EY-Biotech-Report_D_2013
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Umdenken ...<br />
... weiter denken, breiter denken<br />
Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Impressum<br />
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte,<br />
auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung<br />
des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten.<br />
Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung<br />
von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie,<br />
Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren)<br />
reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme<br />
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />
Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie<br />
Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch<br />
ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,<br />
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung<br />
als frei zu betrachten wären und<br />
daher von jedermann benutzt werden dürfen.<br />
Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten,<br />
die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie<br />
Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt<br />
wurden. Die in diesem <strong>Report</strong> wiedergegebenen<br />
qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit<br />
hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber<br />
keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit<br />
der Angaben.<br />
Ernst & Young GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim<br />
April <strong>2013</strong><br />
Layout und Produktion: magenta – Kommunikation,<br />
Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim
Inhalt<br />
Vorwort/Preface 2<br />
Perspektive 4<br />
Rollenverständnis „<strong>Biotech</strong>nologie“ erweitern 5<br />
Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor 7<br />
Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies 15<br />
Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie 22<br />
Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen 29<br />
Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter 35<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie 38<br />
Zahlen und Fakten im Überblick 39<br />
Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen 40<br />
Transaktionen 44<br />
Zahlen und Fakten im Überblick 45<br />
Umdenken für attraktivere Transaktionen 47<br />
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 48<br />
Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 55<br />
Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen 58<br />
Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt 59<br />
M&A-Transaktionen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 60<br />
M&A-Transaktionen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 63<br />
Firepower von Big Pharma nimmt ab 64<br />
Finanzierung 66<br />
Zahlen und Fakten im Überblick 67<br />
Finanzierung privater <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 69<br />
Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 90<br />
Marktkapitalisierung 96<br />
Produkte 98<br />
Zahlen und Fakten im Überblick 99<br />
Wirkstoffpipeline in Deutschland 100<br />
Biomarker als lukrative Marktprodukte 106<br />
Neugründungen mit innovativen Ideen 108<br />
Wirkstoffpipeline in Europa 112<br />
Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA 113<br />
<strong>Biotech</strong>-Standort Deutschland 114<br />
Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik 115<br />
Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung 118<br />
Danksagung 125<br />
Anhang 126<br />
Methodik und Definitionen 126<br />
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 128<br />
Verzeichnis der Expertenbeiträge 130<br />
Glossar 132
Vorwort<br />
Die aktuellen Wirtschaftsprognosen in<br />
Deutschland sind positiv und sorgen für<br />
bessere Stimmung und Zuversicht. Die<br />
Grundlage hierfür schafft der Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland mit starker Technologiebasis<br />
und darauf aufbauender Produktion<br />
von Gütern, die am Weltmarkt hoch<br />
geschätzt sind. Dennoch gibt es auch Sorgen<br />
der Menschen, z. B. aufgrund steigender<br />
Energiepreise, zunehmender Umweltbelas-<br />
tungen und deren Auswirkungen auf die<br />
Gesundheit. In dieser Situation mahnt mancher<br />
zum „Umdenken“:<br />
• Gelingt der Umstieg auf alternative Energie-<br />
quellen?<br />
• Wie kann die Umwelt besser und nachhaltig<br />
geschützt werden, um sie für nachfolgende<br />
Generationen zu erhalten?<br />
• Wie kann das Gesundheitssystem die technischen<br />
Möglichkeiten nutzen und trotzdem<br />
bezahlbar bleiben?<br />
„Umdenken“ – so auch der Titel des diesjährigen <strong>Biotech</strong>nologie-<br />
<strong>Report</strong>s. In den letzten Jahren wurde als Konsequenz aus der<br />
Finanzierungskrise über „Neue Spielregeln“ für die Unternehmen<br />
der <strong>Biotech</strong>-Branche nachgedacht und darüber, wie man „Weichen<br />
stellen“ kann, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Diese Reihe<br />
gipfelte im letztjährigen Titel „Maßgeschneidert“, der illustrierte,<br />
dass es keine Standardmodelle mehr gibt und jedes individuelle<br />
Unternehmen mit seinen spezifischen Stärken seinen eigenen Weg<br />
beschreiten muss.<br />
Warum also schon wieder „Umdenken“?<br />
Dr. Siegfried Bialojan<br />
Der vorliegende 14. Ernst & Young <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> versucht,<br />
den in den letzten drei Jahren immer enger auf das individuelle<br />
Unternehmen fokussierten Blick – auf seine USPs, seinen individuellen<br />
Businessplan, seine optimierte Finanzierungsstrategie –<br />
wieder zu weiten, um über neue Opportunitäten in einem sich<br />
ändernden, breiteren Umfeld vieler Industrien nachzudenken.<br />
In den vergangenen zehn Jahren wurde der <strong>Biotech</strong>nologie sukzessive<br />
ihre eigentliche Daseinsberechtigung und Stärke – die Entwicklung<br />
und Etablierung von „Bio-Technologien“ – entzogen; sie wurde<br />
zu sehr auf den Bereich der Therapeutikaentwicklung reduziert,<br />
ausgerechnet einen Sektor mit extrem hohen Risiken, Kosten, langen<br />
Zeitspannen und Konkurrenz bis zum Erfolg am Markt. Die Folgen<br />
waren unausweichlich: Misserfolge, gescheiterte Finanzierungs-<br />
systeme, schlechte Reputation und wenig Zutrauen in die Leistungsfähigkeit<br />
der <strong>Biotech</strong>-Branche insgesamt.<br />
„Umdenken“ bedeutet, sich wieder der eigentlichen Stärken zu<br />
besinnen. Darauf aufbauend müssen die Felder identifiziert werden,<br />
in denen die „Bio-Technologien“ auf hohen Bedarf treffen und in<br />
attraktiven Geschäftsmodellen ihren Anteil an der Wertschöpfung<br />
bekommen können.<br />
2 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Preface<br />
Current economic forecasts in Germany are<br />
positive and provide more confidence again.<br />
This is mainly driven by a strong technology<br />
base ensuring the manufacturing of high<br />
value products with an excellent reputation<br />
in global markets. Nevertheless, there are<br />
concerns as well, e. g. about the increasing<br />
cost of energy or the growing ecological<br />
damage with its consequences for public<br />
health. This situation generates a need to<br />
“Rethink”:<br />
• How can the transition to renewable energy<br />
sources be managed?<br />
• How can the environment be better protected<br />
for future generations?<br />
• How can technological innovations be<br />
leveraged best in order to sustain health<br />
care systems at affordable costs?<br />
“Rethinking” is also the title of this year’s<br />
Ernst & Young German biotech report. In previous years we have<br />
thought about “New Rules” for biotech companies in order to overcome<br />
the global financial crisis and about being “On the right<br />
tracks” to establish new business models. Along these lines, last<br />
year’s title “Tailor-made” indicated that standardized models are no<br />
longer relevant but every single enterprise has to find its own way<br />
based on its individual strengths.<br />
Why then “Rethinking” again?<br />
This 14th edition of the German Ernst & Young <strong>Biotech</strong> report attempts<br />
to widen again the perspective which had been narrowed down in<br />
previous years to more and more reflect individualized aspects –<br />
such as USPs, individual business plans or optimized financial strategies.<br />
It is about new opportunities in a changing environment with<br />
specific emphasis on applications in multiple industries.<br />
During the last decade, biotechnology had been more and more<br />
deprived of its raison d’être and actual strength – generating and<br />
establishing new “bio-technologies” – and was essentially reduced to<br />
drug development; an extremely risky sector associated with high<br />
costs, long development cycles and fierce competition on the way to<br />
market. The consequences were inevitable: failures, failed financing<br />
strategies, bad reputation and vanishing trust in the capabilities of<br />
the whole biotech sector.<br />
“Rethinking” therefore refers to reconsidering actual strengths<br />
as well as to analyzing and identifying fields with high demand for<br />
“bio-technologies”. Fields in which, at the same time, biotech can<br />
secure a valuable share of associated value chains and benefit from<br />
attractive business models.<br />
Rethinking within the therapeutic sector may mean to leverage new<br />
technology platforms for the generation of novel compound classes<br />
or to cover parts of pharmaceutical value chains. Rethinking may also<br />
mean “thinking beyond” and looking into new technology fields in
Umdenken innerhalb des Therapiesektors kann bedeuten, Technologieplattformen<br />
für innovative Produkte oder zur Abdeckung von Teilen<br />
der Wertschöpfungskette zu definieren. Umdenken beinhaltet auch<br />
„weiter denken“ in neue, interessante Technologiefelder, die sich<br />
im Diagnostikbereich zum Thema Personalisierte Medizin auftun.<br />
Und Umdenken heißt auch „breiter denken“, wenn es darum geht,<br />
die Initiativen der Bioökonomie mit Leben zu erfüllen und „Bio-Technologien“<br />
in Industrien einzubringen, die bisher außerhalb der<br />
Reichweite lagen.<br />
Unser globaler <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> Beyond borders <strong>2013</strong>, der in<br />
enger Zusammenarbeit mit dem Life Science Center in Mannheim<br />
erstellt wird, vertieft in diesem Jahr ebenfalls ein Thema, bei dem es<br />
um die Wertstellung der <strong>Biotech</strong>-Leistung geht. Für den reiferen und<br />
marktnäheren <strong>Biotech</strong>-Sektor in den USA geht es mehr darum, den<br />
Wert der Entwicklungen genau zu belegen, um in Partnerschaften<br />
oder bei Zulassungs- und Erstattungsbehörden zu bestehen. „How<br />
to demonstrate value“ ist deswegen dort das Kernthema. Dies schließt<br />
vor allem die immer stärker in den Vordergrund drängende Frage<br />
nach dem tatsächlichen Patientennutzen und dem „Health Outcome“<br />
ein. Die Unternehmen werden daraufhin analysiert, inwieweit sie<br />
sich in einem „Implementation Gap“ befinden oder hier bereits auf<br />
Höhe der Anforderungen sind.<br />
Innovationen in der Medizintechnik fanden ihren Ursprung von jeher<br />
schon viel näher am Patienten. Sie orientieren sich zukünftig noch<br />
stärker am „Patient Outcome“, mit Point–of-Care-Anwendungen,<br />
personalisierten Diagnostik-Tests und vielen neuen Health-IT-Systemen.<br />
Unter dem Begriff „PI Technologies“, einer Abkürzung für „Patient<br />
empowering and Information leveraging“ werden diese Trends in<br />
unserer globalen Medizintechnikstudie Pulse of the industry herausgearbeitet.<br />
Das Zusammenwirken aller Disziplinen der Life-Science-Industrie<br />
zu verstehen wird zu einer unabdingbaren Kernkompetenz für die<br />
Unterstützung beim Aufbau des patientenorientierten Gesundheitssystems<br />
der Zukunft. Die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen<br />
Zusammenhängen, unzählige Gespräche mit allen Beteiligten<br />
sowie ein fundiertes Wissen der Fakten schaffen eine solide Basis<br />
für eine Beratungsexpertise, die wir unseren Kunden im gesamten<br />
Life-Science-Bereich zur Verfügung stellen.<br />
Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen die vorliegende Studie<br />
hilfreiche Anregungen liefert und würde mich freuen, darüber<br />
hinaus den Dialog mit Ihnen fortsetzen zu dürfen.<br />
Dr. Siegfried Bialojan<br />
GSA <strong>Biotech</strong> Leader, Leiter Life Science Center<br />
Ernst & Young Mannheim, Germany<br />
siegfried.bialojan@de.ey.com<br />
„Beyond borders“<br />
<strong>Biotech</strong>no logy<br />
industry report <strong>2013</strong><br />
„Pulse of the industry“<br />
Medical technology<br />
report 2012<br />
the diagnostics sector around the topic of personalized medicine.<br />
Finally, rethinking also refers to “thinking more broadly” in terms<br />
of taking the new bioeconomy paradigm into account, in which<br />
“bio-technologies” will be leveraged much more widely in a variety<br />
of other industries that so far have been out of reach for biotech.<br />
Our global biotechnology report Beyond borders <strong>2013</strong> – which is put<br />
together in close cooperation with the Ernst & Young Life Science<br />
Center Mannheim – also deals with the issue of extracting value<br />
from biotech capabilities. For the more mature and market-oriented<br />
US biotech sector it is primarily relevant to demonstrate the value of<br />
biotech developments to partners, regulators or reimbursement<br />
decision makers. “How to demonstrate value” is therefore the key<br />
theme of the report. This also includes the question of how far companies<br />
have come to address the dominating issues around demonstrating<br />
“patient benefit” and “health outcome” and whether there<br />
still is an ”implementation gap”.<br />
Innovations in the medical device sector have traditionally originated<br />
closer to the patient and in cooperation with physicians. Now these<br />
innovations are starting to focus even more on the “patient outcome”,<br />
with point-of-care applications, personalized diagnostics and many<br />
new IT solutions. The term “PI technologies” (Patient empowering<br />
and Information leveraging) has been coined to describe this movement.<br />
In our global medtech study Pulse of the industry these<br />
trends are addressed in detail.<br />
Understanding the interaction of all disciplines in the life science<br />
industry will become a major key competency to support the building<br />
of a patient-oriented health system. Thinking and developing thought<br />
leadership along these lines, numerous discussions with all stakeholders,<br />
as well as sound knowledge of the facts all together establish<br />
a solid basis for the consulting expertise we offer to our clients.<br />
I hope the study on hand will provide you with helpful food for thoughts<br />
and will be able to stimulate fruitful discussions. I would also be<br />
delighted to continue our dialogue on the topics raised in this report.<br />
For more detailed information, we have<br />
posted an English Executive Summary with<br />
all major charts and analyses on our web site<br />
www.de.ey.com/biotechreport-summary<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 3
Perspektive<br />
4 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Rollenverständnis „<strong>Biotech</strong>nologie“ erweitern<br />
Blickfeld erweitern<br />
In der mittlerweile über zehnjährigen Tradition<br />
der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong>s<br />
von Ernst & Young haben wir die Entwicklungsgeschichte<br />
einer jungen, aufstrebenden<br />
Branche erfasst, analysiert und begleitet.<br />
Ein wichtiger Aspekt dabei war und ist die<br />
Identifizierung von richtungsweisenden<br />
Trends und deren Untermauerung durch ver-<br />
lässliche Statistiken.<br />
Dabei hatte sich nach den Anfängen der<br />
<strong>Biotech</strong>nologie in ihrer eigentlichen Rolle<br />
als Entwickler und Bereitsteller von „Querschnittstechnologien“<br />
mehr und mehr eine<br />
Fokussierung auf die Medikamentenentwick-<br />
lung als Hauptbetätigungsfeld der Branche<br />
herauskristallisiert. Allerdings bekam die<br />
<strong>Biotech</strong>-Branche die in diesem Bereich<br />
typischen Nachteile in vollem Ausmaß zu<br />
spüren – hohes Ausfallrisiko, immenser<br />
Finanzierungsbedarf und lange Entwicklungszeiten<br />
bis zum Markterfolg. Deshalb<br />
zeichnen gegenwärtig sowohl die Finanzierungssorgen<br />
als auch ausbleibende Erfolge<br />
bzw. konkrete Ausfälle eher ein negatives<br />
Bild in der Außendarstellung der Branche.<br />
Hier besteht dringender Handlungsbedarf,<br />
um den Zweifeln an der ohne Frage immensen<br />
Bedeutung der <strong>Biotech</strong>nologie für zukünf-<br />
tige Innovationen zum Nutzen der Menschheit<br />
nicht dauerhaft die Oberhand zu überlassen.<br />
Die Ernst & Young <strong>Report</strong>s der letzten drei<br />
Jahre hatten bereits einen „Umdenkprozess“<br />
angemahnt und gedanklich initiiert. Dabei<br />
haben wir vor allem Ansätze beschrieben,<br />
aus dem Dilemma der Unterfinanzierung<br />
herauszufinden. Ob „Neue Spielregeln“,<br />
„Weichen stellen“ oder „Maßgeschneidert“ –<br />
so die jeweiligen Titel der <strong>Report</strong>s: Es handelte<br />
sich dabei meist um Versuche, Alternativen<br />
aufzuzeigen, wie im oder um den<br />
bestehenden Kernbereich der Medikamentenentwicklung<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen weiter<br />
bestehen könnten. Die resultierenden<br />
Maßgaben umfassten im Wesentlichen immer<br />
wieder alternative Finanzierungsquellen,<br />
den effizienteren Umgang mit knappem<br />
Kapital sowie modifizierte Geschäftsmodelle.<br />
Alle Ansätze waren somit primär finanzierungsgetrieben<br />
und Ausdruck einer puren<br />
Überlebensstrategie. Ebenfalls adressierten<br />
wir bereits in den letzten <strong>Report</strong>s, dass diese<br />
Strategie der reinen Überlebenssicherung<br />
für die <strong>Biotech</strong>nologie aus volkswirtschaftlicher<br />
Sicht eine Katastrophe ist. Wenn angesichts<br />
der enormen Wachstumspotenziale<br />
nicht entsprechende Wachstumsstrategien<br />
in den Vordergrund rücken, drohen die vorbildlichen,<br />
immensen Forschungsförderungs-<br />
programme aus Steuermitteln zu verpuffen<br />
oder zumindest nicht in entsprechendem<br />
Maße an den deutschen Fiskus zurückzufließen.<br />
Umdenken …<br />
Der Titel „Umdenken“ fordert nun noch eindringlicher<br />
dazu auf, das gesamte Thema<br />
„<strong>Biotech</strong>nologie“ und vor allem die Rolle<br />
einer <strong>Biotech</strong>nologiebranche mit anderen<br />
Augen zu betrachten. Es geht nach wie vor<br />
darum, im bestehenden Kernbereich um die<br />
Medizin attraktivere Szenarien für nachhaltiges<br />
Wachstum zu entwickeln. Dazu gehört<br />
ein Rückbesinnen auf die eigentlichen Stärken<br />
und die Überlegung, wie diese im aktuel-<br />
len Life-Science-Umfeld am besten in erfolgreiche<br />
Unternehmungen eingebracht werden<br />
können. Die Pharma-Industrie liefert vor allem<br />
durch das Eingeständnis der nicht mehr ausreichenden<br />
Innovationskraft, die Tendenz<br />
zur Öffnung der F&E-Organisationen für<br />
externe Zusammenarbeiten sowie das klare<br />
Bekenntnis zu mehr Outsourcing die beste<br />
Steilvorlage für die innovativen Unternehmen<br />
der <strong>Biotech</strong>-Branche.<br />
… weiter denken,<br />
Dazu gehört auch ein „weiter denken“ –<br />
das Erkennen von neuen Einsatzfeldern,<br />
die sich aus den Entwicklungen hin zu mehr<br />
Patientenorientierung ergeben. Das viel-<br />
benutzte Schlagwort „Personalisierte Medizin“<br />
hat vor allem das Gebiet der Molekular-<br />
diagnostik neu belebt und beinhaltet enor-<br />
mes Wertschöpfungspotenzial. Hierfür<br />
zeichnen die Forschung und Entwicklungen<br />
in den <strong>Biotech</strong>-Unternehmen maßgeblich<br />
verantwortlich. Der Markt übt hier eine<br />
deutliche „Pull“-Bewegung aus, von dem<br />
die <strong>Biotech</strong>-Branche profitieren kann.<br />
… breiter denken<br />
Darüber hinaus ist es schließlich auch an der<br />
Zeit und ebenso wichtig, die ganze Breite<br />
der Anwendungsfelder von <strong>Biotech</strong>nologie<br />
jenseits der Medizin stärker in die Betrachtung<br />
einzubeziehen: „breiter denken“.<br />
Dieser Ansatz bezieht seine Berechtigung<br />
aus den in letzter Zeit viel diskutierten Aktivitäten<br />
zur „Biologisierung der Industrien“<br />
und den damit verbundenen Initiativen<br />
zur „Bioökonomie“. Darüber hinaus ist der<br />
aktuelle Bezug noch viel authentischer<br />
dadurch belegt, dass individuelle Unter-<br />
nehmen konkrete Beispiele für das Potenzial<br />
in einer Vielzahl von neuen Bereichen und<br />
Industriesegmenten deutlich unter Beweis<br />
stellen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 5
<strong>Biotech</strong> classica – Quo vadis?<br />
Dr. Timm-H. Jessen,<br />
CEO Bionamics GmbH, Hamburg<br />
<strong>Biotech</strong>-Spezies auf der Roten Liste?<br />
DeveloGen, Medigene, Paion – so oder<br />
anders hießen die Platzhirsche der 90er und<br />
frühen 2000er Jahre. Produktfokussierte<br />
<strong>Biotech</strong>-Firmen mit einem interessanten<br />
Portfolio präklinischer und klinischer Wirkstoffprojekte,<br />
inhaltlich gebündelt in einer<br />
Indikationsklammer und finanziert durch<br />
Venture Capital. Betrachten wir heute die<br />
Geschäftsstrategien der <strong>Biotech</strong>-Firmen,<br />
so scheint diese Spezies ernsthaft bedroht<br />
zu sein: <strong>Biotech</strong> classica – quo vadis?<br />
Es war kein Komet<br />
Es wäre zu einfach zu behaupten, der aus-<br />
gebliebene große Produkterfolg sei es gewesen,<br />
der diese Spezies auf die Liste der bedrohten<br />
Arten gebracht hätte; und Erfolge<br />
hat es in Teilen ja auch gegeben. Was sich<br />
jedoch bis heute als schwierig erwiesen<br />
hat, ist die Verknüpfung der erforderlichen<br />
Produkt- und Firmenentwicklungszeiten<br />
einerseits mit den Finanzierungshorizonten<br />
der Investoren andererseits. Ein typischer<br />
VC-Fonds hat bereits eine Laufzeit von<br />
durchschnittlich zehn Jahren, der Druck hin<br />
zu kürzeren Laufzeiten steigt jedoch. Und<br />
selbst ein Business Angel beginnt über<br />
Alternativen nachzudenken, wenn die Kapitalbindung<br />
zehn Jahre überschreitet. Für<br />
die Finanzierung von Produktentwicklungen<br />
aus Cashflow schließlich gibt es bereits eine<br />
Geschäftsbezeichnung: Pharma. Gründung,<br />
Aufbau, Portfoliogenerierung und Produkt-<br />
entwicklungen einer klassischen <strong>Biotech</strong>-<br />
Firma laufen aus einem zehnjährigen Investitionshorizont<br />
schnell heraus – wer möchte<br />
hier schon Gründungsfinancier sein?<br />
Neue Spezies entwickeln sich<br />
Das Kapital hat sich mittlerweile nach Alternativen<br />
umgesehen, will es denn im Life-<br />
Science-Bereich bleiben. Dadurch haben<br />
sich andere Spezies in der <strong>Biotech</strong>-Welt nach<br />
vorne entwickelt: Dienstleister, Diagnostikfirmen,<br />
Plattformentwickler und projektfokussierte<br />
Konstrukte dominieren das<br />
Terrain. Alle Spezies bemühen sich um ein<br />
Alignment der Produkt- und Geschäftsentwicklungszeiten<br />
mit dem Investitionshorizont<br />
der Geldgeber. Knüpfen wir an die oben<br />
genannten neuen Spezies an, so gelingt dies<br />
beispielsweise durch das Erreichen der Profitabilität,<br />
durch die Wahl des zu entwickelnden<br />
Produkts, durch eine Entkopplung von<br />
Technologie- und Produktentwicklung oder<br />
durch eine zeitlich beschränkte Veredlung<br />
eines Assets in einem Business Sweet Spot<br />
für Medikamentenkandidaten.<br />
Projektfokussierung als neue Maxime<br />
Investoren halten mit ihrem Anspruch nicht<br />
hinter dem Berg: So loben beispielsweise<br />
TVM, Index Ventures oder Symphony Capital,<br />
aber auch eine Reihe von Business Angels<br />
sogenannte PFCs als Investitionsoptionen<br />
aus, „project-focused companies“. Auch auf<br />
der operativen Seite herrscht Kreativität:<br />
Produkt-fokussierte Netzwerke oder Cluster<br />
wie CI3, NEU² oder BioNTech verknüpfen<br />
und nutzen existierende Strukturen und<br />
Exzellenzen auf lokaler und globaler Ebene.<br />
Das spart Infrastruktur- und Aufbauinves-<br />
titionen, erfordert Projektmanagement-<br />
Qualitäten, resultiert insgesamt jedoch in<br />
einer höheren, projektfokussierten Kapitaleffizienz<br />
für den Investor. Insbesondere der<br />
Clusteransatz erfordert ein Umdenken aller<br />
Beteiligten: Diskussionen auf Augenhöhe<br />
ergeben sich aus Kompetenzgründen;<br />
Herkunft und Größe der beteiligten Organisationen<br />
rücken dagegen mehr in den Hintergrund.<br />
IP-sharing-Modelle müssen neu<br />
erdacht werden und die Incentivierung aller<br />
Beteiligten muss durch den jeweils geeig-<br />
6 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
neten Mix aus Publikationsfreiheit, Umsatz<br />
und Rechten gelingen. Projektmanager<br />
müssen Unternehmerqualitäten zeigen und<br />
umgekehrt. Diese Konstrukte sind auf gutem<br />
Wege, ihr Produktivitätsnachweis steht<br />
jedoch noch aus.<br />
Neue Beziehungen Kapital-<strong>Biotech</strong><br />
Treibt also das Kapital die Struktur der <strong>Biotech</strong>-Landschaft<br />
vor sich her? Das würde die<br />
Rollen zu ungleich verteilen. Beide Lager<br />
haben eine schmerzhafte Lernkurve hinter<br />
sich und versuchen sich nun an Alternativen,<br />
die für beide Parteien gewinnbringend sind.<br />
Längere Produktentwicklungszyklen als im<br />
Bereich der Arzneimittelentwicklung sind in<br />
der gesamten Industrie kaum zu finden, und<br />
wenn – wie beispielsweise in der Luftfahrt –<br />
genießen diese Industrien in der Regel staatliche<br />
Unterstützung durch Garantien den<br />
finanzierenden Banken gegenüber. Das zunehmende<br />
Engagement der öffentlichen<br />
Hand in der <strong>Biotech</strong>-Industrie ist möglicherweise<br />
in diesem Kontext zu verstehen, und<br />
dessen sinnvoller Ausbau sollte gemeinsam<br />
erörtert werden. Eine nachhaltige Entkopplung<br />
von Finanzierungshorizont und Entwicklungszyklen<br />
gelingt im vorliegenden<br />
Fall zudem nur durch neue Finanzmodelle<br />
(Evergreen-Fonds, Crossfund Investments<br />
etc.) oder durch die Industrie selbst. Das<br />
riefe Pharma wiederum auf den Plan, die<br />
sich Anfang 2000 bereits selbst einmal an<br />
<strong>Biotech</strong>nologiefirmen-ähnlichen Konstrukten<br />
versucht hatte, den indikationsfokussierten<br />
CEDDs (Center of Excellence in Drug Dis-<br />
covery & Development). Diese litten jedoch<br />
oft unter deren gesellschaftsrechtlicher<br />
Hegemonie, unter der strategischen Abhängigkeit<br />
und den wissenschaftlichen Altlasten.<br />
Vielleicht sind es Mischformen aus den neuen<br />
<strong>Biotech</strong>-Spezies und den ehemaligen CEDDS<br />
einerseits sowie den Corporate & Longterm<br />
Investors andererseits, die <strong>Biotech</strong> classica<br />
wieder zu einem Revival verhelfen können.<br />
www.bionamics.de
Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor<br />
Gute Positionierung in medizinnahen<br />
Anwendungen<br />
<strong>Biotech</strong>nologieunternehmen müssen vor<br />
allem in medizinnahen Anwendungen klarer<br />
definierte Alleinstellungsmerkmale etablieren,<br />
die ihnen attraktive Positionen neben<br />
den dominierenden Pharma-Firmen ermöglichen.<br />
Das vielfach praktizierte Kopieren des<br />
Pharma-Modells für die Entwicklung und<br />
eigenständige Vermarktung von Therapeutika<br />
kann für KMU im <strong>Biotech</strong>-Sektor unter<br />
den gegebenen Umständen nicht nachhaltig<br />
erfolgreich sein. Sowohl der Finanzierungsbedarf<br />
als auch das Risikoprofil über die<br />
langen Zeitschienen passen nicht auf die<br />
vorgegebenen Modelle der Beteiligungsinvestoren.<br />
Jedoch haben einige <strong>Biotech</strong>-Vertreter ihre<br />
Unternehmen in diesem Bereich so interessant<br />
positioniert, dass diese unabhängig<br />
agieren können und auch im medizinnahen<br />
Anwendungsgebiet erfolgreich bestehen.<br />
Alleinstellungsmerkmal und<br />
Best Practice „Technologie-Plattform“<br />
Die Rolle von <strong>Biotech</strong> über eindeutige Allein-<br />
stellungsmerkmale besser zu definieren<br />
findet eine ganze Reihe von Ansatzpunkten.<br />
Stärkere Fokussierung auf die Technologiebasis<br />
ist einer der wichtigsten. Dies entspricht<br />
auch einer Rückbesinnung auf den<br />
eigentlichen Ursprung und die Stärke der<br />
Bio-„Technologie“ per se. Verbunden mit<br />
einer starken Technologie sind auch immer<br />
das menschliche Know-how, die gesammelten<br />
Erfahrungen und das Konzept rund um<br />
eine Technologiebasis sowie deren kontinuierliche<br />
Weiterentwicklung und Verbesserung.<br />
Stimmt das Konzept, kann rund um<br />
die Technologiebasis ein nachhaltiges und<br />
auch längerfristig eigenständig agierendes<br />
Geschäft aufgebaut und weiterentwickelt<br />
werden.<br />
Plattformen, die zur Generierung von neuen<br />
Wirkstoffklassen herangezogen werden,<br />
sind ein Beispiel hierfür. Sie stehen im Mittelpunkt<br />
von Allianzen, die für die Anbieter<br />
interessante Konditionen bieten(siehe hierzu<br />
die Erläuterungen im Kapitel „Transaktio-<br />
nen“). Demgegenüber zeigte sich in der Vergangenheit,<br />
dass solche Technologieplattformen<br />
nach erfolgreicher Übernahme und<br />
Integration in einen Großkonzern selten wei-<br />
terhin erfolgreich für den Käufer waren. So<br />
ist zum Beispiel die Antikörperplattform von<br />
Cambridge Antibody Technology (CAT) –<br />
lange eine direkte Konkurrenz zu MorphoSys –<br />
nach der Übernahme durch AstraZeneca im<br />
Jahr 2006 mittlerweile nicht mehr sichtbar.<br />
Um erfolgreich zu sein, muss ein Unternehmen<br />
nicht unbedingt eine eigene Produktplattform<br />
aufweisen. Wichtig ist der Nachweis<br />
eines nachhaltigen Geschäftsmodells<br />
mit einer soliden Technologie-Toolbox, welche<br />
für spezifische Fragestellungen eingesetzt<br />
werden kann: Sei es dem Innovationsdruck<br />
im Life-Science-Umfeld mit neuen Medikamentenklassen<br />
entgegenzuwirken, Kosten<br />
in der Medikamentenentwicklung einzusparen,<br />
die klinische Entwicklung schneller<br />
voranzutreiben oder aber auch komplexe<br />
Informationen schnell und einfach bereit-<br />
zustellen. Je nach Ausprägung und Modell<br />
lassen sich Technologie-Toolboxen in verschiedene<br />
Einsatzbereiche einteilen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 7
1. Toolbox „Tech@Translation“ als<br />
Treiber der Innovationseffizienz<br />
Im Zusammenhang mit dem enormen Innovationsdruck<br />
des Life-Science-Umfelds muss<br />
die Translation von innovativen Ideen aus<br />
der Akademie auf die kommerzielle Schiene<br />
besser funktionieren. Innovationseffizienz<br />
ist das Stichwort. Kernpunkt ist die frühestmögliche<br />
Kombination von exzellenten Forschungsideen<br />
mit den besten Technologien<br />
zum Zwecke einer schnellstmöglichen Abklärung<br />
der Tragfähigkeit akademischer<br />
Theorien. Hierbei spielen viele Aspekte eine<br />
Rolle, die <strong>Biotech</strong> im Vergleich zu großen<br />
und schwerfälligen Pharma-R&D-Organisa-<br />
tionen Vorteile zubilligen und somit als<br />
Alleinstellungsmerkmale dienen:<br />
• Forschungs-„Mindset“ und eine Bereitschaft<br />
für „Open Innovation“<br />
• Expertise bezüglich enger und proaktiver<br />
Interaktion mit akademischen Instituten<br />
• Agilität und Kreativität, speziell auch im<br />
Umgang mit komplexen biologischen Systemen<br />
• Know-how für die frühe kommerzielle Entwicklung<br />
von Produkten<br />
• Link zu den in der Wertschöpfungskette<br />
eher später einsteigenden Pharma-Firmen<br />
Genau diese Komponenten waren die Erfolgsfaktoren<br />
für zwei herausragende Kol-<br />
laborationen, die Evotec mit den Eliteuniversitäten<br />
Harvard und Yale auf den Weg<br />
gebracht hat. Über die Zielsetzung der Zusammenarbeit<br />
mit Harvard wurde bereits<br />
im letzten <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> berichtet.<br />
Werner Lanthaler, CEO von Evotec, hatte in<br />
seinem Artikel den Aspekt der „Innovationseffizienz“<br />
dargelegt. Zum damaligen Zeit-<br />
Perspektive<br />
punkt war die Initiative gerade gestartet<br />
und somit der Erfolg nur theoretisch vorgezeichnet.<br />
Umso beeindruckender der tatsächliche<br />
Beleg für die erfolgreiche Umsetzung<br />
dieses Ansatzes: 2012 konnte Evotec<br />
Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Harvard<br />
bereits nach 18 Monaten in eine lukrative<br />
Allianz mit Johnson & Johnson (J&J) einbringen.<br />
J&J kaufte sich in das Kollabora-<br />
tionsprogramm zwischen Evotec und der<br />
Harvard-Gruppe um Prof. Doug Melton ein,<br />
welches ein Portfolio von regenerativen<br />
Diabetes-Therapien beinhaltet. Mit einem<br />
Volumen von 300 Millionen US-Dollar an<br />
erfolgsabhängigen Meilensteinzahlungen<br />
ist der Deal gemessen an dem noch sehr<br />
frühen Stadium bemerkenswert. Anfang des<br />
Jahres folgte gleich eine weitere, ähnlich<br />
gelagerte Allianz mit der Yale University.<br />
Inhaltlich werden dort innovative Ansätze in<br />
den Gebieten ZNS, Onkologie sowie metabolische<br />
und immunologische Erkrankungen<br />
gemeinsam bearbeitet. Auch hierbei steht<br />
die enge Verknüpfung von Evotecs Drug-<br />
Discovery-Plattform mit der erstklassischen<br />
Forschung der Yale University im Zentrum<br />
der Zusammenarbeit.<br />
Zwar gibt es durchaus Bestrebungen einiger<br />
Pharma-Unternehmen, ebenfalls früh und<br />
direkt mit akademischen Institutionen zu<br />
interagieren, allerdings sind hier größere<br />
Hürden zu überwinden bis das „Open Innovation<br />
Paradigm“ auch bei den Großen<br />
verinnerlicht wird. Hier können <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen mit entsprechendem Technologieangebot<br />
deutlich punkten.<br />
Die effizientere Translation von Forschungsergebnissen<br />
in die kommerzielle Nutzung<br />
Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz<br />
Target-Identi-<br />
fikation und<br />
Bewertung<br />
Screening<br />
Hit- und<br />
Lead-<br />
Identifikation<br />
Lead-<br />
Optimierung<br />
8 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Präklinik<br />
war auch Triebfeder für die Gründung des<br />
Lead Discovery Center (LDC). Im Gegensatz<br />
zu der zuvor beschrieben Initiative, die<br />
aus einer bereits etablierten kommerziellen<br />
Plattform auf die Akademie zuging, entstand<br />
das LDC als kommerzielles Unternehmen<br />
aus einer Ausgliederung der Max-Planck-<br />
Gesellschaft. Erklärtes Ziel ist es, durch die<br />
enge Kollaboration von Wissenschaftlern<br />
mit dem Drug-Discovery-Apparat des LDC<br />
schnellstmöglich Ideen auf ihre Produkt-<br />
und Anwendungstauglichkeit zu prüfen. Die<br />
Validität des Ansatzes und die Attraktivität<br />
dieses Modells werden weiter bestätigt durch<br />
sein Finanzierungsmodell: Neben der Max-<br />
Planck-Gesellschaft selbst konnte das LDC<br />
signifikante Fördermittel als einer der Gewinner<br />
des BMBF BioPharma-Wettbewerbs<br />
einnehmen. Außerdem konnten die Dortmunder<br />
Fördermittel im Rahmen des EU-<br />
Programms FP7 einwerben und Mittel aus<br />
der Marie Curie Stiftung sowie der Michael<br />
J. Fox Foundation heben. Zielsetzung ist<br />
dennoch, das als kommerzielles Unternehmen<br />
gegründete LDC nach Ablauf von zehn<br />
Jahren vollständig aus eigenen Erträgen<br />
zu finanzieren. Auch hier zeigen sich erste<br />
Erfolge. Im Jahr 2011 schloss das LDC<br />
einen Lizenzvertrag mit Bayer zur weiteren<br />
Entwicklung eines neuen Onkologie-Wirkstoffes.<br />
Weitere Vereinbarungen laufen mit<br />
Merck KGaA in Darmstadt. Im Zuge der<br />
stärkeren Internationalisierung und globalen<br />
Wahrnehmung der „Translation“ als wesentlichen<br />
Innovationstreiber hat sich das LDC<br />
mittlerweile in einen Verbund von weiteren<br />
international führenden Technologietransfer-<br />
Einrichtungen integriert (Artikel von Bert<br />
Klebl auf S. 10).<br />
Klinische<br />
Phasen<br />
Zulassung<br />
und<br />
Vermarktung<br />
Akademie Tech@Translation<br />
Pharma<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation<br />
Dr. Werner Lanthaler,<br />
CEO Evotec AG, Hamburg<br />
Baustopp auf der Baustelle?<br />
Sie kennen vielleicht das Phänomen: Ein<br />
junges Paar ist motiviert von der Idee, ein<br />
Haus zu bauen; der tolle Architekt ist schnell<br />
bestellt, der Plan ist rasch diskutiert, eingereicht,<br />
genehmigt und schon geht’s los. Doch<br />
bereits nach kurzer Zeit ereilt das junge Paar<br />
erst die Ernüchterung und anschließend<br />
das böse Erwachen. Zunächst werden zwar<br />
nur Extras wie der Swimmingpool oder die<br />
Sauna von der Bauzeichnung gestrichen;<br />
doch trotz Reorganisation und Sparstift wird<br />
schnell klar, dass das Projekt mehr kostet, als<br />
man geplant hat und der Hausbau darüber<br />
hinaus um einiges länger dauert, als die angespannten<br />
eigenen Finanzen und die Bank<br />
es zulassen. Baustopp auf der Baustelle –<br />
wer will das schon! Nun gilt es, sich von den<br />
alten Mustern zu befreien; ein Ansatz, der<br />
sich auch auf viele Unternehmen in der Gesundheitsindustrie<br />
übertragen lässt.<br />
Das Problem: Aufgrund von<br />
„Erfolglosigkeit“ zurück zum Start<br />
Neben dem Beklagen von Finanzierungs-<br />
lücke und mangelndem Innovationsgeist in<br />
Europa scheint es, dass wir ein fundamentales<br />
analytisches und ökonomisches Problem<br />
über die letzten Jahrzehnte hinweg ignoriert<br />
haben. Neue Produkte erfordern größere<br />
Innovationsleistungen, als man geglaubt hat,<br />
kosten signifikant mehr und dauern wesentlich<br />
länger, als finanzierungswillige Unternehmen<br />
ihren Investoren immer wieder ein-<br />
reden wollten. Die Tufts University beschreibt<br />
im Jahr 2011 in einer Studie, dass die Bio-<br />
technologie die Kosten im Durchschnitt um<br />
