher noch nie ein Forschungs-<br />

projekt gebraucht“. Nichtsdestotrotz, die<br />

Life Science Community ist lebendig und es<br />

gibt einige herausragende industrielle und<br />

wissenschaftliche Player an der Elbe. Auch<br />

befindet sich die private Initiative in der<br />

Stiftungshauptstadt Deutschlands in guter<br />

Hamburger Tradition. Firmen wie Evotec AG,<br />

Indivumed GmbH oder Cell Culture Service<br />

GmbH konnten mit privaten Hamburger<br />

Investoren ihre Gründungen durchziehen.<br />

Vorbilder: Zuliefererparks der Automobil-<br />

branche und Medienbunker in St. Pauli<br />

Als Blaupause für die VolksparkLabs haben<br />

sich die Initiatoren nicht an den <strong>Biotech</strong>-<br />

Gründerzentren der Republik orientiert,<br />

sondern an den Zuliefererparks der Automobilbranche,<br />

und dieses Konzept auf die<br />

Anforderungen der Life Sciences skaliert.<br />

Mit dem Medienbunker hat der Hauptinves-<br />

tor bereits eine komplizierte Immobilie –<br />

einen denkmalgeschützten Hochbunker mit<br />

16.000 m 2 im Stadtteil St. Pauli – so ent-<br />

wickelt, dass dort ein mehr als lebendiger<br />

Betrieb stattfindet, der in den letzten Jahren<br />

eine Vollvermietung mit ca. 30 verschiedenen<br />

Mietern vorweisen kann – auch ein Modell.<br />

12.000 m2 Innovationscampus in den<br />

ehemaligen Hallen Evotecs<br />

Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept<br />

für die VolksparkLabs entwickelt. Die Chance,<br />

eine etablierte und funktionsfähige Laborinfrastruktur<br />

zu nutzen, ergab sich durch<br />

Evotecs mutige unternehmerische Entscheidung,<br />

den mehr als beeindruckenden Manfred<br />

Eigen Campus zu entwickeln – das ehemalige<br />

Eli-Lilly-Forschungszentrum. Dieser<br />

Schritt ist auch ein Indikator für den Wandel<br />

der Wertschöpfungsketten in der Medikamentenentwicklung<br />

zwischen Pharma und<br />

<strong>Biotech</strong>. Am ehemaligen Standort von Evotec<br />

stand somit eine etwas in die Jahre gekommene<br />

Immobilie zur Verfügung. Mit einem<br />

millionenschweren, privat finanzierten Innovationsprogramm<br />

wird ein moderner Campus<br />

mit 12.000 m 2 geschaffen, der im Herbst<br />

<strong>2013</strong> vollständig bezugsfertig sein wird. Der<br />

Campus wird sich weniger durch spektakuläre<br />

Architektur auszeichnen, sondern eher<br />

durch intelligentes Bauen im Bestand. Gegenüber<br />

Gründerzentren mit eindrucksvollen<br />

Foyers, Konferenzebenen und Kindertages-<br />

stätte ist die Nachbarschaft das wichtige<br />

Merkmal.<br />

In guter Nachbarschaft mit PerkinElmer<br />

und dem ESP<br />

Das Konzept wurde maßgeblich von den beiden<br />

Firmen PerkinElmer Inc. und European<br />

ScreeningPort GmbH erarbeitet und beide<br />

haben sich langfristig für diesen Standort<br />

34 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

entschieden, womit schon drei Viertel der<br />

Kapazität ausgelastet sein wird. PerkinElmer<br />

Inc. wird sein europäisches R&D-Zentrum<br />

sowie seinen Geschäftsbereich Automatisierung<br />

in den VolksparkLabs ansiedeln. Der<br />

European ScreeningPort hat seine neuen<br />

Labore in den VolksparkLabs bereits bezogen.<br />

Aus den Geschäftstätigkeiten dieser Anker-<br />

mieter ergeben sich die naheliegenden Felder<br />

der Gründungsfirmen: Instrumente, Tools,<br />

Assays und Informatik für den Forschungsmarkt.<br />

Attraktivität der VolksparkLabs:<br />

Infrastruktur und Networking<br />

Bereits heute werden ca. zehn Unternehmen<br />

und Gründungsteams betreut, wobei die<br />

Spannweite der Betreuung von Business-<br />

plan-Coaching und Organisation von Road-<br />

shows zur Investorensuche über die Unterstützung<br />

im Labor mit Applikationen und<br />

Proof-of-Concept-Studien bis hin zum Vertrieb<br />

und sogar Aufträgen reicht. Was macht die<br />

VolksparkLabs für die Gründer attraktiv?<br />

Natürlich die vernünftige Infrastruktur, so<br />

dass sich die Gründer auf die Umsetzung<br />

ihres Geschäftsplans konzentrieren können<br />

und nicht durch den Aufbau der Infrastruktur<br />

abgelenkt werden. Die Ratschläge, der<br />

Austausch mit den Mitarbeitern der anderen<br />

Mieter und die aktive Einbindung in die Besucherströme<br />

im Haus werden als befruch-<br />

tend und als aktives, nachhaltiges Networking<br />

angesehen. Nicht zuletzt soll die Nähe zur<br />

industriellen Wirklichkeit die Gründer sehr<br />

früh auf die Anwendung und die Darstellung<br />

des Kundennutzens fokussieren. Ein ganz<br />

praktisches Beispiel ist die Vorfinanzierung<br />

von Förderbescheiden, die von der DKB<br />

Bank in den VolksparkLabs angeboten wird.<br />

Fahrt aufnehmen<br />

Die Ansiedlung einer Fraunhofer-Einrichtung<br />

für Screening und Drug Discovery, die im<br />

Sommer <strong>2013</strong> ihren Betrieb aufnehmen soll,<br />

ist ein weiterer Schritt, die VolksparkLabs zu<br />

einem Anwendungszentrum zu entwickeln.<br />

Es besteht daher Hoffnung, dass das geflügelte<br />

Wort von fürsorglichen Hamburger<br />

Vätern Vergangenheit ist: „wer zu dumm<br />

zum Kaffeehandel ist, wird Wissenschaftler“.<br />

www.screeningport.com


Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter<br />

Neue Ansätze für komplexe<br />

Herausforderungen<br />

Im letztjährigen globalen <strong>Biotech</strong>-<strong>Report</strong><br />

„Beyond borders 2012“ war erstmals das<br />

Thema der „präkompetitiven Kollaboratio-<br />

nen“ angesprochen worden. Die zunehmende<br />

Komplexität der medizinischen Fragestellungen<br />

in Bezug auf Krankheitsursachen<br />

und Behandlungsansätze einerseits, andererseits<br />

aber auch die immensen Kosten der<br />

medizinischen Forschung haben ein Konzept –<br />

HOLnets = Holistic Open Learning Networks –<br />

zur Diskussion gestellt, nach dem alle be-<br />

teiligten Parteien – Akademie, <strong>Biotech</strong>,<br />

Pharma, und Ärzte – ihre Kräfte bündeln,<br />

um gemeinsam die Komplexität eines Themas<br />

zu bewältigen. So werden inbesondere<br />

Unternehmen, die üblicherweise Wettbewerber<br />

sind, zu Team-Playern – ein Szenario,<br />

das sowohl gravierende Vorteile aber auch<br />

Einschränkungen mit sich bringt.<br />

Einzelbeispiele belegen dieses Konzept, auch<br />

wenn die Grenze zwischen „prä-“kompetitiv<br />

und „non-“kompetitiv schwierig zu ziehen ist.<br />

Beispielsweise sind Initiativen von Pharma-<br />

Unternehmen hinsichtlich einer gemeinsamen<br />

Qualifizierung von klinischen Zentren sehr<br />

hilfreich und effizient; ebenso die gemeinsame<br />

Entwicklung von Technologien für die<br />

Therapeutikaentwicklung. Für Durchbrüche<br />

aus präkompetitiver Zusammenarbeit, die<br />

insbesondere auch die Innovationskraft von<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen mit einbeziehen,<br />

scheint die Zeit in der Tat noch nicht reif.<br />

Insofern schweift der Blick inzwischen mehr<br />

in Richtung von Kollaborationen zwischen<br />

Akademie und kommerziellen Partnern, die<br />

vielfach durch Förderinitiativen unterstützt<br />

werden, wie z. B. durch die Programme der<br />

Innovative Medicines Initiative (IMI), einer<br />

öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen<br />

der Europäischen Union und der European<br />

Federation of Pharmaceutical Industries and<br />

Associations (EFPIA). Beispiele für IMI-Projekte,<br />

an denen sich neben Pharma-Wettbewerbern<br />

und akademischen Institutionen<br />

auch deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen beteiligen,<br />

sind die folgenden:<br />

• OncoTrack: Ziel ist die effizientere Entwicklung<br />

von Biomarkern der nächsten<br />

Generation (Alacris Theranostics, Berlin).<br />

• PreDiCT: Die Entwicklung von neuen<br />

Modellen für die präklinische Target-<br />

Bewertung soll eine bessere Vorhersage<br />

der Wirksamkeit gegen solide Tumore<br />

ermöglichen (Oncotest, Freiburg).<br />

• RAPP-ID: Das Projekt hat das Ziel,<br />

schnellere Point-of-Care-Tests für die<br />

Diagnose von Infektionen zu entwickeln<br />

(LIONEX, Braunschweig).<br />

In unserer globalen Umfrage wurden die<br />

Teilnehmer zu ihrer Meinung zu diesem<br />

Thema befragt. Immerhin zeigte sich dabei,<br />

dass das Thema der präkompetitiven Allian-<br />

zen insgesamt durchaus positiv belegt ist.<br />

In Europa – diese Angaben sind für Deutschland<br />

deckungsgleich – haben 65 Prozent<br />

der Befragten angegeben, dass sie diese<br />

Aktivitäten sehr positiv sehen und auch aktiv<br />

daran beteiligt sind. Demgegenüber sind die<br />

Befragten in den USA weniger mit diesem<br />

Thema befasst. Nur etwa 48 Prozent sind<br />

hier engagiert; die Mehrheit hält es eher für<br />

unwahrscheinlich, dass hier Durchbrüche<br />

zu erwarten sind.<br />

Interessant in jedem Fall sind die konkreten<br />

Aussagen, welche Vorteile in diesen Allian-<br />

zen gesehen werden und warum möglicherweise<br />

die Umsetzung ehrgeiziger präkompetitiver<br />

Zusammenarbeit noch mit Bedenken<br />

einhergeht.<br />

Für Europa inklusive Deutschland werden an<br />

vorderster Front (42 %) als Vorteil der größere<br />

Einfluss auf Zulassungs- und Erstattungsbehören<br />

gesehen, wenn durch gemeinsam<br />

erarbeitete Ergebnisse ein breiterer Konsens<br />

entsteht, Behörden zum Teil sogar mit einbezogen<br />

sind und diese somit bessere Entscheidungsgrundlagen<br />

haben. Weitere 40<br />

Prozent der Befragten sind davon überzeugt,<br />

dass zusammen mit anderen Partnern komplexe<br />

wissenschaftliche und technologische<br />

Fragestellungen (30 %) effizienter aufgeklärt<br />

werden können; der offene Austausch von<br />

gemeinsam eruierten Daten (13 %) ist dabei<br />

ebenfalls ein wichtiger Vorteil. An dieser<br />

Stelle ist wohl eine typische <strong>Biotech</strong>-Haltung<br />

zum Ausdruck gebracht; im <strong>Biotech</strong>-Sektor<br />

ist die Einstellung zu Themen wie „Open Innovation“<br />

sicherlich positiver als dies bei traditionellen<br />

Pharma-Unternehmen der Fall ist.<br />

Schließlich gehen immerhin 14 Prozent davon<br />

aus, dass durch die Integration in solche Netzwerke<br />

auch der Zugang zu Kapital verbessert<br />

wird. Dies ist durch zweierlei Aspekte<br />

begründet: Zum einen fließt den Konsortien<br />

der geförderten Initiativen direkt Kapital<br />

(ohne verwässernden Effekt) zu, zum anderen<br />

können die Netzwerke als solche als ein<br />

Qualitätssiegel erachtet werden, was für<br />

potenzielle Investoren positiv wirkt. Dieses<br />

Bestreben bringt sich auch darin zum Ausdruck,<br />

dass einige Unternehmen angaben,<br />

durch die Teilnahme an präkompetitiven<br />

Netzwerken ihre Visibilität verbessern zu<br />

wollen.<br />

Gegenüber diesen Vorteilen werden aber<br />

auch ebenso deutlich Einschränkungen und<br />

Nachteile offengelegt. Hier dominiert erwar-<br />

tungsgemäß die ungeklärte Frage nach der<br />

Zuordnung von Schutzrechten aus gemeinsamen<br />

Aktivitäten, insbesondere wenn es<br />

nach einer präkompetitiven Phase auf einer<br />

kommerziellen Schiene weitergeht. Rund<br />

55 Prozent haben diesbezüglich große Vorbehalte.<br />

Ein Drittel der Befragten glaubt auch,<br />

dass diese Allianzen nur eingeschränkte Rollen<br />

für kleinere Unternehmen bereithalten,<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 35


während vornehmlich die Pharma-Unternehmen<br />

dominieren und profitieren, weil sie<br />

natürlich auch stärker zur Finanzierung beitragen.<br />

Ein geringer Teil (11 %) glaubt gar,<br />

dass durch die Zusammenführung von Pharma<br />

und Akademie auf <strong>Biotech</strong> sogar gänzlich<br />

verzichtet werden könnte. Ein weiterer<br />

Perspektive<br />

Nachteil, der darüber hinaus in diesem Kontext<br />

genannt wurde, ist der hohe zeitliche<br />

sowie administrative Aufwand, der mit einer<br />

solchen Zusammenarbeit verbunden ist.<br />

Diese Ansichten werden bei Befragten in<br />

den USA hinsichtlich der Vorteile genau<br />

Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA<br />

Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich<br />

Europa<br />

USA<br />

24 %<br />

40 %<br />

Engagement in präkompetitiven<br />

Kollaborationen (n = 259)<br />

8 %<br />

24 %<br />

Engagement in präkompetitiven<br />

Kollaborationen (n = 139)<br />

11 %<br />

14 %<br />

21 %<br />

Bereits implementiert<br />

Sehr wahrscheinlich<br />

Wahrscheinlich<br />

Unwahrscheinlich<br />

Sehr unwahrscheinlich<br />

29 %<br />

15 %<br />

14 %<br />

Genannte Vorteile (n = 655)<br />

Genannte Vorteile (n = 335)<br />

36 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

13 %<br />

16 %<br />

14 %<br />

16 %<br />

30 %<br />

24 %<br />

42 %<br />

gleich eingeschätzt; bzgl. der Vorbehalte<br />

fallen die IP-Belange eher weniger ins Gewicht<br />

(nur 44 % vs. 55 % in Europa) wohingegen<br />

in den USA noch stärker (42 % vs.<br />

33 %) davon ausgegangen wird, dass diese<br />

Initiativen den Großen der Branche vorbehalten<br />

sind.<br />

Genannte Nachteile (n = 371)<br />

1 % 2 %<br />

1 %<br />

43 %<br />

Größere Einflussnahme<br />

auf Behörden und Regularien<br />

Effizientere Adressierung<br />

wissenschaftlicher<br />

Fragestellungen<br />

Zugang zu gemeinsamen Daten<br />

Zugang zu Kapital<br />

Sonstige<br />

33 %<br />

11 %<br />

Genannte Nachteile (n = 209)<br />

13 %<br />

40 %<br />

4 %<br />

IP-Belange<br />

Eingeschränkte Rolle<br />

für kleinere Unternehmen<br />

Skipping <strong>Biotech</strong><br />

Sonstige<br />

54 %<br />

43 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Perspektive<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 37


Kennzahlen der<br />

deutschen<br />

<strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

38 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Zahlen und Fakten im Überblick<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Allgemeine Kennzahlen<br />

2011 2012 11/12<br />

Anzahl Unternehmen 406 403 – 1 %<br />

Anzahl Beschäftige 9.932 10.017 1 %<br />

Finanzdaten (in Mio. €)<br />

Umsatz 1.085 1.128 4 %<br />

F&E-Ausgaben 780 727 –7 %<br />

Fluktuation bei deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Anzahl Firmen<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

6<br />

6<br />

3<br />

3<br />

5<br />

12 32 10 33 14 32 14<br />

20 10 13<br />

0<br />

2008<br />

2009<br />

2010<br />

2011<br />

2012<br />

Insolvenzen / Auflösungen M&As Nicht aktiv und Sonstige<br />

Neugründungen<br />

Kennzahlen der europäischen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

(börsennotierte Unternehmen)<br />

10<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

2011 2012 11/12<br />

Allgemeine Kennzahlen<br />

Anzahl Unternehmen 169 165 –2 %<br />

Anzahl Beschäftige<br />

Finanzdaten (in Mio. €)<br />

47.668 50.864 7 %<br />

Umsatz 13.608 15.907 17 %<br />

F&E-Ausgaben 3.536 3.730 5 %<br />

2<br />

5<br />

2<br />

4<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Geringer Rückgang der Unternehmensanzahl<br />

um 1 %<br />

• Mitarbeiterzahlen übersteigen<br />

10.000er-Marke, Umsätze mit<br />

leichtem Aufwärtstrend, F&E-Ausgaben<br />

rückläufig<br />

• Die Detailanalyse liefert Erklärun-<br />

gen für diese gegenläufigen Entwicklungen<br />

• Hinter der relativ stabilen Unter-<br />

nehmensstatistik steht eine<br />

Dynamik aus 16 Ausschlüssen<br />

und 13 Neuaufnahmen<br />

• Die 4 Akquisitionen werden im<br />

Kapitel „Transaktionen“ näher<br />

beleuchtet<br />

• Netto-Abnahme um 4 börsen-<br />

notierte Unternehmen:<br />

–10 (Delistings und Akquisitionen),<br />

+ 6 (Börsengänge und Firmensitzverlagerung<br />

von Jazz Pharmaceuticals)<br />

• Größte Treiber: hinter positiver<br />

Mitarbeiterentwicklung Eurofins<br />

Scientific (Frankreich, + 1.732),<br />

hinter Anstieg von Umsatz und<br />

F&E-Ausgaben Shire (UK, + 418<br />

bzw. + 211 Mio. €)<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 39


Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie im Detail<br />

Allgemeine Kennzahlen<br />

Anzahl der Unternehmen<br />

Hinsichtlich der Gesamtzahl der in der Analyse<br />

eingeschlossenen Unternehmen zeigt<br />

sich die <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland<br />

nach wie vor extrem stabil.<br />

Die 403 Unternehmen teilen sich auf in<br />

390 private sowie 13 börsennotierte Unternehmen.<br />

Durch die Insolvenz der Firma<br />

november hat sich 2012 die seit Jahren<br />

konstante Zahl der börsennotierten Unternehmen<br />

erstmals verändert.<br />

private Unternehmen börsennotierte Unternehmen Gesamtindustrie<br />

2011 2012 11/12 2011 2012 11/12 2011 2012 11/12<br />

Anzahl Unternehmen 392 390 –1 % 14 13 –7 % 406 403 -1 %<br />

Anzahl Beschäftige 8.248 8.428 2 % 1.684 1.589 –6 % 9.932 10.017 1 %<br />

Finanzdaten (in Mio. €)<br />

Umsatz 870 922 6 % 215 206 –4 % 1.085 1.128 4 %<br />

F&E-Ausgaben 600 586 –2 % 180 141 –22 % 780 727 -7 %<br />

Verlust –308 –287 –7 % –111 –203 83% –419 –490 17 %<br />

Hinter der stabilen Gesamtzahl herrscht<br />

eine gewisse Dynamik in Bezug auf Neugründungen,<br />

Auflösungen und Übernahmen.<br />

Seit 2010 hat sich diese Dynamik<br />

etwas abgeschwächt. Die Anzahl an Neugründungen<br />

hat in diesem Zeitraum von<br />

31 auf aktuell nur noch 13 vermeintlich um<br />

58 Prozent abgenommen. Neugegründete<br />

Firmen sind allerdings vor allem in der An-<br />

fangszeit aufgrund häufig fehlender Internetpräsenz<br />

und zuweilen zurückhaltender<br />

Unternehmenskommunikation schwierig<br />

zu erfassen. So brauchen sie nicht selten<br />

eine Anlaufzeit von zwei Jahren, um für die<br />

Erhebung in Erscheinung zu treten.<br />

40 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Firmenauflösungen im Detail<br />

Die insgesamt 11 Firmen, die aufgrund von<br />

Insolvenzen oder Inaktivität aus der Statistik<br />

genommen wurden, waren:<br />

• Biognostik, Hennigsdorf<br />

• Curacyte, München<br />

• Curadis, Erlangen<br />

• FreiBiotics, Freiburg<br />

• InterMed Discovery, Dortmund<br />

• MelTec, Magdeburg<br />

• MICROBIONIX, Neuried<br />

• november, Köln<br />

• PomBioTech, Saarbrücken<br />

• Prosalix, Grünwald<br />

• Trin Therapeutics, Düsseldorf<br />

Firmenübernahmen im Detail<br />

Über die vier Firmenübernahmen des Berichtsjahres<br />

wird im Kapitel „Transaktionen“<br />

ausführlich berichtet:<br />

• Cellzome, Heidelberg<br />

(Verkauf an GSK)<br />

• Corimmun, München<br />

(Verkauf an Janssen / J&J)<br />

• Scil Technology, Martinsried<br />

(Verkauf an Nanohale)<br />

• SymbioTec, Saarbrücken<br />

(Verkauf an Lipoxen)


Neugründungen im Detail<br />

Neben den 13 neugegründeten Unter-<br />

nehmen für das Jahr 2012 stellt die nebenstehende<br />

Tabelle auch einige nachträglich<br />

identifizierte Gründungen aus dem Jahr<br />

2011 dar.<br />

Im Berichtsjahr nehmen die Therapeutika-<br />

entwickler wie in den Vorjahren mit ins-<br />

gesamt fünf Neugründungen die erste Position<br />

ein. Alle anderen Bereiche sind dahinter<br />

etwa gleich stark vertreten.<br />

Vier der fünf Therapeutikaentwickler<br />

konzentrieren sich erstaunlicherweise vorwiegend<br />

auf definierte Produktideen in<br />

konkreten Indikationen:<br />

• advanceCOR (Herz-Kreislauf-<br />

erkrankungen)<br />

• Qithera (Onkologie)<br />

• Acousia Therapeutics (HNO-Krankheiten)<br />

• Eternygen (Stoffwechselkrankheiten)<br />

Nur ein Unternehmen – GeneQuine Bio-<br />

therapeutics – hat mit seinen Genthera-<br />

pie-Ansätzen eine Tech@MPO-Plattform<br />

in Händen, die breiter einsetzbar ist.<br />

Bei den Gründungen um das Thema<br />

Forschungs-Tools (AyoxxA Biosystems,<br />

Cube <strong>Biotech</strong>, Computomics) herrschen<br />

Tech@BigData-Anwendungen vor, wie sie<br />

im Einleitungskapitel „Perspektive“ bereits<br />

beschrieben wurden.<br />

Mitarbeiterzahlen insgesamt konstant –<br />

Zuwachs bei Privaten gleicht Abbau bei<br />

Börsennotierten aus<br />

In der Gesamtbranche stagnieren die Mitarbeiterzahlen<br />

ungefähr auf dem Niveau des<br />

Vorjahres. Dahinter stehen allerdings gegen-<br />

läufige Bewegungen: eine leichte Steigerung<br />

der Zahlen für private Firmen (+2 %) auf<br />

aktuell 8.428 Mitarbeiter, hingegen ein Minus<br />

von sechs Prozent von 1.684 auf nur noch<br />

1.589 Mitarbeiter für die börsennotierten<br />

Unternehmen.<br />

Letzteres ist einerseits bedingt durch den<br />

Wegfall eines Unternehmens (november).<br />

Viel deutlicher zu Buche schlägt aber der<br />

Personalabbau infolge von ausbleibenden<br />

oder negativen klinischen Studienergebnis-<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Neugründungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2011/2012<br />

Unternehmen Stadt Segment Gründungsjahr<br />

Acousia Therapeutics Tübingen Drug Development 2012<br />

AdiuTide<br />

Pharmaceuticals<br />

sen wie beispielsweise bei Agennix (–26 %,<br />

von 70 auf 52 Mitarbeiter) und PAION<br />

(–46 %, von 26 auf 14 Mitarbeiter); WILEX,<br />

die ebenfalls einen Stellenabbau angekündigt<br />

haben (125 auf ca. 95 Mitarbeiter) sind in<br />

der Statistik der aktuellen Jahresabschlüsse<br />

noch nicht erfasst.<br />

Ebenfalls hat Epigenomics in Berlin aufgrund<br />

der nicht den Erwartungen entsprechenden<br />

Geschäftslage bei der Vermarktung<br />

ihres Darmkrebstests die Belegschaft<br />

um 36 Prozent von 61 auf 39 Mitarbeiter<br />

Frankfurt am Main Drug Development 2011<br />

advanceCOR Martinsried Drug Development 2012<br />

AlBio-Lab Bad Abbach Contract Research 2012<br />

AptaIT München Bioinformatics 2011<br />

AyoxxA Biosystems Köln Bio-related Tools 2012<br />

Computomics Tübingen Bioinformatics 2012<br />

Cube <strong>Biotech</strong> Monheim Proteomics 2012<br />

Cysal Münster Fine Chemicals 2012<br />

Delta-Vir Leipzig Drug Development 2011<br />

Eternygen Berlin Drug Development 2012<br />

GeneQuine<br />

Biotherapeutics<br />

Hamburg Drug Development 2012<br />

glyXera Magdeburg Contract Research 2012<br />

ImmunoQure Martinsried Drug Development 2011<br />

JeNaCell Jena Tissue Engineering 2012<br />

Katairo Kusterdingen Drug Development 2011<br />

OakLabs Hennigsdorf In Vitro Diagnostics 2011<br />

oncgnostics Jena In Vitro Diagnostics 2011<br />

PSites Pharma Frankfurt am Main Drug Development 2011<br />

Qithera Düsseldorf Drug Development 2012<br />

RHECADIS Mannheim In Vitro Diagnostics 2012<br />

Transimmune Düsseldorf Drug Development 2011<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

reduziert. Schließlich verkleinerte auch<br />

MorphoSys den Mitarbeiterstamm durch<br />

den Verkauf seiner Forschungsantikörpersparte<br />

AbD Serotec um fünf Prozent von<br />

446 auf nur noch 422 Mitarbeiter.<br />

Umso erfreulicher ist der Personalaufbau<br />

bei den privaten Firmen trotz leichter<br />

Abnahme der Firmenzahl. Wenn auch der<br />

Zuwachs von 180 Mitarbeitern in einer<br />

Branche mit rund 400 Unternehmen vernachlässigbar<br />

erscheint, so ist das Signal<br />

der Stabilität dennoch wichtig.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 41


Der Personalzuwachs bei privaten <strong>Biotech</strong>-<br />

Firmen wird vornehmlich durch das größte<br />

Segment – die Anbieter von Dienstleistungen<br />

sowie Forschungs-Tools – getragen, das mit<br />

vier Prozent von 4.612 auf 4.811 Mitarbeiter<br />

gewachsen ist. Auch Diagnostikfirmen<br />

legten beim Personal zu: von 1.078 auf<br />

1.163 Mitarbeiter (+8 %). Demgegenüber<br />

weisen die Therapeutikaentwickler auch im<br />

privaten Bereich einen Personalrückgang<br />

von insgesamt fünf Prozent von 2.147 auf<br />

2.034 Mitarbeitern auf, welcher allerdings<br />

zum Großteil aus den Akquisitionen von teilweise<br />

überdurchschnittlich großen Unternehmen<br />

resultiert (z. B. Cellzome).<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen<br />

in Deutschland<br />

Änderungsrate 2011/2012<br />

10 %<br />

8 %<br />

6 %<br />

4 %<br />

2 %<br />

0 %<br />

-2 %<br />

-4 %<br />

-6 %<br />

-8 %<br />

-10 %<br />

Umsatz F&E-Ausgaben Verlust<br />

Anzahl Beschäftigte<br />

Service, Technologies & Tools Therapeutika<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umsätze mit leichtem Aufwärtstrend<br />

Einheitlich positiv sind sowohl private als<br />

auch börsennotierte <strong>Biotech</strong>-Firmen hinsichtlich<br />

ihrer Umsatzentwicklung aufgestellt.<br />

Die sechs Prozent Umsatzsteigerung<br />

der privaten Firmen von 870 auf 922 Mil-<br />

lionen Euro wird von beiden Segmenten –<br />

Service- / Tool-Firmen (+5 %) wie auch<br />

Therapeutikafirmen (+9 %) – getragen. Die<br />

deutliche Steigerung bei den Therapeutika-<br />

entwicklern mag auf den ersten Blick verwundern.<br />

Allerdings sind in dieser als aktuell<br />

wichtigste Einkommensquelle die Zahlungen<br />

aus Allianzen enthalten. Somit konnte<br />

allein AiCuris durch die Transaktion mit<br />

Merck & Co. 110 Millionen Euro als Umsatzplus<br />

hinzufügen.<br />

Auf Seite der börsennotierten Unternehmen<br />

legte vor allem PAION zu (+725 % von<br />

3,3 auf 26,8 Mio. €) – durch den Verkauf<br />

seiner Desmoteplase-Rechte an Lundbeck<br />

für 20,1 Millionen Euro. Weiterhin erzielten<br />

auch WILEX mit 52 Prozent (von 11,7 auf<br />

17,8 Mio. € aus Diagnostik-Umsätzen)<br />

sowie Evotec mit neun Prozent (von 80 auf<br />

87 Mio. €) positive Steigerungen.<br />

42 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

F&E-Ausgaben rückläufig<br />

Nach motivierenden Steigerungen der F&E-<br />

Ausgaben über die letzten Jahre schlagen<br />

2012 Einbußen von immerhin sieben Prozent<br />

zu Buche. Besonders betraf dies die börsennotierten<br />

Unternehmen mit 22 Prozent<br />

Rückgang. Allerdings relativiert sich diese<br />

Aussage dadurch, dass hierbei ein transak-<br />

tionsbedingter Wegfall von F&E-Aktivitäten<br />

im Vordergrund stand. PAION beispielsweise<br />

stellte seine F&E-Aktivitäten um das verkaufte<br />

Produkt Desmoteplase ein und reduzierte<br />

damit die entsprechenden Aufwendungen<br />

um 70 Prozent von 11 auf 3,3 Millionen<br />

Euro. In die gleiche Richtung geht die Reduzierung<br />

bei MorphoSys, wo 20 Millionen<br />

Euro (34 %) F&E-Kosten durch den Verkauf<br />

der Forschungsantikörpereinheit entfielen.<br />

Die annähernd stabilen F&E-Aufwendungen<br />

mit Abweichungen von lediglich zwei Prozent<br />

von 600 auf 586 Millionen Euro bei<br />

den privaten Firmen sind schon deutlich<br />

weniger alarmierend bzgl. möglicher Einschränkungen<br />

bei den für <strong>Biotech</strong> lebenswichtigen<br />

Innovationsausgaben.<br />

Da bei den F&E-Kosten aber vor allem die<br />

Therapeutikaentwickler den Löwenanteil<br />

von 55 Prozent tragen und bei dieser Gruppe<br />

sieben Prozent weniger F&E-Ausgaben verbucht<br />

wurden, ist genaueres Hinschauen<br />

durchaus angebracht. Auch dieser Rückgang<br />

liegt vorwiegend in den letztjährigen Firmenübernahmen<br />

begründet.<br />

Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass<br />

Service- und Tool-Provider ihre F&E-Aufwendungen<br />

2012 um drei Prozent steigern<br />

konnten, was ihre gute Geschäftssituation<br />

widerspiegelt.


Verlustsituation zweigeteilt<br />

Die Verluste der Gesamtbranche haben nach<br />

sichtbarem Abbau über die letzten Jahre<br />

2012 wieder zugenommen, und zwar um<br />

17 Prozent von 419 auf 490 Millionen Euro.<br />

Auch bzgl. der Verlustentwicklung gibt es in<br />

Deutschlands <strong>Biotech</strong>-Industrie ein zweigeteiltes<br />

Bild. Die Treiber für den Anstieg sind<br />

in diesem Fall die börsennotierten Unternehmen,<br />

die zusammen ihre Verluste um<br />

83 Prozent haben anwachsen lassen – von<br />

111 auf 203 Millionen Euro.<br />

Als Haupttreiber hierfür erwies sich Agennix,<br />

die nach dem Scheitern der Talactoferrin-<br />

Phase-III-Studie entsprechend Werte abschreiben<br />

musste, was den Verlustbetrag<br />

von vormals 42 auf 147 Millionen Euro anwachsen<br />

ließ (+250 %).<br />

Umso positiver ist die Ergebnisseite bei den<br />

privaten <strong>Biotech</strong>-Firmen. Sie konnten ihre<br />

aggregierten Verluste immerhin um sieben<br />

Prozent von 308 auf 287 Millionen Euro zurückfahren.<br />

Diese Leistung ist fast ausschließ-<br />

lich den Therapeutikaentwicklern zuzuschreiben;<br />

allerdings weniger ihren aktiven Anstren-<br />

gungen zum Sparen oder dem effizienteren<br />

Umgang mit Kapital, sondern wiederum der<br />

Tatsache, dass einige verlustschreibende<br />

Unternehmen aus der Statistik herausfielen.<br />

Nach wie vor gibt es hinsichtlich der Gewinn-<br />

/ Verlustsituation ein steiles Gefälle in<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland<br />

nach Geschäftsfeld, 2012<br />

Anteil von Unternehmen (n = 208)<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

41<br />

59<br />

Service,<br />

Technologies & Tools<br />

Gewinn Verlust<br />

Diagnostika<br />

den einzelnen Subsegmenten der <strong>Biotech</strong>-<br />

Branche. Dass dabei die Service-, Technologie-<br />

und Tool-Provider mit 41 Prozent den<br />

geringsten Anteil der Verlust schreibenden<br />

Unternehmen stellen, ergibt sich aus deren<br />

Geschäftsmodell. Erstaunlich immerhin,<br />

dass auch Diagnostikfirmen hier relativ gut<br />

48<br />

52<br />

Grüne &<br />

industrielle <strong>Biotech</strong><br />

Therapeutika<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 43<br />

58<br />

42<br />

89<br />

11<br />

abschneiden (48 % verlustschreibende<br />

Firmen), wohingegen von den Therapeutikaunternehmen<br />

– weil überwiegend noch<br />

mitten in der Entwicklung und fern vom<br />

Markt – nur ein verschwindend kleiner Teil<br />

von 11 Prozent bereits die Gewinnschwelle<br />

überschritten hat.


Transaktionen<br />

44 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Zahlen und Fakten im Überblick<br />

Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Anzahl Transaktionen<br />

Allianzen europäischer und US-amerikanischer<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Anzahl Transaktionen Europa<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

576<br />

98<br />

555<br />

517<br />

75<br />

Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation<br />

447<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Anzahl Transaktionen USA<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation<br />

99<br />

2008 2009 2010 2011 2012<br />

89<br />

789<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

765<br />

86<br />

718<br />

795<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Deal-Aktivität liegt mit 86 Allianzen<br />

leicht unter dem Mittel der letzten<br />

vier Jahre (90)<br />

• Geringfügiger Anstieg des relativen<br />

Anteils an Lizenzabkommen von<br />

39 % im Mittel der letzten vier Jahre<br />

auf 51 % im Jahr 2012 (44 Deals)<br />

• Im gleichen Zeitraum abnehmender<br />

relativer Anteil an Kooperationen<br />

(von 38 % auf 33 %) und Serviceabkommen<br />

(von 19 % auf 13 %), wobei<br />

sich letztere erfahrungsgemäß<br />

durch eine hohe Dunkelziffer auszeichnen<br />

Europa:<br />

• Allianzen in Europa weiterhin<br />

zahlenmäßig rückläufig (-22 % seit<br />

2009; –14 % gegenüber 2011)<br />

• Alle Kategorien betroffen<br />

(bezogen auf 2009):<br />

Kooperationen: – 23 %;<br />

Service: – 44 %;<br />

Lizenzierungen: – 5 %;<br />

Asset-Deals: – 65 %<br />

• Stabilste Situation für Lizenzdeals<br />

USA:<br />

• Allianzen in USA quantitativ mit<br />

leichter Tendenz nach oben<br />

• Verschiebungen innerhalb der<br />

Kategorien sehr deutlich (bezogen<br />

auf 2009): Lizenzierungen (+23 %),<br />

Service (+23 %) deutlich gestärkt,<br />

Asset-Deals (– 51 %) deutlich ge-<br />

schwächt<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 45


Transaktionen<br />

Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Summe (Mio. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern)<br />

2012 (11)<br />

2011 (10)<br />

2010 (8)<br />

2009 (9)<br />

2008 (6)<br />

2007 (5)<br />

2006 (6)<br />

2005 (6)<br />

0<br />

Zahlungsströme aus Allianzen an europäische<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Summe (Mrd. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern)<br />

2012 (53)<br />

2011 (57)<br />

2010 (74)<br />

2009 (69)<br />

2008 (64)<br />

2007 (67)<br />

2006 (72)<br />

2005 (35)<br />

0<br />

200 400 600 800<br />

Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen<br />

Sonstige und nicht näher spezifiziert<br />

Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals)<br />

1 2 3 4<br />

6 7 8 9 10<br />

Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen<br />

Sonstige und nicht näher spezifiziert<br />

Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals)<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

46 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

5<br />

1.000<br />

1.200 1.400 1.600 1.800<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Volumen aus publizierten Allianzen<br />

mit insgesamt 1,6 Mrd. € auf weiter-<br />

hin hohem Niveau (ohne Mega-<br />

Deals 1,0 Mrd. €)<br />

• Deutlicher Anstieg bei den Upfront-<br />

Zahlungen gegenüber 2011 von<br />

29 Mio. € auf 122 Mio. € (enthält<br />

110 Mio. € aus dem Rekord-Deal<br />

AiCuris / Merck & Co.)<br />

• Mega-Deals:<br />

2012 Evotec / Bayer,<br />

2011 Evotec / Roche,<br />

2010 und 2008 Cellzome / GSK<br />

• Anstieg der publizierten Allianz-<br />

Volumina: insgesamt 8,4 Mrd. €<br />

(+48 %), ohne Mega-Deals<br />

6,2 Mrd. € (+10 %)<br />

• Upfront-Zahlungen steigen von<br />

368 auf 756 Mio. €, Meilenstein-<br />

zahlungen von 4,3 auf 5,0 Mrd. €<br />

• Mega-Deals:<br />

2012 Molecular Partners / Allergan<br />

und Galapagos / Abbott,<br />

2010 F-star / Boehringer Ingelheim,<br />

2009 Elan / J&J,<br />

2008 Actelion / GSK und<br />

Cellzome / GSK,<br />

2007 Ablynx / Boehringer Ingelheim<br />

und Galapagos / Janssen,<br />

2006 Genmab / GSK


Umdenken für attraktivere Transaktionen<br />

Technologieplattformen ebnen den Weg<br />

Das im Einleitungskapitel postulierte „Um-<br />

denken“ – konkret das Rückbesinnen auf<br />

die eigentlichen Stärken der <strong>Biotech</strong>nologie<br />

in der Etablierung und Bereitstellung von<br />

Technologien – steht auch in direktem Bezug<br />

zu erfolgreichen Transaktionen. Dies wurde<br />

bereits bei der Beschreibung der unterschied-<br />

lichen Typen von Technologieplattformen<br />

im Kapitel „Perspektive“ als ein wesentlicher,<br />

gemeinsamer Erfolgsfaktor hervorgehoben.<br />

In einer Positionierung als strategischer<br />

Zulieferer von Innovationen – sei es in Form<br />

von neuen Plattformen oder daraus generierten<br />

Produktkandidaten – muss <strong>Biotech</strong>no-<br />

logie den Erfolg tatsächlich vor allem daran<br />

festmachen, wie die Technologie allgemein<br />

den Zugang zu Partnern erleichtert und die<br />

an diese gelieferten Assets bewertet werden.<br />

Ein weiterer entscheidender Vorteil dieser<br />

Vorgehensweise und der Zuliefererrolle ist<br />

die Flexibilität hinsichtlich der Geschäfts-<br />

modelle von Dienstleister bis Partner in<br />

einem Risk-Sharing-Verhältnis. Oft folgen<br />

diese Geschäftsmodelle in einer zeitlichen<br />

Sequenz.<br />

In der momentanen Diskussion über die<br />

Dominanz der großen Pharma- und anderer<br />

Industriepartner sowie der Konstituierung<br />

eines klaren Käufermarktes bietet die Aufstellung<br />

von <strong>Biotech</strong>-Unternehmen rund<br />

um eine Technologieplattform auch die<br />

bessere Verhandlungsposition. Die zeigt<br />

sich sowohl darin, dass die Top-Deals des<br />

Berichtsjahres 2012 zahlenmäßig überwiegend<br />

von ebenjenen Firmen abgeschlossen<br />

wurden, als auch an deren Möglichkeiten,<br />

diese Transaktionen stärker zu ihren Gunsten<br />

zu gestalten (Details im Abschnitt<br />

Analyse).<br />

Technologieplattformen und Exit<br />

Nicht zuletzt ist auch ein Zusammenhang<br />

zwischen Technologieplattformen und möglichen<br />

Exit-Strategien denkbar. Die Analyse<br />

der Transaktionen zeigt, dass diese Unternehmen<br />

präferenziell eher in Allianzen mit<br />

Partnern – vielfach sogar mit mehreren<br />

parallel – interagieren. Übernahmen durch<br />

große Pharma-Konzerne gab es zwar in der<br />

Vergangenheit (z. B. die Akquisition von<br />

Cambridge Antibody Technology durch<br />

AstraZeneca während der ersten Antikörperwelle<br />

oder von Alnylam durch Roche<br />

während der RNAi-Welle), sind aber heute<br />

eher die Ausnahme (wie z. B. die Übernahme<br />

von Cellzome durch GSK nach langjähriger<br />

Kooperation).<br />

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In<br />

Zeiten sehr schnelllebiger Technologieentwicklungen<br />

besteht die Gefahr, dass die<br />

teuer eingekaufte Technologie in kurzer Zeit<br />

durch neue Entwicklungen überholt ist und<br />

damit der vermeintliche kompetitive Vorteil<br />

nicht mehr existiert. Deshalb ist der – wenn<br />

auch meist nicht-exklusive – Zugang zu inno-<br />

vativen Technologien in Gestalt von Allianz-<br />

abkommen für Pharma auf lange Sicht effek-<br />

tiver und bietet größere Flexibilität. M&A-<br />

Transaktionen sind hingegen viel häufiger<br />

mit konkreten Produkten assoziiert.<br />

Aus dieser Überlegung heraus ermöglicht<br />

das Technologieplattform-Modell für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

eher das Exit-Szenario<br />

„IPO“ und dies aus folgenden Gründen:<br />

• Nachhaltiges Modell für kurzfristige stabile<br />

Umsatzgenerierung und profitables<br />

Wachstum (durch Partnerschaften)<br />

• Längerfristiges Potenzial zur Etablierung<br />

eines Produktportfolios aus eigener F&E<br />

• Breitere Risikostreuung und geringere<br />

Abhängigkeit von Einzelprojekten<br />

Die Realität des Transaktionsgeschehens<br />

stellt Theorien in Frage<br />

Die o. a. theoretische Betrachtung steht<br />

allerdings nicht immer im Einklang mit der<br />

Realität des Deal Making. In vielen Diskus-<br />

sionen mit <strong>Biotech</strong>-Unternehmen wird allgemein<br />

darüber geklagt, dass laufende Verhandlungen<br />

mit großen Industriepartnern<br />

nach wie vor äußerst zäh vorankommen;<br />

und dies trotz des Innovationsdrucks und<br />

Bedarfs an neuen Produkten. Gründe hierfür<br />

sind:<br />

• Zu viele Entscheidungsinstanzen<br />

• Zu lange Entscheidungsprozesse<br />

• Zu wenig Risikobereitschaft<br />

• Zu starre Vorgaben / zu wenig Flexibilität<br />

bzgl. der Deal Terms<br />

Gerade hinsichtlich des letzten Aspekts wäre<br />

es wichtig, eine wirkliche Partnerschaft in<br />

den Mittelpunkt zu stellen. Schließlich kann<br />

es nicht darauf ankommen, einen erfolg-<br />

reichen Deal ausschließlich aus Sicht des<br />

Industriepartners zu definieren, wenn dabei<br />

der <strong>Biotech</strong>-Partner aufgrund immer geringerer<br />

Upfront-Zahlungen und des weiterhin<br />

präferierten „Back-loading“-Trends nicht<br />

überleben kann. Dabei gäbe es genügend<br />

Gestaltungsmöglichkeiten, über Optionen<br />

und entsprechende Meilensteine früher einzusteigen,<br />

Risiken in Grenzen zu halten und<br />

dennoch eine Balance für beide Seiten zu<br />

schaffen.<br />

Auch in dieser Beziehung sollten <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen mit einer soliden Technolo-<br />

gieplattform im Vorteil sein. Parallele Verhandlungen<br />

mit mehreren Partnern sind<br />

eher die Norm und verringern die Abhängig-<br />

keit von einem einzigen Transaktionsabschluss.<br />

Allerdings vereitelt die aktuelle Lage am<br />

Kapitalmarkt die theoretisch besseren<br />

Chancen der Technologieplattform-Vertreter<br />

für einen erfolgreichen Börsen-Exit.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 47


Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Allianzen in Deutschland stagnieren<br />

Mit insgesamt 86 Allianzen im Berichtsjahr<br />

2012 liegt der <strong>Biotech</strong>-Sektor nur leicht unter<br />

dem Mittel der letzten vier Jahre (90).<br />

2006 hatten Allianzen insgesamt stark zugenommen<br />

und waren als wichtige strategische<br />

Initiativen in den Geschäftsmodellen<br />

der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen attraktiver geworden.<br />

Auch die Aufteilung in bestimmte Typen von<br />

Allianzen – Kooperationen, Lizenzierungen,<br />

Servicevereinbarungen oder Asset-Deals –<br />

hat sich in diesem Zeitraum auf den ersten<br />

Blick nur geringfügig verändert. Erfreulich<br />

ist dennoch ein im Mittel der letzten vier<br />

Jahre leichter Anstieg des relativen Anteils<br />

der Lizenzverträge von 39 auf immerhin<br />

52 Prozent und eine Absolutzahl von 44 für<br />

2012. Erfreulich deshalb, weil diese Form<br />

der Allianz für die strategischen Zulieferer<br />

der Branche am lukrativsten und deshalb<br />

am wichtigsten ist. So konnten im Jahr<br />

2012 – neben dem Rekord-Deal von AiCuris<br />

und den „üblichen Verdächtigen“ MediGene,<br />

Evotec, MorphoSys und Epigenomics – vor<br />

allen Dingen Technologien erfolgreiche<br />

Lizenzvergaben erzielen, z. B. Axiogenesis‘<br />

iPS-Technologie (Cor.4U ® , Cor.At ® ), CEVECs<br />

CAP-Technologie (CAP-T TM ) sowie Scienions<br />

sciFLEXARRAYER-Technologie.<br />

Lizenzabkommen stärken die<br />

Einkommensseite<br />

Die Zahl der Allianzen, für die finanzielle<br />

Details publiziert wurden, erweist sich<br />

weiterhin als enttäuschend gering (nur<br />

ca. 13 %).<br />

Die Höhe der Einnahmen aus Allianzen –<br />

hier sind vor allem Lizenzvereinbarungen<br />

eingeschlossen – hat das erfreulich hohe<br />

Niveau des Vorjahres halten können. Dabei<br />

fällt sofort ein deutlicher Anstieg bei den<br />

publizierten Upfront-Zahlungen auf. Sie stiegen<br />

um das Vierfache des Vorjahreswertes<br />

auf 121,5 Millionen Euro. Es wäre noch beeindruckender,<br />

wenn man dahinter einen<br />

soliden Trend sehen könnte. Allerdings liegt<br />

die Erklärung hierfür in einem einzigen Deal<br />

begründet: Das Abkommen zwischen AiCuris<br />

und Merck & Co. (MSD) hatte mit allein<br />

110 Millionen Euro eine Rekord-Upfront-<br />

Zahlung erzielt, die fast die gesamte Upfront-<br />

Summe der deutschen Allianzen ausmacht<br />

(90 %). Die ansonsten nach wie vor eher<br />

unbefriedigende Entwicklung der Upfront-<br />

Zahlungen setzt sich also fort.<br />

Sehr deutlich fällt auf den ersten Blick auch<br />

der Anstieg bei vertraglich vereinbarten<br />

Meilensteinzahlungen um 28 Prozent auf<br />

700 Millionen Euro auf. Allerdings ist auch<br />

hier bei der Interpretation Vorsicht geboten.<br />

Im Jahr zuvor war offensichtlich die Informationspolitik<br />

hinsichtlich differenzierter<br />

Zahlen (Upfront vs. Meilensteine) weniger<br />

transparent als im Berichtsjahr 2012. Deshalb<br />

verbarg sich ein größerer Anteil der<br />

„financial details“ im Graubereich der nicht<br />

weiter spezifizierten Zahlungen („Sonstige<br />

und nicht näher spezifiziert“). Somit kommt<br />

die realistische Einschätzung hinsichtlich<br />

vereinbarter Meilensteinzahlungen unter<br />

Berücksichtigung der nicht weiter spezifizierten<br />

Zahlungen zu dem Ergebnis, dass<br />

diese wahrscheinlich sogar eher (um 23 %)<br />

gesunken sind, und zwar von 1,16 Milliarden<br />

(2011) auf 892 Millionen Euro (2012).<br />

48 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Immerhin erreicht die Summe der direkten<br />

Upfront- und Meilensteinzahlungen (ohne<br />

den Mega-Deal zwischen Evotec und Bayer<br />

mit über 500 Millionen Euro) erneut nach<br />

2011 die Milliardengrenze (1,02 Mrd. €).<br />

Damit scheint sich der auf Ebene der Allian-<br />

zen bereits 2010 begonnene Aufwärtstrend<br />

zu festigen. Dahinter stehen bzgl. der Zahlungsvolumina<br />

zu 99 Prozent Allianzen<br />

zwischen <strong>Biotech</strong> und Pharma (sechs der<br />

elf analysierten Deals).<br />

Deutsche <strong>Biotech</strong>-Allianzen im Detail<br />

Die Detailbetrachtung der Top-6-<strong>Biotech</strong>-<br />

Allianzen in Deutschland 2012 ergibt ein<br />

ähnliches Bild wie im vergangenen Jahr:<br />

• Alle sechs Top-Deals stehen in Verbindung<br />

mit Tech@Companies in den im Einleitungs-<br />

kapitel „Perspektive“ beschriebenen Ausprägungen.<br />

• Dennoch sind alle Deals auf konkrete Produkte<br />

fokussiert, die aus den o. a. Technologien<br />

abgeleitet sind.<br />

• Mit einer Ausnahme (AiCuris, Phase III)<br />

wurden alle Deals zu einem relativ frühen<br />

Zeitpunkt im Entwicklungsprozess der im<br />

Fokus stehenden Produkte abgeschlossen.<br />

Der Link zu den Technologieplattformen<br />

bekräftigt die zuvor getroffenen Aussagen<br />

hinsichtlich der attraktiven Geschäftsmöglichkeiten<br />

ausgehend von den Plattformtypen,<br />

wobei die attraktivste – Tech@MPO –<br />

in diesem Jahr ausnahmsweise gar nicht in<br />

der Aufstellung erscheint:<br />

• Evotecs Vereinbarung mit Janssen ist die<br />

(bereits kurze Zeit nach der Kollaboration<br />

mit der Harvard Universität erfolgte) Trans-<br />

lation von Forschungsergebnissen in einen<br />

kommerziellen Deal (Tech@Translation).<br />

• In der Multi-Target-Allianz mit Bayer übernimmt<br />

Evotec Teile des F&E-Wertschöpfungsprozesses<br />

als externer Partner, das<br />

Paradebeispiel für Tech@Process.<br />

• Hinter dem Phenex-Deal mit Janssen<br />

steckt ebenfalls Tech@Process basierend<br />

auf spezifischen Screening-Verfahren<br />

(nukleare Rezeptor-Modulatoren).<br />

• AiCuris bestätigt mit der Lizenz an Merck<br />

& Co. die Erfolgsstory von Tech@Disease.