250 Prozent unterschätzt hat. Auch die Entwicklungsdauer<br />
von neuen Produkten war<br />
durchschnittlich vier Jahre länger als ursprünglich<br />
angenommen. Und das sind die<br />
Analyseergebnisse der erfolgreichen Projekte!<br />
Trotz Milliardeninvestitionen in vielen Innovationsbereichen<br />
ist kaum Produktfortschritt<br />
festzustellen. Zudem gab es in den letzten fünf<br />
Jahren signifikante Rückschläge. Am deutlichsten<br />
wurde das wohl erst kürzlich von der<br />
FDA selbst illustriert, als sie alle Innovationsspieler<br />
direkt und sehr deutlich dazu aufforderte,<br />
in der Alzheimerforschung in Zukunft<br />
viel stärker zusammenzuarbeiten. Der Grund<br />
für diesen Schritt ist für uns alle alarmierend,<br />
denn die parallel laufenden spätphasigen<br />
Ansätze, die der Behörde vorliegen, deuten<br />
darauf hin, dass sie die Krankheit weder<br />
lindern noch deren Ursache aufklären und<br />
behandeln können. Die Order kommt also<br />
sogar von der regulativen Instanz: Alle gemeinsam<br />
„stop loss“ und zurück zum Start!<br />
Dieses Muster gilt leider nicht nur für Alzheimer,<br />
sondern auch für Diabetes, Krebs, HIV<br />
etc. Generell sind Krankheiten in den letzten<br />
Jahren zwar deutlich besser diagnostizierbar,<br />
aber leider kaum besser behandelbar<br />
geworden. Gesellschaftspolitisch langfristig<br />
effiziente Mittelverwendung bedeutet demnach<br />
eine nachhaltige Ursachenanalyse und<br />
-bekämpfung und nicht nur Symptomerkennung<br />
und -linderung.<br />
Die Komplikation: Zu viele wollen die<br />
Illusion zu lange am Leben lassen<br />
Die Diskussion darüber, was die akademische<br />
Welt, <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Unternehmen<br />
versprochen haben und was tatsächlich gehalten<br />
wurde, wird immer wieder vermieden.<br />
Doch wenn über Jahre nicht die gewünschten<br />
Erfolge erzielt werden, leidet irgendwann<br />
die Glaubwürdigkeit. Insbesondere in Branchen,<br />
in denen Anschlussfinanzierungen<br />
sehr stark auf ebenjener Glaubwürdigkeit<br />
basieren, ist ein vermindertes Vertrauen<br />
gleichzusetzen mit einem geplatzten Scheck.<br />
Der Schweinezyklus der notwendigen Finanzierungen<br />
treibt die Spirale von mehr und<br />
mehr Versprechen jedoch immer weiter an,<br />
auch ohne dass tatsächlich kommerziell<br />
fassbare Endprodukte und Resultate erkennbar<br />
werden. Dies bedeutet allerdings nicht,<br />
dass die ganze Branche die Asymmetrie von<br />
„Versprechen und Halten“ absichtlich ver-<br />
größert hätte. Im Gegenteil, die Wissenschaftsleistung<br />
und Managementanstrengungen<br />
sind deutlich besser als je zuvor,<br />
doch leider ist die Lücke zwischen Finanzie-<br />
rungsmöglichkeit und Finanzierungsnot-<br />
wendigkeit immer größer geworden. Es ist<br />
keine Schande, dies einzugestehen, denn es<br />
spiegelt die Komplexität der Biologie und<br />
vieler Krankheitsbilder wider. Die Spirale von<br />
immer größeren Versprechen zu stoppen, ist<br />
aber der Beginn einer konstruktiven Kooperation<br />
zwischen allen Innovationsspielern.<br />
Die Lösung: Gemeinsam statt einsam und<br />
voll motiviert zurück zum Start<br />
Zu erkennen, dass man bei vielen Indikationen<br />
leider keine erfolgsversprechenden Phase-II-<br />
und Phase-III-Ansätze mehr hat und keine<br />
weitere Wirkstoffpipeline vorhanden ist, sollte<br />
uns heute nicht frustrieren. Ganz im Gegenteil,<br />
es sollte uns motivieren, noch einmal ganz<br />
von vorne anzufangen. Zu erkennen, dass<br />
sich die klassischen Finanzierungsquellen in<br />
den nächsten Jahren weiter dramatisch ändern<br />
werden, sollte uns die Illusionen der<br />
Produktversprechen nicht weiter aufbauen<br />
lassen. Ganz im Gegenteil, je rascher wir anfangen,<br />
diese Versprechen abzubauen, umso<br />
besser. Industrie und Akademia haben sehr<br />
viel gelernt, und dieses Wissen gemeinsam zu<br />
nutzen sollte auch viel bessere neue Ansätze<br />
schaffen. Genau hier wird das neue vielversprechende<br />
Potenzial für VC, BA, Förderungs-<br />
geber und Lizenzdeals liegen. Wo sind die oft<br />
beschworenen kooperativen Ansätze, die<br />
Konsortien von Forschungsinstitutionen gemeinsam<br />
mit <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Unternehmen?<br />
Theoretisch geistern diese Kon-<br />
strukte ja schon lange durch die einschlägigen<br />
Magazine und Sonntagsreden von Pharma-<br />
Managern und erste Ansätze gibt es auch<br />
schon, aber es sind noch viel zu wenige.<br />
Evotec hat hier gemeinsam mit Harvard, Yale<br />
und Janssen ihre ersten signifikanten Allianzen<br />
schon geschmiedet und auch veröffentlicht.<br />
Für alle Beteiligten gilt: Es ist äußerst<br />
motivierend, dass man endlich tatsächlich<br />
an der Ursache und nicht nur an den Symptomen<br />
forscht. Noch nie war es so klar wie<br />
heute, dass nur, wenn wir gemeinsam zum<br />
Start zurück gehen werden, wir vielleicht<br />
heute in zehn Jahren Alzheimer, Aids, Krebs,<br />
Diabetes und viele andere Krankheiten tatsächlich<br />
besiegt und dabei alle ein Bombengeschäft<br />
gemacht haben werden.<br />
www.evotec.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
9
Lead Discovery Center: Skipping <strong>Biotech</strong> – Verzichtet Pharma<br />
in Zukunft auf <strong>Biotech</strong>?<br />
Dr. Bert Klebl,<br />
CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH,<br />
Dortmund<br />
Brücke zwischen Akademie und Pharma<br />
Das Lead Discovery Center wurde 2008 von<br />
der Max-Planck-Innovation GmbH (MI) gegründet,<br />
um biomedizinische Innovationen<br />
aus dem MPG-Umfeld effizienter in die pharmazeutische<br />
Anwendung zu überführen.<br />
Es werden innovative Projekte durchgeführt,<br />
deren Grundlage meist die Forschungsergeb-<br />
nisse von MPG-Wissenschaftlern sind. Die<br />
einzelnen Projektvorschläge werden im Lauf<br />
ihrer Inkubation am LDC als neue Therapieansätze<br />
mit hohem medizinischen Bedarf<br />
(de)validiert und in enger Kooperation mit<br />
MPG-Wissenschaftlern und u. U. weiteren<br />
Partnern durchgeführt. Nach erfolgreicher<br />
Inkubation am LDC werden die Projekte vermarktet<br />
bzw. verpartnert. Bei Vermarktung /<br />
Lizenzierung profitieren alle beteiligten<br />
Partner am Vermarktungserfolg („geteilter<br />
Vermarktungserfolg“).<br />
Finanzierung<br />
Die MPG hat mit dem LDC einen mehrjährigen<br />
Rahmenvertrag geschlossen, der die<br />
Finanzierung von Forschungsprojekten aus<br />
den verschiedenen Max-Planck-Instituten<br />
ermöglicht und vor kurzem bis Mitte 2018<br />
verlängert wurde. Zudem finanziert sich das<br />
LDC vermehrt aus Einnahmen von Lizenz-<br />
oder Kooperationsverträgen, welche in die<br />
pharmakologische Forschung reinvestiert<br />
werden. Die Möglichkeit, mit dem LDC zu<br />
arbeiten ist, für alle (Akademie, <strong>Biotech</strong>-<br />
und Pharma-Industrie, Investoren etc.)<br />
offen und wird nur durch die Technologie-<br />
breite (niedermolekulare und peptidbasierte<br />
Wirkstoffe) am LDC oder die Finanzkraft<br />
einer interessierten Partei begrenzt. Durch<br />
Fördermaßnahmen des Landes NRW, des<br />
BMBF und der EU ist das LDC auch für Akademiker<br />
außerhalb der MPG zugänglich.<br />
Derzeit kommt bereits etwa die Hälfte der<br />
Projektfinanzierungen am LDC aus Nicht-<br />
MPG-Quellen. Das unterstreicht die Wert-<br />
haltigkeit und den Bedarf für dieses neue<br />
Modell.<br />
Erfolgreiche Kollaborationen<br />
Im Jahr 2010 konnte eine neue Leitstruk-<br />
tur in der Onkologie (Wirksamkeitsnachweis<br />
im Tiermodell) nominiert werden, welche<br />
2011 exklusiv an die Bayer Healthcare AG<br />
für über 135 Millionen Euro inklusive Meilen-<br />
steinzahlungen lizenziert wurde. Auch 2010<br />
wurde ein Kooperationsvertrag mit der Firma<br />
Merck Serono zur anteiligen Finanzierung<br />
eines Projektes zusammen mit Mitteln aus<br />
dem BioPharma-Programm des BMBF ge-<br />
schlossen, der bei Erfolg in einen Lizenzvertrag<br />
mündet. Zudem wurden in den letzten<br />
beiden Jahren Partnerschaften mit <strong>Biotech</strong>-<br />
Firmen, z. B. der HMNC GmbH aus München,<br />
geschlossen. Weitere Kooperationen und<br />
Lizenzierungen an Pharma- und <strong>Biotech</strong>-<br />
Partner, wie jüngst mit AstraZeneca, unterstreichen<br />
die Flexibilität des Geschäftsmodells,<br />
zeigen aber auch die gute Akzeptanz<br />
im Markt.<br />
Skipping <strong>Biotech</strong>?<br />
Nein! Das LDC hat sich zwar in einer Nische<br />
breitgemacht, die eigentlich für <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen angedacht war: nämlich das<br />
Risiko aus hochinnovativen Projektideen der<br />
pharmazeutischen Wirkstoffforschung zu<br />
nehmen. Leider fehlt seit mehreren Jahren<br />
die Finanzierungsgrundlage in Kontinentaleuropa,<br />
um eine vitale rote <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
zu erhalten. Zudem ziehen sich auch viele<br />
Pharma-Firmen aus dem frühen Wirkstoffforschungsbereich<br />
zurück. Als Kunden haben<br />
sie jedoch weiterhin Bedarf an neuen, validier-<br />
ten Therapiekonzepten. Die Finanzierungslast<br />
wird also vermehrt auf die öffentliche<br />
Hand verlagert. Genau dieser Trend wird<br />
durch die Realisierung des LDC-Konzeptes<br />
bestätigt. Trotzdem kann eine Organisation<br />
wie das LDC nur einen Teil der präklinischen<br />
Kosten tragen. LDC-ähnliche Inkubatoren<br />
können das Risiko von neuen Forschungs-<br />
hypothesen reduzieren, jedoch nicht flächen-<br />
10 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
deckend die gesamte pharmazeutische Forschung<br />
bedienen. Daher kann es nicht das<br />
Ansinnen solcher Inkubatoren sein, die <strong>Biotech</strong>-Branche<br />
zu verdrängen. Ganz im Gegenteil<br />
sind diese eine ideale Brutstätte für<br />
neue Unternehmen oder können bestehende<br />
<strong>Biotech</strong>s effizient mit Projekten befeuern.<br />
Unternehmen und Zentren wie das LDC dürfen<br />
deshalb als Stärkung einer nachhaltigen<br />
<strong>Biotech</strong>-Szene verstanden werden. Universitäten<br />
und Institute bleiben die Quellen der<br />
Innovationen. Direkte, strategische Partnerschaften<br />
zwischen akademischen Einrichtungen<br />
und der Pharma-Industrie werden in<br />
Zukunft im präkompetitiven Bereich möglich<br />
sein, aber darüber hinaus aufgrund zu unter-<br />
schiedlicher Zielsetzungen problematisch<br />
bleiben.<br />
Ausblick<br />
Translationale Zentren und Inkubatoren für<br />
die Wirkstoffforschung werden ihren Platz in<br />
der pharmazeutischen Wertschöpfungskette<br />
behalten und festigen. Sie dienen als erster<br />
Filter, um das große Risiko aus neuen therapeutischen<br />
Hypothesen zu nehmen. Aufgrund<br />
ihrer zentralen Organisation können sie aus<br />
dem Gesamtpool der wissenschaftlichen<br />
Hypothesen die vielversprechenden herausfiltern<br />
und für <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Firmen<br />
interessant machen. Eine zentrale Organisationsstruktur<br />
ist aufgrund der Filterfunktion<br />
wichtig. Es macht keinen Sinn, wenn jede<br />
Universität ihr „eigenes“ LDC gründet und<br />
unterhält. Allgemein ist auch ein Umdenken<br />
von Seiten der Investoren notwendig. Der<br />
präklinische Wirkstoffmarkt lebt, es können<br />
lukrative Geschäfte realisiert werden. Allein<br />
die Dauer und Erwartung an Investitionen<br />
muss neu überdacht werden. Wird der Investitionszeitraum<br />
zu kurz gewählt, bleibt die<br />
Mehrzahl von interessanten Projekten auf<br />
der Strecke. Erste Modelle, die eine nach-<br />
haltigere forschende <strong>Biotech</strong>-Szene unterstützen<br />
sind in Reichweite, z. B. „Corporate<br />
Ventures“, Investitionen direkt aus Pharma,<br />
alternative Investitionsmodelle durch Business<br />
Angels oder Projektinvestitionen bzw. neuartige<br />
Fondsstrukturen. Die präklinische<br />
Pharma-Forschung wird weiterhin ein lukrativer<br />
Markt bleiben. Einzig die Qualität der<br />
Produkte muss stimmen. Investitionen<br />
machen nur Sinn, wenn sie ausreichen, um<br />
diese Qualitätsanforderungen zu erfüllen.<br />
www.lead-discovery.de
2. Toolbox „Tech@Process“ als Teil<br />
der Pharma-Wertschöpfungskette<br />
Mit der weiter zunehmenden Tendenz zum<br />
Outsourcing von Teilen des Wertschöpfungs-<br />
prozesses „Pharma“ gestalten sich Technologieplattformen,<br />
die ganze Abschnitte der<br />
Pharma-Wertschöpfungskette abdecken,<br />
immer attraktiver. Initial werden diese zwar<br />
meist in Form von Dienstleistungen eingekauft,<br />
wobei in diesem Modell den Anbietern<br />
selbst kein Anteil an der Wertschöpfung<br />
zusteht. Im Zuge einer stärkeren Integration<br />
von signifikanten Abschnitten der Wertschöp-<br />
fungskette unter einem Service-Anbieter<br />
kann dieser jedoch zusehends bessere Deals<br />
aushandeln – bis hin zu erfolgsabhängigen<br />
Zahlungen im weiteren Verlauf der Entwicklung.<br />
Wiederum präsentiert sich Evotec für diese<br />
Nutzung seiner Technologie-Toolbox als<br />
Paradebeispiel in Deutschland. Ausgehend<br />
von der ursprünglichen Kernkompetenz<br />
im High-throughput Screening haben die<br />
Hamburger inzwischen durch sukzessive<br />
Akquisitionen (u. a. OAI Oxford Asymmetry<br />
International , Renovis, Summit / Zebrafish,<br />
RSIPL, DeveloGen, Kinaxo, Cell Culture Service)<br />
die Integration weiterer Kompetenzen<br />
(breite Testpalette, Tiermodelle, chemische<br />
Technologien zur Leitstrukturoptimierung<br />
Perspektive<br />
etc.) vorangetrieben. Die inzwischen etablierte<br />
„Drug Discovery Engine“ nutzen sehr<br />
viele großen PharmaFirmen (u. a. Bayer,<br />
Boehringer Ingelheim, Cubist, Genentech,<br />
Novartis, Ono, Roche, Shionogi, UCB, Vifor).<br />
Entsprechende Deals haben Evotec inzwischen<br />
einen steten Zufluss von Erfolgs-<br />
Meilensteinzahlungen eröffnet und außerdem<br />
die finanzielle Basis geschaffen, auch<br />
eigene Entwicklungsprogramme zu bestreiten.<br />
Ähnlich erfolgreich wie prominent und<br />
ebenfalls mit entsprechender Deal-Erfolgsbilanz<br />
kann das belgische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Galapagos aufwarten. Mit seinen<br />
Plattformen BioFocus ® , Argenta Discovery TM<br />
und Fidelta ® – ebenso über mehrere Zukäufe<br />
(u. a. BioFocus, Inpharmatica, Sareum,<br />
Argenta Discovery, ProSkelia) unter einem<br />
Dach vereinigt – bietet das Unternehmen<br />
u. a. Biologie (Target Discovery und Screening),<br />
Medizinalchemie, Substanzbanken<br />
sowie ADME / PK-Services an. Entsprechend<br />
wurden ebenfalls lukrative Allianzen mit<br />
Pharma-Unternehmen geschlossen (u. a.<br />
Roche, GSK, Servier). 2012 kam ein weiterer<br />
Deal mit Abbott hinzu, der allein über<br />
ein Gesamtvolumen an Erfolgszahlungen<br />
von über einer Milliarde US-Dollar ging und<br />
damit unter den Top-3-Allianzen in Europa<br />
und weltweit platziert ist.<br />
Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette<br />
Target-Identi-<br />
fikation und<br />
Bewertung<br />
Target-Identi-<br />
fikation und<br />
Bewertung<br />
Screening<br />
Screening<br />
Hit- und<br />
Lead-<br />
Identifikation<br />
Hit- und<br />
Lead-<br />
Identifikation<br />
Tech@Process<br />
Lead-<br />
Optimierung<br />
Lead-<br />
Optimierung<br />
Präklinik<br />
Präklinik<br />
Weitere deutsche Beispiele sind 4SC Dis-<br />
covery und im engeren Sinne auch Phenex<br />
Pharmaceuticals. Die Ende 2011 gegründete<br />
4SC Discovery mit Kernkompetenzen<br />
ursprünglich im Bereich Computational<br />
Chemistry hat mittlerweile eine breitere<br />
Drug-Discovery-Maschinerie etabliert.<br />
Phenex Pharmaceuticals bietet dagegen ein<br />
sehr spezielles Prozessangebot mit einer<br />
Discovery-Plattform zur Identifizierung von<br />
Substanzen mit Wirkung auf Kernrezep-<br />
toren. Auch diese beiden Vertreter konnten<br />
aktuell im letzten Jahr mit lukrativen<br />
Deals aufwarten, die den Erfolg mittels des<br />
Alleinstellungsmerkmals „Tech@Process“<br />
bestätigen (Phenex / Janssen Pharmaceuticals,<br />
4SC Discovery / BioNTech).<br />
Neben Plattformen, die im weiteren oder<br />
engeren Rahmen im Bereich Drug Discovery<br />
ansetzen, sind auch an anderen Stellen der<br />
Pharma-Wertschöpfungskette sinnvolle und<br />
tatsächlich genutzte Eingriffsmöglichkeiten<br />
für <strong>Biotech</strong> vorhanden: beispielsweise im<br />
Bereich „Drug Delivery“, wo ebenfalls Technologien<br />
und Innovationen eine wichtige<br />
Rolle spielen. Unternehmen wie Rodos<br />
BioTarget und Soluventis sind dabei typische<br />
Vertreter, die ihre Technologien für Pharma-<br />
Partnerschaften anbieten.<br />
Klinische<br />
Phasen<br />
Zulassung<br />
und<br />
Vermarktung<br />
Pharma<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 11
Perspektive<br />
Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten<br />
Tech@MPO<br />
(Antikörper, RNAi, Peptide etc.)<br />
Multiple Product Opportunities<br />
Target-Identi-<br />
fikation und<br />
Bewertung<br />
3. Toolbox „Tech@MPO“ zur kontinuierlichen<br />
Generierung von Produkten<br />
Die am weitesten entwickelten sowie mög-<br />
licherweise attraktivsten und lukrativsten<br />
Technologieplattformen sind solche zur<br />
kontinuierlichen Generierung von innovativen<br />
Produkten (MPO – „Multiple Product<br />
Opportunities“). Dieses Feld ist ebenso<br />
prädestiniert, Alleinstellungsmerkmale für<br />
<strong>Biotech</strong> abzuleiten. Gerade in Deutschland<br />
ist dieses Modell exzellent besetzt und kann<br />
deswegen der gesamten Branche positiven<br />
Aufschwung ermöglichen. Nach wie vor<br />
dominieren hier Antikörperplattformen in<br />
unterschiedlichen Ausprägungen. Daneben<br />
geht es um DNA / RNA-basierte Wirkstoffe,<br />
Zelltherapien, Vakzine etc.<br />
Beispiele für solche Plattformen wurden<br />
bereits im letzten <strong>Report</strong> aufgezählt und<br />
auch mit den jeweiligen Unternehmen belegt<br />
(MorphoSys, Pieris etc.). Auffallend<br />
für dieses Segment ist ihre zunehmende<br />
Dominanz auf der Liste der Allianzen. Auf<br />
Screening<br />
Hit- und<br />
Lead-<br />
Identifikation<br />
Lead-<br />
Optimierung<br />
deutscher Seite stechen dabei Unternehmen<br />
wie MorphoSys (mehrere Transaktio-<br />
nen, Hauptdeal mit Novartis), Pieris (Deals<br />
mit Sanofi, Allergan, Daiichi Sankyo), Cure-<br />
Vac (Deal mit Sanofi Pasteur) oder NOXXON<br />
Pharma (Deals mit Pfizer, Eli Lilly) heraus.<br />
Im europäischen Umfeld zeigt sich die zunehmende<br />
Bedeutung der MPO-Plattformen<br />
noch deutlicher in der Auflistung der Top-<br />
<strong>Biotech</strong>-Allianzen 2012 (siehe Kapitel<br />
„Transaktionen“). Von den Top-6-Allianzen<br />
basieren allein vier auf Tech@MPO-Plattformen,<br />
die hochvolumige Transaktionen<br />
unter Dach und Fach bringen konnten; unter<br />
anderem Molecular Partners (Schweiz,<br />
1.463-Millionen-Euro-Deal mit Allergan),<br />
Genmab (Dänemark, 1.135-Millionen-US-<br />
Dollar-Deal mit J&J), Symphogen (Dänemark,<br />
495-Millionen-Euro-Deal mit Merck<br />
KGaA) und Ablynx (Belgien, 457-Millionen-<br />
US-Dollar-Deal mit Merck & Co.).<br />
12 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Präklinik<br />
Klinische<br />
Phasen<br />
Zulassung<br />
und<br />
Vermarktung<br />
Produkt 1<br />
Produkt 2<br />
Produkt 3<br />
Produkt ...<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Tech@MPO-Plattformen müssen sich nicht<br />
nur auf innovative Scaffolds beziehen. Eine<br />
weitere Möglichkeit der nachhaltigen Generierung<br />
von Wirkstoffen liefern sie mittels<br />
Modifizierung und Optimierung von Wirkstoffmolekülen.<br />
Hierzu zählen beispielsweise<br />
Plattformen zur Glykosylierung, wie sie von<br />
Glycotope durch gezielte gentechnische<br />
Manipulation der entsprechenden Stoffwechselwege<br />
(„Glycoengineering“) dargestellt<br />
werden oder von Cevec über die Nutzung<br />
entsprechender (humaner) Zelllinien<br />
zur Expression von Humanzuckerstrukturen.<br />
Ebenso findet sich hier der Ansatz<br />
der XL-protein, die mittels „PASylierung ® “<br />
die Plasmahalbwertszeit von pharmazeutischen<br />
Proteinen verändert.<br />
Die erfolgreiche Vermarktung dieser Plattformen<br />
zeigt sich auch hier an Deals mit<br />
Partnern, für die diese Technologien wertvoll<br />
in der Verbesserung oder im Life-Cycle-<br />
Management bestehender Pipeline-Assets<br />
sind. Ferner bedient dieses Modell das an<br />
Bedeutung zunehmende Feld der Biosimilars<br />
und Biobetters und ermöglicht mittelfristig<br />
auch eigene Produktentwicklungen.
Alleinstellungsmerkmal und<br />
Best Practice „Tech@Disease“<br />
Nicht exakt der Definition einer Technologieplattform<br />
entsprechend, dennoch aber<br />
mit einigen Charakteristika übereinstimmend,<br />
stellen sich Know-how-Plattformen<br />
um konkrete Therapiegebiete dar. Das<br />
Alleinstellungsmerkmal für die damit beschäftigten<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist im<br />
weitesten Sinne die „Neue Biologie“, die im<br />
spezifischen Wissensschatz in einem definierten<br />
Gebiet bzw. um relevante Wirkstoffklassen<br />
begründet ist. Auch dieser Ansatz<br />
befähigt Unternehmen zur nachhaltigen Generierung<br />
von Wirkstoffen. Zudem werden<br />
die Entwicklungsrisiken auf ein breiteres<br />
Portfolio verteilt und ebenfalls attraktive<br />
Allianzen abgeschlossen.<br />
Das herausragende Beispiel des letzten<br />
Jahres stellt AiCuris mit einer Plattform zur<br />
Identifizierung von Antiinfektiva und dem<br />
Know-how zur Entwicklung dieser Wirkstoffe<br />
dar. Die in Fachkreisen bestaunte<br />
Allianz mit Merck & Co. sticht vor allem<br />
durch die ungewöhnlich hohe Upfront-Zahlung<br />
(110 Mio. €) hervor. Allerdings ist<br />
für dieses Modell im Unterschied zu den<br />
zuvor beschriebenen Technologieplattformen<br />
ein wesentliches Erfolgskriterium<br />
die Finanzierung bis zum Erreichen eines<br />
für die Verpartnerung interessanten Asset-<br />
oder Portfoliostatus. Insofern ist hier der<br />
Zugang zu Kapital mit entsprechender Risiko-<br />
akzeptanz vorauszusetzen. Im Falle von<br />
AiCuris wird dies sowohl durch die Historie<br />
als Ausgründung von Bayer als auch durch<br />
die finanzielle Unterstützung durch das<br />
Family Office der Brüder Strüngmann entscheidend<br />
getragen.<br />
Auch diese Kategorie von Firmen sticht aus<br />
der Auflistung der lukrativsten Allianzen<br />
europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen deutlich<br />
hervor: Neben AiCuris befinden sich dort<br />
ThromboGenics (Belgien, Augenerkrankungen,<br />
375-Millionen-Euro-Deal mit Alcon /<br />
Novartis), AC Immune (Schweiz, Alzheimer,<br />
400-Millionen-Schweizer-Franken-Deal mit<br />
Genentech) und Savira (Österreich, Influ-<br />
enza, 240-Millionen-Euro-Deal mit Roche).<br />
Perspektive<br />
Alleinstellungsmerkmal und Best<br />
Practice „Therapeutikaentwicklung“<br />
Das Modell der Therapeutikaentwickler hat<br />
sich in den letzten Jahren für <strong>Biotech</strong>-Unter-<br />
nehmen als zusehends schwierig erwiesen.<br />
Zu lange Zeitschienen mit enormem Finanzierungsbedarf<br />
passen nicht zu den Inves-<br />
titionsstrategien der Beteiligungsfonds.<br />
Darüber hinaus existieren zu hohe Risiken,<br />
die dadurch noch gesteigert werden, dass<br />
<strong>Biotech</strong>-Start-ups in der Regel nur sehr<br />
schmale Portfolios an Produkten verfolgen<br />
können und damit die Risikostreuung weiter<br />
limitiert ist. Insofern werden nur wenige<br />
Firmen dieses Modell in reiner Form fahren<br />
können.<br />
Solche, die es dennoch versuchen, sollten<br />
gewisse Anforderungen erfüllen:<br />
• Fokussierung auf klare Nischenindikatio-<br />
nen (z. B. Rare Diseases) mit den Vorteilen<br />
kleinerer klinischer Studien, kürzerer<br />
Time-to-Market und niedrigerer Kosten<br />
• Definition eines Fünf-Jahres-Businessplans<br />
bis zum Exit durch Auswahl geeigneter Indikationen<br />
(„ultra-targeted“), optimierter<br />
kürzerer Prozesse, enger Stratifizierung,<br />
möglicherweise mit der Option, die Phase III<br />
in eigener Regie durchzuführen<br />
• Zugang zu besonderen Investoren (z. B.<br />
Family Offices Hopp / Strüngmann)<br />
Gerade die letzte Option kennzeichnet einige<br />
der deutschen <strong>Biotech</strong>-Firmen, die im<br />
reinen Therapeutika-Modell agieren. Apogenix<br />
in Heidelberg konnte durch die Unterstützung<br />
der dievini Hopp BioTech holding eine gut<br />
durchdachte klinische Phase-II-Studie in der<br />
schwierigen Indikation „Malignes Melanom“<br />
erfolgreich durchführen. Weder strategische<br />
Partner noch VC-Investoren waren<br />
bereit, den Hochrisiko-Einproduktansatz in<br />
einer früheren Phase zu finanzieren.<br />
CureVac in Tübingen betritt mit einem neuen<br />
Ansatz (RNA-Vakzine) Neuland. Die anstehende<br />
Phase-II-Studie birgt somit ebenfalls<br />
hohes Risiko und konnte nur durch eine<br />
„Alles oder nichts“-Entscheidung weiter<br />
vorangebracht werden. Noch riskanter sind<br />
Ansätze, wie sie von BioNTech in Mainz verfolgt<br />
werden. Das Unternehmen setzt auf<br />
neuartige Verfahren der individualisierten<br />
Immuntherapie durch Tumorvakzine. Im Erfolgsfall<br />
sind hier Durchbruchsinnovationen<br />
zu erwarten, die vor allem der individuellen<br />
medizinischen Behandlung von Krebspatienten<br />
zugutekommen würden. Allerdings ist<br />
kaum vorstellbar, dass diese Ansätze ohne<br />
die Hauptinvestoren Thomas und Andreas<br />
Strüngmann eine Chance der Finanzierung<br />
gehabt hätten.<br />
Diese Beispiele belegen einerseits, wie wichtig<br />
solche Investoren insbesondere für Hoch-<br />
risikoprojekte und die damit verbundenen<br />
Innovationschancen sind. Andererseits ist<br />
rein statistisch – gerade auch für derartige<br />
Hochrisikoprojekte – zu erwarten, dass Fehlschläge<br />
auftreten – wie während des letzten<br />
Jahres mit SYGNIS Pharma, Agennix, WILEX<br />
und Curacyte aus dem Hopp-Portfolio –<br />
die dann wiederum zu Negativschlagzeilen<br />
führen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 13
Übersicht der deutschen<br />
Tech@Companies im<br />
Therapiesektor<br />
n = 188<br />
16 %<br />
30 %<br />
10 %<br />
1 %<br />
Therapeutikaentwicklung<br />
Tech@Process<br />
Tech@MPO<br />
Tech@Disease<br />
Tech@Translation<br />
43 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Perspektive<br />
Unternehmenszuordnung zu Therapie-<br />
assoziierten Plattformen<br />
Im Therapiesektor der deutschen <strong>Biotech</strong>-<br />
Branche ergibt sich eine Aufteilung, deren<br />
größtes Einzelsegment zwar immer noch<br />
überwiegend die auf individuelle Wirkstoffe<br />
fokussierten Firmen sind (43 %), zusammengenommen<br />
bilden die Technologieplattformen<br />
aber bereits die Mehrheit (57 %).<br />
Mit einem Anteil von 30 Prozent liegen<br />
Tech@Process-Firmen an zweiter Stelle,<br />
die sich den Outsourcing-Trend von Teilen<br />
der Wertschöpfungskette durch mehr oder<br />
minder breite Positionierung zunutze machen.<br />
Darin spiegelt sich inbesondere die<br />
Service-Orientierung der deutschen <strong>Biotech</strong>-Szene<br />
wider. Tech@MPO-Plattformen<br />
zur nachhaltigen Produktion bestimmter<br />
Wirkstoffklassen (z. B. Antikörper) nehmen<br />
immerhin 16 Prozent ein. Die breit aufgestellten<br />
Tech@Disease-Plattformen sind mit<br />
insgesamt zehn Unternehmen unterrepräsentiert.<br />
Ausschließlich auf die Prototypen<br />
Evotec und LDC beschränkt stellt sich das<br />
Tech@Translation-Segment noch sehr klein<br />
dar. Die erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes<br />
in beachtliche Deals – wie weiter oben oder<br />
im Kapitel „Transaktionen“, beschrieben –<br />
lässt aber auch für diese Ausrichtung einige<br />
Möglichkeiten erhoffen.<br />
Es wird zukünftig interessant zu beobachten<br />
sein, ob und wie sich bei anhaltenden Finanzierungsengpässen<br />
dieses Bild verschieben<br />
wird – hin zu Modellen mit weniger Risiko und<br />
breiteren Geschäftsmöglichkeiten basierend<br />
auf vielfältigen Technologie-Toolboxen.<br />
14 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Erfolgsmessung<br />
Allen zuvor beschriebenen inhaltlichen Aufstellungsvarianten<br />
für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
ist als Messparameter für die Erfolgsbeurteilung<br />
das Abschließen lukrativer Deals gemein.<br />
Unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell<br />
(Service, Lizenzpartnerschaft, Co-Development<br />
etc.) wird das Qualitätssiegel dadurch<br />
verliehen, dass der Kunde (in aller Regel<br />
Pharma) bereit ist, dafür zu bezahlen. Insofern<br />
ist die Referenzliste der vorhandenen<br />
Kunden in jedem Fall der beste Beweis für<br />
die Funktionalität der Plattform bzw. der<br />
Wirksamkeit der Produkte.<br />
Aus den meisten gezeigten Beispielen ist<br />
ebenso ablesbar, dass diese Ansätze es<br />
ermöglichen, auf Dauer die eigene Produkt-<br />
Wertschöpfungskette aufzubauen – und<br />
zwar mit abgefederten Risiken über den<br />
Weg der Grundfinanzierung aus bestehenden<br />
Allianzen.
Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies<br />
Disruptive Innovation „PI Technologies“<br />
Während der globale Diagnostikmarkt insgesamt<br />
derzeit eher über Umsatzrückgänge<br />
und pessimistische Wachstumsprognosen<br />
klagt, ist ein Segment hier eindeutig ausgenommen:<br />
In-vitro- und Molekulardiagnostik.<br />
Aktuell werden in diesem Teilmarkt weltweit<br />
52,4 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Mit<br />
sehr steilen Wachstumsprognosen für die<br />
kommenden Jahre – einem vorhergesagten<br />
CAGR von sieben Prozent zwischen 2012<br />
und 2017 – schaut dieser Teilbereich sehr<br />
optimistisch in die Zukunft.<br />
Diese Entwicklung ist wiederum sehr eng<br />
mit den Umwälzungen des gesamten Life-<br />
Science-Sektors verknüpft, vor allem mit<br />
der stärkeren Fokussierung der Life-Science-<br />
Industrie auf den Patienten. „Personalized<br />
Medicine“, „Patient Stratification“ und<br />
„Companion Diagnostics“ – die Kernelemente<br />
dieser Entwicklung – beinhalten bereits<br />
Diagnostik als inhärenten Teil ihrer<br />
Vorgehensweise.<br />
Auch hier stehen wiederum Technologien<br />
im Zentrum. Die enormen Fortschritte in<br />
der technischen Bewältigung und Nutzbarmachung<br />
von Big Data haben mittlerweile<br />
einen Stand erreicht, der es ermöglicht,<br />
individuelle Patientengenome zu analysieren<br />
und damit dem einzelnen Patienten eine<br />
auf ihn abgestimmte, individuelle Behandlung<br />
zuzuführen. Ermöglicht wird dies durch<br />
Entwicklungen im Bereich von Next-Generation-Sequencing-Ansätzen,<br />
die Speicherung<br />
von Expressionsdaten und Mutationsanalysen<br />
auf DNA Microarrays sowie das Nutzen verschiedener<br />
Omix-Datenbanken (Proteom,<br />
Metabolom etc.).<br />
Nicht ganz so neu, aber dennoch mit Wachs-<br />
tumspotenzial und ebenfalls stärkerer Patientenfokussierung<br />
(Point of Care, Disease<br />
Monitoring, Home Monitoring) ist auch die<br />
schon fast „klassische“ Molekulardiagnostik<br />
wieder attraktiv positioniert.<br />
All diese immer stärker auf den individuellen<br />
Patientennutzen ausgerichteten technischen<br />
Entwicklungen generieren große Mengen<br />
an Daten, über deren Verwendung immer<br />
mehr von Patienten selbst entschieden wird<br />
(„Patient Empowering“). Allerdings können<br />
aus der Flut der Daten nur deshalb sinnvolle<br />
Aussagen entstehen, weil ebenso hochinnovative<br />
IT-Lösungen entwickelt wurden, die<br />
nicht nur Daten speichern sondern in der<br />
Lage sind, Big Data in sinnvolle Informationen<br />
und Patienten-relevantes Wissen umzusetzen<br />
(„Information Leveraging“). Aus<br />
der Symbiose dieser beiden Treiber – „Patient<br />
Empowering / Big Data“ und „Informa-<br />
tion Leveraging“ – ist gerade im Bereich<br />
der Diagnostik ein neues Paradigma entstanden,<br />
das unter dem Begriff „PI Technologies“<br />
die Kernbegriffe vereint.<br />
Für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen – neben IT- und<br />
Medizintechnikfirmen – entstehen hier neue<br />
Geschäftsfelder, die die biotechnischen<br />
Fähigkeiten als Grundvoraussetzung benötigen.<br />
Insofern lassen sich auch in diesen<br />
Bereichen Alleinstellungsmerkmale definieren,<br />
an denen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Best<br />
Practice präsentieren können.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 15
Alleinstellungsmerkmal und<br />
Best Practice „Tech@BigData“<br />
Die Verarbeitung großer Datenmengen im<br />
Bereich von Terabytes, Petabytes und Exabytes<br />
ist ein wachsender Trend und eine<br />
ökonomische Chance für viele Industrien.<br />
Im <strong>Biotech</strong>-Universum stehen hier neben<br />
Informationen, die bei klinischen und prä-<br />
klinischen Studien erhoben werden, in erster<br />
Linie genetische Sequenzdaten, welche<br />
durch Sequenzierverfahren der zweiten<br />
und dritten Generation (Next Generation<br />
Sequencing, NGS) immer effizienter generiert<br />
werden können. Allein in Deutschland<br />
existiert eine ganze Reihe von <strong>Biotech</strong>-<br />
Firmen, die aufgrund ihrer technologischen<br />
Kernkompetenz das Thema „Big Data“-<br />
Handling im Fokus haben.<br />
Generierung und Interpretation von<br />
NGS-Daten<br />
Den nachfolgenden Firmen ist gemeinsam,<br />
dass sie mit Hochdurchsatz-Sequenzierungs-<br />
technologien Daten erzeugen, die beispielsweise<br />
in der Forschung für die Aufklärung<br />
von Krankheitsphänomenen ebenso genutzt<br />
werden wie als Marker in der Diagnostik:<br />
• Alacris Theranostics, Berlin<br />
• CeGaT, Tübingen<br />
• GATC <strong>Biotech</strong>, Konstanz<br />
• Genovoxx, Lübeck<br />
• GENterprise, Mainz<br />
• IMGM Laboratories, Martinsried<br />
• SEQLAB, Göttingen<br />
• Sequiserve, Vaterstetten<br />
Die Genannten verfolgen primär ein Service-<br />
Geschäftsmodell und unterliegen dabei<br />
dem Druck, mit der rasanten technischen<br />
Entwicklung Schritt zu halten. Der Druck<br />
wird noch verstärkt durch die kontinuierlich<br />
fallenden Preise für Sequenzierleistungen,<br />
die im direkten Verhältnis zur immer weiter<br />
steigenden Sequenziergeschwindigkeit stehen.<br />
Hieraus generiert sich aber gleichzeitig<br />
auch ihre erfolgreiche Positionierung als<br />
Dienstleister. Keiner der Kunden aus der<br />
akademischen Forschung, die oft den Löwenanteil<br />
der Kunden ausmachen, oder der<br />
Life-Science-Industrie wäre heute in der<br />
Lage, mit dieser Dynamik Schritt zu halten.<br />
Perspektive<br />
Die meisten der genannten Anbieter von<br />
Hochdurchsatz-Sequenzierungen nutzen<br />
jedoch Technologien in Lizenz, die primär<br />
von wenigen Technologiefirmen entwickelt<br />
wurden. Insofern liegen die Erfolgsfaktoren<br />
vor allem in:<br />
• einem stabilen Lizenzvertrag oder eigener,<br />
starker IP<br />
• einer perfekten Organisation<br />
• der kürzesten Zeit zum Abarbeiten von<br />
Kundenaufträgen<br />
• der bestmöglichen Qualität<br />
• dem günstigsten Preis<br />
Messparameter ist damit der Umfang der Kun-<br />
denliste und die Zufriedenheit der Kunden.<br />
Darüber hinaus gibt es weitere Alleinstellungsmerkmale:<br />
• das „Portfolio“ an etablierten einlizenzierten<br />
Plattformen<br />
• die Breite der angebotenen Services<br />
• die geschäftliche Weiterentwicklungen aus<br />
dem Service- in ein Produkt-Modell<br />
IMGM Laboratories stellt in seinem Angebot<br />
die breite technische Plattform besonders<br />
heraus. Die Partner im Technologiebereich<br />
lesen sich wie das „Who is Who?“ der DNA-<br />
Analytik-Branche: Agilent Technologies,<br />
Affymetrix, Roche, Life Technologies,<br />
Fluidigm.<br />
GATC <strong>Biotech</strong> hat inzwischen ein breites<br />
Portfolio an Anwendungen allein im Next-<br />
Generation-Sequencing-Bereich aufgebaut,<br />
welches von der Sequenzierung ganzer<br />
Patientengenome über die Untersuchung<br />
von Transkriptomen, Metabolomen und<br />
Regulomen reicht. IMGM Laboratories verbreitert<br />
sein Service-Angebot durch namhafte<br />
Partner. So sind sie als „Preferred<br />
Supplier“ in Partnerschaften mit Agilent<br />
Technologies, Affymetrix und SIRION<br />
<strong>Biotech</strong> (siRNA-Analysen) eingebunden.<br />
Interessant auch das Unternehmen GENterprise,<br />
das neben dem Sequenzier-„Vollservice“-Angebot<br />
eine preisgünstigere „light“-<br />
Version in einem Tochterunternehmen<br />
(StarSEQ ® ) anbietet, wo Kunden mit vor-<br />
liegender Kompetenz in der Datenanalyse<br />
lediglich die Rohdaten in Auftrag geben<br />
können.<br />
16 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Darüber hinaus sind einige der o. a. Unternehmen<br />
nun auch dazu übergegangen, Produkte<br />
in Form von Tests für den Diagnostikmarkt<br />
herzustellen, die auf Sequenzierdaten<br />
beruhen. GATC <strong>Biotech</strong> hat diesen Schritt<br />
durch die Ausgründung von LifeCodexx vollzo-<br />
gen. Der Inhalt dieses Unternehmens besteht<br />
in der Vermarktung von Tests (PrenaTest ® )<br />
zur pränatalen Bestimmung von fetalen<br />
Chromosomenaberrationen (Trisomien 13,<br />
18, 21). Ähnlich aufgestellt ist CeGaT. Neben<br />
neuesten NGS-Technologien für die Abarbeitung<br />
von Kundenaufträgen aus Akademie,<br />
Pharma- und Diagnostikindustrie hat das<br />
Unternehmen für eine ganze Liste von Krankheiten<br />
sogenannte „Diagnostik-Panels“<br />
erstellt, die auf DNA-Ebene typische Muta-<br />
tionen detektieren und somit hilfreich in der<br />
eindeutigen Zuordnung von Krankheiten<br />
sind.<br />
Auf Seiten der tatsächlichen Technologie-<br />
entwickler hebt sich als unbestrittener Star<br />
Illumina mit Hauptsitz in San Diego am Himmel<br />
der Sequenziertechnologie hervor.<br />
Nicht von ungefähr hatte Roche 2012 hartnäckig<br />
und dennoch letztlich erfolglos versucht,<br />
Illumina für 6,7 Milliarden US-Dollar<br />
zu übernehmen und damit das Technologie-<br />
portfolio des weltweit führenden Diagnostikunternehmens<br />
perfekt zu ergänzen. Ein<br />
Zeichen dafür, wie attraktiv Technologieanbieter<br />
auf dem Gebiet der Sequenzierung<br />
gerade für die Diagnostikindustrie geworden<br />
sind.
Bioinformatische Anwendungen zur<br />
Bewältigung von Big Data<br />
Bioinformatische Anwendungen sind bei der<br />
Interpretation von „Big Data“ geradezu unverzichtbar.<br />
Die genetische Information der<br />
entzifferten DNA-Sequenzen wird erst durch<br />
die entsprechende Interpretation werthaltig.<br />
In der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie stellen<br />
Bioinformatik-Firmen eine durchaus sichtbare<br />
Größe von ca. 20 Unternehmen dar.<br />
Diese lassen sich weiterhin in drei Gruppen<br />
unterteilen:<br />
1. Bioinformatik zur Interpretation großer<br />
NGS-Datenmengen<br />
Die erste Kategorie der NGS-assoziierten<br />
Firmen legt ihren Fokus enger auf den Bereich<br />
großer Sequenzdatenmengen. Sie entwickeln<br />
bioinformatische Methoden für die<br />
Analyse genetischer Variationen und Mutationen,<br />
für funktionelle Annotationen sowie<br />
zur Detektion genetischer Krankheiten.<br />
Beispiele dieses Segments sind:<br />
• AptaIT, München<br />
• BIOBASE, Wolfenbüttel<br />
• Biomax Informatics, Martinsried<br />
• geneXplain, Wolfenbüttel<br />
• Genomatix, München<br />
• MicroDiscovery, Berlin<br />
Einige der genannten Firmen kommen<br />
ursprünglich aus dem Bereich der Gene<br />
Arrays, in dem genetische Information aus<br />
dem Abgleich von Sequenzen mit vorgegebenen<br />
Sequenzmustern auf Arrays zu interpretieren<br />
waren. Die neue Generation der<br />
Primärdatenquelle ist eindeutig aber Next<br />
Generation Sequencing. Somit musste sich<br />
auch die Welt der Bioinformatik weiterdrehen,<br />
deren Hauptkunden neben akademischen<br />
Institutionen auch Sequenzier-<br />
firmen sind.<br />
Perspektive<br />
Das Tandem CeGaT und Genomatix veranschaulicht<br />
diese Symbiose deutlich. Sequenzierer<br />
und Bioinformatiker entschlüsseln<br />
gemeinsam Sequenzdaten und setzen sie in<br />
entsprechenden Tests um (s. o.). In diesem<br />
Zusammenhang wurden beide Unternehmen<br />
im letzten Jahr mit prominenten Preisen<br />
bedacht und gewannen gemeinsam die<br />
„Clarity Challenge“, einen Wettbewerb des<br />
Boston Children’s Hospital zur Identifizierung<br />
von Krankheiten auf Basis von Sequenz-<br />
daten.<br />
2. Bioinformatik zur Integration von<br />
Daten aus unterschiedlichen Quellen<br />
(„Life Science Knowledge Management“)<br />
Das Thema „Big Data“ geht heute bereits weit<br />
über Sequenzierdaten hinaus und schließt<br />
sehr viel umfassender die Integration von<br />
Informationsdatensätzen aus unterschiedlichsten<br />
Quellen (Proteomics-Daten, klinische<br />
Parameter, Patientendaten etc.) ein. Hier<br />
haben sich Technologien im Bereich der<br />
Bioinformatik entwickelt, die hochkomplexe<br />
Daten in sinnvolle Information und nutzbares<br />
Wissen umsetzen, so z. B.:<br />
• Biomax Informatics, Planegg<br />
• BMI Biomedical Informatics, Heidelberg<br />
• geneXplain, Wolfenbüttel<br />
• Metalife, Winden<br />
Diese Aufzählung zeigt bereits die Überlappung<br />
zur vorherigen Kategorie und gleichzeitig<br />
ein Stück des zukünftigen Weges zur<br />
Bewältigung von großen Datenmengen und<br />
deren Übersetzung in brauchbares Wissen.<br />
3. Bioinformatik für in silico-Forschung<br />
Zur dritten Gruppe zählen einige Unternehmen,<br />
die im Umfeld von virtuellen Modellierungen<br />
innerhalb des Forschungs- und<br />
Entwicklungsprozesses tätig sind, wie beispielsweise:<br />
• BioSolveIT, Sankt Augustin<br />
• Insilico <strong>Biotech</strong>nology, Stuttgart<br />
• molConcept, Berlin<br />
• quantiom bioinformatics, Weingarten<br />
• XAPIEN, Heidelberg<br />
Bei diesen stehen vor allem Methoden zum<br />
„Molecular Drug Design“ im Fokus der<br />
Geschäftstätigkeit. Sie entsprechen damit<br />
eher der klassischen Herangehensweise von<br />
Bioinformatik, basierend auf Strukturdaten<br />
von Target-Wirkstoffinteraktionen. Aufgrund<br />
dieser Positionierung sind die Firmen stärker<br />
mit kommerziellen Partnern verbunden,<br />
die Therapeutika entwickeln und weniger mit<br />
Unternehmen im Bereich Diagnostik.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 17
Alleinstellungsmerkmal und Best<br />
Practice „Tech@CompanionDiagnostics“<br />
Die mit Abstand attraktivste Perspektive im<br />
Diagnostiksektor haben im gegenwärtigen<br />
Life-Science-Umfeld die Unternehmen, die<br />
sich um die Kernthemen Personalisierte<br />
Medizin und „Patient Outcome“ positioniert<br />
haben.<br />
Unter dem Stichwort Tech@Companion-<br />
Diagnostics sind Ansätze zusammengefasst,<br />
die vor allem in der Stratifizierung (d. h. der<br />
Vorauslese und Zuordnung) von Patienten<br />
für bestimmte Behandlungen eingesetzt<br />
werden. Die Anwendung von Companion<br />
Diagnostics beginnt bereits in der Medikamentenentwicklung<br />
in Form von Surrogat-<br />
Biomarkern (d. h. Mess- und Ergebnisparametern<br />
in klinischen Studien) und setzt sich<br />
fort in der dedizierten Indikationsstellung<br />
für Medikamente am Markt bis hin zum<br />
Monitoring von Therapien.<br />
Neben der logischen Rationale für eine prosperierende<br />
Zukunft des Tech@Companion-<br />
Diagnostics-Bereichs belegen bereits auch<br />
eindeutige Zahlen diesen Trend. Der US-Markt<br />
der personalisierten Medizin – also Therapien<br />
mit evidenzbasierter Zuordnung zu individuellen<br />
Patienten(gruppen) – steht mit<br />
aktuell ca. 28 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz<br />
noch am Anfang (mit einer beachtlichen<br />
Wachstumsdynamik und Prognosen<br />
Perspektive<br />
auf über 40 Milliarden US-Dollar Umsatz im<br />
Jahr 2015; Kalorama Information). Diese<br />
Dynamik ist allerdings erst in den letzten<br />
Jahren entstanden. Pharma-Firmen haben<br />
langsam begriffen, dass nach dem „Auslaufmodell<br />
Blockbuster“ auch trotz eines durch<br />
Patientenstratifizierung segmentierten<br />
Marktes bei richtiger Strategie gutes Geld<br />
zu verdienen ist. Es hat in der Tat über<br />
15 Jahre gedauert, bis nach dem ersten<br />
Meilenstein Herceptin ® mittlerweile nur<br />
ca. 20 Wirkstoffe in Verbindung mit einem<br />
stratifizierenden Test auf den Markt kamen<br />
(Details siehe Kapitel „Produkte“).<br />
Der Blick in die aktuelle Medikamentenentwicklung<br />
zeigt aber eindeutig, welchen Stellenwert<br />
die Stratifizierung inzwischen einnimmt.<br />
Während in weiter fortgeschrittenen<br />
klinischen Phasen erst 30 Prozent der Medikamente<br />
parallel mit einem Stratifizierungsmarker<br />
entwickelt werden, trifft dies bereits<br />
für rund 50 Prozent in der Phase I zu und in<br />
noch stärkerem Ausmaß (60 %) für präklinische<br />
Programme.<br />
Treiber für die Entwicklung von Companion<br />
Diagnostics ist sicherlich nicht die späte<br />
Erkenntnis bei den Pharma-Firmen, sondern<br />
vor allem der Druck der Zulassungs-<br />
behörden. Den Behörden geht es v. a. um<br />
die Patientensicherheit und sie fordern bei<br />
Vorliegen von evaluierten Stratifizierungsmarkern<br />
natürlich ein, nur Patienten mit<br />
Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics<br />
Rx<br />
CDx<br />
Drug Discovery Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />
Biomarker-<br />
Identifikation<br />
Biomarker-<br />
Validierung +<br />
Standardisierung<br />
Biomarker-Validierung<br />
* PPV = positiver Vorhersagewert, NPV = negativer Vorhersagewert<br />
Therapeutikaentwicklung<br />
Entwicklung<br />
eines<br />
Prototyp<br />
Assays<br />
Analytisch-technische<br />
Validierung<br />
Phase I<br />
Sensitivität +<br />
Spezifität<br />
Klinische Validierung<br />
Phase II<br />
PPV + NPV*<br />
Optimierung der<br />
technischen Plattform<br />
18 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
entsprechendem Target-Profil zu behandeln.<br />
Zunehmend werden auch die Stimmen der<br />
Pharma-Ökonomie sowie die der Kostenträger<br />
vernommen.<br />
Die Attraktivität des Companion-Diagnostics-Segmentes<br />
aus Sicht der Diagnostik-<br />
branche bezieht sich vor allem auf die wachsende<br />
Bedeutung dieser Sparte als Partner<br />
von Pharma-Firmen. Darin steckt ebenso<br />
die Hoffnung, auch hinsichtlich der Preis-<br />
gestaltung zukünftig näher an die „Value-<br />
based“-Betrachtung der Pharma-Produkte<br />
zu kommen.<br />
Der Markt für Companion-Diagnostics-Tests<br />
selbst ist derzeit mit 1,3 Milliarden US-Dollar<br />
noch klein. Ähnlich der Wachstumsprognose<br />
für die parallel entwickelten Medikamente<br />
wächst auch dieses Segment mit großer<br />
Dynamik (ca. 26 %) und verspricht Umsätze<br />
im Bereich von 3,5 Milliarden US-Dollar<br />
bis 2015 (Visiongain-Studie). Diese Zahlen<br />
könnten sicherlich deutlich übertroffen werden,<br />
wenn die Preisgestaltung für Companion<br />
Diagnostics entsprechend ihrem Wert für<br />
den Patientennutzen beurteilt würde und<br />
nicht – wie nach wie vor üblich – im Niedrigpreissegment<br />
der Routine-Diagnostika. Hier<br />
allerdings sind wichtige Fragen zu klären,<br />
etwa wie die für Arzneimittel eingeführte<br />
Kosten-Nutzen-Beurteilung und daran geknüpfte<br />
Erstattung auf Diagnostika übertragen<br />
werden kann.<br />
Phase III<br />
Klinischer Nut-<br />
zennachweis<br />
Zulassung<br />
Zulassung<br />
Medikament<br />
Klinisch<br />
validierter<br />
Test<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Die Tests selbst beziehen dabei die folgen-<br />
den Parameter als Stratifizierungskriterien<br />
mit ein:<br />
• Wirksamkeit – Vorhandensein des Targets,<br />
Mutationen im Target oder in assoziierten<br />
Pathway-Komponenten<br />
• Sicherheit – Verträglichkeitshinweise basierend<br />
auf Wechselwirkung mit anderen<br />
Stoffwechselwegen<br />
• Metabolisierung – Abbaudynamik aufgrund<br />
genetisch determinierter individueller<br />
Enzymausstattung<br />
Die beschriebenen Einsatzgebiete der Tests<br />
und vor allem die zunehmend wichtigere<br />
Aufgabe der klinischen Validierung von Biomarkern<br />
verlagern die Schwerpunkte der<br />
Diagnostikentwicklung:<br />
• Einerseits treten Companion Diagnostics –<br />
wie der Name schon andeutet – nicht nur<br />
im Markt als „Begleiter“ der Medikamente<br />
auf, sondern auch ihre Entwicklung erfolgt<br />
in enger Koordination weitgehend parallel<br />
zur Medikamentenentwicklung. Die fast<br />
unabhängige Vorgehensweise – wie noch<br />
zu Herceptin-Zeiten – dürfte damit der Vergangenheit<br />
angehören.<br />
• In diesem Zusammenhang werden zukünftig<br />
häufiger One-to-one-Partnerschaften<br />
zwischen Diagnostik- und Pharma-Unternehmen<br />
für die parallele Entwicklung von<br />
Medikament (Rx) und Diagnostikum (Dx)<br />
die Regel sein; es ist deshalb vermutlich<br />
auch nicht mehr mit einem so harten Konkurrenzkampf<br />
zwischen CDx-Anbietern für<br />
den gleichen Test zu rechnen.<br />
• Weiterhin ist die Dx-Wertschöpfungskette<br />
zweigeteilt, mit einem Standbein in der<br />
„Biologie“ zur Identifizierung und Validierung<br />
von krankheitsrelevanten Biomarkern<br />
sowie dem traditionellen Schwerpunkt der<br />
Diagnostikindustrie auf der technischen<br />
Testentwicklung mit Fokus auf Selektivität,<br />
Spezifität und Sensitivität der Messung.<br />
In diesem Markt sind bereits auch etliche<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland zu<br />
finden, vor allem solche, die ihre Ergebnisse<br />
aus systembiologischen Ansätzen oder<br />
durch Sequenzierungstechnologien in<br />
Richtung Biomarker umsetzen. Beispiele<br />
hierfür sind:<br />
• Alacris Theranostics, Berlin<br />
• CBC Comprehensive Biomarker Center,<br />
Heidelberg<br />
Perspektive<br />
• CorTAG, Dortmund<br />
• Epigenomics, Berlin<br />
• Epivios, Düsseldorf<br />
• GeneWake, Neuried<br />
• humatrix, Frankfurt/Main<br />
• Immungenetics, Rostock<br />
• Indivumed, Hamburg<br />
• Inostics, Hamburg<br />
• oncgnostics, Jena<br />
• PAREQ, Düsseldorf<br />
• Signature Diagnostics, Potsdam<br />
• Sividon Diagnostics, Köln<br />
• TARGOS Molecular Pathology, Kassel<br />
Kernkompetenzen für die Biomarker- und<br />
Companion-Diagnostics-Unternehmen sind<br />
ihre biotechnologische Aufstellung, wobei<br />
vor allem die Sequenzier-, Array- und andere<br />
Hochdurchsatztechnologien entscheidend<br />
sind. Darüber hinaus spielt der Zugang zu<br />
Biobanken eine immer größere Rolle und<br />
nicht zuletzt die Kompetenz, identifizierte<br />
Biomarker klinisch zu validieren. Letzteres<br />
kann den Aufwand für die Biomarker-Entwicklung<br />
deutlich ausweiten. Wenn es darum<br />
geht, die Aussagekraft der Tests bei indivi-<br />
duellen Patienten nachzuweisen, kommt<br />
dieser Aufwand unter Umständen der klini-<br />
schen Medikamentenentwicklung nahe, was<br />
erneut die Frage der Preise und der Erstattung<br />
aufbringt.<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen können in diesem<br />
„Setting“ klare Positionen besetzen und<br />
haben Perspektiven für lukrative Geschäftsmodelle.<br />
Indem sie die biologienahen Kompetenzen<br />
der CDx-Entwicklung besetzen,<br />
interagieren sie – wie bereits gewohnt –<br />
eng mit Therapeutikaentwicklern. Darüber<br />
hinaus gewinnen sie andere Partner im Bereich<br />
Diagnostik für die technische Entwicklung<br />
von Tests und deren Vermarktung.<br />
Ein gutes Beispiel liefert Qiagen, das seine<br />
Schwerpunkte stark auf den Bereich „Companion<br />
Diagnostics“ verlagert. In diesem<br />
Prozess wurden einerseits eine ganze Reihe<br />
von Allianzen mit <strong>Biotech</strong>-Firmen geschlossen,<br />
um Zugang zu validierten Biomarkern<br />
zu erhalten (z. B. Insight Genetics, Drug<br />
Response Dx, Personal Genome Diagnostics,<br />
Pathway Diagnostics, Lepu Medical). Darüber<br />
hinaus wurden zu diesem Zweck auch<br />
zwei Unternehmen (DxS und Ipsogen)<br />
übernommen. Auf der anderen Seite hat<br />
Qiagen mittlerweile für die gemeinsame<br />
Vermarktung der Diagnostik-Tests mit den<br />
entsprechenden Medikamenten zahlreiche<br />
Allianzen mit Pharma-Firmen etabliert<br />
(z. B. Boehringer Ingelheim, AstraZeneca,<br />
BMS, Eli Lilly / ImClone, Pfizer).<br />
Ein deutsches Best-Practice-Beispiel bezüglich<br />
der Umsetzung seines <strong>Biotech</strong>-Know-how<br />
im Feld „Companion Diagnostics“ liefert das<br />
Berliner Unternehmen Alacris Theranostics.<br />
Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung<br />
neuer Verfahren in der personalisierten<br />
Medizin für Krebspatienten spezialisiert:<br />
insbesondere in den Bereichen der Entwicklung<br />
von neuen Ansätzen der Diagnose,<br />
Behandlung und Stratifizierung. Alacris verfolgt<br />
dabei einen systembiologischen Ansatz.<br />
Der Einsatz von Transkriptom- und Genom-<br />
Informationen, kinetischen Signaltransduktionsdaten<br />
sowie von Informationen aus<br />
Mutations- und Medikamentendatenbanken<br />
erzeugt ein „Virtuelles Patientenmodell“.<br />
Dieses kann die Wirkung der medikamen-<br />
tösen und optimierten kombinatorischen<br />
Behandlung vorhersagen und so die Stratifizierung<br />
von Krebspatienten und Verfahren<br />
in der personalisierten Medizin unterstützen.<br />
Ein zweiter großer Vorteil des ModCell TM -<br />
Systems ist die Bildung von virtuellen klini-<br />
schen Studien. Solche Studien erlauben die<br />
In-silico-Analyse bekannter Medikamente<br />
oder von Medikamenten, die noch in echten<br />
klinischen Studien getestet werden müssen.<br />
Dadurch können In-silico-Patientengruppen<br />
oder genetische Profile und Krankheiten<br />
identifiziert werden und so durch bestimmte<br />
Medikamente gezielt behandelt werden.<br />
Mit diesem Ansatz hat es das Unternehmen<br />
inzwischen geschafft, sich international<br />
zu positionieren. Eine Vereinbarung mit<br />
GlaxoSmithKline (GSK) erlaubt dem Pharma-<br />
Unternehmen die Nutzung von Alacris‘ proprietärem<br />
ModCell TM -System zur Medikamentenstratifizierung<br />
auf Basis von Daten<br />
aus den Frühphasen der Krebsforschung.<br />
GSK wird seine präklinischen biologischen<br />
Daten aus einem Wirkstoffforschungsprojekt<br />
im Bereich der Onkologie zur Verfügung<br />
stellen und Alacris wird sein proprietäres<br />
biologisches Modellsystem einsetzen, um<br />
den Effekt eines Inhibitors in seinem „Vir-<br />
tuelle klinische Studien“-System zu charakterisieren.<br />
Außerdem wird der Technologieansatz<br />
durch das strategische Investment<br />
von Qiagen geadelt, die sich Zugang zu<br />
neuen Biomarkern erhoffen, um ihre Mole-<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 19
Perspektive<br />
kulardiagnostik-Sparte weiter auszubauen.<br />
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass<br />
dieses Modell einer <strong>Biotech</strong>-Unternehmung<br />
sowohl in direkten Partnerschaften mit<br />
Pharma als auch mit großen Diagnostikfirmen<br />
interagieren kann. Die Mitgliedschaft<br />
in mehreren wissenschaftlich-kommerziellen<br />
Koalitionen untermauert die Position zusätzlich,<br />
z. B. die Personalized Medicine<br />
Coalition (PMC), 2004 gegründet, mit dem<br />
Ziel, die Entwicklung der personalisierten<br />
Medizin voranzutreiben. Ferner auch die<br />
ESPT (European Society for Pharmacogenomics<br />
and Theranostics), die sowohl an<br />
20 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
allen Aspekten der Pharmakogenomik<br />
interessiert ist, als auch an allen Ansätzen<br />
zur Verbesserung der Bereitstellung von<br />
Medikamenten für den richtigen Patienten<br />
mit der richtigen Dosierung zum richtigen<br />
Zeitpunkt. Alacris ist auch Partner des<br />
OncoTrack-Projekts der Innovative Medicine<br />
Initiative (IMI), einer öffentlich-privaten<br />
Partnerschaft zwischen der Europäischen<br />
Union und der European Federation of Pharmaceutical<br />
Industries and Associations<br />
(EFPIA). Innerhalb des Projekts sollen neue<br />
Wege in der Diagnose und Behandlung von<br />
Darmkrebs beschritten werden, indem durch<br />
neue Methoden systematisch Biomarker der<br />
nächsten Generation entwickelt werden.<br />
Weitere Beispiele in ähnlicher Richtung –<br />
wenngleich in ihrer Entwicklung erst am<br />
Anfang – stellen Signature Diagnostics und<br />
das CBC Comprehensive Biomarker Center<br />
dar. Beide sind stark in DNA-Technologien<br />
aufgestellt und wenden diese speziell für die<br />
Identifizierung von Biomarkern an. Insgesamt<br />
operieren die genannten Unternehmen<br />
vorwiegend noch in einem Service-Modell.<br />
Die Chancen, sich als Partner für Pharma-<br />
oder größere Diagnostikunternehmen zu<br />
etablieren, sind aber definitiv gegeben.<br />
Gleichzeitig zeigen sich auch VC-Investoren<br />
zusehends interessiert an diesem Modell,<br />
wie getätigte Investments bestätigen. In<br />
Deutschland erhielten die beiden Start-up-<br />
Unternehmen Epivios und oncgnostics jeweils<br />
Gründungsfinanzierungen aus dem<br />
High-Tech Gründerfonds und von lokalen<br />
weiteren Investoren. Beide sind im Segment<br />
der Biomarker-Identifikation und -Entwicklung<br />
tätig.<br />
Schließlich bietet dieses Szenario auch die<br />
Möglichkeit, auf Basis biotechnologischer<br />
Wurzeln vollintegrierte Companion-Diagnos-<br />
tics-Unternehmen aufzubauen. Ein Beispiel<br />
hierfür ist Agendia in den Niederlanden.<br />
Nicht nur die 65-Millionen-US-Dollar-Finanzie-<br />
rungsrunde der auf onkologische Biomarker<br />
fokussierten <strong>Biotech</strong>-Firma, sondern auch<br />
der in dieser Runde dominierende strategische<br />
Investor Debiopharm dokumentieren<br />
die Attraktivität für Investoren und gleichermaßen<br />
für Strategen.
Alleinstellungsmerkmal und<br />
Best Practice „Disease Detection &<br />
Monitoring“<br />
Eher die klassische Schiene der Molekular-<br />
diagnostik verfolgt ein dritter Ast von Diagnostikfirmen<br />
mit Tests zum Nachweis von<br />
krankheitsrelevanten Faktoren, wie zum Beispiel<br />
Infektionserregern, Stoffwechselprodukten<br />
oder Blutwerten. Das von Seiten <strong>Biotech</strong><br />
hier einzubringende Know-how bezieht<br />
sich sowohl auf die Biologie der Targets als<br />
auch auf die Technologie zu deren Nachweis.<br />
Als absolut wichtigste Technologiebasis<br />
steht hier die PCR im Zentrum der meisten<br />
Anwendungen. Weniger ausgeprägt ist die<br />
Nutzung von Gene Arrays. Beispiele für<br />
Unternehmen, die mit PCR-Technologien<br />
operieren, sind:<br />
• AmplexDiagnostics (Infektionen)<br />
• AnDiaTec (Infektionen, Thrombosen,<br />
Stoffwechsel)<br />
• Attomol (Infektionen)<br />
• Biotype Diagnostics (Dermatologie,<br />
Hämatologie, Onkologie)<br />
• Carpegen (Paradontose)<br />
Die Anwendungen zielen meist auf ver-<br />
schiedene Krankheitsfelder, allen voran bei<br />
Infektionserkrankungen zum spezifischen<br />
Nachweis von Erregern und deren zielgerichteter<br />
Behandlung. Ein weiteres an Bedeutung<br />
zunehmendes Feld hat sich im<br />
Bereich der genetischen Testung in Bezug<br />
auf Vaterschaften oder genetische Dispositionen<br />
und Krankheitsanlagen etabliert<br />
(bj-diagnostik, DelphiTest, GENOLYTIC,<br />
Galantos Pharma, humatrix, ID-Labor etc.).<br />
Die Unternehmen in der Kategorie der<br />
Krankheitsdetektion entscheiden den Wettbewerb<br />
am Markt mit weitgehend übereinstimmenden<br />
kompetitiven Faktoren:<br />
• Zeit des Tests bis zum Vorliegen des<br />
Ergebnisses<br />
• Zuverlässigkeit des Ergebnisses<br />
• Testformate und Probendurchsatz<br />
(z. B. Multiparameteranalysen)<br />
• Leichte Standardisierbarkeit der Test-<br />
verfahren<br />
• Therapeutischer Mehrwert (z. B. gezielte<br />
Therapie, schnellerer Therapiebeginn,<br />
Dosierungshilfe)<br />
Perspektive<br />
Im Zuge der Abwendung der Venture-Capital-<br />
Investoren von langwierigen und risikoreichen<br />
Therapeutikaentwicklungen kam gerade<br />
diese Sparte der Diagnostikunternehmen<br />
„en vogue“, was sich an einigen Finanzierungsrunden<br />
der letzten Jahre zeigt:<br />
• Curetis erhält 15,6 Millionen Euro von<br />
einem Konsortium mit CD Venture, Forbion<br />
Capital Partners, Roche Venture Fund<br />
(Oktober 2011)<br />
• Biocartis in der Schweiz erhält insgesamt<br />
105,5 Millionen Euro von einem Konsor-<br />
tium vornehmlich aus Strategen (November<br />
2011 und Folgefinanzierung im Dezember<br />
2012)<br />
• Lophius Biosciences erhält 1,4 Millionen<br />
Euro von Bayern Kapital, S-Refit und HTGF<br />
(Juli 2011)<br />
• Sividion Diagnostics erhält VC-Kapital von<br />
Creathor Venture, KfW und Rheinland VC<br />
(August 2011)<br />
• AyoxxA Biosystems erhält insgesamt<br />
3 Millionen Euro VC-Kapital von privaten<br />
Investoren zusammen mit Wellington Partners,<br />
HTGF, KfW und NRW.Bank (September<br />
2012, Januar <strong>2013</strong>)<br />
Dennoch überwiegen in den Geschäftsmodellen<br />
noch Dienstleistungsangebote vor<br />
der Herstellung und dem Vertrieb von<br />
Test-Produkten.<br />
Insgesamt gesehen kann für alle Teilsegmente<br />
der Diagnostikindustrie der zunehmende<br />
Einfluss von <strong>Biotech</strong>nologie konstatiert<br />
werden und die dort positionierten<br />
Unternehmen können interessante Geschäftsmöglichkeiten<br />
finden. Wenngleich<br />
sie sich, zumindest ad hoc, noch meist in<br />
Abhängigkeit als „Zulieferer“ in Partnerschaften<br />
mit oder Kundenbeziehungen zu<br />
großen Unternehmen (Pharma und Diagnostik)<br />
befinden, so stellen sich aufgrund<br />
der kürzeren Entwicklungszeiten, der niedrigeren<br />
Risiken und Zulassungshürden die<br />
Chancen auf eigenständige Positionierung<br />
optimistischer dar.<br />
Die derzeit aktive Diskussion über die Bewertung<br />
von Companion-Diagnostics-Produkten<br />
im Vergleich zu Medikamenten wird<br />
die Attraktivität dieses Sektors weiterhin<br />
steigern.<br />
Verteilung von <strong>Biotech</strong>-Firmen auf<br />
Diagnostik-Kategorien<br />
Eine Zuordnung der im Diagnostikbereich<br />
tätigen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland<br />
zu den hier beschriebenen Untersegmenten<br />
der Diagnostik zeigt, dass bereits<br />
eine beachtliche Zahl an <strong>Biotech</strong>-Firmen im<br />
Bereich „Companion Diagnostics“ Fuß gefasst<br />
hat (22 %) und ebenfalls das Segment<br />
der Unternehmen, die sich dem Thema „Big<br />
Data“ widmen (33 %).<br />
Dennoch ist die Mehrzahl (45 %) nach wie<br />
vor mit individuellen Testsystemen befasst,<br />
dem eher klassischen Sektor der Diagnostik-<br />
branche.<br />
Übersicht der deutschen<br />
Tech@Companies im<br />
Diagnostiksektor<br />
n = 91<br />
Disease Detection & Monitoring<br />
Tech@BigData<br />
Tech@CompanionDiagnostics<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 21<br />
22 %<br />
33 %<br />
45 %
Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie<br />
Die Breite des <strong>Biotech</strong>-Spektrums<br />
Wenn von <strong>Biotech</strong>nologie und vor allem der<br />
<strong>Biotech</strong>-Branche die Rede ist – zugegebener-<br />
maßen auch in den Ernst & Young <strong>Report</strong>s –<br />
bezieht sich dies meist auf die medizinnahen<br />
Bereiche. Jedoch wirken die Potenziale der<br />
<strong>Biotech</strong>nologie deutlich breiter.<br />
Unter dem Stichwort „Biologisierung von<br />
Industrien“ hat sich auch in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung ein weit breiteres Spektrum<br />
an Chancen eröffnet. Den „Bio-Technologien“<br />
wird technisch dabei einiges zugetraut.<br />
Experten aus Industrie und Wissenschaft<br />
schätzen, dass bereits 2030 ein Drittel der<br />
weltweiten industriellen Produktion aus biotechnologischen<br />
Prozessen stammen wird.<br />
Bioprozesse sind nachhaltig und ressourcen-<br />
schonend. Die entsprechenden Katalysatoren<br />
werden kostengünstig auf der Grundlage<br />
nachwachsender Rohstoffe generiert<br />
und arbeiten unter milden Reaktionsbeding-<br />
ungen. In der Erkenntnis, dass diese technischen<br />
Möglichkeiten auch kommerziell<br />
großes Potenzial haben können, ergab sich<br />
der Begriff „Bioökonomie“.<br />
Als Treiber für die Biologisierungsbewegung<br />
gelten vor allem:<br />
• Technische Fortschritte in der <strong>Biotech</strong>nologie<br />
selbst<br />
• Vereinfachung hochkomplexer chemischer<br />
Verfahren durch einfachere biologische<br />
Systeme<br />
• Kosteneinsparung im Vergleich zu chemi-<br />
schen Prozessen<br />
• Energieeinsparung im Vergleich zu chemi-<br />
schen Prozessen<br />
• Gestiegene Bedenken gegen eine weiterhin<br />
zu sorglose Ausbeutung der limitierten fos-<br />
silen Brennstoffe als Basis für Verbrauchsgüter<br />
aller Art<br />
• Gestiegenes Bewusstsein für den Umweltschutz<br />
(z. B. CO 2 -Emission)<br />
Gegenüber den letztgenannten Argumenten<br />
(Rohstoff-Ressourcen, Umweltschutz) treten<br />
die vormals stärker kostengetriebenen Über-<br />
legungen zumindest etwas zurück. Selbst<br />
große Chemie-Unternehmen, die das Thema<br />
„industrielle <strong>Biotech</strong>nologie“ bislang allenfalls<br />
in individuellen Fällen – und fast nur dann,<br />
wenn deutliche Kostenvorteile gegenüber<br />
Chemie-Prozessen vorlagen – einsetzten,<br />
sind zum Umdenken bereit. Sie erkennen<br />
dabei auch die technischen Fortschritte an,<br />
die nicht mehr nur etablierte chemische<br />
Prozesse ersetzen (z. B. Aminosäuren-,<br />
Vitaminsynthese), sondern völlig neue<br />
Produktklassen mit entsprechend neuen<br />
Eigenschaften erschließen.<br />
Nun gilt es, die wirkliche Bedeutung dieses<br />
Technologiezweiges anhand einer breiteren<br />
Palette von Anwendungsfeldern zu verdeutlichen<br />
und in diesen auch attraktive Geschäftspotenziale<br />
aufzuzeigen. Beispiele aus<br />
der <strong>Biotech</strong>-Industrie und aktuelle konkrete<br />
Entwicklungen, die Biologisierung auch<br />
kommerziell im Rahmen einer echten Industrialisierung<br />
umzusetzen, unterstreichen<br />
die Bedeutung der Bioökonomie-Initiative.<br />
Biologisierung der Industrien<br />
Papier-<br />
Industrie<br />
Lebensmittel-<br />
Industrie<br />
Verbrauchsgüter-<br />
Industrie<br />
Futtermittel-<br />
Industrie<br />
22 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Kraftstoff-<br />
Industrie<br />
<strong>Biotech</strong>nologie<br />
Textil-<br />
Industrie<br />
Die Zusammenstellung der Zielmärkte vermittelt<br />
einen guten Eindruck über die Möglichkeiten<br />
und Chancen, die sich für die Unter-<br />
nehmen der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />
ergeben:<br />
• Chemie-Industrie (Feinchemie, spezielle<br />
chemische Reaktionen)<br />
• Pharma-Industrie (Grundstoffe, Zwischenprodukte,<br />
APIs)<br />
• Medizintechnik-Industrie (Tissue Engineering,<br />
biofunktionalisierte Implantate)<br />
• Lebensmittel-Industrie (Lebensmittel-<br />
zusätze, Lebensmittelverarbeitung)<br />
• Futtermittel-Industrie (Enzyme, Futter-<br />
mittelverarbeitung)<br />
• Life-Science-Industrie (Forschungs-<br />
enzyme)<br />
• Verbrauchsgüter-Industrie (Wasch-<br />
mittelenzyme, Fleckenentfernerenzyme)<br />
• Kraftstoff-Industrie (Bio-Raffinerie)<br />
• Textil-Industrie (Lederbehandlung)<br />
• Papier-Industrie (Zellstofflyse)<br />
• Kosmetik-Industrie (biogene Inhaltsstoffe)<br />
Medizintechnik-<br />
Industrie<br />
Kosmetik-<br />
Industrie<br />
Pharma-<br />
Industrie<br />
Chemie-<br />
Industrie<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
<strong>Biotech</strong> „re-loaded“<br />
Im Zusammenhang mit dieser breiteren<br />
Betrachtung von Möglichkeiten sollte auch<br />
die Definition der <strong>Biotech</strong>-Branche generell<br />
neu überdacht werden. Als ein Segment<br />
mit 400 oder 500 Unternehmen wird sie nie<br />
ihr wahres Potenzial zeigen können, wenn<br />
dazu nur die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
dieser Kerngruppe von Unternehmen als Maß<br />
herangezogen wird. Noch problematischer<br />
gestaltet sich dies, wenn heute erfolgreiche<br />
Entwicklungen der <strong>Biotech</strong>nologie durch<br />
Aufkauf bei großen Unternehmen landen<br />
und selten selbst an den Markt gebracht<br />
werden. Nachhaltige, selbständige Unternehmen<br />
mit Entwicklungsmöglichkeiten bis<br />
hin zu einem weltweit führenden Unternehmen<br />
sind kaum realistisch, wenn statt Börsengang<br />
und Wachstum in Eigenregie „Trade<br />
Sale“ und damit Eliminierung des Unternehmens<br />
als weit wahrscheinlicher gelten.<br />
Die Bedeutung der <strong>Biotech</strong>nologie sollte nicht<br />
nur am Wert der <strong>Biotech</strong>nologie-Unternehmen<br />
an sich bemessen werden. Die Größe<br />
und Zukunftsperspektiven der durch die<br />
<strong>Biotech</strong>nologie in Zukunft stärker geprägten<br />
Märkte muss künftig in die Bewertung mit<br />
einbezogen werden.<br />
Perspektive<br />
Für die Pharma-Industrie – immerhin ein<br />
knapp 900 Milliarden US-Dollar schwerer<br />
Markt – wurde dies bereits ausführlich dokumentiert.<br />
Ohne <strong>Biotech</strong>nologie ist Innovation<br />
hier kaum mehr vorstellbar. Allein die Rolle<br />
der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist nach wie vor<br />
schwierig. Nur wenige sehr erfolgreiche<br />
Unternehmen haben es tatsächlich geschafft,<br />
eigene Produkte an den Markt zu bringen<br />
und somit die entsprechende Wertschöpfung<br />
für sich in Anspruch zu nehmen; das<br />
Gros partizipiert allenfalls teilweise über<br />
Lizenzeinnahmen aus Allianzen oder kann<br />
über Dienstleistungen indirekt am großen<br />
Wertschöpfungstopf der Pharma-Industrie<br />
teilhaben.<br />
Die Frage danach, wie dies in den weiteren<br />
Zukunftsmärkten – Ernährung, Energie,<br />
Chemie, Kosmetik etc. – aussehen wird, lässt<br />
sich leider aufgrund der kleineren Zahl von<br />
Unternehmen, die die Felder außerhalb des<br />
Gesundheitsmarktes bedienen, statistisch<br />
kaum erörtern. Die Beschreibung von Best<br />
Practice, wie sie bereits im letztjährigen<br />
<strong>Report</strong> unter dem Titel „Maßgeschneidert“<br />
angestoßen worden war, soll dennoch die<br />
Wichtigkeit dieser Bestrebungen belegen.<br />
Individuelle Erfolge zählen und dienen als<br />
Rollenmodell für eine differenziertere Branchenentwicklung.<br />
Industrialisierung der <strong>Biotech</strong>nologie<br />
Das Blickfeld zu erweitern beinhaltet auch<br />
einen weiteren Aspekt: Die zunehmende<br />
Reife der „Bio-Technologien“ bedingt den<br />
Eintritt in die nächste Phase der Entwicklung.<br />
Die bisher vor allem aus einem F&E-<br />
Blickwinkel als Experimentierfeld wahrgenommene<br />
Branche bewegt sich sichtbar in<br />
Richtung einer Industrialisierung. Anhand<br />
von Technologieplattformen, wie denen von<br />
MorphSys oder Evotec im medizinischen<br />
Bereich, wurde dies im letzten Jahr bereits<br />
adressiert. Aktuelle Entwicklungen, z. B. die<br />
Neuausrichtung der BRAIN, zeigen dies nun<br />
auch im Bereich der industriellen <strong>Biotech</strong>no-<br />
logie auf. In diesem Zusammenhang zeigt sich<br />
definitiv ein Weg zum nachhaltigen Erfolg.<br />
Evotec und MorphoSys haben sich mittlerweile<br />
erfolgreich zu profitablen Unternehmen<br />
gemausert, die gewichtige Partnerschaften<br />
mit den großen Playern im Pharma-Bereich<br />
aufweisen und über diesen Weg auch zu<br />
eigenen Marktprodukten gelangen. Auch<br />
für Unternehmen wie BRAIN zeichnen sich<br />
Perspektiven ab, ihr biotechnisches Potenzial<br />
in eigene Markterfolge umzusetzen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 23
Technologieplattformen für die<br />
Biologisierung der Industrien<br />
Naturstoffplattformen<br />
In der logischen Reihenfolge einer Auflistung<br />
von Plattformen um die Biokonversion stehen<br />
die Naturstoffisolierer am Anfang. Unternehmen<br />
wie AnalytiCon Discovery bauen ihr<br />
Geschäft auf Basis der Isolierung, Aufreinigung<br />
und chemischen Charakterisierung von<br />
Naturstoffen auf. Weiterentwickelt dienen<br />
diese dann als Grund- und Wirkstoffe in der<br />
Lebensmittel-, Chemie- und Pharma-Industrie.<br />
Biokonversionsplattformen<br />
Die Kerntechnologieplattform der industriellen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie stellt sich in untenstehender<br />
Abbildung am besten dar. Im Zentrum<br />
steht die Biokonversion als zentrale Plattform<br />
für die Stoffumwandlung. Die Spezifität<br />
der Prozesse und somit auch die Alleinstellung<br />
der Unternehmen beruht auf unterschiedlichen<br />
Substraten als Ausgangsstoffe,<br />
spezifischen Katalysatoren und schließlich<br />
dem unterschiedlichen Produktportfolio.<br />
Kernpunkt jedoch bildet vornehmlich das<br />
konkrete Know-how im Bereich der Katalysatoren.<br />
Sie steuern und determinieren die Biokonversion<br />
hinsichtlich Substratverwendung,<br />
der spezifischen enzymatischen Reaktionen<br />
und bzgl. des Produkt-Outputs.<br />
Perspektive<br />
Die Biokatalysatoren sind Mikroorganismen<br />
oder bestimmte Enzyme aus diesen, die<br />
einerseits in der natürlichen Vielfalt, andererseits<br />
heute bereits in einer fast beliebigen<br />
Zahl durch genetische Manipulation gezielt<br />
auf bestimmte enzymatische Leistungen<br />
getrimmt bzw. selektioniert sind. Insofern<br />
spielt heute die Expertise im Bereich der<br />
mikrobiellen Genomforschung und dort vor<br />
allem die Entschlüsselung und physische<br />
Nutzung von Metagenomen (genetische<br />
Basis der Stoffwechselwege) eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
Die zentrale Bedeutung der Biokatalysatoren<br />
ist auch in der Aufstellung der deutschen<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen im Sektor „industrielle<br />
<strong>Biotech</strong>nologie“ reflektiert. Die meisten sind<br />
in der Tat spezialisiert auf die Identifizierung<br />
oder das gezielte Genetic Engineering, um<br />
mit neuen Enzymfunktionen ein breites Spektrum<br />
von Anwenderindustrien zu beliefern.<br />
Allein die Vielfalt der unterschiedlichen<br />
Enzymspezifikationen zusammen mit den<br />
Einsatzfeldern macht den Begriff „Biologisierung<br />
von Industrien“ mehr als plausibel.<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland mit<br />
Fokus auf Biokatalysatoren sind u. a.:<br />
• aevotis, Potsdam<br />
• ASA Spezialenzyme, Wolfenbüttel<br />
• BRAIN, Zwingenberg<br />
Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung<br />
Substrate<br />
• Auswahl des Rohstoffes + Analyse<br />
der geeigneten Substrate<br />
• Aufreinigung des Substrats<br />
• Verfügbarkeit des Substrats für<br />
industrielle Produktion<br />
• Verfahrensparameter<br />
• Verfahrensentwicklung<br />
• Optimierung + Technologietransfer in die Produktion<br />
Biokatalysatoren<br />
Biokonversion<br />
• Identifikation<br />
• Isolation + Charakterisierung<br />
• Expressionssystem<br />
• Stammentwicklung<br />
• Übertragung Labor auf Großanlage<br />
24 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
• c-LEcta, Leipzig<br />
• Cyano <strong>Biotech</strong>, Berlin<br />
• Cysal, Münster<br />
• DIREVO Industrial <strong>Biotech</strong>nology, Köln<br />
• Enzymicals, Greifswald<br />
• evocatal, Düsseldorf<br />
• W42 Industrial <strong>Biotech</strong>nology, Marl<br />
Zwischen den genannten Unternehmen gibt<br />
es allerdings unterschiedliche Gewichtungen<br />
in der Zielsetzung. Eine Gruppe stellt beispielsweise<br />
das Thema der Biomasse-Konversion<br />
und der Nutzung nachwachsender Rohstoffe<br />
in den Mittelpunkt (d. h. die Substratseite,<br />
z. B. aevotis, DIREVO Industrial <strong>Biotech</strong>nology).<br />
Insbesondere getrieben durch<br />
die sich verbreiternden technischen Möglichkeiten,<br />
den Bedarf und die billigen Ausgangsstoffe<br />
wird dieser Bereich sicherlich an<br />
Bedeutung zunehmen. Allerdings wird es<br />
in diesem Umfeld auch darauf ankommen,<br />
in der Diskussion der nachwachsenden Rohstoffe<br />
nicht weiter in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion<br />
zu stehen. Vielmehr<br />
sollte die Verwendung von pflanzlichen Abfallprodukten<br />
in den Vordergrund rücken.<br />
Nach wie vor ist der größere Teil der Firmen<br />
stärker an den Endprodukten und damit an<br />
den Kundenmärkten orientiert. Sie richten<br />
ihre Entwicklungsaktivitäten konkret an den<br />
Wünschen der Kunden aus. Ein weiteres<br />
Produkt<br />
• Analytik<br />
• Charakterisierung<br />
• Mustermengen<br />
• Aufreinigung<br />
• Anwendung<br />
• Vermarktungskonzept<br />
Quelle: Ernst & Young, aevotis GmbH, <strong>2013</strong>
Differenzierungskriterium ergibt sich hierbei<br />
aus dem Vertiefungsgrad der Biokatalysatoren-Forschung.<br />
Während klassische Ver-<br />
treter mit Naturisolaten arbeiten und dann<br />
vor allem über das Screening auf neue Eigen-<br />
schaften setzen (z. B. ASA Spezialenzyme),<br />
nutzen modernere Ansätze vor allem die<br />
Genominformationen zum gezielten gentechnischen<br />
Design maßgeschneiderter neuer<br />
Enzymfunktionen (z. B. BRAIN, c-LEcta,<br />
evocatal). Schließlich determiniert die Breite<br />
der adressierten Zielmärkte (s. o.) die Wettbewerbsposition<br />
von Unternehmen.<br />
Ein Paradebeispiel für Unternehmen im<br />
Bereich der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie ist<br />
BRAIN aus Zwingenberg mit Schwerpunkt<br />
auf innovativen biotechnologischen Lösungen<br />
für Prozess- oder Produktanforderungen<br />
in allen denkbaren Industrieanwendungen.<br />
Dazu macht die von Wissenschaftlern und<br />
Technikern dominierte Firma in einem einzigartigen<br />
Ansatz zur Entdeckung und Produktion<br />
neuer biologischer Wirkstoffe und<br />
neuer Biokatalysatoren kreative Lösungen<br />
aus der unerschlossenen Biodiversität verfügbar.<br />
Der Erfolg fußt auf einem proprietären<br />
Bioarchiv, bestehend aus Millionen<br />
von Naturstoffen, Mikroorganismen, mikrobiellen<br />
Genen und Metagenom-Bibliotheken.<br />
Die Kernkompetenz von BRAIN liegt in der<br />
Etablierung neuer Biokonversionsprozesse –<br />
immer motiviert durch existierende Bedarfssituationen<br />
bzw. Marktpotenziale. Meist erfolgt<br />
dann die technische Ausarbeitung im<br />
industriellen Maßstab durch den Kunden<br />
selbst oder in Partnerschaften mit BRAIN.<br />
Mit über 70 Partnerschaften zur Technologieentwicklung<br />
in unterschiedlichsten Feldern<br />
erreichen die Zwingenberger ebenfalls<br />
einen Spitzenplatz. Die Partner kommen<br />
dabei aus vielen Industrien, allen voran der<br />
Chemie: BASF, Ciba, Clariant, Evonik Degussa,<br />
DSM, Genencor, Henkel, Celanese /<br />
Nutrinova, RWE, Sandoz, Südzucker, Symrise<br />
und weitere. In puncto Innovation und Anwendungsbreite<br />
war BRAIN von Anbeginn<br />
ein Aushängeschild. Dabei reichen die „ungewöhnlichen“<br />
Ideen von biotechnologi-<br />
schen Ansätzen zur Rauchgasentgiftung bis<br />
hin zu Anti-Falten-Produkten.<br />
Perspektive<br />
Spezialisierte und hierfür eigens entwickelte<br />
Mikroorganismen können in einer Allianz mit<br />
RWE CO 2 -haltige Rauchgase aus Braunkohlenkraftwerken<br />
direkt als „Futter“ verwerten<br />
und selbst bei einer Temperatur von 60 Grad<br />
Celsius wachsen. Ziel der Forschungsallianz<br />
ist es, Kohlendioxid mit Mikroorganismen in<br />
Biomasse oder direkt zu Wertstoffen umzuwandeln<br />
(neue Biomaterialien, Biokunst-<br />
stoffe und chemische Zwischenprodukte).<br />
Am anderen Ende des Spektrums stehen<br />
Innovationen im Kosmetikbereich in Zusammenarbeit<br />
mit MONTEIL Cosmetics. Das<br />
Verstehen der molekularen Prozesse der<br />