Transaktionen<br />

Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />

Firma<br />

Partner<br />

Land<br />

Datum<br />

Deal-Fokus<br />

Therapeutischer<br />

Status<br />

Krankheitsgebiet<br />

Potenzieller<br />

Wert (Mio. €)<br />

Upfront-Zahlungen<br />

(Mio. €)<br />

Meilensteine<br />

(Mio. €)<br />

Royaltys<br />

Gegenstand<br />

Evotec<br />

Bayer<br />

Deutschland<br />

1. Oktober<br />

Produkt<br />

Forschung<br />

Endometriose<br />

592,0<br />

12,0<br />

580,0<br />

zweistellig<br />

Multi-Target-<br />

Allianz: Erforschung<br />

und<br />

Entwicklung von<br />

drei klinischen<br />

Wirkstoffkandidaten<br />

gegen<br />

Endometriose<br />

(Laufzeit fünf<br />

Jahre)<br />

AiCuris<br />

Merck & Co.<br />

USA<br />

15. Oktober<br />

Produkt<br />

Phase II<br />

Infektion<br />

(HCMV)<br />

442,5<br />

110,0<br />

332,5<br />

ja<br />

Weltweite Lizenz-<br />

vereinbarung<br />

über die Entwicklung<br />

und Vermarktung<br />

von<br />

AiCuris'<br />

HCMV-Wirkstoffkandidaten,<br />

z.B.<br />

AIC246<br />

Evotec<br />

Janssen<br />

Pharmaceuticals<br />

(Tochtergesellschaft<br />

von J&J)<br />

USA<br />

10. Juli<br />

Produkt<br />

Präklinik<br />

Diabetes<br />

mind. 239,5<br />

6,2<br />

mind. 233,3<br />

ja<br />

Ausweitung der<br />

bestehenden<br />

Kollaboration<br />

(CureBeta) zwischen<br />

Evotec<br />

und der Harvard<br />

Universität auf<br />

Janssen Pharma-<br />

ceuticals über<br />

die Entwicklung<br />

von die Regeneration<br />

von<br />

ß-Zellen fördern-<br />

den Wirkstoffkandidaten<br />

Evotec<br />

Janssen<br />

Pharmaceuticals<br />

(Tochtergesellschaft<br />

von J&J)<br />

USA<br />

17. Dezember<br />

Produkt<br />

Präklinik<br />

Depression<br />

136,1<br />

1,6<br />

134,5<br />

zweistellig<br />

Weltweite Lizenz-<br />

vereinbarung<br />

über die Entwicklung<br />

und Vermarktung<br />

von<br />

Evotecs Port-<br />

folio von<br />

NR2B-selektiven<br />

NMDA-Rezeptor-<br />

Antagonisten<br />

Phenex Pharmaceuticals<br />

Janssen <strong>Biotech</strong><br />

(Tochtergesellschaft<br />

von J&J)<br />

USA<br />

17. Dezember<br />

Produkt<br />

Forschung<br />

Chronische<br />

Autoimmun- und<br />

Entzündungserkrankungen<br />

mind. 105,0<br />

Evotec<br />

Zhejiang CONBA<br />

Pharmaceutical<br />

China<br />

2. Mai<br />

Produkt<br />

Phase I<br />

Entzündung<br />

mind. 60,0<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 49<br />

n/a<br />

n/a<br />

ja<br />

Erforschung und<br />

Entwicklung von<br />

Wirkstoffen,<br />

welche an dem<br />

Kernrezeptor<br />

RORγT ansetzen<br />

n/a<br />

n/a<br />

zweistellig<br />

Lizenzverein-<br />

barung zur Entwicklung<br />

und<br />

Vermarktung in<br />

China von Evotecs<br />

Wirkstoff<br />

EVT 401, einem<br />

selektiven,<br />

niedermole-<br />

kularen<br />

P2X7-Antagonisten<br />

für<br />

entzündliche<br />

Krankheiten<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro<br />

von MSD für HCMV-Portfolio<br />

Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff,<br />

CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal<br />

Deal mit MSD<br />

Am 12. Oktober letzten Jahres hat AiCuris<br />

mit Merck & Co. (MSD) einen Lizenzvertrag<br />

über ihr Entwicklungsportfolio gegen das<br />

humane Cytomegalievirus (HCMV) geschlos-<br />

sen. Im Rahmen dieses Vertrages übernimmt<br />

MSD die weltweiten Rechte an dem HCMV-<br />

Compound Letermovir (Phase III in Vorbereitung),<br />

einem Back-up-Kandidaten und<br />

weiteren Phase-I-Compounds mit einem alternativen<br />

Wirkmechanismus. Dieser Vertrag<br />

fand aufgrund des Deal-Konstruktes, aber<br />

auch der finanziellen Konditionen große Beachtung.<br />

So enthält er eine ungewöhnlich<br />

hohe Upfront-Zahlung von 110 Millionen Euro,<br />

zusätzliche Meilensteinzahlungen in Höhe von<br />

332,5 Millionen Euro sowie Royaltys auf die<br />

Umsätze. AiCuris hat ferner das Recht der Co-<br />

Promotion in einigen europäischen Ländern.<br />

Exzellente Qualität der Compounds<br />

Die Höhe dieses Lizenzvertrages spiegelt das<br />

ungewöhnliche Angebot seitens der AiCuris<br />

wider, die sich der Entwicklung ausschließlich<br />

resistenzbrechender Moleküle gegen überwiegend<br />

schwere, lebensbedrohliche virale<br />

und bakterielle Infektionskrankheiten verschrieben<br />

hat. Somit sind die meisten Entwick-<br />

lungssubstanzen von AiCuris chemisch gesehen<br />

„first in class“-Moleküle mit neuen<br />

Wirkmechanismen. Auch im Fall des HCMV-<br />

Portfolios stammen alle Moleküle aus unterschiedlichen<br />

chemischen Klassen und adressieren<br />

insgesamt zwei neue Zielmoleküle des<br />

Virus. Der Preis wurde aber nicht nur für die<br />

hohe wissenschaftliche Innovation gezahlt:<br />

Die Leitsubstanz Letermovir hatte in der<br />

Phase II beide primären Wirksamkeits-Endpunkte<br />

der Studie mit hoher Signifikanz erreicht<br />

und war zusätzlich in 13 Phase-I-Studien<br />

sorgfältig charakterisiert worden. Ihre<br />

weitere klinische Entwicklung konnte daher<br />

sehr gut eingeschätzt werden und kam dem<br />

Trend entgegen, dass zunehmend Projekte<br />

gesucht werden, die nur noch wenig Entwicklungsrisiko<br />

bergen. Hinzu kam, dass AiCuris<br />

auch von den Behörden ein sehr positives<br />

Feedback hatte. Diesseits und jenseits des<br />

Atlantiks war der Orphan-Drug-Status vergeben<br />

worden. In den USA hatte die Substanz<br />

zudem die Fast-Track-Designation erhalten.<br />

Vielversprechende Indikation<br />

Aber auch die Indikation selbst dürfte als sehr<br />

attraktiv angesehen worden sein. HCMV wurde<br />

lange Zeit von den meisten großen Pharma-<br />

Firmen nicht bearbeitet, sodass es kaum nen-<br />

nenswerte Konkurrenzprodukte in der Entwicklung<br />

gibt. Der Markt wuchs jedoch seit<br />

Jahren zweistellig, denn HCMV-Medikamente<br />

werden zunehmend in der Transplantationsmedizin<br />

eingesetzt. Dies liegt daran, dass<br />

HCMV (ein mit dem Herpes-simplex-Virus<br />

verwandtes Virus) in der Bevölkerung weit<br />

verbreitet ist und viele Transplantatempfänger<br />

und -spender damit chronisch infiziert<br />

sind. Während das Virus bei den meisten<br />

Menschen mit gesundem Immunsystem<br />

keinerlei Symptome verursacht, kann es bei<br />

einem geschwächten Immunsystem (z. B.<br />

nach Knochenmarks- oder Organtransplantation)<br />

zu äußert massiven, z. T. lebensbedrohlichen<br />

Infektionen durch HCMV kommen,<br />

die dringend behandelt werden müssen.<br />

Ausgezeichnete Prognose<br />

Für AiCuris war es neben den sehr guten klinischen<br />

Ergebnissen wichtig, die potenziellen<br />

Partner anhand verfügbarer Daten davon zu<br />

überzeugen, dass das Wachstum des Transplantationsmarktes<br />

per se noch weitergehen<br />

wird. Darüber hinaus wurde in einer Marktstudie<br />

prognostiziert, dass eine Substanz, die<br />

nicht nur hocheffektiv, sondern auch sehr gut<br />

verträglich ist, andere Behandlungsoptionen<br />

bietet als die verfügbaren Medikamente.<br />

Beispielsweise würde man von der Behandlung<br />

der akuten Infektion (die mit den verfügbaren<br />

Medikamenten nicht immer beherrschbar<br />

ist) zu einer Prophylaxe gegen<br />

das Virus übergehen.<br />

50 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Erschließung neuer Märkte<br />

Nicht zuletzt wurden aber auch Visionen für<br />

die Erschließung neuer Märkte entwickelt.<br />

So können nun Patientenpopulationen gegen<br />

HCMV behandelt werden, für die es aufgrund<br />

der starken Nebenwirkungen existierender<br />

Medikamente bislang keine zugelassene Behandlung<br />

gibt, z. B. HCMV-infizierte Neugeborene<br />

oder Schwangere. Als ein weiteres<br />

Potenzial wurden Patienten mit vorübergehender<br />

oder partieller Immunschwäche angesehen,<br />

wie HIV-Infizierte, Patienten auf<br />

Intensivstationen oder auch ältere Menschen,<br />

deren Immunsystem durch HCMV sehr belas-<br />

tet wird. Aufgrund der möglichen, zusätzlichen<br />

Marktsegmente war es AiCuris wichtig,<br />

dass der Partner nicht nur die Substanz Leter-<br />

movir weiterentwickelt, sondern auch eine<br />

der Nachfolgeverbindungen mit einem ande-<br />

ren Wirkmechanismus. Dies sollte erlauben,<br />

unterschiedliche Substanzen in unterschiedlichen<br />

Indikationen zu positionieren oder<br />

aber auch die (ggfs. fixe) Kombination von<br />

zwei Substanzen anzubieten.<br />

Nach dem Deal ist vor dem Deal<br />

Neben Letermovir und seinen Nachfolge-<br />

Substanzen enthält die Pipeline von AiCuris<br />

einen zweiten hochinnovativen Wirkstoff, der<br />

ebenfalls eine erfolgreiche Phase II mit hoch-<br />

signifikantem Erreichen aller Studienendpunkte<br />

und guter Verträglichkeit aufweisen<br />

kann: Pritelivir. Diese Substanz – ebenfalls ein<br />

„first in class“-Molekül mit neuem Wirkmecha-<br />

nismus – ist gegen genitalen und labialen<br />

Herpes gerichtet und hemmt die Helicase /<br />

Primase der Viren. Von diesem neuen Wirkmechanismus,<br />

verbunden mit einer langen<br />

Halbwertszeit, wird eine höhere Suppression<br />

des Virus erwartet, die auch bezüglich der<br />

Verhinderung der sexuellen Übertragung<br />

äußerst wichtig ist. Die lange Halbwertszeit<br />

sollte darüber hinaus aber auch eine sehr<br />

angenehme Dosierung erlauben: Eine Ta-<br />

blette zur Behandlung einer Herpes-Episode<br />

und eine einmal wöchentliche Einnahme für<br />

die dauerhafte Unterdrückung wiederkehrender<br />

Ausbrüche. Auch in dieser Indikation<br />

adressiert AiCuris einen Markt, in dem seit<br />

Jahrzehnten keine Innovation stattgefunden<br />

hat und in dem es außer generischen Medikamenten<br />

keine nennenswerte Konkurrenz gibt.<br />

Die Firma plant bis Anfang 2014 für Pritelivir<br />

einen Partner zu finden.<br />

www.aicuris.com


Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert<br />

sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen<br />

Dr. Claus Kremoser,<br />

Thomas Hoffmann,<br />

CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG,<br />

Ludwigshafen<br />

Mit Präklinik in Kollaborationen?<br />

Bisher galt als eines der großen Hindernisse<br />

für eine frühe Verpartnerung eines Drug<br />

Discovery Programms schlichtweg, dass man<br />

dafür auf präklinischer Stufe nicht genügend<br />

Geld von einem Pharma-Partner bekommt.<br />

Typischerweise setzt man den „value inflection<br />

point“, also die Stufe, auf der man deutlich<br />

mehr Geld bekommt als man investiert<br />

hat, nach einer erfolgten Phase II POC-Studie<br />

an. Um allerdings vom ersten Screen bis dort-<br />

hin zu kommen, kann man niedrige zwei-<br />

stellige Millionenbeträge als Investition ansetzen<br />

– eine Summe, die man derzeit in<br />

Deutschland außer von wenigen Family Offi-<br />

ces nicht als Risikokapital bekommen kann.<br />

Yes, we can: RORgamma<br />

Wir hatten vielleicht den richtigen Riecher<br />

als wir vor fünf Jahren auf ein neues Drug<br />

Target setzten, das mehrere Vorteile in sich<br />

vereint: RORgamma ist ein Kernrezeptor,<br />

der entscheidend für die Differenzierung<br />

von IL-17-produzierenden Th17-Zellen verantwortlich<br />

ist. Th17-Zellen sowie andere<br />

IL-17-produzierende Lymphozyten werden<br />

ursächlich mit verschiedenen chronisch-entzündlichen<br />

Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang<br />

gebracht, v. a. mit Schuppenflechte,<br />

Rheumatoider Arthritis und Multipler<br />

Sklerose. RORgamma bietet grundsätzlich<br />

die Möglichkeit, seine Funktion über small<br />

molecule-Inhibitoren zu blockieren. Dieser<br />

innovative small molecule-Ansatz ermög-<br />

licht es, den riesigen Markt an Therapien für<br />

chronisch-entzündliche Erkrankungen neu<br />

zu erschließen – einen Markt, der normalerweise<br />

mit sehr teuren Biologicals bedient<br />

wird. Es kamen für uns noch zwei günstige<br />

Faktoren hinzu: Wir hatten 2009 / 2010 die<br />

ersten brauchbaren Startpunkte identifiziert<br />

und bereits 2010 wurde eine erste prä-<br />

klinische Kooperation zwischen Exelixis und<br />

BMS auf RORgamma publiziert. In kurzer<br />

Zeit kamen noch zwei „teure“ RORgamma-<br />

Deals zwischen Lycera / Merck & Co. bzw.<br />

Karo Bio / Pfizer hinzu. Weiteren Rückenwind<br />

erhielten wir dadurch, dass letztes Jahr der<br />

IL-17-Pathway durch die Veröffentlichung<br />

von positiven Ergebnissen aus drei großen<br />

Phase IIb-Studien in Patienten mit Schuppen-<br />

flechte unter Verwendung von gegen IL-17<br />

bzw. den IL-17-Rezeptor gerichteten Antikörpern<br />

klinisch eindeutig validiert wurde.<br />

Kurzum: Dadurch, dass wir auf dem „<strong>Biotech</strong>-Markt“<br />

die letzten Anbieter eines soliden<br />

und mit mehreren Lead-Serien bestück-<br />

ten RORgamma-Programms waren, konnten<br />

wir sehr gute Konditionen für uns heraushandeln,<br />

obwohl das Projekt noch auf prä-<br />

klinischer Stufe ist.<br />

Zuschlag für Janssen<br />

Aus einer Liste von ca. einem Dutzend interessierter<br />

Pharma-Firmen haben wir uns mit<br />

Janssen einen Partner ausgesucht, der ein<br />

ganz deutliches Commitment zu diesem<br />

Projekt demonstriert hat und sicherlich in<br />

diesem therapeutischen Gebiet einer der<br />

stärksten Player ist. Wir hatten aber nicht<br />

nur einfach Glück, sondern waren auch gut<br />

vorbereitet. Als risikobereite, gut informierte<br />

Kleinfirma haben wir uns innerhalb<br />

weniger Wochen für RORgamma als Target<br />

entschieden – die Großfirmen haben dafür<br />

drei bis fünf Jahre benötigt. Zudem leistete<br />

unser internes RORgamma-Team Heraus-<br />

ragendes und brachte in kürzester Zeit mehrere<br />

medizinalchemisch attraktive Leitstruk-<br />

turserien samt Validierung und Patentierung<br />

hervor. Aufgrund der spürbar zunehmenden<br />

Konkurrenz der Großunternehmen und der<br />

wachsenden Bedenken, in kurzer Zeit unseren<br />

kompetitiven Vorteil zu verlieren, entschlossen<br />

wir uns, das Projekt meistbietend und<br />

mit dem besten Fit zu verpartnern. Janssen<br />

war im Gegensatz zu allen anderen bereit,<br />

ein echtes Pooling ihres internen Programms<br />

mit unserem Programm anzubieten. Ver-<br />

einfacht heißt das, dass wir in den Genuss<br />

der klinischen Meilensteine kommen, egal,<br />

ob der Kandidat von uns oder von Janssen<br />

stammt. Insgesamt können, alle klinischen<br />

Meilensteine eingeschlossen, bis zu 123 Millionen<br />

Euro fällig werden, inklusive einer<br />

erheblichen Upfront-Zahlung. Hinzu kommen<br />

noch Royaltys auf Produktverkäufe aus<br />

dieser Kooperation.<br />

Neuer Hoffnungsträger: FXR<br />

Dieses Geld investieren wir nun auch in die<br />

Weiterentwicklung unseres anderen Projektes,<br />

des klinischen FXR-Agonisten Px-102.<br />

Mit Px-102 haben wir die komplette Phase I<br />

absolviert. Für die anstehende Phase II hätten<br />

wir zusätzliches Eigenkapital aufnehmen<br />

müssen und unsere Investoren sind dank-<br />

bar dafür, dass wir das nun aufgrund der<br />

RORgamma-Upfront-Zahlung nicht mehr<br />

müssen. Bei FXR verfolgen wir einen ähnlichen<br />

Ansatz wie bei RORgamma: Aufgreifen<br />

eines Targets, welches schon durch viele<br />

Publikationen und mittlerweile durch ein klinisches<br />

Compound der US-<strong>Biotech</strong>-Firma<br />

Intercept als validiert gelten kann, allerdings<br />

von den risikoaversen „Big Pharmas“ bisher<br />

noch nicht aufgegriffen wurde. Im Unterschied<br />

zu RORgamma adressieren wir hier aber einen<br />

neuen Markt, den der Leberfibrose mit der<br />

primären Indikation NASH (Nicht-alkoholi-<br />

sche Steatohepatitis). Der potenzielle Markt<br />

ist aufgrund der heute schon hohen Prävalenz<br />

(ca. 5 % der Bevölkerung der Industrie-<br />

länder) sehr groß. Allein fehlte bisher ein<br />

„Eisbrecher“, der mit einem neuen therapeutischen<br />

Ansatz einen akzeptablen klinischen<br />

Entwicklungspfad aufzeigt. Das hat sich seit<br />

2012 geändert. Welches Potenzial in dem<br />

„NASH“-Markt schlummert, kann man an<br />

der Börsenbewertung unserer Konkurrenz<br />

Intercept ablesen: 500 Millionen US-Dollar<br />

basierend auf einem einzigen klinischen<br />

Projekt! Hier in Deutschland ist der Börsengang<br />

aus momentaner Sicht leider keine<br />

sinnvolle Alternative. Aber wir sind überzeugt,<br />

dass der Medical Need, der von NASH<br />

und den assoziierten Leberkomplikationen<br />

ausgeht, sehr bald auch Großpharmafirmen<br />

veranlassen wird, auf diesem Gebiet tätig zu<br />

werden. Und so heißt es dann hoffentlich in<br />

ein bis zwei Jahren für Phenex: Play it<br />

again, Sam!<br />

www.phenex-pharma.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

51


Zwei wesentliche Auffälligkeiten der dies-<br />

jährigen Aufstellung von Top-Allianzen sind<br />

besonders hervorzuheben: die Deals von<br />

Evotec im „Vierer-Pack“ (einmal mit Bayer,<br />

zweimal mit Janssen / J&J und einmal mit<br />

Zhejiang CONBA Pharmaceutical) und die<br />

herausragende Transaktion von AiCuris mit<br />

Merck & Co.<br />

Alle vier Evotec-Vereinbarungen haben<br />

unterschiedliche Zielsetzungen:<br />

• Translationsallianz mit Janssen<br />

• Multi-Target-Allianz mit Bayer<br />

• Produktentwicklungsallianz mit Janssen<br />

• Geographische Entwicklungs- und Vermarktungsallianz<br />

mit Zhejiang CONBA<br />

Pharmaceuticals<br />

Dadurch wird die Wertschöpfungskette der<br />

Therapeutikaentwicklung komplett abgedeckt.<br />

Dass dieses Phänomen auch gerade<br />

in einem einzigen Jahr zum Tragen kommt,<br />

veranschaulicht das Potenzial von <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen dieser Aufstellung umso<br />

augenscheinlicher. Die Plattform der Hamburger<br />

schafft es also, Innovationen sehr<br />

effizient und in kurzer Zeit in kommerzielle<br />

Entwicklungen umzusetzen, dabei in Deals<br />

mit Partnern entlang der Entwicklung signifikante<br />

Einnahmen zu erzielen und am Ende<br />

auch eigene Produkte auf den Markt zu<br />

bringen.<br />

Das zweite Beispiel – AiCuris – weist nicht<br />

weniger bemerkenswerte Eigenschaften<br />

auf. Zunächst sei die herausragende Up-<br />

front-Zahlung von 110 Millionen Euro ge-<br />

nannt: die in Europa zweithöchste Upfront-<br />

Summe nach dem Deal von Galapagos mit<br />

116 Millionen Euro. Das bemerkenswerteste<br />

an dieser Transaktion ist jedoch, dass die<br />

Upfront-Zahlung 25 Prozent des publizier-<br />

ten Allianzvolumens darstellt, ein Wert, mit<br />

dem AiCuris einsam an der Spitze der großvolumigen<br />

globalen Allianzen 2012 über<br />

100 Millionen Euro steht. Dieser Erfolg ist<br />

gerade aus heutiger Sicht deshalb so bedeutsam,<br />

weil er den zuvor beschriebenen<br />

Trend zu „Back-loaded Deals“ in einem fast<br />

reinen Pharma-Käufermarkt auf den Kopf<br />

stellt.<br />

Transaktionen<br />

Auch das Deal-Volumen insgesamt kann<br />

sich sehen lassen. Dieser Erfolg stellt zwei<br />

wichtige Aspekte sehr deutlich in den Vordergrund:<br />

Es ist eine sehr essenzielle und<br />

nicht immer einfache Aufgabe des <strong>Biotech</strong>-<br />

Managements, den Wert der Assets überzeugend<br />

in den Verhandlungen darzustellen.<br />

Im Fall AiCuris war es nicht von vorneherein<br />

klar, warum die Behandlung von HCMV-Infektionen<br />

aus Marktsicht so bedeutend sein<br />

sollte. Wenngleich eine sehr große Zahl von<br />

Menschen latenter Träger des Virus ist,<br />

so ist die manifestierte Krankheit selbst<br />

nicht sehr verbreitet. Allerdings ist bei<br />

einem Ausbruch die Symptomatik lebens-<br />

bedrohend. Unter diesen Prämissen war es<br />

kriegsentscheidend, die präventive Wirkung<br />

der Behandlung und die damit verbundene<br />

Kosteneinsparung im Krankheitsfall ebenso<br />

in die Waagschale zu legen wie den Nutzen<br />

für den individuellen Patienten („Patient<br />

Outcome“). Des Weiteren ist für einen solchen<br />

Abschluss aber auch Standfestigkeit<br />

erforderlich. Dies schließt letztlich die Konsequenz<br />

ein, im Notfall bei nicht erreichten<br />

Zielen bzgl. der Deal Terms den Verhandlungstisch<br />

zu verlassen. Dies ist auch bei<br />

AiCuris geschehen: Vor einem Verkauf „unter<br />

Wert“ wurde vorgezogen, zusätzliche<br />

Daten zu generieren und damit in Kauf genommen,<br />

den Transaktionsabschluss zu<br />

verschieben, im schlimmsten Fall zu gefährden.<br />

Darüber hinaus war auch ein Szenario<br />

mit einer komplettierten Phase III in Betracht<br />

gezogen worden. Hier stoßen <strong>Biotech</strong>-Unter-<br />

nehmen normalerweise an ihre Grenzen,<br />

wenn nicht – wie im Fall AiCuris mit dem<br />

Family Office Strüngmann – ein starker In-<br />

vestor den Rücken stärkt.<br />

52 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Allianzen in der Diagnostik noch nicht<br />

dem Trend entsprechend<br />

Die nach Deal-Volumina geordnete Liste von<br />

Allianzen zeigt erwartungsgemäß große<br />

Transaktionen zwischen <strong>Biotech</strong>- und Pharma-<br />

Firmen an vorderster Front.<br />

Dabei wird leicht übersehen, dass auch im<br />

Bereich der Diagnostik sowie der industriellen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie Allianzen eine wichtige<br />

Rolle spielen und tatsächlich auch stattfinden.<br />

Allerdings ist die Transparenz bzgl. der<br />

Details zu diesen Allianzen noch weniger<br />

ausgeprägt als bei den <strong>Biotech</strong>-Pharma-Deals,<br />

weswegen sie häufig dem Radar entgehen.<br />

Von den deutschen Diagnostikunternehmen<br />

hat sich aktuell vor allem Curetis aus Holzgerlingen<br />

hervorgetan. Curetis verbindet<br />

Molekularbiologie, Medizintechnik, Diagnostik<br />

und Ingenieurwesen, um automatisierte<br />

Lösungen im Bereich der Molekulardiagnos-<br />

tik anzubieten. Derzeit konzentriert sich<br />

das Unternehmen auf die schnelle Identi-<br />

fizierung von Bakterien, die schwere,<br />

akute Infektionen auslösen, und Antibio-<br />

tikaresistenzen. Mit diesem Ansatz hat das<br />

Unternehmen im letzten Jahr (2011) mit<br />

seinem Geschäftskonzept einige der renommierten<br />

Investoren überzeugen können<br />

(z. B. Forbion Capital Partners, Wellington<br />

Partners, Roche Venture Fund).<br />

Im aktuellen Berichtsjahr macht Curetis<br />

auch auf der Transaktionsseite von sich<br />

hören: Allein sechs Deals mit neuen Partnern<br />

schlagen für 2012 zu Buche.<br />

• F&E-Vereinbarung mit Cempra im Rahmen<br />

der Erarbeitung weiterer Anwendungsbereiche<br />

• Herstellungsvereinbarungen mit Horst<br />

Scholz und Heraeus Medical zur Lieferung<br />

von Bauteilen bzw. als Partner in der Herstellung<br />

der Messgeräte<br />

• Vertriebsvereinbarungen mit Mediphos<br />

(Niederlande), Advanced Technology<br />

Company (Golfregion) und BioLine<br />

(Russland)


Mit diesen Aktivitäten hat Curetis sukzes-<br />

sive die komplette Wertschöpfungskette<br />

abgedeckt und somit den Marktauftritt gut<br />

vorbereitet. <strong>Biotech</strong>-Unternehmen im<br />

Diagnostikbereich – zumindest wie in diesem<br />

Beispiel demonstriert – sind also<br />

stärker auf den Aufbau einer integrierten<br />

Wertschöpfungskette mit Stoßrichtung<br />

Markt ausgerichtet als auf Allianzen mit<br />

großen Partnern.<br />

Weitere Diagnostiktransaktionen im Be-<br />

richtsjahr wurden zwischen WILEX und der<br />

Immundiagnostik AG zur Vermarktung von<br />

ELISA-basierten Krebstests, zwischen JPT<br />

Peptide Technologies in Berlin (Spin-off der<br />

Jerini, jetzt unter dem Dach von BIONTECH)<br />

und Tecan in der Schweiz zur gemeinsamen<br />

Vermarktung der JPT-Protein-Arrays<br />

(PepStar TM ) sowie zwischen Epigenomics<br />

und Companion Dx (molekular-diagnostisches<br />

Referenzlaboratorium mit Sitz in<br />

den USA) zur Verwendung des Septin9-<br />

Biomarkers abgeschlossen.<br />

Im Bereich der Molekulardiagnostik ist die<br />

Erwartungshaltung stark auf zunehmende<br />

Kollaborationen zwischen Testentwicklern<br />

und Pharma-Unternehmen im Zusammenhang<br />

mit Companion Diagnostics gerichtet.<br />

Allerdings zeigt sich diese Ausrichtung<br />

derzeit zumindest in der Auflistung deutscher<br />

<strong>Biotech</strong>-Allianzen noch nicht in einer<br />

signifikanten Zunahme der entsprechenden<br />

Pharma-Diagnostik-Deals. Der steigende<br />

regulatorische Druck auf Pharma-Unternehmen,<br />

frühzeitig stratifizierende Biomarker<br />

in ihre Entwicklungsprogramme zu inte-<br />

grieren, wird aber in Zukunft häufiger entsprechende<br />

Allianzen zutage bringen.<br />

Transaktionen<br />

Industrielle <strong>Biotech</strong>nologie als<br />

„Zulieferer“ der Großchemie<br />

Die Recherche liefert – wenn auch ebenfalls<br />

meist ohne Zahlenangaben – dennoch einige<br />

Allianzen zwischen Unternehmen der weißen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie und des erweiterten Chemiesektors.<br />

Dieses Modell scheint fast dem<br />

<strong>Biotech</strong>-Pharma-Modell nachempfunden:<br />

<strong>Biotech</strong> als Ideenschmiede, Großchemie<br />

als Entwickler und Vermarkter. <strong>Biotech</strong><br />

befindet sich deshalb auch vielfach in der<br />

Rolle des Technologieexperten und Experimentierers<br />

in präkommerziellen Phasen.<br />

Einige Beispiele zeigen dies auch in der<br />

aktuellen Deal-Liste anhand von Allianzen<br />

zwischen <strong>Biotech</strong> und Chemie:<br />

• LANXESS und evocatal kooperieren mit<br />

dem Ziel, nachwachsende einheimische<br />

Rohstoffe für die biotechnische Herstellung<br />

von Kautschukvorprodukten nutzbar zu<br />

machen (Ersatz fossiler Rohstoffe, neue<br />

Synthesewege, neue Biokatalysatoren).<br />

• BRAIN und Evonik Industries kooperieren<br />

auf dem Gebiet der Entwicklung von neuen<br />

Mikroorganismen mit dem Ziel, solche zu<br />

identifizieren und zu entwickeln, die durch<br />

Adsorption an bestimmte Oberflächen<br />

diesen spezifische neue, physikalische<br />

Eigenschaften zuweisen können.<br />

Daneben nutzen „White <strong>Biotech</strong>“-Unternehmen<br />

in Allianzen auch große Industriepartner<br />

als Vertriebskanäle für den Endmarkt.<br />

Sartorius Stedim <strong>Biotech</strong>, ein international<br />

führender Zulieferer der Pharma-Industrie,<br />

hat z. B. mit c-LEcta ein Abkommen über den<br />

weltweiten Vertrieb der Serratia-marcescens-<br />

Nuklease für biopharmazeutische Anwendungen<br />

getroffen.<br />

Es existiert überdies eine ebenso aktive<br />

Transaktionsszene zwischen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

mit dem Ziel, neue Anwendungen<br />

durch die Nutzung ihrer kombinierten Technologien<br />

und Kompetenzen zu entwickeln.<br />

Ein Beispiel hierfür sind c-LEcta und Aquapharm<br />

(Schottland), die zusammen an der<br />

Identifizierung und Kommerzialisierung<br />

neuer mariner Biokatalysatoren arbeiten.<br />

Dabei bringt c-LEcta seine Kompetenz im Bereich<br />

des Enzym-Engineering ein, während<br />

Aquapharm seine Stammsammlung mariner<br />

Organismen und assoziiertes Know-how zur<br />

Verfügung stellt. Einzelheiten über konkrete<br />

Deal Terms, Volumina, Upfront-Zahlungen<br />

und Risikoverteilung werden allerdings ebenso<br />

wenig offengelegt wie Details zu Meilensteinzahlungen<br />

und der Partizipation am<br />

Markterfolg.<br />

Somit stehen die Unternehmen der industriellen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie meist noch stärker<br />

in der eher klassischen Technologie-Zu-<br />

liefererrolle. Entwicklungen zu voll integrierten<br />

Unternehmen mit eigenem Marktzugang<br />

wurden bereits im Einleitungskapitel<br />

„Perspektive“ erwähnt (z. B. BRAIN) und<br />

werden im Folgenden unter den M&A-Transaktionen<br />

wieder aufgegriffen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 53


evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity<br />

Dr. Thorsten Eggert,<br />

CEO evocatal GmbH, Düsseldorf<br />

evocatal – <strong>Biotech</strong>nologie aus Düsseldorf<br />

Die evocatal GmbH ist ein Unternehmen der<br />

industriellen <strong>Biotech</strong>nologie mit Schwerpunkt<br />

auf Entwicklung und Produktion maßgeschneiderter<br />

Biokatalysatoren und Feinchemikalien<br />

für den Einsatz in der chemischen<br />

und pharmazeutischen Industrie. Das Angebot<br />

umfasst Auftragsforschung und die<br />

Bereitstellung eigener Biokatalysatoren mit<br />

dem Ziel, Produktionsprozesse der Kunden<br />

nachhaltig und effektiver zu gestalten. Das<br />

Unternehmen wurde im Jahr 2006 gegründet<br />

als Spin-off des Instituts für Molekulare<br />

Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität<br />

Düsseldorf im Forschungszentrum<br />

Jülich. Seither beteiligt sich evocatal aktiv<br />

an wissenschaftlichen Netzwerken, leitet<br />

internationale Forschungskooperationen<br />

und arbeitet so stets auf dem neuesten<br />

Stand.<br />

Gut finanziert, auch über eigenen<br />

Cashflow<br />

Die Geschäftsentwicklung wurde durch ein<br />

Netzwerk von Seed-Investoren wie dem<br />

High-Tech Gründerfonds und dem Sirius<br />

Seedfonds Düsseldorf in Verbindung mit<br />

Business Angels finanziert. Aufgrund des<br />

Businessmodels der evocatal wurde seit<br />

Gründung Umsatz durch Kooperationsprojekte<br />

und in den letzten Jahren zunehmend<br />

durch Produktverkäufe generiert. Seit 2011<br />

liegt der Umsatz im siebenstelligen Bereich<br />

mit hohen jährlichen Wachstumsraten. Ein<br />

Teil der Technologie- und Produktentwicklungen<br />

wird daher seit Gründung durch den<br />

eigenen Cashflow finanziert.<br />

Enzymtechnologie als Kernkompetenz<br />

evocatal ist spezialisiert auf die Enzymtechnologie,<br />

dort aber technologisch breit aufgestellt.<br />

Von der Auffindung neuer Enzyme<br />

im Metagenom über die maßgeschneiderte<br />

Optimierung durch molekularbiologische<br />

Techniken bis hin zur Produktion im Großmaßstab<br />

ist das Know-how firmenintern<br />

vorhanden. Im Anschluss an diese „Bio“-<br />

Entwicklung setzt bei evocatal die „Prozess“-<br />

Entwicklung an, mit dem Ziel, den enzymatischen<br />

Prozess im industriellen Maßstab<br />

beim Kunden zu etablieren oder mit dem<br />

eigenen Custom Manufacturer Spezial- und<br />

Feinchemikalien bis in den Tonnenmaßstab<br />

selbst zu produzieren und zu vertreiben.<br />

Die richtigen Kooperationen<br />

als Schlüssel zum Erfolg<br />

Den Aufbau des breiten Technologieport-<br />

folios und v. a. die Möglichkeit zur Produktion<br />

von Enzymen sowie Spezial- und Feinchemikalien<br />

im industriellen (Tonnen-)Maßstab<br />

konnte evocatal mit seinen aktuell 23 Mitarbeitern<br />

nur durch Kooperationen realisieren.<br />

Die richtigen Kooperationspartner sind an<br />

dieser Stelle von entscheidender Bedeutung.<br />

Mit der schweizerischen Rohner AG wurde<br />

2012 eine strategische Partnerschaft zum<br />

Scale-up der Enzymprozesse begonnen.<br />

„<strong>Biotech</strong> made in Germany meets Swiss precision<br />

in Scale-up“ heißt das gelebte Motto<br />

der Zusammenarbeit. Ohne selbst über Reaktoren<br />

im Kubikmeterbereich zu verfügen<br />

ist im Zusammenwirken mit dem Partner die<br />

fließende Skalierung der Prozesse bis in den<br />

industriell relevanten Maßstab möglich.<br />

Mit Innovationsallianzen auf<br />

neuen <strong>Biotech</strong>-Wegen<br />

Schon seit Jahren ist die Pharma- und mehr<br />

und mehr auch die chemische Industrie mit<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie verbunden. Zahlreiche<br />

Produkte werden dort heute schon durch<br />

biotechnologische Prozesse veredelt oder<br />

komplett produziert. Um auch die Chancen<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie in weniger „bio“-affinen<br />

Industrien zu forcieren, gehen wir als eines<br />

der ersten deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

den Weg einer „ungewöhnlichen“ Allianz. Im<br />

Rahmen der „Innovationsinitiative industrielle<br />

<strong>Biotech</strong>nologie“ ist evocatal mit seinem<br />

Konzept „Funktionalisierung von Polymeren“<br />

54 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

(FuPol) einer von drei erfolgreichen Projektkoordinatoren,<br />

welche durch das BMBF<br />

in den nächsten Jahren gefördert werden.<br />

Im Fokus der Allianz steht die Nutzung von<br />

Proteinen in zumeist kaum mit der <strong>Biotech</strong>nologie<br />

in Berührung gekommenen Industriebranchen,<br />

um hier die Biologisierung<br />

voranzutreiben. Neue biotechnologische<br />

Verfahrenswege sollen funktionalisierte,<br />

natürliche Polymere wie Lignin und Cellulose<br />

für den Einsatz als Betonzusatzmittel in der<br />

Bauchemie nutzbar machen. Zum anderen<br />

werden enzymatische Funktionalisierungen<br />

an synthetischen Polymeren den Herstellungsprozess<br />

bzw. die Veredelung von Textilien<br />

ermöglichen sowie eine Verbesserung<br />

der Faserpflege während des Waschgangs<br />

gewährleisten. Bei einer erfolgreichen Umsetzung<br />

dieser innovativen Entwicklungen<br />

können die genannten Prozesse nicht nur<br />

kostengünstiger, sondern durch die Einsparung<br />

von Energie und CO 2 sowie den Einsatz<br />

nachwachsender Rohstoffe umweltfreundlicher<br />

gestaltet werden.<br />

Die Zukunft gehört der<br />

Bio-based Economy<br />

Um den Übergang von einer erdöl- zur biobasierten<br />

Ökonomie Realität werden zu lassen,<br />

ist auch – und wahrscheinlich sogar vor<br />

allem – in der Chemie-Industrie noch sehr<br />

viel zu bewegen. Erdölunabhängige Rohstoff-<br />

quellen für die chemische Industrie zugänglich<br />

zu machen und dabei wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben, ist eine der großen Herausforderungen<br />

der Zukunft. Ohne <strong>Biotech</strong>nologie in<br />

Gänze oder in Teilprozessen ist diese Auf-<br />

gabe nicht zu bewältigen. Die evocatal wird<br />

sich daher in Zukunft neben den Spezial-<br />

und Feinchemikalien für den Pharma-Markt<br />

vermehrt auch um Lösungswege in der<br />

Chemie kümmern. Und auch hier ist die Kooperation<br />

der Schlüssel zum gemeinsamen<br />

Erfolg. Mit dem Spezialchemiekonzern<br />

Lanxess wurde beispielsweise ein solcher<br />

Partner gefunden, um die Herstellung von<br />

Kautschukvorprodukten auf Basis nachwachsender<br />

einheimischer Rohstoffe zu realisieren.<br />

www.evocatal.com


Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Technologieplattformen auch<br />

Frontrunner in Europa<br />

Noch beeindruckender ist die Liste der Top-<br />

Allianzen in Europa mit Blick auf die Transaktionspreise,<br />

die für den nicht-exklusiven<br />

Zugang zu hoch bewerteten Technologie-<br />

plattformen gezahlt werden. Alle sechs der<br />

gelisteten europäischen Top-Deals vertreten<br />

klassische Technologieplattformen vom Typ<br />

Tech@MPO oder Tech@Process.<br />

An der Spitze stehen erwartungsgemäß die<br />

„Multiple Product Opportunities“, welche<br />

Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />

Firma<br />

Land<br />

Partner<br />

Land<br />

Datum<br />

Deal-Fokus<br />

Therapeutischer<br />

Status<br />

Krankheitsgebiet<br />

Potenzieller<br />

Wert (Mio. €)<br />

Upfront-Zahlungen<br />

(Mio. €)<br />

Meilensteine<br />

(Mio. €)<br />

Royaltys<br />

Gegenstand<br />

Molecular<br />

Partners<br />

Schweiz<br />

Allergan<br />

USA<br />

21. August<br />

Produkt<br />

Präklinik<br />

Altersbedingte<br />

Makuladegeneration<br />

und verwandte<br />

Augen-<br />

erkrankungen<br />

1.137,5<br />

48,6<br />

1.088,8<br />

zweistellig<br />

Entwicklung und<br />

Vermarktung von<br />

Molecular Partners’<br />

zweifach-<br />

anti-VEGF-A/<br />

PDGF-B DARPin ®<br />

(MP0260), Erforschung<br />

und<br />

Entwicklung neuartiger,<br />

gegen<br />

Augenerkrankungengerichteter<br />

DARPins<br />

Galapagos<br />

Belgien<br />

Abbott<br />

Laboratories<br />

USA<br />

29. Februar<br />

Produkt<br />

Phase II<br />

Autoimmunerkrankungen<br />

(Rheumatoide<br />

Arthritis)<br />

1.050,0<br />

116,7<br />

933,3<br />

zweistellig<br />

Entwicklung und<br />

Vermarktung<br />

von Galapagos’<br />

Next-Generation-<br />

JAK1-Inhibitor<br />

GLPG0634<br />

Genmab<br />

Dänemark<br />

Janssen <strong>Biotech</strong><br />

(Tochtergesellschaft<br />

von J&J)<br />

USA<br />

30. August<br />

Produkt<br />

Phase II<br />

Onkologie<br />

882,7<br />

105,0<br />

777,7<br />

zweistellig<br />

Weltweite Lizenzvereinbarung<br />

über die Entwicklung<br />

und<br />

Vermarktung<br />

von Genmabs<br />

humanem<br />

monoklonalen<br />

CD38-Antikörper<br />

Daratumumab<br />

(HuMax ® -CD38)<br />

Evotec<br />

Deutschland<br />

Bayer<br />

Deutschland<br />

1. Oktober<br />

Produkt<br />

Forschung<br />

Endometriose<br />

592,0<br />

12,0<br />

580,0<br />

zweistellig<br />

Multi-Target-<br />

Allianz: Erforschung<br />

und Entwicklung<br />

von<br />

drei klinischen<br />

Wirkstoffkandidaten<br />

gegen<br />

Endometriose<br />

(Laufzeit fünf<br />

Jahre)<br />

neue Wirkstoffklassen hervorbringen, diese<br />

„am Fließband“ produzieren und in verschie-<br />

denen Therapiegebieten anwenden können.<br />

Demzufolge sind die Chancen für Deals<br />

mit Pharma breit gefächert und werden von<br />

den <strong>Biotech</strong>-Firmen effektiv genutzt.<br />

Symphogen<br />

Dänemark<br />

Merck KGaA<br />

Deutschland<br />

6. September<br />

Produkt<br />

Phase II<br />

Onkologie<br />

495,0<br />

20,0<br />

475,0<br />

Ablynx<br />

Belgien<br />

Merck & Co.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 55<br />

ja<br />

Weltweite Lizenz-<br />

vereinbarung<br />

über die Entwicklung<br />

und<br />

Vermarktung von<br />

Symphogens<br />

Wirkstoffkandidat<br />

Sym004, einer<br />

rekombinanten<br />

Antikörper-<br />

Mischung<br />

USA<br />

2. Oktober<br />

Technologie/<br />

Produkt<br />

n/a<br />

n/a<br />

456,5<br />

8,5<br />

448,0<br />

ja<br />

Lizenzverein-<br />

barung zur Entwicklung<br />

und<br />

Vermarktung<br />

von auf Ablynx’<br />

Nanobody-TechnologiebasierendenWirkstoffkandidaten<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Zu den erfolgreichsten Tech@MPO – gemessen<br />

auch an den etablierten Allianzen – zählen:<br />

• Molecular Partners in Zürich mit der<br />

DARPin ® -Plattform; DARPins sind neue<br />

Proteinstrukturen, die die Bindespezifität<br />

von Antikörpern mit den Eigenschaften<br />

niedermolekularer Wirkstoffe (Stabilität,<br />

Herstellungskosten, Wirkstärke) verbinden.<br />

Neben dem gelisteten Deal mit Allergan im<br />

Bereich Augenerkrankungen waren bereits<br />

früher Allianzen mit Centocor Research &<br />

Development, Roche und Schering (jetzt<br />

Bayer Healthcare Pharmaceuticals) sowie<br />

eine Herstellungskooperation mit Boehringer<br />

Ingelheim abgeschlossen worden.<br />

• Genmab aus Kopenhagen kann gemäß der<br />

„Partner-Pipeline“ als erfolgreichstes<br />

Plattformunternehmen angesehen werden,<br />

mit einer fast klassischen Antikörperplattform<br />

und inzwischen einer weiteren Platt-<br />

Transaktionen<br />

Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners<br />

Entwicklung<br />

und<br />

Kommerzialisierung<br />

Allergan<br />

Entwicklung<br />

und<br />

Kommerzialisierung<br />

Lizenzvereinbarung<br />

Duales anti-VEGF-A/PDGF-B DARPin ®<br />

MP0260 und seine „Backups“ gegen feuchte<br />

altersbedingte Makuladegeneration<br />

Option zur Mitfinanzierung der Entwicklung<br />

Vorauszahlung 62,5 Mio. US$<br />

Meilensteinzahlungen 1,4 Mrd. US$<br />

Zweistellige Royaltys<br />

Forschungsallianz<br />

DARPins gegen ausgewählte Targets<br />

im opthalmologischen Bereich<br />

Drei Optionen auf Lizenzvertrag<br />

form für bispezifische Antikörper. Allein<br />

die Liste der Deal-Partner klingt nach dem<br />

„Who is Who“ der Pharma-Welt (Amgen,<br />

GSK, Janssen, Emergent Biosolutions /<br />

Produktentwicklung; Novartis, Janssen,<br />

Kyowa Hakko Kirin / bispezifische Anti-<br />

körper; Roche, Lundbeck / R&D-Kooperationen<br />

zu neuen Targets).<br />

• Jünger – aber hinsichtlich der Antikörperplattform<br />

ebenso erfolgreich – ist Symphogen<br />

aus Kopenhagen, das alleine 2011<br />

mit seiner 100-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde<br />

herausragte. Alleinstellungsmerkmal<br />

hier sind Mischungen mit hochspezifischen<br />

Antikörpern. Neben dem<br />

aktuell für 2012 gelisteten Deal mit Merck<br />

KGaA bestanden bereits zuvor weitere<br />

Allianzen mit Genentech und Meiji Holdings<br />

in Japan.<br />

56 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Aufstockung der Royaltys<br />

Optionsausübungsgebühr<br />

DARPin ® -<br />

Plattform<br />

Molecular<br />

Partners<br />

DARPin ® -<br />

Plattform<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Ablynx aus Belgien ist mit einer weiteren<br />

Antikörperderivat-Plattform (Nanobodies ® )<br />

im Transaktionsfeld erfolgreich. Die Hauptpartner<br />

sind Boehringer Ingelheim (Alzheimer),<br />

Merck Serono (Onkologie, Immunologie,<br />

Inflammation), Novartis und<br />

Merck & Co. (Ionenkanäle).<br />

In gleich gutem Maße schlagen sich die<br />

Tech@Process-Plattformen, wie sie am<br />

besten durch Evotec (s. o.) oder Galapagos<br />

repräsentiert werden.<br />

Galapagos aus Belgien verfolgt ein ähnliches<br />

Modell wie Evotec: ein Serviceportfolio, das<br />

weite Teile der frühen R&D-Prozesskette<br />

umfasst und den Partnern ein Drug-Discovery-Paket<br />

zur Verfügung stellt. Darin enthalten<br />

sind die proprietären Plattformen<br />

BioFocus ® , Argenta Discovery TM und Fidelta ® ,


die die Bereiche Biologie (Target Discovery<br />

und Screening), Substanzbibliotheken /<br />

Medizinalchemie sowie ADME / PK-Services<br />

abdecken. Die 2012 neu abgeschlossene<br />

Allianz mit Abbott / AbbVie ergänzt die bereits<br />

lange Liste der Partner:<br />

• Servier (2011, Onkologie)<br />

• Servier (2010, Arthrose)<br />

• Roche (2010, Fibrose)<br />

• Eli Lilly (2007, Osteoporose)<br />

• Janssen (2007, Rheumatoide Arthritis)<br />

• GSK (2006, Lupus Erythematodes)<br />

Die Galapagos-Allianzstrategie verbindet<br />

neue Targets und Wirkstoffe aus den eigenen<br />

Labors mit der klinischen Expertise seiner<br />

Pharma-Partner. Galapagos führt diese Pro-<br />

gramme bis zu definierten Übergangspunkten<br />

(Entwicklungskandidat, Phase I, Phase<br />

II), von wo aus der Partner die weitere Entwicklung<br />

in die Hand nimmt. Aktuell arbeiten<br />

die Belgier parallel an über 30 Programmen<br />

in den sieben o. a. Allianzen und haben seit<br />

2006 bereits über 250 Millionen US-Dollar<br />

aus diesen Partnerschaften eingenommen.<br />

Folgerichtig können sie sich inzwischen auch<br />

ein eigenes Entwicklungsportfolio in den<br />

Indikationsgebieten Rheumatoide Arthritis<br />

und Krebsmetastasierung leisten.<br />

Die Größenordnung der beschriebenen Top-<br />

Allianzen mit Meilensteinzahlungen von fast<br />

einer halben (Ablynx) bis deutlich über einer<br />

Transaktionen<br />

Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern,<br />

Europa und USA<br />

Summe (Mio. €)<br />

4.000<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

2007 2008 2009<br />

Upfront Cash Upfront Equity<br />

Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen*<br />

*Durchschnittswert wurde auf Basis der Allianzen<br />

mit expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen berechnet<br />

Milliarde Euro (Molecular Partners) in Verbindung<br />

mit den durchweg noch sehr frühen<br />

Entwicklungsphasen der Leitprodukte demonstriert<br />

eindrucksvoll die Wertstellung<br />

der Plattform an sich.<br />

In den im Ranking nachfolgenden Allian-<br />

zen, die auf Tech@Disease aufbauen, setzt<br />

sich diese Beobachtung fort:<br />

• AiCuris / Merck & Co. – HCMV-Infektionen<br />

• ThromboGenics / Alcon – Augenerkrankungen<br />

• AC Immune / Genentech – Alzheimer<br />

Europäische Allianzen mit Spitzen-<br />

plätzen in der globalen Statistik<br />

Mit den beschriebenen Allianzen stehen euro-<br />

päische Transaktionen auch in der globalen<br />

Statistik ganz oben. Die beiden Allianzen<br />

von Molecular Partners / Allergan und Galapagos<br />

/ Abbott nehmen weltweit die Spitzenplätze<br />

ein, noch vor dem ersten amerikanischen<br />

Deal (Five Prime Therapeutics / GSK).<br />

Insgesamt weist die globale Deal-Statistik<br />

in der Liste der Top-15-Allianzen sieben<br />

europäische und acht US-Vertreter auf.<br />

Auch auf amerikanischer Seite überwiegen<br />

Technologieplattformen, allerdings mehr in<br />

Richtung von Tech@Process-Plattformen<br />

gehend (z. B. Endocyte / Drug Targeting;<br />

Selecta Biosciences / Immunplattform SVP TM ;<br />

Anteil Upfront-Zahlungen am potenziellen Deal-Wert<br />

2010 2011 2012<br />

20 %<br />

18 %<br />

16 %<br />

14 %<br />

12 %<br />

10 %<br />

8 %<br />

6 %<br />

4 %<br />

2 %<br />

0 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

FORMA Therapeutics / Cancer Targets) vor<br />

den reinen Produktplattformen (z. B. ISIS<br />

Pharmaceuticals / Antisense-Technologie).<br />

Ein Blick auf die Top-15-Deals der europäischen<br />

Allianzen zeigt, dass diese für 2012<br />

eine Summe von insgesamt 7,1 Milliarden<br />

Euro aufweisen (2011 nur 4,4 Milliarden<br />

Euro). Dies bedeutet auch, dass die Top-15-<br />

Deals bereits den Löwenanteil (82 %) des<br />

publizierten Deal-Volumens ausmachen.<br />

Upfront- und Meilensteinzahlungen für<br />

Plattform-Deals nehmen stark zu<br />

Interessante Einblicke liefert die Analyse<br />

der Upfront-Zahlungen, insbesondere die<br />

Betrachtung ihrer Anteile am Gesamtvolumen.<br />

Diese Kennzahl zeigt am besten die<br />

Verhandlungsposition des <strong>Biotech</strong>-Partners<br />

und gleichzeitig das real geflossene Kapital<br />

zu dessen weiterer Finanzierung an.<br />

Wiederum für die Top-15-Deals ergibt sich<br />

im Jahresvergleich 2011 zu 2012 ein Anstieg<br />

der akkumulierten Upfront-Zahlungen<br />

von 111 Millionen Euro auf 692 Millionen<br />

Euro (+691 %). Auch der Anteil am Gesamtvolumen<br />

der jeweiligen Deals ist deutlich<br />

gestiegen, von fünf auf acht Prozent<br />

( +63 % ). In beiden Jahren waren in dieser<br />

Aufstellung Plattform-Deals etwa gleichermaßen<br />

vertreten.<br />

Die Analyse der Upfront-Zahlungen über<br />

alle Allianzen mit publizierten Detailzahlen<br />

(USA und Europa zusammengenommen)<br />

zeigt einen deutlichen Anstieg im Anteil der<br />

Upfront-Komponente am Gesamtvolumen<br />

der Deals, von 12 Prozent auf über 18 Prozent<br />

im Jahr 2012.<br />

Die Diskrepanz der Prozentangaben zu den<br />

Angaben bei den Top-15-Deals ist dadurch<br />

zu erklären, dass in der Masse der kleineren<br />

Deals der relative Anteil der Upfront-Komponente<br />

in der Regel höher ist, da die Top-<br />

Transaktionen ihre hohen Volumina meist<br />

insbesondere durch weitreichende Meilensteinvereinbarungen<br />

erreichen. Insgesamt<br />

ergibt sich damit aber ein Bild, das eher optimistisch<br />

hinsichtlich der Anerkennung der<br />

Leistung von <strong>Biotech</strong>-Unternehmen stimmt,<br />

insbesondere im Zusammenhang mit dem<br />

Innovationspotenzial ihrer Technologieplattformen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 57


Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen<br />

Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies<br />

im Vergleich<br />

Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen*<br />

4 %<br />

Plattformtypen mit unterschiedlichen<br />

Upfront-Verhandlungen<br />

10 %<br />

Tech@Process Tech@MPO<br />

Tech@Disease<br />

*Durchschnittswert wurde auf Basis von Allianzen mit einem potenziellen<br />

Wert über 20 Mio. € und expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen<br />

im Zeitraum 2005 bis 2012 berechnet<br />

Die weitergehende Analyse von Upfront-<br />

Zahlungen in Deals mit einem Wert über<br />

20 Millionen Euro stellt einen klaren Zusammenhang<br />

zwischen unterschiedlichen Plattformtypen<br />

(Tech@MPO, Tech@Process,<br />

Tech@Disease) und der Höhe der Upfront-<br />

Zahlung im Verhältnis zum Gesamt-Deal her.<br />

21 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Während die Tech@Process-Plattformen<br />

europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen (z. B.<br />

Evotec, Galapagos) im Zeitraum 2005 bis<br />

2012 durchschnittlich vier Prozent am Deal-<br />

Volumen als Upfront realisieren, liegen die<br />

Tech@MPO-Plattformen (z. B. Genmab,<br />

Ablynx, Symphogen) bereits im zweistelligen<br />

Bereich und kommen im Mittel auf zehn<br />

Prozent. Noch besser stellen sich schließlich<br />

die Tech@Disease-Plattformen (z. B. AiCuris,<br />

58 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

ThromboGenics, AC Immune) mit ca. 21<br />

Prozent Upfront.<br />

Diese Zahlen bestätigen einerseits die im<br />

Einleitungskapitel „Perspektive“ durchgeführte<br />

Differenzierung in unterschiedliche<br />

Technologieplattformtypen. Andererseits<br />

zeigen die hier dargestellten Unterschiede<br />

bei den Upfront-Zahlungen auch explizite<br />

Charakteristika der Plattformen auf:<br />

• Tech@Process-Plattformen sind näher an<br />

einem Servicemodell, mit geringerem Risiko<br />

und kürzerer Taktung der Meilensteine mit<br />

häufigeren Zahlungen. Sie sind daher nicht<br />

so stark von hohen Upfronts abhängig.<br />

• Tech@MPO-Plattformen gehen mit konkreten<br />

Wirkstoffen direkt in die Entwicklung<br />

und damit ein größeres Risiko ein,<br />

verbunden mit längeren Zeitschienen und<br />

Abständen der Erfolgszahlungen. Sie benötigen<br />

die höheren Upfront-Zahlungen<br />

schlichtweg zum Überleben und können<br />

diese auch als Gegenleistung für ihr größeres<br />

Risiko-Commitment einfordern.<br />

• Tech@Disease-Plattformen schließlich<br />

stehen noch weiter im Risiko – mit Einzelprodukten,<br />

die unterschiedlicher Natur sein<br />

können und somit nicht wie z. B. Antikörper<br />

bestimmte Grundrisiken bereits durch die<br />

einheitliche Struktur eingrenzen können.


Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt<br />

Käuferanalyse globaler<br />

Pharma-Allianzen<br />

Anzahl Transaktionen Europa<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

Anzahl Transaktionen USA<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Anzahl Transaktionen Deutschland<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

2009 2010<br />

2011 2012<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Mid-sized Pharma<br />

Big Pharma<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Allianzpartner aus Mid-sized Pharma<br />

werden interessanter<br />

Wenn Allianzen zwischen <strong>Biotech</strong> und Pharma<br />

als wichtiges Lebenselixier für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

zunehmend an Bedeutung gewinnen,<br />

wird es nicht ausreichen, in diese<br />

Betrachtung nur Big Pharma (die 40 größten<br />

Pharmaunternehmen der Welt, nach Umsatz)<br />

einzubeziehen. Da die Zahl der großen<br />

Pharma-Unternehmen limitiert und auch<br />

deren Kapazität für Kooperationen mit <strong>Biotech</strong><br />

begrenzt ist, ist es für <strong>Biotech</strong>-Firmen<br />

ratsam, den Kreis der möglichen Partner<br />

für pharmazeutische Zielsetzungen zu erweitern.<br />

Der Pharma-Mittelstand bietet<br />

gerade in Deutschland mit etwa 900 Unternehmen<br />

ein riesiges Potenzial zum Abschluss<br />

interessanter Allianzen. Denn bei diesen<br />

Unternehmen sind der Bedarf an externer<br />

Innovation und die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit<br />

mit Partnern noch stärker<br />

ausgeprägt als bei den Big Playern der<br />

Branche.<br />

In der Vergangenheit gab es bereits mehrere<br />

Anläufe, <strong>Biotech</strong> und Mid-sized Pharma<br />

enger zusammen zu bringen, allerdings mit<br />

eher bescheidenem Erfolg.<br />

Neuere Analysen mit einer stärkeren Differenzierung<br />

der <strong>Biotech</strong>-Pharma-Allianzen<br />

hinsichtlich des Pharma-Partners selbst<br />

zeigen allerdings, dass sich ein – wenn auch<br />

noch schwach ausgeprägter – Trend zu<br />

mehr Partnerschaften mit mittelständischen<br />

Pharma-Unternehmen entwickelt. Diese<br />

Beobachtung trifft vor allem in Europa und<br />

Deutschland zu, wenngleich mit der Ein-<br />

schränkung, dass die Gesamtzahl der Transaktionen<br />

in Deutschland möglicherweise<br />

zu gering ist, um klare Trendaussagen treffen<br />

zu können.<br />

Deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen konnten<br />

dabei in diesem Jahr neben nationalen Ver-<br />

trägen (Lipid Therapeutics / Dr. Falk Pharma,<br />

Ovamed / Dr. Falk Pharma, Biofrontera /<br />

Desitin Pharmaceuticals) auch internationale<br />

Allianzen mit Pharma-Partnern geringerer<br />

Größe schmieden (z. B. Ono Pharmaceutical,<br />

Japan; BIAL, Portugal; Nordic Group, Frankreich;<br />

Zhejiang CONBA Pharmaceutical,<br />

Yichang Humanwell, China).<br />

Für Europa hat sich der Anteil der Mid-sized<br />

Pharma-Unternehmen als <strong>Biotech</strong>-Partner<br />

von ca. 40 Prozent in den Jahren 2009 bis<br />

2011 auf inzwischen 55 Prozent erhöht,<br />

während Big-Pharma-Allianzen relativ gesehen<br />

entsprechend von ca. 60 Prozent auf<br />

45 Prozent abnahmen.<br />

Demgegenüber ist diese Entwicklung in den<br />

USA nicht zu beobachten. Die Gründe dafür<br />

liegen in einer unterschiedlichen Industriestruktur.<br />

In Europa und gerade auch in<br />

Deutschland ist die Wirtschaft explizit und<br />

historisch bedingt stark durch den Mittelstand<br />

geprägt, was auch für den Pharma-<br />

Bereich zutrifft. Insofern sollten diese Be-<br />

obachtungen als Motivation dienen, den<br />

Blick bei der Suche nach Pharma-Partnerschaften<br />

offener auch in Richtung mittelständischer<br />

Unternehmen zu richten.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 59


M&A-Transaktionen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

M&As deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller<br />

Wert (Mio. €)<br />

Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8<br />

Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2<br />

AbD Serotec<br />

(MorphoSys)<br />

DermaTools <strong>Biotech</strong><br />

(9 % Anteil)<br />

CeGaT<br />

(20 % Anteil)<br />

UK (Deutschland)<br />

M&A in Deutschland nach wie vor kein<br />

großes Thema<br />

Wie die obenstehende Tabelle zeigt, stand<br />

auch im Jahr 2012 das Thema Unternehmensverkauf<br />

nicht auf der Agenda der<br />

deutschen <strong>Biotech</strong>-Branche. Insgesamt nur<br />

acht Transaktionen unterschiedlichster<br />

Art und Motivation machen statistische<br />

Auswertungen und Trendableitungen unmöglich.<br />

Einzig interessant aus deutscher Sicht sind<br />

die beiden erstgenannten Verkäufe, bei<br />

denen ein in Deutschland entwickeltes Asset<br />

(Corimmun) bzw. eine Technologieplattform<br />

(Cellzome) Käufer fanden.<br />

Im Fall von Corimmun war Janssen (die<br />

Pharma-Sparte von J&J) in der Tat nur an<br />

dem Lead-Projekt COR-1 interessiert. Im<br />

Zuge der Übernahme und in Absprache mit<br />

den Investoren (allen voran die MIG Fonds<br />

mit 26 % Beteiligung) wurde deshalb eine<br />

Firmenausgründung beschlossen, die das<br />

verbleibende Portfolio von Corimmun selbstständig<br />

weiterentwickeln soll. Das neue<br />

Unternehmen firmiert unter dem Namen<br />

advanceCOR in München (vgl. Artikel von<br />

Prof. Götz Münch auf S. 62).<br />

Bio-Rad<br />

Laboratories<br />

Mit einem so schnellen Verkauf war nicht unbedingt<br />

gerechnet worden, weil Corimmun<br />

sich mit seinem Wirkstoff COR-1, einem<br />

zyklischen Peptid, noch in der klinischen<br />

Phase II befand. Das heißt, aus der Proof-of-<br />

Concept-Studie liegen noch keine Ergebnisse<br />

zur Wirksamkeit des Wirkstoffs beim<br />

Menschen vor. In präklinischen Tests hat die<br />

Substanz gezeigt, dass sie die Herzfunktion<br />

verbessern kann. Das geschieht, indem<br />

COR-1 die anti-ß1-Rezeptor-Autoantikörper<br />

bindet und neutralisiert und so ihre schädigenden<br />

Effekte verhindert. Immerhin erzielte<br />

somit ein singuläres Asset ohne klinischen<br />

Proof of Concept einen stolzen<br />

Preis. Dieser beinhaltet allerdings eine erfolgsabhängige<br />

Meilensteinzahlung, sodass<br />

den Investoren zunächst nur die Hälfte des<br />

Verkaufspreises zurückgegeben wird.<br />

Die Übernahme von Cellzome in Heidelberg<br />

durch GSK ist einerseits überraschend, weil<br />

entgegen der aktuellen Trends eine Technologieplattform<br />

komplett übernommen wurde.<br />

In diesem Fall geht dem Kauf allerdings eine<br />

langjährige Kollaborationshistorie voraus,<br />

nach der sich GSK fragen musste, ob man<br />

die geplante weitere Nutzung der Technologien<br />

nicht per Übernahme auf Dauer billiger<br />

haben konnte. Cellzome wird in Heidelberg<br />

als R&D-Standort von GSK weitergeführt,<br />

wie Gitte Neubauer im nachfolgenden Artikel<br />

beschreibt.<br />

60 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

USA <strong>Biotech</strong> 16. Dezember 53,0 53,0<br />

Deutschland CytoTools Deutschland Holding 23. März 2,0 2,0<br />

Deutschland B. Braun<br />

Melsungen<br />

Deutschland Medtech 31. Januar n/a n/a<br />

Scil Technology Deutschland Nanohale Deutschland Medtech 9. Januar n/a n/a<br />

Sovicell Deutschland Hinnerk Boriss MBO 11. Oktober n/a n/a<br />

X-Pol <strong>Biotech</strong> Spanien SYGNIS Pharma Deutschland <strong>Biotech</strong> 18. Juli n/a n/a<br />

Upfront-Zah-<br />

lungen (Mio. €)<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Weitere Übernahmen betrafen:<br />

• Minderheitsbeteiligungen aus strategischen<br />

Erwägungen (z. B. CytoTools<br />

an DermaTools <strong>Biotech</strong> oder B. Braun<br />

Melsungen an CeGaT)<br />

• Geschäftsfokussierung (z. B. die Abgabe<br />

der Forschungs- und Diagnostik-Antikörper<br />

von MorphoSys an BioRad)<br />

• Restrukturierung nach fehlgeschlagener<br />

Entwicklung (Merger SYGNIS / X-Pol<br />

<strong>Biotech</strong>)<br />

• Management-Buy-Out (Sovicell)<br />

• Geschäftsstärkung durch Zusammenführen<br />

komplementärer Kompetenzen (Übernahme<br />

von Scil Technology durch Nanohale)<br />

Die wenigen Aktivitäten im Bereich M&A in<br />

Deutschland sind möglicherweise auch eine<br />

Konsequenz aus der über die letzten Jahre<br />

erfolgten Verschiebung der Geschäftsstrategien<br />

in Richtung Servicemodell oder Technologieplattformen;<br />

beide Strategien stehen<br />

nicht im Zentrum von Akquisitionsaktivitäten.


Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline<br />

Dr. Gitte Neubauer,<br />

Geschäftsführerin Cellzome GmbH,<br />

eine GSK-Tochter, Heidelberg<br />

Cellzome heute<br />

Cellzome ist ein <strong>Biotech</strong>nologieunternehmen,<br />

das im Jahr 2000 als Ausgründung<br />

des Europäischen Molekularbiologie Labors<br />

(EMBL) in Heidelberg startete und im Mai<br />

2012 von GlaxoSmithKline (GSK) übernommen<br />

wurde. Cellzome ist führend auf<br />

dem Gebiet der Chemoproteomik, einer<br />

Technologie, mit der die molekularen Wirkmechanismen<br />

von Arzneistoffen sehr genau<br />

bestimmt werden können. Diese Technologie<br />

wird in der Wirkstoffforschung eingesetzt,<br />

um präzisere Wirkstoffe zu finden und das<br />

Risiko für Nebenwirkungen zu verringern.<br />

Seit der Gründung hat Cellzome seine Pionierarbeiten<br />

in der Proteomik immer wieder<br />

durch Publikationen in renommierten Wissenschaftsjournalen<br />

belegt und konnte dadurch<br />

führende Pharma-Firmen für große<br />

Kooperationen gewinnen. Heute beschäftigt<br />

Cellzome ca. 60 Mitarbeiter aus zehn Nationen,<br />

die in verschiedenen wissenschaft-<br />

lichen Disziplinen ausgebildet sind, wie z. B.<br />

in Biologie, Chemie, Physik oder Informatik.<br />

Von anfänglichen Kooperationen<br />

zur Einbindung in GSK<br />

Cellzome und GSK haben ihren gemeinsamen<br />

Weg bereits 2008 mit einer großen<br />

strategischen Kooperation zur Identifizierung<br />

anti-inflammatorischer Kinase-Wirkstoffe<br />

begonnen. 2010 folgte eine zweite<br />

Kooperation im Bereich Immuno-Inflammation,<br />

diesmal mit dem Fokus auf epigenetische<br />

Targets. Diese Partnerschaften erlaubten<br />

GSK eine mehrjährige Validierung<br />

von Cellzomes Technologie in der eigenen<br />

Forschung. Die vertragliche Beschränkung<br />

der Zusammenarbeit auf den Bereich Immuno-Inflammation<br />

führte schließlich zu<br />

weitergehenden Verhandlungen, die am<br />

Ende zur Übernahme führten und damit die<br />

uneingeschränkte Nutzung von Cellzomes<br />

Technologie für alle therapeutischen Bereiche<br />

bei GSK ermöglicht.<br />

Post Merger Integration<br />

Die erste und einschneidenste Veränderung<br />

der Cellzome-Integration war sicherlich die<br />

Trennung von der Medizinalchemie in Cambridge<br />

(England) mit dem Spin-out einiger<br />

präklinischer Programme. Für die Heidel-<br />

berger Niederlassung mit der Proteomik-<br />

Plattform begann mit der Übernahme die<br />

Integrationsphase, die eine wissenschaftlich-strategische<br />

Neuausrichtung genauso<br />

beinhaltete wie die operative / organisatorische<br />

Integration. Da Cellzome als Technologieplattform<br />

extrem gut mit den therapeutischen<br />

Einheiten der GSK-F&E verzahnt<br />

werden muss, hat sich Cellzome für eine<br />

relativ weitreichende operative Integration<br />

entschieden. Das hat zur Folge, dass eine<br />

Umstellung des Finanzsystems und der dazugehörigen<br />

Prozesse ebenso Teil der zeitintensiven<br />

Integration sind wie die Einbindung<br />

des EDV-Systems. Mit der Integration<br />

in ein Pharma-Unternehmen eröffnet sich<br />

eine neue Welt, die durch ihre Größe und<br />

Historie eigene Werte, Dynamiken und in<br />

Bereichen auch eine eigene Sprache ent-<br />

wickelt hat.<br />

Zusammenarbeit und Eigenständigkeit<br />

Trotz einer starken Einbindung von Cellzome<br />

in den GSK-Forschungsbetrieb und in die<br />

GSK-Verwaltungsprozesse wird eine gewisse<br />

Eigenständigkeit erhalten bleiben. Dies wird<br />

deutlich durch die Beibehaltung des mit<br />

hohem wissenschaftlichen Ansehen ver-<br />

bundenen Namens, was auch die zugrundeliegende<br />

Unternehmenskultur reflektiert.<br />

Insgesamt wird die wissenschaftliche Agenda,<br />

samt interner und externer Kooperationen,<br />

von Cellzome selbst bestimmt. Natürlich<br />

muss wie überall ein entsprechendes Budget<br />

dazu verhandelt werden, und selbstver-<br />

ständlich wird der Erfolg von Cellzome am<br />

Wert für die GSK-Pipeline gemessen.<br />

Die neue Welt: Ein Leben nach dem<br />

Merger mit Vorteilen und Nachteilen<br />

Durch den Merger haben sich für Cellzome<br />

und seine Mitarbeiter viele positive Aspekte<br />

ergeben. Dazu gehören die finanzielle Stabilität<br />

der Firma und GSK-Benefits für die<br />

Mitarbeiter, was neben rein monetären Vorteilen<br />

z. B. auch den leichteren Zugang zu<br />

Fortbildungsmaßnahmen beinhaltet. Ein<br />

weiterer positiver Aspekt ist das erklärte Ziel<br />

von GSK, das operative Modell zu vereinfachen.<br />

Dies zeigt sich an einigen Prozessen,<br />

die tatsächlich einfacher und sparsamer sind<br />

als zuvor. Generell wird mit Ressourcen bei<br />

GSK sehr bewusst umgegangen – teilweise<br />

schlanker, als das bei <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

oder im akademischen Bereich der Fall bzw.<br />

möglich ist. Der Preis dafür ist ein partieller<br />

Verlust an Flexibilität, vor allem in Verwaltungsprozessen.<br />

Mit einer eigenen Administration<br />

lässt es sich flexibler arbeiten als<br />

mit einer zentralen Abteilung an einem anderen<br />

Standort, die wesentlich schwerer auf<br />

die Bedürfnisse einer einzelnen GSK-Tochter<br />

eingehen kann. Allerdings stehen die im Bereich<br />

Administration eingesparten Stellen<br />

wiederum der Forschung zur Verfügung,<br />

was insgesamt den größeren Nutzen bringt.<br />

Weiterentwicklung der Technologie<br />

Der Zugang zu komplementären Technologien,<br />

Werkzeugen und Reagenzien, die<br />

Cellzome als unabhängige Firma nicht zur<br />

Verfügung standen, ermöglicht eine wesentlich<br />

effizientere Fortentwicklung der Technologie.<br />

Auf der anderen Seite birgt die Zugehörigkeit<br />

zu einer so großen Organisation<br />

aber auch Risiken des Produktivitätsverlustes:<br />

ein gesteigerter interner Fokus und<br />

Kommunikationsaufwand bindet Mitarbeiter<br />

und macht es schwerer, den Blick auch nach<br />

außen zu halten. Erzielt man hier die richtige<br />

Balance, ist es allerdings eine fantastische<br />

Möglichkeit für eine Technologiefirma, entscheidend<br />

zur Entwicklung neuer Medikamente<br />

beizutragen.<br />

www.gsk.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

61


Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie<br />

gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter<br />

Prof. Dr. Götz Münch,<br />

CEO advanceCOR GmbH, Martinsried<br />

Übernahme von Corimmun durch Janssen<br />

Im Juni 2012 erwarb Janssen-Cilag für eine<br />

erhebliche Upfront-Summe und mögliche<br />

klinische Meilenstein-Zahlungen unser damaliges<br />

Lead-Produkt COR-1. COR-1 befand<br />

sich bereits in einer Phase-II-Studie zur<br />

gezielten Unterbrechung der Entzündung<br />

bei Herzinsuffizienz via Hemmung von<br />

autoantikörpervermittelter Herzmuskel-<br />

schädigung. Johnson & Johnson wird das<br />

zyklische Peptid nun weiter entwickeln und<br />

kommerzialisieren. Das erfolgreiche Gründerteam<br />

der Corimmun gründete daraufhin<br />

mit den verbleibenden Assets Revacept,<br />

COR-2 und COR-3 die neue <strong>Biotech</strong>-Firma<br />

advanceCOR GmbH.<br />

Neue Ausgründung mit den restlichen<br />

Assets: Die advanceCOR<br />

Neben der Pipeline übernimmt advanceCOR<br />

auch die Mitarbeiter und Räumlichkeiten so-<br />

wie die Gesellschafterstruktur von Corimmun.<br />

Das gesamte Team, die Gründer und die<br />

Investoren haben direkt im Anschluss an<br />

den Verkauf die Arbeiten in der advanceCOR<br />

weitergeführt. Dadurch kam es zu keinem<br />

nennenswerten Zeitverlust bei der Weiterentwicklung<br />

der klinischen und präklinischen<br />

Entwicklungsprojekte. Durch die gelungene<br />

Neugründung konnten sowohl die Interessen<br />

der Investoren, des Teams und des Managements<br />

auf sehr schöne Weise in Einklang<br />

gebracht werden.<br />

Auch die Investoren sind von<br />

advanceCOR überzeugt und stellen<br />

die Finanzierung sicher<br />

Die Series A-Finanzierung wurde durch die<br />

MIG AG als Leadinvestor zusammen mit der<br />

KfW und Bayernkapital finanziert. Zusätzlich<br />

daran beteiligt waren BioM, der HTGF und<br />

die Gründer selbst. Die Ende 2012 erfolgreich<br />

abgeschlossene Finanzierungsrunde<br />

in Höhe von 6,45 Millionen Euro ermöglicht<br />

nun die Durchführung der Phase-II-Studien<br />

für das Leadprodukt Revacept. Daneben hat<br />

advanceCOR signifikante Umsätze durch<br />

studienbegleitende Arbeiten der COR-1-Entwicklung<br />

für Johnson & Johnson.<br />

Revacept<br />

Revacept ist ein Plättchenhemmstoff und<br />

damit Medikament zur Behandlung akuter<br />

arterieller Thrombosen und Thrombo-Embolien<br />

wie z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall. In<br />

Phase-I-Studien zeigte sich bei Menschen<br />

spezifische Wirksamkeit bei sehr guter Verträglichkeit.<br />

Revacept bindet spezifisch an<br />

Verletzungen in Blutgefäßen und verhindert<br />

somit eine lokale Thrombose bei Patienten<br />

mit akutem Herzinfarkt und Schlaganfall.<br />

Revacept hat dabei keinen Einfluss auf die<br />

generelle Blutstillung und erhöht daher<br />

nicht die Blutungsneigung. Eine „proof of<br />

concept“ Phase-II-Studie in Patienten mit<br />

symptomatischer Karotisstenose wurde Ende<br />

2012 begonnen. Es soll gezeigt werden,<br />

dass arterielle Thrombosen und Infarkte im<br />

Gehirn durch Revacept verringert werden,<br />

ohne dass die Blutungskomplikationen im<br />

Vergleich zur Standardtherapie zunehmen.<br />

Durch diesen „lesion-directed“-Ansatz stünde<br />

zur Behandlung jener lebensbedrohlichen<br />

Krankheitsbilder erstmals ein hochwirksames<br />

Medikament zur spezifischen Hemmung von<br />

Blutplättchen zur Verfügung, das nicht mit<br />

dem hohen Blutungsrisiko einhergeht,<br />

welches bisher alle herkömmlichen Medikamente<br />

aufweisen. Zusammen mit Revacept<br />

wird ein Companion Diagnostic entwickelt,<br />

das eine personalisierte Therapie dieser<br />

Patienten erlaubt, die ein erhebliches Risiko<br />

für einen erneuten Schlaganfall haben.<br />

Durch diesen personalisierten Ansatz und<br />

die große therapeutische Breite des Medika-<br />

mentes versprechen wir uns eine echte<br />

Therapieoption für Patienten mit TIA oder<br />

Schlaganfall, was allein in den USA mehr als<br />

eine Million Menschen jährlich trifft. Schlaganfall<br />

ist die häufigste Ursache für dauerhafte<br />

Behinderung und die dritthäufigste<br />

62 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit<br />

werden aber lediglich weniger als fünf<br />

Prozent aller Patienten mittels Thrombolyse<br />

behandelt. Es gibt nur eine einzig zugelassene<br />

Therapie. Somit stellt Schlaganfall eine<br />

Indikation mit ganz erheblichem „unmet<br />

medical need“ dar. Der weltweite Markt für<br />

Therapeutika in der Indikation Atherosklerose<br />

beträgt derzeit ca. 17 Milliarden Euro pro<br />

Jahr. Plavix ® / Clopidogrel (ein Plättchenhemmstoff)<br />

war mit einem weltweiten Umsatz<br />

von 10,8 Milliarden US-Dollar im Jahr<br />

2011 das zweiterfolgreichste Medikament<br />

überhaupt und hat 2012 seinen Patentschutz<br />

verloren. Nach Berechnungen aufbauend<br />

auf aktuellen Marktzahlen können<br />

für Revacept 0,8 bis 1,2 Milliarden Euro<br />

jährlich erzielt werden.<br />

Aus der Präklinik kommt Nachschub:<br />

COR-2 und COR-3<br />

Weitere Ansätze der advanceCOR zur Behandlung<br />

von Herz-Kreislauferkrankungen<br />

befinden sich bereits in der Präklinik. Zum<br />

einen wird der Proteinwirkstoff COR-2 entwickelt,<br />

der die Aufnahme von schädlichen<br />

Lipidkomplexen (oxidiertes LDL) in Gefäßläsionen<br />

(„Plaques“) verhindert. Dadurch<br />

werden lokale Entzündungen verringert und<br />

die Gefahr einer Plaqueruptur signifikant<br />

vermindert. Auf der anderen Seite versucht<br />

advanceCOR prophylaktisch Komplikationen<br />

in der Blutbahn zu verringern. COR-3 bindet<br />

bispezifisch zirkulierende Progenitorzellen<br />

an atherosklerotischen Plaques und erhöht<br />

somit die Konzentration dieser Stammzellen<br />

in Gefäßläsionen („Homing“), was wiede-rum<br />

die Abheilung von instabilen Plaques<br />

begünstigt. Beide Produkte sollen nach dem<br />

„proof of concept in man“, der Phase II, an<br />

große <strong>Biotech</strong>- oder Pharma-Firmen aus-<br />

lizenziert werden.<br />

www.advancecor.com


M&A-Transaktionen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

M&As europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller<br />

Wert (Mio. €)<br />

Mercury Pharma<br />

Group<br />

Internationale M&A-Statistik mit wenig<br />

Bewegung<br />

Im Gegensatz zu einer durchaus lebhaften<br />

Dynamik im Bereich der Allianzen (s. o.) ist<br />

die Zahl der M&A-Transaktionen in Europa<br />

eher konstant geblieben (2009: 80 Deals,<br />

2010: 96 Deals, 2011: 85 Deals, 2012:<br />

93 Deals). In den USA ist die Anzahl der<br />

M&A-Deals über die letzten Jahre leicht<br />

rückläufig (2009: 147 Deals, 2010 und<br />

2011: 125 Deals, 2012: 116 Deals).<br />

Europäische M&As werden von Specialty<br />

Pharma dominiert<br />

Die Auflistung der prominentesten M&A-<br />

Transaktionen in Europa macht die völlig<br />

unterschiedlichen Rationalen von Allianzen<br />

und Akquisitionen überdeutlich. Während<br />

die Allianzen – wie zuvor beschrieben – klar<br />

der Zielsetzung folgen, den Zugang zu technologischen<br />

Innovationen und Plattformen<br />

zu sichern, sind die Akquisitionen ebenso<br />

eindeutig auf den Zukauf von Produkten,<br />

Marktzugang und Marktanteil gerichtet.<br />

UK Cinven UK Private<br />

Equity<br />

EUSA Pharma UK Jazz<br />

Pharmaceuticals<br />

Proximagen Group UK Upsher-Smith<br />

Laboratories<br />

Dies wird weiterhin auch dadurch unter-<br />

mauert, dass bei den großen Transaktionen<br />

vor allem Specialty-Pharma-Unternehmen<br />

involviert sind, deren Hauptzielsetzung der<br />

Ausbau ihrer Marktanteile mit entsprechend<br />

breiten Portfolios ist.<br />

Dieser Rationale folgen allein fünf der<br />

Top-10-M&A-Deals:<br />

• Mercury Pharma wird durch das Private-<br />

Equity-Haus Cinven mit dem Ziel übernommen,<br />

durch Zusammenführen mit<br />

einem weiteren Specialty-Pharma-Unternehmen<br />

(Amdipharm) größere Durchschlagskraft<br />

am Markt zu erhalten.<br />

• Mit der Übernahme der britischen EUSA<br />

Pharma durch Jazz Pharmaceuticals aus<br />

Irland tun sich zwei weitere Specialty-<br />

Pharma-Häuser zusammen.<br />

• Shire, einer der führenden europäischen<br />

Specialty-Pharma-Vertreter, kauft gleich<br />

zwei Unternehmen mit Produktportfolios,<br />

die in die Marktstrategie passen: FerroKin<br />

BioSciences erweitert den Bereich der<br />

Hämatologie, Pervasis Therapeutics baut<br />

die neue Ausrichtung bei Shire im Feld der<br />

Zelltherapie aus.<br />

17. August 573,2 573,2<br />

Irland <strong>Biotech</strong> 26. April 567,8 528,9<br />

USA Pharma 13. Juni 439,8 274,9<br />

deCODE genetics Island Amgen USA <strong>Biotech</strong> 10. Dezember 322,8 322,8<br />

FerroKin<br />

BioSciences<br />

USA Shire UK <strong>Biotech</strong> 15. März 248,5 73,5<br />

Anabasis Italien Dompé Italien Pharma 28. Februar 177,2 177,2<br />

Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8<br />

Pervasis<br />

Therapeutics<br />

Beta Renewables<br />

(9,95 % Anteil)<br />

USA Shire UK <strong>Biotech</strong> 12. April 155,5 n/a<br />

Italien Novozymes Dänemark <strong>Biotech</strong> 29. Oktober 90,0 90,0<br />

Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2<br />

Upfront-Zah-<br />

lungen (Mio. €)<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Auch bei den meisten übrigen Akquisitionen<br />

spielen Produkte die entscheidende Rolle.<br />

Das US-Pharma-Unternehmen Upsher-Smith<br />

Laboratories übernimmt das britische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Proximagen Group mit<br />

dessen Expertise und Produkt-Pipeline in<br />

den Therapiegebieten ZNS, Krebs und Entzündung.<br />

Noch klarer wird der Produktfokus<br />

herausgestellt bei der Akquisition von Corimmun<br />

aus München durch Janssen / J&J.<br />

Die Übernahme ist einzig getriggert durch<br />

das Lead-Produkt COR-1 von Corimmun<br />

(s. o.), während die restliche Pipeline zu<br />

früh in der Entwicklung steht und deshalb in<br />

eine Neugründung ausgegliedert wird.<br />

Lediglich zwei der verbleibenden M&A-Deals<br />

folgen nicht diesem Muster: Der bereits<br />

weiter oben beschriebene Kauf von Cellzome<br />

durch GSK sowie die Übernahme der isländi-schen<br />

deCODE genetics durch Amgen haben<br />

eher technische Beweggründe – letztere<br />

die Expertise in der Entschlüsselung von<br />

krankheitsassoziierten Genen und Targets.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 63


Firepower von Big Pharma nimmt ab<br />

Käuferanalyse globaler<br />

Pharma-M&As<br />

Anzahl Transaktionen Europa<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

Anzahl Transaktionen USA<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

2009 2010 2011 2012<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Mid-sized Pharma<br />

Big Pharma<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Mid-sized Pharma geht auch bei<br />

M&A-Deals voran<br />

Trotz klarer Unterschiede bei Zielsetzung<br />

und beteiligten Partnern zwischen Allianzen<br />

und M&A-Deals bestimmt ein Trend beide<br />

Pharma-Schauplätze: Auch bei Übernahmen<br />

hat zumindest in Europa die Bedeutung<br />

von Mid-sized Pharma als Käufer stetig über<br />

die letzten Jahre zugenommen. Hatte Big<br />

Pharma bei den Übernahmen in Europa<br />

2009 mit 62 Prozent noch deutlich die Nase<br />

vorn, so dreht sich dieses Verhältnis im Verlauf<br />

und Mid-sized Pharma gewinnt 2012<br />

mit 70 Prozent der Übernahmen die Oberhand.<br />

So waren im Berichtsjahr aus Europa<br />

Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer<br />

Gesamtumsatz (Mrd. US)<br />

64 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

beispielsweise Grupo Ferrer (Spanien),<br />

Dompé (Italien), AGUETTANT (Frankreich)<br />

und Grifols (Spanien) als Käufer aktiv.<br />

Eine entsprechende Entwicklung ist in den<br />

USA ausgeblieben. Dort hat sich das Übergewicht<br />

von Big Pharma als Käufer eher<br />

noch leicht verstärkt und erreicht 70 Prozent<br />

Anteil an den Übernahmen durch<br />

Pharma-Firmen. Gründe hierfür sind vermutlich<br />

ebenfalls in der unterschiedlichen<br />

Zusammensetzung der Pharma-Industrie<br />

auf beiden Seiten des Atlantiks zu suchen,<br />

da vor allem in Europa die mittelständische<br />

Industrie stärker ausgeprägt ist.<br />

Umsatz, den Big Pharma<br />

benötigt, um mit globalem<br />

Arzneimittelmarkt Schritt<br />

zu halten<br />

Analysten-Prognose<br />

für Big-Pharma-Umsatz<br />

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 E <strong>2013</strong> E 2014 E 2015 E<br />

Globaler Arzneimittelmarkt Growth Gap Big-Pharma-Umsatz<br />

Growth Gap:<br />

100 Mrd. US<br />

im Jahr 2015<br />

Quelle: Ernst & Young, IMS Health, <strong>2013</strong>


Ein weiterer Aspekt wurde kürzlich in einer<br />

Ernst & Young-Studie mit dem Titel „Closing<br />

the gap?“ herausgestellt: Big Pharma befindet<br />

sich demnach zunehmend nicht nur in<br />

dem vielzitierten „Innovation Gap“, über die<br />

letzten Jahre wurde zunehmend auch ein<br />

deutliches „Growth Gap“ immer evidenter,<br />

da Big Pharma nicht mehr mit dem Marktwachstum<br />

der Gesamtindustrie mithalten<br />

kann. Die logische Konsequenz, um beide<br />

Lücken zu überwinden, wäre eine Zunahme<br />

der M&A-Aktivitäten, die aber nicht erkennbar<br />

ist. Als Grund kristallisiert sich heraus,<br />

dass Big Pharma für die konsequente Verfolgung<br />

einer Akquisitionsstrategie zunehmend<br />

die „Firepower“ ausgeht. Dieser Kaufkraft-Index<br />

ist hier definiert als die Kombination<br />

aus verfügbarem Cash und dem möglichen<br />

Rahmen für die Schuldenaufnahme<br />

unter Berücksichtigung der Marktkapitalisierung.<br />

Damit nicht genug: Parallel legen die prominenten<br />

Vertreter aus Big <strong>Biotech</strong> und Specialty<br />

Pharma in puncto Firepower sogar zu.<br />

Somit untermauert auch dieser Zusammenhang<br />

die beobachtete schwächere Position<br />

von Big Pharma bei Akquisitionen, welche<br />

neuen Playern die Tore öffnet zum immer<br />

noch Käuferdominierten <strong>Biotech</strong>-Markt.<br />

Aus Sicht der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, ins-<br />

besondere der kleineren, erweitert diese<br />

Entwicklung das Spektrum möglicher Partner<br />

in positivem Sinne. Es wird im Detail<br />

zu beobachten sein, wie in den nächsten<br />

Jahren bei Deals einerseits das Feld der<br />

möglichen Käufer sich ausweitet und andererseits<br />

eine breitere Käuferschicht auch die<br />

Preise bzw. die Verhandlungsposition von<br />

<strong>Biotech</strong> positiv beeinflusst.<br />

Transaktionen<br />

Firepower: Abnahme bei Big Pharma,<br />

Zunahme bei Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong><br />

Big Pharma Firepower (Mrd. US) Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong> Firepower (Mrd. US)<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

–2 %<br />

+6 %<br />

–5 % –24 % –26 % –30 % –24 % –23 %<br />

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

Geringere Firepower führt zur Verdrängung<br />

von Big Pharma aus M&As<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 65<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Big Pharma Specialty Pharma inklusive Generika Big <strong>Biotech</strong><br />

Die Kurven zeigen die Änderung der Firepower relativ zu 2006.<br />

Wert der M&A-Transaktionen (Mrd. US)<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

+8 %<br />

–31 %<br />

+13 %<br />

+15 %<br />

+21 %<br />

+9 %<br />

Big Pharma Big <strong>Biotech</strong><br />

Specialty Pharma ohne Generika Generika<br />

+31 %<br />

0 %<br />

+61 %<br />

+20 %<br />

2007 2008 2009<br />

2010 2011 2012*<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

* Januar bis November Quelle: Ernst & Young, IMS Research, <strong>2013</strong>


Finanzierung<br />

66 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Zahlen und Fakten im Überblick<br />

Kapitalaufnahme deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Summe (Mio. €)<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

552<br />

107<br />

95<br />

350<br />

2006<br />

454<br />

138<br />

316<br />

2007<br />

257<br />

208<br />

2008<br />

153<br />

444<br />

160<br />

284<br />

2010<br />

Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />

Börsengang Risikokapital<br />

49<br />

54<br />

99<br />

2009<br />

131<br />

44<br />

87<br />

2011<br />

Kapitalaufnahme europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Summe (Mio. €)<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

5.041<br />

222<br />

2.498<br />

682<br />

1.639<br />

2006<br />

5.682<br />

232<br />

3.355<br />

745<br />

1.350<br />

2007<br />

1.783<br />

74<br />

593<br />

75<br />

1.041<br />

2008<br />

2.735<br />

1.359<br />

299<br />

1.336<br />

165<br />

1.060<br />

2.124<br />

288<br />

811<br />

68<br />

957<br />

287<br />

80<br />

207<br />

2012<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

1.331<br />

910<br />

31<br />

Fremdkapital Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />

Börsengang Risikokapital<br />

474<br />

103<br />

799<br />

2.860<br />

3.241<br />

969<br />

2009 2010 2011 2012<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• 2,4-fache Steigerung des Risikokapitals<br />

von 87 Mio. € auf 207 Mio. €<br />

(enthält 80 Mio. € aus der CureVac-<br />

und 60 Mio. € aus der BRAIN-Finanzierung)<br />

• Verdopplung der Sekundärfinan-<br />

zierungen börsennotierter Unternehmen<br />

von 44 Mio. € auf 80 Mio. €<br />

• Private wie börsennotierte Unternehmen<br />

liegen trotz des verdoppel-<br />

ten Kapitalzuflusses um ca. 35 %<br />

hinter den Durchschnittswerten aus<br />

2006/07<br />

• Seit 2006 im sechsten Jahr in<br />

Folge keine Börsengänge<br />

• Kapitalzufluss in Summe für 2012<br />

(3,2 Mrd. €) liegt um erfreuliche<br />

36 % über dem Mittel der vier Vorjahre<br />

– jedoch nach wie vor um<br />

signifikante 38 % unter dem Durchschnittswert<br />

aus 2006/07<br />

• Keine nennenswerten Bewegungen<br />

bei der Eigenkapitalfinanzierung<br />

(Risikokapital und Sekundärfinanzierungen<br />

bei Börsengelisteten)<br />

• Starkes Wachstum nur bei Fremdkapitalfinanzierungen<br />

(+362 %)<br />

• Drei IPOs spielen in Europa lediglich<br />

31 Mio. € ein, dazu kommen ein<br />

Reverse IPO sowie ein Listing<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 67


Finanzierung<br />

Kapitalaufnahme US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Summe (Mio. US$)<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

20.560<br />

289<br />

15.173<br />

1.133<br />

3.965<br />

2006<br />

21.721<br />

5.930<br />

8.640<br />

1.191<br />

5.960<br />

2007<br />

13.291<br />

4.642<br />

4.228<br />

6<br />

4.415<br />

2008<br />

17.527<br />

3.417<br />

8.744<br />

4.669<br />

68 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

697<br />

2009<br />

21.215<br />

9.779<br />

5.933<br />

1.097<br />

4.406<br />

2010<br />

Fremdkapital<br />

Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />

Börsengang Risikokapital<br />

29.693<br />

16.415<br />

8.198<br />

814<br />

4.266<br />

2011<br />

23.250<br />

9.504<br />

8.855<br />

765<br />

4.126<br />

2012<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Rückgang im VC-Segment:<br />

Mit 4,1 Mrd. US lag das Risiko-<br />

kapital um 3 % unter Vorjahreswert<br />

und 7 % unter dem Durchschnitt<br />

der letzten vier Jahre<br />

• Leichte Zunahme der Follow-on-<br />

Finanzierungen der börsengeliste-<br />

ten Unternehmen auf 8,9 Mrd. US<br />

(+8 % vs. 2011)<br />

• Fremdfinanzierungen klar rückläu-<br />

fig – Einnahmen von 9,5 Mrd. US<br />

liegen um 42 % unter dem Vorjahreshoch<br />

• 11 IPOs haben frisches Kapital in<br />

Höhe von 765 Mio. US eingefah-<br />

ren – plus zwei Listings und vier<br />

Reverse IPOs


Finanzierung privater <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Zur Erläuterung der nachfolgenden Statistiken<br />

sei an dieser Stelle darauf hingewiesen,<br />

dass diese aus öffentlich zugänglichen<br />

Quellen stammen und deshalb nur Investments<br />

abdecken, die von den Investoren<br />

oder Unternehmen publiziert wurden.<br />

Fluktuation statt Aufwärtstrend<br />

Die auf den ersten Blick erfreuliche, erneute<br />

Aufwärtsbewegung in der allgemeinen Finan-<br />

zierungsstatistik der deutschen <strong>Biotech</strong>nologiebranche<br />

wird allein durch die Einbeziehung<br />

der Investorenklassen in die Analyse<br />

zumindest für die privaten Unternehmen<br />

wieder ins Gegenteil verkehrt.<br />

Die separate Betrachtung der Risikokapitalbeteiligung<br />

der Family Offices zeigt eindeutig,<br />

dass die Zunahme an Risikokapital im Vergleich<br />

zum Vorjahr allein auf ihr Konto geht.<br />

Wie in den Jahren 2008 und 2010 haben<br />

auch 2012 die Finanzierungsaktivitäten<br />

weniger Privatinvestoren die Statistik nach<br />

oben verschoben. Der Anteil der Family<br />

Offices an der gesamten Eigenkapitalfinanzierung<br />

betrug 88 Prozent, ein bisher nie<br />

erreichter Wert. Der Blick auf die verbleibenden<br />

Finanzierungsrunden durch klassisches<br />

VC und andere Eigenkapitalgeber<br />

ernüchtert noch mehr. In den letzten fünf<br />

Jahren nahm ihr Beitrag kontinuierlich ab<br />

und schlug 2012 nur noch mit einer Gesamt-<br />

summe von 25 Millionen Euro zu Buche.<br />

Über die letzten Jahre stieg der Anteil an<br />

alternativen Investoren kontinuierlich.<br />

Somit kann eine gewisse Dunkelziffer aufgrund<br />

der nicht durchgehend transparent<br />

gemachten Kapitalzuflüsse vermutet werden.<br />

Dennoch scheint klar, dass hinsichtlich<br />

einer Trendaussage eher die fortgesetzte<br />

Abwärtsbewegung der klassischen Finanzierungsinstrumente<br />

sowie die anhaltende<br />

Fluktuation des Geldes von Privatinvestoren<br />

relevant sind.<br />

Das nun schon im fast regelmäßigen<br />

Muster eines Zweijahresrhythmus ausgeprägte<br />

Verhalten der Family Offices verdeutlicht<br />

erneut die geringe Zahl der Inves-<br />

toren, die insgesamt über die Jahre keinen<br />

„Steady State“-Verlauf aufweisen können.<br />

Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland<br />

Summe (Mio. €)<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

164<br />

186<br />

2006<br />

50<br />

265<br />

2007<br />

113<br />

Risikokapital mit Familiy-Office-Beteiligung Sonstiges Risikokapital<br />

Neue Namen an der Family-Office-Front<br />

Der zitierte Ausschlag der Statistik nach<br />

oben basiert vor allem auf den beiden Top-<br />

Finanzierungsrunden: zum einen dem Investment<br />

der dievini Hopp BioTech holding<br />

in CureVac (80 Mio. €), zum anderen der<br />

Beteiligung der Familie Putsch zusammen<br />

mit den MIG Fonds an BRAIN (60 Mio. €).<br />

Diese beiden Finanzierungen über insgesamt<br />

140 Millionen Euro stellen bereits den<br />

Löwenanteil von fast 77 Prozent des gesamten<br />

Family Office Peaks.<br />

Das Investment des Family Office Hopp<br />

in CureVac folgt der Logik des bisherigen<br />

Engagements für die RNA-Vakzinierungstechnologie<br />

des Tübinger Unternehmens.<br />

Im Zuge der dort aktuell anstehenden<br />

Phase-IIb-Studien stand der Investor vor<br />

einer dualen Entscheidungssituation<br />

(„Alles oder nichts“) und musste seinem<br />

Vertrauen in die erfolgreiche bisherige Entwicklung<br />

auch Taten folgen lassen. Durch<br />

die signifikante Kapitalspritze in Form der<br />

nunmehr vierten Finanzierungsrunde erhält<br />

CureVac Bewegungsspielraum für die Planung<br />

und Durchführung der klinischen Versuche<br />

in Phase II.<br />

95<br />

2008<br />

35<br />

2011<br />

25<br />

2012<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Aufgrund des unbestritten hohen Risikos<br />

der erstmals klinisch erprobten RNActive ® -<br />

Impfstofftechnologie ist zu bezweifeln, ob<br />

klassische VC-Konsortien sich auf dieses<br />

Investment eingelassen hätten. Insofern ist<br />

es eine wichtige Leistung der Family-Office-<br />

Investoren, dass sie gerade in der heutigen<br />

Zeit derartige Risiken akzeptieren und somit<br />

eine wichtige Stütze für wirklich signifikante<br />

Innovationen sind. Dieses Engagement kann<br />

deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden.<br />

Dass sie dabei immer auch näher am<br />

Scheitern stehen, ist unvermeidbar; leider<br />

auch mit all den negativen Auswirkungen<br />

für das Ansehen der gesamten Branche.<br />

Erfreulicherweise ist festzustellen, dass die<br />

Family-Office-Szene mittlerweile durch neue<br />

Namen ergänzt wird. Offenbar steigt die Bereitschaft,<br />

privates Vermögen eher als Direktinvestment<br />

anzulegen, als es in Fonds zu<br />

investieren (vgl. Artikel Peter Brock, Family<br />

Office Services auf S. 95). Insbesondere<br />

nach den Äußerungen der bisher heraus-<br />

stechenden Family Offices Strüngmann und<br />

Hopp, wonach diese sich nach Jahren massi-<br />

ver Kapitalspritzen in den deutschen <strong>Biotech</strong>-<br />

Sektor nun stärker auf die Portfolio-Entwicklung<br />

konzentrieren wollten, ist dies eine<br />

willkommene Entwicklung.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 69<br />

20<br />

79<br />

2009<br />

218<br />

66<br />

2010<br />

51<br />

182


Finanzierung<br />

Risikokapitalfinanzierungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Unternehmen Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren<br />

CureVac 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding<br />

BRAIN 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH,<br />

ungenannte Investoren<br />

AiCuris 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP <strong>Biotech</strong> Holding, Santo Holding,<br />

privater Investor<br />

Affimed Therapeutics 15,5 Oktober 5 Aeris Capital, BioMedPartners, LSP Life Sciences<br />

Partners, Novo Nordisk, OrbiMed Advisors<br />

Phenex Pharmaceuticals 5,0 Oktober 4 CD-Venture, CREATHOR VENTURE, EVP Capital, KfW,<br />

LBBW, Swiss Life, private Investoren<br />

Proteros biostructures 5,0 August 2 BayBG, institutionelle Investoren<br />

Algiax Pharmaceuticals 4,3 Mai 1 HTGF, KfW, private Investoren<br />

CEVEC Pharmaceuticals 2,8 Oktober 4 Peppermint VenturePartners, CREATHOR VENTURE,<br />

Midas Group, NRW.BANK<br />

AyoxxA Biosystems 2,6 * September 1 Wellington Partners, HTGF, NRW.BANK, Rainer Christine,<br />

Gregor Siebenkotten<br />

Rodos BioTarget 2,0 November 1 HTGF, Invest-Impuls, KfW, private Investoren<br />

conoGenetix biosciences 1,5 April 1 M<strong>EY</strong> Capital Matrix, Bio M<br />

t-cell Europe 1,5 Mai Seed Constantin Bastian Leander Venture Capital, HTGF, ILB<br />

Cysal 1,0 November Seed eCAPITAL entrepreneurial Partners, HTGF<br />

JeNaCell 0,7 Oktober Seed HTGF, STIFT<br />

AMP Therapeutics n/a Januar 1 Boehringer Ingelheim Venture Fund, Novartis Venture Fund<br />

AptaIT n/a März 1 BioNTech, Prefound<br />

AudioCure Pharma n/a Mai Seed Jürgen Schumacher, HTGF<br />

Axiogenesis n/a Juni n/a V+ Management<br />

cube-biotech n/a Dezember 1 CREATHOR VENTURE Management,<br />

ungenannte Business Angels<br />

Enzymicals n/a Juni n/a BRAIN, Braun Beteiligungs GmbH<br />

Epivios n/a Juli Seed HTGF, Life Science Inkubator, TTHU, privater Investor<br />

Eternygen n/a September Seed IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, private Investoren<br />

GeneQuine<br />

Biotherapeutics<br />

n/a November Seed HTGF, Innovationsstarter Hamburg<br />

GNA Biosolutions n/a Dezember 1 M<strong>EY</strong> Capital Matrix<br />

MYR n/a März 2 Maxwell <strong>Biotech</strong> Venture Fund<br />

OakLabs n/a Februar Seed HTGF<br />

oncgnostics n/a März Seed HTGF, STIFT<br />

Revotar<br />

Biopharmaceuticals<br />

n/a Februar 6 bmp Beteiligungsmanagement,<br />

bestehende und ungenannte Investoren<br />

Transimmune n/a Juni 1 QureInvest<br />

* 2. Tranche im Januar <strong>2013</strong> bringt die Finanzierung auf 3,0 Mio. €<br />

70 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Das Family Office Martin Putsch war zwar<br />

noch nicht breiter als <strong>Biotech</strong>-Investor in<br />

Erscheinung getreten, wenngleich eine<br />

Beteiligung an BRAIN bereits seit einigen<br />

Jahren besteht. Der Name Putsch ist eng<br />

verbunden mit der Marke RECARO, die mit<br />

Auto-, Flugzeug- und Kindersitzen erfolgreich<br />

wurde. Nach dem Verkauf der Autositzsparte<br />

(wesentliche Teile der Unter-<br />

nehmen Keiper und RECARO) an den amerikanischen<br />

Konzern Johnson Controls ist<br />

die Familie auch als Beteiligungsunternehmen<br />

aktiv. Interessant ist weiterhin, dass<br />

das aktuelle Investment in BRAIN mit der<br />

klaren Zielsetzung einhergeht, das bisher<br />

als Entwickler und vornehmlich in Partnerschaften<br />

operierende Unternehmen stärker<br />

direkt in die Industrialisierung seiner Technologielösungen<br />

einzubinden. Das zur Verfügung<br />

gestellte Kapital soll demzufolge für<br />

die Akquisitionen von Unternehmen aus dem<br />

weiteren Chemieumfeld eingesetzt werden,<br />

die durch ihre Marktpräsenz sowie ihre<br />

Entwicklungskompetenz komplette Wertschöpfungsketten<br />

für BRAIN etablieren<br />

können. Insofern ist auch hier das Betreten<br />

von Neuland verbunden mit ungewissem<br />

Erfolg und damit Risiken für die Kapitalan-<br />

lage. Zusammen mit Putsch ist als weiterer<br />

Investor die MIG mit 20 Millionen Euro an<br />

der Finanzierungsrunde beteiligt.<br />

Ein weiterer neuer Name in der im letzten<br />

<strong>Report</strong> schon aufgeführten Reihe der Family-<br />

Office-Investoren ist M<strong>EY</strong> Capital Matrix aus<br />

München. Hinter diesem Investor steht der<br />

Automobilzulieferer Webasto (Dachsysteme,<br />

Standheizungen), dessen Inhaber nach<br />

neuen Anlagemöglichkeiten außerhalb ihres<br />

Stammgeschäfts suchten. Geplant sind<br />

insgesamt 15 Investments in Life-Science-<br />

Unternehmen. Dabei setzt man vor allem<br />

auf Basis-Technologieplattformen, die im<br />

Bereich der Medikamentenentwicklung sowie<br />

der Diagnostik und Medizintechnik in<br />

überschaubaren Zeiträumen (vier bis fünf<br />

Jahre) zu Fortschritten führen sollten und<br />

deswegen im Zentrum des Interesses bei<br />

den etablierten Unternehmen dieser Sektoren<br />

stehen.<br />

Finanzierung<br />

Bisher wurden insgesamt fünf Beteiligungen<br />

kommuniziert, davon im aktuellen Berichtsjahr<br />

2012 zwei <strong>Biotech</strong>-Unternehmen aus<br />

Martinsried, die die Investor-Philosophie<br />

klar widerspiegeln. conoGenetix biosciences<br />

hat eine proprietäre Technologieplattform<br />

zur Identifizierung von Peptiden entwickelt,<br />

welche in Ionenkanälen aktiv sind. Es wird<br />

dabei darauf abgezielt, Kanäle, die ursächlich<br />

an Autoimmunmerkrankungen (Rheumatoide<br />

Arthritis, Psoriasis etc.) beteiligt<br />

sind, zu blockieren. GNA Biosolutions, gegründet<br />

von Wissenschaftlern der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München, entwickelt<br />

eine proprietäre Technologieplattform für<br />

die ultraschnelle, laserbasierte DNA-Analyse<br />

mittels Nanopartikeln zur Marktreife. Damit<br />

wird zum Beispiel ein schnelles Analyse-<br />

verfahren für den Erregernachweis, die Biosicherheit<br />

oder die Pharmakogenomik zur<br />

Verfügung gestellt (vgl. Artikel S. 111).<br />

Eine Besonderheit dieses Investors liegt in<br />

einem neuen Investitionsvehikel, das auch<br />

für Kleinanleger interessant sein soll: Es<br />

handelt sich um die Ausgabe einer Unternehmensanleihe<br />

mit Inhaber-Teilschuldverschreibungen,<br />

die Anleger mit einer unteren<br />

Stückelungsgröße von 1.000 Euro zeichnen<br />

können. Insgesamt ist die Etablierung eines<br />

25-Millionen-Euro-Fonds mit einer maximalen<br />

Laufzeit von (nur) fünf Jahren geplant.<br />

Crowdfunding auch für <strong>Biotech</strong>?<br />

Das Scheitern des VC-Modells und die Abwendung<br />

institutioneller Investoren vom<br />

Life-Science-Sektor hat in den letzten Jahren<br />

die Suche nach alternativen Investoren<br />

vorangetrieben. Private Investoren, von den<br />

Family Offices über Business Angels bis zu<br />

individuellen Anlegern aus dem Mittelstand<br />

und Crowdfunding-Modellen rücken deshalb<br />

zusehends weiter in den Mittelpunkt des Geschehens.<br />

Insbesondere wurden in den letzten Jahren<br />

Fonds-Konstrukte entworfen, um einer breiteren<br />

Bevölkerungsschicht renditeabwerfende<br />

Anlagemöglichkeiten im Life-Science-<br />

Sektor schmackhaft zu machen. Beispiele<br />

hierfür sind:<br />

• Die MIG Fonds mit inzwischen 13 Fonds-<br />

Generationen mit Volumina um jeweils ca.<br />

60 Millionen Euro (z. B. Fonds 13) und<br />

einer Stückelungsmöglichkeit zwischen<br />

3.000 und 5.000 Euro pro Anlageeinheit<br />

bzw. auch kleinteiligerer Aufteilung über<br />

monatliche Ratenzahlungen auf eine<br />

Mindestanlage von 20.000 Euro (z. B.<br />

Fonds 12)<br />

• Der AMD Therapy Fund mit einem geplanten<br />

Fonds-Volumen von 60 Millionen<br />

Euro und Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger<br />

ab 3.000 Euro (Laufzeit zehn<br />

Jahre)<br />

• Die M<strong>EY</strong>-Capital-Matrix-Anleihe im Volumen<br />

von 25 Millionen Euro mit Anlagemöglichkeit<br />

für Kleinanleger ab 1.000 Euro (Laufzeit<br />

fünf Jahre)<br />

Die MIG Fonds wurden mit diesem Modell<br />

zu einem der aktivsten Investoren in der Life-Science-Branche.<br />

Auch im Berichtsjahr<br />

2012 war die MIG signifikant als Investor<br />

aktiv: Neben der Beteiligung an BRAIN<br />

wurden weitere Portfoliounternehmen mit<br />

kleineren Tranchen (0,5 bis 3 Mio. €) aus<br />

den verschiedenen Fonds weiterfinanziert.<br />

Die beiden anderen Genannten befinden<br />

sich noch im Vertrieb ihrer Anlageprodukte,<br />

d.h. im Fundraising.<br />

Gerade in Deutschland, dessen Industrie<br />

vor allem durch den Mittelstand geprägt ist,<br />

würde man ein sehr großes Potenzial von<br />

Privatanlegern erwarten. Diese sollten selbst<br />

unter Inkaufnahme von großen Risiken in<br />

der Lage sein, durch Allokation eines geringen<br />

Anteils ihres Vermögens in die oben<br />

genannten Fonds enorme Kapitalsummen<br />

darzustellen. Hingegen entspricht es aber<br />

offenbar eher der deutschen Mentalität, zu<br />

spenden, als sich auf Renditeversprechen<br />

einzulassen, die hohen Ausfallrisiken unterliegen.<br />

Verlorene Zuschüsse – eingeplant,<br />

aus sozialer Motivation – sind leichter zu<br />

verschmerzen als ein Totalverlust aus vermeintlicher<br />

Unfähigkeit bzgl. der richtigen<br />

Kapitalallokation.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 71


Der AMD Therapy Fund, in dessen Investmentfokus<br />

Therapieentwicklungen auf dem<br />

Gebiet der altersbedingten Makuladegeneration<br />

stehen, baut sein Fundraising eben<br />

darauf auf, insbesondere betroffenen und<br />

interessierten Menschen die Möglichkeit zu<br />

bieten, sich finanziell für neue Therapien zu<br />

engagieren. Die Verzahnung von ideellen<br />

oder altruistischen Werten mit einem Finanzierungsvorhaben<br />

bietet gewissermaßen<br />

einen alternativen Return on Investment.<br />

Neben monetarisierbaren Gegenleistungen<br />

wie bspw. Rechten oder materiellen Gütern<br />

ist dies die Hauptmotivation für die Kapitalgeber<br />

im Crowdfunding.<br />

Durch das Internet erfreut sich das auch<br />

Schwarmfinanzierung genannte Konzept<br />

wachsender Beliebtheit. Insbesondere im<br />

Zuge der Social Media Revolution steigt die<br />

Anzahl der Onlineplattformen, die als Schnitt-<br />

stelle zwischen den Mikroinvestoren und<br />

Unternehmungen fungieren, beständig an.<br />

Der US-amerikanische Vorreiter der Szene –<br />

kickstarter.com – demonstriert, dass in der<br />

Masse durchaus Millionenbeträge zusammengetragen<br />

werden können. Und auch der<br />

hierzulande wohl erfolgreichste Anbieter<br />

seedmatch.de sammelte schon immerhin<br />

sechsstellige Investitionsbeträge für etliche<br />

Aktionen ein. Auch wenn die am höchsten<br />

dotierten Projekte meist künstlerisch-kreativer<br />

Natur sind, lässt dieser Trend doch<br />

Hoffnung aufkeimen, dass auch kapitalintensive<br />

Projekte wie biotechnologische<br />

Entwicklungen von diesem Investitions-<br />

vehikel profitieren können.<br />

Bisher finden sich zwar nur wenige wissenschaftliche<br />

Projekte auf dem Crowdfunding-<br />

Marktplatz, das internationale Umfeld macht<br />

aber bereits vor, dass gerade medizinische<br />

Themen die Gunst der Webgemeinde erreichen<br />

können. So konnte die Initiative<br />

MyProjects der Krebsorganisation Cancer<br />

Research UK unter dem Slogan „Choose<br />

the cancer you want to beat“ seit 2008<br />

ca. eine Million Euro Spendengelder für verschiedenste<br />

onkologische Forschungsprojekte<br />

einsammeln. Auf der anderen Seite<br />

des Atlantiks sollen in naher Zukunft<br />

auf den Plattformen poliwogg.com und<br />

curelauncher.com Gelder für kostspielige<br />

klinische Studien gesammelt werden.<br />

Finanzierung<br />

Als Paradebeispiel für eine erfolgreiche<br />

Crowd-Finanzierung eines <strong>Biotech</strong>-Unternehmens<br />

vermeldete ANTABIO aus Frankreich<br />

erst im vergangenen Oktober, dass im<br />

Rahmen einer erfolgreichen Seed-Runde<br />

etwa 200 Kleinanleger ausgezahlt wurden.<br />

Das Start-up war zunächst über das französische<br />

Crowdfunding-Portal WiSEED finanziert<br />

worden, womit Validierungsschritte<br />

der Technologie bezahlt werden konnten.<br />

Darauf aufbauend konnte ein Investment<br />

eines Business Angel und später die Seed-<br />

Runde mit einem industriellen Partner eingeworben<br />

werden.<br />

Im November 2012 startete hierzulande<br />

die erste deutschsprachige Plattform speziell<br />

für wissenschaftliche Projekte namens<br />

sciencestarter.de. Zwar ist die Aktivität mit<br />

derzeit lediglich zwei Projekten noch recht<br />

gering, allerdings befindet sich das Crowdfunding<br />

noch am Anfang seiner Entwicklung.<br />

Nicht zuletzt steht der Einfluss der<br />

„Digital Natives“ aus der Generation Y noch<br />

aus, die erst in den kommenden Jahren die<br />

unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreichen<br />

werden, um so Zugang zum digitalen Inves-<br />

titionsgeschäft zu erhalten. Vor diesem Hintergrund<br />

bleibt es sehr interessant abzuwarten,<br />

inwiefern sich neue schwarmfinanzierte<br />

Investitionsvehikel etablieren können, die –<br />

gepaart mit einem geschärften Bewusstsein<br />

für den Nutzen der <strong>Biotech</strong>nologie – mithelfen<br />

können, Entwicklungen voranzutreiben.<br />

Privatinvestoren vor dem „Aus“<br />

durch AIFM?<br />

In einer ohnehin schwierigen Situation hatten<br />

sich die für Kleinanleger aufgelegten Fonds<br />

ebenso wie die Crowdfunding-Industrie mit<br />

einer existenzbedrohenden politischen Ini-<br />

tiative auf EU-Ebene auseinanderzusetzen:<br />

die AIFM-Richtlinie (Alternative Investment<br />

Fund Managers). Als Reaktion auf die Finanz-<br />

marktkrise hatte die EU-Kommission einen<br />

Richtlinienentwurf zur Regulierung alternativer<br />

Investmentfonds im europäischen Parlament<br />

verabschiedet. Relevant ist hier vor<br />

allem der angedachte bessere Schutz von<br />

Kleinanlegern vor Risiken der Kapitalanlage<br />

in Fonds und anderen riskanten Finanzprodukten.<br />

Sowohl Untergrenzen für Direkt-<br />

investments in Unternehmen als auch der<br />

72 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

generelle Ausschluss nicht-professioneller<br />

Anleger sowie die Aufnahme aller geschlosse-<br />

nen Fonds (z. B. auch der MIG Fonds) auf<br />

die Liste der zu regulierenden AIFs (Alternative<br />

Investment Funds) hätten viele der o. a.<br />

Fonds-Konstrukte in die Bredouille gebracht<br />

und private Kleinanleger wieder aus diesem<br />

Sektor verbannt.<br />

Der aktuelle Stand der Umsetzung in nationales<br />

Recht (bis zum Juli <strong>2013</strong>) scheint<br />

hier Lockerungen vorzusehen, damit die<br />

direkten Beteiligungen wieder zugelassen<br />

werden und auch Kleinanleger als „Semi-<br />

professionelle“ damit nicht der ursprünglich<br />

vorgesehenen Restriktion unterliegen. Konkret<br />

hatten sowohl der AMD Therapy Fund<br />

über ein Genossenschaftsmodell als auch<br />

M<strong>EY</strong> Capital Matrix über das Modell einer<br />

Anleihe mit definierten Basis-Zinsgewinnen<br />

diese Regelungen bereits umgangen.<br />

Business Angels weiter angesagt<br />

Die im Volumen insgesamt kleiner werden-<br />

den Finanzierungsrunden sind für Business<br />

Angels ein gutes Terrain, um ihre Expertise<br />

verbunden mit eher geringerem Kapitaleinsatz<br />

einzubringen. Insofern ist die zunehmende<br />

Zahl an Runden mit Beteiligung von<br />

Business Angels folgerichtig. Weiterhin zeigt<br />

sich an Einzelbeispielen auch die Tendenz<br />

zur Zusammenarbeit zwischen mehreren<br />

BAs sowie die Einbeziehung ihrer lokalen<br />

Netzwerke, insbesondere regionaler Banken.<br />

Hier geht Nordrhein-Westfalen mit gleich<br />

mehreren guten Beispielen voran. Mit Algiax<br />

Pharmaceuticals wurde 2011 ein <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen gegründet, das sich der Erfor-<br />

schung und Entwicklung neuer ZNS-Wirkstoffe<br />

im Bereich neuropathischer Schmerzen<br />

verschrieben hat.<br />

Die Basis der Finanzierung bilden gleich vier<br />

bekannte <strong>Biotech</strong>-Pioniere in NRW mit ihren<br />

jeweiligen Investitionsvehikeln:<br />

• Riesner Verwaltungs GmbH<br />

(Prof. Detlev Riesner)<br />

• RMMM Holding GmbH<br />

(Martin Nixdorf)<br />

• ROI Verwaltungsgesellschaft mbH<br />

(Roland Oetker)<br />

• Schumacher Familienholding GmbH<br />

(Jürgen Schumacher)


Nicht nur das gemeinsame Engagement der<br />

Privatinvestoren ist beispielgebend. Darüber<br />

hinaus stellt Algiax Pharmaceuticals eines<br />

der ersten Investments des EIF Angel Fonds<br />

dar, mit dem sich die EU an innovativen<br />

Beteiligungen über Mittlerinvestoren aus<br />

dem BA-Bereich beteiligt. Über die ausgewiesene<br />

Expertise dieser Branchen-„Gurus“<br />

hinaus konnte durch weitere Beteiligungen<br />

des High-Tech Gründerfonds (HTGF) sowie<br />

der KfW-Förderbank immerhin die signifikante<br />

Startfinanzierung von 4,3 Millionen<br />

Euro akquiriert werden.<br />

Private Business Angels spielen auch bei<br />

einem weiteren Start-up in NRW eine Rolle.<br />

AyoxxA Biosystems – eine Proteomics-Firma<br />

mit einer Technologieplattform zur Analyse<br />

von Proteinen auf Biochips – wurde 2012 in<br />

Köln als Zweigniederlassung einer Gründung<br />

in Singapur gestartet.<br />

Hinter der 2,6-Millionen-Euro-Finanzierungs-<br />

runde in dieses Unternehmen steht zwar<br />

mit Wellington Partners auch ein klassischer<br />

VC-Fonds sowie ebenfalls HTGF und KfW;<br />

sehr stark involviert sind hier aber vor allem<br />

Rainer Christine und Gregor Siebenkotten<br />

als Business Angels (beide ehemalige amaxa-<br />

Vorstände). Der Link zur lokalen Bank<br />

(NRW.Bank) rundet das Bild ab. In beiden<br />

Fällen (Algiax und AyoxxA) nehmen die<br />

erwähnten Business Angels auch als Board-<br />

Vorsitz (Rainer Christine bei AyoxxA) bzw.<br />

als CEO (Jürgen Schumacher bei Algiax)<br />

wichtige Management-Funktionen wahr.<br />

Die Reihe der BA-Engagements lässt sich<br />

fortsetzen:<br />

• Algiax Pharmaceuticals, Erkrath (s. o.)<br />

• AyoxxA Biosystems, Köln (s. o.)<br />

• AudioCure Pharma, Berlin<br />

(Jürgen Schumacher, HTGF)<br />

• Cube <strong>Biotech</strong>, Monheim<br />

(lokale BAs, HTGF)<br />

• Epivios, Düsseldorf<br />

(HTGF, LSI, privater Investor)<br />

• Eternygen, Berlin<br />

(HTGF, private Investoren, IBB)<br />

Neben der aktiven Unterstützung der meisten<br />

europäischen VC-Fonds hat der EIF<br />

(European Investment Fund) im letzten<br />

Jahr ein neues Finanzierungsvehikel mit<br />

Ausrichtung auf die aktiver werdenden<br />

Business Angels aufgelegt. Dieses sieht vor,<br />

Finanzierung<br />

Investments individueller Business Angels<br />

pro rata und pari passu aufzustocken. Dabei<br />

werden nur individuelle Co-Finanzierungsvereinbarungen<br />

mit individuellen BAs abgeschlossen<br />

und es gibt gewisse Selektions-<br />

kriterien:<br />

• 250.000 bis 5.000.000 Euro Investitionsvolumen<br />

• Track Record des BA hinsichtlich Anzahl<br />

früherer Investments und Exits<br />

Die Grundidee des EAF wird von allen Seiten<br />

sicherlich positiv empfunden, wenngleich<br />

die Erfüllung der Kriterien nicht einfach ist<br />

und den Kreis der Nutznießer und der privaten<br />

Investoren deutlich limitiert.<br />

HTGF – ein immer stärkerer Aktivposten<br />

für <strong>Biotech</strong>-Finanzierungen<br />

Wie bereits erwähnt, ist der High-Tech<br />

Gründerfonds an allen Business-Angel-Runden<br />

beteiligt. An 11 der insgesamt 29 für<br />

Deutschland beschriebenen Finanzierungsrunden<br />

im privaten <strong>Biotech</strong>-Sektor (38 %)<br />

war der HTGF beteiligt und damit der weitaus<br />

aktivste Investor. Dies liegt sicherlich<br />

in erster Linie an der hohen Zahl von<br />

18 Seed- und Erstrundenfinanzierungen,<br />

die zwei Drittel aller Runden ausmachen<br />

und auftragsgemäß das Haupt-Investmenttarget<br />

für die Bonner darstellen. Typischerweise<br />

liegt in fast allen Investments des<br />

HTGF eine einheitliche Konstellation vor,<br />

die durch die Anbindung an lokale Förderinstitutionen<br />

und Business Angels sowie<br />

regionale Geldinstitute charakterisiert ist.<br />

Diese Konstellationen zeigen vor allem<br />

auch, dass die insgesamt wenigen Finanzierungen<br />

fast ausschließlich im Gründungs-<br />

und frühen Unternehmensentwicklungs-<br />

bereich stattfinden, während für spätere<br />

Stadien – außer in wirklichen Einzelfällen<br />

wie bspw. Family Offices – keine Investoren<br />

bereitstehen.<br />

Klassische VCs in Ausnahmeposition<br />

Wie bereits im letzten Jahr sind die klassi-<br />

schen Venture-Capital-Fonds nur noch sehr<br />

vereinzelt als aktive Marktteilnehmer auszumachen;<br />

bezeichnenderweise auch fast<br />

nur in Anschlussfinanzierungen (vierte und<br />

fünfte Runde).<br />

Darunter ragt als einzige signifikante Runde<br />

die fünfte Finanzierung von Affimed über<br />

15,5 Millionen Euro heraus. Das neue<br />

Affimed-Management sieht sich allerdings<br />

nach einem Quasi-Neustart des ursprünglich<br />

2000 gegründeten Unternehmens 2007<br />

deutlich „früher“ positioniert. Besonderheit<br />

dieser Runde ist das Konsortium, das vorwiegend<br />

auf ausländischen VCs (OrbiMed /<br />

USA, Life Sciences Partners / NL, BioMed-<br />

Partners / CH) beruht und zusätzlich mit<br />

Novo Nordisk einen ebenfalls im Ausland<br />

ansässigen strategischen Partner aufweist.<br />

Dies bestätigt die Attraktivität der von<br />

Affimed verfolgten Strategie, die einerseits<br />

auf einer Plattform (TandAb ® , tetravalente<br />

Antikörper) beruht, andererseits aber vor-<br />

nehmlich das Lead-Produkt verfolgt, wel-<br />

ches gerade erst in Phase I getestet wird<br />

(AFM13, anti-CD30xCD16A; Hodgkin-Lymphom).<br />

Die Vorteile dieser Strategie werden<br />

im Artikel von CEO Adi Hoess im Kapitel<br />

„Produkte“ näher beschrieben (S. 105).<br />

Als einzige rein deutsche, aktive VC-Investoren<br />

sind nur Wellington Partners, CREATHOR<br />

VENTURE und Peppermint VenturePartners<br />

verblieben. Die Finanzierungsrunden, für<br />

die sie im Jahr 2012 Kapital beigesteuert<br />

haben, sind fast allesamt im Technologiebereich<br />

angesiedelt:<br />

• CEVEC Pharmaceuticals (Zelltechnik)<br />

• AyoxxA Biosystems (Proteomics Chips)<br />

• Cube-biotech (Membrantechnologie)<br />

CREATHOR VENTURE ist außerdem an der<br />

aktuellen 2012er Runde von Phenex Pharmaceuticals<br />

beteiligt und damit an einem<br />

Technologie- / Therapieentwicklungsunternehmen.<br />

Venture Capital kam darüber hinaus in<br />

begrenztem Umfang aus wenigen Fonds<br />

mit regionaler Anbindung in bestimmten<br />

Bundesländern. So trugen die Investitionsbank<br />

Berlin, bmp Beteiligungsmanage-<br />

ment (Brandenburg), Bio M (München),<br />

eCAPITAL entrepreneurial Partners (Münster)<br />

und die BayBG Bayerische Beteiligungs-<br />

gesellschaft (München) jeweils ihren Teil<br />

zu den meist sehr lokalen kleinen Runden<br />

bei.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 73


Ausländische VC-Investoren nach wie vor<br />

nur sporadisch in Deutschland aktiv<br />

Deutschland kann sicherlich viele Innova-<br />

tionen im Bereich der biotechnischen Entwicklung<br />

aufweisen; dennoch ist der Standort<br />

nach wie vor nicht ausgesprochen attrak-<br />

tiv für ausländische Investoren. Lediglich<br />

in der Affimed-Runde haben sich einige zusammengefunden<br />

(s. o.).<br />

Darüber hinaus Fehlanzeige bis auf eine<br />

eher nicht erwartete Ausnahme: Mit Maxwell<br />

<strong>Biotech</strong> Venture Fund hat erstmals<br />

ein russischer VC-Fonds in Deutschland ein<br />

Investment getätigt. Maxwell <strong>Biotech</strong> Venture<br />

Fund ist der erste russische Fonds, der<br />

voll auf den Life-Science-Sektor setzt. Er<br />

wurde mithilfe eines russischen Regierungsfonds<br />

aufgelegt, der eigentlich den Auftrag<br />

hat, innovative Entwicklungen in Russland<br />

voranzubringen. Allerdings ist Maxwell mittlerweile<br />

mit Büros in Moskau und Boston<br />

international aufgestellt.<br />

Corporate Venture Capital und<br />

strategische Investoren auch in<br />

Deutschland aktiv<br />

Schließlich sind auch die bereits in den letzten<br />

Jahren viel diskutierten Aktivitäten von<br />

Corporate Venture Capital und strategischen<br />

Investoren in Deutschland wieder sichtbar.<br />

Interessant ist, dass gleich zwei Strategen<br />

mit ihren CVC-Fonds sich auf ein und das-<br />

selbe Target gestürzt haben: Sowohl für den<br />

Novartis Venture Fund als auch für den<br />

Boehringer Ingelheim Venture Fund war<br />

AMP Therapeutics ein lohnendes Asset. Die<br />

junge pharmazeutische Firma aus Leipzig<br />

hat sich auf die Erforschung und Entwicklung<br />

innovativer Breitspektrum-Antibiotika<br />

zur Behandlung von Infektionen durch multi-<br />

resistente gramnegative Bakterien fokussiert.<br />

Offensichtlich ist dieses Feld inzwischen<br />

Finanzierung<br />

für Pharma-Firmen wieder höchst attraktiv<br />

geworden. Dies untermauert auch der im<br />

letzten Jahr abgeschlossene Deal zwischen<br />

AiCuris und Merck & Co. (genauer erläutert<br />

im Kapitel „Transaktionen“). AMP Therapeu-<br />

tics kann auf eine hoch innovative Techno-<br />

logieplattform mit natürlichen Peptiden<br />

bauen, die Bestandteile des Immunsystems<br />

von Insekten sind (z. B. die Apidaecine der<br />

Honigbiene und die Oncocine der Milchkrautwanze).<br />

Auf dieser Basis wurden Leitstrukturen<br />

entwickelt und hergestellt, die in vitro<br />

und in vivo bezüglich ihrer pharmakologischen<br />

Schlüsseleigenschaften sowie anschließend<br />

in klinischen Studien am Menschen<br />

getestet werden (vgl. Artikel von Marc W.<br />

Hentz auf S. 76).<br />

Dieses Investment ist sehr typisch für die<br />

Ziele/ Kennzeichen der Pharma-Corporate-<br />

Venture-Funds:<br />

• Eine sehr frühe Technologieplattform mit<br />

dem Potenzial zur nachhaltigen Generierung<br />

innovativer Wirkstoffe<br />

• Die Möglichkeit, an einer Innovation früh<br />

und ohne großen Aufwand (Risiko, Kosten,<br />

Commitment) teilzunehmen und gege-<br />

benenfalls priorisierte Zugriffsrechte zu<br />

erhalten<br />

• Therapiegebiete mit großem Zukunfts-<br />

potenzial<br />

• Ein zu früher Zeitpunkt für das Engagement<br />

von Pharma Business Development<br />

Neben den genannten CVC-Fonds waren stra-<br />

tegische Investoren in wenigen Finanzierungs-<br />

runden involviert. Novo Nordisk schloss<br />

sich der Affimed-Runde an; BioNTech, das<br />

Mainzer <strong>Biotech</strong>-„Konsortium“ mit Schwerpunkt<br />

auf individueller Immuntherapie aus<br />

dem Strüngmann-Portfolio, erwarb eine<br />

Beteiligung an dem Bioinformatik-Start-up<br />

AptaIT. AptaIT ist ein idealer Fit für die<br />

Bestrebungen bei BioNTech, durch Next<br />

Generation Sequencing (NGS) einzelne<br />

Krebspatienten nach Sequenzierung ihrer<br />

Tumor-DNA einer gezielten „individualisierten“<br />

Therapie zuzuführen. Für die Auswertung<br />

von NGS-Daten sind hochspezifische<br />

Programme erforderlich, wie sie AptaIT bieten<br />

kann.<br />

74 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Außerhalb des Medizinsektors waren schließ-<br />

lich BRAIN und die Braun Beteiligungs-GmbH<br />

mit einer Beteiligung an Enzymicals aus<br />

Greifswald aktiv. Dieses Investment sowie<br />

die bereits 2010 getätigte erste Beteiligung<br />

ist ein erster Schritt auf dem Weg der Industrialisierungsstrategie<br />

von BRAIN. Durch die<br />

Kombination der Enzymicals-Kompetenz in<br />

industriellen Chemieprozessen und der<br />

BRAIN-Technologie zum Genetic Engineering<br />

innovativer Enzymfunktionen wurde eine<br />

fast komplette Wertschöpfungskette für die<br />

Herstellung von Feinchemikalien etabliert.<br />

Dazu gehört inzwischen auch die Produk-<br />

tionsfirma HERBRAND PharmaChemicals.