Hautalterung führte zur Entwicklung von<br />
Cremes mit peptidischen Wirkstoffen, die<br />
über die Hemmung der Capsaicin-Rezepto-<br />
ren Hautreizungen verringern.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 25
Plattformen für Anwendungsinnovationen<br />
Neben dem Fokus auf Biokonversionsplattformen<br />
gibt es im Sektor der weißen <strong>Biotech</strong><br />
auch Unternehmen, die sich in puncto<br />
Umwandlung auf ein bestimmtes Verfahren<br />
festgelegt haben und dann das resultierende<br />
Produkt in maximaler Breite durch nachgeschaltete<br />
Verarbeitungsprozesse vermarkten.<br />
Das beste Beispiel hierfür liefert das Unternehmen<br />
AMSilk in Planegg bei München.<br />
Hier hat die Natur für die Produktidee an<br />
sich Pate gestanden: Spinnenseide und ihre<br />
hervorragenden physikalischen Eigenschaften<br />
(Festigkeit, Dehnbarkeit, Variabilität,<br />
Abbaubarkeit). Die Kernkompetenz von<br />
AMSilk besteht darin, einen rekombinanten<br />
Herstellungsprozess für Spinnenseideprotein<br />
im industriellen Maßstab entwickelt zu<br />
haben. Die weiterführende Wertschöpfung<br />
beruht in der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten.<br />
Unter dem Überbegriff „High performance<br />
materials inspired by nature’s blueprint“<br />
stehen Hochleistungsmaterialien mit<br />
optimierten Spezifikationen zur Verfügung.<br />
Die Anwendungsbereiche reichen von der<br />
Textil-Industrie („BioSteel“) über die Kosme-<br />
tik-Industrie zur Medizintechnik (Zellkultur,<br />
Tissue Engineering, Wundheilung).<br />
Geschäftsmodelle für die industrielle<br />
<strong>Biotech</strong>nologie<br />
Das Gros der weißen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
gründet sich auf einer starken technologi-<br />
schen Basis. Neue Entwicklungen in der<br />
Genomforschung zur Etablierung von Metagenombanken,<br />
die Ableitung innovativer<br />
Biokonversionsenzyme sowie die auf labortechnischem<br />
Level ausgearbeiteten Prozesse<br />
stehen im Mittelpunkt. Da diese F&E-<br />
basierten Unternehmen oft weder das Know-<br />
how auf der Marktseite besitzen, noch die<br />
großtechnische Herstellung im industriellen<br />
Maßstab beherrschen, sind sie auf die Zusammenarbeit<br />
mit etablierten Großindustrie-<br />
Unternehmen angewiesen. Dazu kommt<br />
auch, dass dieser Sektor nicht oder nur selten<br />
Beteiligungskapital anzieht und infolgedessen<br />
traditionell eher als Dienstleister<br />
operiert.<br />
Perspektive<br />
Die zunehmende Reife des industriellen<br />
<strong>Biotech</strong>-Sektors und auch die bessere Wahrnehmung<br />
des wirtschaftlichen Potenzials<br />
(Stichwort „Bioökonomie“) führen immerhin<br />
dazu, dass inzwischen durchaus auch<br />
lukrative Allianzen mit großen Playern geschlossen<br />
werden. Die zuvor aufgeführten<br />
Unternehmen werden hier wiederum deutlich<br />
sichtbar (BRAIN, c-LEcta, DIREVO,<br />
evocatal etc.). Dabei spielen sie jedoch eindeutig<br />
die Junior-Rolle als Zulieferer von<br />
Produkten, Prozessen und Technologien.<br />
Selbst das erfolgreiche Start-up AMSilk<br />
erreicht nur über Partner seine Endmärkte.<br />
Allein die Zahl der möglichen unterschiedlichen<br />
Märkte bedingt diese Aufgaben-<br />
teilung, zumindest für ein noch so junges<br />
Unternehmen.<br />
BRAIN hat nun erstmals ein neues Modell<br />
ins Spiel gebracht. Unterstützt von finanzkräftigen<br />
Investoren – dem Family Office<br />
Putsch (ehem. RECARO Autositze) sowie<br />
den MIG Fonds – wurde eine Strategie kommuniziert,<br />
die das Technologieunternehmen<br />
nun direkt an die relevanten Wertschöpfungs-<br />
ketten bis zum Markt anbindet. Mit einem<br />
Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro<br />
sollen erklärtermaßen Marktunternehmen<br />
zugekauft werden, die die technischen<br />
Lösungen aus der BRAIN-Technologiewerkstatt<br />
bis zum Markt entwickeln und dort mit<br />
ihrer spezifischen Expertise und Branchen-<br />
Insights auch erfolgreich verkaufen. So soll<br />
es gelingen, den bisherigen Technologie-<br />
schwerpunkt nicht aufzugeben, sondern mit<br />
höherem Wert zu kommerzialisieren. Den<br />
Anfang der jetzt offen kommunizierten Strate-<br />
gie hatte bereits das in den letzten Jahren<br />
erfolgte Engagement zum Aufbau einer<br />
durchgängigen Wertschöpfungskette im<br />
Sektor Kosmetik markiert:<br />
• 2009: Kauf der LH Schmidt Chemisch-<br />
Kosmetische Fabrik als Produktionsfirma<br />
• 2012: Kauf der Kosmetikmarke MONTEIL<br />
als Marktpräsenz<br />
Nach diesem Modell sollen weitere Wertschöpfungsketten<br />
unter BRAIN-Regie und in<br />
direkter Anbindung an die Biokonversionsplattform<br />
entstehen.<br />
26 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
<strong>Biotech</strong>-Rolle als „Impact-Factor“ in<br />
unterschiedlichen Industrien<br />
Aus der vorherigen Diskussion über Bioökonomie<br />
und die Biologisierung von industriellen<br />
Prozessen könnte auch eine weitaus<br />
bedeutsamere Rolle für die <strong>Biotech</strong>nologie<br />
entwickelt werden. Vor allem würde in<br />
einem durch die Bioökonomie geprägten<br />
Rollenverständnis die Branche vermutlich<br />
wesentlich positiver erscheinen.<br />
Dieser Ansatz müsste die zuvor genannten<br />
Industrien gemäß ihrer gesamten Wirtschaftskraft<br />
(Umsatz) sowie ihrer zukünftigen<br />
Entwicklung darstellen und dies in<br />
einen Bezug setzen mit bereits evidenten<br />
Einflüssen und zukünftigem „Impact“ durch<br />
Biologisierung bzw. <strong>Biotech</strong>nologie.<br />
Noch offensichtlicher und wirksamer in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung wären aber vor<br />
allem <strong>Biotech</strong>nologiebeiträge, die in den<br />
modernen Life Style passen, wie beispielsweise:<br />
• Umweltfreundliche Prozesse (Stoffeinsatz)<br />
• Ressourcenschonende Prozesse (Biomasse<br />
statt Öl)<br />
• Energiesparende Prozesse (Biofermentation<br />
statt Chemieverfahren)<br />
• Natürlichere Kosmetik (natürliche Inhaltsstoffe<br />
mit klinisch nachgewiesenem Effekt)<br />
• Functional Food / Futterstoffe / Kleidung
Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße <strong>Biotech</strong>nologie<br />
Dr. Holger Zinke,<br />
Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />
Bottleneck<br />
Marktumfeld und Geschäftsmodelle roter und<br />
weißer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen mögen sich<br />
in vielem unterscheiden, haben aber eines<br />
gemeinsam: Das Finanzierungsumfeld ist<br />
für beide Gattungen nach wie vor schwierig.<br />
Dies liegt klar nicht etwa an fehlenden Produktkonzepten,<br />
mangelnder Technologie-<br />
reife oder konjunkturellen Zyklen. Es ist<br />
schlichtweg das Fehlen von Exit-Perspektiven<br />
für Investoren, welches zu einer paradoxen<br />
Situation führt. Auf der einen Seite steht<br />
eine seit zwanzig Jahren andauernde „bio-<br />
logische“ Revolution mit enormer branchentransformierender<br />
Kraft, auf der anderen<br />
eine grenzwertige Finanzierungssituation<br />
für Entrepreneure und ihre Unternehmen.<br />
Biologisierung<br />
In beiden Segmenten, rot und weiß, ist die<br />
„Biologisierung“ der Zielbranchen fortge-<br />
schritten. Keine Pharma-Entwicklung ist mehr<br />
ohne <strong>Biotech</strong> denkbar. Umsatz- und Gewinn-<br />
treiber sind biotechnologische Entwicklungen<br />
wie monoklonale Antikörper oder Cytokine.<br />
Seit Jahren sind die Zulassungsstatistiken<br />
„<strong>Biotech</strong>“-dominiert. Mit Biosimilars steht<br />
nun auch der Generika-Sektor vor der biotechnologischen<br />
Revolution. Es wurde und<br />
wird viel Geld mit biotechnologischer Innovation<br />
verdient. Im weißen Sektor bekennen<br />
sich nun zunehmend auch Chemieunter-<br />
nehmen zu ihrem biologischen Segment:<br />
Im November letzten Jahres übertrafen<br />
sich DSM und Evonik in positiven (und biologischen)<br />
Ausblicken; „LifeScience &<br />
MaterialScience“ hier, „Health & Nutrition“<br />
dort, werden die Wachstumscluster bezeichnet.<br />
Geld wird verdient, die Wachstums-<br />
raten sind zweistellig.<br />
Industrialisierung<br />
Technologieunternehmen unterscheiden sich<br />
von den oben genannten Branchenbeispielen<br />
darin, dass sie keinen direkten Marktzugang<br />
haben, mithin am „Market Pull“ nur indirekt,<br />
namentlich über industrielle Entwicklungspartnerschaften,<br />
partizipieren können. Häufig,<br />
und gerade in den Fällen des sich einstellenden<br />
Erfolges, werden die Unternehmen auch<br />
ganz akquiriert. BRAIN hat als auf die weiße<br />
<strong>Biotech</strong>nologie fokussiertes Technologieunter-<br />
nehmen mit seinen Investoren, der MIG AG<br />
und dem Family Office Putsch, eine Industrialisierungsstrategie<br />
vereinbart, um gemeinsam<br />
einen neuen Weg zu gehen: B2B- und B2C-<br />
Marktzugänge werden geschaffen, um den<br />
Wert von Entwicklungen unmittelbar zu realisieren.<br />
Diese Marktzugänge werden nicht<br />
primär selbst aufgebaut, sondern über die<br />
Akquisition von Unternehmen oder Unternehmensteilen<br />
erworben und mit vorhandenen<br />
Entwicklungen gespeist. Motivation für<br />
diese Vereinbarung war zum einen natürlich<br />
der Wunsch, nicht nur über Royalty-Modelle<br />
an Produktinnovationen wertmäßig zu partizipieren.<br />
Zum anderen, wichtiger noch, um<br />
Zeit zu sparen. Durch „Infusion“ von Entwicklungskandidaten<br />
in das Produktportfolio<br />
von Unternehmen, die bereits im Markt präsent<br />
sind, kann entscheidend die Time-to-<br />
Market verkürzt werden. Dies hat große Aus-<br />
wirkung auf den Wert der Einzelprojekte und<br />
des Gesamtunternehmens. Es ist nicht das<br />
Ziel, die akquirierten Unternehmen zu assimilieren.<br />
Diese agieren als selbständige<br />
Entitäten in den jeweiligen Märkten wie<br />
Satelliten, mit unterschiedlichen Konzepten,<br />
Standorten und Unternehmenskulturen.<br />
JV-Konstruktionen sind ebenfalls im Fokus<br />
dieser Strategie. Der Wert kann für BRAIN<br />
und die Investoren anschließend durch Verkauf<br />
einzelner Satelliten realisiert werden.<br />
Realisierung<br />
Diese Strategie ist bislang in der <strong>Biotech</strong>-<br />
Branche ohne direktes Vorbild. Doch hat sie<br />
das Konzeptstadium bereits verlassen: als<br />
erstes Maßnahmenpaket wurde, deutlich vor<br />
der im November letzten Jahres bekanntgegebenen<br />
Finanzierungsrunde, ein B2C-Zu-<br />
gang zum Kosmetikmarkt aufgebaut. Hierzu<br />
wurden zum einen eine chemisch-kosmetische<br />
Fabrik, die vor allem als Lohnhersteller, also<br />
B2B tätig war und ist, zum anderen eine international<br />
sichtbare Marke über ein Joint<br />
Venture (MONTEIL International GmbH) mit<br />
der BRAIN verzahnt. Durch die nunmehr geschlossene<br />
Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette<br />
konnten innerhalb kürzester<br />
Zeit zwei neue <strong>Biotech</strong>-Linien konzipiert, ent-<br />
wickelt, produziert und in den Handel gebracht<br />
werden. Beide Akquisitionen entwickeln sich<br />
nach der Technologietransfusion operativ<br />
erfreulich. Die Erfahrungen aus diesen mit<br />
„Bordmitteln“ durchgeführten Transaktionen<br />
bestärkten Management, Aufsichtsrat und<br />
Aktionäre, auch größere Akquisitionen ins<br />
Auge zu fassen und dies durch eine Finanzie-<br />
rungsrunde auch kapitalmäßig zu unterlegen.<br />
Insights<br />
Für die erste komplett geschlossene Wertschöpfungskette<br />
wurde ein komplexer, weniger<br />
durch Technologie als durch die Markenpositionierung<br />
geprägter Marktzugang<br />
angegangen. Es wurde direkt der Konsument<br />
(besser: die Konsumentin) erreicht<br />
und es ergeben sich für ein Technologieunternehmen<br />
eher ungewöhnliche „consumer<br />
insights“, die sich aber fruchtbar und motivierend<br />
auf die Entwicklungskompetenz der<br />
Bioactives-Technologieeinheit und auch auf<br />
das Gesamtunternehmen ausgewirkt haben.<br />
MONTEIL war insbesondere im US-Markt bis<br />
in die siebziger Jahre als große Marke mit<br />
der „Brand Heritage“ der aus Paris in die<br />
USA ausgewanderten Modeschöpferin Germaine<br />
Monteil bekannt und für 80 bis 100<br />
Millionen US-Dollar Umsatz gut. Dies wäre<br />
nach heutiger Kaufkraft fast neunstellig. Bis<br />
dahin ist indes noch ein Weg zu gehen.<br />
Proof<br />
Für BRAIN war es wichtig zu zeigen, dass die<br />
Industrialisierungsstrategie von der biologischen<br />
Innovation in volumen- und wertschöp-<br />
fungsmäßig stark skalierbare Märkte selbst im<br />
B2C-Bereich im Grundsatz gangbar ist. In<br />
der klassischen B2B-Spezialchemie, wo die<br />
Mehrzahl der BRAIN-Entwicklungen aus den<br />
drei Technology Units BioActives, Production<br />
Strain Development und Enzyme Technologies<br />
ihre Anwendungen finden, könnten<br />
künftige M&A-Maßnahmen einerseits weniger<br />
komplex, andererseits aber volumiger sein.<br />
www.brain-biotech.de<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
27
Von Brustimplantaten zur Textilfaser:<br />
AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum<br />
Axel Leimer,<br />
CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried<br />
Am Anfang war die Faser<br />
Spinnenseide hat Forscher schon seit langer<br />
Zeit fasziniert. Der Faden des Spinnennetzes<br />
ist eine der leistungsstärksten Fasern die es<br />
gibt, mit einer dreifach höheren Belastbarkeit<br />
als Kevlar. Wer an Spinnenseide forscht,<br />
forscht an der Faser. Zumindest war dies das<br />
Credo der Seidenforscher, als wir unsere<br />
Firma gründeten. Einen kommerziellen, skalierbaren<br />
Spinnprozess zu finden war jedoch<br />
noch mit Risiko verbunden. Selbst große<br />
Konzerne wie Dupont hatten hier schon aufgegeben.<br />
Thomas Scheibel, seinerzeit Forscher<br />
an der Technischen Universität München,<br />
hatte jedoch schon damals größere<br />
Visionen. So startete er zusammen mit<br />
einem Chirurgen aus Würzburg eine erste<br />
Tierstudie, um den Effekt einer Spinnen-<br />
seidenbeschichtung für Brustimplantate zu<br />
testen. Die Studie war ein Erfolg.<br />
Von der Bastelstube zum<br />
Produktentwickler<br />
Bei der Gründung der AMSilk, deren geistiger<br />
Vater Scheibel ist, legten wir auch weiterhin<br />
Wert darauf, breiter zu denken. Die Natur<br />
hatte die Blaupause vorgegeben, die es galt<br />
nachzuahmen und gleichzeitig auch zweckzuentfremden.<br />
So machten wir uns daran,<br />
nicht nur einen skalierbaren Prozess für die<br />
Faser zu finden, sondern auch die Eigenschaften<br />
der Seidenproteine für andere Zwecke<br />
in der Medizintechnik, Dermatologie und<br />
Pharmagalenik zu nutzen. Die Herstellung<br />
des Grundmaterials durch <strong>Biotech</strong>nologie war<br />
nur ein Mittel zum Zweck, wenn auch ein<br />
Alleinstellungsmerkmal. Ziel war es immer,<br />
ein Material- und Produktunternehmen zu<br />
werden. Als wir Ende 2009, ein Jahr nach<br />
Gründung, die ersten Kilogrammmengen<br />
herstellten, wussten wir, dass wir nun auch<br />
parallel mit der Entwicklung erster Anwendungen<br />
beginnen müssen.<br />
Die Weiterentwicklung der Seide<br />
Thomas Scheibels Tierstudie wurde im größeren<br />
Stil wiederholt und brachte ein Proof of<br />
Concept im Jahr 2012. Spinnenseide ist extrem<br />
gut verträglich, nicht immunogen und<br />
verändert Oberflächen von Kunststoffen –<br />
macht sie natürlicher. Kapselfibrose, Kapseldicke<br />
und Entzündung um das Implantat<br />
konnten drastisch reduziert werden und Bindegewebe<br />
erscheint wesentlich normaler.<br />
Das bringt neue Hoffnung für Patientinnen,<br />
die auf Silikonimplantate setzen, und ist für<br />
AMSilk ein großer Markt. Spinnenseide als<br />
Material erlaubt eine breite Strategie. Nicht<br />
eine einzige Eigenschaft, sondern die besondere<br />
und einzigartige Kombination von Eigen-<br />
schaften eröffnete die Chance, breiter zu<br />
planen als für eine klassische Plattformtechnologie.<br />
Als bisher einziger Spinnenseiden-<br />
Materialhersteller können wir vertikal mit<br />
dem Produkt mitwachsen.<br />
Diversifizierte Endkunden<br />
Große Wertsprünge werden in der Innova-<br />
tions- und Expansionsphase gemacht. Wer<br />
sich auf ein einziges Produkt festlegt, kann<br />
diese Phasen nur einmal durchschreiten. Für<br />
AMSilk ergibt sich diese Möglichkeit sowohl<br />
in der Medizintechnik als auch für Hochleistungstextilien<br />
mehrfach. Hierbei achten wir<br />
aber darauf, Basistechnologien und Produktionsprozesse,<br />
die einmal etabliert sind, in<br />
mehreren Produkten zu hebeln. Für den Erfolg<br />
zählt funktionierende Technik, aber auch<br />
die richtige Strategie. Ein Vorteil für AMSilk<br />
ist, dass mehrere Gesellschafter diese Phasen<br />
als Unternehmer schon mindestens einmal<br />
selbst durchlebt haben. Erfahrene Unternehmer<br />
als Gesellschafter – und insbesondere<br />
auch als Investoren – zu haben, zahlt sich<br />
hier aus.<br />
Biosteel<br />
Im März konnten wir Biosteel, die weltweit<br />
erste industriell herstellbare Spinnenseidenfaser,<br />
vorstellen. Die mechanischen Eigenschaften<br />
kommen dem Spinnennetz gleich.<br />
28<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Spinnenseidenfasern sind nicht mit Chemiefasern<br />
zu vergleichen, ihre Eigenschaften<br />
sind anders und neu. Biosteel vereint hohe<br />
Reißfestigkeit mit hoher Dehnbarkeit – wie<br />
in der Natur. Neue Eigenschaften ermög-<br />
lichen nicht nur verbesserte, sondern auch<br />
neue Produkte! Damit ist Biosteel nicht in<br />
einem reinen Verdrängungswettbewerb und<br />
trotzdem ein Game Changer.<br />
Vom Produktentwickler zum<br />
produzierenden Unternehmen<br />
Wir haben von Anfang an darauf gesetzt,<br />
Lizenznehmern schlüsselfertige, voll skalierte<br />
Herstellungsprozesse für Produkte liefern zu<br />
können. Unser Geschäftsmodell sieht vor,<br />
dass Partner für die Produkte und den Materialzugang<br />
einen Systempreis zahlen, der<br />
von der jeweiligen Anwendung abhängt. So<br />
werden Qualität und Preis für verschiedene<br />
Anwendungen sehr unterschiedlich ausfallen.<br />
Dass wir bei bestimmten Produkten auch in<br />
der Entwicklung mit ins Risiko gehen, versteht<br />
sich von selbst. Dafür muss AMSilk<br />
eine ständig Evolution durchlaufen: von der<br />
Bastelstube zum Produktentwickler, zum<br />
produzierenden Unternehmen – innerhalb<br />
von vier Jahren. Unsere Mitarbeiter sind flexibel,<br />
entwickeln sich mit den Projekten und<br />
das Team wird je nach Expertise ergänzt.<br />
Das Management schafft dabei den Raum,<br />
in dem Mitarbeiter Werte schaffen können.<br />
Gut finanziert in die weitere<br />
Diversifizierung des Produktportfolios<br />
Im Februar konnten wir eine dritte Finanzierung<br />
in Höhe von fünf Millionen Euro aufneh-<br />
men. Mit den zusätzlichen Mitteln wird die<br />
Produktion in den Tonnenmaßstab gebracht<br />
und die finale Optimierung der Faser in einer<br />
Pilotanlage umgesetzt werden. Erste Medizinprodukte<br />
werden mit Partnern zur Zulassung<br />
gebracht. AMSilk setzte von Anfang an auf ein<br />
diversifiziertes Produktportfolio, um Risiko zu<br />
streuen. Möglich wurde dies durch die breite<br />
Anwendbarkeit des Materials, aber insbesondere<br />
auch durch die Ressourcen, die zur<br />
Verfügung standen. Signifikante Fördermittel<br />
vom Freistaat Bayern und dem BMBF, exzellente<br />
Kooperationspartner und Dienstleister,<br />
motivierte Mitarbeiter, kompromissloser Fokus<br />
und sicherlich auch ein wenig Glück trugen<br />
dazu bei, diese breite Strategie umsetzen zu<br />
können. Viele Faktoren waren vom Standort<br />
abhängig. Auch hier hatten wir Glück.<br />
www.amsilk.com
Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen<br />
Firmenneugründungen mit<br />
durchdachten Konzepten<br />
Die wesentlichen Erfolgsfaktoren für <strong>Biotech</strong>-<br />
Firmen müssen heute bereits in der Gründungsphase<br />
auf individueller Basis gründlich<br />
geprüft werden. Die allzu optimistische<br />
Gründungswelle in Zeiten der <strong>Biotech</strong>-Blase<br />
ist längst passé. Reichten früher schon vielversprechende<br />
Forschungsergebnisse, um<br />
Investoren von einer Unternehmensgründung<br />
zu überzeugen, heißt heute die Devise:<br />
Durchdenken, und zwar von A bis Z.<br />
Heutzutage müssen nicht nur die wissenschaftlichen<br />
Daten stimmen. Der zukünftige<br />
Markt muss von Anbeginn abgegrenzt und<br />
Wachstumsprognosen in die Planung eingeschlossen<br />
werden. Ab wann wird sich das<br />
Produkt / Projekt von selbst tragen? Welches<br />
Geschäftsmodell wird angestrebt? Herrscht<br />
Patentfestigkeit? Wie wird bis zum Break-<br />
even finanziert? Auch pharma-ökonomische<br />
Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen<br />
werden. Kann das Therapeutikum einer Nutzenbewertung<br />
standhalten?<br />
Belastbare Businesspläne müssen sich auf<br />
einem harten Parkett gegen unzählige andere<br />
gute Forschungsergebnisse durchsetzen<br />
und vor den Augen strenger Juroren standhalten.<br />
Was genau ist die Unique Selling<br />
Position, das Alleinstellungsmerkmal? Generell<br />
gilt es, folgendes gut durchzudenken:<br />
• Solide Überprüfung der Geschäftsidee hinsichtlich<br />
technischer Machbarkeit, Kosten /<br />
Finanzierung, Patentschutz, Marktbedarf /<br />
Marktgröße, Umsatzpotenzial / Marktentwicklung,<br />
Wettbewerb etc.<br />
• Selektive Auswahl der am besten geeigneten<br />
Personen für Management und operative<br />
Schlüsselaufgaben (sowohl die „Entrepreneure“<br />
als auch Fachleute müssen gut gewählt<br />
sein und zusammen passen)<br />
• Professionelle Ausarbeitung des Geschäftsplans<br />
unter besonderer Berück-<br />
sichtigung der o. a. Kriterien und deren<br />
quantitativer Umsetzung in Umsatz- und<br />
Kostenprojektionen<br />
• Frühzeitige Miteinbeziehung von Exit-<br />
Szenarien<br />
Die Gründer müssen Investoren nicht nur mit<br />
der Idee der Unternehmung überzeugen,<br />
sondern auch von sich selbst. Idealerweise<br />
tun sich die jungen Naturwissenschaftler<br />
schon von vornherein mit jungen Wirtschaftswissenschaftlern<br />
zusammen. Mehrere<br />
Universitäten fördern diese Art der Zusammenarbeit<br />
bereits. In verschiedenen Start-<br />
up-Initiativen, wie dem LSI (Life Science<br />
Inkubator) oder dem HTGF (High-Tech<br />
Gründerfonds), wird das zukünftige Gründerteam<br />
analysiert und bestmöglich mit den<br />
fehlenden Kompetenzen ergänzt. Hier kommen<br />
unter Umständen auch Interim-Manager<br />
in Frage (vgl. Artikel von Alrik Koppenhöfer<br />
auf S. 30).<br />
LSI<br />
Der Life Science Inkubator (LSI) am Forschungszentrum<br />
caesar in Bonn stellt ein<br />
neuartiges Modell zur Förderung von Forschungsvorhaben<br />
dar. Der LSI greift dabei<br />
besonders früh in der Entwicklung eines<br />
Unternehmens, nämlich bereits vor der<br />
Gründung. Forschungsprojekte aus Therapie,<br />
Diagnostik, Prävention und Rehabilitation<br />
werden gezielt entwickelt und gefördert.<br />
Ziel ist dabei die Finanzierungs- und / oder<br />
Marktreife. Über einen eigenen Fonds werden<br />
darüber hinaus auch Geldmittel zur<br />
Verfügung gestellt (weitere Informationen<br />
im Artikel von Jörg Fregien auf S. 31).<br />
Auch Forschungsinstitute selbst machen<br />
sich Gedanken darüber, wie man Wissenschaft<br />
am Besten in Wirtschaft überführt.<br />
Ascenion mit Spinnovator<br />
Der Technologietransferpartner der Helmholtz-<br />
und Leibniz-Gemeinschaften – Ascenion –<br />
analysiert Technologiepotenziale und begleitet<br />
diese quasi als Coach und Sparrings-<br />
partner in die Selbstständigkeit. Zudem<br />
wurde mit dem Spinnovator ein neues Förderinstrument<br />
in Zusammenarbeit mit dem<br />
BMBF und weiteren Investoren geschaffen,<br />
welches Start-ups auch finanziell unter<br />
die Arme greift. Das Förderinstrument für<br />
gründungswillige Wissenschaftler wird von<br />
Ascenion in enger Zusammenarbeit mit<br />
dem Risikokapitalgeber Vesalius Biocapital<br />
gemanagt und vom BMBF unterstützt. Projekte,<br />
die für den Spinnovator ausgewählt<br />
werden, erhalten professionelle Unterstüt-<br />
zung der Partner und bis zu 7,4 Millionen<br />
Euro an Finanzmitteln, die in Abhängig-<br />
keit vom Projektfortschritt von Vesalius<br />
Biocapital und dem BMBF bereitgestellt<br />
werden (vgl. Artikel Christian A. Stein auf<br />
S. 33).<br />
Ein neuer Aspekt, der nun mit in die <strong>Biotech</strong>-Gründungsszene<br />
spielt, sind die „alten<br />
Hasen“ der Branche. Mit dem Schatz an eigenen<br />
Erfahrungen versuchen sie nun jungen<br />
Wissenschaftlern mit Rat, Tat und Finanzmitteln<br />
zur Seite zu stehen. Auch, weil ihnen<br />
die Branche am Herzen liegt und sie nach<br />
wie vor etwas bewegen wollen, engagieren<br />
sich Größen wie Karsten Henco und Rainer<br />
Christine nun auf der anderen Seite. Sie<br />
versuchen die Spreu vom Weizen zu trennen<br />
und können mit ihrem Erfahrungshintergrund<br />
einschätzen, welches Team mit welcher Idee<br />
in welchem Markt bestehen kann; wer Potenzial<br />
hat, auch in schwierigen Zeiten das Projekt<br />
„eigenes Unternehmen“ zu stemmen.<br />
Nach erfolgreichen Firmengründungen und<br />
-verkäufen – Henco mit Qiagen, Christine<br />
mit amaxa – unterstützten sie die <strong>Biotech</strong>-<br />
Branche zunächst als Business Angel. Heute<br />
sind sie beide mit einem eigenen Fonds aktiv.<br />
HS Life Sciences<br />
Henco und Kollegen pushen seit 2008 Life-<br />
Science-Sprösslinge nicht nur finanziell über<br />
den QureInvest II Fonds (insgesamt 70<br />
Mio. €), sondern auch in Bezug auf Firmenentwicklung<br />
und Management. Bis jetzt ist<br />
das Portfolio schon auf über sieben deutsche<br />
und schweizerische Neugründungen im<br />
Bereich <strong>Biotech</strong> und Medizintechnik angewachsen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 29
Interim-Management: Mit Erfahrung starten<br />
Dr. Alrik Koppenhöfer,<br />
LSCN Ltd., Heidelberg<br />
Interim-Management als Alternative<br />
In einer Zeit knapper finanzieller Mittel für<br />
<strong>Biotech</strong>-Start-ups und schwieriger Anschluss-<br />
finanzierungen sind Unternehmensgründer<br />
und Management besonders gefordert: Es<br />
gilt, effektive und kosteneffiziente Lösungen<br />
für zentrale Aufgabenbereiche des Unternehmens<br />
zu finden. Interim-Manager und<br />
Coaches bieten hier Vorsprung durch Wissen,<br />
Erfahrung und Netzwerke. Als Macher<br />
werden sie verstärkt nachgefragt, um Unternehmen<br />
nicht nur strategisch, sondern auch<br />
operativ kompetent zu unterstützen. Die<br />
Pharma-Industrie arbeitet seit Jahren mit<br />
hochqualifizierten Interim-Managern. In der<br />
deutschen <strong>Biotech</strong>nologie ist eine zögerlich<br />
wachsende Nachfrage zu beobachten. Die<br />
Einbindung von Interim-Managern bietet dabei<br />
gerade Unternehmensgründern und<br />
KMU handfeste Vorteile:<br />
• Produktorientierte Beurteilung von<br />
Innovationen<br />
• Unvoreingenommener Vergleich vom<br />
Stand der Technik und von Mitbewerbern<br />
• Objektive Beurteilung der Marktchancen<br />
und Markteintrittsbarrieren<br />
• Direkter Netzwerkzugang zu Kunden und<br />
Entscheidungsträgern<br />
Beratung bei Neugründungen<br />
Wie und wo externe Unterstützung des Managements<br />
von Vorteil ist, interessiert zunehmend<br />
auch Investoren. Deutschlands<br />
wichtigster Seed-Finanzierer, der High-Tech<br />
Gründerfonds (HTGF), bietet bereits vor<br />
seiner Beteiligung finanzielle Anreize, um<br />
Coaches mit operativer Industrieerfahrung<br />
in Neugründungen zu verankern. Darüber<br />
hinaus bezuschussen auch regionale Fördergesellschaften<br />
und Institutionen die enge<br />
Einbindung von erfahrenen Beratern bei<br />
Neugründungen. Mit „Helmholtz Enterprise“<br />
wurde ein Programm geschaffen, das potenzielle<br />
Gründer befähigt, ihr Vorhaben mit<br />
Hilfe externer Unterstützung erfolgreich am<br />
Markt zu positionieren.<br />
Beratung in der frühen<br />
Unternehmensphase<br />
Kompetente Unterstützung kann auch kurzfristig<br />
durch externe Experten realisiert werden,<br />
die z. B. in der Gründungsphase selbst<br />
als Interim-Geschäftsführer eingebunden<br />
werden. So wird das Know-how der zumeist<br />
technisch-wissenschaftlich orientierten<br />
Gründer in Bezug auf Corporate und Busi-<br />
ness Development ergänzt, insbesondere<br />
unter marktstrategischen und finanziellen<br />
Aspekten. In dieser Rolle nutzen Experten<br />
ihre Erfahrung, um gangbare Strategien zu<br />
erarbeiten, Unternehmen mitzuführen,<br />
Gründer zu managen und gegebenenfalls<br />
durch weitere Expertisen zu verstärken.<br />
Dazu zählt auch, die nötigen Ressourcen zu<br />
beziffern und einzuwerben. Typische Aufgaben<br />
sind:<br />
• Businessplan-Erstellung<br />
• Erarbeitung von Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien<br />
• Operative Geschäfts- und Finanzplanung<br />
• Business Development und Produkt-<br />
management<br />
• Ansprache von potenziellen Erstkunden,<br />
strategischen Partnern und Investoren<br />
Weitere praktische Hilfen sind die Einbin-<br />
dung von erfahrenen, externen Dienst-<br />
leistern wie Patentanwälten, Anwälten im<br />
Gesellschafts- und Handelsrecht, Steuer-<br />
beratern, Webdesignern, etc.<br />
Interaktion zwischen<br />
Interim-Manager und Start-up<br />
Die externe Managementunterstützung<br />
sollte sich auf die Erstellung eines belast-<br />
baren Investment Cases und die Entwick-<br />
lung eines marktfähigen Produktes fokus-<br />
30 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
sieren und einen Überblick über alle anste-<br />
henden Aufgaben und ihre Prioritäten liefern.<br />
Dabei müssen die Erwartungen und<br />
Verantwortlichkeiten der Erfinder, Gründer<br />
und der übrigen Interessenvertreter in Übereinstimmung<br />
gebracht werden. Entscheidende<br />
Voraussetzung, um ein Unternehmen<br />
erfolgreich zu platzieren, sind Vertrauen,<br />
Verständnis und Einvernehmen zwischen<br />
dem Interim-Manager, den Gründern und<br />
allen anderen Interessenvertretern. Ist die<br />
geplante Unternehmung nicht in der Lage,<br />
die gewünschten Investitionen oder Kunden<br />
zu akquirieren, sollte der Interim-Manager<br />
dem Gründungsteam darlegen, wie die Geschäftsidee<br />
verbessert werden kann. Dabei<br />
helfen die Erfahrung und der Abstand des<br />
Interim-Managers, ggf. auch ein nötiges<br />
„Nein“ oder sogar den Abbruch der Aktivitäten<br />
zu vertreten.<br />
Finanzielle Anreize<br />
Für Gründer und Investoren bieten Interim-<br />
Management-Lösungen zudem auch entscheidende<br />
finanzielle Vorteile:<br />
• Transparent bemessene und vergütete<br />
Leistungen<br />
• Keine weiteren Arbeitgeberkosten<br />
(Urlaub, Krankheit, Sozialkassen usw.)<br />
• Teilhabe am Erfolg des Unternehmens ist<br />
verhandelbar<br />
• Flexible Gestaltung durch zeitliche oder<br />
projektbedingte Befristung<br />
• Vermeidung von kritischen Liquiditäts-<br />
engpässen, da Rekrutierung von Interim-<br />
Managern nach Bedarf<br />
LSCN<br />
Als Beratungsgesellschaft für Geschäfts-<br />
entwicklung und Interim-Management hat<br />
LSCN Ltd. durch seine Partner viele Referenzen<br />
in Start-ups und bei etablierten <strong>Biotech</strong>-Firmen.<br />
Es gibt Erfahrungen als akkreditierter<br />
„HTGF Coach“, als „bwcon Coach“<br />
und als Interim-Manager im Rahmen von<br />
„Helmholtz Enterprise“. Außerdem bietet<br />
der LSCN Partner Talentmark Ltd. eine<br />
internationale Vermittlung von Interim-<br />
Managern. Dieses Angebot wird besonders<br />
in Großbritannien und den USA, aber auch<br />
verstärkt in Deutschland und im übrigen<br />
Europa nachgefragt.<br />
www.lscn.eu
Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups<br />
Dr. Jörg Fregien,<br />
Geschäftsführer Life Science Inkubator,<br />
Bonn<br />
Viele Ideen, begrenztes Kapital<br />
Unternehmensgründungen in den Life<br />
Sciences sind zu einem schweißtreibenden<br />
Unterfangen geworden. Selbst bei bester<br />
Vorbereitung ist es schwer, das nötige Kapital<br />
zu finden, um eine wissenschaftliche Entdeckung<br />
oder eine Technologie in ein markt-<br />
fähiges Produkt weiter zu entwickeln. Dabei<br />
standen noch vor zehn Jahren den gründungswilligen<br />
Wissenschaftlern alle Türen<br />
offen, solange sie nur auf vielversprechende<br />
Forschungsergebnisse verweisen konnten.<br />
Heute dagegen herrscht ein harter Wettbewerb.<br />
Gute Gründungsideen gibt es viele, aller-<br />
dings sind die Investoren wie auch industrielle<br />
Partner zurückhaltender. Sie wollen ihr<br />
Anlagerisiko klein halten und stellen darum<br />
deutlich höhere Ansprüche an potenzielle<br />
Start-ups. Geht es nach ihnen, dann ist die<br />
Idee möglichst schon zu einem marktreifen<br />
Produkt gediehen und das Unternehmenskonzept<br />
dazu bereits bestens ausgearbeitet.<br />
Erfolg aus einem ganzheitlichen<br />
Gründungskonzept<br />
Nun sind Wissenschaftler oft nicht mit dem<br />
unternehmerischen Rüstzeug ausgestattet,<br />
welches für eine Gründung nötig ist. Um erfolgreich<br />
zu sein, können sie sich nicht allein<br />
auf die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen<br />
verlassen. Vielmehr braucht es<br />
einen unternehmerischen und ganzheitlichen<br />
Ansatz – das Produkt muss am Markt auch<br />
konkurrenzfähig, die Patente tragfähig sein.<br />
Ebenso wichtig ist die Teambildung, denn in<br />
einem gewinnorientierten Unternehmen gestalten<br />
sich Zusammenarbeit und Zielsetzun-<br />
gen anders als in der Wissenschaft. Forschungsleiter,<br />
die zuvor regelmäßig und mit<br />
Begeisterung im Labor standen, müssen als<br />
Geschäftsführer diese Tätigkeiten oft an Mitarbeiter<br />
delegieren – was gar nicht so leicht<br />
fällt.<br />
Exzellente Forschung marktreif machen<br />
Dieser ganzheitliche Ansatz ist die Arbeitsgrundlage<br />
des Bonner Life Science Inkubators<br />
(LSI). Wissenschaftler aus den verschiedenen<br />
Bereichen der Medizinforschung<br />
finden hier die Zeit und die Ausstattung, ihr<br />
Forschungsprojekt zu einem Produkt weiterzuentwickeln.<br />
Im Aufnahmeverfahren werden<br />
alle Projekte ausführlich nach den Kriterien<br />
Qualität des Forschungskonzepts, Markt-<br />
fähigkeit, Belastbarkeit der Patente und Team-<br />
entwicklung begutachtet. Wichtig ist natürlich<br />
auch der herausragende wissenschaft-<br />
liche Ansatz. Daraus muss sich jedoch ein<br />
kommerzielles Geschäftsmodell entwickeln<br />
lassen, denn sonst macht eine Ausgründung<br />
keinen Sinn. Was darüber hinaus an Knowhow<br />
benötigt wird, lässt sich lernen. Entsprechend<br />
erhalten die Wissenschaftler am<br />
LSI ein intensives, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes<br />
Coaching. Die Arbeit am Bonner<br />
Inkubator wird durch das Bundesforschungsministerium<br />
und das nordrhein-west-<br />
fälische Wissenschaftsministerium mit bis zu<br />
zwei Millionen Euro pro Jahr gefördert. Zum<br />
Inkubator gehört außerdem ein Fonds, der<br />
nach erfolgreicher Inkubation dem Start-up<br />
eine Anschlussfinanzierung gewährt. Dieser<br />
Fonds wird finanziert durch die NRW.Bank,<br />
die Sparkasse Köln-Bonn, private Investoren<br />
sowie die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraun-<br />
hofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft<br />
und das Forschungszentrum caesar.<br />
Ausweitung und Regionalisierung<br />
der Inkubatoridee<br />
Insgesamt wurden im LSI bis jetzt neun Projekte<br />
aufgenommen, vier davon sind 2012<br />
in der Transferphase angekommen. Aktuell<br />
wurden bereits zwei Unternehmen gegründet,<br />
ein weiteres befindet sich kurz davor.<br />
Die Epivios GmbH wurde im Juli 2012 etabliert<br />
und ist ein Kooperationsprojekt der LSI<br />
Pre-Seed-Fonds GmbH, des High-Tech Gründerfonds<br />
(HTGF) und privater Investoren.<br />
Epivios entwickelt ein Verfahren für die Früherkennung<br />
von Krebserkrankungen über<br />
den Ansatz epigenetischer Veränderung von<br />
Zellen – ein frühes Ereignis der Krebs-entstehung.<br />
Die BOMEDUS GmbH ist ebenfalls<br />
eine Kooperationsgründung mit dem HTGF.<br />
Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung<br />
von neuen Behandlungsmethoden zur<br />
Akuttherapie von Schmerzen unter Nutzung<br />
modernster Technologien und gezielter Beeinflussung<br />
der „neuronalen Plastizität“. Die<br />
VLP-Gruppe, seit 2009 am LSI, ist in der<br />
Transferphase angekommen. VLP hat während<br />
der Inkubation eine „Medikamentenfähre“<br />
entwickelt, die Wirkstoffe von der Blut-<br />
bahn gezielt ins Gehirn transportieren kann.<br />
Dadurch kann die Blut-Hirn-Schranke überwunden<br />
werden, was die Möglichkeit eröffnet,<br />
Hirntumore oder MS direkt mit Medikamenten<br />
zu behandeln. Und: das Modell des LSI<br />
macht Schule. In Dresden ist ein regionaler<br />
Life Science Inkubator entstanden, und<br />
in Göttingen wird ein Inkubator mit dem<br />
Technologieschwerpunkt Photonik aufgebaut.<br />
Forschungsrisiko durch gute Businesskonzepte<br />
ausgleichen<br />
Mit seinem Schwerpunkt auf der Entwick-<br />
lung tragfähiger Konzepte platziert sich der<br />
LSI zusammen mit der Gründungsoffensive<br />
GO-Bio in Bezug auf die Unternehmensphase<br />
vor dem Förderinstrument „High-Tech Gründerfonds“.<br />
GO-Bio und LSI arbeiten dabei<br />
synergistisch und zielorientiert. In Zukunft<br />
wird der LSI diesen Transfer noch besser<br />
durch ein Inkubatornetzwerk mit unterschied-<br />
lichen Technologien und Standorten begleiten,<br />
damit die in Deutschland herausragende<br />
Grundlagenforschung nicht mehr im Ausland<br />
weiterentwickelt und zu kommerziellem<br />
Erfolg gebracht werden muss.<br />
Mut zum Transfer, aber mit<br />
durchdachten Konzepten<br />
Alle Förder- und Finanzierungsinstrumente<br />
sind für die <strong>Biotech</strong>-Branche unverzichtbar,<br />
gewährleisten sie doch den Transfer von der<br />
Wissenschaft zu marktfähigen Produkten und<br />
Technologien. Um in den Hochtechnologien<br />
in der Spitzengruppe zu verbleiben, erfordert<br />
allerdings noch mehr Mut bei der Umsetzung<br />
von innovativen Ideen. Dass Forschung stets<br />
auch ergebnisoffen und nicht immer von Erfolg<br />
gekrönt ist, lässt sich durchaus aushalten,<br />
wenn man, wie der LSI, darüber hinaus auf<br />
solide unternehmerische Konzepte setzt.<br />
www.life-science-inkubator.dee<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
31
science to market Venture Capital<br />
Gegründet von Christine und ehemaligen<br />
amaxa-Kollegen möchte der Fonds mit einer<br />
Zielgröße von 100 Millionen Euro Unternehmen<br />
aus dem Life-Science-Bereich in ganz<br />
Europa Risikokapital zur Verfügung stellen.<br />
Auch hier wird dem Gründerteam Managementerfahrung<br />
zur Seite gestellt und sich<br />
aktiv und strategisch mit der Unternehmensentwicklung<br />
beschäftigt.<br />
Perspektive<br />
Weitere Projekte sind in Planung. So feilt<br />
Peter Heinrich, Vorstand der BIO Deutschland,<br />
an einem Coaching-Unternehmen,<br />
Sinfonie Life Science Management; man darf<br />
auf die Resultate gespannt sein. Prof. Carsten<br />
Claussen, ehemals CEO von Evotec Technologies,<br />
heute CEO des European Screening-<br />
Ports, initiierte die Gründung der Volkspark-<br />
Labs in Hamburg. Zusammen mit Privat-<br />
investoren stellt er <strong>Biotech</strong>-Start-ups die<br />
32 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Infrastruktur und das Netzwerk von erfolgreichen<br />
Life-Science-Unternehmen zur<br />
Verfügung und betreut die Neulinge in dem<br />
ehemaligen Gebäude von Evotec über die<br />
ganze Bandbreite der Unternehmensentwick-<br />
lung hinweg mit (siehe Artikel auf S. 34).<br />
Qualität statt Quantität<br />
An der Statistik der Unternehmensneugründungen<br />
sieht man deutlich, dass heutzutage<br />
weniger gegründet wird als zu Zeiten, in<br />
denen die VC-Töpfe voll waren und alles mög-<br />
lich schien. Von den 66 Firmen, die 2000<br />
frisch in der Branche aufschlugen, existieren<br />
heute noch 33 – elf Prozent haben im Zuge<br />
von M&As den Besitzer gewechselt und<br />
33 Prozent haben ihre Geschäftstätigkeit bereits<br />
wieder eingestellt. Nach 2001 sinkt die<br />
Zahl der Start-ups deutlich und die Zeit wird<br />
zeigen, ob die momentanen Ansätze zum<br />
durchdachten Gründen nachhaltig sind und<br />
in Zukunft zu erfolgreicheren Firmen führen.<br />
Nichtsdestotrotz, nur wer sich gegen Widerstände<br />
durchsetzt, wird erfolgreich bestehen.<br />
Auch wenn sich keine der aktuell agierenden<br />
Start-up-Förderer für die eigene Idee begeis-<br />
tern lässt, sollten sich junge Gründer nicht<br />
einschüchtern und von eventuellen Risiken<br />
abschrecken lassen.<br />
Deutschland benötigt Innovation mehr denn<br />
je und die Visionäre der Branche haben dies<br />
bereits verstanden und arbeiten an Initiativen<br />
zur Unterstützung. Doch es braucht auch<br />
Gründer, die mit Feuer und Flamme bereit<br />
sind, ihre Idee umzusetzen – auch wenn<br />
etliche Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg<br />
liegen bzw. ein Scheitern nicht ausgeschlossen<br />
werden kann. Um es mit den Worten<br />
eines der wohl berühmtesten Firmengründer,<br />
Steve Jobs, zu sagen: Stay hungry, stay<br />
foolish.
Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion<br />
Christian A. Stein,<br />
CEO Ascenion GmbH, München<br />
Neue Aufgaben für den Technologietransfer<br />
Der Wissenschafts- und Technologietransfer<br />
im akademischen Raum hat sich in den vergangenen<br />
zehn Jahren erheblich gewandelt.<br />
Bis 2000 genügte es im Allgemeinen, Erfindungen<br />
zu scouten, schutzrechtlich abzusichern<br />
und mit der Industrie zu verpartnern –<br />
sei es durch Kooperation, Lizenzierung oder<br />
Optionierung. Zunächst vereinzelt, später<br />
immer häufiger, wurden auch Spin-offs begleitet<br />
und zusehends setzte man sich im Technologietransfer<br />
mit dem Thema Beteiligung<br />
auseinander. Inzwischen werden Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen ermutigt,<br />
selbst Unternehmensbeteiligungen an Spinoffs<br />
zu nehmen und zu managen, obwohl das<br />
für das Beteiligungsmanagement erforderliche<br />
Know-how und die damit verbundenen<br />
wirtschaftlichen Risiken erheblich sind. Ob<br />
mit Investitionen in wagniskapitalfinanzierte<br />
Spin-offs und mit der Durchführung von Beteiligungsmanagement<br />
Ressourcen im akademischen<br />
Bereich richtig eingesetzt sind, darf<br />
hinterfragt werden. Eine sinnvolle Alternative<br />
ist die Auslagerung dieser Aktivitäten in<br />
Stiftungen und ihre vermögensverwaltenden<br />
Einheiten, welche in Deutschland noch immer<br />
zu wenig genutzt wird.<br />
Seed-Fonds für frühe Projekte?<br />
Eine kritische Tatsache bleibt, dass mindes-<br />
tens zwei Drittel aller patentierten Erfindungen<br />
zu weit von der Anwendung entfernt<br />
sind, um einen Partner in der Industrie zu<br />
finden oder in Spin-offs ausgegründet zu<br />
werden. Die Hoffnung, dass Risikokapitalgeber<br />
diese Lücke durch spezielle Seed-Fonds<br />
füllen würden, hat sich in mehr als einem<br />
Jahrzehnt nicht erfüllt. Spätestens die<br />
Kauffman-Studie 2012 „We have met the<br />
enemy… and he is us“ hat uns diesbezüglich<br />
letzter Illusionen beraubt. Mit den bisherigen<br />
Strukturen und Mechanismen im Fonds-Geschäft<br />
sind frühe Entwicklungen akademischer<br />
Projekte, ganz besonders im Therapie- und<br />
Diagnostikbereich, kaum rentabel darstellbar.<br />
Das liegt an dem extrem ungünstigen Risikoprofil<br />
der Projekte, mit denen wir arbeiten. Im<br />
Therapiesegment liegen die Erfolgschancen<br />
im sehr niedrigen einstelligen Bereich. Das<br />
Zauberwort für die Partnerfindung heißt<br />
daher: De-risking. Wir müssen akzeptieren,<br />
dass Lizenznehmer und Investoren ein tragbares<br />
Risikoprofil benötigen, um in die Projektentwicklung<br />
einzusteigen. Ascenion und<br />
viele andere Akteure im Technologietransfer<br />
haben deshalb Instrumente entwickelt, mit<br />
denen man das Risiko teilen oder reduzieren<br />
kann, um das Potenzial früher Projekte besser<br />
zu entfalten.<br />
De-risking-Initiativen<br />
Ascenion verfügt heute über eine eigene<br />
Spin-off- und Equity-Abteilung, aus der wir<br />
Gründer und ihre Projekte Schritt für Schritt<br />
unterstützen, praktisch und strategisch.<br />
Gemeinsam erstellen wir Entwicklungspläne,<br />
kalkulieren Kosten, finden Drittmittel, Soft<br />
Money und andere Finanzierungsmöglichkeiten<br />
und vermitteln geeignete Partner.<br />
Dabei kooperieren wir mit dem Life Science<br />
Inkubator (LSI), dem Lead Discovery Center<br />
(LDC GmbH), der Vakzine Projekt Management<br />
(VPM GmbH) und vielen anderen, um<br />
die Klippen in der präklinischen Entwicklung<br />
besser und günstiger zu umschiffen.<br />
Spinnovator: Life Science into Business<br />
Mit dem „Spinnovator“ haben wir außerdem<br />
ein intelligentes Instrument geschaffen, das<br />
erstmals in Deutschland öffentliche Fördermittel<br />
mit privatem Risikokapital und spezifischer<br />
Expertise kombiniert, um frühe Projekte<br />
aus den Bereichen Therapie, Diagnostik,<br />
Ernährung und Medizintechnik über Startups<br />
zu entwickeln und zu finanzieren. Das<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
(BMBF) und Vesalius Biocapital Partners<br />
haben die Initiative mit auf den Weg gebracht.<br />
Zahlreiche Investoren sind inzwischen als Partner<br />
dazu gestoßen (BioGeneration Ventures,<br />
Creathor Venture, Forbion Capital Partners,<br />
Peppermint VenturePartners und TVM<br />
Capital). Unsere 22 Partnerinstitute der<br />
Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft und<br />
medizinischen Hochschulen können damit<br />
frühe Projekte effizienter und mit höherer<br />
Wertschöpfung voranbringen, und Risiko-<br />
kapitalgeber können bei reduziertem Risiko<br />
einsteigen. Solche Initiativen ergänzen bewährte<br />
Instrumente wie das exzellente Förderprogramm<br />
GO-Bio und den High-Tech<br />
Gründerfonds (HTGF), der heute ohne Zweifel<br />
der wichtigste Risikokapitalgeber im frühphasigen<br />
Hochtechnologiebereich ist. Ganz<br />
Europa beneidet uns um solche Instrumente.<br />
Bleibende Herausforderung<br />
Doch all dies reicht nicht aus, wenn wir die<br />
zwei Drittel ungenutzter „Schätze“ heben<br />
wollen, die in akademischen Schutzrechts-<br />
portfolios schlummern. Nicht jedes Projekt<br />
wird halten, was es verspricht. Aber auch<br />
das muss Aufgabe neuer Validierungsinstrumente<br />
sein: herauszufinden, was funktioniert<br />
und was nicht. Dabei ist es wichtig, rigide<br />
Abbruchkriterien und Meilensteine zu implementieren,<br />
um Ressourcen nicht unnötig zu<br />
vergeuden. Einige sehr erfolgreiche Ansätze<br />
hierzu gibt es seit geraumer Zeit im Forschungsförderungs-<br />
und im Wagniskapital-<br />
Segment. Gemeinsam mit unseren Partnern<br />
im Technologietransfer, in der Forschung,<br />
Industrie, Politik und Investmentbranche<br />
arbeiten wir intensiv daran, unser Wissen<br />
und unsere Erfahrung zusammenzuführen,<br />
um den Technologietransfer zu unser aller<br />
Nutzen weiter zu verbessern. Noch sind wir<br />
weit davon entfernt, auch nur die Hälfte<br />
aller „Schätze“ ans Licht zu bringen. Dies<br />
ist unser nächster Meilenstein.<br />
www.ascenion.de<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
33
VolksparkLabs – Eine Privatinitiative<br />
zur Förderung von Life Science<br />
Prof. Dr. Carsten Claussen,<br />
Initiator der VolksparkLabs,<br />
CEO European ScreeningPort GmbH,<br />
Hamburg<br />
Raum für Gründer und Forscher abseits<br />
der üblichen Modelle<br />
Im Hamburger Westen werden im Herbst<br />
<strong>2013</strong> die VolksparkLabs eröffnet. Sind diese<br />
ein weiteres Technologie- und Gründerzentrum<br />
für Norddeutschland? Eher nicht. Es<br />
handelt sich vielmehr um eine Privatinitiative,<br />
die Raum und laufenden Betrieb für Gründer<br />
und Forscher anbietet, damit diese inhaltlich<br />
in ihrer Firmenentwicklung begleitet werden.<br />
Die direkte Interaktion der Mieter ist das<br />
angestrebte Erfolgskriterium.<br />
Hamburg hat Potenzial, ist aber noch<br />
lange kein Leuchtturm<br />
Hamburg ist nicht unbedingt als Hochburg<br />
der Wissenschaft bekannt. Die großen Ex-<br />
zellenzwellen der vergangenen Jahre sind<br />
an der Stadt vorbeigerollt. Auch die angewandte<br />
Forschung und die Interaktion zwischen<br />
den Universitäten und der Industrie<br />
sind in Hamburg nicht vergleichbar ausgeprägt<br />
wie an anderen Standorten. Wie sagte<br />
doch ein alt eingesessener Hamburger Unternehmenslenker,<br />
als ihm eine Beteiligung<br />
an einem <strong>Biotech</strong>-Start-up vorgeschlagen<br />
wurde: „uns gibt es in fünfter Generation und<br />
wir haben bisher noch nie ein Forschungs-<br />
projekt gebraucht“. Nichtsdestotrotz, die<br />
Life Science Community ist lebendig und es<br />
gibt einige herausragende industrielle und<br />
wissenschaftliche Player an der Elbe. Auch<br />
befindet sich die private Initiative in der<br />
Stiftungshauptstadt Deutschlands in guter<br />
Hamburger Tradition. Firmen wie Evotec AG,<br />
Indivumed GmbH oder Cell Culture Service<br />
GmbH konnten mit privaten Hamburger<br />
Investoren ihre Gründungen durchziehen.<br />
Vorbilder: Zuliefererparks der Automobil-<br />
branche und Medienbunker in St. Pauli<br />
Als Blaupause für die VolksparkLabs haben<br />
sich die Initiatoren nicht an den <strong>Biotech</strong>-<br />
Gründerzentren der Republik orientiert,<br />
sondern an den Zuliefererparks der Automobilbranche,<br />
und dieses Konzept auf die<br />
Anforderungen der Life Sciences skaliert.<br />
Mit dem Medienbunker hat der Hauptinves-<br />
tor bereits eine komplizierte Immobilie –<br />
einen denkmalgeschützten Hochbunker mit<br />
16.000 m 2 im Stadtteil St. Pauli – so ent-<br />
wickelt, dass dort ein mehr als lebendiger<br />
Betrieb stattfindet, der in den letzten Jahren<br />
eine Vollvermietung mit ca. 30 verschiedenen<br />
Mietern vorweisen kann – auch ein Modell.<br />
12.000 m2 Innovationscampus in den<br />
ehemaligen Hallen Evotecs<br />
Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept<br />
für die VolksparkLabs entwickelt. Die Chance,<br />
eine etablierte und funktionsfähige Laborinfrastruktur<br />
zu nutzen, ergab sich durch<br />
Evotecs mutige unternehmerische Entscheidung,<br />
den mehr als beeindruckenden Manfred<br />
Eigen Campus zu entwickeln – das ehemalige<br />
Eli-Lilly-Forschungszentrum. Dieser<br />
Schritt ist auch ein Indikator für den Wandel<br />
der Wertschöpfungsketten in der Medikamentenentwicklung<br />
zwischen Pharma und<br />
<strong>Biotech</strong>. Am ehemaligen Standort von Evotec<br />
stand somit eine etwas in die Jahre gekommene<br />
Immobilie zur Verfügung. Mit einem<br />
millionenschweren, privat finanzierten Innovationsprogramm<br />
wird ein moderner Campus<br />
mit 12.000 m 2 geschaffen, der im Herbst<br />
<strong>2013</strong> vollständig bezugsfertig sein wird. Der<br />
Campus wird sich weniger durch spektakuläre<br />
Architektur auszeichnen, sondern eher<br />
durch intelligentes Bauen im Bestand. Gegenüber<br />
Gründerzentren mit eindrucksvollen<br />
Foyers, Konferenzebenen und Kindertages-<br />
stätte ist die Nachbarschaft das wichtige<br />
Merkmal.<br />
In guter Nachbarschaft mit PerkinElmer<br />
und dem ESP<br />
Das Konzept wurde maßgeblich von den beiden<br />
Firmen PerkinElmer Inc. und European<br />
ScreeningPort GmbH erarbeitet und beide<br />
haben sich langfristig für diesen Standort<br />
34 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
entschieden, womit schon drei Viertel der<br />
Kapazität ausgelastet sein wird. PerkinElmer<br />
Inc. wird sein europäisches R&D-Zentrum<br />
sowie seinen Geschäftsbereich Automatisierung<br />
in den VolksparkLabs ansiedeln. Der<br />
European ScreeningPort hat seine neuen<br />
Labore in den VolksparkLabs bereits bezogen.<br />
Aus den Geschäftstätigkeiten dieser Anker-<br />
mieter ergeben sich die naheliegenden Felder<br />
der Gründungsfirmen: Instrumente, Tools,<br />
Assays und Informatik für den Forschungsmarkt.<br />
Attraktivität der VolksparkLabs:<br />
Infrastruktur und Networking<br />
Bereits heute werden ca. zehn Unternehmen<br />
und Gründungsteams betreut, wobei die<br />
Spannweite der Betreuung von Business-<br />
plan-Coaching und Organisation von Road-<br />
shows zur Investorensuche über die Unterstützung<br />
im Labor mit Applikationen und<br />
Proof-of-Concept-Studien bis hin zum Vertrieb<br />
und sogar Aufträgen reicht. Was macht die<br />
VolksparkLabs für die Gründer attraktiv?<br />
Natürlich die vernünftige Infrastruktur, so<br />
dass sich die Gründer auf die Umsetzung<br />
ihres Geschäftsplans konzentrieren können<br />
und nicht durch den Aufbau der Infrastruktur<br />
abgelenkt werden. Die Ratschläge, der<br />
Austausch mit den Mitarbeitern der anderen<br />
Mieter und die aktive Einbindung in die Besucherströme<br />
im Haus werden als befruch-<br />
tend und als aktives, nachhaltiges Networking<br />
angesehen. Nicht zuletzt soll die Nähe zur<br />
industriellen Wirklichkeit die Gründer sehr<br />
früh auf die Anwendung und die Darstellung<br />
des Kundennutzens fokussieren. Ein ganz<br />
praktisches Beispiel ist die Vorfinanzierung<br />
von Förderbescheiden, die von der DKB<br />
Bank in den VolksparkLabs angeboten wird.<br />
Fahrt aufnehmen<br />
Die Ansiedlung einer Fraunhofer-Einrichtung<br />
für Screening und Drug Discovery, die im<br />
Sommer <strong>2013</strong> ihren Betrieb aufnehmen soll,<br />
ist ein weiterer Schritt, die VolksparkLabs zu<br />
einem Anwendungszentrum zu entwickeln.<br />
Es besteht daher Hoffnung, dass das geflügelte<br />
Wort von fürsorglichen Hamburger<br />
Vätern Vergangenheit ist: „wer zu dumm<br />
zum Kaffeehandel ist, wird Wissenschaftler“.<br />
www.screeningport.com
Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter<br />
Neue Ansätze für komplexe<br />
Herausforderungen<br />
Im letztjährigen globalen <strong>Biotech</strong>-<strong>Report</strong><br />
„Beyond borders 2012“ war erstmals das<br />
Thema der „präkompetitiven Kollaboratio-<br />
nen“ angesprochen worden. Die zunehmende<br />
Komplexität der medizinischen Fragestellungen<br />
in Bezug auf Krankheitsursachen<br />
und Behandlungsansätze einerseits, andererseits<br />
aber auch die immensen Kosten der<br />
medizinischen Forschung haben ein Konzept –<br />
HOLnets = Holistic Open Learning Networks –<br />
zur Diskussion gestellt, nach dem alle be-<br />
teiligten Parteien – Akademie, <strong>Biotech</strong>,<br />
Pharma, und Ärzte – ihre Kräfte bündeln,<br />
um gemeinsam die Komplexität eines Themas<br />
zu bewältigen. So werden inbesondere<br />
Unternehmen, die üblicherweise Wettbewerber<br />
sind, zu Team-Playern – ein Szenario,<br />
das sowohl gravierende Vorteile aber auch<br />
Einschränkungen mit sich bringt.<br />
Einzelbeispiele belegen dieses Konzept, auch<br />
wenn die Grenze zwischen „prä-“kompetitiv<br />
und „non-“kompetitiv schwierig zu ziehen ist.<br />
Beispielsweise sind Initiativen von Pharma-<br />
Unternehmen hinsichtlich einer gemeinsamen<br />
Qualifizierung von klinischen Zentren sehr<br />
hilfreich und effizient; ebenso die gemeinsame<br />
Entwicklung von Technologien für die<br />
Therapeutikaentwicklung. Für Durchbrüche<br />
aus präkompetitiver Zusammenarbeit, die<br />
insbesondere auch die Innovationskraft von<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen mit einbeziehen,<br />
scheint die Zeit in der Tat noch nicht reif.<br />
Insofern schweift der Blick inzwischen mehr<br />
in Richtung von Kollaborationen zwischen<br />
Akademie und kommerziellen Partnern, die<br />
vielfach durch Förderinitiativen unterstützt<br />
werden, wie z. B. durch die Programme der<br />
Innovative Medicines Initiative (IMI), einer<br />
öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen<br />
der Europäischen Union und der European<br />
Federation of Pharmaceutical Industries and<br />
Associations (EFPIA). Beispiele für IMI-Projekte,<br />
an denen sich neben Pharma-Wettbewerbern<br />
und akademischen Institutionen<br />
auch deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen beteiligen,<br />
sind die folgenden:<br />
• OncoTrack: Ziel ist die effizientere Entwicklung<br />
von Biomarkern der nächsten<br />
Generation (Alacris Theranostics, Berlin).<br />
• PreDiCT: Die Entwicklung von neuen<br />
Modellen für die präklinische Target-<br />
Bewertung soll eine bessere Vorhersage<br />
der Wirksamkeit gegen solide Tumore<br />
ermöglichen (Oncotest, Freiburg).<br />
• RAPP-ID: Das Projekt hat das Ziel,<br />
schnellere Point-of-Care-Tests für die<br />
Diagnose von Infektionen zu entwickeln<br />
(LIONEX, Braunschweig).<br />
In unserer globalen Umfrage wurden die<br />
Teilnehmer zu ihrer Meinung zu diesem<br />
Thema befragt. Immerhin zeigte sich dabei,<br />
dass das Thema der präkompetitiven Allian-<br />
zen insgesamt durchaus positiv belegt ist.<br />
In Europa – diese Angaben sind für Deutschland<br />
deckungsgleich – haben 65 Prozent<br />
der Befragten angegeben, dass sie diese<br />
Aktivitäten sehr positiv sehen und auch aktiv<br />
daran beteiligt sind. Demgegenüber sind die<br />
Befragten in den USA weniger mit diesem<br />
Thema befasst. Nur etwa 48 Prozent sind<br />
hier engagiert; die Mehrheit hält es eher für<br />
unwahrscheinlich, dass hier Durchbrüche<br />
zu erwarten sind.<br />
Interessant in jedem Fall sind die konkreten<br />
Aussagen, welche Vorteile in diesen Allian-<br />
zen gesehen werden und warum möglicherweise<br />
die Umsetzung ehrgeiziger präkompetitiver<br />
Zusammenarbeit noch mit Bedenken<br />
einhergeht.<br />
Für Europa inklusive Deutschland werden an<br />
vorderster Front (42 %) als Vorteil der größere<br />
Einfluss auf Zulassungs- und Erstattungsbehören<br />
gesehen, wenn durch gemeinsam<br />
erarbeitete Ergebnisse ein breiterer Konsens<br />
entsteht, Behörden zum Teil sogar mit einbezogen<br />
sind und diese somit bessere Entscheidungsgrundlagen<br />
haben. Weitere 40<br />
Prozent der Befragten sind davon überzeugt,<br />
dass zusammen mit anderen Partnern komplexe<br />
wissenschaftliche und technologische<br />
Fragestellungen (30 %) effizienter aufgeklärt<br />
werden können; der offene Austausch von<br />
gemeinsam eruierten Daten (13 %) ist dabei<br />
ebenfalls ein wichtiger Vorteil. An dieser<br />
Stelle ist wohl eine typische <strong>Biotech</strong>-Haltung<br />
zum Ausdruck gebracht; im <strong>Biotech</strong>-Sektor<br />
ist die Einstellung zu Themen wie „Open Innovation“<br />
sicherlich positiver als dies bei traditionellen<br />
Pharma-Unternehmen der Fall ist.<br />
Schließlich gehen immerhin 14 Prozent davon<br />
aus, dass durch die Integration in solche Netzwerke<br />
auch der Zugang zu Kapital verbessert<br />
wird. Dies ist durch zweierlei Aspekte<br />
begründet: Zum einen fließt den Konsortien<br />
der geförderten Initiativen direkt Kapital<br />
(ohne verwässernden Effekt) zu, zum anderen<br />
können die Netzwerke als solche als ein<br />
Qualitätssiegel erachtet werden, was für<br />
potenzielle Investoren positiv wirkt. Dieses<br />
Bestreben bringt sich auch darin zum Ausdruck,<br />
dass einige Unternehmen angaben,<br />
durch die Teilnahme an präkompetitiven<br />
Netzwerken ihre Visibilität verbessern zu<br />
wollen.<br />
Gegenüber diesen Vorteilen werden aber<br />
auch ebenso deutlich Einschränkungen und<br />
Nachteile offengelegt. Hier dominiert erwar-<br />
tungsgemäß die ungeklärte Frage nach der<br />
Zuordnung von Schutzrechten aus gemeinsamen<br />
Aktivitäten, insbesondere wenn es<br />
nach einer präkompetitiven Phase auf einer<br />
kommerziellen Schiene weitergeht. Rund<br />
55 Prozent haben diesbezüglich große Vorbehalte.<br />
Ein Drittel der Befragten glaubt auch,<br />
dass diese Allianzen nur eingeschränkte Rollen<br />
für kleinere Unternehmen bereithalten,<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 35
während vornehmlich die Pharma-Unternehmen<br />
dominieren und profitieren, weil sie<br />
natürlich auch stärker zur Finanzierung beitragen.<br />
Ein geringer Teil (11 %) glaubt gar,<br />
dass durch die Zusammenführung von Pharma<br />
und Akademie auf <strong>Biotech</strong> sogar gänzlich<br />
verzichtet werden könnte. Ein weiterer<br />
Perspektive<br />
Nachteil, der darüber hinaus in diesem Kontext<br />
genannt wurde, ist der hohe zeitliche<br />
sowie administrative Aufwand, der mit einer<br />
solchen Zusammenarbeit verbunden ist.<br />
Diese Ansichten werden bei Befragten in<br />
den USA hinsichtlich der Vorteile genau<br />
Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA<br />
Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich<br />
Europa<br />
USA<br />
24 %<br />
40 %<br />
Engagement in präkompetitiven<br />
Kollaborationen (n = 259)<br />
8 %<br />
24 %<br />
Engagement in präkompetitiven<br />
Kollaborationen (n = 139)<br />
11 %<br />
14 %<br />
21 %<br />
Bereits implementiert<br />
Sehr wahrscheinlich<br />
Wahrscheinlich<br />
Unwahrscheinlich<br />
Sehr unwahrscheinlich<br />
29 %<br />
15 %<br />
14 %<br />
Genannte Vorteile (n = 655)<br />
Genannte Vorteile (n = 335)<br />
36 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
13 %<br />
16 %<br />
14 %<br />
16 %<br />
30 %<br />
24 %<br />
42 %<br />
gleich eingeschätzt; bzgl. der Vorbehalte<br />
fallen die IP-Belange eher weniger ins Gewicht<br />
(nur 44 % vs. 55 % in Europa) wohingegen<br />
in den USA noch stärker (42 % vs.<br />
33 %) davon ausgegangen wird, dass diese<br />
Initiativen den Großen der Branche vorbehalten<br />
sind.<br />
Genannte Nachteile (n = 371)<br />
1 % 2 %<br />
1 %<br />
43 %<br />
Größere Einflussnahme<br />
auf Behörden und Regularien<br />
Effizientere Adressierung<br />
wissenschaftlicher<br />
Fragestellungen<br />
Zugang zu gemeinsamen Daten<br />
Zugang zu Kapital<br />
Sonstige<br />
33 %<br />
11 %<br />
Genannte Nachteile (n = 209)<br />
13 %<br />
40 %<br />
4 %<br />
IP-Belange<br />
Eingeschränkte Rolle<br />
für kleinere Unternehmen<br />
Skipping <strong>Biotech</strong><br />
Sonstige<br />
54 %<br />
43 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Perspektive<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 37
Kennzahlen der<br />
deutschen<br />
<strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
38 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Zahlen und Fakten im Überblick<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Allgemeine Kennzahlen<br />
2011 2012 11/12<br />
Anzahl Unternehmen 406 403 – 1 %<br />
Anzahl Beschäftige 9.932 10.017 1 %<br />
Finanzdaten (in Mio. €)<br />
Umsatz 1.085 1.128 4 %<br />
F&E-Ausgaben 780 727 –7 %<br />
Fluktuation bei deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Anzahl Firmen<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
6<br />
6<br />
3<br />
3<br />
5<br />
12 32 10 33 14 32 14<br />
20 10 13<br />
0<br />
2008<br />
2009<br />
2010<br />
2011<br />
2012<br />
Insolvenzen / Auflösungen M&As Nicht aktiv und Sonstige<br />
Neugründungen<br />
Kennzahlen der europäischen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
(börsennotierte Unternehmen)<br />
10<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
2011 2012 11/12<br />
Allgemeine Kennzahlen<br />
Anzahl Unternehmen 169 165 –2 %<br />
Anzahl Beschäftige<br />
Finanzdaten (in Mio. €)<br />
47.668 50.864 7 %<br />
Umsatz 13.608 15.907 17 %<br />
F&E-Ausgaben 3.536 3.730 5 %<br />
2<br />
5<br />
2<br />
4<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Geringer Rückgang der Unternehmensanzahl<br />
um 1 %<br />
• Mitarbeiterzahlen übersteigen<br />
10.000er-Marke, Umsätze mit<br />
leichtem Aufwärtstrend, F&E-Ausgaben<br />
rückläufig<br />
• Die Detailanalyse liefert Erklärun-<br />
gen für diese gegenläufigen Entwicklungen<br />
• Hinter der relativ stabilen Unter-<br />
nehmensstatistik steht eine<br />
Dynamik aus 16 Ausschlüssen<br />
und 13 Neuaufnahmen<br />
• Die 4 Akquisitionen werden im<br />
Kapitel „Transaktionen“ näher<br />
beleuchtet<br />
• Netto-Abnahme um 4 börsen-<br />
notierte Unternehmen:<br />
–10 (Delistings und Akquisitionen),<br />
+ 6 (Börsengänge und Firmensitzverlagerung<br />
von Jazz Pharmaceuticals)<br />
• Größte Treiber: hinter positiver<br />
Mitarbeiterentwicklung Eurofins<br />
Scientific (Frankreich, + 1.732),<br />
hinter Anstieg von Umsatz und<br />
F&E-Ausgaben Shire (UK, + 418<br />
bzw. + 211 Mio. €)<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 39
Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie im Detail<br />
Allgemeine Kennzahlen<br />
Anzahl der Unternehmen<br />
Hinsichtlich der Gesamtzahl der in der Analyse<br />
eingeschlossenen Unternehmen zeigt<br />
sich die <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland<br />
nach wie vor extrem stabil.<br />
Die 403 Unternehmen teilen sich auf in<br />
390 private sowie 13 börsennotierte Unternehmen.<br />
Durch die Insolvenz der Firma<br />
november hat sich 2012 die seit Jahren<br />
konstante Zahl der börsennotierten Unternehmen<br />
erstmals verändert.<br />
private Unternehmen börsennotierte Unternehmen Gesamtindustrie<br />
2011 2012 11/12 2011 2012 11/12 2011 2012 11/12<br />
Anzahl Unternehmen 392 390 –1 % 14 13 –7 % 406 403 -1 %<br />
Anzahl Beschäftige 8.248 8.428 2 % 1.684 1.589 –6 % 9.932 10.017 1 %<br />
Finanzdaten (in Mio. €)<br />
Umsatz 870 922 6 % 215 206 –4 % 1.085 1.128 4 %<br />
F&E-Ausgaben 600 586 –2 % 180 141 –22 % 780 727 -7 %<br />
Verlust –308 –287 –7 % –111 –203 83% –419 –490 17 %<br />
Hinter der stabilen Gesamtzahl herrscht<br />
eine gewisse Dynamik in Bezug auf Neugründungen,<br />
Auflösungen und Übernahmen.<br />
Seit 2010 hat sich diese Dynamik<br />
etwas abgeschwächt. Die Anzahl an Neugründungen<br />
hat in diesem Zeitraum von<br />
31 auf aktuell nur noch 13 vermeintlich um<br />
58 Prozent abgenommen. Neugegründete<br />
Firmen sind allerdings vor allem in der An-<br />
fangszeit aufgrund häufig fehlender Internetpräsenz<br />
und zuweilen zurückhaltender<br />
Unternehmenskommunikation schwierig<br />
zu erfassen. So brauchen sie nicht selten<br />
eine Anlaufzeit von zwei Jahren, um für die<br />
Erhebung in Erscheinung zu treten.<br />
40 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Firmenauflösungen im Detail<br />
Die insgesamt 11 Firmen, die aufgrund von<br />
Insolvenzen oder Inaktivität aus der Statistik<br />
genommen wurden, waren:<br />
• Biognostik, Hennigsdorf<br />
• Curacyte, München<br />
• Curadis, Erlangen<br />
• FreiBiotics, Freiburg<br />
• InterMed Discovery, Dortmund<br />
• MelTec, Magdeburg<br />
• MICROBIONIX, Neuried<br />
• november, Köln<br />
• PomBioTech, Saarbrücken<br />
• Prosalix, Grünwald<br />
• Trin Therapeutics, Düsseldorf<br />
Firmenübernahmen im Detail<br />
Über die vier Firmenübernahmen des Berichtsjahres<br />
wird im Kapitel „Transaktionen“<br />
ausführlich berichtet:<br />
• Cellzome, Heidelberg<br />
(Verkauf an GSK)<br />
• Corimmun, München<br />
(Verkauf an Janssen / J&J)<br />
• Scil Technology, Martinsried<br />
(Verkauf an Nanohale)<br />
• SymbioTec, Saarbrücken<br />
(Verkauf an Lipoxen)
Neugründungen im Detail<br />
Neben den 13 neugegründeten Unter-<br />
nehmen für das Jahr 2012 stellt die nebenstehende<br />
Tabelle auch einige nachträglich<br />
identifizierte Gründungen aus dem Jahr<br />
2011 dar.<br />
Im Berichtsjahr nehmen die Therapeutika-<br />
entwickler wie in den Vorjahren mit ins-<br />
gesamt fünf Neugründungen die erste Position<br />
ein. Alle anderen Bereiche sind dahinter<br />
etwa gleich stark vertreten.<br />
Vier der fünf Therapeutikaentwickler<br />
konzentrieren sich erstaunlicherweise vorwiegend<br />
auf definierte Produktideen in<br />
konkreten Indikationen:<br />
• advanceCOR (Herz-Kreislauf-<br />
erkrankungen)<br />
• Qithera (Onkologie)<br />
• Acousia Therapeutics (HNO-Krankheiten)<br />
• Eternygen (Stoffwechselkrankheiten)<br />
Nur ein Unternehmen – GeneQuine Bio-<br />
therapeutics – hat mit seinen Genthera-<br />
pie-Ansätzen eine Tech@MPO-Plattform<br />
in Händen, die breiter einsetzbar ist.<br />
Bei den Gründungen um das Thema<br />
Forschungs-Tools (AyoxxA Biosystems,<br />
Cube <strong>Biotech</strong>, Computomics) herrschen<br />
Tech@BigData-Anwendungen vor, wie sie<br />
im Einleitungskapitel „Perspektive“ bereits<br />
beschrieben wurden.<br />
Mitarbeiterzahlen insgesamt konstant –<br />
Zuwachs bei Privaten gleicht Abbau bei<br />
Börsennotierten aus<br />
In der Gesamtbranche stagnieren die Mitarbeiterzahlen<br />
ungefähr auf dem Niveau des<br />
Vorjahres. Dahinter stehen allerdings gegen-<br />
läufige Bewegungen: eine leichte Steigerung<br />
der Zahlen für private Firmen (+2 %) auf<br />
aktuell 8.428 Mitarbeiter, hingegen ein Minus<br />
von sechs Prozent von 1.684 auf nur noch<br />
1.589 Mitarbeiter für die börsennotierten<br />
Unternehmen.<br />
Letzteres ist einerseits bedingt durch den<br />
Wegfall eines Unternehmens (november).<br />
Viel deutlicher zu Buche schlägt aber der<br />
Personalabbau infolge von ausbleibenden<br />
oder negativen klinischen Studienergebnis-<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Neugründungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2011/2012<br />
Unternehmen Stadt Segment Gründungsjahr<br />
Acousia Therapeutics Tübingen Drug Development 2012<br />
AdiuTide<br />
Pharmaceuticals<br />
sen wie beispielsweise bei Agennix (–26 %,<br />
von 70 auf 52 Mitarbeiter) und PAION<br />
(–46 %, von 26 auf 14 Mitarbeiter); WILEX,<br />
die ebenfalls einen Stellenabbau angekündigt<br />
haben (125 auf ca. 95 Mitarbeiter) sind in<br />
der Statistik der aktuellen Jahresabschlüsse<br />
noch nicht erfasst.<br />
Ebenfalls hat Epigenomics in Berlin aufgrund<br />
der nicht den Erwartungen entsprechenden<br />
Geschäftslage bei der Vermarktung<br />
ihres Darmkrebstests die Belegschaft<br />
um 36 Prozent von 61 auf 39 Mitarbeiter<br />
Frankfurt am Main Drug Development 2011<br />
advanceCOR Martinsried Drug Development 2012<br />
AlBio-Lab Bad Abbach Contract Research 2012<br />
AptaIT München Bioinformatics 2011<br />
AyoxxA Biosystems Köln Bio-related Tools 2012<br />
Computomics Tübingen Bioinformatics 2012<br />
Cube <strong>Biotech</strong> Monheim Proteomics 2012<br />
Cysal Münster Fine Chemicals 2012<br />
Delta-Vir Leipzig Drug Development 2011<br />
Eternygen Berlin Drug Development 2012<br />
GeneQuine<br />
Biotherapeutics<br />
Hamburg Drug Development 2012<br />
glyXera Magdeburg Contract Research 2012<br />
ImmunoQure Martinsried Drug Development 2011<br />
JeNaCell Jena Tissue Engineering 2012<br />
Katairo Kusterdingen Drug Development 2011<br />
OakLabs Hennigsdorf In Vitro Diagnostics 2011<br />
oncgnostics Jena In Vitro Diagnostics 2011<br />
PSites Pharma Frankfurt am Main Drug Development 2011<br />
Qithera Düsseldorf Drug Development 2012<br />
RHECADIS Mannheim In Vitro Diagnostics 2012<br />
Transimmune Düsseldorf Drug Development 2011<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
reduziert. Schließlich verkleinerte auch<br />
MorphoSys den Mitarbeiterstamm durch<br />
den Verkauf seiner Forschungsantikörpersparte<br />
AbD Serotec um fünf Prozent von<br />
446 auf nur noch 422 Mitarbeiter.<br />
Umso erfreulicher ist der Personalaufbau<br />
bei den privaten Firmen trotz leichter<br />
Abnahme der Firmenzahl. Wenn auch der<br />
Zuwachs von 180 Mitarbeitern in einer<br />
Branche mit rund 400 Unternehmen vernachlässigbar<br />
erscheint, so ist das Signal<br />
der Stabilität dennoch wichtig.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 41
Der Personalzuwachs bei privaten <strong>Biotech</strong>-<br />
Firmen wird vornehmlich durch das größte<br />
Segment – die Anbieter von Dienstleistungen<br />
sowie Forschungs-Tools – getragen, das mit<br />
vier Prozent von 4.612 auf 4.811 Mitarbeiter<br />
gewachsen ist. Auch Diagnostikfirmen<br />
legten beim Personal zu: von 1.078 auf<br />
1.163 Mitarbeiter (+8 %). Demgegenüber<br />
weisen die Therapeutikaentwickler auch im<br />
privaten Bereich einen Personalrückgang<br />
von insgesamt fünf Prozent von 2.147 auf<br />
2.034 Mitarbeitern auf, welcher allerdings<br />
zum Großteil aus den Akquisitionen von teilweise<br />
überdurchschnittlich großen Unternehmen<br />
resultiert (z. B. Cellzome).<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen<br />
in Deutschland<br />
Änderungsrate 2011/2012<br />
10 %<br />
8 %<br />
6 %<br />
4 %<br />
2 %<br />
0 %<br />
-2 %<br />
-4 %<br />
-6 %<br />
-8 %<br />
-10 %<br />
Umsatz F&E-Ausgaben Verlust<br />
Anzahl Beschäftigte<br />
Service, Technologies & Tools Therapeutika<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umsätze mit leichtem Aufwärtstrend<br />
Einheitlich positiv sind sowohl private als<br />
auch börsennotierte <strong>Biotech</strong>-Firmen hinsichtlich<br />
ihrer Umsatzentwicklung aufgestellt.<br />
Die sechs Prozent Umsatzsteigerung<br />
der privaten Firmen von 870 auf 922 Mil-<br />
lionen Euro wird von beiden Segmenten –<br />
Service- / Tool-Firmen (+5 %) wie auch<br />
Therapeutikafirmen (+9 %) – getragen. Die<br />
deutliche Steigerung bei den Therapeutika-<br />
entwicklern mag auf den ersten Blick verwundern.<br />
Allerdings sind in dieser als aktuell<br />
wichtigste Einkommensquelle die Zahlungen<br />
aus Allianzen enthalten. Somit konnte<br />
allein AiCuris durch die Transaktion mit<br />
Merck & Co. 110 Millionen Euro als Umsatzplus<br />
hinzufügen.<br />
Auf Seite der börsennotierten Unternehmen<br />
legte vor allem PAION zu (+725 % von<br />
3,3 auf 26,8 Mio. €) – durch den Verkauf<br />
seiner Desmoteplase-Rechte an Lundbeck<br />
für 20,1 Millionen Euro. Weiterhin erzielten<br />
auch WILEX mit 52 Prozent (von 11,7 auf<br />
17,8 Mio. € aus Diagnostik-Umsätzen)<br />
sowie Evotec mit neun Prozent (von 80 auf<br />
87 Mio. €) positive Steigerungen.<br />
42 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
F&E-Ausgaben rückläufig<br />
Nach motivierenden Steigerungen der F&E-<br />
Ausgaben über die letzten Jahre schlagen<br />
2012 Einbußen von immerhin sieben Prozent<br />
zu Buche. Besonders betraf dies die börsennotierten<br />
Unternehmen mit 22 Prozent<br />
Rückgang. Allerdings relativiert sich diese<br />
Aussage dadurch, dass hierbei ein transak-<br />
tionsbedingter Wegfall von F&E-Aktivitäten<br />
im Vordergrund stand. PAION beispielsweise<br />
stellte seine F&E-Aktivitäten um das verkaufte<br />
Produkt Desmoteplase ein und reduzierte<br />
damit die entsprechenden Aufwendungen<br />
um 70 Prozent von 11 auf 3,3 Millionen<br />
Euro. In die gleiche Richtung geht die Reduzierung<br />
bei MorphoSys, wo 20 Millionen<br />
Euro (34 %) F&E-Kosten durch den Verkauf<br />
der Forschungsantikörpereinheit entfielen.<br />
Die annähernd stabilen F&E-Aufwendungen<br />
mit Abweichungen von lediglich zwei Prozent<br />
von 600 auf 586 Millionen Euro bei<br />
den privaten Firmen sind schon deutlich<br />
weniger alarmierend bzgl. möglicher Einschränkungen<br />
bei den für <strong>Biotech</strong> lebenswichtigen<br />
Innovationsausgaben.<br />
Da bei den F&E-Kosten aber vor allem die<br />
Therapeutikaentwickler den Löwenanteil<br />
von 55 Prozent tragen und bei dieser Gruppe<br />
sieben Prozent weniger F&E-Ausgaben verbucht<br />
wurden, ist genaueres Hinschauen<br />
durchaus angebracht. Auch dieser Rückgang<br />
liegt vorwiegend in den letztjährigen Firmenübernahmen<br />
begründet.<br />
Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass<br />
Service- und Tool-Provider ihre F&E-Aufwendungen<br />
2012 um drei Prozent steigern<br />
konnten, was ihre gute Geschäftssituation<br />
widerspiegelt.
Verlustsituation zweigeteilt<br />
Die Verluste der Gesamtbranche haben nach<br />
sichtbarem Abbau über die letzten Jahre<br />
2012 wieder zugenommen, und zwar um<br />
17 Prozent von 419 auf 490 Millionen Euro.<br />
Auch bzgl. der Verlustentwicklung gibt es in<br />
Deutschlands <strong>Biotech</strong>-Industrie ein zweigeteiltes<br />
Bild. Die Treiber für den Anstieg sind<br />
in diesem Fall die börsennotierten Unternehmen,<br />
die zusammen ihre Verluste um<br />
83 Prozent haben anwachsen lassen – von<br />
111 auf 203 Millionen Euro.<br />
Als Haupttreiber hierfür erwies sich Agennix,<br />
die nach dem Scheitern der Talactoferrin-<br />
Phase-III-Studie entsprechend Werte abschreiben<br />
musste, was den Verlustbetrag<br />
von vormals 42 auf 147 Millionen Euro anwachsen<br />
ließ (+250 %).<br />
Umso positiver ist die Ergebnisseite bei den<br />
privaten <strong>Biotech</strong>-Firmen. Sie konnten ihre<br />
aggregierten Verluste immerhin um sieben<br />
Prozent von 308 auf 287 Millionen Euro zurückfahren.<br />
Diese Leistung ist fast ausschließ-<br />
lich den Therapeutikaentwicklern zuzuschreiben;<br />
allerdings weniger ihren aktiven Anstren-<br />
gungen zum Sparen oder dem effizienteren<br />
Umgang mit Kapital, sondern wiederum der<br />
Tatsache, dass einige verlustschreibende<br />
Unternehmen aus der Statistik herausfielen.<br />
Nach wie vor gibt es hinsichtlich der Gewinn-<br />
/ Verlustsituation ein steiles Gefälle in<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland<br />
nach Geschäftsfeld, 2012<br />
Anteil von Unternehmen (n = 208)<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
41<br />
59<br />
Service,<br />
Technologies & Tools<br />
Gewinn Verlust<br />
Diagnostika<br />
den einzelnen Subsegmenten der <strong>Biotech</strong>-<br />
Branche. Dass dabei die Service-, Technologie-<br />
und Tool-Provider mit 41 Prozent den<br />
geringsten Anteil der Verlust schreibenden<br />
Unternehmen stellen, ergibt sich aus deren<br />
Geschäftsmodell. Erstaunlich immerhin,<br />
dass auch Diagnostikfirmen hier relativ gut<br />
48<br />
52<br />
Grüne &<br />
industrielle <strong>Biotech</strong><br />
Therapeutika<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 43<br />
58<br />
42<br />
89<br />
11<br />
abschneiden (48 % verlustschreibende<br />
Firmen), wohingegen von den Therapeutikaunternehmen<br />
– weil überwiegend noch<br />
mitten in der Entwicklung und fern vom<br />
Markt – nur ein verschwindend kleiner Teil<br />
von 11 Prozent bereits die Gewinnschwelle<br />
überschritten hat.