Business Angels und Venture-Capital-Investoren –<br />

Nur gemeinsam stark<br />

Rainer Christine,<br />

Science to Market Venture Capital GmbH,<br />

Köln<br />

Die Retter der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie?<br />

Business Angels – geflügelte Wesen zur Errettung<br />

der deutschen Life-Science-Unternehmen?<br />

Leider nicht. Aber in vielen Fällen<br />

Akteure mit Bodenhaftung und Erfahrung,<br />

die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau<br />

erfolgreicher Start-ups leisten können.<br />

Es gibt keinen typischen Business Angel<br />

Der Begriff Business Angels suggeriert, dass<br />

es sich um eine halbwegs homogene Gruppe<br />

von Investoren handelt. Die Realität ist allerdings<br />

deutlich facettenreicher: vom Investor,<br />

der „nur Geld“ zur Verfügung stellt, das er<br />

nicht im Life-Science-Bereich verdient hat,<br />

und außerhalb von Gesellschafterversammlungen<br />

nicht mit dem Unternehmen interagiert<br />

– bis hin zum Investor, der Geld, Know-<br />

how und Netzwerk zu bieten hat, auf reich-<br />

haltige operative Erfahrung bei Life-Science-<br />

Start-ups zurückgreifen kann, mehrmals pro<br />

Woche mit dem Unternehmen Kontakt hat<br />

und vielleicht sogar den Beiratsvorsitz übernimmt,<br />

reicht das Spektrum. Eine andere<br />

wichtige Dimension: geschieht das Investment<br />

am Rande des eigenen Arbeitsschwerpunkts,<br />

bestenfalls als Nebentätigkeit, oder<br />

stellt die Tätigkeit als Business Angel einen<br />

wichtigen Teil des eigenen Alltags und<br />

Selbstverständnisses dar? Die Schattierun-<br />

gen zwischen den Polen sind vielfältig. Vor<br />

dem Hintergrund dieser Vielfalt stellen die<br />

folgenden Aussagen fraglos eine starke Verallgemeinerung<br />

dar und konzentrieren sich<br />

auf Business Angels, die aus dem Life-Science-<br />

Bereich stammen.<br />

Unterschiede VC – BA<br />

Gibt es also wichtige Unterschiede zwischen<br />

institutionellen Venture-Capital-Investoren<br />

und Business Angels? Auch hier erfordert<br />

die Abgrenzung das Aushalten von etwas<br />

Stereotypie. Die Ausnahmen von der Regel<br />

sind hier zahlreich. VCs haben tiefere Taschen,<br />

selektieren ihre Investments aus breiterem<br />

Dealflow (z. B. einem Deal von hundert),<br />

machen die professionellere Due Diligence<br />

und die professionelleren Verträge. Sie sind<br />

stärker auf einen Exit fokussiert, haben hierbei<br />

engere zeitliche Vorgaben, auch aufgrund<br />

der eigenen Fonds-Struktur. VCs, besonders<br />

wenn sie ihr ganzes Berufsleben in dieser<br />

Rolle verbracht haben, besitzen manchmal<br />

einen eingeschränkteren Blick auf das Unter-<br />

nehmen und dessen Erfolgsfaktoren. So lange<br />

keinem ehrlichen Feedback mehr ausgesetzt,<br />

steht es mit der Selbstwahrnehmung hier und<br />

da nicht zum Allerbesten. Und gelegentlich<br />

weisen VCs die Tendenz auf, ihre Rendite<br />

auf Kosten der Gründer und anderer Gesellschafter<br />

optimieren zu wollen. Privatinves-<br />

toren hingegen haben weniger tiefe Taschen<br />

und selektieren aus geringerem Dealflow<br />

(z. B. einem Deal von zehn). Das senkt potenziell<br />

die Qualität der durchgeführten Investments,<br />

allerdings kann die Herkunft aus dem<br />

persönlichen Netzwerk auch eine wichtige<br />

Vorselektion darstellen. Business Angels haben<br />

einen geringeren Fokus auf professionelle<br />

Due Diligence und Verträge. Sie sind in<br />

vielen Fällen weniger stark Exit-orientiert<br />

und haben oft den längeren Atem bei ihren<br />

Investments. Business Angels haben aufgrund<br />

ihrer unternehmerischen Erfahrung (sofern<br />

vorhanden) die Firma in ihrer Komplexität<br />

besser im Blick und ein Herz für Gründer, die<br />

sie vielleicht selbst einmal waren. Sie wissen<br />

aus Erfahrung, dass Ausgleich der Interessen<br />

ein wichtiger Beitrag zum Erfolg ist. Zu beglückwünschen<br />

sind vor allem die Unternehmen,<br />

deren Investoren in der Lage sind, das<br />

Beste aus beiden Welten zu kombinieren:<br />

tiefe Taschen und unternehmerische Erfahrung,<br />

professionelle Due Diligence und einen<br />

wohlwollenden Blick auf die Gründer, Ausrichtung<br />

auf einen Exit als wichtige Leitlinie,<br />

aber ohne Zeitdruck zur Unzeit.<br />

Problem Finanzierung<br />

Die Finanzierung von Life-Science-Unternehmen<br />

in Deutschland steckt in einer tiefen<br />

Krise. Es steht auch den guten Unternehmen<br />

zu wenig Kapital zur Verfügung, um sich mit<br />

optimaler Geschwindigkeit zu bewegen; bzw.<br />

in vielen Fällen sich überhaupt noch zu bewegen.<br />

Die Gründe hierfür sind vielschichtig:<br />

mangelnde Erfolge in der Vergangenheit,<br />

schlechtes konjunkturelles Timing für die<br />

entstehende VC-Szene in Deutschland (etwa<br />

das schlechte Abschneiden der Fonds, die<br />

um das Jahr 2000 aufgelegt wurden),<br />

erschwerte Rahmenbedingungen für die<br />

potenziellen Investoren in VC-Fonds sowie<br />

keine etablierte Kultur zur Finanzierung von<br />

Start-ups bei den verbleibenden Investoren.<br />

Kein VERSUS, sondern ein UND:<br />

Gemeinsam ans Ziel<br />

Die größere Rolle, die Business Angels in den<br />

letzten Jahren bei der Finanzierung junger<br />

Life-Science-Unternehmen spielen, ist durchweg<br />

zu begrüßen. Auch der European Angels<br />

Fund des EIF liefert hier einen wertvollen Beitrag.<br />

Das Gesamtvolumen von 70 Millionen<br />

Euro, welches in allen Technologiebereichen<br />

über die nächsten fünf bis zehn Jahre inves-<br />

tiert werden soll, macht allerdings deutlich,<br />

dass auch diese Initiative alleine die Finanzierungskrise<br />

nicht lösen wird. In diesen Krisenzeiten,<br />

aber auch grundsätzlich gilt wohl,<br />

dass alle Akteure in der Life-Science-Welt am<br />

besten gemeinsam ans Ziel kommen, und<br />

zwar an das Ziel, nachhaltig erfolgreiche<br />

Unternehmen aufzubauen, die Produkte ent-<br />

wickeln, welche die Kunden bezahlen wollen.<br />

Die Fragestellung nach Business Angels<br />

VERSUS Venture Capital erscheint daher<br />

wenig hilfreich, vielmehr geht es um die Frage<br />

Business Angels UND Venture Capital. Wie<br />

sieht eine konstruktive, vertrauensvolle,<br />

unternehmensorientierte Zusammenarbeit<br />

aus, um die kargen verbliebenen Ressourcen<br />

in bester Weise für die Portfoliounternehmen<br />

und damit auch für deren Gesellschafter zu<br />

nutzen? Und wie kann das auf Grund gelaufene<br />

Schiff „Venture Capital“ wieder flottgemacht<br />

werden?<br />

www.science-to-market.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

75


Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer<br />

und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics<br />

Dr. Marc W. Hentz,<br />

Managing Director<br />

AMP Therapeutics GmbH, Leipzig<br />

Gefahr der multiresistenten Bakterien<br />

Durch Krankenhausinfektionen sterben allein<br />

in Deutschland jedes Jahr über 15.000<br />

Menschen – Tendenz steigend. Nach Expertenmeinung<br />

fehlen bis 2020 mindestens<br />

zehn neu entwickelte Antibiotika, um der<br />

wachsenden Gefahr durch (multi-)resistente<br />

Bakterien adäquat begegnen zu können.<br />

Andernfalls droht ein Rückfall in die präantibiotische<br />

Ära mit drastischen Konsequenzen.<br />

AMP Therapeutics: Lean & Smart<br />

Vor diesem Hintergrund startete 2009 die<br />

AMP Therapeutics GmbH (AMPT) als Ausgründung<br />

der Universität Leipzig. In der<br />

Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann vom<br />

Institut für Bioanalytische Chemie war es<br />

gelungen, die seit längerem bekannten<br />

antimikrobiellen Peptide aus Insekten durch<br />

gezielte Strukturveränderungen zu stabilisieren<br />

und deren Wirksamkeit zu verbessern.<br />

AMPT übernahm die beiden Substanzklassen<br />

der Apidaecine (aus der Honigbiene)<br />

und der Oncocine (aus der Milchkrautwanze).<br />

Was eine Entwicklung unter Pharma-Gesichtspunkten<br />

besonders interessant machte,<br />

war die neue Wirkweise der optimierten<br />

Substanzen, die die Bildung resistenter Bakterien<br />

erschweren. AMPT war von Beginn an<br />

als schlanker Projektentwickler geplant, der<br />

mit den besten CROs weltweit kooperiert.<br />

Zwei Co-Geschäftsführer managen die<br />

Bereiche R&D einerseits sowie Finances &<br />

Business Development andererseits. Das<br />

Kernteam im Hauptquartier in der BIO CITY<br />

Leipzig übernimmt ausgewählte Aufgaben<br />

aus Qualitätskontrolle, entwicklungsbeglei-<br />

tender Forschung und Synthese. Die Firma<br />

profitiert von ihrer Lage Tür an Tür mit der<br />

Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann, was<br />

die fortgesetzte Nutzung universitärer Infrastruktur<br />

und Großgeräte erlaubt und bereits<br />

zwei erfolgreiche gemeinsame Fördermittelanträge<br />

ermöglicht hat.<br />

Wenig Resonanz der VCs<br />

Als wir 2010 den Businessplan für die Entwicklung<br />

solch neuartiger Antibiotika konzipierten,<br />

war uns bewusst, dass das Fundraising<br />

für ein derartig frühes, präklinisches<br />

Projekt eine Herausforderung sein würde.<br />

Antibiotikaentwicklung war und ist nach wie<br />

vor ein Gebiet, aus dem sich die meisten<br />

Pharma-Firmen zurückgezogen hatten. Obwohl<br />

wir in der Community europäischer<br />

Life-Science-Investoren über ein gutes Netzwerk<br />

verfügten, war die Resonanz zunächst<br />

enttäuschend. Die meisten VCs sind auf<br />

Portfoliopflege und das Entwickeln „risiko-<br />

reduzierter“ Ansätze fokussiert – für innovative<br />

und riskante Konzepte im Bereich Drug<br />

Development gibt es nur eine sehr eingeschränkte<br />

Nachfrage.<br />

Corporate Venture: NVF und BIVF<br />

Daher knüpften wir außerdem Kontakte zu<br />

den firmeneigenen VC-Fonds der Pharma-<br />

Konzerne, den Corporate Venture Capital<br />

Funds (CVC). Früh stießen wir dort auf ein<br />

deutlich größeres Interesse. In den anfangs<br />

parallel und später zusammen geführten<br />

Diskussionen mit dem Novartis Venture Fund<br />

(NVF) und dem 2010 neu aufgelegten<br />

Boehringer Ingelheim Venture Fund (BIVF)<br />

stimmten wir schnell überein, wie ein solches<br />

Projekt aufzusetzen sei. Insbesondere die<br />

sehr wissenschaftsbasierte Due Diligence<br />

und Diskussion trieb den schnellen Fortschritt<br />

in dieser Phase. Wir einigten uns auf<br />

eine gleich hohe Beteiligung beider Fonds,<br />

die in einer Finanzierungsrunde Ende 2011 /<br />

Anfang 2012 umgesetzt wurde. Das Investment<br />

stellte die erste Beteiligung von BIVF<br />

in Deutschland dar, der mittlerweile weitere<br />

gefolgt sind. Für den Novartis Venture Fund<br />

(über 550 Mio. US unter Management)war<br />

es das erste und bisher einzige Investment in<br />

Deutschland. Obwohl NVF seinen Hauptsitz<br />

in Basel hat, wird die Betreuung des Investments<br />

aus dem Büro in Boston gesteuert.<br />

Mit Henry Skinner aus dem NVF Büro in<br />

76 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Cambridge (Massachusetts), der den NVF<br />

im Advisory Board repräsentiert, ist nun ein<br />

ehemaliger CEO einer Antibiotikafirma Teil<br />

des Teams. Durch Martin Heidecker – einen<br />

erfahrenen Venture Capitalist, der den BIVF<br />

vertritt – eröffnen sich für AMP Therapeutics<br />

wichtige Kontakte in die Forschungsabteilungen<br />

und zu den Spezialisten von Boehringer<br />

Ingelheim. Für beide Fonds ist die Beteiligung<br />

an AMPT bereits das zweite gemeinsame<br />

Investment (nach Okairos, Schweiz).<br />

Keine Nachteile für AMPT<br />

Den Vorteilen der Finanzierung durch Corporate<br />

Venture Capital stehen für AMPT keinerlei<br />

sichtbare Nachteile gegenüber. Da<br />

keiner der beiden bestehenden CVC-Gesellschafter<br />

Lizenz- oder Optionsrechte hält,<br />

steht späteren Partnerschaften mit anderen<br />

Pharma-Unternehmen nichts entgegen. Die<br />

Beteiligung weiterer klassischer VC-Investoren<br />

wird für die nächste Finanzierungsrunde im<br />

laufenden Jahr angestrebt. Innerhalb dieser<br />

Finanzierungsperiode soll die erste Lead-<br />

Substanz dann in die klinische Phase I eintreten.<br />

CVC als generelles<br />

Finanzierungsinstrument?<br />

Ist das ein garantiertes Erfolgsrezept oder<br />

eine Alternative für alle Start-ups im Bereich<br />

Drug Development? Die Antwort muss Nein<br />

lauten, denn immer spielen Timing und auch<br />

Glück eine Rolle. Während unverändert eine<br />

hohe Übereinstimmung bei den üblichen<br />

harten Kriterien und der Bewertung bestehen<br />

muss, gibt es einige weiche Faktoren, die<br />

nur bedingt zu steuern sind: Reputation und<br />

Netzwerk des initialen Advisory Boards können<br />

den erfolgreichen Kontakt zu den Investoren<br />

über passende individuelle Kontakte<br />

erleichtern. Auch die persönliche Ansprache<br />

der Investoren durch das Management bei<br />

Konferenzen o. a. Anlässen kann hilfreich<br />

sein, um die Sichtbarkeit und Priorität des<br />

eigenen Projekts zu steigern. Festzuhalten<br />

bleibt die hohe Ansprechbarkeit und Risikobereitschaft<br />

von CVC-Investoren, was den<br />

Sektor Drug Discovery angeht. Diese stellen<br />

im aktuellen schwierigen Marktumfeld insbesondere<br />

für deutsche <strong>Biotech</strong>-Start-ups aus<br />

diesem Bereich eine der wichtigsten Res-<br />

sourcen für die Translation früher Entwicklungskandidaten<br />

dar.<br />

www.amp-therapeutics.com


Service for Equity – US CROs starten<br />

auch in Deutschland durch<br />

In Zeiten extrem schwieriger Finanzierung<br />

ist für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Kreativität bei<br />

der Erschließung neuer Geldquellen gefragt.<br />

Andererseits sind auch Dienstleister wie<br />

zum Beispiel Auftragsforschungs- und Entwicklungsorganisationen<br />

von finanziellen<br />

Engpässen ihrer Kunden betroffen, wenn<br />

diese die Leistungen nicht mehr bezahlen<br />

können. Diesem Dilemma waren bereits<br />

früher CROs (z. B. FocusCDD) begegnet –<br />

dadurch, dass sie versuchten sich in einem<br />

Service-for-Equity-Modell die Dienstleistungen<br />

in Form von Firmenanteilen bezahlen<br />

zu lassen. Leider hat sich keines dieser<br />

Modelle bisher als nachhaltig erwiesen.<br />

Wie der nachfolgende Artikel von CATO<br />

BioVentures aufzeigt, funktioniert deren<br />

Konzept zumindest in den USA und soll nun<br />

in Europa (inklusive Deutschland) übernommen<br />

werden. Ein wesentlicher Bestandteil<br />

des Modells ist die Trennung der reinen<br />

CRO-Services (CATO Research) von den<br />

Kapitalgebern, die als CATO BioVentures<br />

firmieren. Grundsätzlich existieren zwei unterschiedliche<br />

Modelle der Zusammenarbeit:<br />

• Das Partnership-Programm<br />

• Das Majority-Ownership-Programm<br />

Während in der ersten Variante individuelle<br />

Produktentwicklungen als Asset im Mittelpunkt<br />

der Vereinbarung stehen und die<br />

entsprechenden Entwicklungskosten gegen<br />

Anteile getauscht werden, bezieht das zweite<br />

Programm ein ganzes Portfolio mit ein.<br />

In beiden Fällen ergeben sich für die beteilig-<br />

ten Unternehmen Vorteile. Das Konzept hat<br />

positive Auswirkungen auf den Cashflow,<br />

verringert das Umlaufvermögen in der Bilanz<br />

und eröffnet dem Sponsor die Möglichkeit,<br />

mit insgesamt geringerem Kapitaleinsatz<br />

den Drug-Development-Prozess zu finan-<br />

zieren. Auch der Due-Diligence-Prozess ist<br />

einfacher gestrickt und verbindet das notwendige<br />

Master Service Agreement mit der<br />

Finanzierung<br />

Finanzierung bzw. dem Anteilskapital. Die<br />

Majority-Ownership-Variante kommt dabei<br />

in die Nähe von Modellen, die auch für<br />

Pharma-Unternehmen in jüngerer Vergangenheit<br />

interessant waren. Externe Finanzierungen<br />

von Projekten oder Teilportfolios<br />

sind realistische Szenarien, wenn es darum<br />

geht, die Werte vorhandener Assets bei<br />

limitiertem F&E-Budget optimal auszuschöpfen.<br />

In den USA hat CATO BioVentures nach<br />

diesen Modellen bereits Verbindungen zu<br />

22 Portfoliounternehmen, vier davon im<br />

Majority-Ownership-Programm. Es bleibt<br />

abzuwarten, ob und wie dieses Modell auch<br />

in Europa und Deutschland Einzug findet.<br />

Regionalisierung des Kapitals?<br />

Auf der Liste der aktuellen Finanzierungen<br />

stürzt die Rundengröße nach den beiden<br />

großen Finanzierungen von CureVac und<br />

BRAIN jäh ab und landet mit nur zwei Ausnahmen<br />

(AiCuris und Affimed) schnell bei<br />

einstelligen Millionensummen. In diesen<br />

immer kleiner werdenden Runden nimmt<br />

die Präsenz wie auch die Bedeutung lokaler<br />

Kapitalgeber – lokaler Business Angels,<br />

lokaler Banken, VC-Äste von Landesregierungen<br />

etc. – sichtbar zu.<br />

In der Tabelle der Beteiligungsfinanzierungen<br />

in Deutschland ist dieser „Regionalisierungstrend“<br />

deutlich sichtbar. Bei zwei<br />

Dritteln der 29 aufgeführten Finanzierungen<br />

sind regionale Investoren zumindest an Bord.<br />

Aus Sicht der kapitalsuchenden Firmen<br />

eigentlich ein Segen: Lokale Netzwerke und<br />

die persönliche Interaktion mit Banken und<br />

Business Angels haben Vorteile. Auch die<br />

Kapitalgeber in direkter Nachbarschaft zu<br />

ihren Portfoliounternehmen können daraus<br />

Nutzen ziehen. Andererseits müssen Unternehmen<br />

mit Blick auf die Standortwahl diese<br />

Faktoren stärker berücksichtigen.<br />

Standortwechsel wegen Finanzierung?<br />

Mit der allgemein schlechten Finanzierungslage<br />

in Deutschland und der zuvor beschriebenen<br />

Regionalisierung der Finanzierungsszene<br />

gewinnt die Standortfrage auch aus<br />

diesem Aspekt heraus an Bedeutung. Während<br />

bisher in puncto Standort vor allem die<br />

Nähe zu Kollaborationspartnern, dem wissen-<br />

schaftlichen Umfeld oder allenfalls Zulieferern<br />

eine Rolle spielte, kommt möglicherweise<br />

der Investor als weiteres Element hinzu. Wenn<br />

die passenden Investoren und/oder Partner<br />

nicht vor Ort gefunden werden, ist auch ein<br />

Standortwechsel eine denkbare Option.<br />

Hierfür gab es bereits früher Beispiele: Etwa<br />

als Phenex Pharmaceuticals in ihren Anfängen<br />

kein VC-Kapital in Heidelberg bekommen<br />

konnte und deshalb den Umzug nach Ludwigshafen<br />

wagte, wo in Rheinland-Pfalz die<br />

EVP Capital Management (ehemals equinet<br />

Venture Partners) die Finanzierung übernahm.<br />

Ein aktuelles Beispiel betrifft CyTuVax. Das<br />

ehemals in Dortmund gegründete Unternehmen,<br />

das 2012 als ein Gewinner des<br />

Science4Life Venture Cup ausgezeichnet<br />

wurde, hat eine innovative Immuntherapieplattform<br />

zur Krebsvakzinierung ent-<br />

wickelt. Der zentrale Baustein ist ein auf<br />

Zytokinen in Depotform basierendes hoch<br />

effektives Adjuvans. Zytokine sind körper-<br />

eigene Biomoleküle, mit deren Hilfe Zellen<br />

des Immunsystems miteinander kommunizieren.<br />

Durch ihre Anwendung in Depotform<br />

in Vakzinen kann das Immunsystem gezielt<br />

beeinflusst werden. Damit wird es möglich,<br />

selbst gegen Tumoren und problematische<br />

Infektionskrankheiten zu vakzinieren. Trotz<br />

des hochinnovativen Ansatzes konnte in<br />

Deutschland keine Finanzierung realisiert<br />

werden, woraufhin CyTuVax ins Nachbarland<br />

Niederlande auswanderte. Am neuen Standort<br />

in Maastricht gelang offenbar, was in<br />

Deutschland verwehrt geblieben war: eine<br />

Beteiligung durch Nedermaas Ventures, ein<br />

ebenfalls regional auf die Region Limburg<br />

konzentrierter Ast der Industriebank LIOF.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 77


Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und<br />

BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt<br />

Dr. Ulf Menyes,<br />

CEO Enzymicals AG, Greifswald<br />

Enzymicals AG – Spezialisten im Bereich<br />

Biokatalyse<br />

2009 als Start-up aus dem AK Bornscheuer<br />

an der Universität Greifswald gegründet, ist<br />

die Enzymicals AG auf die biokatalytische<br />

Prozessentwicklung und Herstellung von<br />

Fein- und Spezialchemikalien bis in den Kilogrammmaßstab<br />

und einzigartigen Biokatalysatoren<br />

(Enzyme) spezialisiert.<br />

Produkt- und Dienstleistungsspektrum<br />

Alleinstellungsmerkmale besitzen die<br />

Greifswalder im Bereich der rekombinanten<br />

Schweineleberesterasen, (R)-selektiven<br />

Amintransaminasen und Baeyer-Villiger-<br />

Monooxygenasen. Das Enzymportfolio enthält<br />

innovative Biokatalysatoren in ver-<br />

schiedenen Qualitäten, um den Aufgabenstellungen<br />

der Kunden im höchsten Maße<br />

gerecht zu werden. Auch andere Enzym-<br />

klassen werden im Rahmen von Kundenprojekten<br />

bearbeitet und auf ihre effiziente<br />

ökonomische Nutzbarkeit gegebenenfalls<br />

durch Protein Engineering hin angepasst.<br />

Dabei steht dem Unternehmen neueste<br />

Technik zur Verfügung. Ein Schwerpunkt für<br />

das interdisziplinäre Team aus Biochemikern,<br />

Chemikern und Biologen bildet darüber<br />

hinaus der Dienstleistungs- und Prozessentwicklungsbereich.<br />

Hier werden z. B. Screenings<br />

für die biokatalytische Umsetzung von<br />

Chemikalien angeboten. Bei Eignung eines<br />

Enzyms werden die Prozesse, inklusive der<br />

Aufarbeitung der Produkte, entwickelt. Ziel<br />

ist eine Auslizenzierung an die Kunden.<br />

Industriepartner investieren strategisch<br />

Die Enzymicals AG hat von Ihrer Gründung<br />

an auf strategische Kooperationen – verbunden<br />

mit strategischen Investments zur ersten<br />

Finanzierung des Unternehmensaufbaus –<br />

gesetzt. So sind seit 2010 die BRAIN AG und<br />

seit 2012 zusätzlich die BBG (Braun Beteiligungs)<br />

GmbH Greifswald jeweils mit Minderheitsbeteiligungen<br />

investiert. Zur BBG GmbH<br />

gehört auch die HERBRAND PharmaChemicals,<br />

ein klassischer API-Hersteller. Weitere<br />

Unternehmen mit BBG-Beteiligung, welche<br />

für Enzymicals von Relevanz sind, sind die<br />

CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH und die<br />

WALTER RITTER GmbH & Co. KG.<br />

Optimale Positionierung innerhalb der Enzym-Wertschöpfungskette<br />

Die Kernkompetenzen der direkt miteinander<br />

kooperierenden Firmen ergänzen sich<br />

optimal: BRAIN identifiziert, optimiert und<br />

produziert neue Enzyme. Enzymicals übernimmt<br />

die Anwendungs- und Prozessentwicklung<br />

der biokatalytischen Prozesse für<br />

chemische und pharmazeutische Produkte<br />

sowie die prozessorientierte Enzymoptimierung.<br />

Am Ende steht dann die biokatalytische<br />

Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen<br />

(APIs) unter cGMP-Bedingungen<br />

der HERBRAND PharmaChemicals GmbH.<br />

Der Verbund der Unternehmen bildet damit<br />

eine einzigartige Wertschöpfungskette: vom<br />

neuen Enzym bis hin zum biokatalytisch<br />

hergestellten chemisch-pharmazeutischen<br />

Produkt (inklusive der Möglichkeit, im Netzwerk<br />

auch die kompletten Arzneimittel mit<br />

ökologisch und ökonomisch effizienten Prozessen<br />

herstellen zu können). Ein solcher<br />

Unternehmensaufbau durch strategische<br />

Investoren ist gegenüber anderen Finanzierungswegen<br />

ein Vorteil. Dieser erfordert<br />

eine ständige Kontrolle der strategischen<br />

Ansätze von allen Beteiligten durch eine<br />

ständige Aktivität am Markt mit Kundenorientierung.<br />

Um daraus keinen Nachteil erwachsen<br />

zu lassen, ist disziplinierte und kontinuierliche<br />

Abstimmung zwischen den<br />

Partnern erforderlich.<br />

Weitere Finanzierung durch Cashflow<br />

Die weitere Finanzierung des Unternehmens<br />

wird Schritt für Schritt durch den erfolgreichen<br />

Ausbau der Kundengeschäfte er-<br />

78 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

reicht. Zusätzlich wurden für die Entwicklung<br />

neuer Produkte und Prozesse im<br />

Bereich Feinchemikalien sehr erfolgreich<br />

öffentliche Fördermittelprojekte eingeworben.<br />

Auch dabei setzt die Enzymicals auf<br />

bestehende Kooperationen im Bereich von<br />

Universitäten und Firmen.<br />

Synergien nutzen aus bestehenden<br />

Kooperationen<br />

Die positiven Effekte, die sich aus der Zusammenarbeit<br />

mit der HERBRAND Pharma-<br />

Chemicals GmbH in der marktorientierten<br />

biokatalytischen Prozessentwicklung und<br />

mit der BRAIN AG in der Identifizierung neuer<br />

Enzyme ergeben, sind für alle Beteiligten<br />

hervorragend nutzbar. Es präsentiert sich<br />

dadurch am Markt ein starker Verbund von<br />

innovativen Unternehmen mit zum Teil jahrzehntelangen<br />

Erfahrungen und Kontakten.<br />

Die Möglichkeiten bei der HERBRAND Pharma-<br />

Chemicals GmbH versetzen den Verbund in<br />

die Lage, großvolumige Produktionsprozesse<br />

am Standort Deutschland unter cGMP-Bedingungen<br />

auszuführen und somit die Anfor-<br />

derungen der Kunden bezüglich Qualität<br />

und zeitnaher Belieferung optimal zu bedienen.<br />

Dieses Potenzial wurde auch am internationalen<br />

Markt auf der Informex <strong>2013</strong> in<br />

den USA gemeinsam angeboten. Über das<br />

bestehende Netzwerk hinaus ist es der Enzymicals<br />

gelungen, in kurzer Zeit eine Reihe<br />

von Kooperationen zu definierten Themengebieten,<br />

z. B. mit Sigma-Aldrich, Evonik,<br />

Lonza und einer Reihe von nicht offengelegten<br />

Kunden aus dem Bereich der pharma-<br />

zeutischen und chemischen Industrie, abzuschließen.<br />

Gut gerüstet für die Zukunft<br />

Enzymicals erwartet in dem stetig wachsenden<br />

Markt der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />

sehr gute Wachstumsaussichten für Produkte<br />

und Dienstleistungen. Die sich immer stärker<br />

ausprägende „Bioökonomie“ und die sich<br />

rasant entwickelnden innovativen Technologien<br />

im Bereich der Biokatalyse und der Biokatalysatoren<br />

selbst geben der Enzymicals<br />

mit ihrer engen Verzahnung zwischen universitären<br />

Forschungseinrichtungen und industriellen<br />

Kooperationen beste Aussichten,<br />

den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.<br />

www.enzymicals.com


Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie:<br />

Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran<br />

Dr. Ingmar Hoerr,<br />

CEO CureVac GmbH, Tübingen<br />

Das Erfolgs-Konzept CureVac<br />

Seit unserer Gründung im Jahr 2000 hat<br />

uns das außerordentliche medizinische<br />

Potenzial von messenger RNA (mRNA)<br />

überzeugt, unseren Weg in der Unternehmensentwicklung<br />

kontinuierlich voranzugehen.<br />

Dank des Einstiegs von Dietmar Hopp<br />

2006 in einer ersten Finanzierungsrunde<br />

mit 27,6 Millionen Euro konnten wir seither<br />

unsere mRNA-Plattform RNActive ® systematisch<br />

und dynamisch ausbauen und profes-<br />

sionalisieren. Für Dietmar Hopps erneutes<br />

Investment 2012 in Höhe von 80 Millionen<br />

Euro waren natürlich einige grundlegende<br />

Voraussetzungen sowie gezielte Planungen<br />

für die Zukunft notwendig.<br />

mRNA – Eine anspruchsvolle Diva<br />

RNA wird in der Evolutionsforschung als das<br />

Biomolekül betrachtet, auf dessen Grundlage<br />

alles weitere Leben entstand. Im Jahr 2006<br />

erhielt das Molekül besondere Aufmerksamkeit<br />

durch die Vergabe des Nobelpreises für<br />

das Phänomen RNA-Interferenz, vermittelt<br />

durch siRNA-Oligonukleotide, mit dem die<br />

Genexpression in Körperzellen gezielt ausgeschaltet<br />

werden kann. Allerdings gestaltet<br />

sich die therapeutische Entwicklung offensichtlich<br />

wesentlich komplizierter als anfäng-<br />

lich angenommen. mRNA-basierte Technologien,<br />

die eine gezielte Expression von Genen<br />

zur Grundlage haben, sind demgegenüber<br />

erst in einer vergleichsweise frühen<br />

Entwicklungsphase. CureVac übernahm hier<br />

in Hinblick auf die kommerzielle Entwicklung<br />

im Jahr 2000 eine Vorreiterrolle.<br />

RNActive ® – CureVacs einzigartige<br />

Plattform-Technologie<br />

Mit RNActive ® entwickeln wir mRNA-basierte<br />

Vakzine zur Behandlung von onkologischen<br />

Erkrankungen sowie zur Prophylaxe von<br />

Infektionskrankheiten. So haben wir zum<br />

weltweit ersten Mal mRNA als therapeutischen<br />

Impfstoff Krebspatienten mit Prostatakarzinom<br />

und mit Lungenkrebs appliziert<br />

und konnten dabei unsere präklinischen Ergebnisse<br />

klinisch validieren. Die Sicherheit<br />

der Plattform auch bei mehrmaligen Injektionen<br />

wurde dabei bestätigt. Durch die<br />

starke Aktivierung von spezifischen zellulären<br />

Immunantworten gegen alle neun verabreichten<br />

Antigene konnten wir Effektivität<br />

und Versatilität der Plattform belegen.<br />

Planung weiterer Studien<br />

Auf Grundlage der Ergebnisse dieser beiden<br />

Studien haben wir derzeit drei weitere onkolo-<br />

gische Studien geplant. Eine multizentrische,<br />

europäische Phase-IIb-Studie im Bereich<br />

Prostatakarzinom wurde bereits Anfang <strong>2013</strong><br />

gestartet. Darüber hinaus haben wir auch<br />

für den Bereich Lungenkrebs eine besondere<br />

Studie vorbereitet, die uns Erkenntnisse über<br />

die Kombinierbarkeit von RNActive ® mit bestehenden<br />

Therapien liefern wird. Die dritte<br />

Studie befasst sich mit dem „mode of action“<br />

von RNActive ® : Hierbei wollen wir vielversprechende<br />

präklinische Daten über die molekularen<br />

Funktionsweisen unserer Vakzine<br />

klinisch validieren. Nachdem wir im Jahr<br />

2009 wesentliche Fortschritte im Bereich<br />

der Stabilität von RNActive ® sowie in der<br />

Induktion einer ausgewogenen Immunantwort<br />

zeigen konnten, haben wir unsere Forschung<br />

und Entwicklung im Bereich der prophylaktischen<br />

Vakzine verstärkt ausgebaut.<br />

Transaktionen und Publikationen<br />

Unsere Ergebnisse haben 2011 zu einer weit-<br />

reichenden, mit 33 Millionen US-Dollar finan-<br />

zierten Partnerschaft mit Sanofi Pasteur,<br />

In-Cell-Art und DARPA (einer Behörde des<br />

amerikanischen Verteidigungsministeriums)<br />

geführt. Die Ergebnisse unserer Arbeiten<br />

der vergangenen Jahre in Zusammenarbeit<br />

mit dem Team um Prof. Lothar Stitz vom<br />

Friedrich-Loeffler-Institut im Bereich Influenza<br />

konnten wir vor wenigen Monaten in der Zeit-<br />

schrift Nature <strong>Biotech</strong>nology publizieren –<br />

u. a. die zentrale Erkenntnis, dass durch die<br />

Induktion einer starken Immunantwort<br />

(die Aktivierung einer zellulären Immunantwort<br />

sowie von spezifischen Antikörpern)<br />

in unseren Modellexperimenten auch neue,<br />

konservierte Antigene zum Schutz gegen<br />

eine Grippe-Infektion beitragen können.<br />

Weiterentwicklung der Prozesse<br />

Neben dem wissenschaftlichen Fortschritt und<br />

den damit verbundenen Patentanmeldungen<br />

sind die Innovationen im Ausbau der biophar-<br />

mazeutischen Produktion von RNActive ®<br />

wesentliche Erfolgsfaktoren, auf die wir unser<br />

besonderes Augenmerk legen. Es ist uns<br />

gelungen, das ursprünglich instabile Molekül,<br />

welches anfänglich bei minus 80 Grad Celsius<br />

gelagert wurde, soweit zu stabilisieren, dass<br />

wir mittlerweile auf keinerlei Kühlkette mehr<br />

angewiesen sind. Dies ist eine Grundvoraussetzung<br />

dafür, eine weltweite Versorgung<br />

mit Impfstoffen unter erheblichen Kosteneinsparungen<br />

zu garantieren. Wir haben den<br />

Herstellungsprozess in einer ersten Ausbaustufe<br />

soweit automatisiert, dass wir derzeit<br />

jährlich 3,5 Millionen RNActive ® -Impfdosen<br />

bei uns in Tübingen produzieren können.<br />

Ausblick<br />

Mittlerweile sind uns andere Firmen gefolgt,<br />

u. a. haben mit Novartis, der Mainzer Firma<br />

BioNTech, der Münchner Firma ethris und<br />

zuletzt ModeRNA aus Cambridge / Massachusetts<br />

weitere Protagonisten das Feld betreten.<br />

All diese Firmen arbeiten daran, durch<br />

mRNA als Basistechnologie eine neue Stufe<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie, die <strong>Biotech</strong>nologie 2.0,<br />

anzustoßen. Hier geht es weniger um die rekombinante<br />

maßgeschneiderte Entwicklung<br />

von Medikamenten ex vivo sondern um die<br />

gezielte Informationsübermittlung an den<br />

Körper, selbst sein eigenes Medikament herzustellen.<br />

Körpereigene Zellen können das<br />

von jeher am besten. mRNA fungiert dabei,<br />

ähnlich wie in einem schriftlich fixierten Rezept,<br />

als Überbringer von exakten genetischen<br />

Informationen, welche die Körperzellen<br />

brauchen, um die relevanten Proteine zu<br />

produzieren und an ihrem Wirkungsort einzusetzen.<br />

Für Vakzin-Antigene hat dies<br />

CureVac bereits klinisch validiert. Weitere<br />

Beispiele sind therapeutische Proteine wie<br />

Enzyme oder Hormone. Damit hat mRNA<br />

seinen Platz als bedeutendes neues Biomole-<br />

kül in der Wirkstoffentwicklung gefunden.<br />

www.curevac.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 79


CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell?<br />

Werner J. Langner,<br />

CATO Europe GmbH, Köln<br />

CATO investiert über<br />

CATO BIOVENTURES (CBV)<br />

Seit fast 25 Jahren verfügt CBV über eine<br />

innovative Investmentstrategie für Life-<br />

Science-Unternehmen und ist nun erstmals<br />

auch in Europa vertreten. Sie basiert auf der<br />

umfangreichen Erfahrung von CATO, einem<br />

weltweit agierenden Full-Service-Auftragsforschungsinstitut<br />

(CRO) mit den Kern-<br />

kompetenzen „Drug Development / Science“<br />

(„DD / S“) und „Regulatory Affairs“ („RA“).<br />

Ziel ist es, Sponsoren im Bereich <strong>Biotech</strong>,<br />

Pharma und Medtech auch dann bei der<br />

Produktentwicklung finanziell unterstützen<br />

zu können, wenn traditionelle Finanzierungs-<br />

quellen zu versiegen drohen.<br />

Partnership-Programm (Risk-Sharing-Programm)<br />

Sowohl aufstrebende als auch etablierte<br />

Unternehmen profitieren beim Partnership-<br />

Programm – auch Risk-Sharing-Programm<br />

genannt – von den Möglichkeiten einer Optimierung<br />

bzw. Minimierung ihres Finanzbedarfs.<br />

Hierbei wird in potenzielle Klienten<br />

zunächst auf Basis von Dienstleistungen, die<br />

von CATO übernommen werden, und dem<br />

Erwerb von Unternehmensanteilen des jeweiligen<br />

Vertragsunternehmens investiert.<br />

Die Höhe des Investments richtet sich dabei<br />

grundsätzlich nach dem gesamten Auf-<br />

tragsvolumen zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung.<br />

CBV zielt dabei nicht auf<br />

Rendite des eingesetzten Kapitals, sondern<br />

auf die Übernahme und den erfolgreichen<br />

Abschluss der CRO Services sowie eine langfristig<br />

angelegte Geschäftsbeziehung mit<br />

dem Klienten. Voraussetzung für die Teilnahme<br />

am Partnership-Programm ist eine<br />

erfolgreiche Due-Diligence-Prüfung, die<br />

primär auf die Technologie und das Managementteam<br />

des Klienten anhand eigener<br />

Qualitätskriterien abzielt und erst in zweiter<br />

Linie auf das Finanzmanagement des Unternehmens.<br />

Unterschiede zu VC-Finanzierung und Business-Angel-Modellen<br />

In vielen Ländern Europas sind VC-Gesellschaften,<br />

Business Angels, Finanzinstitute<br />

sowie vereinzelt staatliche Förderprogramme<br />

die tragenden Säulen bei der Finanzierung<br />

von Drug-Development-Prozessen. Ihre fast<br />

ausschließliche Verfolgung von Renditezielen<br />

unter Einbeziehung der Kapitalkosten, eine<br />

fehlende Kompetenz, die Durchführung von<br />

CRO Services zu übernehmen sowie die<br />

strengen Prüfkriterien bei der Due Diligence<br />

und Basel III erschweren zunehmend den<br />

Zugang zu den traditionellen Finanzierungsquellen.<br />

Allen ist gemeinsam: Keiner dieser<br />

Investortypen kann ein „Rundum-Sorglos-<br />

Paket“ anbieten.<br />

Ein ganzheitlicher Ansatz<br />

CATO BIOVENTURES hingegen bietet ganzheitliche<br />

Problemlösungen: Durch die Übernahme<br />

der CRO-Serviceleistungen erreicht<br />

CATO die mit dem Sponsor vereinbarten<br />

Milestones. Charakteristische Besonderheit<br />

des Unternehmens: Der große Erfahrungsschatz<br />

im Bereich RA, der auch aus den<br />

häufigen Interaktionen mit der FDA resultiert.<br />

Darauf aufbauend entwickelte sich zudem<br />

ein großes Innovationspotenzial, einhergehend<br />

mit einer sehr hohen Kompetenz<br />

bei der Wahl der jeweiligen Zulassungs-<br />

strategien.<br />

Maßgeschneiderte Lösungen<br />

CATO offeriert bei der Vertragsgestaltung<br />

ein Höchstmaß an Flexibilität während des<br />

gesamten Projektverlaufs. Potenzielle Klienten<br />

profitieren davon, dass sowohl vor der<br />

Pre-IND-Phase als auch zu einem beliebigen<br />

späteren Zeitpunkt im Projektverlauf eine<br />

Teilnahme am CBV-Programm möglich<br />

ist. Dem Klienten eine maßgeschneiderte<br />

Lösung seiner individuellen Probleme – und<br />

somit oft benötigten Freiraum – anzubieten<br />

ist hierbei primäres Ziel. Dies gilt auch hin-<br />

80 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

sichtlich der Kombination mit anderen<br />

Finanzierungsmodellen. Zudem wird auf<br />

Kapitalkosten oder Zinsen verzichtet, um die<br />

Projektdurchführung nicht mit zusätzlichen<br />

finanziellen Bürden zu belasten. Das Konzept<br />

hat somit positive Auswirkungen auf<br />

den Cashflow und – je nach Mittelverwendung<br />

– auch auf die Liquidität des Unternehmens.<br />

Dies sind klare Vorteile bei der Aus-<br />

gestaltung des Finanzmanagements.<br />

Majority-Ownership-Programm<br />

Im Majority-Ownership-Programm übernimmt<br />

CBV die Alleinvertretung eines Portfolios<br />

privat geführter Unternehmen oder ist zumindest<br />

größter Einzelinvestor. Das Programm<br />

stellt zudem eine mögliche Exit-Strategie<br />

dar, indem die betreuten Unternehmen<br />

beispielsweise in Übernahmen oder Akquisitionen<br />

aufgehen. Da eine Teilnahme am<br />

Majority-Ownership-Programm bislang nur<br />

auf dem nordamerikanischen Markt möglich<br />

war, konnten beispielhaft folgende dort ansässige<br />

Firmen Erfolgsgeschichten schreiben:<br />

RTP Pharma aufgrund einer von CATO entwickelten<br />

Technologie für schwerstlösliche<br />

Wirkstoffe (Akquisition durch SkyePharma<br />

2002), Durham Pharmaceuticals mit einem<br />

neuartigen dermatologischen Nootropikum<br />

(Merger mit Sontra Medical Corporation<br />

und anschließendem Aufgang in Echo Therapeutics<br />

2007), Artemis Neuroscience im<br />

Bereich Stammzellforschung (Merger mit<br />

VistaGen Therapeutics 2003). Darüber<br />

hinaus gründete CATO mehrere virtuelle<br />

Unternehmen mit Präparaten, die bei der<br />

FDA zugelassen sind. Professionalität, indi-<br />

vidueller Zuschnitt, die Reduzierung der<br />

Kosten auf das Minimum der Projektdurchführung,<br />

eine effektive Vorgehensweise und<br />

eine kürzere Time-to-Market sind kennzeichnende<br />

Merkmale des CBV-Programms,<br />

welches sich angesichts der andauernden<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa<br />

hoher Akzeptanz erfreuen wird.<br />

www.catobioventures.com


Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern<br />

Andreas Huber,<br />

Bayern Kapital GmbH, Landshut<br />

Bayern Kapital<br />

Junge Unternehmen aus dem Life-Science-<br />

Sektor mit oft schon hohem Kapitalbedarf<br />

in frühen Phasen stehen vor großen Finanzierungsproblemen<br />

aufgrund des Mangels<br />

an institutionellem VC-Kapital. Alternative<br />

Finanzierungsquellen gewinnen an Bedeutung.<br />

Ergänzend zur Finanzierung durch<br />

private VCs agieren staatliche Investitionsvehikel<br />

wie die Bayern Kapital GmbH und<br />

ihre Fonds.<br />

Bayern Kapital wurde auf Initiative der<br />

bayerischen Staatsregierung 1995 als<br />

100-prozentige Tochter der LfA Förderbank<br />

Bayern gegründet. Als VC-Gesellschaft des<br />

Freistaats stellt sie jungen innovativen Technologieunternehmen<br />

in Bayern, i. d. R.<br />

gemeinsam mit weiteren Investoren, Beteiligungskapital<br />

zur Verfügung. Einschließlich<br />

früherer Fonds wurden bislang rund 180<br />

Millionen Euro Beteiligungskapital in 220<br />

innovative Unternehmen aus verschiedenen<br />

Technologiefeldern investiert; über 4.000<br />

qualifizierte Arbeitsplätze wurden so geschaffen.<br />

Im Jahr 2012 wurden insgesamt<br />

27 Beteiligungen realisiert, darunter zehn<br />

Neuengagements.<br />

Zusammenarbeit mit anderen Investoren<br />

Bayern Kapital arbeitet mit allen anderen<br />

am Markt tätigen Investoren (Beteiligungsgesellschaften<br />

und Business Angels) sowie<br />

mit den Bundesinitiativen ERP-Startfonds<br />

der KfW und dem High-Tech Gründerfonds<br />

zusammen. Damit konnte Bayern Kapital<br />

neben dem eigenen eingesetzten Beteiligungskapital<br />

über 400 Millionen Euro Lead-<br />

und Coinvestment-Finanzierung mobilisieren.<br />

Portfolio<br />

Das Portfolio der Bayern Kapital umfasst<br />

aktuell 75 Unternehmen, davon 25 aus dem<br />

Life-Science-Bereich mit Schwerpunkt Medizintechnik,<br />

aber auch acht Unternehmen, die<br />

innovative Therapeutika entwickeln (z. B.<br />

Pieris, Suppremol). Zu den ehemaligen<br />

Beteiligungen der Bayern Kapital im Life-<br />

Science-Bereich zählen bekannte Namen<br />

wie MorphoSys, die 2012 von Amgen gekaufte<br />

Micromet, Geneart, ein führender<br />

Hersteller synthetischer Gene und – ein<br />

Beispiel für den zunehmenden Bedarf aus<br />

dem Bereich personalisierter Medizin – der<br />

Drug Developer Corimmun, den 2012 eine<br />

Tochter des Pharma-Konzerns Johnson &<br />

Johnson übernahm.<br />

Finanzierungsangebote im Seed-Bereich<br />

Die Bayern Kapital verfügt über verschiedene<br />

Fonds. Die allgemeinen Anforderungen an<br />

Team, USP, Markt, IP etc. sind weitestgehend<br />

deckungsgleich mit den marktüblichen Krite-<br />

rien privater Investoren. Die Seed-Finanzierung<br />

entspricht dabei dem HTGF-Modell,<br />

wobei das gesamte Finanzierungsvolumen<br />

0,6 Millionen Euro beträgt (offene Beteiligungen<br />

zu nominal 6 Prozent durch Bayern<br />

Kapital bzw. 12 Prozent durch den HTGF<br />

zusammen mit einem Wandelnachrangdarlehen).<br />

Die Darlehen werden im Zuge der<br />

Anschlussfinanzierungsrunde(n) mit privaten<br />

Investoren zu der dann geltenden Bewertung<br />

gewandelt. Private Side-Investoren<br />

sind eingeladen, bis zu 0,2 Millionen Euro<br />

zu investieren. Bayern Kapital ist einer der<br />

größten Seed-Finanzierungspartner des<br />

HTGF. Die Zusammenarbeit mit dem HTGF<br />

ist langjährig erfolgreich erprobt, z. B. beim<br />

gemeinsamen Engagement Corimmun.<br />

Weitere Finanzierungsangebote<br />

Die darüber hinaus vorhandenen Co-Finanzierungsfonds<br />

der Bayern Kapital können<br />

bis zu 2,5 Millionen Euro in Life-Science-<br />

Unternehmen investieren. Voraussetzung<br />

ist die Beteiligung eines privaten Lead-Inves-<br />

tors (VC-Gesellschaft, Family Offices bzw.<br />

Business Angels). Hierbei muss sich der<br />

Lead-Investor im Pari-Passu-Modell zu gleichen<br />

Bedingungen und in gleicher Höhe wie<br />

Bayern Kapital beteiligen. Für Business Angels<br />

gibt es ein von der EU speziell notifiziertes<br />

sogenanntes 30-70-Modell, welches ab<br />

0,15 Millionen Euro Business-Angel-Investment<br />

erlaubt, dass der Business Angel nur<br />

30 Prozent der Investitionssumme aufbringen<br />

muss. Dieses Modell erfährt zunehmen-<br />

den Zuspruch.<br />

Ausblick<br />

Die Life Sciences und speziell deren Finanzierung<br />

unterliegen großen Veränderungen,<br />

wie wir auch an unserem Portfolio sehen:<br />

• Investoren wie Business Angels, Family<br />

Offices, VC-Gesellschaften aus dem Ausland<br />

sowie Corporate Venture Capital zeigen ver-<br />

mehrt Interesse an heimischen Projekten.<br />

Kritisch bleibt allerdings die Finanzierung<br />

von kapitalintensiven Arzneimittelentwicklern<br />

in den frühen Phasen. Eine Syndizierung<br />

von finanzstarken Partnern, um Projekte<br />

bis zum Exit vorantreiben zu können,<br />

ist von immenser Bedeutung.<br />

• Die schnelle Generierung von Cashflow<br />

mittels hybrider Geschäftsmodelle trifft<br />

auf den zunehmenden Outsourcing-Trend<br />

im Pharma-Bereich.<br />

• Durch das Patent Cliff in der Pharma-<br />

Industrie werden Innovationen wieder<br />

zunehmend bei <strong>Biotech</strong>nologiefirmen<br />

gesucht – zu sehen etwa bei Corimmun<br />

bzw. an lukrativen Allianzen mit Big Pharma<br />

(z. B. Pieris / Daiichi Sankyo 2011).<br />

• Der steigende Kostendruck im Gesundheits-<br />

wesen wirkt sich auf die Vermarktungs- /<br />

Erstattungs- und damit auch die Exit-Chancen<br />

aus.<br />

• Neue Investitionsfelder an der Schnittstelle<br />

von Pharma /Healthcare und IT treten vermehrt<br />

auf. Bayern Kapital schloss im vergangenen<br />

Jahr eine erste Beteiligung im<br />

eHealth-Bereich ab.<br />

Das Angebot an staatlichen Beteiligungs-<br />

finanzierungen wie durch Bayern Kapital<br />

wird neben Fördermitteln wie GO-Bio aber<br />

nach wie vor ein wichtiger Baustein zur<br />

Finanzierung bleiben, auf den in Bayern<br />

auch langfristig gebaut werden kann. Eine<br />

neue Fondsgeneration der Bayern Kapital<br />

ist bereits in Vorbereitung.<br />

www.bayernkapital.de<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 81


Eigenkapitalfinanzierung in<br />

europäischen Ländern<br />

Die Übersichtsgrafik für die Equity-Finanzierung<br />

in Europa insgesamt deutet bereits<br />

darauf hin, dass nach wie vor eine deutliche<br />

Erholung an der Venture-Capital-Front nicht<br />

in Sicht ist. Diese Erkenntnis wird durch die<br />

Betrachtung einzelner Länder in Europa<br />

bestätigt. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es<br />

keine eindeutigen Trends in Richtung einer<br />

sichtbaren Erholung. Wie bereits für<br />

Deutschland konstatiert, zeigen einige Länder<br />

Extremausschläge, die sich aber bei<br />

vertiefter Analyse als Einzelereignisse heraus-<br />

stellen.<br />

Aufgrund der bereits angesprochenen Family-<br />

Office-Runden bei CureVac und BRAIN, die<br />

auch an der Spitze der europäischen Beteiligungsfinanzierungen<br />

liegen, reißt Deutschland<br />

wie bereits im Jahr 2010 nach oben aus.<br />

Demgegenüber gibt es bei Dänemark und<br />

Österreich klare Gründe für deren erdrutschartige<br />

Rückfälle. Während in Dänemark<br />

die sensationelle 100-Millionen-Euro-<br />

Finanzierung für Symphogen im Jahr 2011<br />

erwartungsgemäß keine Wiederholung<br />

fand, konnte auch Österreich nicht die bei-<br />

Finanzierung<br />

den letztjährigen großen Runden von<br />

AFFiRiS (25 Mio. €) und F-star (15 Mio. €)<br />

ausgleichen.<br />

Allenfalls würde man Ländern wie der Schweiz<br />

und den Niederlanden einen leichten und<br />

stetigen Aufwärtstrend über die letzten drei<br />

Jahre zubilligen. In der Schweiz konnten<br />

sowohl im letzten Jahr durch Biocartis<br />

(71 Mio. €) als auch im aktuellen Jahr durch<br />

ADC Therapeutics (39 Mio. €) und erneut<br />

Biocartis (35 Mio. €) signifikante Summen<br />

aufgenommen werden.<br />

Für die Niederlande schlugen im Vorjahr<br />

29 Millionen Euro für AM-Pharma zu Buche<br />

sowie 15 Millionen Euro für ProFibrix. Im<br />

Berichtsjahr 2012 stieg dieser Betrag auf<br />

insgesamt 74 Millionen Euro aus zwei Run-<br />

den (Agendia mit knapp 51 Mio. € und<br />

Prosensa mit 23 Mio. €) an.<br />

Hot Topics bei den Finanzierungsrunden:<br />

Diagnostik–Therapeutika-Plattformen für<br />

Krebs und Infektionserkrankungen<br />

Eine genauere Betrachtung der Top-10-<br />

Finanzierungsrunden liefert klare Erkenntnisse<br />

darüber, worauf aktuell das Interesse<br />

von Investoren ausgerichtet ist: den Thera-<br />

Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern<br />

Summe (Mio. €)<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

82 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

peutikasektor. Sieben der zehn Top-Finanzierungen<br />

gehen in diese Richtung. Allerdings<br />

fällt auf, dass gerade von den Top-5-<br />

Investments mit Summen über 30 Millionen<br />

Euro immerhin zwei im Diagnostikbereich<br />

und ein weiteres Engagement (BRAIN) im<br />

Segment der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />

getätigt wurden.<br />

Gemäß den im Einleitungskapitel „Perspektive“<br />

geäußerten Trends und Kategorisierungen<br />

für den Diagnostikbereich entsprechen<br />

die beiden Vertreter den bevorzugten<br />

Ausrichtungen in diesem Sektor: einerseits<br />

Agendia mit Fokus auf dem Thema „Big Data“<br />

in der Entwicklung von Krebsdiagnostika auf<br />

Basis von Sequenzdaten individueller Patien-<br />

ten, auf der anderen Seite Biocartis mit<br />

dem Ehrgeiz, ein voll integrierter Anbieter<br />

von Molekulardiagnostik-Tests inklusive der<br />

gesamten Device-Seite zu werden und damit<br />

Werkzeug einer patientennahen Diagnostik.<br />

Dementsprechend finden sich im Konsortium<br />

der Investoren auch Strategen (Debiopharm,<br />

Philips) bzw. deren Corporate-Venture-Vehikel<br />

(Johnson & Johnson Development Corporation),<br />

die ihre konkreten Interessen an<br />

den marktnahen Entwicklungen durch ihre<br />

Beteiligung sichern.<br />

Deutschland UK Schweiz Niederlande Frankreich Spanien Dänemark Belgien Schweden Österreich<br />

2010 2011 2012<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Der genauere Blick auf die Finanzierungs-<br />

runden der Therapeutikaentwickler lohnt:<br />

Wie bereits für die Finanzierungsrunden im<br />

vergangenen Jahr festgestellt, leiten auch<br />

2012 alle dort aufgeführten Firmen ihre<br />

Medikamentenentwicklungsaktivitäten von<br />

proprietären Technologieplattformen ab,<br />

die in die im Einleitungskapitel „Perspek-<br />

tive“ definierten Kategorien passen:<br />

• Tech@MPO:<br />

CureVac (RNA-Vakzine), ADC Therapeutics<br />

(Antibody Drug Conjugates), PsiOxus<br />

Therapeutics (Makromolekulare Therapeutika),<br />

Prosensa (Antisense-Thera-<br />

peutika), GenKyoTex (NOX-Inhibitoren),<br />

Cell Medica (T-Cell-Therapie)<br />

• Tech@Process:<br />

Chiasma (Drug Delivery)<br />

• Tech@Disease:<br />

AiCuris und F2G (beide Antiinfektiva)<br />

Finanzierung<br />

Risikokapitalfinanzierungen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />

Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren<br />

CureVac Deutschland 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding<br />

BRAIN Deutschland 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH,<br />

ungenannte Investoren<br />

Agendia Niederlande 50,6 Mai 5 Debiopharm, Breedinvest, Gilde Healthcare<br />

Partners, Global Life Science Ventures, ING Group,<br />

Korys, Van Herk Group, ungenannte Investoren<br />

ADC Therapeutics Schweiz 38,9 März Seed Celtic Therapeutics, Cancer Research Technology,<br />

private Investoren<br />

Biocartis Schweiz 34,5 Dezember 4 PMV, Benaruca, Debiopharm, Dr. Paul Janssen,<br />

Johnson & Johnson Development Corporation,<br />

Korys, New Rhein Healthcare, Philips, RMM,<br />

Valiance, Luc Verelst<br />

Chiasma Israel 29,9 Juli 3 7 Med Health Ventures, Abingworth, ARCH Venture<br />

Partners, F3 Ventures, Fredric Price, MPM Capital<br />

PsiOxus<br />

Therapeutics<br />

UK 27,1 Juni 2 Imperial Innovations, Invesco Perpetual,<br />

Lundbeckfond Ventures, SR One<br />

AiCuris Deutschland 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP <strong>Biotech</strong> Holding, Santo Holding,<br />

privater Investor<br />

F2G UK 23,3 September n/a Advent Life Sciences, Astellas Venture Fund,<br />

Merifin Capital, K Nominees, Novartis Bioventures,<br />

Sunstone Capital<br />

Prosensa Niederlande 23,0 Januar 6 New Enterprise Associates, Abingworth, Gimv,<br />

idinvest Partners, LSP Life Sciences Partners,<br />

MedSciences Capital<br />

Cell Medica UK 21,0 Juli 3 Cancer Prevention and Research Institute of Texas<br />

(CPRIT), Imperial Innovations, Invesco Perpetual<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Offenbar überzeugt der Aspekt einer nachhaltigen<br />

Produktgenerierung auf Basis<br />

eigener Plattformen mittlerweile wieder die<br />

Investoren, die in früheren Jahren explizit<br />

die technologielastigen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

auf eine reine und hochriskante Produktentwicklungsstrategie<br />

eingeschworen<br />

hatten. Ein wichtiges Argument dabei dürfte<br />

die deutlich größere Attraktivität der Technologieplattformfirmen<br />

für lukrative Deals mit<br />

Pharma sein. Zumindest in Zeiten, wo Exits<br />

über Transaktionen die nicht mehr stattfindenden<br />

IPOs ersetzen, ist dies eine nachvollziehbare<br />

Kehrtwendung.<br />

Schwerpunktthemen innerhalb der Therapeutikaentwicklung<br />

sind weiterhin die Indika-<br />

tionen Krebs und Infektionserkrankungen,<br />

die von 70 Prozent der finanzierten Firmen<br />

verfolgt werden. Die restlichen Unternehmen<br />

sind in Orphan-Drug-Indikationen aktiv<br />

(z. B. Chiasma / Akromegalie; Prosensa /<br />

genetische Defekte wie Chorea Huntington,<br />

Duchenne-Muskeldystrophie).<br />

Venture-Capital-Fonds in Europa nach wie<br />

vor stark engagiert<br />

Während traditionelles Venture Capital in<br />

Deutschland sowohl hinsichtlich der Rundenbeteiligung<br />

als auch des Kapitalvolumens<br />

weiter rückläufig ist, kann dieser Eindruck in<br />

der gesamteuropäischen Betrachtung nicht<br />

bestätigt werden. In acht der Top-10-Runden<br />

für Therapeutikaentwickler sind klassische<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 83


Finanzierung<br />

Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international)<br />

Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich<br />

Allianzen / Lizenzierungen<br />

Fremdkapital<br />

Fördermittel<br />

Freunde und Familie<br />

Private Investoren<br />

Business Angels<br />

VC<br />

Erlöse aus Servicegeschäften<br />

Erlöse aus Produktverkäufen<br />

0 %<br />

VCs in Konsortien involviert. Auch die Erweiterung<br />

auf die Top 50 ändert wenig an<br />

diesem Bild (40 von 50) und legt nahe,<br />

dass Venture Capital in Europa – anders als<br />

in Deutschland – insgesamt nach wie vor<br />

die Kapitalquelle erster Wahl ist.<br />

Wie bereits im vergangenen Jahr heraus-<br />

gestellt, sind die VC-Konsortien auch internationaler<br />

besetzt als dies in Deutschland<br />

der Fall ist, mit stärker grenzüberschreitenden<br />

Aktivitäten der Venture-Capital-Gesellschaften.<br />

10 % 20 % 30 % 40 % 50 %<br />

Deutschland (n = 120) Europa (Rest, n = 159) USA (n = 146)<br />

Corporate Venture mit Zielrichtung<br />

Produktinnovation<br />

Die in den letzten Jahren beobachtete<br />

Zunahme der Aktivitäten von Corporate<br />

Venture Funds und direkten Investments<br />

strategischer Partner setzt sich auch 2012<br />

fort. Insgesamt 15 (30 %) der Top-50-<br />

Finanzierungsrunden weisen Pharma oder<br />

andere Strategen im Investor-Konsortium<br />

auf. Dabei sind die jeweiligen CVC-Investments<br />

meist auf Technologieneuheiten und<br />

innovative Wirkstoffkonzepte ausgerichtet.<br />

Der Auftrag lautet, deren weitere Entwicklung<br />

zu beobachten, die Fortführung finanziell<br />

zu unterstützen und gegebenenfalls<br />

Nutzungsrechte rechtzeitig zu sichern.<br />

84 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

60 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Typische Beispiele sind etwa Promethera<br />

Biosciences mit Stammzellen, an denen<br />

Boehringer Ingelheim, Mitsui und Shire gleichermaßen<br />

Interesse bekundet haben.<br />

Ebenso F2G, deren neuartige Antiinfektiva<br />

für den Novartis Venture Fund und Astellas<br />

Venture Management interessant waren.<br />

Schließlich auch PsiOxus Therapeutics, die<br />

neue Wirkstoffklassen im Format von Makro-<br />

molekülen oder viralen Strukturen erschließen<br />

und damit Lundbeckfond Ventures sowie<br />

SR One (GSK) als Investoren gewonnen<br />

haben.