Transaktionen<br />
44 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Zahlen und Fakten im Überblick<br />
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Anzahl Transaktionen<br />
Allianzen europäischer und US-amerikanischer<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Anzahl Transaktionen Europa<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
576<br />
98<br />
555<br />
517<br />
75<br />
Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation<br />
447<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Anzahl Transaktionen USA<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation<br />
99<br />
2008 2009 2010 2011 2012<br />
89<br />
789<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
765<br />
86<br />
718<br />
795<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Deal-Aktivität liegt mit 86 Allianzen<br />
leicht unter dem Mittel der letzten<br />
vier Jahre (90)<br />
• Geringfügiger Anstieg des relativen<br />
Anteils an Lizenzabkommen von<br />
39 % im Mittel der letzten vier Jahre<br />
auf 51 % im Jahr 2012 (44 Deals)<br />
• Im gleichen Zeitraum abnehmender<br />
relativer Anteil an Kooperationen<br />
(von 38 % auf 33 %) und Serviceabkommen<br />
(von 19 % auf 13 %), wobei<br />
sich letztere erfahrungsgemäß<br />
durch eine hohe Dunkelziffer auszeichnen<br />
Europa:<br />
• Allianzen in Europa weiterhin<br />
zahlenmäßig rückläufig (-22 % seit<br />
2009; –14 % gegenüber 2011)<br />
• Alle Kategorien betroffen<br />
(bezogen auf 2009):<br />
Kooperationen: – 23 %;<br />
Service: – 44 %;<br />
Lizenzierungen: – 5 %;<br />
Asset-Deals: – 65 %<br />
• Stabilste Situation für Lizenzdeals<br />
USA:<br />
• Allianzen in USA quantitativ mit<br />
leichter Tendenz nach oben<br />
• Verschiebungen innerhalb der<br />
Kategorien sehr deutlich (bezogen<br />
auf 2009): Lizenzierungen (+23 %),<br />
Service (+23 %) deutlich gestärkt,<br />
Asset-Deals (– 51 %) deutlich ge-<br />
schwächt<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 45
Transaktionen<br />
Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Summe (Mio. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern)<br />
2012 (11)<br />
2011 (10)<br />
2010 (8)<br />
2009 (9)<br />
2008 (6)<br />
2007 (5)<br />
2006 (6)<br />
2005 (6)<br />
0<br />
Zahlungsströme aus Allianzen an europäische<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Summe (Mrd. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern)<br />
2012 (53)<br />
2011 (57)<br />
2010 (74)<br />
2009 (69)<br />
2008 (64)<br />
2007 (67)<br />
2006 (72)<br />
2005 (35)<br />
0<br />
200 400 600 800<br />
Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen<br />
Sonstige und nicht näher spezifiziert<br />
Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals)<br />
1 2 3 4<br />
6 7 8 9 10<br />
Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen<br />
Sonstige und nicht näher spezifiziert<br />
Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals)<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
46 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
5<br />
1.000<br />
1.200 1.400 1.600 1.800<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Volumen aus publizierten Allianzen<br />
mit insgesamt 1,6 Mrd. € auf weiter-<br />
hin hohem Niveau (ohne Mega-<br />
Deals 1,0 Mrd. €)<br />
• Deutlicher Anstieg bei den Upfront-<br />
Zahlungen gegenüber 2011 von<br />
29 Mio. € auf 122 Mio. € (enthält<br />
110 Mio. € aus dem Rekord-Deal<br />
AiCuris / Merck & Co.)<br />
• Mega-Deals:<br />
2012 Evotec / Bayer,<br />
2011 Evotec / Roche,<br />
2010 und 2008 Cellzome / GSK<br />
• Anstieg der publizierten Allianz-<br />
Volumina: insgesamt 8,4 Mrd. €<br />
(+48 %), ohne Mega-Deals<br />
6,2 Mrd. € (+10 %)<br />
• Upfront-Zahlungen steigen von<br />
368 auf 756 Mio. €, Meilenstein-<br />
zahlungen von 4,3 auf 5,0 Mrd. €<br />
• Mega-Deals:<br />
2012 Molecular Partners / Allergan<br />
und Galapagos / Abbott,<br />
2010 F-star / Boehringer Ingelheim,<br />
2009 Elan / J&J,<br />
2008 Actelion / GSK und<br />
Cellzome / GSK,<br />
2007 Ablynx / Boehringer Ingelheim<br />
und Galapagos / Janssen,<br />
2006 Genmab / GSK
Umdenken für attraktivere Transaktionen<br />
Technologieplattformen ebnen den Weg<br />
Das im Einleitungskapitel postulierte „Um-<br />
denken“ – konkret das Rückbesinnen auf<br />
die eigentlichen Stärken der <strong>Biotech</strong>nologie<br />
in der Etablierung und Bereitstellung von<br />
Technologien – steht auch in direktem Bezug<br />
zu erfolgreichen Transaktionen. Dies wurde<br />
bereits bei der Beschreibung der unterschied-<br />
lichen Typen von Technologieplattformen<br />
im Kapitel „Perspektive“ als ein wesentlicher,<br />
gemeinsamer Erfolgsfaktor hervorgehoben.<br />
In einer Positionierung als strategischer<br />
Zulieferer von Innovationen – sei es in Form<br />
von neuen Plattformen oder daraus generierten<br />
Produktkandidaten – muss <strong>Biotech</strong>no-<br />
logie den Erfolg tatsächlich vor allem daran<br />
festmachen, wie die Technologie allgemein<br />
den Zugang zu Partnern erleichtert und die<br />
an diese gelieferten Assets bewertet werden.<br />
Ein weiterer entscheidender Vorteil dieser<br />
Vorgehensweise und der Zuliefererrolle ist<br />
die Flexibilität hinsichtlich der Geschäfts-<br />
modelle von Dienstleister bis Partner in<br />
einem Risk-Sharing-Verhältnis. Oft folgen<br />
diese Geschäftsmodelle in einer zeitlichen<br />
Sequenz.<br />
In der momentanen Diskussion über die<br />
Dominanz der großen Pharma- und anderer<br />
Industriepartner sowie der Konstituierung<br />
eines klaren Käufermarktes bietet die Aufstellung<br />
von <strong>Biotech</strong>-Unternehmen rund<br />
um eine Technologieplattform auch die<br />
bessere Verhandlungsposition. Die zeigt<br />
sich sowohl darin, dass die Top-Deals des<br />
Berichtsjahres 2012 zahlenmäßig überwiegend<br />
von ebenjenen Firmen abgeschlossen<br />
wurden, als auch an deren Möglichkeiten,<br />
diese Transaktionen stärker zu ihren Gunsten<br />
zu gestalten (Details im Abschnitt<br />
Analyse).<br />
Technologieplattformen und Exit<br />
Nicht zuletzt ist auch ein Zusammenhang<br />
zwischen Technologieplattformen und möglichen<br />
Exit-Strategien denkbar. Die Analyse<br />
der Transaktionen zeigt, dass diese Unternehmen<br />
präferenziell eher in Allianzen mit<br />
Partnern – vielfach sogar mit mehreren<br />
parallel – interagieren. Übernahmen durch<br />
große Pharma-Konzerne gab es zwar in der<br />
Vergangenheit (z. B. die Akquisition von<br />
Cambridge Antibody Technology durch<br />
AstraZeneca während der ersten Antikörperwelle<br />
oder von Alnylam durch Roche<br />
während der RNAi-Welle), sind aber heute<br />
eher die Ausnahme (wie z. B. die Übernahme<br />
von Cellzome durch GSK nach langjähriger<br />
Kooperation).<br />
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In<br />
Zeiten sehr schnelllebiger Technologieentwicklungen<br />
besteht die Gefahr, dass die<br />
teuer eingekaufte Technologie in kurzer Zeit<br />
durch neue Entwicklungen überholt ist und<br />
damit der vermeintliche kompetitive Vorteil<br />
nicht mehr existiert. Deshalb ist der – wenn<br />
auch meist nicht-exklusive – Zugang zu inno-<br />
vativen Technologien in Gestalt von Allianz-<br />
abkommen für Pharma auf lange Sicht effek-<br />
tiver und bietet größere Flexibilität. M&A-<br />
Transaktionen sind hingegen viel häufiger<br />
mit konkreten Produkten assoziiert.<br />
Aus dieser Überlegung heraus ermöglicht<br />
das Technologieplattform-Modell für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
eher das Exit-Szenario<br />
„IPO“ und dies aus folgenden Gründen:<br />
• Nachhaltiges Modell für kurzfristige stabile<br />
Umsatzgenerierung und profitables<br />
Wachstum (durch Partnerschaften)<br />
• Längerfristiges Potenzial zur Etablierung<br />
eines Produktportfolios aus eigener F&E<br />
• Breitere Risikostreuung und geringere<br />
Abhängigkeit von Einzelprojekten<br />
Die Realität des Transaktionsgeschehens<br />
stellt Theorien in Frage<br />
Die o. a. theoretische Betrachtung steht<br />
allerdings nicht immer im Einklang mit der<br />
Realität des Deal Making. In vielen Diskus-<br />
sionen mit <strong>Biotech</strong>-Unternehmen wird allgemein<br />
darüber geklagt, dass laufende Verhandlungen<br />
mit großen Industriepartnern<br />
nach wie vor äußerst zäh vorankommen;<br />
und dies trotz des Innovationsdrucks und<br />
Bedarfs an neuen Produkten. Gründe hierfür<br />
sind:<br />
• Zu viele Entscheidungsinstanzen<br />
• Zu lange Entscheidungsprozesse<br />
• Zu wenig Risikobereitschaft<br />
• Zu starre Vorgaben / zu wenig Flexibilität<br />
bzgl. der Deal Terms<br />
Gerade hinsichtlich des letzten Aspekts wäre<br />
es wichtig, eine wirkliche Partnerschaft in<br />
den Mittelpunkt zu stellen. Schließlich kann<br />
es nicht darauf ankommen, einen erfolg-<br />
reichen Deal ausschließlich aus Sicht des<br />
Industriepartners zu definieren, wenn dabei<br />
der <strong>Biotech</strong>-Partner aufgrund immer geringerer<br />
Upfront-Zahlungen und des weiterhin<br />
präferierten „Back-loading“-Trends nicht<br />
überleben kann. Dabei gäbe es genügend<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, über Optionen<br />
und entsprechende Meilensteine früher einzusteigen,<br />
Risiken in Grenzen zu halten und<br />
dennoch eine Balance für beide Seiten zu<br />
schaffen.<br />
Auch in dieser Beziehung sollten <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen mit einer soliden Technolo-<br />
gieplattform im Vorteil sein. Parallele Verhandlungen<br />
mit mehreren Partnern sind<br />
eher die Norm und verringern die Abhängig-<br />
keit von einem einzigen Transaktionsabschluss.<br />
Allerdings vereitelt die aktuelle Lage am<br />
Kapitalmarkt die theoretisch besseren<br />
Chancen der Technologieplattform-Vertreter<br />
für einen erfolgreichen Börsen-Exit.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 47
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Allianzen in Deutschland stagnieren<br />
Mit insgesamt 86 Allianzen im Berichtsjahr<br />
2012 liegt der <strong>Biotech</strong>-Sektor nur leicht unter<br />
dem Mittel der letzten vier Jahre (90).<br />
2006 hatten Allianzen insgesamt stark zugenommen<br />
und waren als wichtige strategische<br />
Initiativen in den Geschäftsmodellen<br />
der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen attraktiver geworden.<br />
Auch die Aufteilung in bestimmte Typen von<br />
Allianzen – Kooperationen, Lizenzierungen,<br />
Servicevereinbarungen oder Asset-Deals –<br />
hat sich in diesem Zeitraum auf den ersten<br />
Blick nur geringfügig verändert. Erfreulich<br />
ist dennoch ein im Mittel der letzten vier<br />
Jahre leichter Anstieg des relativen Anteils<br />
der Lizenzverträge von 39 auf immerhin<br />
52 Prozent und eine Absolutzahl von 44 für<br />
2012. Erfreulich deshalb, weil diese Form<br />
der Allianz für die strategischen Zulieferer<br />
der Branche am lukrativsten und deshalb<br />
am wichtigsten ist. So konnten im Jahr<br />
2012 – neben dem Rekord-Deal von AiCuris<br />
und den „üblichen Verdächtigen“ MediGene,<br />
Evotec, MorphoSys und Epigenomics – vor<br />
allen Dingen Technologien erfolgreiche<br />
Lizenzvergaben erzielen, z. B. Axiogenesis‘<br />
iPS-Technologie (Cor.4U ® , Cor.At ® ), CEVECs<br />
CAP-Technologie (CAP-T TM ) sowie Scienions<br />
sciFLEXARRAYER-Technologie.<br />
Lizenzabkommen stärken die<br />
Einkommensseite<br />
Die Zahl der Allianzen, für die finanzielle<br />
Details publiziert wurden, erweist sich<br />
weiterhin als enttäuschend gering (nur<br />
ca. 13 %).<br />
Die Höhe der Einnahmen aus Allianzen –<br />
hier sind vor allem Lizenzvereinbarungen<br />
eingeschlossen – hat das erfreulich hohe<br />
Niveau des Vorjahres halten können. Dabei<br />
fällt sofort ein deutlicher Anstieg bei den<br />
publizierten Upfront-Zahlungen auf. Sie stiegen<br />
um das Vierfache des Vorjahreswertes<br />
auf 121,5 Millionen Euro. Es wäre noch beeindruckender,<br />
wenn man dahinter einen<br />
soliden Trend sehen könnte. Allerdings liegt<br />
die Erklärung hierfür in einem einzigen Deal<br />
begründet: Das Abkommen zwischen AiCuris<br />
und Merck & Co. (MSD) hatte mit allein<br />
110 Millionen Euro eine Rekord-Upfront-<br />
Zahlung erzielt, die fast die gesamte Upfront-<br />
Summe der deutschen Allianzen ausmacht<br />
(90 %). Die ansonsten nach wie vor eher<br />
unbefriedigende Entwicklung der Upfront-<br />
Zahlungen setzt sich also fort.<br />
Sehr deutlich fällt auf den ersten Blick auch<br />
der Anstieg bei vertraglich vereinbarten<br />
Meilensteinzahlungen um 28 Prozent auf<br />
700 Millionen Euro auf. Allerdings ist auch<br />
hier bei der Interpretation Vorsicht geboten.<br />
Im Jahr zuvor war offensichtlich die Informationspolitik<br />
hinsichtlich differenzierter<br />
Zahlen (Upfront vs. Meilensteine) weniger<br />
transparent als im Berichtsjahr 2012. Deshalb<br />
verbarg sich ein größerer Anteil der<br />
„financial details“ im Graubereich der nicht<br />
weiter spezifizierten Zahlungen („Sonstige<br />
und nicht näher spezifiziert“). Somit kommt<br />
die realistische Einschätzung hinsichtlich<br />
vereinbarter Meilensteinzahlungen unter<br />
Berücksichtigung der nicht weiter spezifizierten<br />
Zahlungen zu dem Ergebnis, dass<br />
diese wahrscheinlich sogar eher (um 23 %)<br />
gesunken sind, und zwar von 1,16 Milliarden<br />
(2011) auf 892 Millionen Euro (2012).<br />
48 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Immerhin erreicht die Summe der direkten<br />
Upfront- und Meilensteinzahlungen (ohne<br />
den Mega-Deal zwischen Evotec und Bayer<br />
mit über 500 Millionen Euro) erneut nach<br />
2011 die Milliardengrenze (1,02 Mrd. €).<br />
Damit scheint sich der auf Ebene der Allian-<br />
zen bereits 2010 begonnene Aufwärtstrend<br />
zu festigen. Dahinter stehen bzgl. der Zahlungsvolumina<br />
zu 99 Prozent Allianzen<br />
zwischen <strong>Biotech</strong> und Pharma (sechs der<br />
elf analysierten Deals).<br />
Deutsche <strong>Biotech</strong>-Allianzen im Detail<br />
Die Detailbetrachtung der Top-6-<strong>Biotech</strong>-<br />
Allianzen in Deutschland 2012 ergibt ein<br />
ähnliches Bild wie im vergangenen Jahr:<br />
• Alle sechs Top-Deals stehen in Verbindung<br />
mit Tech@Companies in den im Einleitungs-<br />
kapitel „Perspektive“ beschriebenen Ausprägungen.<br />
• Dennoch sind alle Deals auf konkrete Produkte<br />
fokussiert, die aus den o. a. Technologien<br />
abgeleitet sind.<br />
• Mit einer Ausnahme (AiCuris, Phase III)<br />
wurden alle Deals zu einem relativ frühen<br />
Zeitpunkt im Entwicklungsprozess der im<br />
Fokus stehenden Produkte abgeschlossen.<br />
Der Link zu den Technologieplattformen<br />
bekräftigt die zuvor getroffenen Aussagen<br />
hinsichtlich der attraktiven Geschäftsmöglichkeiten<br />
ausgehend von den Plattformtypen,<br />
wobei die attraktivste – Tech@MPO –<br />
in diesem Jahr ausnahmsweise gar nicht in<br />
der Aufstellung erscheint:<br />
• Evotecs Vereinbarung mit Janssen ist die<br />
(bereits kurze Zeit nach der Kollaboration<br />
mit der Harvard Universität erfolgte) Trans-<br />
lation von Forschungsergebnissen in einen<br />
kommerziellen Deal (Tech@Translation).<br />
• In der Multi-Target-Allianz mit Bayer übernimmt<br />
Evotec Teile des F&E-Wertschöpfungsprozesses<br />
als externer Partner, das<br />
Paradebeispiel für Tech@Process.<br />
• Hinter dem Phenex-Deal mit Janssen<br />
steckt ebenfalls Tech@Process basierend<br />
auf spezifischen Screening-Verfahren<br />
(nukleare Rezeptor-Modulatoren).<br />
• AiCuris bestätigt mit der Lizenz an Merck<br />
& Co. die Erfolgsstory von Tech@Disease.
Transaktionen<br />
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />
Firma<br />
Partner<br />
Land<br />
Datum<br />
Deal-Fokus<br />
Therapeutischer<br />
Status<br />
Krankheitsgebiet<br />
Potenzieller<br />
Wert (Mio. €)<br />
Upfront-Zahlungen<br />
(Mio. €)<br />
Meilensteine<br />
(Mio. €)<br />
Royaltys<br />
Gegenstand<br />
Evotec<br />
Bayer<br />
Deutschland<br />
1. Oktober<br />
Produkt<br />
Forschung<br />
Endometriose<br />
592,0<br />
12,0<br />
580,0<br />
zweistellig<br />
Multi-Target-<br />
Allianz: Erforschung<br />
und<br />
Entwicklung von<br />
drei klinischen<br />
Wirkstoffkandidaten<br />
gegen<br />
Endometriose<br />
(Laufzeit fünf<br />
Jahre)<br />
AiCuris<br />
Merck & Co.<br />
USA<br />
15. Oktober<br />
Produkt<br />
Phase II<br />
Infektion<br />
(HCMV)<br />
442,5<br />
110,0<br />
332,5<br />
ja<br />
Weltweite Lizenz-<br />
vereinbarung<br />
über die Entwicklung<br />
und Vermarktung<br />
von<br />
AiCuris'<br />
HCMV-Wirkstoffkandidaten,<br />
z.B.<br />
AIC246<br />
Evotec<br />
Janssen<br />
Pharmaceuticals<br />
(Tochtergesellschaft<br />
von J&J)<br />
USA<br />
10. Juli<br />
Produkt<br />
Präklinik<br />
Diabetes<br />
mind. 239,5<br />
6,2<br />
mind. 233,3<br />
ja<br />
Ausweitung der<br />
bestehenden<br />
Kollaboration<br />
(CureBeta) zwischen<br />
Evotec<br />
und der Harvard<br />
Universität auf<br />
Janssen Pharma-<br />
ceuticals über<br />
die Entwicklung<br />
von die Regeneration<br />
von<br />
ß-Zellen fördern-<br />
den Wirkstoffkandidaten<br />
Evotec<br />
Janssen<br />
Pharmaceuticals<br />
(Tochtergesellschaft<br />
von J&J)<br />
USA<br />
17. Dezember<br />
Produkt<br />
Präklinik<br />
Depression<br />
136,1<br />
1,6<br />
134,5<br />
zweistellig<br />
Weltweite Lizenz-<br />
vereinbarung<br />
über die Entwicklung<br />
und Vermarktung<br />
von<br />
Evotecs Port-<br />
folio von<br />
NR2B-selektiven<br />
NMDA-Rezeptor-<br />
Antagonisten<br />
Phenex Pharmaceuticals<br />
Janssen <strong>Biotech</strong><br />
(Tochtergesellschaft<br />
von J&J)<br />
USA<br />
17. Dezember<br />
Produkt<br />
Forschung<br />
Chronische<br />
Autoimmun- und<br />
Entzündungserkrankungen<br />
mind. 105,0<br />
Evotec<br />
Zhejiang CONBA<br />
Pharmaceutical<br />
China<br />
2. Mai<br />
Produkt<br />
Phase I<br />
Entzündung<br />
mind. 60,0<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 49<br />
n/a<br />
n/a<br />
ja<br />
Erforschung und<br />
Entwicklung von<br />
Wirkstoffen,<br />
welche an dem<br />
Kernrezeptor<br />
RORγT ansetzen<br />
n/a<br />
n/a<br />
zweistellig<br />
Lizenzverein-<br />
barung zur Entwicklung<br />
und<br />
Vermarktung in<br />
China von Evotecs<br />
Wirkstoff<br />
EVT 401, einem<br />
selektiven,<br />
niedermole-<br />
kularen<br />
P2X7-Antagonisten<br />
für<br />
entzündliche<br />
Krankheiten<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro<br />
von MSD für HCMV-Portfolio<br />
Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff,<br />
CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal<br />
Deal mit MSD<br />
Am 12. Oktober letzten Jahres hat AiCuris<br />
mit Merck & Co. (MSD) einen Lizenzvertrag<br />
über ihr Entwicklungsportfolio gegen das<br />
humane Cytomegalievirus (HCMV) geschlos-<br />
sen. Im Rahmen dieses Vertrages übernimmt<br />
MSD die weltweiten Rechte an dem HCMV-<br />
Compound Letermovir (Phase III in Vorbereitung),<br />
einem Back-up-Kandidaten und<br />
weiteren Phase-I-Compounds mit einem alternativen<br />
Wirkmechanismus. Dieser Vertrag<br />
fand aufgrund des Deal-Konstruktes, aber<br />
auch der finanziellen Konditionen große Beachtung.<br />
So enthält er eine ungewöhnlich<br />
hohe Upfront-Zahlung von 110 Millionen Euro,<br />
zusätzliche Meilensteinzahlungen in Höhe von<br />
332,5 Millionen Euro sowie Royaltys auf die<br />
Umsätze. AiCuris hat ferner das Recht der Co-<br />
Promotion in einigen europäischen Ländern.<br />
Exzellente Qualität der Compounds<br />
Die Höhe dieses Lizenzvertrages spiegelt das<br />
ungewöhnliche Angebot seitens der AiCuris<br />
wider, die sich der Entwicklung ausschließlich<br />
resistenzbrechender Moleküle gegen überwiegend<br />
schwere, lebensbedrohliche virale<br />
und bakterielle Infektionskrankheiten verschrieben<br />
hat. Somit sind die meisten Entwick-<br />
lungssubstanzen von AiCuris chemisch gesehen<br />
„first in class“-Moleküle mit neuen<br />
Wirkmechanismen. Auch im Fall des HCMV-<br />
Portfolios stammen alle Moleküle aus unterschiedlichen<br />
chemischen Klassen und adressieren<br />
insgesamt zwei neue Zielmoleküle des<br />
Virus. Der Preis wurde aber nicht nur für die<br />
hohe wissenschaftliche Innovation gezahlt:<br />
Die Leitsubstanz Letermovir hatte in der<br />
Phase II beide primären Wirksamkeits-Endpunkte<br />
der Studie mit hoher Signifikanz erreicht<br />
und war zusätzlich in 13 Phase-I-Studien<br />
sorgfältig charakterisiert worden. Ihre<br />
weitere klinische Entwicklung konnte daher<br />
sehr gut eingeschätzt werden und kam dem<br />
Trend entgegen, dass zunehmend Projekte<br />
gesucht werden, die nur noch wenig Entwicklungsrisiko<br />
bergen. Hinzu kam, dass AiCuris<br />
auch von den Behörden ein sehr positives<br />
Feedback hatte. Diesseits und jenseits des<br />
Atlantiks war der Orphan-Drug-Status vergeben<br />
worden. In den USA hatte die Substanz<br />
zudem die Fast-Track-Designation erhalten.<br />
Vielversprechende Indikation<br />
Aber auch die Indikation selbst dürfte als sehr<br />
attraktiv angesehen worden sein. HCMV wurde<br />
lange Zeit von den meisten großen Pharma-<br />
Firmen nicht bearbeitet, sodass es kaum nen-<br />
nenswerte Konkurrenzprodukte in der Entwicklung<br />
gibt. Der Markt wuchs jedoch seit<br />
Jahren zweistellig, denn HCMV-Medikamente<br />
werden zunehmend in der Transplantationsmedizin<br />
eingesetzt. Dies liegt daran, dass<br />
HCMV (ein mit dem Herpes-simplex-Virus<br />
verwandtes Virus) in der Bevölkerung weit<br />
verbreitet ist und viele Transplantatempfänger<br />
und -spender damit chronisch infiziert<br />
sind. Während das Virus bei den meisten<br />
Menschen mit gesundem Immunsystem<br />
keinerlei Symptome verursacht, kann es bei<br />
einem geschwächten Immunsystem (z. B.<br />
nach Knochenmarks- oder Organtransplantation)<br />
zu äußert massiven, z. T. lebensbedrohlichen<br />
Infektionen durch HCMV kommen,<br />
die dringend behandelt werden müssen.<br />
Ausgezeichnete Prognose<br />
Für AiCuris war es neben den sehr guten klinischen<br />
Ergebnissen wichtig, die potenziellen<br />
Partner anhand verfügbarer Daten davon zu<br />
überzeugen, dass das Wachstum des Transplantationsmarktes<br />
per se noch weitergehen<br />
wird. Darüber hinaus wurde in einer Marktstudie<br />
prognostiziert, dass eine Substanz, die<br />
nicht nur hocheffektiv, sondern auch sehr gut<br />
verträglich ist, andere Behandlungsoptionen<br />
bietet als die verfügbaren Medikamente.<br />
Beispielsweise würde man von der Behandlung<br />
der akuten Infektion (die mit den verfügbaren<br />
Medikamenten nicht immer beherrschbar<br />
ist) zu einer Prophylaxe gegen<br />
das Virus übergehen.<br />
50 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Erschließung neuer Märkte<br />
Nicht zuletzt wurden aber auch Visionen für<br />
die Erschließung neuer Märkte entwickelt.<br />
So können nun Patientenpopulationen gegen<br />
HCMV behandelt werden, für die es aufgrund<br />
der starken Nebenwirkungen existierender<br />
Medikamente bislang keine zugelassene Behandlung<br />
gibt, z. B. HCMV-infizierte Neugeborene<br />
oder Schwangere. Als ein weiteres<br />
Potenzial wurden Patienten mit vorübergehender<br />
oder partieller Immunschwäche angesehen,<br />
wie HIV-Infizierte, Patienten auf<br />
Intensivstationen oder auch ältere Menschen,<br />
deren Immunsystem durch HCMV sehr belas-<br />
tet wird. Aufgrund der möglichen, zusätzlichen<br />
Marktsegmente war es AiCuris wichtig,<br />
dass der Partner nicht nur die Substanz Leter-<br />
movir weiterentwickelt, sondern auch eine<br />
der Nachfolgeverbindungen mit einem ande-<br />
ren Wirkmechanismus. Dies sollte erlauben,<br />
unterschiedliche Substanzen in unterschiedlichen<br />
Indikationen zu positionieren oder<br />
aber auch die (ggfs. fixe) Kombination von<br />
zwei Substanzen anzubieten.<br />
Nach dem Deal ist vor dem Deal<br />
Neben Letermovir und seinen Nachfolge-<br />
Substanzen enthält die Pipeline von AiCuris<br />
einen zweiten hochinnovativen Wirkstoff, der<br />
ebenfalls eine erfolgreiche Phase II mit hoch-<br />
signifikantem Erreichen aller Studienendpunkte<br />
und guter Verträglichkeit aufweisen<br />
kann: Pritelivir. Diese Substanz – ebenfalls ein<br />
„first in class“-Molekül mit neuem Wirkmecha-<br />
nismus – ist gegen genitalen und labialen<br />
Herpes gerichtet und hemmt die Helicase /<br />
Primase der Viren. Von diesem neuen Wirkmechanismus,<br />
verbunden mit einer langen<br />
Halbwertszeit, wird eine höhere Suppression<br />
des Virus erwartet, die auch bezüglich der<br />
Verhinderung der sexuellen Übertragung<br />
äußerst wichtig ist. Die lange Halbwertszeit<br />
sollte darüber hinaus aber auch eine sehr<br />
angenehme Dosierung erlauben: Eine Ta-<br />
blette zur Behandlung einer Herpes-Episode<br />
und eine einmal wöchentliche Einnahme für<br />
die dauerhafte Unterdrückung wiederkehrender<br />
Ausbrüche. Auch in dieser Indikation<br />
adressiert AiCuris einen Markt, in dem seit<br />
Jahrzehnten keine Innovation stattgefunden<br />
hat und in dem es außer generischen Medikamenten<br />
keine nennenswerte Konkurrenz gibt.<br />
Die Firma plant bis Anfang 2014 für Pritelivir<br />
einen Partner zu finden.<br />
www.aicuris.com
Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert<br />
sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen<br />
Dr. Claus Kremoser,<br />
Thomas Hoffmann,<br />
CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG,<br />
Ludwigshafen<br />
Mit Präklinik in Kollaborationen?<br />
Bisher galt als eines der großen Hindernisse<br />
für eine frühe Verpartnerung eines Drug<br />
Discovery Programms schlichtweg, dass man<br />
dafür auf präklinischer Stufe nicht genügend<br />
Geld von einem Pharma-Partner bekommt.<br />
Typischerweise setzt man den „value inflection<br />
point“, also die Stufe, auf der man deutlich<br />
mehr Geld bekommt als man investiert<br />
hat, nach einer erfolgten Phase II POC-Studie<br />
an. Um allerdings vom ersten Screen bis dort-<br />
hin zu kommen, kann man niedrige zwei-<br />
stellige Millionenbeträge als Investition ansetzen<br />
– eine Summe, die man derzeit in<br />
Deutschland außer von wenigen Family Offi-<br />
ces nicht als Risikokapital bekommen kann.<br />
Yes, we can: RORgamma<br />
Wir hatten vielleicht den richtigen Riecher<br />
als wir vor fünf Jahren auf ein neues Drug<br />
Target setzten, das mehrere Vorteile in sich<br />
vereint: RORgamma ist ein Kernrezeptor,<br />
der entscheidend für die Differenzierung<br />
von IL-17-produzierenden Th17-Zellen verantwortlich<br />
ist. Th17-Zellen sowie andere<br />
IL-17-produzierende Lymphozyten werden<br />
ursächlich mit verschiedenen chronisch-entzündlichen<br />
Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang<br />
gebracht, v. a. mit Schuppenflechte,<br />
Rheumatoider Arthritis und Multipler<br />
Sklerose. RORgamma bietet grundsätzlich<br />
die Möglichkeit, seine Funktion über small<br />
molecule-Inhibitoren zu blockieren. Dieser<br />
innovative small molecule-Ansatz ermög-<br />
licht es, den riesigen Markt an Therapien für<br />
chronisch-entzündliche Erkrankungen neu<br />
zu erschließen – einen Markt, der normalerweise<br />
mit sehr teuren Biologicals bedient<br />
wird. Es kamen für uns noch zwei günstige<br />
Faktoren hinzu: Wir hatten 2009 / 2010 die<br />
ersten brauchbaren Startpunkte identifiziert<br />
und bereits 2010 wurde eine erste prä-<br />
klinische Kooperation zwischen Exelixis und<br />
BMS auf RORgamma publiziert. In kurzer<br />
Zeit kamen noch zwei „teure“ RORgamma-<br />
Deals zwischen Lycera / Merck & Co. bzw.<br />
Karo Bio / Pfizer hinzu. Weiteren Rückenwind<br />
erhielten wir dadurch, dass letztes Jahr der<br />
IL-17-Pathway durch die Veröffentlichung<br />
von positiven Ergebnissen aus drei großen<br />
Phase IIb-Studien in Patienten mit Schuppen-<br />
flechte unter Verwendung von gegen IL-17<br />
bzw. den IL-17-Rezeptor gerichteten Antikörpern<br />
klinisch eindeutig validiert wurde.<br />
Kurzum: Dadurch, dass wir auf dem „<strong>Biotech</strong>-Markt“<br />
die letzten Anbieter eines soliden<br />
und mit mehreren Lead-Serien bestück-<br />
ten RORgamma-Programms waren, konnten<br />
wir sehr gute Konditionen für uns heraushandeln,<br />
obwohl das Projekt noch auf prä-<br />
klinischer Stufe ist.<br />
Zuschlag für Janssen<br />
Aus einer Liste von ca. einem Dutzend interessierter<br />
Pharma-Firmen haben wir uns mit<br />
Janssen einen Partner ausgesucht, der ein<br />
ganz deutliches Commitment zu diesem<br />
Projekt demonstriert hat und sicherlich in<br />
diesem therapeutischen Gebiet einer der<br />
stärksten Player ist. Wir hatten aber nicht<br />
nur einfach Glück, sondern waren auch gut<br />
vorbereitet. Als risikobereite, gut informierte<br />
Kleinfirma haben wir uns innerhalb<br />
weniger Wochen für RORgamma als Target<br />
entschieden – die Großfirmen haben dafür<br />
drei bis fünf Jahre benötigt. Zudem leistete<br />
unser internes RORgamma-Team Heraus-<br />
ragendes und brachte in kürzester Zeit mehrere<br />
medizinalchemisch attraktive Leitstruk-<br />
turserien samt Validierung und Patentierung<br />
hervor. Aufgrund der spürbar zunehmenden<br />
Konkurrenz der Großunternehmen und der<br />
wachsenden Bedenken, in kurzer Zeit unseren<br />
kompetitiven Vorteil zu verlieren, entschlossen<br />
wir uns, das Projekt meistbietend und<br />
mit dem besten Fit zu verpartnern. Janssen<br />
war im Gegensatz zu allen anderen bereit,<br />
ein echtes Pooling ihres internen Programms<br />
mit unserem Programm anzubieten. Ver-<br />
einfacht heißt das, dass wir in den Genuss<br />
der klinischen Meilensteine kommen, egal,<br />
ob der Kandidat von uns oder von Janssen<br />
stammt. Insgesamt können, alle klinischen<br />
Meilensteine eingeschlossen, bis zu 123 Millionen<br />
Euro fällig werden, inklusive einer<br />
erheblichen Upfront-Zahlung. Hinzu kommen<br />
noch Royaltys auf Produktverkäufe aus<br />
dieser Kooperation.<br />
Neuer Hoffnungsträger: FXR<br />
Dieses Geld investieren wir nun auch in die<br />
Weiterentwicklung unseres anderen Projektes,<br />
des klinischen FXR-Agonisten Px-102.<br />
Mit Px-102 haben wir die komplette Phase I<br />
absolviert. Für die anstehende Phase II hätten<br />
wir zusätzliches Eigenkapital aufnehmen<br />
müssen und unsere Investoren sind dank-<br />
bar dafür, dass wir das nun aufgrund der<br />
RORgamma-Upfront-Zahlung nicht mehr<br />
müssen. Bei FXR verfolgen wir einen ähnlichen<br />
Ansatz wie bei RORgamma: Aufgreifen<br />
eines Targets, welches schon durch viele<br />
Publikationen und mittlerweile durch ein klinisches<br />
Compound der US-<strong>Biotech</strong>-Firma<br />
Intercept als validiert gelten kann, allerdings<br />
von den risikoaversen „Big Pharmas“ bisher<br />
noch nicht aufgegriffen wurde. Im Unterschied<br />
zu RORgamma adressieren wir hier aber einen<br />
neuen Markt, den der Leberfibrose mit der<br />
primären Indikation NASH (Nicht-alkoholi-<br />
sche Steatohepatitis). Der potenzielle Markt<br />
ist aufgrund der heute schon hohen Prävalenz<br />
(ca. 5 % der Bevölkerung der Industrie-<br />
länder) sehr groß. Allein fehlte bisher ein<br />
„Eisbrecher“, der mit einem neuen therapeutischen<br />
Ansatz einen akzeptablen klinischen<br />
Entwicklungspfad aufzeigt. Das hat sich seit<br />
2012 geändert. Welches Potenzial in dem<br />
„NASH“-Markt schlummert, kann man an<br />
der Börsenbewertung unserer Konkurrenz<br />
Intercept ablesen: 500 Millionen US-Dollar<br />
basierend auf einem einzigen klinischen<br />
Projekt! Hier in Deutschland ist der Börsengang<br />
aus momentaner Sicht leider keine<br />
sinnvolle Alternative. Aber wir sind überzeugt,<br />
dass der Medical Need, der von NASH<br />
und den assoziierten Leberkomplikationen<br />
ausgeht, sehr bald auch Großpharmafirmen<br />
veranlassen wird, auf diesem Gebiet tätig zu<br />
werden. Und so heißt es dann hoffentlich in<br />
ein bis zwei Jahren für Phenex: Play it<br />
again, Sam!<br />
www.phenex-pharma.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
51
Zwei wesentliche Auffälligkeiten der dies-<br />
jährigen Aufstellung von Top-Allianzen sind<br />
besonders hervorzuheben: die Deals von<br />
Evotec im „Vierer-Pack“ (einmal mit Bayer,<br />
zweimal mit Janssen / J&J und einmal mit<br />
Zhejiang CONBA Pharmaceutical) und die<br />
herausragende Transaktion von AiCuris mit<br />
Merck & Co.<br />
Alle vier Evotec-Vereinbarungen haben<br />
unterschiedliche Zielsetzungen:<br />
• Translationsallianz mit Janssen<br />
• Multi-Target-Allianz mit Bayer<br />
• Produktentwicklungsallianz mit Janssen<br />
• Geographische Entwicklungs- und Vermarktungsallianz<br />
mit Zhejiang CONBA<br />
Pharmaceuticals<br />
Dadurch wird die Wertschöpfungskette der<br />
Therapeutikaentwicklung komplett abgedeckt.<br />
Dass dieses Phänomen auch gerade<br />
in einem einzigen Jahr zum Tragen kommt,<br />
veranschaulicht das Potenzial von <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen dieser Aufstellung umso<br />
augenscheinlicher. Die Plattform der Hamburger<br />
schafft es also, Innovationen sehr<br />
effizient und in kurzer Zeit in kommerzielle<br />
Entwicklungen umzusetzen, dabei in Deals<br />
mit Partnern entlang der Entwicklung signifikante<br />
Einnahmen zu erzielen und am Ende<br />
auch eigene Produkte auf den Markt zu<br />
bringen.<br />
Das zweite Beispiel – AiCuris – weist nicht<br />
weniger bemerkenswerte Eigenschaften<br />
auf. Zunächst sei die herausragende Up-<br />
front-Zahlung von 110 Millionen Euro ge-<br />
nannt: die in Europa zweithöchste Upfront-<br />
Summe nach dem Deal von Galapagos mit<br />
116 Millionen Euro. Das bemerkenswerteste<br />
an dieser Transaktion ist jedoch, dass die<br />
Upfront-Zahlung 25 Prozent des publizier-<br />
ten Allianzvolumens darstellt, ein Wert, mit<br />
dem AiCuris einsam an der Spitze der großvolumigen<br />
globalen Allianzen 2012 über<br />
100 Millionen Euro steht. Dieser Erfolg ist<br />
gerade aus heutiger Sicht deshalb so bedeutsam,<br />
weil er den zuvor beschriebenen<br />
Trend zu „Back-loaded Deals“ in einem fast<br />
reinen Pharma-Käufermarkt auf den Kopf<br />
stellt.<br />
Transaktionen<br />
Auch das Deal-Volumen insgesamt kann<br />
sich sehen lassen. Dieser Erfolg stellt zwei<br />
wichtige Aspekte sehr deutlich in den Vordergrund:<br />
Es ist eine sehr essenzielle und<br />
nicht immer einfache Aufgabe des <strong>Biotech</strong>-<br />
Managements, den Wert der Assets überzeugend<br />
in den Verhandlungen darzustellen.<br />
Im Fall AiCuris war es nicht von vorneherein<br />
klar, warum die Behandlung von HCMV-Infektionen<br />
aus Marktsicht so bedeutend sein<br />
sollte. Wenngleich eine sehr große Zahl von<br />
Menschen latenter Träger des Virus ist,<br />
so ist die manifestierte Krankheit selbst<br />
nicht sehr verbreitet. Allerdings ist bei<br />
einem Ausbruch die Symptomatik lebens-<br />
bedrohend. Unter diesen Prämissen war es<br />
kriegsentscheidend, die präventive Wirkung<br />
der Behandlung und die damit verbundene<br />
Kosteneinsparung im Krankheitsfall ebenso<br />
in die Waagschale zu legen wie den Nutzen<br />
für den individuellen Patienten („Patient<br />
Outcome“). Des Weiteren ist für einen solchen<br />
Abschluss aber auch Standfestigkeit<br />
erforderlich. Dies schließt letztlich die Konsequenz<br />
ein, im Notfall bei nicht erreichten<br />
Zielen bzgl. der Deal Terms den Verhandlungstisch<br />
zu verlassen. Dies ist auch bei<br />
AiCuris geschehen: Vor einem Verkauf „unter<br />
Wert“ wurde vorgezogen, zusätzliche<br />
Daten zu generieren und damit in Kauf genommen,<br />
den Transaktionsabschluss zu<br />
verschieben, im schlimmsten Fall zu gefährden.<br />
Darüber hinaus war auch ein Szenario<br />
mit einer komplettierten Phase III in Betracht<br />
gezogen worden. Hier stoßen <strong>Biotech</strong>-Unter-<br />
nehmen normalerweise an ihre Grenzen,<br />
wenn nicht – wie im Fall AiCuris mit dem<br />
Family Office Strüngmann – ein starker In-<br />
vestor den Rücken stärkt.<br />
52 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Allianzen in der Diagnostik noch nicht<br />
dem Trend entsprechend<br />
Die nach Deal-Volumina geordnete Liste von<br />
Allianzen zeigt erwartungsgemäß große<br />
Transaktionen zwischen <strong>Biotech</strong>- und Pharma-<br />
Firmen an vorderster Front.<br />
Dabei wird leicht übersehen, dass auch im<br />
Bereich der Diagnostik sowie der industriellen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie Allianzen eine wichtige<br />
Rolle spielen und tatsächlich auch stattfinden.<br />
Allerdings ist die Transparenz bzgl. der<br />
Details zu diesen Allianzen noch weniger<br />