Die hier getroffenen Aussagen zu den Details<br />

der Finanzierungsrunden sowie zu den Aktivitäten<br />

der verschiedenen Investorengruppen<br />

decken sich zum Großteil mit denen des<br />

Vorjahres und scheinen auf den ersten Blick<br />

redundant. Allerdings ist zu beachten, dass<br />

es sich dabei um eine vollkommen andere<br />

Zusammensetzung der individuellen Ereignisse<br />

im Vergleich zum Vorjahr handelt.<br />

Wenn also in dieser vergleichenden Analyse<br />

identische Schlussfolgerungen resultieren,<br />

so bestärkt dies die entsprechenden Trendaussagen<br />

umso klarer.<br />

Privatinvestoren und Family Offices<br />

auch in Europa sichtbar<br />

Das bisher vor allem in Deutschland beschriebene<br />

Phänomen der Family Offices<br />

mit großen Taschen für den <strong>Biotech</strong>-Sektor<br />

(Hopp / Strüngmann) ist inzwischen auch<br />

in einigen europäischen Finanzierungs-<br />

runden erkennbar.<br />

Vor allem die beiden Diagnostikfinanzierungen<br />

(Agendia und Biocartis) weisen<br />

eine Reihe von Family Offices / Privatinves-<br />

toren als Mitfinanzierer aus:<br />

• Korys ist der Investmentarm der Colruyt<br />

Familie in Belgien, die im Lebensmittel-<br />

handel seit über 50 Jahren tätig ist; das<br />

FO investiert bevorzugt in den Bereichen<br />

Verbrauchsgüter, Life Sciences und Cleantech<br />

(Agendia, Biocartis)<br />

• Family Office Paul Janssen geht auf den<br />

Gründer der gleichnamigen Pharma-Firma<br />

zurück, die mittlerweile die Pharma-Aktivitäten<br />

von J&J trägt (Biocartis)<br />

• Van Herk Groep; eine holländische Familie<br />

aus Rotterdam mit Aktivitäten im Real-<br />

Estate- und Bau-Sektor (Biocartis)<br />

• Luc Verelst, CEO von Reliable Cancer<br />

Therapies, Belgien (Biocartis)<br />

• Rudi Mariën, CEO Innogenetics, Belgien<br />

(Biocartis)<br />

• Benaruca, FO von Rudi Pauwels<br />

(Biocartis-Gründer)<br />

Firmenumfrage: Finanzierungsquellen<br />

im internationalen Vergleich<br />

Zur Ergänzung der Analysen im Finanzierungsumfeld,<br />

die bisher vornehmlich auf die<br />

Top-Investments beschränkt waren, wurden<br />

in einer internationalen Umfrage alle privaten<br />

Finanzierung<br />

Unternehmen einbezogen und nach ihren<br />

jeweiligen Kapitalquellen gefragt. Im Ergebnis<br />

gab es auch hier keine wesentlichen<br />

Änderungen zum Vorjahr, weder in<br />

der Präferenz von Kapitalquellen noch<br />

in der Relation der geographischen Zuordnung.<br />

Sowohl die Dominanz von Erlösen aus<br />

dem Verkauf von Produkten (vornehmlich<br />

Tools & Equipment) und Dienstleistungen<br />

in Deutschland wird bestätigt als auch im<br />

Gegenzug die im Vergleich zu Deutschland<br />

(nur noch 16 %) stärker VC-basierte Finanzierung<br />

im restlichen Europa und den USA<br />

(28 % bzw. 22 %).<br />

Interessant ist, dass die Klasse der Business<br />

Angels im restlichen Europa und in den<br />

USA (13 bzw. 15 % der Antworten) eine<br />

wichtigere Rolle zu spielen scheint als in<br />

Deutschland, während die privaten Investoren<br />

gleichermaßen prominent vertreten<br />

waren (in Europa und in den USA quantitativ<br />

leicht rückläufig im Vergleich zum Vorjahr,<br />

in Deutschland konstant). Auch Fördermittel<br />

sind weiterhin in allen drei geographischen<br />

Räumen gleichermaßen begehrt und<br />

ein wichtiger Beitrag für die Finanzierung<br />

der Branche. Leider geht die Mittelvergabe<br />

oft am Bedarf vorbei, da insbesondere<br />

kleinere Unternehmen den administrativen<br />

Aufwand für die Beantragung nicht zu stemmen<br />

vermögen (mehr dazu im Artikel von<br />

Sven Pirsig, Ernst & Young, S. 88).<br />

Lichtblicke beim Fundraising?<br />

Nach sehr bescheidenen Erfolgen beim Fundraising<br />

für europäische Venture-Capital-Fonds<br />

im Jahr 2011 stellt sich die Bilanz für 2012<br />

extrem positiv dar. Vor allem die großen<br />

europäischen Investoren konnten signifikante<br />

Summen für neu aufgelegte Fonds aufnehmen.<br />

Allen voran Sofinnova Partners in Paris,<br />

die für ihren Capital VII Fonds ein Closing<br />

über 240 Millionen Euro meldeten und darüber<br />

hinaus auch einen neuen „Green Seed<br />

Fund“ mit 22,5 Millionen Euro etablieren<br />

konnten.<br />

Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl)<br />

Fondsname VC-Gesellschaft Land Volumen<br />

BioDiscovery IV FCPR Edmond de Rothschild<br />

Investment Partners<br />

Frankreich 125 Mio. €<br />

Creathor Venture Fund III CREATHOR VENTURE Deutschland 80 Mio. €<br />

Earlybird IV Earlybird Venture Capital Deutschland 100 Mio. US$<br />

HBM BioCapital II HBM Healthcare Investments Schweiz 90 Mio. €<br />

Index Life VI LP Index Ventures Schweiz 200 Mio. US$<br />

Inveready Biotec II Inveready Technology<br />

Investment Group<br />

Spanien 7 Mio. €<br />

Lifeline Ventures Fund I LIFELINE Ventures Finnland 20 Mio. €<br />

Sofinnova Capital VII Sofinnova Partners Frankreich 240 Mio. €<br />

Sofinnova Green Seed<br />

Fund<br />

Sunstone Life Science<br />

Ventures III<br />

TVM Life Science Ventures<br />

VII<br />

Wellington Partners IV<br />

Life Science Fund<br />

Sofinnova Partners Frankreich 22,5 Mio. €<br />

Sunstone Capital Dänemark 89 Mio. €<br />

TVM Capital Deutschland 150 Mio. US$<br />

Wellington Partners Deutschland 70 Mio. €<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 85


Wichtigste Geldgeber in diese neuen Fonds<br />

waren vor allem große institutionelle In-<br />

vestoren in Europa, Pensionsfonds, Fondsin-Fonds-Investoren<br />

und Versicherungen<br />

wie z. B.:<br />

• Skandia Life Insurance Company (UK)<br />

• CNP Assurances (F)<br />

• CDC Enterprises(F; in Regierungshand)<br />

Damit wird ein wesentlicher Unterschied<br />

im Fundraising zwischen deutschen und<br />

französischen Fonds sehr evident. Während<br />

in Frankreich die großen Versicherungskonzerne<br />

als signifikante Geldgeber diese<br />

Summen zusammenbringen, bleibt den<br />

deutschen Fonds der Zugang zu dieser Klasse<br />

versperrt und das Fundraising insgesamt<br />

ist deutlich erschwert.<br />

Der Erfolg von Sofinnova Partners muss<br />

aber vor allem auch direkt mit dem äußerst<br />

beeindruckenden 3,6 Milliarden Euro „Trade<br />

Sale Track Record“ über die letzten drei Jahre<br />

in Verbindung gebracht werden, nämlich<br />

durch den Verkauf von:<br />

• CoreValve an Medtronic (850 Mio. US)<br />

• Novexel an AstraZeneca (505 Mio. US)<br />

• Movetis an Shire (428 Mio. US)<br />

• Fovea Pharmaceuticals an Sanofi<br />

(370 Mio. US)<br />

• PregLem an Gideon Richter<br />

(445 Mio. CHF)<br />

Die Investmentstrategie für den neuen Fonds<br />

orientiert sich an den erfolgreichen Vorgängern:<br />

Durchbruchstechnologien und inno-<br />

vative Life-Science-Produkte aus Spin-offs,<br />

Start-ups und Turn-around-Geschäften.<br />

Zwei Drittel des Investitionsvolumens sollen<br />

in Europa angelegt werden.<br />

Ebenso beeindruckend ist der neue Fonds<br />

von Index Ventures mit einem Volumen<br />

von 150 Millionen Euro (200 Mio. US);<br />

vor allem deshalb, weil damit eine völlig<br />

neue Investmentstrategie einhergeht:<br />

Das Kapital wurde exklusiv für Investments<br />

in Asset-focused Companies, mit anderen<br />

Worten für Projektfinanzierungen in Ein-<br />

Projekt-Firmen, eingesammelt. Mit genau<br />

dieser Strategie konnte auch TVM Capital<br />

in München ein erfolgreiches Closing seines<br />

TVM Life Science Ventures VII über 150<br />

Millionen US-Dollar kommunizieren.<br />

Finanzierung<br />

Die Gemeinsamkeiten dieser beiden Fonds<br />

zum Thema „Asset Funding“ gehen insofern<br />

weiter, als beide große Pharma-Firmen wie<br />

GSK und J & J (im Falle von Index Ventures)<br />

bzw. Eli Lilly (bei TVM) als signifikante Investoren<br />

aufgenommen haben. Dies hat<br />

einige Konsequenzen. Die beiden VC-Gesellschaften<br />

verlagern ihr Kerngeschäft damit<br />

eindeutig (zumindest mit den genannten<br />

Fonds) weiter in Richtung Pharma. Sowohl<br />

für den Input von interessanten Projekten<br />

als auch als Partner für die anvisierten Exits<br />

nach Erreichen des klinischen Proof of<br />

Concept stehen die Pharma-Partner in erster<br />

Linie zur Verfügung. Sie stellen deshalb<br />

nicht nur Geld bereit, sondern prozessieren<br />

dadurch Projekte über eine externe Finanzierungs-<br />

und Projektmanagementschiene<br />

weiter, die intern nicht oder nur depriorisiert<br />

hätten verfolgt werden können.<br />

Dies sind sicherlich sehr relevante Beiträge<br />

zur nachhaltigen Innovation im Life-Science-<br />

Bereich und als solche dringend gefordert.<br />

Da es sich bei diesen Finanzierungen nicht<br />

um <strong>Biotech</strong>-Firmen im eigentlichen Sinne<br />

handelt, sondern eher um Projektmanagement-Aufgaben<br />

unter strikter Führung des<br />

VC-Investors, bleibt die Relevanz für <strong>Biotech</strong><br />

fraglich. Es wird zu beobachten sein, ob in<br />

diesem Modell tatsächlich auch Projekte aus<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen landen können, die<br />

aus deren Portfolio stammen und mangels<br />

Finanzierung gegen Bezahlung an die<br />

VC-Gesellschaften abgegeben werden – mit<br />

der Option zum späteren Rückkauf (à la<br />

Symphony Capital).<br />

Weitere neue Life-Science-Fonds mit dreistelligen<br />

Millionenkapitaleinlagen wurden<br />

von Edmond de Rothschild Investment<br />

Partners in Paris (125 Mio. €) sowie von<br />

Earlybird Venture Capital in Berlin aufgelegt<br />

(100 Mio. US).<br />

Es ist nach der am Anfang dieses Kapitels<br />

geführten Diskussion über weiter rückläufige<br />

VC-Finanzierungen in Deutschland<br />

umso erfreulicher zu beobachten, dass gerade<br />

in der Liste der erfolgreichen Fundraisings<br />

2012 deutsche VC-Gesellschaften mit<br />

am besten abschneiden. Den beiden franzö-<br />

sischen Fonds von Edmond de Rothschild<br />

Investment Partners und Sofinnova Partners,<br />

86 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

die zusammen rund 388 Millionen Euro neu<br />

auflegen konnten, stehen die vier deutschen<br />

Fonds (Earlybird venture Capital, CREATHOR<br />

VENTURE, TVM Capital, Wellington Partners)<br />

mit einer Gesamtsumme von 340 Millionen<br />

Euro neuem Kapital kaum nach. Und dies<br />

trotz der schlechteren Ausgangssituation<br />

im Zusammenhang mit dem fehlenden Engagement<br />

großer Versicherungskonzerne.<br />

Da dieses Geld den nach wie vor aktiven<br />

Investoren in Deutschland zugutekommt,<br />

könnte man hoffen, dass damit zumindest<br />

deren weitere Investitionsaktivitäten in<br />

<strong>Biotech</strong> abgesichert sind. Allerdings muss<br />

diese Erwartung gleich wieder relativiert<br />

werden. Sowohl CREATHOR VENTURE als<br />

auch Wellington Partners setzen vornehmlich<br />

auf reifere Pharma-Entwicklungen sowie<br />

auf Aktivitäten in der Diagnostik und damit<br />

nicht auf die Bereiche mit dem größtem<br />

Finanzierungsbedarf (frühe Therapeutika-<br />

entwicklung).<br />

Earlybird Venture Capital hatte sich bereits<br />

seit einiger Zeit aus <strong>Biotech</strong> „ausgeklinkt“<br />

und stärker auf Medizintechnik gesetzt. Und<br />

schließlich TVM Capital: Der neue TVM VII<br />

Fonds wurde in Kanada geschlossen, mit<br />

wesentlicher Beteiligung kanadischer Geldgeber<br />

(neben Eli Lilly) und einem klaren<br />

Commitment zu Investitionen in Kanada.<br />

Dennoch ist aus TVM-Kreisen zu hören, dass<br />

Investments in deutsche Asset-focused<br />

Companies nach diesem Modell nicht ausgeschlossen<br />

seien.<br />

Ein interessanter neuer Player könnte<br />

Sunstone Capital aus Kopenhagen werden.<br />

Der zuvor nur auf Skandinavien fokussierte<br />

Investor hat als erklärtes Ziel eine weitere<br />

Expansion nach Europa ausgegeben. Der<br />

neue Topf von fast 90 Millionen Euro könnte<br />

dafür eine Basis sein. Immerhin war Sunstone<br />

Capital bereits im Jahr 2012 an einigen<br />

Finanzierungsrunden außerhalb Dänemarks<br />

beteiligt (z. B. F2G in UK, Galecto <strong>Biotech</strong><br />

in Schweden).


Wellington Partners IV Life Science Fund:<br />

Ja zu <strong>Biotech</strong>, aber mit hoher Selektivität<br />

Dr. Rainer Strohmenger,<br />

Wellington Partners, München<br />

Der neue Fonds WP-IV Life Science<br />

Im September 2012 konnten wir das erste<br />

Closing des neuen Wellington Partners Life<br />

Science Fonds („WP-IV Life Science“; Zielgröße:<br />

120 Mio. €) bekanntgeben. Bereits<br />

das initiale Volumen lag bei über 70 Millionen<br />

Euro, d. h. nahe an der Größe des Vorgängerfonds<br />

WP-III Life Science (78 Mio. €). Dies<br />

war angesichts des schwierigen Finanzmarkt-<br />

umfelds ein großer Erfolg und löste ein<br />

äußerst positives Echo in der gesamten Life-<br />

Science-Branche aus. Bedeutet dies schon<br />

eine Trendwende für die angespannte Finanzierungssituation<br />

in der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie?<br />

Sicherlich nicht. Der geographische<br />

Fokus von WP-IV Life Science beinhaltet<br />

zwar eine Betonung der DACH-Region, liegt<br />

aber auf Gesamteuropa. Der Investmentschwerpunkt<br />

umfasst alle Arten innovativer<br />

medizinischer Produkte, d. h. Medizintechnik,<br />

Diagnostika und Therapeutika. Die Strategie<br />

besteht darin, über diese Segmente hinweg<br />

die jeweils aus medizinischer Sicht sinn-<br />

vollsten Produktentwicklungen zu finanzieren,<br />

die zugleich das attraktivste Reimbursement<br />

erwarten lassen.<br />

Große institutionelle Investoren halten<br />

sich zurück<br />

Die Investorenbasis von WP-IV Life Science<br />

besteht sowohl aus staatlichen Investoren<br />

wie dem European Investment Fund (EIF),<br />

der bayerischen LfA und der österreichischen<br />

AWS, als auch aus Family Offices, Privat-<br />

investoren und kleineren institutionellen Investoren.<br />

Die meisten großen institutionellen<br />

Anleger sind zwar grundsätzlich an Life-<br />

Science-VC interessiert, aber es gibt meist<br />

keine Kompetenz und keine strategische<br />

Allokation für diesen Bereich. In ebenjener<br />

Zurückhaltung liegt der eigentliche Grund<br />

für die Kapitalknappheit, was aber wiederum<br />

Investments in Life Science für andere Anleger<br />

besonders attraktiv macht. Natürlich ist<br />

das Fundraising bei Privatinvestoren aufgrund<br />

geringerer Volumina und der Intransparenz<br />

dieser Anlegerklasse deutlich aufwändiger<br />

als im institutionellen Bereich. Auf<br />

der anderen Seite ist es gerade unser breites<br />

Investorennetzwerk, über das ein signifikan-<br />

ter Teil des qualitativ hochwertigen „proprietären“<br />

Dealflows generiert wird. Viele<br />

Family Offices bevorzugen Direktinvestments<br />

gegenüber Investments in VC-Fonds. Unsere<br />

Beobachtung ist allerdings, dass die meisten<br />

dieser Investoren nicht in der Lage sind,<br />

Beteiligungsunternehmen über die reine<br />

Finanzierung hinaus wesentliche Unterstützung<br />

zu bieten. Aus diesem Grund führt die<br />

Direktinvestmentstrategie in der Regel zu<br />

einer niedrigeren Erfolgsrate, die letztendlich<br />

das Gesamtinvestment gefährdet. Wir<br />

bieten daher unseren interessierten Privat-<br />

investoren an, parallel zu unserem Fonds<br />

in weiter fortgeschrittene Projekte mit ent-<br />

sprechend hohem Kapitalbedarf mitzu-<br />

investieren.<br />

Medizintechnik vs. <strong>Biotech</strong>nologie<br />

Für die Medizintechnik gilt der Standort<br />

Europa als besonders attraktiv, da vor allem<br />

die DACH-Region über hervorragende In-<br />

genieure verfügt und die Zulassungshürden<br />

im Vergleich zu den USA viel niedriger sind.<br />

Oft lässt sich ein innovatives Produkt bereits<br />

mit einer Investitionssumme von deutlich<br />

weniger als 10 Millionen Euro zur Zulassung<br />

bringen – ein Betrag, der von VC-Fonds ohne<br />

Schwierigkeiten bereitgestellt werden kann.<br />

Angesichts des knappen Angebots an Venture<br />

Capital und der niedrigen Einstiegsbewertun-<br />

gen bieten sich daher für Anleger enorme<br />

Chancen. Im Vergleich dazu wird der <strong>Biotech</strong>-<br />

nologiesektor von Investoren als deutlich<br />

schwieriger eingestuft – obwohl er im Wellington<br />

Track Record aufgrund von vielen<br />

sehr erfolgreichen Investments (Actelion,<br />

Grandis, immatics, Oxagen, Evolva) überproportional<br />

positiv heraussticht. Viele andere<br />

Investoren leiden jedoch noch immer<br />

unter den Nachwehen großer Investments in<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

zu riskante klinische Entwicklungsprojekte,<br />

die häufig scheiterten. Hinzu kommt, dass<br />

<strong>Biotech</strong>-IPOs in den letzten Jahren in Europa<br />

kaum stattfanden und sich dadurch die Halte-<br />

dauern verlängern. Nur in Ausnahmefällen,<br />

wie z. B. der Firma immatics mit ihrer einzig-artigen<br />

Krebsvakzineplattform, gelingt<br />

es, vorbörslich mehr als 100 Millionen Euro<br />

einzusammeln und Produkte durch alle klini-<br />

schen Entwicklungsphasen in kurzer Zeit bis<br />

zur Zulassung zu entwickeln.<br />

Wellingtons Kompetenz in Sachen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie<br />

Auf der anderen Seite verfügt Wellington<br />

Partners gerade in der <strong>Biotech</strong>nologie über<br />

außergewöhnliche Kompetenz: Mit Erich<br />

Schlick, dem früheren Forschungschef der<br />

BASF Pharma Knoll AG, und seinen damali-<br />

gen Mitarbeitern Melvin Spigelman und Ulrich<br />

Granzer gehören diejenigen Personen, die in<br />

den 90er Jahren für die Entwicklung von<br />

Humira verantwortlich waren, heute zum<br />

Wellington Life Science Team. Humira ® , der<br />

erste voll humane therapeutische Antikörper,<br />

hat sich heute mit mehr als neun Milliarden<br />

US-Dollar zum umsatzstärksten Medikament<br />

der Welt entwickelt – bei prozentual zweistelligem<br />

Wachstum. Regina Hodits, die Anfang<br />

2010 von Atlas Venture zu Wellington<br />

kam, brachte Erfahrung aus so erfolgreichen<br />

Exit-Transaktionen wie dem Genmab-IPO<br />

oder dem Verkauf der U3 Pharma an Daiichi<br />

Sankyo mit.<br />

Auch in Zukunft Investitionen in <strong>Biotech</strong><br />

Wellington Partners wird sich daher weiterhin<br />

selektiv im <strong>Biotech</strong>nologiebereich engagieren.<br />

Wir betrachten diesen Bereich als<br />

hochinteressant – nicht nur wegen der attrak-<br />

tiven Bewertungen, sondern auch aufgrund<br />

der Möglichkeiten zur Verbesserung des<br />

Rendite-Risikoprofils der Investments, z. B.<br />

durch Diversifikation mittels früher Kollaborationen<br />

oder durch konsequente Patienten-<br />

selektion in klinischen Entwicklungsprogrammen.<br />

Dies hilft nicht nur, Studiengrößen<br />

und Finanzierungsbedarf zu reduzieren,<br />

sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit<br />

eines Studienerfolgs und führt zur Entwicklung<br />

der besseren Medikamente.<br />

www.wellington-partners.com<br />

87


Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten<br />

gebraucht werden<br />

Sven Pirsig,<br />

Ernst & Young GmbH, Berlin<br />

Fördermittel auf dem Prüfstand<br />

Durch richtig gesetzte Anreize können wirtschaftspolitische<br />

Zielsetzungen schneller<br />

und wirkungsorientiert umgesetzt werden.<br />

Dafür gilt es, die Akzeptanz, die Zielgenauigkeit<br />

und vor allem die Effizienz des Einsatzes<br />

von Fördermitteln zu erhöhen. Bislang nutzt<br />

in Deutschland nur jeder fünfte Mittelständler<br />

Fördermittel, und wenn, ergeben sich<br />

hieraus hohe Mitnahmeeffekte. Dies verdeutlichen<br />

die Ergebnisse einer aktuellen<br />

Studie zum Thema „Nutzung öffentlicher<br />

Fördermittel“. Aufbauend auf einer repräsentativen<br />

Befragung wurde das Ernst &<br />

Young KMU-Förderbarometer entwickelt,<br />

welches detaillierte Entwicklungen zu Inanspruchnahme<br />

und Bedarf an öffentlicher<br />

Förderung publiziert. Bereits mit der zweiten<br />

Auflage im Jahr 2012 wird eine belastbare<br />

Informationsgrundlage für die Verbesserung<br />

der öffentlichen Förderlandschaft<br />

durch Politik und Verwaltung geschaffen.<br />

Dazu wurden 1.000 KMU in Deutschland mit<br />

bis zu 500 Mitarbeitern befragt.<br />

Nur geringe Inanspruchnahme bei KMU<br />

Die Befragung bei deutschen KMU zeigt,<br />

dass die Inanspruchnahme von öffentlichen<br />

Fördermitteln weiterhin auf einem insgesamt<br />

eher geringen Niveau liegt. Nur 17<br />

Prozent der Unternehmen nahmen in den<br />

vergangenen drei Jahren Fördermittel in<br />

Anspruch. Bei Kleinstunternehmen ist die<br />

Quote mit 13 Prozent deutlich niedriger. Im<br />

Vergleich zum Vorjahr gibt es nur geringfügige,<br />

d. h. leicht rückläufige Änderungen<br />

bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln.<br />

Mitnahmeeffekte korrelieren mit<br />

Unternehmensgröße<br />

Die Ursachen für die geringe Inanspruch-<br />

nahme sind vielschichtig. Als eine Haupt-<br />

ursache nennen die KMU fehlenden Bedarf.<br />

Hierbei sind neben den Unterschieden zwischen<br />

den alten und neuen Bundesländern<br />

auch die Spezifika der Branche zu berücksichtigen.<br />

<strong>Biotech</strong>-Firmen mit ihrem hohen<br />

Kapitalbedarf werden öfter und regelmäßig<br />

öffentliche Beteiligungen oder F&E-Zuschüsse<br />

anstreben als KMU anderer Branchen. Eins<br />

haben die vielen kleinen und mittleren Unter-<br />

nehmen aber gemeinsam: Jedes sechste<br />

(15 %) beklagt, dass es nicht über genügend<br />

Zeit für die aufwendige Beantragung<br />

der Fördermittel verfügt bzw. der administrative<br />

Aufwand sehr hoch ist oder aus-<br />

reichende Unterstützung im Antragsprozess<br />

fehlt. Hier sind die KMU gefordert, öffentliche<br />

Dienstleister wie IHKs oder Landesförderinstitutionen<br />

als Supporter noch stärker<br />

in Anspruch zu nehmen. Die Erstellung eines<br />

Businessplanes für ein Investitionsvorhaben<br />

lässt sich jedoch kaum delegieren. Eine<br />

differenzierte Betrachtung zeigt, dass ein<br />

direkter Zusammenhang zwischen Mitnahme-<br />

effekten und Unternehmensgröße besteht.<br />

Mit zunehmender Größe der Unternehmen<br />

hätten diese die geförderte Maßnahme auch<br />

ohne Fördermittel durchgeführt. Folglich ist<br />

die Relevanz von Mitnahmeeffekten bei<br />

mittleren Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten<br />

größer als bei den kleineren KMU.<br />

Nachholbedarf bei der Subventionierung<br />

Die Untersuchungsergebnisse lassen den<br />

Schluss zu, dass in Zeiten knapper werden-<br />

der Ressourcen sowohl hinsichtlich einer<br />

bedarfsorientierten Gestaltung als auch der<br />

Effizienz der Förderprogramme noch Optimierungspotenziale<br />

bestehen. Die vorhandenen<br />

Mittel sind zukünftig noch zielgerichteter<br />

einzusetzen. Die Bewertung der Wirk-<br />

88 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

samkeit der Förderung, z. B. durch regel-<br />

mäßiges Monitoring und Evaluierungen, sollte<br />

Standard werden. Die Förderinstrumente<br />

müssen zukünftig so gestaltet werden, dass<br />

Mitnahmeeffekte auf ein Minimum reduziert<br />

werden und besonders kleine Unternehmen<br />

auf diese zugreifen können. Weiterhin muss<br />

die Beantragung von Fördermitteln für Unternehmen<br />

sowohl transparenter als auch<br />

unbürokratischer gestaltet werden, um die<br />

Akzeptanz zu erhöhen. Es ist wichtig, die<br />

vorhandenen Mittel zielgerichtet und effizient<br />

einzusetzen, um eine maximale Wirkung<br />

für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu<br />

erzielen.<br />

Förderdschungel Deutschland<br />

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland<br />

haben Innovationen, Forschung und Ent-<br />

wicklung sowie Humanressourcen eine hohe<br />

Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung.<br />

Deutschland zeichnet sich durch ein vielschichtiges<br />

System von Förderprogrammen<br />

aus EU-, Bundes- und Ländermitteln mit unterschiedlichsten<br />

Zielen und Anforderungen<br />

aus. Nicht immer ist diesbezüglich für Unternehmen<br />

eine ausreichende Transparenz<br />

gegeben. Ziel des Ernst & Young-Ansatzes<br />

„Lernendes Programm“ ist daher eine Ver-<br />

besserung der Wirksamkeit und des effizienten<br />

Mitteleinsatzes unter Berücksichtigung<br />

aller Beteiligten, Schnittstellen und<br />

Prozesse zu gewährleisten. Unser Beratungs-<br />

angebot deckt dabei den gesamten Lebenszyklus<br />

eines Programms ab und erstreckt<br />

sich sowohl auf summative als auch formative<br />

Evaluierungen, welche das Branchen-<br />

team Government Public Sector anbietet.<br />

Weiterhin können Unternehmen auf direkte<br />

und vielfältige Unterstützung bei der Innovationsförderung<br />

zurückgreifen. Dies kann die<br />

Beantragung von Fördermittel für komplexe<br />

F&E-Vorhaben oder auch die Strukturierung<br />

des Vorhabens betreffen. Die Identifizierung<br />

der potenziellen Förderung – wie z. B. aus dem<br />

EU-Programm Horizon 2020 oder aus dem<br />

Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand<br />

des BMWi – hängt dabei von den spezifischen<br />

Bedingungen des jeweiligen Investitionsvorhabens<br />

ab.


Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche <strong>Biotech</strong>nologie<br />

Ingrid Zwoch,<br />

Nationale Kontaktstelle Lebenswissen-<br />

schaften (Projektträger für das BMBF),<br />

Bonn<br />

Das neue Rahmenprogramm<br />

Für die Beteiligung an europäischen Pro-<br />

grammen sind neben der Erschließung neuer<br />

Märkte und Netzwerke die Streuung des<br />

Forschungs- und Entwicklungsrisikos und<br />

der Zugang zu Schlüsseltechnologien, Infrastruktur<br />

und Know-how die vorrangingen<br />

Ziele biotechnologischer Einrichtungen.<br />

Anfang 2014 wird offiziell das neue Rahmenprogramm<br />

der EU für Forschung und Innovation<br />

– Horizon 2020 – mit einer Laufzeit<br />

von sieben Jahren starten.<br />

Horizon 2020<br />

Bereits jetzt ist zu erkennen, dass mit diesem<br />

neuen Programm ein Paradigmenwechsel<br />

innerhalb der europäischen Forschungs-<br />

förderung eingeleitet wird: Horizon 2020<br />

setzt verstärkt auf Innovationen – Forschung<br />

soll wesentlich dazu beitragen, Innovationen<br />

umzusetzen und die wirtschaftliche Entwicklung<br />

Europas zu befördern. Die Struktur<br />

von Horizon 2020 spiegelt diese Innovations-<br />

nähe des Programms wider: In den drei<br />

Hauptblöcken (I) Wissenschaftsexzellenz,<br />

(II) Führende Rolle der Industrie und (III)<br />

Gesellschaftliche Herausforderungen hat die<br />

Förderung von Unternehmen vorwiegend im<br />

Teil II einen Schwerpunkt. So haben Schlüssel-<br />

technologien, zu denen auch die <strong>Biotech</strong>nologie<br />

explizit zählt, eine eigene Förderlinie<br />

erhalten. Der erleichterte Zugang zur Risikofinanzierung<br />

für KMU und die gezielte Unter-<br />

stützung einzelner KMU – ein Novum in<br />

einem europäischen Rahmenprogramm –<br />

sind industriefreundliche Neuerungen.<br />

Förderbereiche<br />

Wichtige Förderbereiche für die gesamte<br />

<strong>Biotech</strong>nologieszene werden die Gesell-<br />

schaftlichen Herausforderungen mit den<br />

Challenges „Gesundheit, demografischer<br />

Wandel und Wohlergehen“ und „Ernährungs-<br />

und Lebensmittelsicherheit, nachhaltige<br />

Landwirtschaft, marine und maritime Forschung,<br />

und Biowirtschaft“ bieten. Die Planung<br />

sieht auch gemeinsame thematische<br />

Ausschreibungen mit den Schlüsseltechnologien<br />

vor. Damit soll die direkte Verbindung<br />

von neuen Technologien und deren Einsatz<br />

in der Forschung und Entwicklung sichergestellt<br />

werden.<br />

Neue Finanzierungsmöglichkeiten über<br />

Public-Private Partnerships<br />

Neben den o. g. Optionen eröffnen auch<br />

gemeinsame Technologie-Initiativen (Joint<br />

Technology Initiativen, JTI) Beteiligungsmöglichkeiten.<br />

JTI sind eine Variante der<br />

Public-Private Partnerships (PPPs): Finanzmittel<br />

aus Horizon 2020 werden mit privaten<br />

Investitionen kombiniert. JTI können eigene<br />

Ausschreibungen durchführen. Ein bekanntes<br />

Beispiel ist die Innovative Medicines Initiative<br />

(IMI), die bereits im siebten Forschungs-<br />

rahmenprogramm (FP7) selbständig Projekt-<br />

ideen aus dem Bereich der präkompetitiven<br />

Arzneimittelforschung fördert. Diese mit<br />

einem Gesamtbudget von zwei Milliarden<br />

Euro weltweit größte öffentlich-private Partnerschaft<br />

bietet auch deutschen innovativen<br />

<strong>Biotech</strong>nologieunternehmen vielfältige<br />

Chancen zur Zusammenarbeit mit Akademie,<br />

Zulassungsbehörden, Patientenorganisatio-<br />

nen und der Großindustrie. JTI haben häufig<br />

vom Rahmenprogramm abweichende Regelungen<br />

zum Umgang mit geistigem Eigentum<br />

(IMI IP Policy), den Finanzierungsbedingun-<br />

gen bzw. administrativen Vorgaben. Aktuell<br />

laufen die Beratungen, die Rahmensetzungen<br />

der Nachfolgeinitiativen für Horizon 2020<br />

stärker auf die Bedürfnisse aller an den Projekten<br />

beteiligten Einrichtungen auszurichten.<br />

Für Horizon 2020 ist ebenfalls in dem Bereich<br />

der „industriellen <strong>Biotech</strong>nologie“ eine neue<br />

Form der PPP („BRIDGE“) geplant. Im<br />

Rahmen von „BRIDGE“ sollen neue Wertschöpfungsketten<br />

von der Biomasseproduktion<br />

bis hin zum Markt – einschließlich Bioraffinerien<br />

– etabliert werden. Für Industrie-<br />

unternehmen ist es von großer Bedeutung,<br />

sich bereits frühzeitig in Gremien und Beratungsforen<br />

zu neuen Initiativen zu engagieren<br />

und sich an der Erarbeitung strategischer<br />

Forschungs- und Innovationsagenden zu beteiligen.<br />

Wieviel im Einzelnen?<br />

Die Förderung von Forschungs-, Entwicklungs-<br />

und Demonstrationsaktivitäten in Horizon<br />

2020 wird durch die Beteiligungsregeln festgelegt.<br />

Geplant wird, die Erstattung der<br />

tatsächlichen Kosten mit einer Förderquote<br />

je Maßnahme / Projekt spezifisch festzulegen.<br />

Sie ist unabhängig vom Einrichtungstyp<br />

(z. B. Universität, KMU, Großindustrie) und<br />

den jeweiligen Aktivitäten innerhalb des<br />

Projektes. Sie soll maximal bis 100 Prozent<br />

für Forschungs-, Entwicklungs-, Koordinierungs-<br />

und Managementaktivitäten aufkommen;<br />

für Demonstrationsaktivitäten wird<br />

sie bei maximal 70 Prozent liegen. Für die<br />

Erstattung der indirekten Kosten ist eine<br />

Pauschale von 20 Prozent vorgesehen. Wie<br />

die Instrumente im Einzelnen aussehen<br />

werden, mit denen die Projekte letztendlich<br />

umgesetzt werden, ist Gegenstand aktueller<br />

Diskussionen auf europäischer Ebene.<br />

Chancen nutzen. Jetzt!<br />

Interessierte Einrichtungen sollten sich<br />

vorbereiten: Erste Ausschreibungen von<br />

Horizon 2020 werden aller Voraussicht<br />

nach im Winter <strong>2013</strong>/14 publiziert werden.<br />

Die Beteiligung deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<br />

unternehmen, die zum größten Teil durch<br />

KMU repräsentiert sind, war im letzten<br />

Rahmenprogramm sehr erfolgreich. Die<br />

Chancen, europäische Fördermittel akquirieren<br />

zu können, werden nochmals steigen.<br />

Um erfolgreich zu sein, ist es extrem wichtig,<br />

sich frühzeitig auf der europäischen Bühne<br />

zu engagieren und zu informieren. Entscheidend<br />

ist eine fundierte Beratung im Vorfeld<br />

von Ausschreibungen.<br />

www.nks-lebenswissenschaften.de<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

89


Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Börsengänge weiter Fehlanzeige<br />

Man kann dieses Kapitel getrost kurz abschließen:<br />

Auch im sechsten Jahr in Folge<br />

nach 2006 gab es keine Börsengänge deutscher<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen.<br />

Das seit Jahren andauernde Desinteresse<br />

des Kapitalmarkts am <strong>Biotech</strong>-Sektor hält<br />

unvermindert an. Der Gang an die Börse<br />

kann nicht einmal als Finanzierungsrunde<br />

mit einem akzeptablen Kapitalzufluss angestrebt<br />

werden, und somit sind auch die mit<br />

einem Börsengang verbundenen Kontroll-<br />

und Transparenzpflichten noch weniger zu<br />

rechtfertigen.<br />

Dennoch gibt es vereinzelt Diskussionen, die<br />

aus der Perspektive der mindestens genauso<br />

schlechten Finanzierungssituation im priva-<br />

ten <strong>Biotech</strong>-Sektor neue Überlegungen zu<br />

einem Listing am Kapitalmarkt einbringen.<br />

Als Argument wird der Zugang zu individuellen<br />

Investoren für PIPEs genannt, der die<br />

fast aussichtslose Suche nach privaten Inves-<br />

toren und die Auseinandersetzung mit komplizierten<br />

Konsortienbildungen erübrigt.<br />

Weiterhin wird auch die größere Transparenz<br />

im Zusammenhang mit der Bewertung von<br />

Assets über die Marktkapitalisierung ins<br />

Feld geführt.<br />

Ob diese Argumente tragen, ist schwer abzuschätzen;<br />

konkrete Beispiele für Listings<br />

ohne Aktienausgabe fehlen und auch die<br />

Finanzierungserfolge für bereits gelistete<br />

Unternehmen am Kapitalmarkt machen sich<br />

eher bescheiden aus (s. o.).<br />

Bleibt zu wiederholen, dass ohne eine Wieder-<br />

belebung des Kapitalmarktes die gesamte<br />

Branche im Hinblick auf Finanzierungen und<br />

erfolgreiche Exits weiter unter Druck stehen<br />

wird. Trade Sales alleine können nicht die<br />

Lösung für alle <strong>Biotech</strong>-Unternehmen und<br />

auch nicht für alle Geschäftsmodelle sein.<br />

Börsengänge europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Unternehmen Land Volumen<br />

(Mio. €)<br />

Auch im restlichen Europa Börsenflaute<br />

für <strong>Biotech</strong><br />

Bis auf den IPO von Adocia aus Frankreich<br />

sind die restlichen vier „Börsengänge“ in<br />

Spanien (Bionaturis), Schweden (Respiratorius),<br />

Irland (Prothena) und Israel (Vaxil<br />

BioTherapeutics) allenfalls als Neunotierung<br />

an den jeweiligen Kapitalmärkten zu<br />

sehen. Als Finanzierungsereignisse waren sie<br />

weniger geeignet. Bei den beiden letztgenannten<br />

stand in der Tat auch das Listing direkt<br />

(Prothena) oder in Form des Reverse<br />

IPO (Vaxil) als primäres Ziel auf dem Plan.<br />

Adocia nahm bei seinem doppelten Börsengang<br />

in New York (NYSE) und Paris (Euro-<br />

next) immerhin gut 27 Millionen Euro ein<br />

und befand sich damit in guter Gesellschaft<br />

mit privaten Finanzierungsrunden. Das<br />

Unternehmen entspricht mit seiner Aufstellung<br />

auch nicht dem üblichen <strong>Biotech</strong>-Modell<br />

eines Therapeutika- oder Diagnostikentwick-<br />

lers sondern hat bereits eine Marktposition<br />

mit Umsätzen im einstelligen Millionenbereich.<br />

Außerdem ist das Geschäftsmodell<br />

eher in der Nähe von Specialty-Pharma-<br />

Firmen anzusiedeln:<br />

• Drug-Delivery-Technologie („Bio-Chape-<br />

rone“ zur Verpackung von Proteinen mit<br />

Heparin-ähnlichen Polysacchariden)<br />

• Verbesserung von therapeutisch relevanten<br />

Biologicals (z. B. Insulin, Wachstumsfaktoren)<br />

• Risikoreduktion durch „Veredelung“ von<br />

erfolgreichen Marktprodukten (z. B. Insulin)<br />

• Schwerpunkt auf der Entwicklung und<br />

Vermarktung<br />

90 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Datum Börse Art<br />

Adocia Frankreich 27,4 14. Februar NYSE<br />

Euronext Paris<br />

Bionaturis Spanien 3,0 26. Januar MAB IPO<br />

Respiratorius Schweden 0,8 15. Mai AktieTorget IPO<br />

Prothena<br />

Corporation<br />

Vaxil<br />

BioTherapeutics<br />

IPO<br />

Irland 21. Dezember NASDAQ Listing<br />

Israel 25. Juli TASE Reverse IPO<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Trotz dieses Profils und einer attraktiven<br />

Marktposition konnte die Aktie über den<br />

Jahresverlauf ihren Ausgangswert nicht<br />

halten. Die Jahresabschlussnotierung ergab<br />

als Market Cap lediglich 50 Millionen Euro,<br />

glatte 50 Prozent unter dem Ausgangswert<br />

beim Börsenstart (Market Cap 100 Mio. €).<br />

Somit bleibt die Diskussion hinsichtlich einer<br />

Verbesserung der Geschäftsposition für<br />

<strong>Biotech</strong>-Firmen durch ein Börsen-Listing<br />

weiter offen. Adocia jedenfalls motiviert –<br />

selbst mit guter Ausgangsposition – durch<br />

seine Börsen-Performance nicht gerade<br />

dazu, diese Strategie einzuschlagen.<br />

Sehr erstaunlich und ungewöhnlich ist auch<br />

das Listing der Prothena Corporation aus<br />

Irland. Das Unternehmen ist ein Spin-off –<br />

und hier liegt der Hintergrund des Listings –<br />

aus Elan und hat seine Kernkompetenz in der<br />

Entwicklung von monoklonalen Antikörpern<br />

für die Behandlung von Krankheiten, bei<br />

denen falsch gefaltete Proteine eine Rolle<br />

spielen (z. B. Amyloidose). Ungewöhnlich ist<br />

dies, da das Lead-Programm von Prothena<br />

gerade einmal die Phase I der klinischen<br />

Entwicklung angetreten und dafür Orphan-<br />

Drug-Status erhalten hat. In diesem Stadium<br />

würde ein <strong>Biotech</strong>-Unternehmen herkömmlicher<br />

Prägung am Kapitalmarkt nicht akzep-<br />

tiert werden. Da die Finanzierung durch Elan<br />

aber weiter gesichert ist und die Corporation<br />

auch Hauptaktionär bleibt, ist die Situation<br />

bei Prothena nachvollziehbar.


US-Börsen mit Bio-Appetit?<br />

Die IPO-Aktivitäten in den USA hatten sich<br />

bereits vor zwei Jahren wieder erholt und<br />

waren im letzten Jahr (2011) mit zehn<br />

Börsengängen und einem Gesamtvolumen<br />

von 814 Millionen US-Dollar wieder fast auf<br />

dem Niveau vor der Finanzkrise angelangt.<br />

Auf dieser Höhe verharrt der Kapitalmarkt<br />

in den USA auch 2012. Insgesamt 11 IPOs<br />

haben frisches Kapital in Höhe von 765 Millionen<br />

US-Dollar eingefahren. Dazu kamen<br />

zwei Listings und vier Reverse IPOs die anzeigen,<br />

dass Unternehmen stärker an den<br />

Kapitalmarkt drängen.<br />

Die aufgeführten 11 IPOs haben zwar im<br />

Durchschnitt mit etwa 70 Millionen US-Dollar<br />

etwas weniger eingenommen als noch im<br />

Vorjahr (84 Mio. US). Dafür waren aber in<br />

diesem Jahr erfreulicherweise alle Unternehmen<br />

über der 50-Millionen-Dollar-Grenze.<br />

Es gab nur einen IPO mit 100 Millionen<br />

US-Dollar, den Börsengang von Merrimack<br />

Pharmaceuticals, der das Feld knapp anführt.<br />

Merrimack repräsentiert sicherlich<br />

das Paradigma des aktuellen Börsenkandidaten:<br />

eine Technologieplattform für Antikörper<br />

und Nanotherapeutika mit einer<br />

Finanzierung<br />

breiten Pipeline an Krebswirkstoffen in fortgeschrittener<br />

klinischer Entwicklung; dazu<br />

kommt ein Deal mit Sanofi als externem<br />

Partner und „Evaluator“ der Plattform sowie<br />

deren Output.<br />

Auch das Muster der IPOs hinsichtlich Geschäftsmodell<br />

und Reifegrad war recht<br />

homogen: Alle 11 Unternehmen sind Therapeutikaentwickler<br />

mit Leitprodukten in<br />

Phase III der klinischen Entwicklung sowie<br />

zwei Specialty-Pharma-Unternehmen mit<br />

Produkten bereits am Markt. Ausnahme<br />

bildet Verastem, das erst in der Präklinik<br />

steht; allerdings mit einem hochinnovativen<br />

Ansatz zur Entwicklung niedermolekularer<br />

Inhibitoren für Krebsstammzellen. CEO<br />

Christoph Westphal und Board-Mitglied<br />

Robert Weinberg, zwei Krebsforschungs-<br />

pioniere aus Cambridge/Massachusetts,<br />

sind die Aushängeschilder dieser Unter-<br />

nehmung, die die Börsenglocke erstmals<br />

beim IPO aus dem Labor einer <strong>Biotech</strong>-<br />

Firma geläutet haben.<br />

Interessant ist weiterhin die einzige Technologiefirma<br />

– Regulus Therapeutics aus San<br />

Diego. Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss<br />

der früheren Antisense-RNA-Pioniere<br />

Alnylam Pharmaceuticals und Isis Pharmaceuticals,<br />

die auf Basis der Technologien<br />

und Patente ihrer Vorgänger innovative<br />

microRNA-Therapeutika entwickeln. Beleg<br />

für die offenbar hochattraktive Technologieplattform<br />

sind bestehende Frühphasen- bzw.<br />

Plattform-Deals mit Sanofi, AstraZeneca<br />

und GSK neben einem eigenen, noch frühen<br />

Entwicklungsprogramm.<br />

Börsengänge US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Unternehmen Volumen (Mio. US$) Datum Art<br />

Merrimack Pharmaceuticals 100,1 29. März IPO<br />

Tesaro 86,8 24. Juli IPO<br />

Intercept Pharmaceuticals 86,3 15. Oktober IPO<br />

KYTHERA Biopharmaceuticals 81,0 16. Oktober IPO<br />

Durata Therapeutics 77,6 24. Juli IPO<br />

Verastem 63,3 27. Januar IPO<br />

Cempra Pharmaceuticals 58,0 3. Februar IPO<br />

Hyperion Therapeutics 57,5 31. Juli IPO<br />

Supernus Pharmaceuticals 52,2 1. Mai IPO<br />

ChemoCentryx 51,8 8. Februar IPO<br />

Regulus Therapeutics 50,9 4. Oktober IPO<br />

Puma <strong>Biotech</strong>nology 16. April Listing<br />

RXi Pharmaceuticals 1. Mai Listing<br />

ADMA Biologics 29. März Reverse IPO<br />

Arrogene NanoTechnology 11. Januar Reverse IPO<br />

Islet Sciences 1. März Reverse IPO<br />

Retrophin 18. Dezember Reverse IPO<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 91


Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen in Deutschland bleibt<br />

schwierig<br />

Mit einer Gesamtsumme von nur 80 Millionen<br />

Euro an Einnahmen aus Finanzierungen<br />

am Kapitalmarkt bleibt dieses Terrain für<br />

<strong>Biotech</strong> schwierig. Wenngleich in der Summe<br />

doppelt so hoch wie noch im vergangenen<br />

Jahr und den Jahren nach der Krise (mit der<br />

Ausnahme von 2010, als mit einer PIPE-<br />

Kapitalerhöhung bei Agennix durch das<br />

Hopp Family Office alleine 78 Millionen Euro<br />

aufgenommen werden konnten), so reicht<br />

sie noch immer nicht an die Vorkrisenwerte,<br />

die bei deutlich über 100 Millionen Euro<br />

gelegen hatten.<br />

Alle aufgeführten Finanzierungsrunden sind<br />

PIPEs, welche die nach wie vor stagnierende<br />

Situation des Kapitalmarkts belegen, wo<br />

meist nur direkte Commitments der existierenden<br />

Anteilseigner die Weiterfinanzierung<br />

ihrer Portfoliofirmen stemmen. Das Bild<br />

gleicht auch insofern dem des Vorjahres,<br />

weil fast exakt die gleichen Namen auftreten.<br />

Dennoch stechen einige Firmen hervor, die<br />

durch positive Performance die benötigten<br />

Kapitalerhöhungen realisieren konnten.<br />

MOLOGEN rechtfertigt die Kapitalaufnahme<br />

von insgesamt 24,7 Millionen Euro (2011<br />

10 Mio. €) mit guten klinischen Daten. In<br />

den ersten neun Monaten des Jahres 2012<br />

hat MOLOGEN mehrere wichtige Ziele erreicht.<br />

Die klinischen Studien zu den beiden<br />

Produktkandidaten MGN1703 (Darmkrebs)<br />

und MGN1601 (Nierenkrebs) übertrafen<br />

alle Erwartungen. Weitere positive Meilensteine<br />

in der aktuellen Berichtsperiode stellten<br />

zum einen der erfolgreiche Abschluss der<br />

präklinischen Arbeiten zum Leishmaniose-<br />

Impfstoff MGN1331 und zum anderen der<br />

Beginn der Kooperation mit der Charité<br />

Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für<br />

Molekulare Medizin zur klinischen Unter-<br />

suchung einer auf der von MOLOGEN ent-<br />

wickelten MIDGE ® -Technologie basierenden<br />

Immuntherapie gegen den schwarzen Hautkrebs<br />

dar.<br />

Finanzierung<br />

Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />

Unternehmen Volumen (Mio. €) Datum Art<br />

MOLOGEN 22,0 19. Juni PIPE<br />

WILEX 16,1 3. August PIPE<br />

4SC 12,6 13. Juni PIPE<br />

Biofrontera 11,5 2. März PIPE<br />

WILEX 9,9 9. Januar PIPE<br />

co.don 3,9 20. August PIPE<br />

MOLOGEN 2,7 27. März PIPE<br />

Biofrontera 1,4 3. Februar PIPE<br />

Noch erfolgreicher hinsichtlich der Kapitalaufnahme<br />

war WILEX, das in ebenfalls zwei<br />

Tranchen 25 Millionen Euro einnahm. Im<br />

Wesentlichen wurde diese Kapitalerhöhung<br />

getragen durch den Hauptaktionär Dietmar<br />

Hopp. Umso tragischer, dass im Herbst des<br />

letzten Jahres der erwartete Erfolg der Phase-III-Studie<br />

ausblieb und das Kapital somit<br />

zunächst verloren schien.<br />

Ebenfalls Wiederholungstäter nach knapp<br />

12 Millionen Euro 2011 war 4SC, die im Berichtsjahr<br />

2012 erneut um die 13 Millionen<br />

Euro aufnehmen konnte. Auch hierbei handelt<br />

es sich um eine notwendige Finanzspritze<br />

per PIPE für die weiteren klinischen<br />

Entwicklungsschritte, gezeichnet von den<br />

existierenden Investoren (u. a. Thomas<br />

Strüngmann).<br />

92 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Biofrontera, in den letzten Jahren immer<br />

aktiv mit mehreren kleineren Kapitaler-<br />

höhungen über PIPEs, konnte auch 2012<br />

zweimal „zuschlagen“ und insgesamt 13<br />

Millionen Euro durch Ausgabe neuer Aktien<br />

an bestehende Aktionäre erzielen. Newsflow<br />

durch weitere Vertriebsvereinbarungen<br />

(z. B. Allergan, Desitin) für ihre Therapie<br />

der aktinischen Keratose tragen zur positiven<br />

Stimmung bei.<br />

Schließlich war auch co.don mit einer kleineren<br />

Kapitalmaßnahme über ein 3,9-Millionen-Euro-PIPE<br />

erfolgreich, die von Trans<br />

Nova Investments und Osemifaro Investments,<br />

beide mit Sitz in Zypern, ausgingen.<br />

Die Kapitalerhöhung hat die Gesellschaft in<br />

die Lage versetzt, insbesondere die hohen<br />

Aufwendungen für die zentrale Zulassung<br />

der Tissue-Engineering-Produkte zur Behandlung<br />

von Knorpeldefekten zu erlangen.<br />

Dies ist Ende 2012 durch die positive Einschätzung<br />

der Zulassungsbehörden tatsächlich<br />

erfolgreich vorangebracht worden.


Börsennotierte <strong>Biotech</strong>-Firmen in Europa<br />

stagnieren weiter<br />

Kapitalerhöhungen europäischer <strong>Biotech</strong>-<br />

Firmen 2012 lagen mit 910 Millionen Euro<br />

zwar 12 Prozent über dem Vorjahreswert.<br />

Die Gesamteinnahmen über den Kapitalmarkt<br />

bleiben in Europa aber weiterhin<br />

deutlich unter dem Bedarf und den Werten<br />

aus den Vorkrisenjahren (z. B. 3,35 Mrd. €<br />

2007).<br />

Immerhin lagen die Top 10 der Einzelmaßnahmen<br />

immer noch deutlich über dem Mittel<br />

der Kapitalerhöhungen in Deutschland,<br />

sodass MOLOGEN mit seiner 22 Millionen-<br />

Runde gerade einmal an Platz neun zu<br />

liegen kommt.<br />

Mit einer Ausnahme – der auf die Entwicklung<br />

von Augenerkrankungen spezialisierten<br />

ThromboGenics in Belgien – gehören<br />

alle Firmen mit Kapitalerhöhungen über<br />

40 Millionen Euro der Gruppe der Specialty-<br />

Pharma-Unternehmen an:<br />

• Amarin Corporation<br />

• Vernalis<br />

• Veloxis Pharmaceuticals<br />

• Algeta<br />

Diese sind größtenteils am Markt etabliert<br />

und können den Kapitalmarkt mit anderen<br />

Kennzahlen angehen als Entwicklungsfirmen<br />

aus dem traditionellen <strong>Biotech</strong>-Bereich.<br />

ThromboGenics kann ebenfalls auf eine sehr<br />

erfolgreiche Entwicklung von Produkten<br />

gegen Augenkrankheiten bauen, die im<br />

Zuge der Partnerschaft mit Alcon und deren<br />

Finanzierung<br />

Übernahme durch Novartis ins Rampenlicht<br />

von Pharma und damit von Analysten gerückt<br />

war.<br />

Abzüglich dieser offensichtlichen Kapitalmarkt-„Platzhirsche“<br />

fallen die restlichen<br />

Kapitalmaßnahmen in den gleichen Rahmen,<br />

der bereits für Deutschland beschrieben<br />

wurde: wenige Unternehmen und kleine<br />

Runden, die allesamt (außer in Israel) als<br />

PIPEs strukturiert sind. Insofern kommt<br />

man auch für das europäische Börsenumfeld<br />

in <strong>Biotech</strong> nur zu dem Schluss, dass<br />

vom Kapitalmarkt immer noch keine neuen<br />

Signale zu vernehmen sind. Somit steht<br />

Deutschland diesbezüglich nicht alleine,<br />

sondern sollte sich gemeinsam mit den<br />

Nachbarländern bzw. den entsprechenden<br />

<strong>Biotech</strong>-Verbänden überlegen, wie hier Impulse<br />

gesetzt werden könnten.<br />

Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />

Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Datum Art<br />

Amarin<br />

Corporation<br />

Irland 116,7 4. Januar Wandelanleihe<br />

Vernalis UK 84,4 10. Februar Follow-on<br />

ThromboGenics Belgien 77,8 28. März PIPE<br />

Veloxis<br />

Pharmaceuticals<br />

Dänemark 56,7 15. Oktober PIPE<br />

Algeta Norwegen 40,2 13. Februar PIPE<br />

Prolor <strong>Biotech</strong> Israel 29,1 10. Mai Follow-on<br />

Pluristem<br />

Therapeutics<br />

Fremdfinanzierung in Europa<br />

erstmalig auffällig<br />

Ausschlaggebend für die Höhe der Gesamtfinanzierung<br />

in Europa ist vor allem das<br />

erstmalig signifikante Volumen an Fremd-<br />

finanzierungen (1.331 Mio. €). Diese Kategorie<br />

war bisher lediglich in den USA als<br />

Zeichen einer reiferen Industrie sichtbar<br />

gewesen.<br />

Entsprechend sind es aber auch in Europa<br />

sehr wenige Firmen, die in diesem Ruf<br />

stehen und deshalb hier auch große Summen<br />

in Form von Fremdkapital aufnehmen<br />

konnten:<br />

• Elan<br />

• Jazz Pharmaceuticals<br />

• Alkermes<br />

• Swedish Orphan Biovitrum<br />

Israel 28,4 12. September Follow-on<br />

Rosetta Genomics Israel 24,6 3. August Follow-on<br />

MOLOGEN Deutschland 22,0 19. Juni PIPE<br />

Clavis Pharma Norwegen 21,8 18. Januar PIPE<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 93


Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch:<br />

4SC führt Kapitalerhöhung durch<br />

Enno Spillner,<br />

CEO / CFO 4SC AG, Martinsried<br />

Flaute am deutschen Kapitalmarkt?<br />

2012 war ein erfolgreiches Jahr für die inter-<br />

nationale <strong>Biotech</strong>-Branche und auch <strong>2013</strong><br />

hat vielversprechend begonnen. Die positive<br />

Entwicklung spiegelte sich in Medikamenten-<br />

zulassungen und klinischen Erfolgen ebenso<br />

wider wie in der guten Branchen-Performance<br />

an den Kapitalmärkten. In Deutschland war<br />

die Situation aufgrund einiger Rückschläge<br />

und nur weniger aktiver lokaler Investoren<br />

jedoch bedeutend schwieriger. Zusammen<br />

führte dies im Heimatmarkt zu einer geringen<br />

Anzahl von Finanzierungsrunden und kleineren<br />

Transaktionsvolumina. Trotz allem gelang<br />

es einigen „Small Caps“ mit attraktiven<br />

Werttreibern im Portfolio, auch unter den<br />

harschen Finanzierungsbedingungen Geld<br />

am Kapitalmarkt zu beschaffen – unter anderem<br />

der 4SC AG.<br />

4SC wirbt 12,6 Millionen Euro ein<br />

Im Sommer 2012 war die Eurokrise auf<br />

ihrem Höhepunkt und es bestand im Zu-<br />

sammenhang mit der Parlamentswahl in<br />

Griechenland eine große Verunsicherung,<br />

im Euroraum Mittel zu investieren. Insbeson-<br />

dere war völlig unklar, wie sich der Kapitalmarkt<br />

in der zweiten Jahreshälfte weiter<br />

entwickeln würde. In diesem schwierigen<br />

Umfeld gelang es 4SC, Gelder bei bestehenden<br />

Aktionären und neuen internationalen<br />

institutionellen Investoren einzuwerben.<br />

Anfang Juli 2012 schloss das Unternehmen<br />

erfolgreich eine Kapitalerhöhung mit Be-<br />

zugsrecht aus dem genehmigten Kapital mit<br />

einem Bruttoemissionserlös in Höhe von<br />

12,6 Millionen Euro ab. Dadurch konnte 4SC<br />

die Aktionärsbasis weiter stärken und die<br />

Finanzierung anstehender operativer Meilen-<br />

steine absichern.<br />

Das Commitment der Altaktionäre lockt<br />

auch ausländische Investoren<br />

Die Kapitalerhöhung wurde maßgeblich von<br />

den Altaktionären getragen – ein wichtiges<br />

Signal für interessierte neue Investoren. Das<br />

im Vorfeld bekundete Engagement des Groß-<br />

aktionärs Santo, sich mit bis zu fünf Millionen<br />

Euro zu beteiligen, spielte bei der Platzierung<br />

der Kapitalerhöhung eine wichtige Rolle.<br />

Es ist zudem erwähnenswert, dass rund ein<br />

Viertel der Aktien bei neuen institutionellen<br />

Investoren, vor allem aus den Benelux-Staaten,<br />

Frankreich und Skandinavien, platziert<br />

werden konnten. Die weitgehende Zurückhaltung<br />

amerikanischer Investoren war spür-<br />

bar, aber in Anbetracht der Euro-Krise verständlich.<br />

Entsprechend war eine gewisse<br />

Finanzierungslücke vorhanden, nachdem<br />

bei einer im Jahr 2011 durchgeführten<br />

Kapitalerhöhung von 4SC knapp ein Drittel<br />

der Mittel von US-Investoren eingeworben<br />

worden war.<br />

Struktur der Finanzierung<br />

Die Transaktion erfolgte in drei Stufen:<br />

Zunächst wurde eine Vorabplatzierung mit<br />

einem Bruttoerlös von rund 4,4 Millionen<br />

Euro bei institutionellen Investoren durchgeführt,<br />

um den Erfolg der Transaktion frühzeitig<br />

transparent zu machen. Im zweiten<br />

Schritt erfolgte das Bezugsangebot an die<br />

bestehenden Aktionäre. Im letzten Schritt<br />

wurden im Rahmen des Bezugsangebots<br />

nicht platzierte Aktien in einem Rump Placement<br />

bei institutionellen Investoren platziert.<br />

Gewollt kein öffentliches Angebot<br />

Ein öffentliches Angebot erfolgte nicht: Die<br />

Transaktion richtete sich bewusst nur an Altaktionäre<br />

und ausgewählte institutionelle<br />

Investoren. Gemäß der alten Prospektricht-<br />

linie war im Sommer 2012 ein vorgelagerter<br />

Angebotsprospekt noch nicht notwendig,<br />

was Zeit sparte. Die Zulassung der neuen<br />

Aktien zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse<br />

erfolgte im September 2012<br />

auf Basis eines nachgelagerten Zulassungsprospekts.<br />

Um dennoch den neuen Aktionären<br />

umgehend handelbare Aktien an die Hand<br />

geben zu können, hat 4SCs größter Aktionär<br />

94 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

dankenswerter Weise einen Teil seiner bestehenden<br />

Aktien via Aktienleihe zur Ausgabe<br />

an die neuen Investoren zur Verfügung gestellt<br />

und selbst zunächst nicht zugelassene<br />

Aktien gehalten. Die gewählte Form der<br />

Kapitalerhöhung war somit effizienter und<br />

schneller umsetzbar als eine konventionelle<br />

Kapitalerhöhung mit vorgelagerter Prospekt-<br />

erstellung.<br />

Finanzierung von börsengelisteten<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Die Möglichkeiten zur Refinanzierung von Bio-<br />

tech-Unternehmen am europäischen Kapital-<br />

markt bleiben weiterhin herausfordernd –<br />

anders als derzeit in den USA. Es ist deshalb<br />

wichtig, neben Kapitalerhöhungen auch alter-<br />

native Finanzierungsquellen wie Royalty<br />

Financing und SEDA nicht aus den Augen zu<br />

verlieren und weitere „kreative Wege“ zu<br />

erschließen. Eine Grundregel ist dabei, für<br />

alles offen und startbereit zu bleiben und<br />

situationsbedingt im Sinne des Unternehmens<br />

zu agieren – frei nach der Devise „Take the<br />

money when you can“.<br />

Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt durch<br />

Umsätze<br />

In diesem Zusammenhang hat 4SC eine eigene<br />

Strategie entwickelt, um ein Stück weit<br />

unabhängiger vom Kapitalmarkt zu werden –<br />

nämlich die Generierung von Mittelzuflüssen<br />

aus der konzerneigenen Frühphasenforschung<br />

durch die Anfang 2012 gestartete Tochtergesellschaft<br />

4SC Discovery GmbH. Umsätze<br />

entstehen zum einen durch das Dienstleistungsgeschäft<br />

in der Wirkstoffentdeckung.<br />

Hier wurde beispielsweise mit der Mainzer<br />

BioNTech AG im Februar <strong>2013</strong> eine dreijährige<br />

Partnerschaft gemeldet. Darüber hinaus<br />

zielt 4SC Discovery auf Partnering Deals im<br />

Early-stage-Bereich ab. Medikamentenprogramme<br />

werden bereits in frühen Forschungs-<br />

phasen mit <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Firmen ver-<br />

partnert, um frühzeitig Mittelzuflüsse zu generieren,<br />

die Entwicklung zu beschleunigen<br />

und von Beginn an auf eine breitere Grundlage<br />

zu stellen sowie in späteren Phasen vom<br />

Wertzuwachs zu profitieren. Hier sorgte das<br />

Unternehmen Ende Februar <strong>2013</strong> mit einem<br />

Deal mit der dänischen LEO Pharma A/S für<br />

Aufsehen. Neben einer Vorabzahlung von<br />

einer Million Euro könnte 4SC daraus weitere<br />

Meilensteineinnahmen von fast 100 Millionen<br />

Euro plus Umsatzbeteiligungen erzielen.<br />

www.4sc.de


Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen<br />

Peter Brock,<br />

Family Office Services,<br />

Ernst & Young GmbH, Düsseldorf<br />

Family Offices – eine Chance für den<br />

deutschen Mittelstand<br />

Seit der weltweiten Finanzkrise ist bei Family<br />

Offices ein deutlicher Trend zu spüren, signifikante<br />

Teile des betreuten Vermögens in Real-<br />

kapital und als Direktinvestition anzulegen.<br />

Traditionelle Depots börsennotierter Wertpapiere<br />

und Anleihen haben infolge des schwierigen<br />

Marktumfeldes (schwache Renditen bei<br />

erhöhter Volatilität, historisch niedriges Zinsniveau,<br />

steigende Inflationsgefahr und der<br />

unter Druck geratene Euro) an Attraktivität<br />

verloren – einen nachhaltigen Vermögenserhalt<br />

über mehrere Generationen hinweg können<br />

sie nur noch bedingt gewährleisten. Neben<br />

Immobilienanlagen und Private Equity Investments<br />

rücken damit auch unternehmerische<br />

Direktbeteiligungen verstärkt in den Fokus<br />

langfristig agierender Family Offices. In den<br />

vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass<br />

unternehmerisch geprägte Family Offices ver-<br />

mehrt als Investoren auftreten. Dabei handelt<br />

es sich sowohl um bekannte Family Offices mit<br />

Milliardenvermögen als auch verstärkt um<br />

weniger prominente vermögende Familien und<br />

Privatpersonen. Immer öfter schließen sich<br />

auch mehrere Family Offices zusammen, um<br />

mit Hilfe sog. Club Deals auch größere Firmenbeteiligungen<br />

erwerben zu können und das<br />

Risiko zu streuen. Für Verkaufsprozesse mittelständischer<br />

Unternehmen – besonders<br />

auch in Nachfolgesituationen – stellen Family<br />

Offices eine zunehmend wichtige Quelle von<br />

Eigenkapital dar.<br />

FOs in Deutschland und Europa<br />

Family Offices sind eigenständig organisierte<br />

Vermögensverwaltungen und ermöglichen<br />

die ganzheitliche und unabhängige Betrachtung<br />

des Gesamtvermögens des Vermögensinhabers<br />

– einschließlich aller Asset-Klassen<br />

wie Immobilien und Firmenbeteiligungen –<br />

mit der Aufgabe, ebenjenes private Groß-<br />

vermögen über Generationen hinweg zu<br />

erhalten bzw. zu vermehren. Das Dienstleis-<br />

tungsspektrum ist breit gefächert: Neben<br />

Kernbereichen der Vermögensverwaltung,<br />

des Investmentcontrollings und des <strong>Report</strong>ings<br />

bieten FOs u. a. auch Steuerberatung,<br />

Nachfolgeregelungen und Concierge Services<br />

an. Der europäische Family-Office-Markt hat<br />

seit seiner Etablierung Anfang der 90er Jahre<br />

stark an Bedeutung gewonnen und bildet<br />

heute einen integralen Bestandteil der Finanz-<br />

dienstleistungsbranche. In Deutschland werden<br />

nach Schätzungen von Experten mehr<br />

als 180 Milliarden Euro Gesamtvermögen<br />

durch Family Offices betreut. Ihre Zahl wird<br />

auf rund 400 Single Family Offices – die nur<br />

für eine Familie tätig sind – und auf etwa<br />

50 Multi Family Offices – die mehrere Familien<br />

betreuen – veranschlagt. Neben Deutschland<br />

ist in Kontinentaleuropa vor allem die Schweiz<br />

ein Zentrum für Family Offices. Im Anschluss<br />

an die weltweite Finanzkrise ist es in vergangenen<br />

Jahren zu einem Gründerboom bei<br />

Family Offices gekommen: Viele Hochvermögende<br />

präferieren zunehmend eine bank-<br />

unabhängige und auf die eigenen Bedürfnisse<br />

zugeschnittene Vermögensverwaltung,<br />

die eine transparente Kostenstruktur ermöglicht.<br />

Family Governance zur langfristigen<br />

Vermögenssteuerung<br />

Neben dem primär angestrebten Vermö-<br />

genserhalt dienen unternehmerische Direktbeteiligungen<br />

vermögender Familien oftmals<br />

weiteren Zielen. So können sie einen<br />

Identifikationsrahmen für den Familienverbund<br />

stiften, den vielfach über Generatio-<br />

nen kultivierten Unternehmergeist lebendig<br />

halten und mittels „Socially Responsible<br />

Investment“ und „Impact Investment“ Sinn<br />

stiftend wirken und dem gesellschaftlichen<br />

Ansehen dienen. Eine wachsende Bedeutung<br />

kommt in diesem Zusammenhang der<br />

sog. Family Governance zu. Diese umfasst<br />

Methoden und Prinzipien der Familienführung<br />

– angelehnt an die Prinzipien der<br />

Corporate Governance bei Unternehmen –<br />

und dient der besseren Organisation des<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Familienverbundes und dem systematischen<br />

Management des Familienvermögens. Solange<br />

das ursprüngliche Familienunternehmen im<br />

Fokus der Familie steht, sind durch die gesellschaftsrechtlichen<br />

Gegebenheiten (Gesellschaftsvertrag<br />

etc.) gewisse Rahmen-<br />

bedingungen vorgegeben. Nach erfolgtem<br />

Verkauf fallen diese jedoch weg. Gute Family<br />

Governance institutionalisiert neue Gremien<br />

und Geschäftsabläufe der Familie durch ein<br />

Family Office und legt klare Werte fest, die<br />

das ethische Selbstverständnis der Familienmitglieder<br />

beschreiben und als Grundsätze<br />

für nachhaltige Investitionen dienen können.<br />

Den langfristigen Erfolg im Blick<br />

FOs haben bei unternehmerischen Direktbeteiligungen<br />

in aller Regel eine deutlich<br />

längerfristige Perspektive als Private-Equity-<br />

Gesellschaften, da sie nicht von den Anforderungen<br />

institutioneller Investoren abhängig<br />

sind und ihre Rendite typischerweise<br />

nicht über den Verkauf der Beteiligung nach<br />

einem definierten Zeitablauf realisieren<br />

(müssen). Stattdessen können sie langfristige<br />

Wachstumsinitiativen unterstützen<br />

und die Erträge bzw. Dividenden der Beteiligung<br />

langfristig vereinnahmen. Das macht<br />

sie als Unternehmenskäufer gerade für<br />

Nachfolgesituationen im deutschen Mittelstand<br />

besonders interessant. Hierbei ist in<br />

Kauf zu nehmen, dass sich Family Offices<br />

bei M&A-Transaktionen in der Regel deutlich<br />

weniger transparent verhalten als die Private-<br />

Equity-Branche – oftmals aus gutem Grund,<br />

um die Vertraulichkeit für die Familienmitglieder<br />

zu wahren. Angesichts des weiterhin<br />

bestehenden hohen M&A-Potenzials im<br />

Mittelstand ist davon auszugehen, dass<br />

Family Offices die M&A-Aktivitäten in Zukunft<br />

deutlich stärker prägen werden als dies heute<br />

der Fall ist.<br />

Professionelle Unterstützung für den<br />

reibungslosen Ablauf<br />

Ernst & Young unterstützt den reibungslosen<br />

Ablauf einer Investition von Family<br />

Offices mit Due-Diligence-Prüfungen sowie<br />

steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen<br />

Strukturierungsfragen. Zudem wird sensibel<br />

auf die Besonderheiten und die speziellen<br />

Investitionskriterien des jeweiligen Family<br />

Offices eingegangen und bei jeder Trans-<br />

aktion ein klarer Blick auf die Risikoorientierung<br />

der Familie, die weitere Nachfolge-<br />

planung und die vorherrschenden Family-<br />

Governance-Strukturen behalten.<br />

95


Marktkapitalisierung<br />

Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012<br />

Marktkapitalisierung in Mio. €<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Jan<br />

12<br />

Feb<br />

12<br />

März<br />

12<br />

April<br />

12<br />

Gesamtmarktkapitalisierung im Jahresverlauf<br />

mit positiver Entwicklung<br />

Die Marktkapitalisierung in Summe über alle<br />

14 deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen zeigt im<br />

Jahresverlauf 2012 insgesamt nach oben.<br />

Vom Ausgangswert mit 1,10 Milliarden Euro<br />

bis zum Jahresschlusswert von 1,49 Milliarden<br />

Euro ergibt sich ein Anstieg von 34 Prozent.<br />

Wie in all den Vorjahren angemerkt, repräsentiert<br />

dieser Wert allerdings weniger die<br />

Branche als solche, sondern reflektiert vorwiegend<br />

nur die Entwicklungen der beiden<br />

Klassenbesten MorphoSys und Evotec. Insofern<br />

kann die dargestellte Abbildung eher<br />

als Spiegel dieser beiden Unternehmen<br />

dienen, während die restlichen Vertreter<br />

im „Rauschen“ untergehen.<br />

Die meisten der 12 weiteren Unternehmen<br />

sind in der Medikamentenentwicklung aktiv<br />

(Ausnahmen sind nur Epigenomics und die<br />

inzwischen insolvente november). Da das<br />

Jahr 2012 einiges an klinischem Newsflow<br />

hervorgebracht hat, lohnt es, dessen Einfluss<br />

auf die jeweiligen Marktkapitalisierungen<br />

und damit quasi die Firmenbewertungen<br />

nachzuverfolgen.<br />

96 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Mai<br />

12<br />

Juni<br />

12<br />

Juli<br />

12<br />

Aug<br />

12<br />

Sep<br />

12<br />

Okt<br />

12<br />

Nov<br />

12<br />

Dez<br />

12<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

MorphoSys<br />

Evotec<br />

Agennix<br />

MOLOGEN<br />

WILEX<br />

4SC<br />

MediGene<br />

Biofrontera<br />

Curasan<br />

PAION<br />

Epigenomics<br />

co.don<br />

SYGNIS Pharma<br />

november<br />

Summe<br />

(rechte Achse)<br />

Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, <strong>2013</strong><br />

Markante Änderungen in negative Richtung<br />

ergeben sich zwischen Jahresbeginn und<br />

Ende 2012 für:<br />

• Agennix (–85 %) von 110 Millionen Euro<br />

auf 17 Millionen Euro aufgrund der negativen<br />

Phase-III-Studienergebnisse für<br />

Talactoferrin aus dem August<br />

• WILEX (–56 %) von 70 Millionen Euro<br />

auf 31 Millionen Euro aufgrund negativer<br />

Phase-II-Studienergebnisse für Rencarex<br />

im Oktober; der Absturz fällt noch heftiger<br />

aus (–74 %), wenn man die offensichtlich<br />

optimistische Stimmung im Vorfeld der<br />

Ergebnisveröffentlichung einrechnet, als<br />

die Market Cap zeitweise bei 120 Millionen<br />

Euro gelegen hatte.


Dem standen aber auch positive Entwicklungen<br />

gegenüber, wie zum Beispiel:<br />

• MOLOGEN (+105 %) von 88 Millionen<br />

Euro auf 180 Millionen Euro; die klinischen<br />

Studien zu den beiden Produktkandidaten<br />

MGN1703 (Darmkrebs) und MGN1601<br />

(Nierenkrebs) übertrafen die Erwartungen<br />

• Biofrontera (+97 %) von 31 Millionen<br />

Euro auf 61 Millionen Euro aufgrund<br />

weiterer Vertriebsvereinbarungen für den<br />

am Markt eingeführten Wirkstoff Ameluz ®<br />

• 4SC (+100 %) von 51 Millionen Euro auf<br />

102 Millionen Euro mit einer deutlichen<br />

Erholung nach dem Einbruch im Vorjahr<br />

• co.don (+57 %) von sieben Millionen Euro<br />

auf 11 Millionen Euro aufgrund positiver<br />

Daten für die Knorpelersatztherapie und<br />

Erfolge in der Zulassungsdiskussion<br />

• SYGNIS von einer Million Euro nach dem<br />

Scheitern der klinischen Phase auf acht<br />

Millionen Euro nach der Bekanntgabe der<br />

Fusion mit der spanischen X-Pol und der<br />

Änderung des Geschäftsmodells<br />

MorphoSys und Evotec in europäischer<br />

Rangliste gut platziert<br />

Die führenden börsennotierten deutschen<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen MorphoSys und<br />

Evotec finden sich auf einer Rangliste der<br />

europäischen <strong>Biotech</strong>-Branche auf den<br />

Plätzen 16 und 27.<br />

Hierbei ist hervorzuheben, dass sich unter<br />

den in Europa führenden Unternehmen allein<br />

acht reife und marktfokussierte Specialty-<br />

Pharma-Unternehmen befinden (Shire,<br />

Meda, Jazz, Ipsen, BTG, Algeta, Cosmo,<br />

Vectura) sowie weiterhin vor allem etablierte<br />

Therapeutikaentwickler mit teilweise frühen<br />

Börsengängen.<br />

Technologieplattformen sind mit nur neun<br />

Vertretern eher unterrepräsentiert. Unter<br />

die Top-30-Firmen fallen vier Tech@Disease-<br />

Unternehmen, die noch am ehesten zu den<br />

in der Vergangenheit üblichen Börsengängen<br />

der Therapeutikaentwickler passen<br />

(ThromboGenics, Stallergenes, Active <strong>Biotech</strong><br />

und Medivir).<br />

Finanzierung<br />

Die typischen modernen Technologieplattformen<br />

sind mit zusammengenommen fünf<br />

Vertretern noch mehr die Exoten: MorphoSys<br />

ist in Gesellschaft mit Genmab und Ablynx<br />

Die 30 größten <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Europas<br />

nach Marktkapitalisierung, 2012<br />

Name Land Marktkapitalisierung<br />

(Mio. €)<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Umsatz<br />

(Mio. €)<br />

Shire UK 13.332 3.641<br />

Novozymes Dänemark 6.829 1.509<br />

Elan Corporation Irland 4.719 935<br />

Actelion Schweiz 4.255 1.434<br />

Qiagen Niederlande 3.337 976<br />

Meda Schweden 2.417 1.493<br />

Jazz Pharmaceuticals Irland 2.397 456<br />

Ipsen Frankrech 1.942 1.277<br />

Alkermes Irland 1.900 303<br />

Eurofins Scientific Frankreich 1.826 1.044<br />

ThromboGenics Belgien 1.544 150*<br />

BTG UK 1.372 243<br />

Swedish Orphan Biovitrum Schweden 1.159 221<br />

Amarin Corporation Irland 943 n/a<br />

Algeta Norwegen 920 84<br />

MorphoSys Deutschland 693 52<br />

Stallergenes Frankreich 594 240<br />

AB Science Frankreich 592 1*<br />

Genmab Dänemark 538 65<br />

Active <strong>Biotech</strong> Schweden 475 26<br />

Galapagos Belgien 434 129*<br />

Devgen Belgien 397 25*<br />

Protalix BioTherapeutics Israel 377 27<br />

Basilea Pharmaceutica Schweiz 363 48<br />

Cosmo Pharmaceuticals Italien 360 81*<br />

Vectura Group UK 355 41<br />

Evotec Deutschland 319 87<br />

Transgene Frankreich 263 12*<br />

Ablynx Belgien 262 27<br />

Medivir Schweden 258 64<br />

*Umsatz wurde auf Basis veröffentlichter Quartals-<br />

und Halbjahresberichte hochgerechnet<br />

der führende Vertreter der Tech@MPO-Plattformen;<br />

Evotec zusammen mit seinem Rivalen<br />

Galapagos sind als einzige Tech@Process-Repräsentanten<br />

gelistet.<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

97


Produkte<br />

98 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Zahlen und Fakten im Überblick<br />

<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Deutschland<br />

Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

161 159 166<br />

Präklinik<br />

47 53 44<br />

Phase I<br />

2010 2011 2012<br />

82 78 75<br />

Phase II<br />

<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012<br />

Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />

UK<br />

Deutschland<br />

Schweiz<br />

Israel<br />

Frankreich<br />

Schweden<br />

Dänemark<br />

Spanien<br />

Italien<br />

Belgien<br />

Österreich<br />

Niederlande<br />

Norwegen<br />

Irland<br />

Finnland<br />

0<br />

38<br />

48<br />

59<br />

91<br />

91<br />

87<br />

118<br />

144<br />

163<br />

183<br />

255<br />

14 14 9<br />

Phase III<br />

294<br />

294<br />

287<br />

Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />

1 0 0<br />

Zulassungsphase<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

412<br />

50 100 150 200 250 300 350 400 450<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

• Leichter Rückgang in der Gesamtzahl<br />

der Entwicklungskandidaten<br />

(2010: 305, 2011: 304,<br />

2012: 294)<br />

• Größte Abnahme in Phase III<br />

(–36 %) und Phase I (–17 %)<br />

• Präklinik mit positiver Bilanz (+4 %)<br />

• Gesamtzahl der Therapeutika in<br />

Entwicklung 2.564 (2011: 2.549)<br />

• UK führt nach wie vor die Liste der<br />

Entwicklungsprodukte an<br />

• Deutschland und Schweiz teilen sich<br />

den zweiten Platz; Deutschland mit<br />

einer deutlich jüngeren Pipeline<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 99


Wirkstoffpipeline in Deutschland<br />

In Richtung Markt nichts in Sicht<br />

Die Pipeline der <strong>Biotech</strong>-Therapeutikaentwicklungen<br />

in Deutschland zeigt sich auf<br />

den ersten Blick seit Jahren unverändert.<br />

Sowohl die Zahl der Medikamentenkandidaten<br />

in den einzelnen Phasen der Entwicklung<br />

als auch das Gesamtmuster in der<br />

relativen Verteilung über die Phasen blieben<br />

weitgehend konstant.<br />

Der zweite Blick ins Detail enthüllt ein differenzierteres<br />

Bild. Für 2012 ist die Zahl der<br />

Produktkandidaten mit insgesamt 294 erstmals<br />

seit einigen Jahren wieder unter die<br />

300er Marke gefallen; ein Rückgang um<br />

drei Prozent von den 304 Wirkstoffen im<br />

Vorjahr. Weiterhin stimmt bedenklich, dass<br />

in den späten Phasen der Klinik deutliche<br />

Einbußen auftreten (–36 % in Phase III).<br />

Zudem stehen aktuell auch keine Zulassungen<br />

an. Obwohl in Deutschland in den<br />

letzten zehn Jahren immer wieder von einer<br />

noch jungen Branche gesprochen wurde,<br />

die noch Zeit für durchschlagende Erfolge<br />

benötigt, ist die Erwartungshaltung allmählich<br />

doch auf deutlichere Fortschritte in der<br />

Kommerzialisierung von Medikamenten<br />

ausgerichtet.<br />

Zweifel an der Entwicklungskompetenz<br />

der Branche?<br />

Das Ausdünnen der späten Pipeline kann<br />

schlicht in der Tatsache begründet sein,<br />

dass <strong>Biotech</strong>-Firmen heute nur noch selten<br />

mit ihren Produkten in die Phase III vordringen.<br />

Meist können sie sich diesen Entwicklungsschritt<br />

nicht einmal als Co-Development-Partner<br />

leisten. In der Tat entspricht<br />

es eher der Regel, erfolgreiche Projekte vor<br />

oder nach der Phase II mit belegbarem<br />

Proof of Concept an Partner zu geben und<br />

von diesem Zeitpunkt an dem Partner die<br />

weitere Entwicklung gegen entsprechende<br />

Erfolgszahlungen zu überlassen.<br />

Dies geschieht in Form von Asset Deals,<br />

Auslizenzierungen und Firmenakquisitio-<br />

nen. Insbesondere die Akquisiton von<br />

Assets und ganzen Unternehmen war in<br />

der jüngeren Vergangenheit stark auf<br />

reifere Produkte ausgerichtet (wie z. B.<br />

Corimmun).<br />

Auf längere Sicht müsste also der tatsäch-<br />

liche Erfolg von <strong>Biotech</strong>-Firmen zumindest<br />

auch unter Einbeziehung der weiteren Entwicklungserfolge<br />

der veräußerten Produkte<br />

gemessen werden. Der Blick auf die vorliegende<br />

Pipeline-Darstellung wird dieser Aufgabe<br />

nicht hinreichend gerecht. Leider ist<br />

es zum Teil aber schwierig, den weiteren<br />

Verlauf der veräußerten Projekte lückenlos<br />

nachzuvollziehen, wenn diese unter neuer<br />

Führung Namen wechseln und uneinheitlich<br />

von beiden Partnern dokumentiert werden.<br />

Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />

100 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Pipeline-Dynamik zeigt Licht<br />

und Schatten auf<br />

Weitaus informativer ist die Analyse der<br />

Dynamik der Entwicklungspipeline deutscher<br />

<strong>Biotech</strong>nologiefirmen.<br />

Dabei zeigt sich, dass hinter dem vermeintlichen<br />

„Steady State“ in der Präklinik in Wirk-<br />

lichkeit ein enormer Zuwachs an 39 neuen<br />

Projektaufnahmen steht, im Vergleich zum<br />

Vorjahr ein Anstieg um 34 Prozent. Dieser<br />

Wert steht in direkter Korrelation zur Innova-<br />

tionskraft der <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland.<br />

Dem steht allerdings eine signifikante Zahl<br />

von 21 Projektabbrüchen (13 % der Gesamt-<br />

zahl, im Vorjahr 15) gegenüber – meist aufgrund<br />

von nicht erreichten Zielvorgaben.<br />

Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

- 10<br />

- 20<br />

Bilanz: 7<br />

Bilanz: -9<br />

Bilanz: -3<br />

Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />

Phaseneintritt Projektstopp Firmenschließung<br />

Akquisition Phasenübergang<br />

Bilanz: -5<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>


Diese relativ hohe Zahl der Projektstopps<br />

bedeutet nicht automatisch eine schlechte<br />

Qualität der aufgenommenen Projekte, sondern<br />

gibt Hinweise darauf, dass im Zuge der<br />

weiteren Effizienzerhöhung in F&E insbesondere<br />

frühe Projekte stärker dem „Early<br />

Killing“-Postulat unterliegen.<br />

Zwei weitere Veränderungen der Präklinik-<br />

Pipeline sind eher positiv einzuordnen, da<br />

die Assets weiter fortbestehen: Im Rahmen<br />

von Firmenakquisitionen (Scil Technology,<br />

Cellzome, SymbioTec) wurden insgesamt<br />

sechs Projekte eliminiert; zwei weitere<br />

schafften den Sprung in die klinische Entwicklung.<br />

Die Ausbeute von lediglich zwei<br />

bzw. – unter Anrechnung der akquirierten<br />

Projekte – acht Produktkandidaten (5 % aller<br />

präklinischen Projekte) mit fortgesetzter<br />

Perspektive zur Weiterentwicklung scheint<br />

relativ bescheiden.<br />

Deutlich positiver stellt sich das Verlaufsergebnis<br />

für die Phase I dar: Den sieben<br />

Neuaufnahmen stehen immerhin acht Projekte<br />

gegenüber, die in die Phase II weitergeleitet<br />

werden. Die neu aufgenommenen<br />

Phase-I-Studien umfassen:<br />

• GlutaDON ® (New Medical Enzymes)<br />

• 2x Apocept TM (Apogenix)<br />

• MCS-18 (DoNatur)<br />

• QC-Inhibitor (Probiodrug)<br />

• Solulin (PAION)<br />

• Revacept (advanceCOR)<br />

Leider fallen auch in dieser Phase sieben<br />

Projekte (13 %) durch Projektstopp und<br />

ein Projekt durch Liquidation der Trin<br />

Therapeutics aus dem Rennen, sodass die<br />

Gesamtbilanz für die Phase-I-Pipeline mit<br />

minus neun ins Negative rutscht.<br />

Produkte<br />

In die Phase II wurden im Berichtsjahr 2012<br />

immerhin 14 neue Produktkandidaten eingeschlossen.<br />

Die dahinter stehenden Entwickler<br />

sind:<br />

• NOXXON Pharma mit allein vier<br />

Spiegelmeren<br />

• CellAct Pharma<br />

• Glycotope<br />

• MorphoSys mit fünf Antikörpern<br />

(alle verpartnert)<br />

• advanceCOR<br />

• WILEX<br />

• sterna biologicals<br />

Dies sind doppelt so viele wie 2011, was<br />

einen Zuwachs von 18 Prozent gemessen<br />

an der Phase-II-Pipeline bedeutet. Ein erfreuliches<br />

Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr<br />

ist dies aber vor allem, weil die betreffenden<br />

Wirkstoffe damit die entscheidende<br />

Hürde zum Proof of Concept sowie im Erfolgsfall<br />

einen deutlichen Wertsteigerungssprung<br />

angehen.<br />

Gerade aus diesem Grund ist es bitter, dass<br />

2012 auch insgesamt sechs Unternehmen<br />

(neun Projekte) an dieser Hürde gescheitert<br />

sind:<br />

• Agennix<br />

• Biofrontera<br />

• IMTM<br />

• MBiotec<br />

• MorphoSys<br />

• Revotar<br />

• WILEX<br />

Immerhin vier Projekte wurden durch die<br />

Akquisitionen von Corimmun, Scil Technology<br />

und SymbioTec „weitergeleitet“ – neben nur<br />

einem, welches innerhalb <strong>Biotech</strong> in die<br />

nächste Phase übergeht (Phase-II / III-Studie<br />

mit Remimazolam in Japan).<br />

Leider wurden die wenigen deutschen<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen mit eigenen Entwicklungen<br />

in Phase III im Jahr 2012 nicht vom<br />

Glück begleitet. Von den Hoffnungsträgern<br />

mit bereits vorgezeichneter Marktperspek-<br />

tive mussten einige den negativen Ausgang<br />

ihrer Phase-III-Studien vermelden:<br />

• WILEX scheitert mit Rencarex ® in Nierenkarzinom-Studie<br />

• Agennix scheitert mit Talactoferrin-Studie<br />

in schwerer Sepsis<br />

• Antisense Pharma stoppt Glioblastom-<br />

Studie mit Trabedersen aufgrund unzureichender<br />

Patientenrekrutierung<br />

Alle drei Firmen hatten große Hoffnungen<br />

in ihre jeweiligen Produktkandidaten gesetzt,<br />

basierend auf guten Daten aus früheren<br />

Studien.<br />

Für Agennix ist dieses Ergebnis besonders<br />

dramatisch, da ausschließlich auf das Lead-<br />

Projekt fokussiert wurde. Für WILEX hingegen<br />

haben sich in der Detailanalyse der<br />

klinischen Daten offenbar Hinweise ergeben,<br />

die die Wirksamkeit zumindest für bestimmte<br />

Subpopulationen belegen, sodass eine Fort-<br />

setzung und Neuauflage der Studie möglich<br />

scheint.<br />

In Anbetracht dieses Rückschlags ist es verständlich,<br />

dass derzeit auch keine Produkte im<br />

Zulassungsverfahren stehen. Ebenso wenig<br />

konnte die <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland<br />

mit einer Neuzulassung aufwarten.<br />

Diese Situation – Fehlschläge mit großer Außenwirkung<br />

und das Ausbleiben von Marktzulassungen<br />

– führt leider zu einer weiterhin<br />

sehr kritischen Diskussion über die Qualitäten<br />

der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland.<br />

Vor dem Hintergrund der hier beschriebenen<br />

grundsätzlichen Änderungen in den Geschäftsmodellen<br />

wäre es umso wichtiger,<br />

die Bewertungsmaßstäbe ebenfalls anzupassen<br />

und stärker auf Kriterien wie erfolgreiche<br />

Allianzen und Einkünfte daraus<br />

(siehe z. B. AiCuris) einzugehen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 101


Produktinnovationen in Phase II<br />

im Detail<br />

Die Aufstellung von <strong>Biotech</strong>-Entwicklungsprodukten<br />

mit Neueintritt in Phase II belegt<br />

den Innovationsgrad der dahinter stehenden<br />

Unternehmen.<br />

Einerseits werden überwiegend neuartige<br />

Wirkstoffkonzepte erstmals klinisch am<br />

Patienten getestet, wie zum Beispiel RNA-<br />

Spiegelmere (NOXXON Pharma), katalytisch<br />

aktive DNA-Wirkstoffe (DNAzymes<br />

von sterna biologicals) oder posttransla-<br />

tional modifizierte therapeutische Proteine<br />

(Glycotope).<br />

Produkte<br />

Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl)<br />

Firma<br />

Wirkstoff<br />

Wirkstoffart<br />

Indikation<br />

Studie<br />

Beschreibung<br />

Glycotope<br />

FSH-GEX TM<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

Unfruchtbarkeit<br />

der Frau<br />

Phase II<br />

Voll human<br />

glykosyliertes<br />

follikelstimulierendes<br />

Hormon<br />

MorphoSys<br />

OMP-59R5<br />

monoklonaler<br />

Antikörper<br />

Erstlinientherapie<br />

in<br />

fortgeschrittenemPankreaskrebs<br />

Phase Ib/II<br />

(Partner<br />

OncoMed<br />

Pharmaceuticals)<br />

HuCAL-Antikörper,<br />

der<br />

gegen den<br />

Notch2-Rezeptorgerichtet<br />

ist<br />

NOXXON<br />

Pharma<br />

NOX-A12<br />

RNA-Molekül<br />

Chronische<br />

lymphatische<br />

Leukämie und<br />

multiples<br />

Myelom<br />

2 Phase-<br />

IIa-Studien<br />

Spiegelmer ® -<br />

basierter<br />

Antagonist<br />

zu CXCL12/<br />

SDF-1 (CXC-<br />

Motiv-Chemokin<br />

12 / Stromal<br />

Cell-Derived<br />

Factor-1)<br />

NOXXON<br />

Pharma<br />

NOX-E36<br />

RNA-Molekül<br />

Diabetische<br />

Nephropathie<br />

Phase IIa<br />

Spiegelmer ® -<br />

basierter<br />

Antagonist zu<br />

CCL2/MCP-1<br />

(C-C Chemokin<br />

Ligand 2 /<br />

Monocyte<br />

Chemoat-<br />

tractant<br />

Protein-1)<br />

Andererseits fokussieren die geplanten<br />

Studien in Phase II auf spannende neue<br />

Targets aus der molekularbiologischen<br />

Grundlagenforschung:<br />

• Notch2-Rezeptor als Teil eines essenziellen<br />

Wachstumsregulations-Pathways<br />

• CXCL12 / SDF-1 (CXC-Motiv-Chemokin<br />

12 / Stromal Cell-derived Factor-1)<br />

• CCL2 / MCP-1 (C-C Chemokin Ligand 2 /<br />

Monocyte Chemoattractant Protein-1)<br />

• Zinkfinger-Transkriptionsfaktor<br />

102 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

NOXXON<br />

Pharma<br />

NOX-H94<br />

RNA-Molekül<br />

Anämie der<br />

chronischen<br />

Erkrankung<br />

Phase IIa<br />

Spiegelmer ® -<br />

basierter Antagonist<br />

zum<br />

Peptidhormon<br />

Hepcidin<br />

sterna<br />

biologicals<br />

SB010<br />

DNA-Molekül<br />

Asthma<br />

Phase IIa<br />

Antagonist<br />

des Th2-spezifischenZinkfinger-Transkriptionsfaktors<br />

GATA-3<br />

WILEX<br />

WX-554<br />

niedermolekularer<br />

Wirkstoff<br />

Solide<br />

Tumoren<br />

Phase Ib/II<br />

Inhibitor der<br />

Mitogen-<br />

aktivierten<br />

Protein-Kinase<br />

(MEK)<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Schließlich zielen die Therapien auf medizinisch<br />

hoch relevante Krankheiten, die<br />

noch nicht oder nur unzureichend therapiert<br />

werden können. Dazu zählen Pankreas-<br />

krebs mit nach wie vor extrem schlechten<br />

Prognosen und hohem Medical Need ebenso<br />

wie solide Tumoren und Myelome.


Klinische Wirkstoffpipeline<br />

in Deutschland<br />

nach Substanz, 2012<br />

(n=124)<br />

30 %<br />

4 %<br />

8 %<br />

6 %<br />

11 %<br />

21 %<br />

Monoklonale Antikörper<br />

Rekombinante Proteine<br />

RNA / DNA<br />

Peptide<br />

Zellbasiert<br />

Natürliche Wirkstoffe<br />

Niedermolekulare Wirkstoffe<br />

20 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Produkte<br />

Zuordnung der Produkte zu<br />

Wirkstofftypen macht <strong>Biotech</strong>-Fokus<br />

deutlich<br />

In der klinischen Pipeline der deutschen<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist die Präferenz für<br />

biotechnologische Wirkstoffe klar ersichtlich.<br />

Sie machen ca. 70 Prozent aller Substanzen<br />

in der Entwicklung aus.<br />

Die Biologicals spalten sich in eine ganze<br />

Reihe von unterschiedlichen Scaffolds auf.<br />

Antikörper nehmen zwar immer noch eine<br />

Vorrangstellung ein (21 %), aber andere<br />

Klassen wie rekombinante Proteine holen<br />

deutlich auf (20 %). Sichtbar werden auch<br />

zellbasierte Ansätze, die immerhin schon<br />

fast ein Zehntel der Gesamt-Pipeline aus-<br />

machen. Dennoch spielen niedermolekulare<br />

Wirkstoffe mit einem dreißigprozentigen<br />

Anteil nach wie vor eine nicht unwesentliche<br />

Rolle.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 103


Pipeline nach Therapiegebieten mit<br />

Schwerpunkt Krebstherapie<br />

Eine Analyse der Therapiegebiete und ihre<br />

Relevanz bei der Produktentwicklung deutscher<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ergibt die bereits<br />

früher gezeigte Dominanz der onkologischen<br />

Projekte. Es fällt allerdings auf, dass<br />

diese Vormachtstellung in der rein klinischen<br />

Pipeline deutlich stärker ausgeprägt ist (48 %)<br />

als in der Präklinik (29 %). Ursachen dafür<br />

könnten in der Erweiterung der Anwendungs-<br />

Produkte<br />

Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012<br />

Klinische Studien (n=128) Präklinik (n=166)<br />

4 %<br />

5 %<br />

5 % 2 %<br />

48 %<br />

1 %<br />

9 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

6 %<br />

9 %<br />

9 %<br />

Onkologie Autoimmun Entzündung Neurologie<br />

Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen<br />

Metabolismus und Endokrinologie Sonstige<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

möglichkeiten gerade in den onkologischen<br />

Indikationen liegen, die im Rahmen des<br />

klinischen Programms ab Phase II durchaus<br />

üblich sind, während bei anderen Indikationen<br />

der klinische Entwicklungspfad stärker<br />

aus der Präklinik heraus determiniert ist.<br />

Affimed konzentriert sich beispielsweise mit<br />

dem Antikörperwirkstoff TandAb ® AFM13<br />

auf die Behandlung von CD30-positiven<br />

Lymphomen. Über die Pipeline, die aus der<br />

eigenen TandAb ® -Technologieplattform<br />

104 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

21 %<br />

17 %<br />

9 %<br />

2 %<br />

29 %<br />

9 %<br />

gespeist wird, konnten die Heidelberger im<br />

Herbst 2012 eine satte Finanzierung von<br />

15,5 Millionen Euro sicherstellen (siehe<br />

Artikel S. 105).<br />

Die tetravalenten, bispezifischen Antikörper<br />

stellen eine ähnlich neuartige Herangehensweise<br />

an Krebs dar, wie sie das Technologie-<br />

Spin-out CyTuVax des Dortmunder CRO Cires<br />

entwickelt. CyTuVax möchte über seine Vakzinierungsplattform<br />

mithilfe von Cytokinen<br />

in Depotform das Immunsystem im Kampf<br />

gegen Tumore unterstützen. Auch eine Ausweitung<br />

auf problematische Infektionskrank-<br />

heiten wie Hepatitis B oder Tetanus ist geplant.<br />

Das junge Unternehmen überzeugte<br />

mit diesem Ansatz bereits die Science4Life<br />

Gründungsinitiative, konnte jedoch keine<br />

deutschen Investoren für sich gewinnen und<br />

operiert daher momentan in Nähe seines<br />

jetzigen Finanzierers Nedermaas Ventures<br />

in Maastricht (siehe Artikel von Frank W.<br />

Falkenberg auf S. 110).


Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation<br />

Dr. Adi Hoess,<br />

CEO Affimed Therapeutics AG,<br />

Heidelberg<br />

Affimed: Erfolg mit der<br />

TandAb ® -Technologieplattform<br />

Affimed ist ein Unternehmen, das einzig-<br />

artige Antikörperwirkstoffe als Behandlungsmöglichkeiten<br />

gegen lebensbedroh-<br />

liche Krankheiten mit hohem medizinischen<br />

Bedarf entwickelt. Das Unternehmen hat<br />

verschiedene Wirkstoffkandidaten gegen<br />

Krebserkrankungen basierend auf der unternehmenseigenen<br />

TandAb ® -Technologie-<br />

plattform in der Entwicklung. Neben den<br />

beiden Lead-Produkten AFM13 zur Behandlung<br />

von CD30-positiven Lymphomen und<br />

AFM11 zur Behandlung von CD19-positiven<br />

Lymphomen werden weitere Produktkandidaten<br />

zur Behandlung von soliden Tumoren<br />

und Autoimmunerkrankungen entwickelt.<br />

Die Ausgliederung des Deutschen Krebs-<br />

forschungszentrums (DKFZ) konnte im<br />

September 2012 eine weitere Finanzie-<br />

rungsrunde (Serie D) in Höhe von 15,5 Millionen<br />

Euro sicherstellen. Die Finanzierung<br />

wurde vom bestehenden Konsortium international<br />

anerkannter Life-Sciences-Investoren,<br />

darunter Orbimed, Aeris Capital, Novo<br />

Nordisk, LSP und BioMedInvest, getragen.<br />

Ausgründung der Discovery-Abteilung<br />

Im Jahr 2009 hat die Affimed ihre Antibody-<br />

Discovery-Abteilung in ein eigenständiges<br />

Unternehmen, die AbCheck s.r.o. (Pilsen,<br />

Tschechien) ausgegliedert. Mittlerweile<br />

konnte sich das Unternehmen als High End<br />

Service Provider für Antikörper-Discovery<br />

und -optimierung nachhaltig am Markt etablieren,<br />

beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiter<br />

und ist profitabel. In den letzten 12 Monaten<br />

konnte AbCheck neben der bestehenden<br />

Zusammenarbeit mit Eli Lilly weitere Kooperationen,<br />

unter anderem mit U3 Pharma /<br />

Daiichi Sankyo, bekanntgeben.<br />

Tetravalente bispezifische Antikörper<br />

Mit Affimeds TandAb ® -Plattform werden<br />

hochpotente und vollständig humane Antikörper-Formate<br />

generiert, die ein überlegenes<br />

Profil gegenüber monoklonalen Anti-<br />

körpern erwarten lassen. TandAbs ® , von<br />

Affimed-Wissenschaftlern erfunden und entwickelt,<br />

sind tetravalente, bispezifische<br />

Antikörper, die Tumorzellen durch die Re-<br />

krutierung und Aktivierung von Immun-<br />

effektorzellen bekämpfen und eliminieren.<br />

Dazu binden sie gleichzeitig an Zielmoleküle<br />

der Tumoroberfläche und an Immuneffektorzellen<br />

wie T-Zellen oder NK-Zellen. Die<br />

TandAb ® -Moleküle haben die gleichen<br />

Bindungseigenschaften wie monoklonale<br />

Antikörperstrukturen (IgGs). Allerdings<br />

zeigen sie, verglichen mit monoklonalen<br />

Antikörpern, eine wesentliche bessere Wirksamkeit.<br />

Da sie ausschließlich aus variablen<br />

Domänen bestehen und keine Glykosylierung<br />

benötigen, erübrigen sich Fc-vermittelte<br />

Nebenreaktionen und es treten weniger<br />

Probleme hinsichtlich Immunogenität auf.<br />

Darüber hinaus konnte Affimed in den letzten<br />

Jahren einen robusten Produktionsprozess<br />

in Säugerzellen mit hohen Ausbeuten und<br />

erheblichen Produktstabilitäten etablieren.<br />

Lead-Produkte AFM13 und AFM11<br />

Affimed konzentriert derzeit seine Entwicklung<br />

auf die Onkologie und Autoimmunerkrankungen.<br />

Basierend auf der TandAb ® -<br />

Technologie werden die zwei Lead-Produkte<br />

AFM13 (Hodgkin-Lymphom) und AFM11<br />

(Non-Hodgkin-Lymphom) entwickelt. Den<br />

Patienten mit CD30-positiven Tumoren steht<br />

derzeit keine Immuntherapie zur Verfügung<br />

und AFM13 ist die einzige in der Klinik entwickelte<br />

Immuntherapie. AFM13 basiert auf<br />

einem in der Klinik bereits erfolgreich getesteten<br />

Prinzip und zeigte in klinischen Studien<br />

in Tumorpatienten ein sehr gutes Sicherheitsprofil<br />

und eine hohe Wirksamkeit bei<br />

den behandelten Patienten. Es ist geplant,<br />

das Produkt einerseits in weiteren CD30-<br />

positiven Tumorpatienten im Rahmen einer<br />

Pilotstudie zu testen sowie die klinische Entwicklung<br />

im Rahmen einer Phase-IIa-Studie<br />

in Hodgkin-Lymphom-Patienten fortzusetzen.<br />

AFM11 basiert ebenfalls auf einem<br />

in der Klinik erfolgreich getesteten Prinzip.<br />

Das Konkurrenzprodukt von AFM11 zeigt<br />

zwar eine extrem hohe Wirksamkeit, besitzt<br />

allerdings signifikante Nachteile gegenüber<br />

AFM11 in der Sicherheit und der Administration.<br />

Der Beginn der klinischen Studien für<br />

AFM11 ist für <strong>2013</strong> geplant.<br />

Die Zukunft ist vielversprechend<br />

Kooperationen mit der Pharma-Industrie<br />

sind ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftskonzepts<br />

der Affimed. Nachdem die<br />

Technologie klinisch erstmals validiert wurde,<br />

ist das Unternehmen für Partnerschaften im<br />

Bereich der bispezifischen Antikörper sehr<br />

gut positioniert. Mehrere Kooperationen sind<br />

bereits in Diskussion, wovon voraussichtlich<br />

mindestens eine im Jahr <strong>2013</strong> abgeschlossen<br />

wird. Nachdem wir bereits in der AFM13-<br />

Phase-I-Studie derart vielversprechende und<br />

positive Daten generieren konnten, hoffen<br />

wir, diese in den weiteren Studien bestätigen<br />

und ggf. noch verbessern zu können. Aussagefähige<br />

Daten hierzu werden Ende 2014 /<br />

Anfang 2015 erwartet. Unser Ziel ist es, eine<br />

hoch effektive Immuntherapie für Hodgkin‘s<br />

Patienten anbieten zu können. Aus kaufmännischer<br />

Sicht ist dieser Markt ebenfalls<br />

attraktiv und wird vom Kapitalmarkt entsprechend<br />

honoriert, wie dies am Beispiel von<br />

Adcetris (ein CD30-Drug-Conjugate-Antikörper<br />

ebenso für die Behandlung von Hodgkin<br />

Lymphom) zu sehen ist. Adcetris ist das<br />

einzig zugelassene Produkt von Seattle Genetics,<br />

deren derzeitige Marktkapitalisierung<br />

bei 3,5 Milliarden US-Dollar liegt. Die klinische<br />

Entwicklung von AFM11 ist für den<br />

Spätsommer <strong>2013</strong> angesetzt. Auch hier<br />

werden Ende 2014 / Anfang 2015 die entsprechenden<br />

Daten erwartet. Auch dieses<br />

Molekül hat prominente Vergleichsmoleküle<br />

mit Amgens MT103, welches sich derzeit zur<br />

Behandlung Akuter Lymphatischer Leukämie<br />

(ALL) in einer Phase-II-Studie befindet.<br />

Amgen hat dieses Produkt im Rahmen der<br />

1,3-Milliarden-US-Dollar-Übernahme von<br />

Micromet erworben. Affimed agiert also mit<br />

beiden Lead-Produkten in hoch attraktiven<br />

Märkten und könnte mit den nächsten Entwicklungsschritten<br />

ähnliches Wertpotenzial<br />

für die bestehenden, aber auch für weitere<br />

Investoren heben.<br />

www.affimed.com<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

105


Biomarker als lukrative Marktprodukte<br />

Biomarker als lukrative Marktprodukte<br />

Die im Einleitungskapitel dargelegten Perspektiven<br />

für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen im Bereich<br />

der Companion-Diagnostics-Entwicklung<br />

werden durch bereits vermarktete<br />

Produkte sowie durch weitere Biomarker-<br />

Ansätze in der Entwicklung gut belegt.<br />

Die Übersichtstabelle zu Wirkstoffen mit<br />

verfügbaren Companion Diagnostics zeigt<br />

dabei neben den Produkten selbst auch eine<br />

Reihe von Entwicklungstrends, die zum Teil<br />

eingangs bereits erwähnt wurden:<br />

• Hauptanwendungsbereich für die Stra-<br />

tifzierungsmarker sind mit 85 Prozent<br />

Krebserkrankungen, es folgen Infektionserkrankungen<br />

und genetische Erkrankun-<br />

gen (z. B. Mukoviszidose)<br />

106 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

• Der Trend zu One-to-one-Beziehungen<br />

zwischen Rx und Dx wird sichtbar im<br />

Vergleich der früheren Biomarker (z. B.<br />

Herceptin-Test) mit insgesamt sieben Anbietern<br />

am Markt und neueren Produkten<br />

mit nur einem Dx-Anbieter (z. B. Agendia)<br />

• Bei den (früheren) Produkten sind die<br />

Dx-Vertreter meist klassische Diagnostikfirmen<br />

(z. B. Roche, Abbott, Qiagen,<br />

Agilent/Dako)<br />

Aus <strong>Biotech</strong>-Perspektive sind zwei Modelle<br />

erkennbar:<br />

• Vollintegrierter Dx-Anbieter basierend auf<br />

<strong>Biotech</strong>-Hintergrund (z. B. Agendia)<br />

• <strong>Biotech</strong> in Partnerschaft mit Dx oder Rx<br />

(Celera / Quest; empire Genomics / Icon;<br />

entroGen / Qiagen)


Wirkstoff<br />

(Marke)<br />

Abacavir<br />

(Ziagen ® )<br />

Anastrozol<br />

(Arimidex ® )<br />

Arsentrioxid<br />

(TRISENOX ® )<br />

Cetuximab<br />

(Erbitux ® )<br />

Crizotinib<br />

(XALKORI ® )<br />

Dasatinib<br />

(SPRYCEL ® )<br />

Erlotinib<br />

(Tarceva ® )<br />

Exemestan<br />

(Aromasin ® )<br />

Fulvestrant<br />

(Faslodex ® )<br />

Gefitinib<br />

(Iressa ® )<br />

Imatinib<br />

(Glivec ® )<br />

Ivacaftor<br />

(KALYDECO)<br />

Lapatinib<br />

(Tyverb ® )<br />

Letrozol<br />

(Femara ® )<br />

Maraviroc<br />

(Celsentri ® )<br />

Nilotinib<br />

(Tasigna ® )<br />

Panitumab<br />

(Vectibix ® )<br />

Toremifen<br />

(Fareston ® )<br />

Trastuzumab<br />

(Herceptin ® )<br />

Vemurafenib<br />

(Zelboraf ® )<br />

Eigentümer,<br />

Urheber*<br />

Krankheitsgebiet Target Diagnostikum Hersteller Diagnostikum<br />

(Auswahl)<br />

GlaxoSmithKline HIV / AIDS HLA-B*5701-Allel Roche<br />

AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />

Brustkrebszellen<br />

Teva / Cephalon Akute Promyelozyten-<br />

Leukämie<br />

Bristol-Myers Squibb,<br />

Eli Lilly / ImClone,<br />

Merck / Merck-Serono<br />

Promyelozytenleukämie /<br />

Retinsäurerezeptor-alpha<br />

(PML / RAR-alpha)-Gen<br />

Agendia<br />

Qiagen, Quest Diagnostics<br />

Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS,<br />

Roche<br />

Pfizer Lungenkrebs Fusionsgen Echinoderm microtubule-<br />

associated protein-like 4 anaplastic<br />

lymphoma kinase (EML4-ALK)<br />

Bristol-Myers Squibb Akute lymphatische<br />

Leukämie<br />

Astellas / OSI*,<br />

Pfizer*,<br />

Roche / Genentech<br />

Abbott, AmoyDx, empire Genomics<br />

Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />

Roche / Ventana<br />

Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR<br />

(epidermal growth factor<br />

receptor)-Tyrosinkinase<br />

Pfizer / Pharmacia* Brustkrebs Östrogenrezeptor-positive<br />

Brustkrebszellen<br />

AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />

Brustkrebszellen<br />

AstraZeneca Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR<br />

(epidermal growth factor<br />

receptor)-Tyrosinkinase<br />

Novartis* Akute lymphatische<br />

Leukämie (ALL),<br />

chronische myeloische<br />

Leukämie(CML)<br />

entroGen, Qiagen / DxS, Roche<br />

Agendia<br />

Agendia<br />

entroGen, Qiagen / DxS, Roche<br />

Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />

Roche / Ventana<br />

Vertex* Mukoviszidose G551D-Mutation Abbott, Quest Diagnostics / Celera<br />

GlaxoSmithKline* Brustkrebs HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex<br />

Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies<br />

/ Invitrogen, Roche / Ventana, WILEX<br />

Novartis* Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />

Brustkrebszellen<br />

Pfizer* HIV / AIDS Kombinationstherapie-resistente,<br />

an den CCR5-Rezeptor andockende<br />

CCR5-trope HI-Viren<br />

Novartis* Chronische myeloi-<br />

sche Leukämie (CML)<br />

Agendia<br />

Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />

Roche /Ventana<br />

Amgen Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS,<br />

Roche<br />

Kyowa Hakko Kirin /<br />

ProStrakan, Orion*<br />

Chugai,<br />

Roche / Genentech*<br />

Produkte<br />

In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin<br />

Brustkrebs und<br />

Magenkrebs<br />

Brustkrebs und<br />

Magenkrebs<br />

Hormonrezeptor-positive<br />

Brustkrebszellen<br />

Plexxicon*, Roche Melanom BRAF-V600 Mutation im<br />

Tumorgewebe<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 107<br />

n/a<br />

Agendia<br />

HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex<br />

Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies<br />

/ Invitrogen, Roche/Ventana, WILEX<br />

Roche<br />

Quelle: Ernst & Young, vfa, <strong>2013</strong>


Neugründungen mit innovativen Ideen<br />

Drug Development<br />

• AdiuTide Pharmaceuticals<br />

Frankfurt am Main<br />

AdiuTide Pharmaceuticals entwickelt Oligo-<br />

nukleotid-basierte Therapeutika zur verbesserten<br />

Stimulation der angeborenen<br />

Immunantwort. Das Portfolio von hochpotenten<br />

Rezeptor-Agonisten (insbesondere<br />

TLR9 und RIG-I) geht auf Patente zurück,<br />

die von Pfizer aufgegeben wurden. Zwei<br />

Substanzen befinden sich derzeit in der<br />

präklinischen Entwicklung und sind bereit<br />

für eine Phase-I-Studie im Menschen.<br />

Potenzielle Anwendungsbereiche der<br />

modifizierten Oligonukleotide sind z. B.<br />

die Therapie von Krebs, Allergien und Infektionskrankheiten<br />

sowie die Verwendung<br />

als Vakzinadjuvans. Das Start-up gewann<br />

2012 den ersten Preis der Businessplanphase<br />

des Science4Life Venture Cup.<br />

• DeltaVir<br />

Leipzig<br />

DeltaVir widmet sich der Entwicklung einer<br />

autologen Tumortherapie. Grundlage für<br />

den Anti-Krebs-Impfstoff sind aus dem<br />

Eigenblut des Patienten isolierte Dendriti-<br />

sche Zellen. Die Forschung an Dendritischen<br />

Zellen und ihrer Bedeutung zur Aktivierung<br />

und Steuerung des Immunsystems<br />

erhielt 2011 den Nobelpreis für Medizin.<br />

Die Therapie beruht auf der Kombination<br />

des Newcastle Disease Virus (NDV) mit<br />

dem autologen Dendritischen-Zell(DC)-<br />

Anti-Krebs-Vakzin und versucht auf diesem<br />

Weg die Toleranz des Immunsystems für<br />

Krebszellen zu brechen. Die DeltaVir wurde<br />

2011 gegründet, um diese bislang ausschließlich<br />

am IOZK (Immunologisches<br />

und Onkologisches Zentrum Köln) als<br />

Einzelfall-Therapie für Krebspatienten<br />

zugelassene Therapiemöglichkeit einem<br />

größeren Patientenkreis zugänglich zu<br />

machen.<br />

• GeneQuine Biotherapeutics<br />

Hamburg<br />

Die Behandlung von Osteoarthritis durch<br />

einen gentherapeutischen Ansatz ist das<br />

Ziel der im Oktober 2012 gegründeten<br />

GeneQuine Biotherapeutics. Da Entwicklungskosten<br />

und regulatorische Hürden<br />

für veterinärmedizinische Medikamente<br />

geringer sind als für humanmedizinische,<br />

werden die ersten beiden Produktkandidaten<br />

für die Therapie von Pferden und<br />

Hunden entwickelt. Das Lead-Produkt<br />

GQ-201 befindet sich derzeit in Proof-of-<br />

Concept-Studien im Pferd. Die Substanz ist<br />

ein Gentransfer-Vektor, der direkt in das<br />

betroffene Gelenk injiziert wird und die<br />

dortigen Zellen zur Bildung eines therapeutischen<br />

Proteins anregt, welches entzündungshemmend<br />

wirkt und die Knorpeldegeneration<br />

stoppt.<br />

• ImmunoQure<br />

Martinsried<br />

ImmunoQure hat eine Technologieplattform<br />

zur Identifizierung und Gewinnung<br />

von humanen Autoantikörpern gegen relevante<br />

Drug Targets entwickelt. Zur Identifizierung<br />

dieser gegen endogene Proteine<br />

gerichteten Autoantikörper kollaboriert<br />

ImmunoQure mit Patienten seltener Auto-<br />

immundefekte. Der Fokus liegt auf der<br />

parallelen Entwicklung mehrerer humaner<br />

Antikörper zur Therapie von chronisch-<br />

entzündlichen und Autoimmunerkrankungen<br />

sowie deren Verpartnerung für die<br />

klinische Entwicklung.<br />

108 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

• Katairo<br />

Kusterdingen<br />

Katairo – einer der Gewinner des Innova-<br />

tionspreises der BioRegionen in Deutschland<br />

2012 – widmet sich der Entwicklung<br />

eines Wirkstoffes zur Behandlung der<br />

trockenen altersbedingten Makuladegeneration.<br />

Diese ist in Industrieländern der<br />

häufigste Grund für Erblindung und gilt<br />

bislang als nicht heilbar. Professor Schraer-<br />

meyer hat einen Wirkstoff entdeckt, welcher<br />

das toxische Stoffwechselprodukt<br />

Lipofuszin in der betroffenen Zellschicht<br />

abbauen kann.<br />

• PSites Pharma<br />

Frankfurt am Main<br />

PSites widmet sich einem neuen Ansatz<br />

der Inhibition von Protein-Kinasen. Die<br />

meiste Forschung wird derzeit auf die<br />

Hemmung der ATP-Bindestelle der Protein-Kinasen<br />

verwandt. PSites hat jedoch<br />

eine Plattformtechnologie entwickelt,<br />

welche die allosterische Bindestelle der<br />

ACG-Kinase hemmt. Die entwickelten<br />

allosterischen Kinasehemmer könnten<br />

aufgrund ihrer unterschiedlichen Bindestellen<br />

in Kombination mit ATP-Kompe-<br />

titoren zur Krebstherapie verwendet<br />

werden.


In Vitro Diagnostics<br />

• oncgnostics<br />

Jena<br />

Die Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte<br />

korreliert mit dem Vorhandensein<br />

von Krebs und dessen Vorstufen. Auf Basis<br />

dieser Tumor-spezifischen epigenetischen<br />

Biomarker entwickelt oncgnostics molekulare<br />

In-vitro-Diagnostika zur onkologischen<br />

Früherkennung. Das erste Produkt in der<br />

Entwicklung ist GynTect, ein Test zur<br />

schnellen und zuverlässigen Diagnose von<br />

Gebärmutterhalskrebs. Für die Indikatio-<br />

nen Ovarialkarzinom und Kopf-Hals-Karzinom<br />

sind weitere Diagnostika geplant.<br />

• OakLabs<br />

Hennigsdorf<br />

Die Optimierung komplexer Pflanzenmerkmale<br />

wie Ertrag und Geschmack gestaltet<br />

sich oft als schwierig, da eine Vielzahl von<br />

Genen an ihrer Ausbildung beteiligt ist.<br />

Für die zuverlässige Vorhersage von Merkmalen<br />

durch die Analyse von DNA-Markern<br />

kombiniert OakLabs die Microarray-basierte<br />

Genexpressionsanalyse mit mathemati-<br />

schen Algorithmen.<br />

• RHECADIS<br />

Mannheim<br />

RHECADIS ist im Bereich der molekularen<br />

Diagnostik von Prostatakrebs tätig und<br />

entwickelt derzeit drei Biomarker-basierte<br />

Tests: RE-Bx bietet die Möglichkeit bei<br />

Prostatakrebs-negativen Biopsien oder<br />

Biopsien mit unklarem Ergebnis Prostatakrebs<br />

auszuschließen. PRO-Bx prognostiziert,<br />

wie die weitere Behandlung eines<br />

Prostatakrebses erfolgen muss. PRO-Tx<br />

identifiziert Patienten, die von einer frühen<br />

Endokrin-Behandlung profitieren. Das Unternehmen<br />

zählte 2012 zu den Gewinnern<br />

der Konzeptphase des Science4Life Venture<br />

Cup und belegte den dritten Platz des<br />

Prinz von Hohenzollern Innovationspreises<br />

2012 sowie den zweiten Platz des Existenzgründungspreises<br />

<strong>2013</strong>.<br />

Produkte<br />

Bioinformatics<br />

• AptaIT<br />

München<br />

AptaIT hat die COMPAS (COMmon<br />

PAtternS) Software entwickelt, welche es<br />

ermöglicht, aus den umfangreichen Next-<br />

Generation-Sequencing(NGS)-Datensätzen<br />

häufige Sequenzmotive herauszufiltern.<br />

Die Stärken der entwickelten Software<br />

liegen hierbei auf der auch statistisch abgesicherten<br />

Identifikation von Liganden,<br />

sowie von potenziellen Antikörpern und<br />

Biomarkern aus umfangreichen NGS-<br />

Datensätzen.<br />

• Computomics<br />

Tübingen<br />

Computomics hat sich der Interpretation<br />

und Validierung von Next-Generation-<br />

Sequencing-Daten im Bereich der landwirtschaftlich<br />

genutzten Pflanzen verschrieben.<br />

Computomics bietet mit seinem Team<br />

Analysen und Beratung im Bereich der<br />

Genom-Zusammensetzung, der Gen-<br />

expression, Genom-Annotation, Genom-<br />

Varianzanalyse sowie der Interpretation<br />

epigenetischer Daten.<br />

Technologies & Tools<br />

• AyoxxA Biosystems<br />

Köln<br />

AyoxxA Biosystems wurde 2010 als Spinoff<br />

der National University of Singapore<br />

gegründet und verlegte 2012 seinen Firmensitz<br />

nach Köln. Das junge Unternehmen<br />

hat eine neuartige Technologieplattform<br />

entwickelt, welche die Multiplex-Ana-<br />

lyse von Proteinen in sehr geringen Probenvolumina<br />

ermöglicht. Die Technologie<br />

basiert auf der Entwicklung von sogenannten<br />

„In-situ Encoded Bead-based Arrays“<br />

(IEBA). Das Unternehmen gewann 2010<br />

den ersten Preis des internationalen Best<br />

of <strong>Biotech</strong> Wettbewerbs.<br />

• Cysal<br />

Münster<br />

Cysal hat eine Technologie zur biotechnologischen<br />

Herstellung von chemisch<br />

schwierig synthetisierbaren Dipeptiden<br />

im Industriemaßstab entwickelt. Die<br />

Anwendungsmöglichkeiten reichen von<br />

Futter- und Nahrungsmittelzusätzen bis<br />

zu kosmetischen und pharmazeutischen<br />

Wirkstoffen.<br />

• glyXera<br />

Magdeburg<br />

glyXera, eine Ausgründung des Max- Planck-<br />

Instituts und einer der Gewinner des Innovationspreises<br />

der BioRegionen in Deutschland<br />

2012, hat eine Hochdurchsatz-Analyseplattform<br />

für Zuckerstrukturen (Glykosylierung)<br />

entwickelt. glyXera bietet sowohl<br />

den Service der Analyse an als auch eine<br />

korrespondierende Software (glyXalign)<br />

zum Alignment der Daten. Diese Technologie<br />

kann unter anderem bei der Entwicklung<br />

von Medikamenten zur frühen Erkennung<br />

von potenziellen Unverträglichkeiten,<br />

aber auch zur Identifikation von Biomarkern<br />

in der Diagnostik angewandt werden.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 109


CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer<br />

and Infectious Diseases<br />

Dr. Frank W. Falkenberg,<br />

CSO CyTuVax BV, Maastricht<br />

Vaccination against cancer?<br />

Vaccination efficiency can be highly enhanced<br />

by using strong adjuvants. These “stronger”<br />

vaccines are required for diseases that are<br />

caused by microorganisms that have developed<br />

powerful ways of escaping the human<br />

body’s immune response, e. g. antibiotic-<br />

resistant bacteria, tuberculosis and malaria.<br />

It has been the dream of immunologists and<br />

doctors to find a way to vaccinate against<br />

cancer and cure the patient of the otherwise<br />

deadly disease. However, this has turned out<br />

to be very difficult. Vaccination against<br />

cancer is a therapeutic procedure: it is done<br />

to cure an existing disease. This is different<br />

from the usual prophylactic vaccination,<br />

aimed at preventing or ameliorating morbidity<br />

from infection. In addition, cancer cells<br />

express antigens of the “self” repertoire<br />

which are tolerated by the immune system.<br />

Therefore, therapeutic vaccinations require<br />

powerful adjuvants that are capable of overcoming<br />

the suppression of the immune system<br />

under the influence of cancer cells.<br />

Depot-attached cytokines work as<br />

powerful adjuvants<br />

The CyTuVax vaccination concept is based<br />

on the application of inactivated autologous<br />

tumor cells as a source of antigens and<br />

depot-attached cytokines as powerful ad-<br />

juvants. Cytokines are a form of molecular<br />

messages by which cells of the immune system<br />

exchange information with each other.<br />

The recipients of the messages release their<br />

own cytokines. As a consequence, the cytokine<br />

network is activated and guides cells of<br />

the adaptive immune system to mount a<br />

specific response. Activation of the cytokine<br />

network by which cells of the adaptive immune<br />

system interact with each other is the<br />

decisive step in the induction of an immune<br />

response. In the case of vaccination against<br />

tumors, the induction of cellular cytotoxic<br />

immune responses (CD4, CD8, NK cells) is<br />

necessary. The use of depot-attached cytokines<br />

in an extremely high density as a vaccine<br />

adjuvant represents a completely new<br />

vaccination technology that can be applied<br />

in prophylactic as well as in therapeutic vaccines<br />

against bacterial and viral antigens,<br />

tumor antigens and antigens of problematic<br />

diseases such as anthrax, tuberculosis,<br />

malaria, hepatitis C and HIV. The fact that<br />

it has been possible to cure animals from<br />

deadly tumor diseases shows the power and<br />

capabilities of this novel vaccine concept.<br />

Promising preclinical studies in Germany<br />

The technology was developed by Frank<br />

W. Falkenberg during his professorship in<br />

the field of immunology at Bochum University<br />

and later in his CRO company CIRES<br />

GmbH in Dortmund. The concept has been<br />

tested in a variety of murine tumor models<br />

(RenCa renal carcinoma, B16 and K1735<br />

melanoma, C26 and CT 26 colon carcinoma,<br />

MCA fibro sarcoma, A20 and 38C13 B<br />

Lymphoma, TS/A mammary carcinoma)<br />

and with a variety of cytokines (IL-2, IL-4,<br />

IL-12, GM-CSF, IFN). Mice carrying a lethal<br />

load of tumor cells can be cured by vaccination<br />

with a vaccine composed of irradiated<br />

tumor cells and the CyTuVax depot-attached<br />

cytokines as adjuvants. The immune response<br />

is strong and persistent. Tumor-bearing mice,<br />

vaccinated and cured, were still protected<br />

against a challenge with a lethal dose of live<br />

tumor cells even one year after vaccination.<br />

Foundation of CyTuVax in the<br />

Netherlands<br />

For the sake of the technology’s implementation<br />

into clinical trials, forces were joined<br />

with Dr. Vleugels in Maastricht and CyTuVax<br />

BV was founded in the Netherlands. A first<br />

round of financing came from a local fund in<br />

the Netherlands (Nedermaas Ventures<br />

BV). CyTuVax BV will use this investment to<br />

work on the development of a vaccine for<br />

hepatitis B non-responders, concentrating<br />

mainly on patients with kidney dysfunction<br />

110<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

that undergo extracorporal dialysis and<br />

whose immune system is not capable of<br />

mounting an efficient immune response to<br />

vaccination with conventional hepatitis B<br />

vaccines.<br />

First clinical trial with pancreatic<br />

carcinoma patients<br />

Pancreatic cancer is one of the deadliest types<br />

of cancer, and its post-surgical treatment is<br />

one of the major unmet needs in oncology.<br />

Surgical removal of the tumor represents<br />

one of the best options but, unfortunately,<br />

less than 20 percent of all patients are candidates<br />

for potentially curative surgery.<br />

However, even with an optimal curative<br />

surgery, metastases often occur. CyTuVax<br />

plans to perform a Phase I/II study with<br />

pancreatic carcinoma patients that have<br />

been treated by the so-called Whipple operation<br />

as a primary treatment. With a median<br />

survival between 19 and 26 months the patients<br />

of this group survive long enough to<br />

show the efficacy of the CyTuVax vaccines.<br />

This clinical application is intended as a<br />

treatment for patients with Stage II and<br />

Stage III pancreatic carcinoma, an unmet<br />

medical need with surgery and / or chemotherapy<br />

(Gemcitabine) being the standard<br />

of care. CyTuVax will collaborate on the<br />

clinical trials with Prof. Dr. Waldemar Uhl,<br />

head of the Pankreaskarzinomzentrum<br />

Bochum, the third-largest pancreatic cancer<br />

center in Europe, recommended by the DKG.<br />

Treatment costs are estimated at about<br />

50 thousand Euros per patient and the number<br />

of patients is growing. Of the 115.000<br />

patients in Europe and the US, 20 percent are<br />

in stage II and III with a maximum market<br />

potential of between 575 and 1,150 million<br />

Euros.<br />

The future is wide open<br />

In a first round of investment for a clinical<br />

study with pancreatic cancer patients,<br />

CyTuVax will need between three and four<br />

million Euros. The proprietary technology<br />

has unlimited potential and can be applied<br />

to most types of cancers, as well as to<br />

crucial bacterial and viral diseases. Other<br />

types of cancer (e. g. renal carcinoma, lung<br />

cancer) will be included in further studies<br />

later on.<br />

www.cytuvax.com


Zusammenspiel von Physik und <strong>Biotech</strong>nologie: GNA Biosolutions<br />

von links: Dr. Lars Ullerich,<br />

Dr. Joachim Stehr,<br />

Dr. Frederico Bürsgens,<br />

Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH,<br />

Martinsried<br />

<strong>Biotech</strong>-Innovationen aus der Physik<br />

Der Biologie eilt der Ruf voraus, keine<br />

absoluten Aussagen treffen zu können.<br />

Wer je in der biologischen Forschung an<br />

widerspenstigen Zellkulturen oder dem<br />

erratischen Ausgang von Patientenstudien<br />

verzweifelte, kann die Ehrfurcht vor der<br />

Komplexität und Unbeständigkeit biologischer<br />

Systeme nachvollziehen. Abhilfe<br />

kann hier in vielen Fällen der Einsatz von<br />

effektiveren, physikalischen Verfahren zur<br />

Analyse und Manipulation bringen. Schon<br />

vor sechzig Jahren verhalf die Röntgenstrahlung<br />

zur Aufklärung der Molekülstruktur<br />

der DNA-Doppelhelix. Aktuellere Beispiele<br />

sind Atomic Force Microscopy zur<br />

Manipulation einzelner Moleküle wie DNA,<br />

oder das STED-Verfahren (Stimulated Emission<br />

Depletion), wodurch die bisherige<br />

Auflösungsgrenze von Fluoreszenzmikroskopen<br />

aufgehoben wurde. Seit einiger Zeit<br />

legen Physiker sogar selbst an der nicht<br />

mehr nur Biologen vorbehaltenen DNA Hand<br />

an und verwenden synthetische DNA-Stränge<br />

als Baublöcke, die sich durch gezieltes<br />

Sequenzdesign selbständig zu dreidimen-<br />

sionalen Strukturen zusammenlagern –<br />

sogenannten DNA-Origamis.<br />

Doch wo entstehen solche Ideen?<br />

Traditionell ist die Physik in Deutschland gut<br />

aufgestellt. Daher können viele Physiklehrstühle<br />

es ihren Wissenschaftlern ermöglichen,<br />

anspruchsvolle Spezialinstrumente für ihre<br />

Forschung einzusetzen. Auch die ausgeprägte<br />

analytische Natur dieser Disziplin<br />

und die Unverzagtheit gegenüber der vermeintlichen<br />

Unberechenbarkeit der Biologie<br />

erlauben einen anderen Blickwinkel; dann<br />

werden eben Modellierungen bemüht und<br />

gezielte Experimente durchgeführt. Physiker<br />

verstehen biologisches Material schlicht als<br />

„Soft Matter“, welche als Teil der „Condensed<br />

Matter“-Physik gilt und mit Energie zu<br />

Wechselwirkungen angeregt werden kann.<br />

Auch ist praxisrelevante Forschung unter<br />

Physikern kein Schimpfwort. Besonders<br />

fruchtbar sind Zusammenschlüsse, in denen<br />

neue physikalische Verfahren für die Bio-<br />

wissenschaften erschlossen werden. In<br />

München beispielsweise helfen Verbünde<br />

wie das CeNS (Center for Nanosciences) der<br />

Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

(LMU) und das Exzellenzcluster NIM (Nano-<br />

systems Initiative Munich) beim Ideenaustausch<br />

über die Fachgrenzen hinweg. Beflügelt<br />

durch dieses Umfeld sind allein aus der<br />

Fakultät für Physik der LMU in den letzten<br />

Jahren bereits eine beachtliche Zahl von<br />

Ausgründungen im Bereich Life Sciences<br />

entstanden, wie etwa ibidi, Advalytix, Nanotemper,<br />

Nanion und auch GNA Biosolutions.<br />

GNA Biosolutions:<br />

ultraschnelle DNA-Detektion<br />

Bei GNA spielen gleich drei wissenschaftliche<br />

Disziplinen zusammen – Photonik,<br />

Nanotechnologie und DNA-Analytik. Nano-<br />

partikel dienen als präzise steuerbare Heizelemente<br />

direkt in der Probe. Ein Laserstrahl<br />

regt die Nanopartikel in der Probe an, welche<br />

die aufgenommene Lichtenergie sofort in<br />

Form von thermischer Energie an ihre unmittelbare<br />

Umgebung wieder abgeben. Effek-<br />

tiv wird nur ca. ein Millionstel der Flüssigkeit<br />

erhitzt, der Rest bleibt kalt. Wird der Laserstrahl<br />

abgeschaltet, so erkalten die Nano-<br />

partikel auch innerhalb von Nanosekunden<br />

wieder auf die Temperatur der umgebenden<br />

Flüssigkeit. Hierdurch können die bisherigen<br />

Heiz- und Kühlprozesse für biochemische<br />

Reaktionen revolutioniert werden. So be-<br />

nötigt z. B. die klassische PCR eine etwa<br />

dreißigfache Wiederholung von Heiz- und<br />

Kühlschritten, die in einem herkömmlichen<br />

Thermocycler typischerweise jeweils 20 bis<br />

30 Sekunden benötigen. Der Wärmetransfer<br />

über den massiven Metallblock des Thermocyclers,<br />

durch die Wand des Reagenzien-<br />

gefäßes und in die Probe hinein – und zum<br />

Kühlen auch wieder hinaus – ist zeitaufwendig,<br />

weshalb die DNA-Vervielfältigung in der<br />

Regel rund eine Stunde oder noch länger<br />

dauert. Hingegen erlaubt die Technologie<br />

von GNA eine Verkürzung dieses Prozesses<br />

auf nur wenige Minuten.<br />

Gründung<br />

Die Grundidee der Technologie entstand bereits<br />

in der Doktorarbeit des Mitgründers<br />

Joachim Stehr am Lehrstuhl für Photonik<br />

und Optoelektronik an der LMU München.<br />

Eine Förderung durch EXIST-Forschungstransfer<br />

und die Unterstützung des Gründerbüros<br />

und des Entrepreneurship Centers<br />

ermöglichten die ersten Schritte in Richtung<br />

Kommerzialisierung. Nach der GmbH-Gründung<br />

Mitte 2010 warben die drei Geschäftsführer<br />

Stehr, Bürsgens und Ullerich Anfang<br />

2011 eine Seed-Runde bei einem Privatinvestor<br />

ein. Anschließend bezog das Unternehmen<br />

neue Räumlichkeiten im Innovations-<br />

und Gründerzentrum IZB in Martinsried.<br />

Ende 2012 erfolgte eine weitere Finanzierungsrunde<br />

und das Team, das sich in der<br />

F&E mittlerweile aus Physikern, Biologen<br />

und Technikern zusammensetzt, konnte den<br />

Proof of Concept seiner Technologie in<br />

funktionsfähigen Prototypen erbringen.<br />

Minutenschnelle Pathogentests<br />

in Aussicht<br />

Auf der zeitsparenden DNA-Detektionstechnologie<br />

mittels lasergeheizter Nanopartikel<br />

aufbauend, entsteht derzeit ein Instrument,<br />

welches zum Nachweis von Krankheitserregern<br />

oder Lebensmittelpathogenen dienen<br />

wird. Das neuartige Verfahren ermöglicht<br />

eine ultraschnelle DNA-Detektion – und das<br />

in hohem Maße unabhängig von Probenvolumen<br />

und -format. Beispielhaft seien<br />

minutenschnelle Grippetests genannt, die<br />

direkt vor Ort verarbeitet und ausgewertet<br />

werden können. Das Prinzip des Laser-<br />

Heizens von Nanopartikeln zur Bioanalyse<br />

ist noch ein weites Feld, und neue Ideen aus<br />

der Physik helfen bei dessen Erschließung.<br />

www.gna-bio.de<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

111


Wirkstoffpipeline in Europa<br />

Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012<br />

Klinische Studien (n=1320) Präklinik (n=1266)<br />

5 %<br />

5 %<br />

7 %<br />

19 %<br />

9 %<br />

Onkologie Autoimmun & Entzündung Neurologie<br />

Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen<br />

Metabolismus und Endokrinologie Sonstige<br />

Produkt-Pipeline in Europa<br />

8 %<br />

34 %<br />

Im europäischen Ländervergleich führt<br />

Großbritannien nach wie vor klar die Liste<br />

der Entwicklungsprodukte an. Eine Tat-<br />

sache, die zumindest zum Teil dem Geschäfts-<br />

modell vieler britischer Unternehmen<br />

geschuldet ist, dem Specialty-Pharma-Typ.<br />

Dort stehen Breite des Portfolios und Schwerpunkt<br />

auf eher marktnahen Entwicklungen<br />

im Vordergrund.<br />

13 % 14 %<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Deutschland und die Schweiz teilen sich den<br />

zweiten Platz; Deutschland mit einer deutlich<br />

jüngeren Pipeline. Insbesondere in<br />

Phase III können Schweizer Unternehmen<br />

mit einem stattlichen Portfolio von immerhin<br />

22 Produkten aufwarten, darunter beispielsweise<br />

Tracleer ® (Actelion), Zeftera ®<br />

(Basilea) und Decapeptyl ® (Debiopharm).<br />

112 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

5 %<br />

5 %<br />

5 %<br />

14 %<br />

17 %<br />

27 %<br />

13 %<br />

Ebenfalls Fokus auf Onkologie<br />

Die entsprechende Analyse der Zuordnung<br />

von Pipeline und Therapiegebieten ergibt<br />

für Europa eine ähnliche Dominanz der<br />

Krebstherapien, wenngleich nicht ganz so<br />

deutlich sichtbar(nur 34 % gegenüber 48 %<br />

in Deutschland). Im europäischen Umland<br />

werden absolut gesehen nur in Großbritannien<br />

mehr Anti-Krebs-Therapeutika ent-<br />

wickelt als hierzulande. Dort stecken<br />

bereits drei onkologische Medikamente in<br />

der entscheidenden Phase III (Cerepro ® /<br />

Ark Therapeutics, Sativex ® / GW Pharmaceuticals,<br />

TroVax ® / Oxford BioMedica).<br />

Entsprechend sind andere Therapiefelder wie<br />

z. B. Neurologie in Europa etwas häufiger<br />

vorhanden als in Deutschland, und andere<br />

Gebiete in Deutschland gänzlich unterrepräsentiert,<br />

die in Europa gut sichtbar sind,<br />

wie z. B. Atemwegserkrankungen. Absolute<br />

Vorreiter sind hier die Schweiz und Groß-<br />

britannien, wo man sich stark auf Asthma<br />

und Pulmonale Hypertonie fokussiert.


Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA<br />

Orphan-Drug-Status immer attraktiver?<br />

Der Orphan Drug Act, wonach Entwicklungen<br />

von Medikamenten für Krankheiten<br />

mit weniger als weltweit 200.000 Patienten<br />

besonders behandelt werden, war ursprünglich<br />

eine ideale Nische für <strong>Biotech</strong>-Firmen,<br />

um der starken Konkurrenz durch Pharma<br />

zu entgehen.<br />

In den letzten Jahren hat sich dieses Feld<br />

auch für Pharma-Unternehmen zum attraktiven<br />

Markt entwickelt. Dies liegt in der<br />

Möglichkeit, schneller und billiger klinische<br />

Studien durchzuführen, schneller an den<br />

Markt zu kommen und dort hinsichtlich<br />

Pricing und Reimbursement größere Freiheitsgrade<br />

zu haben als im heißumkämpften<br />

Sektor der Medikamente für die großen<br />

Indikationen.<br />

Eine Analyse ausgehend von Zulassungszahlen<br />

der FDA in den USA sowie der EMA<br />

in Europa belegt diesen Trend eindeutig.<br />

Beide Behörden weisen einen Anstieg der<br />

Zulassungen von Orphan Drugs über die<br />

letzten Jahre auf. In Europa stieg die Zahl<br />

der Orphan-Drug-Zulassungen allein von<br />

2010 bis 2012 von 4 auf 10, damit der<br />

Anteil an allen Zulassungen von 13 auf<br />

26 Prozent. Ähnlich steil verläuft die Kurve<br />

in den USA, wo die FDA-Zulassungen im<br />

gleichen Zeitraum von 6 auf 13 Orphan<br />

Drugs anstiegen, was einem Anteil an allen<br />

Zulassungen von 29 auf 32 Prozent entspricht.<br />

Biologicals spielen dabei eine Rolle,<br />

wenngleich kein konsistenter Trend hinsichtlich<br />

stetig zunehmender Bedeutung<br />

erkennbar ist.<br />

Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA<br />

EMA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern)<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

2008 2009 2010 2011 2012<br />

FDA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern)<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

(49)<br />

(24)<br />

(69)<br />

(26)<br />

2008 2009 2010 2011 2012<br />

Small molecules Biologicals<br />

Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 113<br />

(31)<br />

(21)<br />

(52)<br />

(30)<br />

(38)<br />

(41)


<strong>Biotech</strong>-Standort<br />

Deutschland<br />

114 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik<br />

Innovative Spitzentechnologien<br />

brauchen politisches Commitment<br />

durch alle Instanzen<br />

Das im Einleitungskapitel „Perspektive“ aufgegriffene<br />

Thema des „Umdenkens“ innerhalb<br />

der <strong>Biotech</strong>-Branche bezieht sich vor<br />

allem darauf, mit den eigentlichen Stärken<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie noch effektiver auf gegenwärtige<br />

Bedarfe einzugehen. Dabei ist<br />

sowohl das „Umdenken“ innerhalb des heute<br />

noch vorrangigen Schwerpunktes der Therapeutika<br />

eine wichtige Aufgabe als auch eine<br />

Verbreiterung der Perspektiven auf neue<br />

„Hot Spots“, z. B. in der Diagnostik oder<br />

noch breiter in der Einbeziehung der Bioökonomie-Initiativen<br />

und daran geknüpfter<br />

Visionen für <strong>Biotech</strong>.<br />

Das verbindende Element all dieser Per-<br />

spektiven sind „Bio-Technologien“, die heute<br />

in vielen Fällen mit dem Attribut „Spitzentechnologie“<br />

belegt werden.<br />

Spitzentechnologien und vor allem ihre best-<br />

mögliche Nutzung in kommerziellen Pro-<br />

zessen benötigen aber konkret das Commitment<br />

aller Player – inklusive der Politik.<br />

Aus dieser Richtung gibt es viel Zustimmung<br />

für die essenzielle Bedeutung von Innova-<br />

tion, Technologieführerschaft und „Brain<br />

Capital“ in einem rohstoffarmen Land wie<br />

Deutschland. Dies sind sogar nicht nur<br />

Lippenbekenntnisse in publikumswirksamen<br />

Redebeiträgen, sondern schriftlich fixierte<br />

Vorgaben in Koalitionsverträgen und poli-<br />

tischen Agenden. Allein die ebenso essenziellen<br />

Taten sind weniger herausragend.<br />

Diese Aussage ist vielleicht aber doch zu<br />

wenig differenziert:<br />

• Es ist unbestritten, dass seitens der Forschungspolitik<br />

viele neue Initiativen los-<br />

getreten wurden, die Spitzenforschung<br />

besser bündeln, fokussiert fördern und<br />

in letzter Zeit sogar unter dem Stichwort<br />

„Translation“ klarer auch in Richtung<br />

„Anwendung“ orientieren.<br />

• Viel weniger im Fokus stehen ebenjene<br />

Überlegungen in der Wirtschaftspolitik,<br />

in denen Industrien anderer Größenordnung<br />

relevanter erscheinen und man nicht<br />

wegen eines – wenn auch hoch innovativen<br />

– Start-up- bzw. KMU-Sektors Extraregeln<br />

aufstellen kann.<br />

• Wenn dann noch Forderungen wie steuerliche<br />

Vergünstigungen an das Finanz-<br />

ministerium herangetragen werden, geht<br />

die Diskrepanz der Größenordnungen gemessen<br />

an den Problemen der weltweiten<br />

Finanzkrise soweit ins Unendliche, dass<br />

nicht einmal Spitzentechnologien ausreichend<br />

auflösende Vergrößerungsgläser<br />

erfinden können.<br />

Wenn aber die immense Förderung der<br />

Spitzenforschung durch Steuergelder nicht<br />

oder nur unzureichend dazu führen kann,<br />

dass Teile des Investments in Form von<br />

Markterfolgen zurückgespielt werden und<br />

damit vor allem auch den Wohlstand des<br />

Steuerzahlers auf lange Sicht sichern, dann<br />

läuft die Förderpolitik letztendlich ins Leere<br />

und ist volkswirtschaftlicher Unsinn.<br />

Die Forderung an die Politik wäre also eindeutig,<br />

das Thema Innovation nicht bequem<br />

im Forschungsministerium zu „parken“ und<br />

dessen Aktivitäten als politisches Alibi für<br />

eine zukunftsorientierte Innovationspolitik<br />

zu missbrauchen. Vielmehr wäre eine viel<br />

engere Kohärenz der Disziplinen innerhalb<br />

der Politik notwendig, um Innovation im<br />

richtigen Sinn auszulegen. Sie ist erst dann<br />

ein Erfolg, wenn die Früchte der herausragenden<br />

Spitzentechnologien in Form<br />

signifikanter Wertschöpfung, nachhaltigen<br />

Wirtschaftswachstums und langfristig<br />

gesicherter, hochwertiger Arbeitsplätze<br />

geerntet werden können.<br />

Das Standortkapitel des Ernst & Young<br />

<strong>Biotech</strong>-<strong>Report</strong>s soll eine Plattform darstellen<br />

zur Artikulation aktueller Gegebenheiten<br />

im Zusammenspiel der Branche und ihrer<br />

Unternehmen<br />

• mit der Politik,<br />

• in Verbänden und regionalen Initiativen,<br />

• in Netzwerken.<br />

Im Folgenden sollen zunächst aktuelle Themen<br />

der politischen Diskussion aufgegriffen<br />

werden und von relevanten Vertretern der<br />

Branche – Peter Heinrich als Vorstandsvorsitzender<br />

der BIO Deutschland sowie Pablo<br />

Serrano als Geschäftsfeldleiter Forschung &<br />

Innovation / <strong>Biotech</strong>nologie beim Bundesverband<br />

der pharmazeutischen Industrie –<br />

erörtert werden.<br />

Beide Verbände nehmen wichtige Aufgaben<br />

der Interessenvertretung wahr, insbesondere<br />

in der Interaktion mit der Politik. Beide adressieren<br />

in unzähligen Aktionen die immer wieder<br />

gleichen Fragen mit ihren Gesprächs-<br />

partnern auf politischer Ebene. Leider ist<br />

diese Aufgabe oft undankbar, sehr langwierig<br />

und zäh. Insbesondere leidet der Ansatz des<br />

steten Tropfens darunter, dass allenfalls<br />

zwar immer wieder kleine Löcher den großen<br />

Stein der Gesamtproblematik „höhlen“, aufgrund<br />

der beschriebenen mangelnden Kohärenz<br />

der Politik enden die kleinen Höhlen<br />

aber meist in einer Sackgasse ohne Ausgang<br />

bzw. Zugang zu den wirklichen Schaltzentralen<br />

der Macht.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 115


BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen<br />

zur Förderung innovativer Spitzentechnologie<br />

Dr. Peter Heinrich,<br />

BIO Deutschland e.V., Berlin<br />

Die Branche ist ernüchtert<br />

<strong>2013</strong> ist ein wichtiges Wahljahr für Deutschland.<br />

Es ist höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme<br />

der wirtschaftspolitischen Rahmen-<br />

bedingungen aus Sicht der <strong>Biotech</strong>nologie-<br />

branche. Wie unsere jährlichen Trendum-<br />

fragen gezeigt haben, setzte die Branche<br />

2009 noch große Hoffnungen in innovations-<br />

freundliche Vorhaben der neuen Regierung.<br />

Deutlich geringer fielen allerdings die Erwartungen<br />

dieses Jahr aus. Die politischen Verheißungen<br />

der jetzigen Koalition in puncto<br />

Forschung und Innovation blieben unerfüllt,<br />

da sich wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen<br />

nicht zu Gunsten der innovativen<br />

Spitzenforschung weiterentwickelt haben.<br />

AMNOG: Regulatorische Hürden<br />

werden größer<br />

Eine wesentliche Neuerung in der jetzigen<br />

Legislaturperiode war die Einführung des<br />

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes,<br />

kurz AMNOG. Zwar begrüßte BIO Deutschland<br />

das Anliegen grundsätzlich, die Preis-<br />

ermittlung eines Arzneimittels über eine<br />

Nutzenbewertung durchzuführen. Wir haben<br />

aber auch an mehreren Stellen wichtige<br />

Verbesserungen an dem Gesetz angemahnt.<br />

Die Entwicklung neuer, innovativer Medikamente<br />

stellt ein hohes finanzielles Risiko<br />

dar. Das AMNOG hat hier eine weitere Hürde<br />

aufgebaut, da nur ein Zusatznutzen dazu<br />

führt, dass die Therapie in Deutschland in<br />

einer der Innovation angemessenen Höhe<br />

erstattet wird. Für eine effektive Arzneimittelentwicklung<br />

muss die Vergleichstherapie<br />

bereits in der klinischen Prüfung für die Zulassung<br />

festgelegt werden. Die empfohlene<br />

Vergleichstherapie ist aber für die Erstattung<br />

nicht bindend. Selbst wenn es ein Unternehmer<br />

also schafft, ein nachweislich wirksames<br />

Medikament zu entwickeln, ist nicht<br />

gleichzeitig gewährleistet, dass damit auch<br />

ein Erlös erwirtschaftet werden kann, mit<br />

dem Investitionen sich auszahlen werden.<br />

Umsatz schlägt Nutzen: Die nachträg-<br />

liche Bewertung von Orphan Drugs<br />

Auch die nachträgliche Nutzenbewertung<br />

von Orphan Drugs bei einem Jahresumsatz<br />

von mehr als 50 Millionen Euro ist nicht<br />

nachvollziehbar und erhöht das finanzielle<br />

Risiko bei der Entwicklung von Therapeutika<br />

zusätzlich. Gerade auf dem Gebiet seltener<br />

Krankheiten sind biotechnologisch hergestellte<br />

Arzneimittel besonders wirkungsvoll<br />

und über 50 Prozent der führenden Orphan<br />

Drugs sind Biologika. Die erneute Nutzen-<br />

bewertung aufgrund hoher Umsatzzahlen<br />

nach dem Erhalt des Orphan-Drug-Status<br />

bremst Innovation und schadet langfristig<br />

den Patienten. Das an sich schon hohe Risiko<br />

gepaart mit zusätzlichem Regulierungsdruck<br />

bei Zulassung und Preisermittlung<br />

macht es für innovative KMU (iKMU) zunehmend<br />

schwierig bis unmöglich, Risikokapital<br />

einzuwerben. Alternative Förderungen<br />

müssen somit ausgebaut und erschlossen<br />

werden.<br />

Kredite werden teurer:<br />

Basel III und Solvency II<br />

Basel III und Solvency II führen dazu, dass<br />

sowohl Kredite als auch Eigenkapital und<br />

Venture Capital (VC) teurer werden. Die im<br />

Rahmen von Basel III geplante Erhöhung<br />

der Eigenkapitalquoten für Banken und<br />

Sparkassen wird Kredite an den Mittelstand<br />

überproportional belasten. Die bei Solvency<br />

II aufgeführte Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung<br />

von VC wird dessen Angebot<br />

reduzieren und verteuern. Hier sollte nachgebessert<br />

werden.<br />

Frisches Kapital führt zu Verlusten<br />

Der aktuelle Koalitionsvertrag sah verschiedene<br />

Maßnahmen vor, um innovative Unternehmen<br />

zu fördern. Ein wichtiger Punkt war,<br />

die geltenden Bestimmungen für Verlustvorträge<br />

anzupassen. Durch Forschungs- und<br />

Entwicklungskosten angehäufte Verlustvor-<br />

116 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

träge gehen ab einer Änderung der Beteiligungsstruktur<br />

von 25 Prozent innerhalb<br />

einer Frist von fünf Jahren teilweise oder<br />

ganz verloren. Die Reichweite von Finanzierungsrunden<br />

beträgt aber derzeit nur etwa<br />

zwei bis maximal drei Jahre und somit ist<br />

die Übertragung von Anteilen meist früher<br />

als nach einem Zeitraum von fünf Jahren<br />

nötig. Eine Absenkung der Fünf- auf eine<br />

Drei- oder sogar Zwei-Jahres-Frist würde<br />

VC- und Family-Office-finanzierten <strong>Biotech</strong>s<br />

helfen, Innovationen nachhaltig zu finan-<br />

zieren.<br />

Steuerliche Förderung von F&E<br />

Ein weiterer Bestandteil des letzten Koali-<br />

tionsvertrages betraf die steuerliche Förderung<br />

von mittelständischer Forschung und<br />

Entwicklung (F&E). Die meisten EU-Länder<br />

haben diese eingeführt (z. B. tax credits),<br />

aber in Deutschland fehlt eine entsprechende<br />

steuerliche F&E-Förderung nach wie vor. Den-<br />

noch muss betont werden, dass die steuer-<br />

liche Forschungsförderung zwar wichtig ist,<br />

aber nicht an die Stelle der unmittelbaren<br />

Projektförderung treten darf, sondern diese<br />

sinnvoll ergänzen sollte. Es muss außerdem<br />

sichergestellt sein, dass die besondere Steuer-<br />

und Finanzierungssituation des innovativen<br />

Mittelstandes angemessen berücksichtigt<br />

wird.<br />

Spitzenforschung in Deutschland benötigt<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

Innovativen Unternehmen wird durch verschiedene<br />

Gesetzesvorgaben kontinuierliche<br />

Spitzenforschung erschwert. Vergleicht man<br />

KMU und Großindustrie, geht die Schere bei<br />

Innovationsintensität und Investitionsaus-<br />

gaben jährlich weiter auseinander. Nach-<br />

besserungen bei regulatorischen Auflagen,<br />

der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags<br />

und den Rahmenbedingungen für die<br />

Mobilisierung von Kapital sind dringend erforderlich<br />

und sollten zügig realisiert werden,<br />

um erfolgreiche und wettbewerbsfähige<br />

Spitzenforschung auch weiterhin möglich zu<br />

machen.<br />

www.biodeutschland.org


Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die<br />

Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand<br />

Dr. Pablo Serrano,<br />

Geschäftsfeldleiter Forschung & Innova-<br />

tion / <strong>Biotech</strong>nologie, Bundesverband der<br />

Pharmazeutischen Industrie, Berlin<br />

Innovationsmotor biopharmazeutischer<br />

Mittelstand<br />

Molekularbiologische Methoden der modernen<br />

Gen- und <strong>Biotech</strong>nologie sind der Motor<br />

für die Entwicklung innovativer Medikamente.<br />

Dieser Prozess findet vor allem in<br />

den Laboren des biopharmazeutischen<br />

Mittelstandes statt. Von den 900 pharmazeutischen<br />

Unternehmen in Deutschland<br />

(Statistisches Bundesamt) haben fast<br />

95 Prozent weniger als 500 Mitarbeiter –<br />

und in rund 77 Prozent sind weniger als<br />

100 Beschäftigte tätig. 2011 waren fast<br />

120 Firmen an der Erforschung und Entwicklung<br />

sowie der Vermarktung eigener<br />

Biopharmazeutika beteiligt. In Deutschland<br />

sind bereits ca. 200 Medikamente auf biotechnologischer<br />

Basis, davon knapp 150 auf<br />

gentechnischer Grundlage, zugelassen. Das<br />

entspricht einem Anteil von 19 Prozent am<br />

Gesamtumsatz im Pharma-Markt. Die Zahl<br />

der biopharmazeutischen Präparate in der<br />

klinischen Pipeline betrug 2012 etwa 550.<br />

Insgesamt hat sich die Zahl der Medikamentenkandidaten<br />

in der Klinik seit 2006 mehr<br />

als verdoppelt. Damit ist die <strong>Biotech</strong>nologie<br />

keine Zukunftsvision mehr, sondern sorgt<br />

Tag für Tag für konkreten Nutzen beim Patienten.<br />

Darüber hinaus schaffen und sichern<br />

diese Firmen aufgrund ihres mittelständi-<br />

schen Charakters ortsgebundene hochquali-<br />

fizierte Arbeitsplätze. Trotz dieser für die<br />

<strong>Biotech</strong>- und Biopharmazeutika-Industrie<br />

recht positiven Zahlen gibt es erste Anzeichen,<br />

dass die Unternehmen aufgrund der<br />

aktuellen Rahmenbedingungen ihre Businesspläne<br />

anpassen müssen.<br />

GKV-Änderungsgesetz AMNOG<br />

Die 2010 verabschiedeten Gesetze, das<br />

GKV-Änderungsgesetz sowie das Arznei-<br />

mittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG),<br />

sind Beispiele für die erwähnten, den Innovationsstandort<br />

beeinflussenden Rahmenbedingungen.<br />

Ersteres wurde vor dem Hintergrund<br />

der Weltwirtschaftskrise von der<br />

Bundesregierung als Spargesetz konzipiert,<br />

welches von der Pharma-Industrie ein Einfrieren<br />

ihrer Medikamentenpreise auf dem<br />

Stand vom August 2009 fordert. Zudem<br />

wurde der Abschlag von sechs Prozent, den<br />

die Hersteller gewähren müssen, auf 16 Prozent<br />

erhöht. Beide Maßnahmen wurden von<br />

der Bundesregierung entgegen der aktuellen<br />

wirtschaftlichen Lage bis Ende <strong>2013</strong><br />

nicht korrigiert. Des Weiteren wurde mit dem<br />

AMNOG für innovative Arzneimittel eine frühe<br />

Nutzenbewertung eingeführt, die immer<br />

wieder zu Auseinandersetzungen über Bewertungsmethoden<br />

führt und im Ergebnis<br />

die Planbarkeit von innovativen F&E-Programmen<br />

in der Industrie weiter erschwert.<br />

Die unmittelbaren Folgen dieser Gesetze<br />

zeigen sich in einem Umdenken bei forschen-<br />

den Unternehmen, wo innovative Entwicklungen<br />

vorerst auf Eis gelegt werden – fatal<br />

für den Innovationsstandort. Die mittelständische<br />

Pharma-Industrie arbeitet mit den<br />

Gewinnen ihrer sich bereits auf dem Markt<br />

befindlichen Produkte weiter und überbrückt<br />

damit die aktuelle Pipeline-Durststrecke. Die<br />

Mitgliederumfrage des BPI zum Stellenwert<br />

von Innovationen 2012 spiegelt diesen Trend<br />

wider. So erwarten fast 90 Prozent der Firmen,<br />

dass die Nutzenbewertung nach dem<br />

AMNOG teilweise die Refinanzierung der<br />

Investitionen in F&E verhindern wird. Die Lage<br />

ist für den Innovationsstandort Deutschland<br />

ernst, denn 78 Prozent der antwortenden<br />

Firmen gaben an, dass sie derzeit Erfolg<br />

versprechende Entwicklungsprojekte auf<br />

dem Gebiet der verschreibungspflichtigen<br />

Medikamente, darunter zahlreiche Biopharmazeutika,<br />

nicht weiter verfolgen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Mehr Kooperation zwischen <strong>Biotech</strong> und<br />

Pharma könnte helfen<br />

Abhilfe hierzu können Kooperationen zwischen<br />

der <strong>Biotech</strong>-Branche und der mittelständischen<br />

Pharma-Industrie schaffen. Ein<br />

attraktives Feld für Partner beider Branchen<br />

bietet die personalisierte Medizin, denn die<br />

Weiterentwicklung eines bewährten Wirkstoffs<br />

für ein neues Indikationsgebiet mit<br />

Hilfe eines Biomarkers genießt (neuen)<br />

Patentschutz. Die neue Gesetzeslage erfordert<br />

allerdings ein exaktes Abstimmen der<br />

Forschung und Entwicklung auf spätere<br />

Kostenerstattung. Und die Mehrheit der in<br />

Deutschland biopharmazeutisch aktiven<br />

Unternehmen ist flexibel genug, Businesspläne<br />

an die Rahmenbedingungen anzupassen,<br />

wenn diese Planbarkeit erlauben. Doch<br />

das ist derzeit aufgrund der Nutzenbewertungskriterien<br />

für neue Arzneimittel nicht<br />

der Fall. Diese Kriterien werden häufig erst<br />

nach der Zulassung festgelegt und stimmen<br />

dann nicht mit dem Design der klinischen<br />

Studien überein, die normalerweise bis zu<br />

zehn Jahre zurückliegen.<br />

Konsequenzen des AMNOG<br />

für Deutschland<br />

Die Konsequenzen sind für Deutschland<br />

weitreichend: Standortgebundene F&E-Programme<br />

im Mittelstand kommen aufgrund<br />

der von der Regierung verordneten Sparmaßnahmen<br />

– Preismoratorium, Zwangsabschlag,<br />

Nutzenbewertungsverhandlungen,<br />

Aut-Idem-Regelungen etc. – ins Stocken und<br />

Arbeitsplätze werden gefährdet. Gravieren-<br />

der sind die Folgen für Patientinnen und<br />

Patienten, die auf manche verbesserte und<br />

neue Therapien weiter warten müssen.<br />

Denn bei Medikamenten, die keinen Zusatznutzen<br />

attestiert bekommen, werden sich<br />

die Hersteller gegen eine Vermarktung in<br />

Deutschland entscheiden. Der Preis, den sie<br />

damit hier erzielen können, reicht dann nicht,<br />

um die bereits über Jahre in F&E investierten<br />

Kosten zu refinanzieren – und somit neue<br />

Medikamentenkandidaten zu entwickeln. Ein<br />

Beispiel hierfür stellt bereits das Diabetes-<br />

Medikament Trajenta ® von Boehringer Ingelheim<br />

dar. Nach der Nutzenbewertung im<br />

Dezember 2012 wurde kein Zusatznutzen<br />

attestiert, woraufhin sich Boehringer entschlossen<br />

hat, Trajenta ® nicht in Deutschland<br />

auf den Markt zu bringen.<br />

www.bpi.de<br />

117


Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung<br />

Spitzencluster bündeln wissenschaftliche<br />

Exzellenz und sichern<br />

die Anbindung an wirtschaftliche<br />

Wertschöpfungsketten<br />

Die bereits in den Vorjahren angestoßene<br />

Initiative zur Darstellung der verschiedenen<br />

Clusterinitiativen des BMBF (Spitzencluster,<br />

BioPharma, DZG u. a.) dient zum einen einer<br />

Charakterisierung individueller Netzwerke<br />

und deren Herangehensweise an die Lösung<br />

komplexer Fragestellungen. Die meisten<br />

dieser Netzwerke, wie sie bereits aufgelistet<br />

wurden, haben heute in ihren Zielsetzungen<br />

die Anbindung an kommerzielle Wertschöp-<br />

fungsketten vorgesehen. Die Einbeziehung<br />

von Partnern aus der Life-Science-Industrie<br />

(<strong>Biotech</strong>, Medizintechnik, Pharma etc.) war<br />

bereits ein Kriterium für die Auszeichnung<br />

als Spitzencluster.<br />

Zum anderen ist es ebenso wichtig, neben<br />

der reinen Charakterisierung und Darstel-<br />

lung der Konzepte auch deren Verfolgung<br />

und Erfolge zu hinterfragen. Insofern wäre<br />

es sinnvoll, wenn die Erfolgskriterien von<br />

vorneherein definiert würden und bei dieser<br />

Definition auch kommerzielle Meilensteine<br />

Berücksichtigung fänden. Wissenschaftliche<br />

Exzellenz allein reicht nicht aus; der kommerzielle<br />

Erfolg – aus den anfangs geäußer-<br />

ten volkswirtschaftlichen Erwägungen vor<br />

allem in Deutschland – sollte ein ebenso<br />

wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Netz-<br />

werke sein.<br />

Zur Fortsetzung der begonnenen Serie über<br />

einzelne Netzwerke in Deutschland beschreibt<br />

im Folgenden Rainer Wessel das Konzept<br />

und den aktuellen Status des letztjährigen<br />

Gewinners im Spitzencluster-Wettbewerb<br />

des BMBF, des Ci3 Clusters mit Zentrum<br />

in Mainz. Von den oben genannten Grundvoraussetzungen<br />

sind die meisten gegeben:<br />

• Wissenschaftliche Exzellenz – akademische<br />

Spitzenforschung auf dem Gebiet der Immuntherapie<br />

• Etablierte Technologietransfer-Einrichtungen<br />

• Integration von Unternehmen zum Aufbau<br />

einer kommerziellen Wertschöpfungskette<br />

• Politisches Commitment selbst über Bundes-<br />

landgrenzen hinweg<br />

• Signifikantes finanzielles Engagement<br />

durch private Investoren<br />

118 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Regionale BioRegionen vernetzen<br />

sich international<br />

Neben den themengetriebenen Spitzenclustern<br />

hatten sich traditionell aus einem<br />

früheren BMBF-Wettbewerb in Deutschland<br />

BioRegionen etabliert, deren Aktivitäten<br />

ebenfalls an dieser Stelle Beachtung finden<br />

sollen. Im letzten Jahr bereits mit der Beschreibung<br />

von Schwerpunktbildung, Leis-<br />

tungsspektrum etc. begonnen, soll in den<br />

folgenden Ausgaben des <strong>Report</strong>s stärker<br />

auf das Thema „Best Practice“ fokussiert<br />

werden. In diesem Zusammenhang wurde in<br />

diesem Jahr die internationale Vernetzung<br />

als ein relevantes Thema ausgewählt, innerhalb<br />

dessen durch die geschilderten Beispiele<br />

Best-Practice-Initiativen der indivi-<br />

duellen Regionen herausgestellt werden.<br />

Dabei ist eine erstaunliche Erkenntnis, wie<br />

viele unterschiedliche Ideen aufgegriffen<br />

wurden, um international die jeweilige Bio-<br />

Region sichtbar zu machen. Aber diese Ini-<br />

tiativen dienen nicht nur der Sichtbarkeit<br />

einer Region; sie sind vielmehr die Basis für<br />

eine aktive Interaktion der akademischen<br />

und kommerziellen Partner im Sinne einer<br />

gemeinsamen Herangehensweise an komplexe<br />

wissenschaftliche Problemstellungen<br />

mit Auswirkungen für Gesundheit, technischen<br />

Fortschritt und wirtschaftlichen<br />

Erfolg.


Ci3 Spitzencluster – Katalysator für<br />

immunologische Innovationen<br />

Dr. Rainer Wessel,<br />

Cluster Individualisierte<br />

ImmunIntervention (Ci3), Mainz<br />

Maßgeschneiderte Behandlungsansätze<br />

Das Gesundheitssystem steht vor einem<br />

bedeutenden Umbruch. Neue Erkenntnisse<br />

in den Lebenswissenschaften führen zu<br />

einem Paradigmenwechsel in der Medizin<br />

und bieten dabei die Chance, wichtige Bereiche<br />

des Gesundheitswesens stärker auf<br />

eine auf jeden Einzelnen hin angepasste<br />

Medizin auszurichten. Innerhalb der individualisierten<br />

Medizin hat die Immunintervention<br />

ein sehr großes Potenzial. Dieser bereits<br />

jetzt wachstumsstärkste Bereich der<br />

pharmazeutischen Industrie nutzt die Eigenschaften<br />

des Immunsystems bei der Behandlung<br />

von schweren Erkrankungen wie<br />

Krebs, Autoimmun- und gefährlichen Infek-<br />

tionskrankheiten aus. Hierzu werden gene-<br />

tische und immunologische Eigenheiten der<br />

Patienten und ihrer Krankheit für die Entwicklung<br />

maßgeschneiderter Behandlungsansätze<br />

herangezogen. Dadurch entstehen<br />

innovative Therapieformen, die die Entwicklungszeiten<br />

neuer Medikamente verringern,<br />

Risiken für die Patienten reduzieren und die<br />

Kosten einzelner Therapien senken können.<br />

Das alles erfordert eine neuartige Abstimmung<br />

wesentlicher Bereiche unseres Gesund-<br />

heitssystems.<br />

Mit gebündelter Kompetenz<br />

international erfolgreich<br />

Ci3 leistet zur Integration der für die erfolgreiche<br />

Implementierung der individualisierten<br />

Immunintervention notwendigen Bereiche<br />

der Gesundheitswirtschaft einen wichtigen<br />

Beitrag. Das Cluster vernetzt über 120 Partner<br />

aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik in der erweiterten Rhein-<br />

Main-Region und bildet so das integrative<br />

Element der gesamten Innovations- und<br />

Wertschöpfungskette. Die Vision von Ci3 ist<br />

es, die sehr erfolgreiche Pharma-Region<br />

Rhein-Main im Bereich der individualisierten<br />

Immunintervention an die Weltspitze zu führen.<br />

Das volkswirtschaftliche Kernziel von<br />

Ci3 ist die Sicherung eines langfristigen Umsatz-<br />

und Beschäftigungswachstums der am<br />

Cluster beteiligten Firmen und Forschungseinrichtungen<br />

durch den Aufbau einer international<br />

konkurrenzfähigen Pipeline effizienter<br />

und nebenwirkungsarmer Immuntherapeutika<br />

und begleitender Diagnostikprodukte<br />

für stratifizierte und individualisierte<br />

Märkte. Die neuen Präventions-, Diagnose-<br />

und Therapieoptionen werden auf Zukunfts-<br />

und Tragfähigkeit validiert und der Patienten-<br />

versorgung zur Verfügung gestellt. In Strukturprojekten<br />

arbeiten die Partner gemeinsam<br />

daran, die infrastrukturellen Rahmenbedingungen<br />

für diese modernen Therapieformen<br />

zu verbessern und institutionsübergreifende<br />

Strukturen zu schaffen, die allen Cluster-<br />

akteuren zugutekommen.<br />

Spitzencluster: Bis zu 40 Millionen Euro<br />

Förderung<br />

Durch den Gewinn des Spitzencluster-Wett-<br />

bewerbs erhalten immuntherapeutische<br />

Ansätze in der Pharma-Region Rhein-Main<br />

nun einen starken Schub. Im Januar 2012<br />

war Ci3 erfolgreich aus der dritten Runde<br />

des vom Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung (BMBF) ausgelobten Wettbe-<br />

werbs hervorgegangen. Damit verbunden<br />

sind BMBF-Fördergelder in Höhe von bis zu<br />

40 Millionen Euro über fünf Jahre. Aufgestockt<br />

wird diese Summe durch private Mittel<br />

der Partner in mindestens gleicher Höhe.<br />

Leuchttürme gegen Krebs und Zöliakie<br />

Mit der Bewilligung von drei repräsentativen<br />

Projekten, den so genannten Leuchtturmprojekten,<br />

hat das Ci3 Spitzencluster zum<br />

1. April 2012 gestartet. Die Leuchtturm-<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

projekte fokussieren auf die Erforschung<br />

stratifizierter und individualisierter Impfstoffe<br />

zur Therapie solider Tumoren sowie<br />

auf die Entwicklung neuer Therapeutika zur<br />

Behandlung der Zöliakie (Glutenunverträglichkeit).<br />

Insgesamt konnten im Laufe des<br />

Jahres 2012 bereits 64 Förderprojekte an<br />

den Start gehen, die Mehrzahl davon in<br />

28 Verbünden zwischen Industrie und öffent-<br />

lichen Forschungseinrichtungen. Dies ist ein<br />

guter Indikator für die hohe Vernetzung der<br />

Partner. Da bereits jetzt weltweit die Mehrzahl<br />

der neuen Medikamente aus Koopera-<br />

tionen zwischen öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen<br />

und der privaten<br />

Wirtschaft entsteht, ist dieser hohe Grad der<br />

Vernetzung eine gute Voraussetzung für<br />

eine langfristig erfolgreiche und nachhaltige<br />

Entwicklung, mit entsprechenden positiven<br />

Effekten auf die Wertschöpfung in der Region<br />

und die damit verbundene Sicherung von<br />

Arbeitsplätzen.<br />

Wachstumsstarker Standort<br />

Für die beschleunigte Entwicklung des immunologischen<br />

Sektors in der Region spricht<br />

die starke Entwicklung junger <strong>Biotech</strong>-Firmen<br />

in den letzten Jahren. Ein robuster Anstieg<br />

der Investitionen am Standort hat die Entstehung<br />

einer großen Zahl neuer hochqualifizierter<br />

Arbeitsplätze ermöglicht und infrastrukturelle<br />

Maßnahmen nach sich gezogen.<br />

So wird die für Anfang 2014 geplante Fertig-<br />

stellung des ca. 8.000 m² großen neuen Bio-<br />

technologiezentrums „An der Goldgrube“ in<br />

Mainz mehr als 200 hochqualifizierte Arbeits-<br />

plätze in den Life Sciences beheimaten. Die<br />

große regionale Expertise und wachsende<br />

Bedeutung der Immuntherapien spiegelt<br />

sich auch in den stetig steigenden Besucherzahlen<br />

des jährlich in Mainz vom international<br />

hochkarätig besetzten Cancer Immunotherapy<br />

Consortium (CIMT) durchgeführten<br />

Treffens wider. Zusammen mit den anderen<br />

beiden Life-Science-Spitzenclustern der ersten<br />

und zweiten Wettbewerbsrunde, BioRN<br />

in der Rhein-Neckar-Region und m 4 in<br />

Bayern, leistet Ci3 damit einen wichtigen<br />

Beitrag für die weitere Entwicklung der<br />

Biomedizin in Deutschland.<br />

www.ci-3.de<br />

119


BioRegionen in Deutschland – Best<br />

Practice „Internationale Vernetzung“<br />

Angesichts der sehr komplexen und teuren Prozesse bei der Entwicklung<br />

neuer Produkte und eines globalen Wettbewerbs ist die internationale<br />

Vernetzung für die <strong>Biotech</strong>nologie von essenzieller Bedeutung. Auch die<br />

einzelnen BioRegionen in Deutschland legen Wert auf länderübergreifende<br />

Kooperationen.<br />

Hauptstadtregion gut vernetzt:<br />

BioTOP Berlin-Brandenburg<br />

In der deutschen Hauptstadtregion hat man<br />

schon früh auf Vernetzung mit anderen<br />

führenden europäischen Clustern gesetzt.<br />

Mit BioTOP ist die Region Gründungsmit-<br />

glied im Council of European BioRegions<br />

(CEBR) und dem Ostseeanrainer-Netzwerk<br />

ScanBalt. Neben diesen die <strong>Biotech</strong>nologie<br />

in ihrer ganzen Breite abdeckenden Strukturen<br />

ist man als bisher einzige deutsche<br />

Region in der European Diagnostic Clusters<br />

Alliance (EDCA) vertreten, die sehr konkrete<br />

Maßnahmen für Unternehmen und<br />

Forschungseinrichtungen erarbeitet und sich<br />

mit der Entwicklung von In-vitro-Diagnostika<br />

beschäftigt. Von der EDCA unterstützt, wurde<br />

mit dem vierten Berlin-Brandenburger Technologieforum<br />

im Juni 2012 erstmals ein<br />

europäisches Partnering speziell für Diagnostikunternehmen<br />

mit einer regionalen<br />

Konferenz etabliert. Im Bereich der Lebenswissenschaften<br />

profitiert die Hauptstadt-<br />

region von einer regen Teilnahme an den<br />

europäischen Forschungsförderprogrammen<br />

und hat an einer Vielzahl europäischer<br />

Konsortien partizipiert; so z. B. im Mai 2012<br />

an dem Dialogforum der Hauptstadtregion<br />

mit der Europäischen Kommission unter dem<br />

Motto „Bessere Gesundheit in einer älter<br />

werdenden Gesellschaft“. Ziel hierbei war<br />

nicht zuletzt, sich gute Startplätze bei der<br />

Ausgestaltung zukünftiger Förderprogramme<br />

wie Horizon 2020 und deren konkreter Nutzung<br />

zu sichern. Zusätzlich profitiert die<br />

Hauptstadtregion auch von der unmittel-<br />

baren Nähe zu den Botschaften. Fest etabliert<br />

hat sich so etwa der bilaterale Workshop,<br />

der gemeinsam von BioTOP und der<br />

französischen Botschaft jährlich organisiert<br />

wird und sich im November 2012 dem Thema<br />

„Perspectives of Systems Biology“ widmete.<br />

www.biotop.de<br />

Paneuropäische Open Innovation:<br />

das Ruhrgebiet in der IMI<br />

Die Bereitschaft von „Big Pharma“ wächst,<br />

sich auch auf neue, kreative und transnationale<br />

Arbeits- und Kooperationsweisen wie<br />

Open Innovation einzulassen. Ein Beispiel die-<br />

ser Neuausrichtung ist die von IMI (Innovative<br />

Medicines Initiative) mit 196 Millionen Euro<br />

initiierte „European Lead Factory“. In dieser<br />

haben sich sieben europäische Pharma-Unternehmen<br />

des EFPIA Verbundes (European<br />

Federation of Pharmaceutical Industries and<br />

Associations) mit Europas führenden medizinalchemischen<br />

KMU und akademischen Insti-<br />

tutionen zu einer bisher einmaligen PPP<br />

(Öffentlich-Privaten Partnerschaft) zusammengefunden.<br />

Im Rahmen dieser engen Zu-<br />

sammenarbeit wird es akademischen Forschern<br />

europaweit erstmalig möglich sein, beispiellosen<br />

Zugang zu den Substanzbibliotheken<br />

der pharmazeutischen Industrie zu erhalten.<br />

So wird die Translation ihrer Ergebnisse in<br />

künftige Arzneistoffe erleichtert. Auch haben<br />

die Pharma-Unternehmen die Möglichkeit,<br />

gegen die Substanzbibliotheken der Konkurrenten<br />

zu screenen. Das Vorhaben ist als euro-<br />

päische Logistik- und Lieferkette aufgestellt<br />

und wird von den jeweiligen Teil-Konsortialführern<br />

„Medizinalchemie“ (Taros Chemicals,<br />

Dortmund) und „High-Throughput-Screening“<br />

(TI Pharma, Niederlande) orchestriert. Der<br />

kooperative Arbeitsablauf sieht vor, dass die<br />

spezialisierten KMU-Partner zusammen mit<br />

den akademischen Vertretern neue innovative<br />

Strukturgerüste (Scaffolds) in einer parallelen,<br />

europaweiten Zusammenarbeit entwickeln<br />

und die Substanzbibliotheken synthetisieren.<br />

Im Anschluss werden die Compounds über<br />

einen ausgefeilten Logistikprozess den beiden<br />

High-Throughput-Screening-Zentren in Oss<br />

(Niederlande) bzw. Newhouse (Schottland)<br />

zugeführt. Neben der Taros Chemicals sind mit<br />

dem Lead Discovery Center, dem Max-Planck-<br />

Institut Dortmund und der Universität Duisburg-Essen<br />

weitere Akteure aus dem Ruhrgebiet<br />

eingebunden, welches somit seine<br />

Bedeutung als Exzellenzstandort für innovative<br />

Medizinalchemie weiter ausbaut.<br />

www.bioindustry.de<br />

120 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Städtepartnerschaften:<br />

BioRegio Regensburg<br />

Rund um Regensburg hat sich ein starker Mit-<br />

telstand im Bereich Medizintechnik, Pharma<br />

und Life Sciences entwickelt. Amgen und<br />

Life Technologies gehören zu den renommierten<br />

Mietern des kommunalen Techno-<br />

logiezentrums BioPark Regensburg. Mit<br />

1,4 Milliarden Euro Umsatz und insgesamt<br />

15.500 Beschäftigten hat sich die Gesundheitsbranche<br />

zu einem wichtigen Wirtschaftszweig<br />

in der Stadt entwickelt. Allein<br />

hieraus hat sich ein internationales Netzwerk<br />

ausgebildet, in dem die Stadt Regensburg<br />

im Mittelpunkt steht. Die kommunalen<br />

Gründer- und Technologiezentren können<br />

mit ihren Mietern vor Ort und den Firmen im<br />

Cluster von umfangreichen Delegationsreisen,<br />

Partnerstädten und Kooperationen der<br />

Stadt Regensburg profitieren. So bauten der<br />

BioPark Regensburg mit dem <strong>Biotech</strong>-Zentrum<br />

BioPôle in der Partnerschaft Clermont-<br />

Ferrand in Frankreich oder die Kliniken in<br />

Regensburg mit den Hospitälern der Partner-<br />

stadt Qingdao in China enge Kooperationen<br />

auf. Diesen Top-down-Ansatz nutzt die<br />

Politik als Türöffner und bietet zudem ein<br />

breites Angebot an potenziellen Koopera-<br />

tionsmöglichkeiten (kritische Masse).<br />

Hieran schließt sich die wichtige Unterstützungsphase<br />

der einzelnen, fachspezifischen<br />

Akteure vor Ort an – „man kennt sich“.<br />

Aufgrund dieser persönlichen Beziehungen<br />

gelingt auch die essenzielle, selektive Auswahl<br />

erfolgversprechender Projekte zum<br />

beidseitigen Vorteil. Die technologieorientierten<br />

Cluster der Gesundheitswirtschaft,<br />

IT- und Sensorik-Branchen haben hier in<br />

Regensburg von der vielfältigen Form des<br />

internationalen Netzwerkes im Zuge der<br />

Wirtschaftsförderung der Stadt profitiert –<br />

zuletzt durch gezielte Anwerbung von<br />

Fachkräften im Ausland, beispielsweise in<br />

Spanien.<br />

www.bioregio-regensburg.de


Fruchtbare Partnerschaft zwischen<br />

Bayern und Japan: Bio M in München<br />

Bereits ein Blick auf die zahlreichen Deals<br />

und langjährigen Kooperationen zwischen<br />

bayerischen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen und japanischen<br />

Pharma-Konzernen verrät, dass<br />

Japan für die regionale Branche beinahe<br />

ebenso attraktiv ist wie die Pharma-Industrie<br />

in den USA. Da das Interesse beider-<br />

seitig ist, wurden die bestehenden guten<br />

Kontakte zwischen München und der japanischen<br />

Osaka-Region im Jahr 2011 formalisiert.<br />

Bio M , das Clustermanagement des<br />

Münchner <strong>Biotech</strong>-Clusters m 4 , schloss ein<br />

„Transnational <strong>Biotech</strong> & Life Sciences Co-<br />

operation Partnership Agreement“ mit dem<br />

Osaka Bio Headquarters. Die gesamte Kansai-<br />

Region umfasst die Städte Osaka, Kobe und<br />

Kyoto und ist aufgrund der hohen Dichte an<br />

Pharma-Firmen, ihrer 155 Hochschuleinrichtungen<br />

(davon 66 Institute im <strong>Biotech</strong>no-<br />

logiebereich) und der dortigen exzellenten<br />

wissenschaftlichen Einrichtungen (z. B.<br />

RIKEN) das Zentrum der japanischen <strong>Biotech</strong>nologie.<br />

Seit 2011 diente diese Partnerschaft<br />

vielfach konkret als „Türöffner“ in die<br />

nicht einfach zugänglichen Hierarchieebenen<br />

der japanischen Unternehmen. Mehrere<br />

organisierte Japanreisen, Partnering-Konferenzen<br />

und Messeauftritte mit bayerischen<br />

Unternehmen sowie Gegenbesuche seitens<br />

japanischer Pharma-Vertreter und Wissenschaftler<br />

haben zu zahlreichen und langfris-<br />

tigen Geschäftskontakten geführt. Derzeit<br />

laufen mehrere konkrete Kooperationsgespräche<br />

mit Pharma-Konzernen im R&D-<br />

Sektor und einige Produkt- und Technologie-unternehmen<br />

berichten von deutlichen<br />

Umsatzsteigerungen aufgrund der von Bio M<br />

koordinierten Japanaktivitäten. Zukünftig<br />

soll diese Zusammenarbeit noch intensiver<br />

und unbürokratischer gestaltet werden.<br />

www.bio-m.org<br />

ScanBalt verbindet die Ostsee:<br />

BioCon Valley<br />

BioCon Valley, die BioRegion Mecklenburg-Vorpommerns,<br />

fokussiert sich auf die<br />

enge Verknüpfung von Partnern über Ländergrenzen<br />

hinweg und ist Mitgründer von<br />

ScanBalt, dem Netzwerk aller BioRegionen<br />

an der Ostsee. 2001 in Teschow bei Teterow<br />

gegründet ist ScanBalt anerkannt als Modell-<br />

region der Europäischen Union für das<br />

Gebiet <strong>Biotech</strong>nologie und Gesundheit. Die<br />

11 Anrainerstaaten der Ostsee repräsen-<br />

tieren modellhaft die Herausforderungen in<br />

der EU – von den weltweit führenden Bio-<br />

Regionen wie dem Medicon Valley in Skandinavien,<br />

den norddeutschen BioRegionen von<br />

Kiel, Lübeck, Hamburg, Rostock, Greifswald<br />

und Berlin bis zu den noch forschungslasti-<br />

gen neuen EU-Mitgliedern der baltischen<br />

Staaten und Polen sowie Nordwest-Russland.<br />

Durch die mittlerweile zahlreichen EU-Projekte<br />

im ScanBalt-Verbund gelingt es, die<br />

Vernetzung der Branche in der Metaregion<br />

zu verstärken und die Entscheidungsträger<br />

in Brüssel für die Anliegen der Branche zu<br />

sensibilisieren. Es gilt, die kritische Masse in<br />

Forschung und Entwicklung in den Regionen<br />

zu stärken und neue Märkte für die jungen<br />

Firmen zu erschließen. Zu der ScanBalt<br />

BioRegion zählen mehr als 60 Universitäten<br />

und über 2.100 Life-Science- bzw. <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen, davon ca. 700 KMU, die sich<br />

auf Forschung spezialisiert haben. Organisiert<br />

wird die Zusammenarbeit dezentralisiert<br />

über den Bottom-up-Ansatz mit regionalen<br />

Büros in allen Anrainerstaaten. Zudem<br />

finden jährliche Treffen statt.<br />

www.bcv.org<br />

BioRegio STERN und BioRegioN sind Teil<br />

des EU-Projektes IN2LifeSciences<br />

BioRegio STERN aus dem Raum Stuttgart<br />

und die BioRegioN aus Niedersachsen unter<br />

Führung des BiomeTI e.V. bündeln ihre Kräfte<br />

in einem EU-Projekt: IN2LifeSciences –<br />

Transnational Innovation Incentives for Life<br />

Science SMEs – unterstützt die transnationale<br />

Vernetzung zwischen Life-Science-KMU und<br />

Experten aus den Bereichen „Technologien“,<br />

„Märkte“ und „Finanzen“. Im Fokus steht die<br />

Förderung von Forschung, Entwicklung und<br />

Kommerzialisierung neuer Produkte. Die<br />

beiden BioRegionen haben sich mit weiteren<br />

sechs Life-Science-Clustern aus den Ländern<br />

Frankreich, Niederlande, Belgien und Dänemark<br />

zu einem internationalen Konsortium<br />

zusammengeschlossen. Hauptziel des IN-<br />

2LifeSciences Projektes ist es, die Zusammen-<br />

arbeit über Grenzen als gezieltes Instrument<br />

für KMU zu nutzen, um deren jeweiliges Geschäftskonzept<br />

von Anfang an besser aufzustellen.<br />

Besondere Engpässe bestehen oft<br />

im Technologiebereich, im Zugang zu Finanz-<br />

mitteln, zu Märkten und generell im fehlen-<br />

den Wissen über ausländische Vertriebsspezifika<br />

und Regularien. Die internationalen<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Kollaborationen zwischen den KMU und<br />

Organisationen werden innerhalb des Projektes<br />

mittels finanzieller Anreize auf unterschiedlichen<br />

Ebenen gefördert. Mit Veranstaltungen<br />

wie den „Technology Brokerage<br />

Events“ oder den „Elevator Pitch Events“<br />

werden die Unternehmen dabei unterstützt,<br />

überregionale Technologiepartner für innovative<br />

Projekte bzw. Investoren zu finden.<br />

Zusätzlich werden Webinare zu ausgewählten<br />

Themen angeboten. Über B2B-Events<br />

und eine spezielle Datenbank können neue<br />

Geschäftspartner identifiziert werden.<br />

www.bioregio-stern.de<br />

www.bioregion.de<br />

Internationale Gründungsstory im<br />

BioRiver-Gebiet: AyoxxA Biosystems<br />

Für Pharma-Firmen sind sie selbstverständlich,<br />

für junge <strong>Biotech</strong>-Start-ups nicht: Internationale<br />

Kooperationen. AyoxxA Biosystems<br />

hat hingegen vom ersten Tag an einen internationalen<br />

Weg beschritten. Gegründet wurde<br />

das Unternehmen im Sommer 2010 von<br />

Prof. Dr. Dieter Trau und Dr. Andreas Schmidt<br />

als Spin-off der National University of Singa-<br />

pore, basierend auf dem sogenannten Multiplexing,<br />

bei dem mittels Chiptechnologie sehr<br />

viele unterschiedliche Proteine in kleinstem<br />

Probenvolumen gleichzeitig bestimmt werden<br />

können. In Singapur gilt AyoxxA Biosystems<br />

als hervorragendes Gründungsbeispiel. Hier<br />

profitiert das Start-up von der exzellenten<br />

Forschungslandschaft, dem ausgefeilten<br />

System zur Gründungsförderung sowie dem<br />

einfachen Kontakt zu großen Pharma-Unternehmen,<br />

die Singapur als Tor nach Asien<br />

nutzen. Bezüglich wissenschaftlicher Aspekte<br />

schaute AyoxxA von Singapur aus zuerst in<br />

Richtung USA. Bereits mit der Gründung<br />

wurde das Unternehmen in die „Singapore<br />

MIT Alliance of Research and Technology”<br />

(SMART) aufgenommen und gewann so<br />

neben finanzieller Förderung einen direkten<br />

Draht zum Massachusetts Institute of Techno-<br />

logy in Boston. Aus verschiedenen Gründen<br />

hat sich AyoxxA 2012 für Deutschland als<br />

weltweiten Hauptstandort entschieden. Besonders<br />

für ein Hightech-Unternehmen ist<br />

es zentral, ein verlässliches Zulieferernetz<br />

aufzubauen sowie erstklassige Ingenieursfirmen<br />

für die Produktion und qualifiziertes<br />

Personal zu finden. Zusätzlich konnte hier<br />

bereits in einem frühen Stadium eine starke<br />

Allianz mit Investoren gebildet werden: mit<br />

121


Wellington Partners als Lead-Investor, der<br />

NRW.BANK, dem HTGF, der KfW sowie Rainer<br />

Christine und Dr. Gregor Siebenkotten<br />

als Privatinvestoren. Letztlich hofft AyoxxA<br />

dem “Invented in Singapore & Made in Germany”<br />

mit der ersten Produktreihe der Proteinchips<br />

bald auch noch ein “Sold in the<br />

US” hinzuzufügen.<br />

www.bioriver.de<br />

BIO.NRW: Internationale Netzwerke und<br />

Kollaborationen in NRW<br />

BIO.NRW sorgt für die Internationalisierung<br />

des <strong>Biotech</strong>-Standorts NRW nicht nur mittels<br />

Präsenz durch Messestände und offizielle<br />

Sessions bei internationalen Leitmessen wie<br />

der BIO International Convention in den USA<br />

und der BIO-Europe, sondern organisiert<br />

auch maßgeschneiderte Veranstaltungen<br />

mit landeskundigen Experten. Die Regionen<br />

im Fokus von BIO.NRW sind Indien, Japan,<br />

China und Südkorea, in die z. B. Delegations-<br />

reisen durchgeführt werden. Zudem engagiert<br />

sich BIO.NRW im FP7-call „Bioeconomy<br />

regions – building strategies and partnerships<br />

for global growth from Europe”. In dem<br />

Konsortium sind Organisationen aus acht<br />

europäischen Ländern vertreten. Auch<br />

im Bereich der industriellen Biologie wird<br />

die Internationalisierung vorangetrieben.<br />

BIO.NRW unterstützt CLIB2021 durch perso-<br />

nelle Ressourcen, finanzielle Mittel und enge<br />

Zusammenarbeit. Das Cluster Industrielle<br />

<strong>Biotech</strong>nologie mit Sitz in Düsseldorf agiert<br />

international mit über 90 Mitgliedern aus<br />

Akademie, Industrie, KMU und Netzwerk-<br />

organisationen, von denen etwa 25 Prozent<br />

im Ausland ansässig sind. 2007 gegründet<br />

eröffnete CLIB2021 in den Jahren 2009<br />

bis 2012 nacheinander Repräsentanzen in<br />

Kanada, Russland, Brasilien und Malaysia.<br />

Die Auslandsbüros bilden dabei die Schnittstellen<br />

des Clusters in diese Regionen. Denn<br />

der Wandel hin zu einer biobasierten Öko-<br />

nomie bedarf einer globalen Zusammenarbeit,<br />

erfordert aber lokale Lösungen. Für<br />

verschiedene Weltregionen bieten sich jeweils<br />

andere nachwachsende Rohstoffe als Ressource<br />

an, was angepasste Verarbeitungsprozesse<br />

erfordert und unterschiedliche<br />

Produktspektren ermöglicht. Durch sein internationales<br />

Netzwerk unterstützt CLIB2021<br />

seine Mitglieder dabei, die jeweils geeignets-<br />

ten Ansätze und Technologien zu ermitteln<br />

und länderübergreifende Kooperationen<br />

zu initiieren. So können durch biotechnologische<br />

Verfahren neue Prozesse etabliert<br />

und innovative Produkte erschlossen werden.<br />

www.bio.nrw.de<br />

BioRN aktiviert Health Axis Europe<br />

In der Health Axis Europe (HAE), einer stra-<br />

tegischen Allianz zwischen den Biomedizin-<br />

Clustern Cambridge (England), Leuven (Bel-<br />

gien) und Heidelberg, startete das <strong>Biotech</strong>-<br />

Cluster Rhein-Neckar (BioRN) 2010 seine<br />

Aktivitäten zur Internationalisierung. Für die<br />

Einwerbung von EU-Fördermitteln wurde die<br />

HAE R&D-Community ins Leben gerufen. Sie<br />

bietet Wissenschaftlern aus europäischen<br />

Forschungseinrichtungen und aus der Industrie<br />

die Möglichkeit, sich über eine Online-<br />

Plattform zu Konsortien für europäische För-<br />

derprogramme zusammen zu schließen und<br />

gemeinsam Anträge für F&E-Projekte zu stellen.<br />

Koordinatoren helfen bei der Suche nach<br />

geeigneten Projektpartnern und unterstützen<br />

die Wissenschaftler bei der Antragstellung.<br />

Mit Businessplan-Wettbewerben im Rahmen<br />

des HAE Accelerators werden innovative<br />

Start-up-Teams in den drei Regionen der Health<br />

Axis Europe identifiziert, trainiert und<br />

mit internationalen VC-Investoren in Kontakt<br />

gebracht; auch über Ausrichtung eines Inves-<br />

tor Days (HAE Expo, September <strong>2013</strong>). Das<br />

Engagement des Clustermanagements im<br />

internationalen Entrepreneurship-Netzwerk<br />

TiE (The Indus Entrepreneurs) ist eine weitere<br />

Aktivität im Sinne der Internationalisierung:<br />

Es ermöglicht den Clusterakteuren den<br />

Zugang zu den „Emerging Markets“, so z. B.<br />

zum indischen Markt. Seit 2011 ist BioRN<br />

auch als Gründungsmitglied in der Internatio-<br />

nal Commercialization Alliance (ICA) aktiv.<br />

Die Mitglieder, sogenannte „Innovation Intermediaries“<br />

(Innovationsmittler) beschäftigen<br />

sich mit speziellen Services und Hilfestellun-<br />

gen, die die Kommerzialisierung von Innovationen<br />

zwischen Wissenschaft und Wirtschaft<br />

fördern können. Der Erfahrungsaustausch<br />

über Landesgrenzen hinweg sowie die Anbahnung<br />

von Kooperationen stehen außerdem<br />

im Fokus der Aktivitäten. Ganz im Sinne<br />

der Internationalisierung beschäftigen sich<br />

die Mitglieder beim diesjährigen Forum<br />

(International Commercialization Forum,<br />

ICF) u. a. mit „Born Global“-Konzepten.<br />

www.biorn.org<br />

122 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

BioLAGO: Motor für die Life Sciences<br />

am internationalen Bodensee<br />

Internationalität ist in der DNA des bodenseeweiten<br />

Netzwerks BioLAGO e.V. fest verankert.<br />

Verbindendes Element des Verbunds<br />

von Forschungseinrichtungen und Unternehmen<br />

in den Lebenswissenschaften und<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie ist hierbei der vierländerübergreifende<br />

Bodensee. Seit seiner Gründung<br />

vor fünf Jahren vereint das Netzwerk<br />

Akteure über Grenzen hinweg und repräsentiert<br />

heute rund 80 Mitglieder aus Deutschland,<br />

der Schweiz, Österreich und Liechtenstein.<br />

Grenzüberschreitende Kooperationen<br />

stehen bei den Netzwerkmitgliedern auf der<br />

Tagesordnung; teilweise konnten diese erst<br />

durch die Existenz der BioLAGO-Plattform<br />

überhaupt angestoßen und realisiert werden.<br />

Insbesondere Netzwerksveranstaltungen<br />

dienen dabei als erster Zündfunken<br />

für spätere Kollaborationen – so beispielsweise<br />

im Falle eines durch die EU und Interreg-Mittel<br />

geförderten Projekts zum „Einfluss<br />

des Erbguts auf den Verlauf und das<br />

Therapieansprechen bei einer Brustkrebs-<br />

erkrankung“. Den Weg ebnete hier ein<br />

Stammtisch des Vereins, bei dem Peter Pohl,<br />

Geschäftsführer des Konstanzer <strong>Biotech</strong>nologieunternehmens<br />

GATC <strong>Biotech</strong>, den<br />

Leiter des VIVIT-Labors im österreichischen<br />

Dornbirn kennenlernte und die Idee zur Zusammenarbeit<br />

entstand. Die internationale<br />

Ausrichtung des Netzwerks spiegelt sich auf<br />

allen Ebenen und in allen Aktivitäten wider:<br />

so organisiert BioLAGO jährlich z. B. eine<br />

Finanzierungskonferenz, die abwechselnd in<br />

den jeweiligen Bodensee-Anrainerstaaten<br />

stattfindet. Ziel ist dabei der länderübergreifende<br />

Austausch von Unternehmen zu Unternehmen.<br />

BioLAGO ist ebenfalls Triebfeder<br />

für den internationalen Austausch über den<br />

Bodensee hinaus. Dies wird in dem Engage-<br />

ment für das Mitglied SystemsX.ch deutlich,<br />

der größten öffentlich geförderten Forschungsinitiative<br />

der Schweiz, einem Tor für<br />

Kooperationen mit KMU aus Baden-Württem-<br />

berg. Der Systembiologie-Initiative gehören<br />

schweizweit Wissenschaftler an 12 Hochschulen<br />

und Universitäten (Zürich, Basel,<br />

Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Neuchâtel)<br />

sowie Forschungsinstitutionen an.<br />

www.biolago.org


Auswahl der internationalen Kooperationen und<br />

Netzwerke deutscher BioRegionen<br />

CLIB2021<br />

European Lead Factory<br />

Health Axis Europe:<br />

IN2LifeSciences:<br />

Aachen<br />

Mitglieder des Arbeitskreises der BioRegionen<br />

Düsseldorf<br />

Köln<br />

Bochum<br />

Münster<br />

Freiburg<br />

Wiesbaden<br />

Bremerhaven<br />

Bielefeld<br />

Bremen<br />

Heidelberg<br />

Wirtschaftsförderung<br />

und Technologietransfer<br />

Schleswig-Holstein GmbH<br />

Stuttgart<br />

Konstanz<br />

Hamburg<br />

Hannover<br />

Würzburg<br />

Ulm<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

IN2LifeSciences:<br />

München<br />

Rostock<br />

Halle<br />

Leipzig<br />

Regensburg<br />

Greifswald<br />

Berlin<br />

Dresden<br />

ScanBalt<br />

EDCA<br />

ScanBalt<br />

CEBR<br />

123


124 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Danksagung<br />

Die Publikation einer Branchenstudie ist das<br />

Resultat der Zusammenarbeit zahlreicher<br />

Personen. Neben dem Ernst & Young Team<br />

haben vor allem auch viele externe, unverzichtbare<br />

Ansprechpartner zum Gelingen<br />

des <strong>Report</strong>s beigetragen.<br />

Allen voran die vielen Kontakte zu <strong>Biotech</strong>-<br />

Unternehmen, die wir im Rahmen einer<br />

globalen Firmenumfrage ansprechen und<br />

die uns essenzielle Informationen auf ver-<br />

traulicher Basis zukommen lassen. Die<br />

wiederholt hohe Rücklaufrate der Antworten<br />

macht uns stolz und zeigt uns, dass die<br />

Branche unsere Erhebungen schätzt. Wir<br />

bedanken uns hierfür herzlich bei allen Teilnehmern<br />

der Umfrage.<br />

Ebenso informativ wie wertvoll sind die<br />

Expertenbeiträge in Form von themenbezogenen<br />

Artikeln. Als authentische Stimme<br />

aus der Branche sind sie für uns wichtiger<br />

Beleg für die Richtigkeit unserer Analyse-<br />

ergebnisse und Trends. Allen Autoren zollen<br />

wir unseren tiefsten Dank für ihre durchweg<br />

spontane Bereitschaft zur Formulierung<br />

ihrer Beiträge.<br />

Als wesentliche Zutaten ergeben darüber<br />

hinaus unzählige persönliche Gespräche mit<br />

Experten aus der Branche das „Salz in der<br />

Suppe“. Allen voran und stellvertretend bedanken<br />

wir uns bei den diesjährigen Expertenpanels,<br />

die in offener Diskussion viele<br />

Sachverhalte interpretieren halfen und unzählige<br />

neue Ideen und Vorschläge einbrachten:<br />

Rainer Christine, Science to Market<br />

Dr. Thomas Höger, Apogenix<br />

Dr. Ingmar Hoerr, CureVac<br />

Dr. Timm-H. Jessen, Bionamics<br />

Dr. Wolfgang Klein, AMD Therapy Fund<br />

Dr. Claus Kremoser, Phenex Pharmaceuticals<br />

Dr. Karl Nägler, Gimv<br />

Dr. Axel Polack, TVM Capital<br />

Dr. Holger Reithinger, Forbion Capital Partners<br />

Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners<br />

Der Erfolg des fertigen gedruckten <strong>Report</strong>s<br />

ist aber vor allem das Produkt eines motivier-<br />

ten und eng verzahnten Teams im Ernst &<br />

Young Life Science Center Mannheim. Die<br />

Erfassung und Analyse von Informationen<br />

und Daten aus der Life-Science-Industrie<br />

wurde durchgeführt von Nina Hahn, Eva-<br />

Maria Hilgarth, Dr. Claudia Pantke, Lisa-Marie<br />

Schulte und Ulrike Trauth. Die teameigene<br />

„Knowledge Platform“ ermöglicht tief-<br />

gehende Analysen, Vergleiche über Jahre<br />

und Geographien sowie die Ableitung<br />

solider Trends nicht nur für die vorliegende<br />

Studie.<br />

Eva-Maria Hilgarth war darüber hinaus für<br />

die Koordination aller externen Beiträge<br />

zuständig, während Ulrike Trauth für die<br />

Gesamtabstimmung und Redaktion der vorliegenden<br />

Studie verantwortlich zeichnete.<br />

Das Kernteam wurde ergänzt durch Georgia<br />

Nalpantidis, die das Teilprojekt der „<strong>Biotech</strong><br />

in Germany“-Karte in Händen hatte.<br />

Der besondere Dank an das gesamte Team<br />

liegt mir persönlich besonders am Herzen –<br />

für das Engagement, die perfekt koordinierte<br />

Teamleistung und trotz Dauerstress<br />

stets fühlbare Freude an der Arbeit.<br />

Nicht zuletzt gilt unser Dank auch Stefanie<br />

Probst und ihrem Team bei magenta Kommunikation,<br />

Design und Neue Medien für<br />

den unermüdlichen Einsatz, die unendliche<br />

Geduld mit vielen Änderungswünschen<br />

und Korrekturen und die professionelle Umsetzung<br />

unserer Ideen in ein optisch gelungenes<br />

Werk.<br />

Mit diesem Bericht verfolgen wir das Ziel,<br />

einen Überblick über aktuelle Perspektiven<br />

der <strong>Biotech</strong>nologiebranche in Deutschland<br />

zu geben und laufende Entwicklungen im<br />

internationalen Vergleich zu bewerten. Es<br />

handelt sich hierbei um einen unabhängigen<br />

Branchenbericht ohne externe Auftraggeber.<br />

Auf die Inhalte wurde keinerlei Einfluss durch<br />

einzelne Unternehmen oder Institutionen<br />

genommen.<br />

Dr. Siegfried Bialojan<br />

Gesamtleitung und Autor<br />

der Studie<br />

Nina Hahn<br />

Eva-Maria Hilgarth<br />

Dr. Claudia Pantke<br />

Lisa-Marie Schulte<br />

Ulrike Trauth<br />

Projektteam Ernst & Young<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 125


Anhang<br />

Methodik und Definitionen<br />

Methodik<br />

Ernst & Young erhebt seit über 20 Jahren<br />

Kennzahlen zur Beschreibung der <strong>Biotech</strong>no-<br />

logieindustrie in den Hauptmärkten USA,<br />

Europa, Kanada und Australien. Dabei geht<br />

es vor allem darum, Entwicklungen und<br />

Trends quantitativ zu erfassen und in entsprechenden<br />

Statistiken über die Jahre zu<br />

verfolgen. Die wichtigsten Qualitätskriterien<br />

hierbei waren und sind:<br />

• Eine konsistente Definition der Einschlusskriterien<br />

für <strong>Biotech</strong>-Firmen (siehe „Defini-<br />

tion: <strong>Biotech</strong>-Unternehmen“)<br />

• Die global einheitliche und konsistente<br />

Anwendung der Kriterien auf nationaler<br />

Ebene<br />

Die zugrundeliegenden Daten wurden mittels<br />

einer internationalen Befragung von<br />

<strong>Biotech</strong>-Unternehmen erhoben und durch<br />

intensive Sekundärrecherchen (BioCentury,<br />

Capital IQ, MedTRACK, Thomson Reuters,<br />

Dow Jones VentureSource, individuelle<br />

Firmen-Webseiten) ergänzt. Die Rücklaufquote<br />

der Primärerhebung betrug etwa<br />

40 % für Deutschland bzw. etwa 20 % für die<br />

übrigen Länder.<br />

Die Umrechnung ausländischer Währungen<br />

erfolgte auf Basis kalkulierter Jahresdurchschnittswerte<br />

der jeweiligen Wechselkurse<br />

(Quelle: www.oanda.com).<br />

Die themenbezogenen Expertenbeiträge<br />

wurden von externen Autoren verfasst und<br />

stellen somit deren Meinung dar.<br />

Definition: <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />

Ernst & Young analysiert in der vorliegenden<br />

Studie Unternehmen, deren Hauptgeschäfts-<br />

zweck die Kommerzialisierung der modernen<br />

<strong>Biotech</strong>nologie ist. Moderne <strong>Biotech</strong>nologie<br />

nutzt die Gentechnik und andere molekularbiologische<br />

Verfahren zur Produktion von<br />

innovativen Medikamenten, Diagnostika, Spezialchemikalien<br />

sowie transgenen Pflanzen<br />

und Tieren. Ferner werden hier sämtliche<br />

Technologien, Forschung und Dienstleistungen,<br />

die in vorgenannten Bereichen eingesetzt<br />

bzw. durchgeführt werden, eingeschlossen.<br />

Eingesetzte Verfahren sind beispielsweise:<br />

rekombinante DNA-Techniken; cDNA-Techniken<br />

und Biochips; Herstellung von und<br />

Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen<br />

als Tools, Therapeutika und Diagnostika;<br />

Tissue Engineering; Auftragsproduktion,<br />

wenn rekombinante Verfahren involviert<br />

sind; biologische Assays und zelluläre Systeme;<br />

Zellkulturen für Therapie und Produktion;<br />

Gentherapie und Drug Delivery; molekulare<br />

Diagnostik sowie moderne pflanzen-<br />

biotechnologische Verfahren.<br />

Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte<br />

und Verfahren, die nicht im engeren Sinne<br />

„bio“-technologisch sind, jedoch wichtige<br />

Bausteine in der Wertschöpfungskette der<br />

<strong>Biotech</strong>-Industrie darstellen (z. B. Bioinformatik<br />

sowie Technologien und Services im<br />

Bereich Medikamentenentwicklung).<br />

126 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Diese Studie beinhaltet im Kernsegment keine<br />

Firmen, die sich mit klassischen Methoden<br />

der <strong>Biotech</strong>nologie beschäftigen, also z. B.<br />

Verfahren aus der Umweltbiologie (klassische<br />

biologische Verfahren der Schadstoffbeseitigung<br />

wie Abwasserreinigung<br />

oder Biofilter), der Pflanzenbiologie (klassische<br />

Pflanzenzucht und Vermehrung,<br />

Saatgutherstellung), der Nahrungsmittelherstellung<br />

(Bierbrauer) und der klassi-<br />

schen industriellen <strong>Biotech</strong>nologie (Fermen-<br />

tation / Transformationen zur Herstellung<br />

von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische<br />

Enzymtechnologie). Ebenso werden<br />

Firmen ausgeschlossen, die allein analyti-<br />

sche Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches<br />

Arbeiten (z. B. klassische Labor-,<br />

klinische und genetische Diagnostik) sowie<br />

mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt.<br />

Firmen, die sich vorwiegend mit<br />

gängigen Technologien der Immunologie<br />

(ELISA und ähnliches) beschäftigen, die<br />

Diagnostikgeräte (basierend auf SPR oder<br />

Fluoreszenz u. ä.) anbieten, sowie Medizintechnikgeräte-<br />

und Verbrauchsmaterialhersteller<br />

sind ebenfalls nicht in die Untersuchung<br />

eingeschlossen. Ferner nicht berücksichtigt<br />

werden Firmen, die sich ausschließlich<br />

mit dem Vertrieb von biologischen<br />

Produkten (z. B. Biochemikalien) beschäfti-<br />

gen oder die <strong>Biotech</strong>nologie nicht als Hauptgeschäftszweck<br />

betreiben. Damit sind auch<br />

traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen<br />

aus der Pharma- und Agroindustrie<br />

ausgeschlossen, auch wenn sie mit Methoden<br />

der modernen <strong>Biotech</strong>nologie arbeiten.


Abgrenzung zu anderen Branchenstudien<br />

Für die statistische Analyse von Trends ist<br />

es erforderlich, die Untersuchungsmenge<br />

möglichst homogen zu definieren. Deshalb<br />

hat sich eine eher restriktive Handhabung<br />

der Einschlusskriterien etabliert.<br />

Diskrepanzen zu Erhebungen verschiedener<br />

nationaler Institutionen ergeben sich vorwiegend<br />

dadurch, dass diese verständlicher-<br />

weise vornehmlich volkswirtschaftlich relevante<br />

Bewertungskriterien bei der Beschrei-<br />

bung der Branche anlegen, um eine regionale<br />

oder nationale Leistungsfähigkeit zu belegen.<br />

In diesem Zusammenhang tragen z. B. Nieder-<br />

lassungen ausländischer Muttergesellschaften<br />

in Deutschland sehr wohl zur volkswirtschaftlichen<br />

Leistung bei (Mitarbeiter, Umsatz,<br />

F&E-Aufwendungen, Steueraufkommen etc.);<br />

gleichwohl zwingt eine globale Analyse – wie<br />

sie von Ernst & Young regelmäßig durchgeführt<br />

wird – formal zur Zuordnung des Unternehmens<br />

zum juristischen Hauptsitz, um<br />

Doppelzählungen zu vermeiden. Auch ist es<br />

vielfach schwierig, von international tätigen<br />

Unternehmen detaillierte Zahlen – beispielsweise<br />

zu Umsatz, F&E-Ausgaben etc. – zu<br />

erhalten, die ihre regionalen Niederlassungen<br />

exakt abbilden.<br />

Das Vorgehen auf Basis einer restriktiveren<br />

Definition hat jedoch keine Auswirkungen<br />

auf die Beschreibung von Trends beziehungs-<br />

weise auf die Detailanalysen von Finanzierungs-<br />

oder Transaktionsentwicklungen,<br />

welche im Fokus der Ernst & Young Berichte<br />

stehen.<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 127


Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen<br />

Tabellen<br />

Kapitel Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie 39<br />

Kennzahlen der europäischen <strong>Biotech</strong>-Industrie (börsennotierte Unternehmen) 39<br />

Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie im Detail 40<br />

Neugründungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2011/2012 41<br />

Kapitel Transaktionen<br />

Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 49<br />

Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 55<br />

M&As deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 60<br />

M&As europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 63<br />

Kapitel Finanzierung<br />

Risikokapitalfinanzierungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 70<br />

Risikokapitalfinanzierungen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 83<br />

Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl) 85<br />

Börsengänge europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 90<br />

Börsengänge US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 91<br />

Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 92<br />

Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 93<br />

Die 30 größten <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Europas nach Marktkapitalisierung, 2012 97<br />

Kapitel Produkte<br />

Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl) 102<br />

In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin 107<br />

128 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Abbildungen<br />

Kapitel Perspektive<br />

Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz 8<br />

Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette 11<br />

Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten 12<br />

Übersicht der deutschen Tech@Companies im Therapiesektor 14<br />

Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics 18<br />

Übersicht der deutschen Tech@Companies im Diagnostiksektor 21<br />

Biologisierung der Industrien 22<br />

Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung 24<br />

Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA 36<br />

Kapitel Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />

Fluktuation bei deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 39<br />

Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen in Deutschland 42<br />

Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland nach Geschäftsfeld, 2012 43<br />

Kapitel Transaktionen<br />

Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 45<br />

Allianzen europäischer und US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 45<br />

Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 46<br />

Zahlungsströme aus Allianzen an europäische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 46<br />

Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners 56<br />

Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern, Europa und USA 57<br />

Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies im Vergleich 58<br />

Käuferanalyse globaler Pharma-Allianzen 59<br />

Käuferanalyse globaler Pharma-M&As 64<br />

Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer 64<br />

Firepower: Abnahme bei Big Pharma, Zunahme bei Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong> 65<br />

Geringere Firepower führt zur Verdrängung von Big Pharma aus M&As 65<br />

Kapitel Finanzierung<br />

Kapitalaufnahme deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 67<br />

Kapitalaufnahme europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 67<br />

Kapitalaufnahme US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 68<br />

Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland 69<br />

Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern 82<br />

Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international) 84<br />

Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012 96<br />

Kapitel Produkte<br />

<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Deutschland 99<br />

<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012 99<br />

Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012 100<br />

Klinische Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Substanz, 2012 103<br />

Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012 104<br />

Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012 112<br />

Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA 113<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 129


Verzeichnis der Expertenbeiträge<br />

Kapitel Perspektive<br />

<strong>Biotech</strong> classica – Quo vadis? 6<br />

Dr. Timm-H. Jessen, CEO Bionamics GmbH, Hamburg<br />

Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation 9<br />

Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg<br />

Lead Discovery Center: Skipping <strong>Biotech</strong> – Verzichtet Pharma in Zukunft auf <strong>Biotech</strong>? 10<br />

Dr. Bert Klebl, CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH, Dortmund<br />

Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße <strong>Biotech</strong>nologie 27<br />

Dr. Holger Zinke, Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />

Von Brustimplantaten zur Textilfaser: AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum 28<br />

Axel Leimer, CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried<br />

Interim-Management: Mit Erfahrung starten 30<br />

Dr. Alrik Koppenhöfer, LSCN Ltd., Heidelberg<br />

Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups 31<br />

Dr. Jörg Fregien, Geschäftsführer Life Science Inkubator, Bonn<br />

Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion 33<br />

Christian A. Stein, CEO Ascenion GmbH, München<br />

VolksparkLabs – Eine Privatinitiative zur Förderung von Life Science 34<br />

Prof. Dr. Carsten Claussen, Initiator der VolksparkLabs, CEO European ScreeningPort GmbH, Hamburg<br />

Kapitel Transaktionen<br />

Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro von MSD für HCMV-Portfolio 50<br />

Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff, CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal<br />

Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen 51<br />

Dr. Claus Kremoser, Thomas Hoffmann, CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen<br />

evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity 54<br />

Dr. Thorsten Eggert, CEO evocatal GmbH, Düsseldorf<br />

Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline 61<br />

Dr. Gitte Neubauer, Geschäftsführerin Cellzome GmbH, eine GSK-Tochter, Heidelberg<br />

Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter 62<br />

Prof. Dr. Götz Münch, CEO advanceCOR GmbH, Martinsried<br />

Kapitel Finanzierung<br />

Business Angels und Venture-Capital-Investoren – Nur gemeinsam stark 75<br />

Rainer Christine, Science to Market Venture Capital GmbH, Köln<br />

Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics 76<br />

Dr. Marc W. Hentz, Managing Director AMP Therapeutics GmbH, Leipzig<br />

Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt 78<br />

Dr. Ulf Menyes, CEO Enzymicals AG, Greifswald<br />

Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie: Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran 79<br />

Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen<br />

CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell? 80<br />

Werner J. Langner, CATO Europe GmbH, Köln<br />

Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern 81<br />

Andreas Huber, Bayern Kapital GmbH, Landshut<br />

Wellington Partners IV Life Science Fund: Ja zu <strong>Biotech</strong>, aber mit hoher Selektivität 87<br />

Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners, München<br />

Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten gebraucht werden 88<br />

Sven Pirsig, Ernst & Young GmbH, Berlin<br />

Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche <strong>Biotech</strong>nologie 89<br />

Ingrid Zwoch, Nationale Kontaktstelle Lebenswissenschaften (Projektträger für das BMBF), Bonn<br />

Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch: 4SC führt Kapitalerhöhung durch 94<br />

Enno Spillner, CEO / CFO 4SC AG, Martinsried<br />

Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen 95<br />

Peter Brock, Family Office Services, Ernst & Young GmbH, Düsseldorf<br />

130 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Kapitel Produkte<br />

Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation 105<br />

Dr. Adi Hoess, CEO Affimed Therapeutics AG, Heidelberg<br />

CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer and Infectious Diseases 110<br />

Dr. Frank W. Falkenberg, CSO CyTuVax BV, Maastricht<br />

Zusammenspiel von Physik und <strong>Biotech</strong>nologie: GNA Biosolutions 111<br />

Dr. Lars Ullerich, Dr. Joachim Stehr, Dr. Frederico Bürsgens, Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH, Martinsried<br />

Kapitel <strong>Biotech</strong>-Standort Deutschland<br />

BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen zur Förderung innovativer Spitzentechnologie 116<br />

Dr. Peter Heinrich, BIO Deutschland e.V., Berlin<br />

Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand 117<br />

Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Forschung & Innovation / <strong>Biotech</strong>nologie,<br />

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Berlin<br />

Ci3 Spitzencluster – Katalysator für immunologische Innovationen 119<br />

Dr. Rainer Wessel, Cluster Individualisierte ImmunIntervention (Ci3), Mainz<br />

BioRegionen in Deutschland – Best Practice „Internationale Vernetzung“ 120<br />

Beiträge verschiedener BioRegionen; Koordination: Dr. Klaus Eichenberg,<br />

Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, Stuttgart,<br />

Sprecher des Arbeitskreises der BioRegionen in Deutschland, Berlin<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

131


Glossar<br />

ADME/PK Pharmakokinetik; Einwirkung des Organismus auf<br />

ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit der Zeit<br />

AMNOG Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />

Antibody Drug Conjugate Antikörper(fragment) gekoppelt an<br />

einen medizinischen, z. B. zytotoxischen Wirkstoff<br />

API Active Pharmaceutical Ingredient; Wirkstoff in einem Medikament<br />

Asset Vermögensgegenstand<br />

Aut-idem-Regelung Regelung, die dem Apotheker die Möglichkeit<br />

gibt, statt des vom Arzt verordneten Medikamentes ein wirkstoffgleiches,<br />

preisgünstigeres Präparat abzugeben<br />

BA Business Angel; Investor, der Start-up-Unternehmen mit Kapital,<br />

Erfahrung und Kontakten unterstützt<br />

Back-loaded Deal Deal, bei dem ein Großteil der Zahlungen gegen<br />

Ende der Vereinbarungszeit anfällt (z. B. in Form von Meilensteinzahlungen)<br />

Basel III / Solvency II Neue Eigenkapital- und Liquiditäts-<br />

vorschriften für Banken (Basel III); neue Eigenkapitalrichtlinien<br />

für Versicherer (Solvency II)<br />

BD Business Development; Geschäftsentwicklung<br />

Best Practice Erfolgsmethode; bewährte Vorgehensweise in<br />

Unternehmen<br />

Biobetter Biopharmazeutisches Nachfolgepräparat, welches eine<br />

Verbesserung des Originals darstellt<br />

Biologicals / Biologics Mit biotechnologischen Methoden her-<br />

gestellte Arzneistoffe (z. B. Antikörper)<br />

Bio-Dollars Potenzieller Wert einer strategischen Partnerschaft<br />

inklusive möglicher Meilensteinzahlungen<br />

Biosimilar <strong>Biotech</strong>nologisch erzeugtes Folgepräparat eines<br />

Biopharmazeutikums<br />

Brand Heritage Werte, Rituale und Traditionen, die durch die<br />

Verankerung einer Marke in der Vergangenheit entstanden;<br />

häufig durch Unternehmensgründer oder Herkunftsort geprägt<br />

Break-even-Point Gewinnschwelle, an der Erlöse und Kosten<br />

gleich hoch sind und somit weder Verlust noch Gewinn erwirt-<br />

schaftet wird<br />

Burn Rate Geldverbrennungsrate; Geschwindigkeit, mit der ein<br />

Unternehmen seine finanziellen Mittel verbraucht<br />

Business Model Geschäftsmodell<br />

CAGR Compound Annual Growth Rate; durchschnittliche relative<br />

Zunahme einer Größe pro Zeiteinheit<br />

Club Deal Zusammenschluss von Unternehmen zu einem<br />

Konsortium, um Vorteile in bestimmten Geschäften zu erzielen<br />

132 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Companion Diagnostics CDx; Parallel zu zielgerichteten<br />

Medikamenten entwickelte Begleitdiagnostika, mit denen der<br />

Biomarkerstatus der Patienten bestimmt wird<br />

Computational Chemistry Kombination von Chemie und Infor-<br />

matik zur Vorhersage von Molekülstrukturen und –verhalten<br />

Contract Research Auftragsforschung, z. B. Planung und Durchführung<br />

klinischer Studien als Dienstleistung<br />

Corporate Unternehmen betreffend<br />

Corporate Investor Unternehmen, das als Investor auftritt<br />

Corporate Venture Capital CVC; Risikokapital, das von Firmen<br />

mittels eines eigens dafür gegründeten Fonds als Eigenkapital zur<br />

Verfügung gestellt wird<br />

Cross-fund Investments Investitionen in eine Portfoliofirma zu<br />

unterschiedlichen Zeiten aus verschiedenen Funds<br />

Crowd Financing / Crowd Funding Schwarmfinanzierung; Art der<br />

Finanzierung, wobei eine breite Masse an Anlegern angesprochen<br />

wird, aber jeder Kapitalgeber nur einen geringen finanziellen Anteil<br />

trägt<br />

Deal Vertraglich festgelegte Zusammenarbeit zweier oder<br />

mehrerer Unternehmen mit dem Entschluss, ein bestimmtes<br />

gemeinsames Ziel zu erreichen<br />

Dealflow Zahl der Investmentmöglichkeiten, die Investoren<br />

angeboten werden<br />

Deal Sourcing Aufspüren und Evaluierung möglicher Deals<br />

De-risking Anlagestrategie zur Reduzierung von Risiken<br />

Drug Delivery Transport von pharmakologisch aktiven Substanzen<br />

an ihren Wirkungsort, z. B. durch spezielle Formulierungen,<br />

Verpackungen, Konjugate<br />

Drug Discovery Erforschung neuer medizinischer Wirkstoffe<br />

Drug Discovery Engine Technologiepalette, die zur Entdeckung<br />

neuer medizinischer Wirkstoffe genutzt wird<br />

Early Licensing Lizenzvereinbarung über ein Produkt in einem<br />

frühen Entwicklungsstadium<br />

Early / Late Stage Frühe / späte Phase in der Entwicklung eines<br />

Unternehmens bzw. eines Produkts<br />

Earn-Out Ein im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags zusätzlich<br />

zu dem Basispreis vereinbarter variabler Zahlungsbestandteil,<br />

der in festgelegten Abständen zu leisten ist und sich in seiner Höhe<br />

an einer betriebswirtschaftliche Bemessungsgrundlage orientiert,<br />

wie z. B. Umsatz oder Gewinn<br />

Entrepreneur Unternehmertyp, der mit hohem persönlichem<br />

Einsatz sowie großer Innovations- und Risikobereitschaft eine<br />

Firma führt


Exit Gelegenheit für Investoren, ihre Anteile an einem Unter-<br />

nehmen zu veräußern<br />

Family Office FO; Gesellschaft, die das Großvermögen einer<br />

Familie verwaltet<br />

F&E Forschung und Entwicklung<br />

Financial Engineering Entwicklung von neuen Finanzinstrumenten<br />

und -strategien<br />

FIPCO Fully Integrated Pharmaceutical Company; Geschäfts-<br />

modell, das den gesamten Entwicklungsprozess eines pharmazeutischen<br />

Produkts von der Entdeckung bis zur Vermarktung umfasst<br />

First-in-Class Drug erstes Medikament einer bestimmten Behandlungs-<br />

oder Substanzklasse<br />

Freedom to Operate Möglichkeit, ein Produkt zu entwickeln, zu<br />

benutzen oder zu vermarkten, ohne dass Eigentumsrechte eines<br />

Dritten verletzt werden<br />

Genetic Engineering Gentechnische Modifizierung von Organismen<br />

Going Concern Unternehmen, dessen Fortbestehen für absehbare<br />

Zeit gesichert ist<br />

Glycoengineering Optimierung der physiko-chemischen Eigenschaften<br />

rekombinanter Glykoproteine hinsichtlich Stabilität und<br />

Bioaktivität<br />

Grant Fördermittel; Finanzielle Zuwendung von Regierungen oder<br />

Stiftungen, die nicht zurückgezahlt werden muss<br />

GMP Good Manufacturing Practice; Richtlinien zur standardisierten<br />

Qualitätssicherung von Produktionsstätten und -abläufen<br />

Health Outcome Gesundheitszustand nach einer Behandlung<br />

iKMU Innovative kleine und mittlere Unternehmen<br />

Imaging Bildgebungsverfahren bzw. -instrumente<br />

Implementation Gap Umsetzungslücke<br />

Incentivierung Motivationsanreiz, z. B. durch Steuervergünstigungen,<br />

Geld- oder Sachprämien<br />

Innovation Hub Umgebung, in der innovative Kräfte gebündelt<br />

auftreten<br />

IND Investigational New Drug; neuer Wirkstoff, der von der FDA für<br />

klinische Studie zugelassen wurde<br />

IP Intellectual Property; geistiges Eigentum<br />

IPO Initial Public Offering; Börsengang<br />

iPS cells induced pluripotent stem cells; induzierte pluripotente<br />

Stammzellen, die durch künstliche Reprogrammierung nicht-<br />

pluripotenter somatischer Zellen erzeugt werden<br />

IRR Internal rate of return; Interner Zinsfuß<br />

JV Joint Venture; Beteiligungsunternehmen<br />

KMU Kleine und mittlere Unternehmen<br />

Lead Führend; verwendet auch für Hauptprodukt, Hauptinvestor<br />

Leverage Hebelwirkung<br />

Listing Börsennotierung, Börsenzulassung<br />

M&A Mergers and Acquisitions; Fusionen und Übernahmen<br />

MAB Monoklonaler Antikörper<br />

Market Pull Anforderungen an Produkteigenschaften und<br />

Technologien, die von Kunden und Markt formuliert werden<br />

Matching Fund Komplementäre Finanzierung, in der die Bereit-<br />

stellung öffentlicher Mittel an die Einwerbung privater Gelder<br />

gekoppelt ist<br />

Mega-Deal Allianz oder M&A mit einem herausragenden Deal-Volumen<br />

Mechanism of Action Wirkmechanismus, z. B. eines medizinischen<br />

Wirkstoffs<br />

Microarray Trägermaterial, auf dem z.B. DNA- oder Protein-<br />

fragmente aufgebracht werden; erlaubt die parallele Analyse<br />

mehrerer Tausend Einzelnachweise in geringen Probenmengen<br />

Milestone Meilenstein; vereinbartes Zwischenziel<br />

Mode of Action Wirkungsweise, z. B. eines medizinischen<br />

Wirkstoffs<br />

mRNA messenger RNA (Boten-RNA); zu einer Gensequenz (DNA)<br />

komplementäre einzelsträngige RNA, welche als Vorlage für die<br />

Proteinbiosynthese dient<br />

Multiples Multiplikatoren; Verhältnisgröße, die anhand betriebswirtschaftlicher<br />

Kennzahlen ermittelt und u.a. zur Unternehmensbewertung<br />

herangezogen wird<br />

Next Generation Sequencing Nächste Generation der DNA-<br />

Sequenzierungstechnologie<br />

NK cells Natürliche Killerzellen; eine Gruppe weißer Blutzellen<br />

Omics omik; Suffix, das Teilgebiete der Biologie kenntlich macht,<br />

die sich mit der Analyse der Gesamtheit ähnlicher Einzelelemente<br />

befassen; z. B. beschäftigt sich die Proteomik mit der Gesamtheit<br />

der Proteine eines Organismus<br />

Open Innovation Öffnung des Innovationsprozesses von<br />

Unternehmen zur Außenwelt hin<br />

Open Mindset Offene geistige Haltung / Denkweise<br />

Orphan Drug Medikament zur Behandlung seltener Krankheiten<br />

Outpartnering Ausgliederung von (Teil-)Prozessen an Partner-<br />

unternehmen<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 133


Outsourcing Ausgliederung von Betriebsfunktionen, Abgabe von<br />

Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen<br />

Partnering Eingehen von Geschäftsbeziehungen mit anderen<br />

Unternehmen<br />

Patient Outcome Patientennutzen; Resultat einer Therapie für<br />

den Patienten<br />

PCR Polymerase-Kettenreaktion; Methode zur DNA-Verviel-<br />

fältigung<br />

PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital<br />

PIPE Private Investment in Public Equity; Ausgabe von Aktien an<br />

einen ausgewählten Investorenkreis<br />

Pipeline Gesamtheit der in der Entwicklung befindlichen Produkte<br />

eines Medikamentenentwicklers<br />

Point-of-Care-Diagnostik Diagnostik, die unmittelbar am<br />

Patienten in Praxis / Krankenstation/Apotheke durchgeführt wird<br />

Policy Richtlinie<br />

Pre-money Valuation Bewertung eines Unternehmens vor dem<br />

Erhalt einer externen Finanzierung<br />

PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital<br />

Proof of Concept Machbarkeitsnachweis<br />

Proof of Market Marktfähigkeitsnachweis<br />

Protein Engineering Herstellung, Konstruktion und Optimierung<br />

von Proteinen (z. B. Enzymen)<br />

Public Funding Förderung aus öffentlichen Mitteln<br />

PPP Public Private Partnership; Kooperation zwischen der<br />

öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zur Erfüllung staatlicher<br />

Aufgaben<br />

R&D Research and Development; Forschung und Entwicklung<br />

Readiness Zustand der Bereitschaft, um bei günstigen<br />

Bedingungen handeln zu können, z. B. um Exits oder andere Trans-<br />

aktionen durchzuführen (Exit / Transaction Readiness)<br />

Retail Fonds Beteiligungsfonds, der seine Finanzmittel von<br />

Privatinvestoren einwirbt<br />

ROI Return on Investment; Kapitalrendite; erzielter Gewinn im<br />

Verhältnis zum eingesetzten Kapital<br />

Reverse IPO Indirekter Börsengang, bei dem ein privates Unternehmen<br />

durch den Zusammenschluss mit einer bereits börsen-<br />

notierten Gesellschaft handelbar wird<br />

Reimbursement Kostenerstattung<br />

Rights Offering Zeitlich begrenztes Angebot an Aktieninhaber,<br />

zusätzliche Aktien zu einem bestimmten (Vorzugs-)Preis zu<br />

erwerben<br />

134 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />

Royaltys Ertrags- und / oder nutzungsabhängige Zahlungen im<br />

Rahmen einer Lizenzvereinbarung<br />

Rump Placement Privatplatzierung von Aktien, die bei einer<br />

Bezugsrechtsemission nicht in der normalen Bezugsfrist platziert<br />

werden konnten<br />

Scale-up Maßstabsvergrößerung von Herstellungsverfahren<br />

Scaffold Makromolekülstruktur<br />

Scouting Auskundschaften<br />

Secondarys Weiterverkauf von Unternehmensanteilen unter<br />

Investoren<br />

Seed Gründungsphase eines Unternehmens<br />

Small Molecule Niedermolekulare Verbindung<br />

Soft Money Einmalige Finanzierung für ein spezifisches Projekt<br />

Specialty Pharma Pharma-Firmen, die sich auf die Weiterent-<br />

wicklung und Vermarktung von Medikamenten spezialisiert haben,<br />

häufig unter Verwendung innovativer Drug-Delivery-Technologien<br />

Spin-off Ableger (Wirtschaft); eine Abteilungsausgliederung<br />

aus einer Unternehmung oder eine Firmenneugründung aus einer<br />

Institution heraus<br />

Start-up Unternehmen in der Frühphase seiner Entwicklung<br />

Steady State Gleichgewichtszustand<br />

Target (Angriffs-)Ziel, auch verwendet für molekulare Zielstruktur<br />

und Unternehmen als Gegenstand einer Transaktion<br />

Targeted Therapy Zielgerichtete Therapie, bei der ein Wirkstoff<br />

spezifisch mit krankheitsrelevanten Molekülen interagiert<br />

Time-to-Market Zeit von der Idee eines Produktes bis zum<br />

Markteintritt<br />

Tool Technisches Hilfsmittel und Ausrüstungsmaterial zum Einsatz<br />

in Forschung und Entwicklung<br />

Track Record Beleg über Erfolge und Erfahrungen<br />

Trade Sales Verkauf einer jungen Firma durch deren Management<br />

und andere Investoren an ein Industrie- / Großunternehmen<br />

USP Unique Selling Proposition; Alleinstellungsmerkmal<br />

Upfront-Zahlung Zahlung, die zum Zeitpunkt einer Vertragsunterzeichnung<br />

getätigt wird (Vorauszahlung)<br />

Value Inflection Point Etappenziel in der Wertsteigerung eines<br />

Unternehmens<br />

VC Venture Capital; Risikokapital<br />

Webinar Seminar, das im Word Wide Web gehalten wird


Notizen<br />

Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 135


Notizen<br />

136 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>


Ernst & Young<br />

Assurance | Tax | Transactions | Advisory<br />

Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick<br />

Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung,<br />

Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das<br />

Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 167.000 Mitarbeiter<br />

sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden.<br />

Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young<br />

Global Limited (<strong>EY</strong>G). Jedes <strong>EY</strong>G-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig<br />

und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.<br />

Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht und<br />

erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com<br />

In Deutschland ist Ernst & Young mit rund 7.400 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent.<br />

„Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen<br />

von Ernst & Young Global Limited.<br />

© <strong>2013</strong><br />

Ernst & Young GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

All Rights Reserved.<br />

Ernst & Young ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten.<br />

Diese Publikation wurde daher auf Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht.<br />

Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte<br />

Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein<br />

Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen<br />

Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung<br />

seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen Ernst & Young-<br />

Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden.<br />

mag 0413<br />

ED none<br />

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