ausgeprägt als bei den <strong>Biotech</strong>-Pharma-Deals,<br />
weswegen sie häufig dem Radar entgehen.<br />
Von den deutschen Diagnostikunternehmen<br />
hat sich aktuell vor allem Curetis aus Holzgerlingen<br />
hervorgetan. Curetis verbindet<br />
Molekularbiologie, Medizintechnik, Diagnostik<br />
und Ingenieurwesen, um automatisierte<br />
Lösungen im Bereich der Molekulardiagnos-<br />
tik anzubieten. Derzeit konzentriert sich<br />
das Unternehmen auf die schnelle Identi-<br />
fizierung von Bakterien, die schwere,<br />
akute Infektionen auslösen, und Antibio-<br />
tikaresistenzen. Mit diesem Ansatz hat das<br />
Unternehmen im letzten Jahr (2011) mit<br />
seinem Geschäftskonzept einige der renommierten<br />
Investoren überzeugen können<br />
(z. B. Forbion Capital Partners, Wellington<br />
Partners, Roche Venture Fund).<br />
Im aktuellen Berichtsjahr macht Curetis<br />
auch auf der Transaktionsseite von sich<br />
hören: Allein sechs Deals mit neuen Partnern<br />
schlagen für 2012 zu Buche.<br />
• F&E-Vereinbarung mit Cempra im Rahmen<br />
der Erarbeitung weiterer Anwendungsbereiche<br />
• Herstellungsvereinbarungen mit Horst<br />
Scholz und Heraeus Medical zur Lieferung<br />
von Bauteilen bzw. als Partner in der Herstellung<br />
der Messgeräte<br />
• Vertriebsvereinbarungen mit Mediphos<br />
(Niederlande), Advanced Technology<br />
Company (Golfregion) und BioLine<br />
(Russland)
Mit diesen Aktivitäten hat Curetis sukzes-<br />
sive die komplette Wertschöpfungskette<br />
abgedeckt und somit den Marktauftritt gut<br />
vorbereitet. <strong>Biotech</strong>-Unternehmen im<br />
Diagnostikbereich – zumindest wie in diesem<br />
Beispiel demonstriert – sind also<br />
stärker auf den Aufbau einer integrierten<br />
Wertschöpfungskette mit Stoßrichtung<br />
Markt ausgerichtet als auf Allianzen mit<br />
großen Partnern.<br />
Weitere Diagnostiktransaktionen im Be-<br />
richtsjahr wurden zwischen WILEX und der<br />
Immundiagnostik AG zur Vermarktung von<br />
ELISA-basierten Krebstests, zwischen JPT<br />
Peptide Technologies in Berlin (Spin-off der<br />
Jerini, jetzt unter dem Dach von BIONTECH)<br />
und Tecan in der Schweiz zur gemeinsamen<br />
Vermarktung der JPT-Protein-Arrays<br />
(PepStar TM ) sowie zwischen Epigenomics<br />
und Companion Dx (molekular-diagnostisches<br />
Referenzlaboratorium mit Sitz in<br />
den USA) zur Verwendung des Septin9-<br />
Biomarkers abgeschlossen.<br />
Im Bereich der Molekulardiagnostik ist die<br />
Erwartungshaltung stark auf zunehmende<br />
Kollaborationen zwischen Testentwicklern<br />
und Pharma-Unternehmen im Zusammenhang<br />
mit Companion Diagnostics gerichtet.<br />
Allerdings zeigt sich diese Ausrichtung<br />
derzeit zumindest in der Auflistung deutscher<br />
<strong>Biotech</strong>-Allianzen noch nicht in einer<br />
signifikanten Zunahme der entsprechenden<br />
Pharma-Diagnostik-Deals. Der steigende<br />
regulatorische Druck auf Pharma-Unternehmen,<br />
frühzeitig stratifizierende Biomarker<br />
in ihre Entwicklungsprogramme zu inte-<br />
grieren, wird aber in Zukunft häufiger entsprechende<br />
Allianzen zutage bringen.<br />
Transaktionen<br />
Industrielle <strong>Biotech</strong>nologie als<br />
„Zulieferer“ der Großchemie<br />
Die Recherche liefert – wenn auch ebenfalls<br />
meist ohne Zahlenangaben – dennoch einige<br />
Allianzen zwischen Unternehmen der weißen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie und des erweiterten Chemiesektors.<br />
Dieses Modell scheint fast dem<br />
<strong>Biotech</strong>-Pharma-Modell nachempfunden:<br />
<strong>Biotech</strong> als Ideenschmiede, Großchemie<br />
als Entwickler und Vermarkter. <strong>Biotech</strong><br />
befindet sich deshalb auch vielfach in der<br />
Rolle des Technologieexperten und Experimentierers<br />
in präkommerziellen Phasen.<br />
Einige Beispiele zeigen dies auch in der<br />
aktuellen Deal-Liste anhand von Allianzen<br />
zwischen <strong>Biotech</strong> und Chemie:<br />
• LANXESS und evocatal kooperieren mit<br />
dem Ziel, nachwachsende einheimische<br />
Rohstoffe für die biotechnische Herstellung<br />
von Kautschukvorprodukten nutzbar zu<br />
machen (Ersatz fossiler Rohstoffe, neue<br />
Synthesewege, neue Biokatalysatoren).<br />
• BRAIN und Evonik Industries kooperieren<br />
auf dem Gebiet der Entwicklung von neuen<br />
Mikroorganismen mit dem Ziel, solche zu<br />
identifizieren und zu entwickeln, die durch<br />
Adsorption an bestimmte Oberflächen<br />
diesen spezifische neue, physikalische<br />
Eigenschaften zuweisen können.<br />
Daneben nutzen „White <strong>Biotech</strong>“-Unternehmen<br />
in Allianzen auch große Industriepartner<br />
als Vertriebskanäle für den Endmarkt.<br />
Sartorius Stedim <strong>Biotech</strong>, ein international<br />
führender Zulieferer der Pharma-Industrie,<br />
hat z. B. mit c-LEcta ein Abkommen über den<br />
weltweiten Vertrieb der Serratia-marcescens-<br />
Nuklease für biopharmazeutische Anwendungen<br />
getroffen.<br />
Es existiert überdies eine ebenso aktive<br />
Transaktionsszene zwischen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
mit dem Ziel, neue Anwendungen<br />
durch die Nutzung ihrer kombinierten Technologien<br />
und Kompetenzen zu entwickeln.<br />
Ein Beispiel hierfür sind c-LEcta und Aquapharm<br />
(Schottland), die zusammen an der<br />
Identifizierung und Kommerzialisierung<br />
neuer mariner Biokatalysatoren arbeiten.<br />
Dabei bringt c-LEcta seine Kompetenz im Bereich<br />
des Enzym-Engineering ein, während<br />
Aquapharm seine Stammsammlung mariner<br />
Organismen und assoziiertes Know-how zur<br />
Verfügung stellt. Einzelheiten über konkrete<br />
Deal Terms, Volumina, Upfront-Zahlungen<br />
und Risikoverteilung werden allerdings ebenso<br />
wenig offengelegt wie Details zu Meilensteinzahlungen<br />
und der Partizipation am<br />
Markterfolg.<br />
Somit stehen die Unternehmen der industriellen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie meist noch stärker<br />
in der eher klassischen Technologie-Zu-<br />
liefererrolle. Entwicklungen zu voll integrierten<br />
Unternehmen mit eigenem Marktzugang<br />
wurden bereits im Einleitungskapitel<br />
„Perspektive“ erwähnt (z. B. BRAIN) und<br />
werden im Folgenden unter den M&A-Transaktionen<br />
wieder aufgegriffen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 53
evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity<br />
Dr. Thorsten Eggert,<br />
CEO evocatal GmbH, Düsseldorf<br />
evocatal – <strong>Biotech</strong>nologie aus Düsseldorf<br />
Die evocatal GmbH ist ein Unternehmen der<br />
industriellen <strong>Biotech</strong>nologie mit Schwerpunkt<br />
auf Entwicklung und Produktion maßgeschneiderter<br />
Biokatalysatoren und Feinchemikalien<br />
für den Einsatz in der chemischen<br />
und pharmazeutischen Industrie. Das Angebot<br />
umfasst Auftragsforschung und die<br />
Bereitstellung eigener Biokatalysatoren mit<br />
dem Ziel, Produktionsprozesse der Kunden<br />
nachhaltig und effektiver zu gestalten. Das<br />
Unternehmen wurde im Jahr 2006 gegründet<br />
als Spin-off des Instituts für Molekulare<br />
Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität<br />
Düsseldorf im Forschungszentrum<br />
Jülich. Seither beteiligt sich evocatal aktiv<br />
an wissenschaftlichen Netzwerken, leitet<br />
internationale Forschungskooperationen<br />
und arbeitet so stets auf dem neuesten<br />
Stand.<br />
Gut finanziert, auch über eigenen<br />
Cashflow<br />
Die Geschäftsentwicklung wurde durch ein<br />
Netzwerk von Seed-Investoren wie dem<br />
High-Tech Gründerfonds und dem Sirius<br />
Seedfonds Düsseldorf in Verbindung mit<br />
Business Angels finanziert. Aufgrund des<br />
Businessmodels der evocatal wurde seit<br />
Gründung Umsatz durch Kooperationsprojekte<br />
und in den letzten Jahren zunehmend<br />
durch Produktverkäufe generiert. Seit 2011<br />
liegt der Umsatz im siebenstelligen Bereich<br />
mit hohen jährlichen Wachstumsraten. Ein<br />
Teil der Technologie- und Produktentwicklungen<br />
wird daher seit Gründung durch den<br />
eigenen Cashflow finanziert.<br />
Enzymtechnologie als Kernkompetenz<br />
evocatal ist spezialisiert auf die Enzymtechnologie,<br />
dort aber technologisch breit aufgestellt.<br />
Von der Auffindung neuer Enzyme<br />
im Metagenom über die maßgeschneiderte<br />
Optimierung durch molekularbiologische<br />
Techniken bis hin zur Produktion im Großmaßstab<br />
ist das Know-how firmenintern<br />
vorhanden. Im Anschluss an diese „Bio“-<br />
Entwicklung setzt bei evocatal die „Prozess“-<br />
Entwicklung an, mit dem Ziel, den enzymatischen<br />
Prozess im industriellen Maßstab<br />
beim Kunden zu etablieren oder mit dem<br />
eigenen Custom Manufacturer Spezial- und<br />
Feinchemikalien bis in den Tonnenmaßstab<br />
selbst zu produzieren und zu vertreiben.<br />
Die richtigen Kooperationen<br />
als Schlüssel zum Erfolg<br />
Den Aufbau des breiten Technologieport-<br />
folios und v. a. die Möglichkeit zur Produktion<br />
von Enzymen sowie Spezial- und Feinchemikalien<br />
im industriellen (Tonnen-)Maßstab<br />
konnte evocatal mit seinen aktuell 23 Mitarbeitern<br />
nur durch Kooperationen realisieren.<br />
Die richtigen Kooperationspartner sind an<br />
dieser Stelle von entscheidender Bedeutung.<br />
Mit der schweizerischen Rohner AG wurde<br />
2012 eine strategische Partnerschaft zum<br />
Scale-up der Enzymprozesse begonnen.<br />
„<strong>Biotech</strong> made in Germany meets Swiss precision<br />
in Scale-up“ heißt das gelebte Motto<br />
der Zusammenarbeit. Ohne selbst über Reaktoren<br />
im Kubikmeterbereich zu verfügen<br />
ist im Zusammenwirken mit dem Partner die<br />
fließende Skalierung der Prozesse bis in den<br />
industriell relevanten Maßstab möglich.<br />
Mit Innovationsallianzen auf<br />
neuen <strong>Biotech</strong>-Wegen<br />
Schon seit Jahren ist die Pharma- und mehr<br />
und mehr auch die chemische Industrie mit<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie verbunden. Zahlreiche<br />
Produkte werden dort heute schon durch<br />
biotechnologische Prozesse veredelt oder<br />
komplett produziert. Um auch die Chancen<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie in weniger „bio“-affinen<br />
Industrien zu forcieren, gehen wir als eines<br />
der ersten deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
den Weg einer „ungewöhnlichen“ Allianz. Im<br />
Rahmen der „Innovationsinitiative industrielle<br />
<strong>Biotech</strong>nologie“ ist evocatal mit seinem<br />
Konzept „Funktionalisierung von Polymeren“<br />
54 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
(FuPol) einer von drei erfolgreichen Projektkoordinatoren,<br />
welche durch das BMBF<br />
in den nächsten Jahren gefördert werden.<br />
Im Fokus der Allianz steht die Nutzung von<br />
Proteinen in zumeist kaum mit der <strong>Biotech</strong>nologie<br />
in Berührung gekommenen Industriebranchen,<br />
um hier die Biologisierung<br />
voranzutreiben. Neue biotechnologische<br />
Verfahrenswege sollen funktionalisierte,<br />
natürliche Polymere wie Lignin und Cellulose<br />
für den Einsatz als Betonzusatzmittel in der<br />
Bauchemie nutzbar machen. Zum anderen<br />
werden enzymatische Funktionalisierungen<br />
an synthetischen Polymeren den Herstellungsprozess<br />
bzw. die Veredelung von Textilien<br />
ermöglichen sowie eine Verbesserung<br />
der Faserpflege während des Waschgangs<br />
gewährleisten. Bei einer erfolgreichen Umsetzung<br />
dieser innovativen Entwicklungen<br />
können die genannten Prozesse nicht nur<br />
kostengünstiger, sondern durch die Einsparung<br />
von Energie und CO 2 sowie den Einsatz<br />
nachwachsender Rohstoffe umweltfreundlicher<br />
gestaltet werden.<br />
Die Zukunft gehört der<br />
Bio-based Economy<br />
Um den Übergang von einer erdöl- zur biobasierten<br />
Ökonomie Realität werden zu lassen,<br />
ist auch – und wahrscheinlich sogar vor<br />
allem – in der Chemie-Industrie noch sehr<br />
viel zu bewegen. Erdölunabhängige Rohstoff-<br />
quellen für die chemische Industrie zugänglich<br />
zu machen und dabei wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben, ist eine der großen Herausforderungen<br />
der Zukunft. Ohne <strong>Biotech</strong>nologie in<br />
Gänze oder in Teilprozessen ist diese Auf-<br />
gabe nicht zu bewältigen. Die evocatal wird<br />
sich daher in Zukunft neben den Spezial-<br />
und Feinchemikalien für den Pharma-Markt<br />
vermehrt auch um Lösungswege in der<br />
Chemie kümmern. Und auch hier ist die Kooperation<br />
der Schlüssel zum gemeinsamen<br />
Erfolg. Mit dem Spezialchemiekonzern<br />
Lanxess wurde beispielsweise ein solcher<br />
Partner gefunden, um die Herstellung von<br />
Kautschukvorprodukten auf Basis nachwachsender<br />
einheimischer Rohstoffe zu realisieren.<br />
www.evocatal.com
Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Technologieplattformen auch<br />
Frontrunner in Europa<br />
Noch beeindruckender ist die Liste der Top-<br />
Allianzen in Europa mit Blick auf die Transaktionspreise,<br />
die für den nicht-exklusiven<br />
Zugang zu hoch bewerteten Technologie-<br />
plattformen gezahlt werden. Alle sechs der<br />
gelisteten europäischen Top-Deals vertreten<br />
klassische Technologieplattformen vom Typ<br />
Tech@MPO oder Tech@Process.<br />
An der Spitze stehen erwartungsgemäß die<br />
„Multiple Product Opportunities“, welche<br />
Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />
Firma<br />
Land<br />
Partner<br />
Land<br />
Datum<br />
Deal-Fokus<br />
Therapeutischer<br />
Status<br />
Krankheitsgebiet<br />
Potenzieller<br />
Wert (Mio. €)<br />
Upfront-Zahlungen<br />
(Mio. €)<br />
Meilensteine<br />
(Mio. €)<br />
Royaltys<br />
Gegenstand<br />
Molecular<br />
Partners<br />
Schweiz<br />
Allergan<br />
USA<br />
21. August<br />
Produkt<br />
Präklinik<br />
Altersbedingte<br />
Makuladegeneration<br />
und verwandte<br />
Augen-<br />
erkrankungen<br />
1.137,5<br />
48,6<br />
1.088,8<br />
zweistellig<br />
Entwicklung und<br />
Vermarktung von<br />
Molecular Partners’<br />
zweifach-<br />
anti-VEGF-A/<br />
PDGF-B DARPin ®<br />
(MP0260), Erforschung<br />
und<br />
Entwicklung neuartiger,<br />
gegen<br />
Augenerkrankungengerichteter<br />
DARPins<br />
Galapagos<br />
Belgien<br />
Abbott<br />
Laboratories<br />
USA<br />
29. Februar<br />
Produkt<br />
Phase II<br />
Autoimmunerkrankungen<br />
(Rheumatoide<br />
Arthritis)<br />
1.050,0<br />
116,7<br />
933,3<br />
zweistellig<br />
Entwicklung und<br />
Vermarktung<br />
von Galapagos’<br />
Next-Generation-<br />
JAK1-Inhibitor<br />
GLPG0634<br />
Genmab<br />
Dänemark<br />
Janssen <strong>Biotech</strong><br />
(Tochtergesellschaft<br />
von J&J)<br />
USA<br />
30. August<br />
Produkt<br />
Phase II<br />
Onkologie<br />
882,7<br />
105,0<br />
777,7<br />
zweistellig<br />
Weltweite Lizenzvereinbarung<br />
über die Entwicklung<br />
und<br />
Vermarktung<br />
von Genmabs<br />
humanem<br />
monoklonalen<br />
CD38-Antikörper<br />
Daratumumab<br />
(HuMax ® -CD38)<br />
Evotec<br />
Deutschland<br />
Bayer<br />
Deutschland<br />
1. Oktober<br />
Produkt<br />
Forschung<br />
Endometriose<br />
592,0<br />
12,0<br />
580,0<br />
zweistellig<br />
Multi-Target-<br />
Allianz: Erforschung<br />
und Entwicklung<br />
von<br />
drei klinischen<br />
Wirkstoffkandidaten<br />
gegen<br />
Endometriose<br />
(Laufzeit fünf<br />
Jahre)<br />
neue Wirkstoffklassen hervorbringen, diese<br />
„am Fließband“ produzieren und in verschie-<br />
denen Therapiegebieten anwenden können.<br />
Demzufolge sind die Chancen für Deals<br />
mit Pharma breit gefächert und werden von<br />
den <strong>Biotech</strong>-Firmen effektiv genutzt.<br />
Symphogen<br />
Dänemark<br />
Merck KGaA<br />
Deutschland<br />
6. September<br />
Produkt<br />
Phase II<br />
Onkologie<br />
495,0<br />
20,0<br />
475,0<br />
Ablynx<br />
Belgien<br />
Merck & Co.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 55<br />
ja<br />
Weltweite Lizenz-<br />
vereinbarung<br />
über die Entwicklung<br />
und<br />
Vermarktung von<br />
Symphogens<br />
Wirkstoffkandidat<br />
Sym004, einer<br />
rekombinanten<br />
Antikörper-<br />
Mischung<br />
USA<br />
2. Oktober<br />
Technologie/<br />
Produkt<br />
n/a<br />
n/a<br />
456,5<br />
8,5<br />
448,0<br />
ja<br />
Lizenzverein-<br />
barung zur Entwicklung<br />
und<br />
Vermarktung<br />
von auf Ablynx’<br />
Nanobody-TechnologiebasierendenWirkstoffkandidaten<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Zu den erfolgreichsten Tech@MPO – gemessen<br />
auch an den etablierten Allianzen – zählen:<br />
• Molecular Partners in Zürich mit der<br />
DARPin ® -Plattform; DARPins sind neue<br />
Proteinstrukturen, die die Bindespezifität<br />
von Antikörpern mit den Eigenschaften<br />
niedermolekularer Wirkstoffe (Stabilität,<br />
Herstellungskosten, Wirkstärke) verbinden.<br />
Neben dem gelisteten Deal mit Allergan im<br />
Bereich Augenerkrankungen waren bereits<br />
früher Allianzen mit Centocor Research &<br />
Development, Roche und Schering (jetzt<br />
Bayer Healthcare Pharmaceuticals) sowie<br />
eine Herstellungskooperation mit Boehringer<br />
Ingelheim abgeschlossen worden.<br />
• Genmab aus Kopenhagen kann gemäß der<br />
„Partner-Pipeline“ als erfolgreichstes<br />
Plattformunternehmen angesehen werden,<br />
mit einer fast klassischen Antikörperplattform<br />
und inzwischen einer weiteren Platt-<br />
Transaktionen<br />
Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners<br />
Entwicklung<br />
und<br />
Kommerzialisierung<br />
Allergan<br />
Entwicklung<br />
und<br />
Kommerzialisierung<br />
Lizenzvereinbarung<br />
Duales anti-VEGF-A/PDGF-B DARPin ®<br />
MP0260 und seine „Backups“ gegen feuchte<br />
altersbedingte Makuladegeneration<br />
Option zur Mitfinanzierung der Entwicklung<br />
Vorauszahlung 62,5 Mio. US$<br />
Meilensteinzahlungen 1,4 Mrd. US$<br />
Zweistellige Royaltys<br />
Forschungsallianz<br />
DARPins gegen ausgewählte Targets<br />
im opthalmologischen Bereich<br />
Drei Optionen auf Lizenzvertrag<br />
form für bispezifische Antikörper. Allein<br />
die Liste der Deal-Partner klingt nach dem<br />
„Who is Who“ der Pharma-Welt (Amgen,<br />
GSK, Janssen, Emergent Biosolutions /<br />
Produktentwicklung; Novartis, Janssen,<br />
Kyowa Hakko Kirin / bispezifische Anti-<br />
körper; Roche, Lundbeck / R&D-Kooperationen<br />
zu neuen Targets).<br />
• Jünger – aber hinsichtlich der Antikörperplattform<br />
ebenso erfolgreich – ist Symphogen<br />
aus Kopenhagen, das alleine 2011<br />
mit seiner 100-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde<br />
herausragte. Alleinstellungsmerkmal<br />
hier sind Mischungen mit hochspezifischen<br />
Antikörpern. Neben dem<br />
aktuell für 2012 gelisteten Deal mit Merck<br />
KGaA bestanden bereits zuvor weitere<br />
Allianzen mit Genentech und Meiji Holdings<br />
in Japan.<br />
56 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Aufstockung der Royaltys<br />
Optionsausübungsgebühr<br />
DARPin ® -<br />
Plattform<br />
Molecular<br />
Partners<br />
DARPin ® -<br />
Plattform<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Ablynx aus Belgien ist mit einer weiteren<br />
Antikörperderivat-Plattform (Nanobodies ® )<br />
im Transaktionsfeld erfolgreich. Die Hauptpartner<br />
sind Boehringer Ingelheim (Alzheimer),<br />
Merck Serono (Onkologie, Immunologie,<br />
Inflammation), Novartis und<br />
Merck & Co. (Ionenkanäle).<br />
In gleich gutem Maße schlagen sich die<br />
Tech@Process-Plattformen, wie sie am<br />
besten durch Evotec (s. o.) oder Galapagos<br />
repräsentiert werden.<br />
Galapagos aus Belgien verfolgt ein ähnliches<br />
Modell wie Evotec: ein Serviceportfolio, das<br />
weite Teile der frühen R&D-Prozesskette<br />
umfasst und den Partnern ein Drug-Discovery-Paket<br />
zur Verfügung stellt. Darin enthalten<br />
sind die proprietären Plattformen<br />
BioFocus ® , Argenta Discovery TM und Fidelta ® ,
die die Bereiche Biologie (Target Discovery<br />
und Screening), Substanzbibliotheken /<br />
Medizinalchemie sowie ADME / PK-Services<br />
abdecken. Die 2012 neu abgeschlossene<br />
Allianz mit Abbott / AbbVie ergänzt die bereits<br />
lange Liste der Partner:<br />
• Servier (2011, Onkologie)<br />
• Servier (2010, Arthrose)<br />
• Roche (2010, Fibrose)<br />
• Eli Lilly (2007, Osteoporose)<br />
• Janssen (2007, Rheumatoide Arthritis)<br />
• GSK (2006, Lupus Erythematodes)<br />
Die Galapagos-Allianzstrategie verbindet<br />
neue Targets und Wirkstoffe aus den eigenen<br />
Labors mit der klinischen Expertise seiner<br />
Pharma-Partner. Galapagos führt diese Pro-<br />
gramme bis zu definierten Übergangspunkten<br />
(Entwicklungskandidat, Phase I, Phase<br />
II), von wo aus der Partner die weitere Entwicklung<br />
in die Hand nimmt. Aktuell arbeiten<br />
die Belgier parallel an über 30 Programmen<br />
in den sieben o. a. Allianzen und haben seit<br />
2006 bereits über 250 Millionen US-Dollar<br />
aus diesen Partnerschaften eingenommen.<br />
Folgerichtig können sie sich inzwischen auch<br />
ein eigenes Entwicklungsportfolio in den<br />
Indikationsgebieten Rheumatoide Arthritis<br />
und Krebsmetastasierung leisten.<br />
Die Größenordnung der beschriebenen Top-<br />
Allianzen mit Meilensteinzahlungen von fast<br />
einer halben (Ablynx) bis deutlich über einer<br />
Transaktionen<br />
Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern,<br />
Europa und USA<br />
Summe (Mio. €)<br />
4.000<br />
3.500<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
0<br />
2007 2008 2009<br />
Upfront Cash Upfront Equity<br />
Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen*<br />
*Durchschnittswert wurde auf Basis der Allianzen<br />
mit expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen berechnet<br />
Milliarde Euro (Molecular Partners) in Verbindung<br />
mit den durchweg noch sehr frühen<br />
Entwicklungsphasen der Leitprodukte demonstriert<br />
eindrucksvoll die Wertstellung<br />
der Plattform an sich.<br />
In den im Ranking nachfolgenden Allian-<br />
zen, die auf Tech@Disease aufbauen, setzt<br />
sich diese Beobachtung fort:<br />
• AiCuris / Merck & Co. – HCMV-Infektionen<br />
• ThromboGenics / Alcon – Augenerkrankungen<br />
• AC Immune / Genentech – Alzheimer<br />
Europäische Allianzen mit Spitzen-<br />
plätzen in der globalen Statistik<br />
Mit den beschriebenen Allianzen stehen euro-<br />
päische Transaktionen auch in der globalen<br />
Statistik ganz oben. Die beiden Allianzen<br />
von Molecular Partners / Allergan und Galapagos<br />
/ Abbott nehmen weltweit die Spitzenplätze<br />
ein, noch vor dem ersten amerikanischen<br />
Deal (Five Prime Therapeutics / GSK).<br />
Insgesamt weist die globale Deal-Statistik<br />
in der Liste der Top-15-Allianzen sieben<br />
europäische und acht US-Vertreter auf.<br />
Auch auf amerikanischer Seite überwiegen<br />
Technologieplattformen, allerdings mehr in<br />
Richtung von Tech@Process-Plattformen<br />
gehend (z. B. Endocyte / Drug Targeting;<br />
Selecta Biosciences / Immunplattform SVP TM ;<br />
Anteil Upfront-Zahlungen am potenziellen Deal-Wert<br />
2010 2011 2012<br />
20 %<br />
18 %<br />
16 %<br />
14 %<br />
12 %<br />
10 %<br />
8 %<br />
6 %<br />
4 %<br />
2 %<br />
0 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
FORMA Therapeutics / Cancer Targets) vor<br />
den reinen Produktplattformen (z. B. ISIS<br />
Pharmaceuticals / Antisense-Technologie).<br />
Ein Blick auf die Top-15-Deals der europäischen<br />
Allianzen zeigt, dass diese für 2012<br />
eine Summe von insgesamt 7,1 Milliarden<br />
Euro aufweisen (2011 nur 4,4 Milliarden<br />
Euro). Dies bedeutet auch, dass die Top-15-<br />
Deals bereits den Löwenanteil (82 %) des<br />
publizierten Deal-Volumens ausmachen.<br />
Upfront- und Meilensteinzahlungen für<br />
Plattform-Deals nehmen stark zu<br />
Interessante Einblicke liefert die Analyse<br />
der Upfront-Zahlungen, insbesondere die<br />
Betrachtung ihrer Anteile am Gesamtvolumen.<br />
Diese Kennzahl zeigt am besten die<br />
Verhandlungsposition des <strong>Biotech</strong>-Partners<br />
und gleichzeitig das real geflossene Kapital<br />
zu dessen weiterer Finanzierung an.<br />
Wiederum für die Top-15-Deals ergibt sich<br />
im Jahresvergleich 2011 zu 2012 ein Anstieg<br />
der akkumulierten Upfront-Zahlungen<br />
von 111 Millionen Euro auf 692 Millionen<br />
Euro (+691 %). Auch der Anteil am Gesamtvolumen<br />
der jeweiligen Deals ist deutlich<br />
gestiegen, von fünf auf acht Prozent<br />
( +63 % ). In beiden Jahren waren in dieser<br />
Aufstellung Plattform-Deals etwa gleichermaßen<br />
vertreten.<br />
Die Analyse der Upfront-Zahlungen über<br />
alle Allianzen mit publizierten Detailzahlen<br />
(USA und Europa zusammengenommen)<br />
zeigt einen deutlichen Anstieg im Anteil der<br />
Upfront-Komponente am Gesamtvolumen<br />
der Deals, von 12 Prozent auf über 18 Prozent<br />
im Jahr 2012.<br />
Die Diskrepanz der Prozentangaben zu den<br />
Angaben bei den Top-15-Deals ist dadurch<br />
zu erklären, dass in der Masse der kleineren<br />
Deals der relative Anteil der Upfront-Komponente<br />
in der Regel höher ist, da die Top-<br />
Transaktionen ihre hohen Volumina meist<br />
insbesondere durch weitreichende Meilensteinvereinbarungen<br />
erreichen. Insgesamt<br />
ergibt sich damit aber ein Bild, das eher optimistisch<br />
hinsichtlich der Anerkennung der<br />
Leistung von <strong>Biotech</strong>-Unternehmen stimmt,<br />
insbesondere im Zusammenhang mit dem<br />
Innovationspotenzial ihrer Technologieplattformen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 57
Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen<br />
Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies<br />
im Vergleich<br />
Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen*<br />
4 %<br />
Plattformtypen mit unterschiedlichen<br />
Upfront-Verhandlungen<br />
10 %<br />
Tech@Process Tech@MPO<br />
Tech@Disease<br />
*Durchschnittswert wurde auf Basis von Allianzen mit einem potenziellen<br />
Wert über 20 Mio. € und expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen<br />
im Zeitraum 2005 bis 2012 berechnet<br />
Die weitergehende Analyse von Upfront-<br />
Zahlungen in Deals mit einem Wert über<br />
20 Millionen Euro stellt einen klaren Zusammenhang<br />
zwischen unterschiedlichen Plattformtypen<br />
(Tech@MPO, Tech@Process,<br />
Tech@Disease) und der Höhe der Upfront-<br />
Zahlung im Verhältnis zum Gesamt-Deal her.<br />
21 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Während die Tech@Process-Plattformen<br />
europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen (z. B.<br />
Evotec, Galapagos) im Zeitraum 2005 bis<br />
2012 durchschnittlich vier Prozent am Deal-<br />
Volumen als Upfront realisieren, liegen die<br />
Tech@MPO-Plattformen (z. B. Genmab,<br />
Ablynx, Symphogen) bereits im zweistelligen<br />
Bereich und kommen im Mittel auf zehn<br />
Prozent. Noch besser stellen sich schließlich<br />
die Tech@Disease-Plattformen (z. B. AiCuris,<br />
58 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
ThromboGenics, AC Immune) mit ca. 21<br />
Prozent Upfront.<br />
Diese Zahlen bestätigen einerseits die im<br />
Einleitungskapitel „Perspektive“ durchgeführte<br />
Differenzierung in unterschiedliche<br />
Technologieplattformtypen. Andererseits<br />
zeigen die hier dargestellten Unterschiede<br />
bei den Upfront-Zahlungen auch explizite<br />
Charakteristika der Plattformen auf:<br />
• Tech@Process-Plattformen sind näher an<br />
einem Servicemodell, mit geringerem Risiko<br />
und kürzerer Taktung der Meilensteine mit<br />
häufigeren Zahlungen. Sie sind daher nicht<br />
so stark von hohen Upfronts abhängig.<br />
• Tech@MPO-Plattformen gehen mit konkreten<br />
Wirkstoffen direkt in die Entwicklung<br />
und damit ein größeres Risiko ein,<br />
verbunden mit längeren Zeitschienen und<br />
Abständen der Erfolgszahlungen. Sie benötigen<br />
die höheren Upfront-Zahlungen<br />
schlichtweg zum Überleben und können<br />
diese auch als Gegenleistung für ihr größeres<br />
Risiko-Commitment einfordern.<br />
• Tech@Disease-Plattformen schließlich<br />
stehen noch weiter im Risiko – mit Einzelprodukten,<br />
die unterschiedlicher Natur sein<br />
können und somit nicht wie z. B. Antikörper<br />
bestimmte Grundrisiken bereits durch die<br />
einheitliche Struktur eingrenzen können.
Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt<br />
Käuferanalyse globaler<br />
Pharma-Allianzen<br />
Anzahl Transaktionen Europa<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
Anzahl Transaktionen USA<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Anzahl Transaktionen Deutschland<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
2009 2010<br />
2011 2012<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Mid-sized Pharma<br />
Big Pharma<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Allianzpartner aus Mid-sized Pharma<br />
werden interessanter<br />
Wenn Allianzen zwischen <strong>Biotech</strong> und Pharma<br />
als wichtiges Lebenselixier für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
zunehmend an Bedeutung gewinnen,<br />
wird es nicht ausreichen, in diese<br />
Betrachtung nur Big Pharma (die 40 größten<br />
Pharmaunternehmen der Welt, nach Umsatz)<br />
einzubeziehen. Da die Zahl der großen<br />
Pharma-Unternehmen limitiert und auch<br />
deren Kapazität für Kooperationen mit <strong>Biotech</strong><br />
begrenzt ist, ist es für <strong>Biotech</strong>-Firmen<br />
ratsam, den Kreis der möglichen Partner<br />
für pharmazeutische Zielsetzungen zu erweitern.<br />
Der Pharma-Mittelstand bietet<br />
gerade in Deutschland mit etwa 900 Unternehmen<br />
ein riesiges Potenzial zum Abschluss<br />
interessanter Allianzen. Denn bei diesen<br />
Unternehmen sind der Bedarf an externer<br />
Innovation und die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit<br />
mit Partnern noch stärker<br />
ausgeprägt als bei den Big Playern der<br />
Branche.<br />
In der Vergangenheit gab es bereits mehrere<br />
Anläufe, <strong>Biotech</strong> und Mid-sized Pharma<br />
enger zusammen zu bringen, allerdings mit<br />
eher bescheidenem Erfolg.<br />
Neuere Analysen mit einer stärkeren Differenzierung<br />
der <strong>Biotech</strong>-Pharma-Allianzen<br />
hinsichtlich des Pharma-Partners selbst<br />
zeigen allerdings, dass sich ein – wenn auch<br />
noch schwach ausgeprägter – Trend zu<br />
mehr Partnerschaften mit mittelständischen<br />
Pharma-Unternehmen entwickelt. Diese<br />
Beobachtung trifft vor allem in Europa und<br />
Deutschland zu, wenngleich mit der Ein-<br />
schränkung, dass die Gesamtzahl der Transaktionen<br />
in Deutschland möglicherweise<br />
zu gering ist, um klare Trendaussagen treffen<br />
zu können.<br />
Deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen konnten<br />
dabei in diesem Jahr neben nationalen Ver-<br />
trägen (Lipid Therapeutics / Dr. Falk Pharma,<br />
Ovamed / Dr. Falk Pharma, Biofrontera /<br />
Desitin Pharmaceuticals) auch internationale<br />
Allianzen mit Pharma-Partnern geringerer<br />
Größe schmieden (z. B. Ono Pharmaceutical,<br />
Japan; BIAL, Portugal; Nordic Group, Frankreich;<br />
Zhejiang CONBA Pharmaceutical,<br />
Yichang Humanwell, China).<br />
Für Europa hat sich der Anteil der Mid-sized<br />
Pharma-Unternehmen als <strong>Biotech</strong>-Partner<br />
von ca. 40 Prozent in den Jahren 2009 bis<br />
2011 auf inzwischen 55 Prozent erhöht,<br />
während Big-Pharma-Allianzen relativ gesehen<br />
entsprechend von ca. 60 Prozent auf<br />
45 Prozent abnahmen.<br />
Demgegenüber ist diese Entwicklung in den<br />
USA nicht zu beobachten. Die Gründe dafür<br />
liegen in einer unterschiedlichen Industriestruktur.<br />
In Europa und gerade auch in<br />
Deutschland ist die Wirtschaft explizit und<br />
historisch bedingt stark durch den Mittelstand<br />
geprägt, was auch für den Pharma-<br />
Bereich zutrifft. Insofern sollten diese Be-<br />
obachtungen als Motivation dienen, den<br />
Blick bei der Suche nach Pharma-Partnerschaften<br />
offener auch in Richtung mittelständischer<br />
Unternehmen zu richten.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 59
M&A-Transaktionen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
M&As deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller<br />
Wert (Mio. €)<br />
Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8<br />
Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2<br />
AbD Serotec<br />
(MorphoSys)<br />
DermaTools <strong>Biotech</strong><br />
(9 % Anteil)<br />
CeGaT<br />
(20 % Anteil)<br />
UK (Deutschland)<br />
M&A in Deutschland nach wie vor kein<br />
großes Thema<br />
Wie die obenstehende Tabelle zeigt, stand<br />
auch im Jahr 2012 das Thema Unternehmensverkauf<br />
nicht auf der Agenda der<br />
deutschen <strong>Biotech</strong>-Branche. Insgesamt nur<br />
acht Transaktionen unterschiedlichster<br />
Art und Motivation machen statistische<br />
Auswertungen und Trendableitungen unmöglich.<br />
Einzig interessant aus deutscher Sicht sind<br />
die beiden erstgenannten Verkäufe, bei<br />
denen ein in Deutschland entwickeltes Asset<br />
(Corimmun) bzw. eine Technologieplattform<br />
(Cellzome) Käufer fanden.<br />
Im Fall von Corimmun war Janssen (die<br />
Pharma-Sparte von J&J) in der Tat nur an<br />
dem Lead-Projekt COR-1 interessiert. Im<br />
Zuge der Übernahme und in Absprache mit<br />
den Investoren (allen voran die MIG Fonds<br />
mit 26 % Beteiligung) wurde deshalb eine<br />
Firmenausgründung beschlossen, die das<br />
verbleibende Portfolio von Corimmun selbstständig<br />
weiterentwickeln soll. Das neue<br />
Unternehmen firmiert unter dem Namen<br />
advanceCOR in München (vgl. Artikel von<br />
Prof. Götz Münch auf S. 62).<br />
Bio-Rad<br />
Laboratories<br />
Mit einem so schnellen Verkauf war nicht unbedingt<br />
gerechnet worden, weil Corimmun<br />
sich mit seinem Wirkstoff COR-1, einem<br />
zyklischen Peptid, noch in der klinischen<br />
Phase II befand. Das heißt, aus der Proof-of-<br />
Concept-Studie liegen noch keine Ergebnisse<br />
zur Wirksamkeit des Wirkstoffs beim<br />
Menschen vor. In präklinischen Tests hat die<br />
Substanz gezeigt, dass sie die Herzfunktion<br />
verbessern kann. Das geschieht, indem<br />
COR-1 die anti-ß1-Rezeptor-Autoantikörper<br />
bindet und neutralisiert und so ihre schädigenden<br />
Effekte verhindert. Immerhin erzielte<br />
somit ein singuläres Asset ohne klinischen<br />
Proof of Concept einen stolzen<br />
Preis. Dieser beinhaltet allerdings eine erfolgsabhängige<br />
Meilensteinzahlung, sodass<br />
den Investoren zunächst nur die Hälfte des<br />
Verkaufspreises zurückgegeben wird.<br />
Die Übernahme von Cellzome in Heidelberg<br />
durch GSK ist einerseits überraschend, weil<br />
entgegen der aktuellen Trends eine Technologieplattform<br />
komplett übernommen wurde.<br />
In diesem Fall geht dem Kauf allerdings eine<br />
langjährige Kollaborationshistorie voraus,<br />
nach der sich GSK fragen musste, ob man<br />
die geplante weitere Nutzung der Technologien<br />
nicht per Übernahme auf Dauer billiger<br />
haben konnte. Cellzome wird in Heidelberg<br />
als R&D-Standort von GSK weitergeführt,<br />
wie Gitte Neubauer im nachfolgenden Artikel<br />
beschreibt.<br />
60 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
USA <strong>Biotech</strong> 16. Dezember 53,0 53,0<br />
Deutschland CytoTools Deutschland Holding 23. März 2,0 2,0<br />
Deutschland B. Braun<br />
Melsungen<br />
Deutschland Medtech 31. Januar n/a n/a<br />
Scil Technology Deutschland Nanohale Deutschland Medtech 9. Januar n/a n/a<br />
Sovicell Deutschland Hinnerk Boriss MBO 11. Oktober n/a n/a<br />
X-Pol <strong>Biotech</strong> Spanien SYGNIS Pharma Deutschland <strong>Biotech</strong> 18. Juli n/a n/a<br />
Upfront-Zah-<br />
lungen (Mio. €)<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Weitere Übernahmen betrafen:<br />
• Minderheitsbeteiligungen aus strategischen<br />
Erwägungen (z. B. CytoTools<br />
an DermaTools <strong>Biotech</strong> oder B. Braun<br />
Melsungen an CeGaT)<br />
• Geschäftsfokussierung (z. B. die Abgabe<br />
der Forschungs- und Diagnostik-Antikörper<br />
von MorphoSys an BioRad)<br />
• Restrukturierung nach fehlgeschlagener<br />
Entwicklung (Merger SYGNIS / X-Pol<br />
<strong>Biotech</strong>)<br />
• Management-Buy-Out (Sovicell)<br />
• Geschäftsstärkung durch Zusammenführen<br />
komplementärer Kompetenzen (Übernahme<br />
von Scil Technology durch Nanohale)<br />
Die wenigen Aktivitäten im Bereich M&A in<br />
Deutschland sind möglicherweise auch eine<br />
Konsequenz aus der über die letzten Jahre<br />
erfolgten Verschiebung der Geschäftsstrategien<br />
in Richtung Servicemodell oder Technologieplattformen;<br />
beide Strategien stehen<br />
nicht im Zentrum von Akquisitionsaktivitäten.
Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline<br />
Dr. Gitte Neubauer,<br />
Geschäftsführerin Cellzome GmbH,<br />
eine GSK-Tochter, Heidelberg<br />
Cellzome heute<br />
Cellzome ist ein <strong>Biotech</strong>nologieunternehmen,<br />
das im Jahr 2000 als Ausgründung<br />
des Europäischen Molekularbiologie Labors<br />
(EMBL) in Heidelberg startete und im Mai<br />
2012 von GlaxoSmithKline (GSK) übernommen<br />
wurde. Cellzome ist führend auf<br />
dem Gebiet der Chemoproteomik, einer<br />
Technologie, mit der die molekularen Wirkmechanismen<br />
von Arzneistoffen sehr genau<br />
bestimmt werden können. Diese Technologie<br />
wird in der Wirkstoffforschung eingesetzt,<br />
um präzisere Wirkstoffe zu finden und das<br />
Risiko für Nebenwirkungen zu verringern.<br />
Seit der Gründung hat Cellzome seine Pionierarbeiten<br />
in der Proteomik immer wieder<br />
durch Publikationen in renommierten Wissenschaftsjournalen<br />
belegt und konnte dadurch<br />
führende Pharma-Firmen für große<br />
Kooperationen gewinnen. Heute beschäftigt<br />
Cellzome ca. 60 Mitarbeiter aus zehn Nationen,<br />
die in verschiedenen wissenschaft-<br />
lichen Disziplinen ausgebildet sind, wie z. B.<br />
in Biologie, Chemie, Physik oder Informatik.<br />
Von anfänglichen Kooperationen<br />
zur Einbindung in GSK<br />
Cellzome und GSK haben ihren gemeinsamen<br />
Weg bereits 2008 mit einer großen<br />
strategischen Kooperation zur Identifizierung<br />
anti-inflammatorischer Kinase-Wirkstoffe<br />
begonnen. 2010 folgte eine zweite<br />
Kooperation im Bereich Immuno-Inflammation,<br />
diesmal mit dem Fokus auf epigenetische<br />
Targets. Diese Partnerschaften erlaubten<br />
GSK eine mehrjährige Validierung<br />
von Cellzomes Technologie in der eigenen<br />
Forschung. Die vertragliche Beschränkung<br />
der Zusammenarbeit auf den Bereich Immuno-Inflammation<br />
führte schließlich zu<br />
weitergehenden Verhandlungen, die am<br />
Ende zur Übernahme führten und damit die<br />
uneingeschränkte Nutzung von Cellzomes<br />
Technologie für alle therapeutischen Bereiche<br />
bei GSK ermöglicht.<br />
Post Merger Integration<br />
Die erste und einschneidenste Veränderung<br />
der Cellzome-Integration war sicherlich die<br />
Trennung von der Medizinalchemie in Cambridge<br />
(England) mit dem Spin-out einiger<br />
präklinischer Programme. Für die Heidel-<br />
berger Niederlassung mit der Proteomik-<br />
Plattform begann mit der Übernahme die<br />
Integrationsphase, die eine wissenschaftlich-strategische<br />
Neuausrichtung genauso<br />
beinhaltete wie die operative / organisatorische<br />
Integration. Da Cellzome als Technologieplattform<br />
extrem gut mit den therapeutischen<br />
Einheiten der GSK-F&E verzahnt<br />
werden muss, hat sich Cellzome für eine<br />
relativ weitreichende operative Integration<br />
entschieden. Das hat zur Folge, dass eine<br />
Umstellung des Finanzsystems und der dazugehörigen<br />
Prozesse ebenso Teil der zeitintensiven<br />
Integration sind wie die Einbindung<br />
des EDV-Systems. Mit der Integration<br />
in ein Pharma-Unternehmen eröffnet sich<br />
eine neue Welt, die durch ihre Größe und<br />
Historie eigene Werte, Dynamiken und in<br />
Bereichen auch eine eigene Sprache ent-<br />
wickelt hat.<br />
Zusammenarbeit und Eigenständigkeit<br />
Trotz einer starken Einbindung von Cellzome<br />
in den GSK-Forschungsbetrieb und in die<br />
GSK-Verwaltungsprozesse wird eine gewisse<br />
Eigenständigkeit erhalten bleiben. Dies wird<br />
deutlich durch die Beibehaltung des mit<br />
hohem wissenschaftlichen Ansehen ver-<br />
bundenen Namens, was auch die zugrundeliegende<br />
Unternehmenskultur reflektiert.<br />
Insgesamt wird die wissenschaftliche Agenda,<br />
samt interner und externer Kooperationen,<br />
von Cellzome selbst bestimmt. Natürlich<br />
muss wie überall ein entsprechendes Budget<br />
dazu verhandelt werden, und selbstver-<br />
ständlich wird der Erfolg von Cellzome am<br />
Wert für die GSK-Pipeline gemessen.<br />
Die neue Welt: Ein Leben nach dem<br />
Merger mit Vorteilen und Nachteilen<br />
Durch den Merger haben sich für Cellzome<br />
und seine Mitarbeiter viele positive Aspekte<br />
ergeben. Dazu gehören die finanzielle Stabilität<br />
der Firma und GSK-Benefits für die<br />
Mitarbeiter, was neben rein monetären Vorteilen<br />
z. B. auch den leichteren Zugang zu<br />
Fortbildungsmaßnahmen beinhaltet. Ein<br />
weiterer positiver Aspekt ist das erklärte Ziel<br />
von GSK, das operative Modell zu vereinfachen.<br />
Dies zeigt sich an einigen Prozessen,<br />
die tatsächlich einfacher und sparsamer sind<br />
als zuvor. Generell wird mit Ressourcen bei<br />
GSK sehr bewusst umgegangen – teilweise<br />
schlanker, als das bei <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
oder im akademischen Bereich der Fall bzw.<br />
möglich ist. Der Preis dafür ist ein partieller<br />
Verlust an Flexibilität, vor allem in Verwaltungsprozessen.<br />
Mit einer eigenen Administration<br />
lässt es sich flexibler arbeiten als<br />
mit einer zentralen Abteilung an einem anderen<br />
Standort, die wesentlich schwerer auf<br />
die Bedürfnisse einer einzelnen GSK-Tochter<br />
eingehen kann. Allerdings stehen die im Bereich<br />
Administration eingesparten Stellen<br />
wiederum der Forschung zur Verfügung,<br />
was insgesamt den größeren Nutzen bringt.<br />
Weiterentwicklung der Technologie<br />
Der Zugang zu komplementären Technologien,<br />
Werkzeugen und Reagenzien, die<br />
Cellzome als unabhängige Firma nicht zur<br />
Verfügung standen, ermöglicht eine wesentlich<br />
effizientere Fortentwicklung der Technologie.<br />
Auf der anderen Seite birgt die Zugehörigkeit<br />
zu einer so großen Organisation<br />
aber auch Risiken des Produktivitätsverlustes:<br />
ein gesteigerter interner Fokus und<br />
Kommunikationsaufwand bindet Mitarbeiter<br />
und macht es schwerer, den Blick auch nach<br />
außen zu halten. Erzielt man hier die richtige<br />
Balance, ist es allerdings eine fantastische<br />
Möglichkeit für eine Technologiefirma, entscheidend<br />
zur Entwicklung neuer Medikamente<br />
beizutragen.<br />
www.gsk.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
61
Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie<br />
gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter<br />
Prof. Dr. Götz Münch,<br />
CEO advanceCOR GmbH, Martinsried<br />
Übernahme von Corimmun durch Janssen<br />
Im Juni 2012 erwarb Janssen-Cilag für eine<br />
erhebliche Upfront-Summe und mögliche<br />
klinische Meilenstein-Zahlungen unser damaliges<br />
Lead-Produkt COR-1. COR-1 befand<br />
sich bereits in einer Phase-II-Studie zur<br />
gezielten Unterbrechung der Entzündung<br />
bei Herzinsuffizienz via Hemmung von<br />
autoantikörpervermittelter Herzmuskel-<br />
schädigung. Johnson & Johnson wird das<br />
zyklische Peptid nun weiter entwickeln und<br />
kommerzialisieren. Das erfolgreiche Gründerteam<br />
der Corimmun gründete daraufhin<br />
mit den verbleibenden Assets Revacept,<br />
COR-2 und COR-3 die neue <strong>Biotech</strong>-Firma<br />
advanceCOR GmbH.<br />
Neue Ausgründung mit den restlichen<br />
Assets: Die advanceCOR<br />
Neben der Pipeline übernimmt advanceCOR<br />
auch die Mitarbeiter und Räumlichkeiten so-<br />
wie die Gesellschafterstruktur von Corimmun.<br />
Das gesamte Team, die Gründer und die<br />
Investoren haben direkt im Anschluss an<br />
den Verkauf die Arbeiten in der advanceCOR<br />
weitergeführt. Dadurch kam es zu keinem<br />
nennenswerten Zeitverlust bei der Weiterentwicklung<br />
der klinischen und präklinischen<br />
Entwicklungsprojekte. Durch die gelungene<br />
Neugründung konnten sowohl die Interessen<br />
der Investoren, des Teams und des Managements<br />
auf sehr schöne Weise in Einklang<br />
gebracht werden.<br />
Auch die Investoren sind von<br />
advanceCOR überzeugt und stellen<br />
die Finanzierung sicher<br />
Die Series A-Finanzierung wurde durch die<br />
MIG AG als Leadinvestor zusammen mit der<br />
KfW und Bayernkapital finanziert. Zusätzlich<br />
daran beteiligt waren BioM, der HTGF und<br />
die Gründer selbst. Die Ende 2012 erfolgreich<br />
abgeschlossene Finanzierungsrunde<br />
in Höhe von 6,45 Millionen Euro ermöglicht<br />
nun die Durchführung der Phase-II-Studien<br />
für das Leadprodukt Revacept. Daneben hat<br />
advanceCOR signifikante Umsätze durch<br />
studienbegleitende Arbeiten der COR-1-Entwicklung<br />
für Johnson & Johnson.<br />
Revacept<br />
Revacept ist ein Plättchenhemmstoff und<br />
damit Medikament zur Behandlung akuter<br />
arterieller Thrombosen und Thrombo-Embolien<br />
wie z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall. In<br />
Phase-I-Studien zeigte sich bei Menschen<br />
spezifische Wirksamkeit bei sehr guter Verträglichkeit.<br />
Revacept bindet spezifisch an<br />
Verletzungen in Blutgefäßen und verhindert<br />
somit eine lokale Thrombose bei Patienten<br />
mit akutem Herzinfarkt und Schlaganfall.<br />
Revacept hat dabei keinen Einfluss auf die<br />
generelle Blutstillung und erhöht daher<br />
nicht die Blutungsneigung. Eine „proof of<br />
concept“ Phase-II-Studie in Patienten mit<br />
symptomatischer Karotisstenose wurde Ende<br />
2012 begonnen. Es soll gezeigt werden,<br />
dass arterielle Thrombosen und Infarkte im<br />
Gehirn durch Revacept verringert werden,<br />
ohne dass die Blutungskomplikationen im<br />
Vergleich zur Standardtherapie zunehmen.<br />
Durch diesen „lesion-directed“-Ansatz stünde<br />
zur Behandlung jener lebensbedrohlichen<br />
Krankheitsbilder erstmals ein hochwirksames<br />
Medikament zur spezifischen Hemmung von<br />
Blutplättchen zur Verfügung, das nicht mit<br />
dem hohen Blutungsrisiko einhergeht,<br />
welches bisher alle herkömmlichen Medikamente<br />
aufweisen. Zusammen mit Revacept<br />
wird ein Companion Diagnostic entwickelt,<br />
das eine personalisierte Therapie dieser<br />
Patienten erlaubt, die ein erhebliches Risiko<br />
für einen erneuten Schlaganfall haben.<br />
Durch diesen personalisierten Ansatz und<br />
die große therapeutische Breite des Medika-<br />
mentes versprechen wir uns eine echte<br />
Therapieoption für Patienten mit TIA oder<br />
Schlaganfall, was allein in den USA mehr als<br />
eine Million Menschen jährlich trifft. Schlaganfall<br />
ist die häufigste Ursache für dauerhafte<br />
Behinderung und die dritthäufigste<br />
62 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit<br />
werden aber lediglich weniger als fünf<br />
Prozent aller Patienten mittels Thrombolyse<br />
behandelt. Es gibt nur eine einzig zugelassene<br />
Therapie. Somit stellt Schlaganfall eine<br />
Indikation mit ganz erheblichem „unmet<br />
medical need“ dar. Der weltweite Markt für<br />
Therapeutika in der Indikation Atherosklerose<br />
beträgt derzeit ca. 17 Milliarden Euro pro<br />
Jahr. Plavix ® / Clopidogrel (ein Plättchenhemmstoff)<br />
war mit einem weltweiten Umsatz<br />
von 10,8 Milliarden US-Dollar im Jahr<br />
2011 das zweiterfolgreichste Medikament<br />
überhaupt und hat 2012 seinen Patentschutz<br />
verloren. Nach Berechnungen aufbauend<br />
auf aktuellen Marktzahlen können<br />
für Revacept 0,8 bis 1,2 Milliarden Euro<br />
jährlich erzielt werden.<br />
Aus der Präklinik kommt Nachschub:<br />
COR-2 und COR-3<br />
Weitere Ansätze der advanceCOR zur Behandlung<br />
von Herz-Kreislauferkrankungen<br />
befinden sich bereits in der Präklinik. Zum<br />
einen wird der Proteinwirkstoff COR-2 entwickelt,<br />
der die Aufnahme von schädlichen<br />
Lipidkomplexen (oxidiertes LDL) in Gefäßläsionen<br />
(„Plaques“) verhindert. Dadurch<br />
werden lokale Entzündungen verringert und<br />
die Gefahr einer Plaqueruptur signifikant<br />
vermindert. Auf der anderen Seite versucht<br />
advanceCOR prophylaktisch Komplikationen<br />
in der Blutbahn zu verringern. COR-3 bindet<br />
bispezifisch zirkulierende Progenitorzellen<br />
an atherosklerotischen Plaques und erhöht<br />
somit die Konzentration dieser Stammzellen<br />
in Gefäßläsionen („Homing“), was wiede-rum<br />
die Abheilung von instabilen Plaques<br />
begünstigt. Beide Produkte sollen nach dem<br />
„proof of concept in man“, der Phase II, an<br />
große <strong>Biotech</strong>- oder Pharma-Firmen aus-<br />
lizenziert werden.<br />
www.advancecor.com
M&A-Transaktionen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
M&As europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller<br />
Wert (Mio. €)<br />
Mercury Pharma<br />
Group<br />
Internationale M&A-Statistik mit wenig<br />
Bewegung<br />
Im Gegensatz zu einer durchaus lebhaften<br />
Dynamik im Bereich der Allianzen (s. o.) ist<br />
die Zahl der M&A-Transaktionen in Europa<br />
eher konstant geblieben (2009: 80 Deals,<br />
2010: 96 Deals, 2011: 85 Deals, 2012:<br />
93 Deals). In den USA ist die Anzahl der<br />
M&A-Deals über die letzten Jahre leicht<br />
rückläufig (2009: 147 Deals, 2010 und<br />
2011: 125 Deals, 2012: 116 Deals).<br />
Europäische M&As werden von Specialty<br />
Pharma dominiert<br />
Die Auflistung der prominentesten M&A-<br />
Transaktionen in Europa macht die völlig<br />
unterschiedlichen Rationalen von Allianzen<br />
und Akquisitionen überdeutlich. Während<br />
die Allianzen – wie zuvor beschrieben – klar<br />
der Zielsetzung folgen, den Zugang zu technologischen<br />
Innovationen und Plattformen<br />
zu sichern, sind die Akquisitionen ebenso<br />
eindeutig auf den Zukauf von Produkten,<br />
Marktzugang und Marktanteil gerichtet.<br />
UK Cinven UK Private<br />
Equity<br />
EUSA Pharma UK Jazz<br />
Pharmaceuticals<br />
Proximagen Group UK Upsher-Smith<br />
Laboratories<br />
Dies wird weiterhin auch dadurch unter-<br />
mauert, dass bei den großen Transaktionen<br />
vor allem Specialty-Pharma-Unternehmen<br />
involviert sind, deren Hauptzielsetzung der<br />
Ausbau ihrer Marktanteile mit entsprechend<br />
breiten Portfolios ist.<br />
Dieser Rationale folgen allein fünf der<br />
Top-10-M&A-Deals:<br />
• Mercury Pharma wird durch das Private-<br />
Equity-Haus Cinven mit dem Ziel übernommen,<br />
durch Zusammenführen mit<br />
einem weiteren Specialty-Pharma-Unternehmen<br />
(Amdipharm) größere Durchschlagskraft<br />
am Markt zu erhalten.<br />
• Mit der Übernahme der britischen EUSA<br />
Pharma durch Jazz Pharmaceuticals aus<br />
Irland tun sich zwei weitere Specialty-<br />
Pharma-Häuser zusammen.<br />
• Shire, einer der führenden europäischen<br />
Specialty-Pharma-Vertreter, kauft gleich<br />
zwei Unternehmen mit Produktportfolios,<br />
die in die Marktstrategie passen: FerroKin<br />
BioSciences erweitert den Bereich der<br />
Hämatologie, Pervasis Therapeutics baut<br />
die neue Ausrichtung bei Shire im Feld der<br />
Zelltherapie aus.<br />
17. August 573,2 573,2<br />
Irland <strong>Biotech</strong> 26. April 567,8 528,9<br />
USA Pharma 13. Juni 439,8 274,9<br />
deCODE genetics Island Amgen USA <strong>Biotech</strong> 10. Dezember 322,8 322,8<br />
FerroKin<br />
BioSciences<br />
USA Shire UK <strong>Biotech</strong> 15. März 248,5 73,5<br />
Anabasis Italien Dompé Italien Pharma 28. Februar 177,2 177,2<br />
Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8<br />
Pervasis<br />
Therapeutics<br />
Beta Renewables<br />
(9,95 % Anteil)<br />
USA Shire UK <strong>Biotech</strong> 12. April 155,5 n/a<br />
Italien Novozymes Dänemark <strong>Biotech</strong> 29. Oktober 90,0 90,0<br />
Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2<br />
Upfront-Zah-<br />
lungen (Mio. €)<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Auch bei den meisten übrigen Akquisitionen<br />
spielen Produkte die entscheidende Rolle.<br />
Das US-Pharma-Unternehmen Upsher-Smith<br />
Laboratories übernimmt das britische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Proximagen Group mit<br />
dessen Expertise und Produkt-Pipeline in<br />
den Therapiegebieten ZNS, Krebs und Entzündung.<br />
Noch klarer wird der Produktfokus<br />
herausgestellt bei der Akquisition von Corimmun<br />
aus München durch Janssen / J&J.<br />
Die Übernahme ist einzig getriggert durch<br />
das Lead-Produkt COR-1 von Corimmun<br />
(s. o.), während die restliche Pipeline zu<br />
früh in der Entwicklung steht und deshalb in<br />
eine Neugründung ausgegliedert wird.<br />
Lediglich zwei der verbleibenden M&A-Deals<br />
folgen nicht diesem Muster: Der bereits<br />
weiter oben beschriebene Kauf von Cellzome<br />
durch GSK sowie die Übernahme der isländi-schen<br />
deCODE genetics durch Amgen haben<br />
eher technische Beweggründe – letztere<br />
die Expertise in der Entschlüsselung von<br />
krankheitsassoziierten Genen und Targets.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 63
Firepower von Big Pharma nimmt ab<br />
Käuferanalyse globaler<br />
Pharma-M&As<br />
Anzahl Transaktionen Europa<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
Anzahl Transaktionen USA<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
2009 2010 2011 2012<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Mid-sized Pharma<br />
Big Pharma<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Mid-sized Pharma geht auch bei<br />
M&A-Deals voran<br />
Trotz klarer Unterschiede bei Zielsetzung<br />
und beteiligten Partnern zwischen Allianzen<br />
und M&A-Deals bestimmt ein Trend beide<br />
Pharma-Schauplätze: Auch bei Übernahmen<br />
hat zumindest in Europa die Bedeutung<br />
von Mid-sized Pharma als Käufer stetig über<br />
die letzten Jahre zugenommen. Hatte Big<br />
Pharma bei den Übernahmen in Europa<br />
2009 mit 62 Prozent noch deutlich die Nase<br />
vorn, so dreht sich dieses Verhältnis im Verlauf<br />
und Mid-sized Pharma gewinnt 2012<br />
mit 70 Prozent der Übernahmen die Oberhand.<br />
So waren im Berichtsjahr aus Europa<br />
Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer<br />
Gesamtumsatz (Mrd. US)<br />
64 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
beispielsweise Grupo Ferrer (Spanien),<br />
Dompé (Italien), AGUETTANT (Frankreich)<br />
und Grifols (Spanien) als Käufer aktiv.<br />
Eine entsprechende Entwicklung ist in den<br />
USA ausgeblieben. Dort hat sich das Übergewicht<br />
von Big Pharma als Käufer eher<br />
noch leicht verstärkt und erreicht 70 Prozent<br />
Anteil an den Übernahmen durch<br />
Pharma-Firmen. Gründe hierfür sind vermutlich<br />
ebenfalls in der unterschiedlichen<br />
Zusammensetzung der Pharma-Industrie<br />
auf beiden Seiten des Atlantiks zu suchen,<br />
da vor allem in Europa die mittelständische<br />
Industrie stärker ausgeprägt ist.<br />
Umsatz, den Big Pharma<br />
benötigt, um mit globalem<br />
Arzneimittelmarkt Schritt<br />
zu halten<br />
Analysten-Prognose<br />
für Big-Pharma-Umsatz<br />
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 E <strong>2013</strong> E 2014 E 2015 E<br />
Globaler Arzneimittelmarkt Growth Gap Big-Pharma-Umsatz<br />
Growth Gap:<br />
100 Mrd. US<br />
im Jahr 2015<br />
Quelle: Ernst & Young, IMS Health, <strong>2013</strong>
Ein weiterer Aspekt wurde kürzlich in einer<br />
Ernst & Young-Studie mit dem Titel „Closing<br />
the gap?“ herausgestellt: Big Pharma befindet<br />
sich demnach zunehmend nicht nur in<br />
dem vielzitierten „Innovation Gap“, über die<br />
letzten Jahre wurde zunehmend auch ein<br />
deutliches „Growth Gap“ immer evidenter,<br />
da Big Pharma nicht mehr mit dem Marktwachstum<br />
der Gesamtindustrie mithalten<br />
kann. Die logische Konsequenz, um beide<br />
Lücken zu überwinden, wäre eine Zunahme<br />
der M&A-Aktivitäten, die aber nicht erkennbar<br />
ist. Als Grund kristallisiert sich heraus,<br />
dass Big Pharma für die konsequente Verfolgung<br />
einer Akquisitionsstrategie zunehmend<br />
die „Firepower“ ausgeht. Dieser Kaufkraft-Index<br />
ist hier definiert als die Kombination<br />
aus verfügbarem Cash und dem möglichen<br />
Rahmen für die Schuldenaufnahme<br />
unter Berücksichtigung der Marktkapitalisierung.<br />
Damit nicht genug: Parallel legen die prominenten<br />
Vertreter aus Big <strong>Biotech</strong> und Specialty<br />
Pharma in puncto Firepower sogar zu.<br />
Somit untermauert auch dieser Zusammenhang<br />
die beobachtete schwächere Position<br />
von Big Pharma bei Akquisitionen, welche<br />
neuen Playern die Tore öffnet zum immer<br />
noch Käuferdominierten <strong>Biotech</strong>-Markt.<br />
Aus Sicht der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, ins-<br />
besondere der kleineren, erweitert diese<br />
Entwicklung das Spektrum möglicher Partner<br />
in positivem Sinne. Es wird im Detail<br />
zu beobachten sein, wie in den nächsten<br />
Jahren bei Deals einerseits das Feld der<br />
möglichen Käufer sich ausweitet und andererseits<br />
eine breitere Käuferschicht auch die<br />
Preise bzw. die Verhandlungsposition von<br />
<strong>Biotech</strong> positiv beeinflusst.<br />
Transaktionen<br />
Firepower: Abnahme bei Big Pharma,<br />
Zunahme bei Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong><br />
Big Pharma Firepower (Mrd. US) Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong> Firepower (Mrd. US)<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
–2 %<br />
+6 %<br />
–5 % –24 % –26 % –30 % –24 % –23 %<br />
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />
Geringere Firepower führt zur Verdrängung<br />
von Big Pharma aus M&As<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 65<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Big Pharma Specialty Pharma inklusive Generika Big <strong>Biotech</strong><br />
Die Kurven zeigen die Änderung der Firepower relativ zu 2006.<br />
Wert der M&A-Transaktionen (Mrd. US)<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
+8 %<br />
–31 %<br />
+13 %<br />
+15 %<br />
+21 %<br />
+9 %<br />
Big Pharma Big <strong>Biotech</strong><br />
Specialty Pharma ohne Generika Generika<br />
+31 %<br />
0 %<br />
+61 %<br />
+20 %<br />
2007 2008 2009<br />
2010 2011 2012*<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
* Januar bis November Quelle: Ernst & Young, IMS Research, <strong>2013</strong>
Finanzierung<br />
66 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Zahlen und Fakten im Überblick<br />
Kapitalaufnahme deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Summe (Mio. €)<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
552<br />
107<br />
95<br />
350<br />
2006<br />
454<br />
138<br />
316<br />
2007<br />
257<br />
208<br />
2008<br />
153<br />
444<br />
160<br />
284<br />
2010<br />
Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />
Börsengang Risikokapital<br />
49<br />
54<br />
99<br />
2009<br />
131<br />
44<br />
87<br />
2011<br />
Kapitalaufnahme europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Summe (Mio. €)<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
5.041<br />
222<br />
2.498<br />
682<br />
1.639<br />
2006<br />
5.682<br />
232<br />
3.355<br />
745<br />
1.350<br />
2007<br />
1.783<br />
74<br />
593<br />
75<br />
1.041<br />
2008<br />
2.735<br />
1.359<br />
299<br />
1.336<br />
165<br />
1.060<br />
2.124<br />
288<br />
811<br />
68<br />
957<br />
287<br />
80<br />
207<br />
2012<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
1.331<br />
910<br />
31<br />
Fremdkapital Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />
Börsengang Risikokapital<br />
474<br />
103<br />
799<br />
2.860<br />
3.241<br />
969<br />
2009 2010 2011 2012<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• 2,4-fache Steigerung des Risikokapitals<br />
von 87 Mio. € auf 207 Mio. €<br />
(enthält 80 Mio. € aus der CureVac-<br />
und 60 Mio. € aus der BRAIN-Finanzierung)<br />
• Verdopplung der Sekundärfinan-<br />
zierungen börsennotierter Unternehmen<br />
von 44 Mio. € auf 80 Mio. €<br />
• Private wie börsennotierte Unternehmen<br />
liegen trotz des verdoppel-<br />
ten Kapitalzuflusses um ca. 35 %<br />
hinter den Durchschnittswerten aus<br />
2006/07<br />
• Seit 2006 im sechsten Jahr in<br />
Folge keine Börsengänge<br />
• Kapitalzufluss in Summe für 2012<br />
(3,2 Mrd. €) liegt um erfreuliche<br />
36 % über dem Mittel der vier Vorjahre<br />
– jedoch nach wie vor um<br />
signifikante 38 % unter dem Durchschnittswert<br />
aus 2006/07<br />
• Keine nennenswerten Bewegungen<br />
bei der Eigenkapitalfinanzierung<br />
(Risikokapital und Sekundärfinanzierungen<br />
bei Börsengelisteten)<br />
• Starkes Wachstum nur bei Fremdkapitalfinanzierungen<br />
(+362 %)<br />
• Drei IPOs spielen in Europa lediglich<br />
31 Mio. € ein, dazu kommen ein<br />
Reverse IPO sowie ein Listing<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 67
Finanzierung<br />
Kapitalaufnahme US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Summe (Mio. US$)<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
20.560<br />
289<br />
15.173<br />
1.133<br />
3.965<br />
2006<br />
21.721<br />
5.930<br />
8.640<br />
1.191<br />
5.960<br />
2007<br />
13.291<br />
4.642<br />
4.228<br />
6<br />
4.415<br />
2008<br />
17.527<br />
3.417<br />
8.744<br />
4.669<br />
68 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
697<br />
2009<br />
21.215<br />
9.779<br />
5.933<br />
1.097<br />
4.406<br />
2010<br />
Fremdkapital<br />
Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen<br />
Börsengang Risikokapital<br />
29.693<br />
16.415<br />
8.198<br />
814<br />
4.266<br />
2011<br />
23.250<br />
9.504<br />
8.855<br />
765<br />
4.126<br />
2012<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Rückgang im VC-Segment:<br />
Mit 4,1 Mrd. US lag das Risiko-<br />
kapital um 3 % unter Vorjahreswert<br />
und 7 % unter dem Durchschnitt<br />
der letzten vier Jahre<br />
• Leichte Zunahme der Follow-on-<br />
Finanzierungen der börsengeliste-<br />
ten Unternehmen auf 8,9 Mrd. US<br />
(+8 % vs. 2011)<br />
• Fremdfinanzierungen klar rückläu-<br />
fig – Einnahmen von 9,5 Mrd. US<br />
liegen um 42 % unter dem Vorjahreshoch<br />
• 11 IPOs haben frisches Kapital in<br />
Höhe von 765 Mio. US eingefah-<br />
ren – plus zwei Listings und vier<br />
Reverse IPOs
Finanzierung privater <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Zur Erläuterung der nachfolgenden Statistiken<br />
sei an dieser Stelle darauf hingewiesen,<br />
dass diese aus öffentlich zugänglichen<br />
Quellen stammen und deshalb nur Investments<br />
abdecken, die von den Investoren<br />
oder Unternehmen publiziert wurden.<br />
Fluktuation statt Aufwärtstrend<br />
Die auf den ersten Blick erfreuliche, erneute<br />
Aufwärtsbewegung in der allgemeinen Finan-<br />
zierungsstatistik der deutschen <strong>Biotech</strong>nologiebranche<br />
wird allein durch die Einbeziehung<br />
der Investorenklassen in die Analyse<br />
zumindest für die privaten Unternehmen<br />
wieder ins Gegenteil verkehrt.<br />
Die separate Betrachtung der Risikokapitalbeteiligung<br />
der Family Offices zeigt eindeutig,<br />
dass die Zunahme an Risikokapital im Vergleich<br />
zum Vorjahr allein auf ihr Konto geht.<br />
Wie in den Jahren 2008 und 2010 haben<br />
auch 2012 die Finanzierungsaktivitäten<br />
weniger Privatinvestoren die Statistik nach<br />
oben verschoben. Der Anteil der Family<br />
Offices an der gesamten Eigenkapitalfinanzierung<br />
betrug 88 Prozent, ein bisher nie<br />
erreichter Wert. Der Blick auf die verbleibenden<br />
Finanzierungsrunden durch klassisches<br />
VC und andere Eigenkapitalgeber<br />
ernüchtert noch mehr. In den letzten fünf<br />
Jahren nahm ihr Beitrag kontinuierlich ab<br />
und schlug 2012 nur noch mit einer Gesamt-<br />
summe von 25 Millionen Euro zu Buche.<br />
Über die letzten Jahre stieg der Anteil an<br />
alternativen Investoren kontinuierlich.<br />
Somit kann eine gewisse Dunkelziffer aufgrund<br />
der nicht durchgehend transparent<br />
gemachten Kapitalzuflüsse vermutet werden.<br />
Dennoch scheint klar, dass hinsichtlich<br />
einer Trendaussage eher die fortgesetzte<br />
Abwärtsbewegung der klassischen Finanzierungsinstrumente<br />
sowie die anhaltende<br />
Fluktuation des Geldes von Privatinvestoren<br />
relevant sind.<br />
Das nun schon im fast regelmäßigen<br />
Muster eines Zweijahresrhythmus ausgeprägte<br />
Verhalten der Family Offices verdeutlicht<br />
erneut die geringe Zahl der Inves-<br />
toren, die insgesamt über die Jahre keinen<br />
„Steady State“-Verlauf aufweisen können.<br />
Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland<br />
Summe (Mio. €)<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
164<br />
186<br />
2006<br />
50<br />
265<br />
2007<br />
113<br />
Risikokapital mit Familiy-Office-Beteiligung Sonstiges Risikokapital<br />
Neue Namen an der Family-Office-Front<br />
Der zitierte Ausschlag der Statistik nach<br />
oben basiert vor allem auf den beiden Top-<br />
Finanzierungsrunden: zum einen dem Investment<br />
der dievini Hopp BioTech holding<br />
in CureVac (80 Mio. €), zum anderen der<br />
Beteiligung der Familie Putsch zusammen<br />
mit den MIG Fonds an BRAIN (60 Mio. €).<br />
Diese beiden Finanzierungen über insgesamt<br />
140 Millionen Euro stellen bereits den<br />
Löwenanteil von fast 77 Prozent des gesamten<br />
Family Office Peaks.<br />
Das Investment des Family Office Hopp<br />
in CureVac folgt der Logik des bisherigen<br />
Engagements für die RNA-Vakzinierungstechnologie<br />
des Tübinger Unternehmens.<br />
Im Zuge der dort aktuell anstehenden<br />
Phase-IIb-Studien stand der Investor vor<br />
einer dualen Entscheidungssituation<br />
(„Alles oder nichts“) und musste seinem<br />
Vertrauen in die erfolgreiche bisherige Entwicklung<br />
auch Taten folgen lassen. Durch<br />
die signifikante Kapitalspritze in Form der<br />
nunmehr vierten Finanzierungsrunde erhält<br />
CureVac Bewegungsspielraum für die Planung<br />
und Durchführung der klinischen Versuche<br />
in Phase II.<br />
95<br />
2008<br />
35<br />
2011<br />
25<br />
2012<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Aufgrund des unbestritten hohen Risikos<br />
der erstmals klinisch erprobten RNActive ® -<br />
Impfstofftechnologie ist zu bezweifeln, ob<br />
klassische VC-Konsortien sich auf dieses<br />
Investment eingelassen hätten. Insofern ist<br />
es eine wichtige Leistung der Family-Office-<br />
Investoren, dass sie gerade in der heutigen<br />
Zeit derartige Risiken akzeptieren und somit<br />
eine wichtige Stütze für wirklich signifikante<br />
Innovationen sind. Dieses Engagement kann<br />
deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden.<br />
Dass sie dabei immer auch näher am<br />
Scheitern stehen, ist unvermeidbar; leider<br />
auch mit all den negativen Auswirkungen<br />
für das Ansehen der gesamten Branche.<br />
Erfreulicherweise ist festzustellen, dass die<br />
Family-Office-Szene mittlerweile durch neue<br />
Namen ergänzt wird. Offenbar steigt die Bereitschaft,<br />
privates Vermögen eher als Direktinvestment<br />
anzulegen, als es in Fonds zu<br />
investieren (vgl. Artikel Peter Brock, Family<br />
Office Services auf S. 95). Insbesondere<br />
nach den Äußerungen der bisher heraus-<br />
stechenden Family Offices Strüngmann und<br />
Hopp, wonach diese sich nach Jahren massi-<br />
ver Kapitalspritzen in den deutschen <strong>Biotech</strong>-<br />
Sektor nun stärker auf die Portfolio-Entwicklung<br />
konzentrieren wollten, ist dies eine<br />
willkommene Entwicklung.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 69<br />
20<br />
79<br />
2009<br />
218<br />
66<br />
2010<br />
51<br />
182
Finanzierung<br />
Risikokapitalfinanzierungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Unternehmen Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren<br />
CureVac 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding<br />
BRAIN 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH,<br />
ungenannte Investoren<br />
AiCuris 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP <strong>Biotech</strong> Holding, Santo Holding,<br />
privater Investor<br />
Affimed Therapeutics 15,5 Oktober 5 Aeris Capital, BioMedPartners, LSP Life Sciences<br />
Partners, Novo Nordisk, OrbiMed Advisors<br />
Phenex Pharmaceuticals 5,0 Oktober 4 CD-Venture, CREATHOR VENTURE, EVP Capital, KfW,<br />
LBBW, Swiss Life, private Investoren<br />
Proteros biostructures 5,0 August 2 BayBG, institutionelle Investoren<br />
Algiax Pharmaceuticals 4,3 Mai 1 HTGF, KfW, private Investoren<br />
CEVEC Pharmaceuticals 2,8 Oktober 4 Peppermint VenturePartners, CREATHOR VENTURE,<br />
Midas Group, NRW.BANK<br />
AyoxxA Biosystems 2,6 * September 1 Wellington Partners, HTGF, NRW.BANK, Rainer Christine,<br />
Gregor Siebenkotten<br />
Rodos BioTarget 2,0 November 1 HTGF, Invest-Impuls, KfW, private Investoren<br />
conoGenetix biosciences 1,5 April 1 M<strong>EY</strong> Capital Matrix, Bio M<br />
t-cell Europe 1,5 Mai Seed Constantin Bastian Leander Venture Capital, HTGF, ILB<br />
Cysal 1,0 November Seed eCAPITAL entrepreneurial Partners, HTGF<br />
JeNaCell 0,7 Oktober Seed HTGF, STIFT<br />
AMP Therapeutics n/a Januar 1 Boehringer Ingelheim Venture Fund, Novartis Venture Fund<br />
AptaIT n/a März 1 BioNTech, Prefound<br />
AudioCure Pharma n/a Mai Seed Jürgen Schumacher, HTGF<br />
Axiogenesis n/a Juni n/a V+ Management<br />
cube-biotech n/a Dezember 1 CREATHOR VENTURE Management,<br />
ungenannte Business Angels<br />
Enzymicals n/a Juni n/a BRAIN, Braun Beteiligungs GmbH<br />
Epivios n/a Juli Seed HTGF, Life Science Inkubator, TTHU, privater Investor<br />
Eternygen n/a September Seed IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, private Investoren<br />
GeneQuine<br />
Biotherapeutics<br />
n/a November Seed HTGF, Innovationsstarter Hamburg<br />
GNA Biosolutions n/a Dezember 1 M<strong>EY</strong> Capital Matrix<br />
MYR n/a März 2 Maxwell <strong>Biotech</strong> Venture Fund<br />
OakLabs n/a Februar Seed HTGF<br />
oncgnostics n/a März Seed HTGF, STIFT<br />
Revotar<br />
Biopharmaceuticals<br />
n/a Februar 6 bmp Beteiligungsmanagement,<br />
bestehende und ungenannte Investoren<br />
Transimmune n/a Juni 1 QureInvest<br />
* 2. Tranche im Januar <strong>2013</strong> bringt die Finanzierung auf 3,0 Mio. €<br />
70 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Das Family Office Martin Putsch war zwar<br />
noch nicht breiter als <strong>Biotech</strong>-Investor in<br />
Erscheinung getreten, wenngleich eine<br />
Beteiligung an BRAIN bereits seit einigen<br />
Jahren besteht. Der Name Putsch ist eng<br />
verbunden mit der Marke RECARO, die mit<br />
Auto-, Flugzeug- und Kindersitzen erfolgreich<br />
wurde. Nach dem Verkauf der Autositzsparte<br />
(wesentliche Teile der Unter-<br />
nehmen Keiper und RECARO) an den amerikanischen<br />
Konzern Johnson Controls ist<br />
die Familie auch als Beteiligungsunternehmen<br />
aktiv. Interessant ist weiterhin, dass<br />
das aktuelle Investment in BRAIN mit der<br />
klaren Zielsetzung einhergeht, das bisher<br />
als Entwickler und vornehmlich in Partnerschaften<br />
operierende Unternehmen stärker<br />
direkt in die Industrialisierung seiner Technologielösungen<br />
einzubinden. Das zur Verfügung<br />
gestellte Kapital soll demzufolge für<br />
die Akquisitionen von Unternehmen aus dem<br />
weiteren Chemieumfeld eingesetzt werden,<br />
die durch ihre Marktpräsenz sowie ihre<br />
Entwicklungskompetenz komplette Wertschöpfungsketten<br />
für BRAIN etablieren<br />
können. Insofern ist auch hier das Betreten<br />
von Neuland verbunden mit ungewissem<br />
Erfolg und damit Risiken für die Kapitalan-<br />
lage. Zusammen mit Putsch ist als weiterer<br />
Investor die MIG mit 20 Millionen Euro an<br />
der Finanzierungsrunde beteiligt.<br />
Ein weiterer neuer Name in der im letzten<br />
<strong>Report</strong> schon aufgeführten Reihe der Family-<br />
Office-Investoren ist M<strong>EY</strong> Capital Matrix aus<br />
München. Hinter diesem Investor steht der<br />
Automobilzulieferer Webasto (Dachsysteme,<br />
Standheizungen), dessen Inhaber nach<br />
neuen Anlagemöglichkeiten außerhalb ihres<br />
Stammgeschäfts suchten. Geplant sind<br />
insgesamt 15 Investments in Life-Science-<br />
Unternehmen. Dabei setzt man vor allem<br />
auf Basis-Technologieplattformen, die im<br />
Bereich der Medikamentenentwicklung sowie<br />
der Diagnostik und Medizintechnik in<br />
überschaubaren Zeiträumen (vier bis fünf<br />
Jahre) zu Fortschritten führen sollten und<br />
deswegen im Zentrum des Interesses bei<br />
den etablierten Unternehmen dieser Sektoren<br />
stehen.<br />
Finanzierung<br />
Bisher wurden insgesamt fünf Beteiligungen<br />
kommuniziert, davon im aktuellen Berichtsjahr<br />
2012 zwei <strong>Biotech</strong>-Unternehmen aus<br />
Martinsried, die die Investor-Philosophie<br />
klar widerspiegeln. conoGenetix biosciences<br />
hat eine proprietäre Technologieplattform<br />
zur Identifizierung von Peptiden entwickelt,<br />
welche in Ionenkanälen aktiv sind. Es wird<br />
dabei darauf abgezielt, Kanäle, die ursächlich<br />
an Autoimmunmerkrankungen (Rheumatoide<br />
Arthritis, Psoriasis etc.) beteiligt<br />
sind, zu blockieren. GNA Biosolutions, gegründet<br />
von Wissenschaftlern der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München, entwickelt<br />
eine proprietäre Technologieplattform für<br />
die ultraschnelle, laserbasierte DNA-Analyse<br />
mittels Nanopartikeln zur Marktreife. Damit<br />
wird zum Beispiel ein schnelles Analyse-<br />
verfahren für den Erregernachweis, die Biosicherheit<br />
oder die Pharmakogenomik zur<br />
Verfügung gestellt (vgl. Artikel S. 111).<br />
Eine Besonderheit dieses Investors liegt in<br />
einem neuen Investitionsvehikel, das auch<br />
für Kleinanleger interessant sein soll: Es<br />
handelt sich um die Ausgabe einer Unternehmensanleihe<br />
mit Inhaber-Teilschuldverschreibungen,<br />
die Anleger mit einer unteren<br />
Stückelungsgröße von 1.000 Euro zeichnen<br />
können. Insgesamt ist die Etablierung eines<br />
25-Millionen-Euro-Fonds mit einer maximalen<br />
Laufzeit von (nur) fünf Jahren geplant.<br />
Crowdfunding auch für <strong>Biotech</strong>?<br />
Das Scheitern des VC-Modells und die Abwendung<br />
institutioneller Investoren vom<br />
Life-Science-Sektor hat in den letzten Jahren<br />
die Suche nach alternativen Investoren<br />
vorangetrieben. Private Investoren, von den<br />
Family Offices über Business Angels bis zu<br />
individuellen Anlegern aus dem Mittelstand<br />
und Crowdfunding-Modellen rücken deshalb<br />
zusehends weiter in den Mittelpunkt des Geschehens.<br />
Insbesondere wurden in den letzten Jahren<br />
Fonds-Konstrukte entworfen, um einer breiteren<br />
Bevölkerungsschicht renditeabwerfende<br />
Anlagemöglichkeiten im Life-Science-<br />
Sektor schmackhaft zu machen. Beispiele<br />
hierfür sind:<br />
• Die MIG Fonds mit inzwischen 13 Fonds-<br />
Generationen mit Volumina um jeweils ca.<br />
60 Millionen Euro (z. B. Fonds 13) und<br />
einer Stückelungsmöglichkeit zwischen<br />
3.000 und 5.000 Euro pro Anlageeinheit<br />
bzw. auch kleinteiligerer Aufteilung über<br />
monatliche Ratenzahlungen auf eine<br />
Mindestanlage von 20.000 Euro (z. B.<br />
Fonds 12)<br />
• Der AMD Therapy Fund mit einem geplanten<br />
Fonds-Volumen von 60 Millionen<br />
Euro und Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger<br />
ab 3.000 Euro (Laufzeit zehn<br />
Jahre)<br />
• Die M<strong>EY</strong>-Capital-Matrix-Anleihe im Volumen<br />
von 25 Millionen Euro mit Anlagemöglichkeit<br />
für Kleinanleger ab 1.000 Euro (Laufzeit<br />
fünf Jahre)<br />
Die MIG Fonds wurden mit diesem Modell<br />
zu einem der aktivsten Investoren in der Life-Science-Branche.<br />
Auch im Berichtsjahr<br />
2012 war die MIG signifikant als Investor<br />
aktiv: Neben der Beteiligung an BRAIN<br />
wurden weitere Portfoliounternehmen mit<br />
kleineren Tranchen (0,5 bis 3 Mio. €) aus<br />
den verschiedenen Fonds weiterfinanziert.<br />
Die beiden anderen Genannten befinden<br />
sich noch im Vertrieb ihrer Anlageprodukte,<br />
d.h. im Fundraising.<br />
Gerade in Deutschland, dessen Industrie<br />
vor allem durch den Mittelstand geprägt ist,<br />
würde man ein sehr großes Potenzial von<br />
Privatanlegern erwarten. Diese sollten selbst<br />
unter Inkaufnahme von großen Risiken in<br />
der Lage sein, durch Allokation eines geringen<br />
Anteils ihres Vermögens in die oben<br />
genannten Fonds enorme Kapitalsummen<br />
darzustellen. Hingegen entspricht es aber<br />
offenbar eher der deutschen Mentalität, zu<br />
spenden, als sich auf Renditeversprechen<br />
einzulassen, die hohen Ausfallrisiken unterliegen.<br />
Verlorene Zuschüsse – eingeplant,<br />
aus sozialer Motivation – sind leichter zu<br />
verschmerzen als ein Totalverlust aus vermeintlicher<br />
Unfähigkeit bzgl. der richtigen<br />
Kapitalallokation.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 71
Der AMD Therapy Fund, in dessen Investmentfokus<br />
Therapieentwicklungen auf dem<br />
Gebiet der altersbedingten Makuladegeneration<br />
stehen, baut sein Fundraising eben<br />
darauf auf, insbesondere betroffenen und<br />
interessierten Menschen die Möglichkeit zu<br />
bieten, sich finanziell für neue Therapien zu<br />
engagieren. Die Verzahnung von ideellen<br />
oder altruistischen Werten mit einem Finanzierungsvorhaben<br />
bietet gewissermaßen<br />
einen alternativen Return on Investment.<br />
Neben monetarisierbaren Gegenleistungen<br />
wie bspw. Rechten oder materiellen Gütern<br />
ist dies die Hauptmotivation für die Kapitalgeber<br />
im Crowdfunding.<br />
Durch das Internet erfreut sich das auch<br />
Schwarmfinanzierung genannte Konzept<br />
wachsender Beliebtheit. Insbesondere im<br />
Zuge der Social Media Revolution steigt die<br />
Anzahl der Onlineplattformen, die als Schnitt-<br />
stelle zwischen den Mikroinvestoren und<br />
Unternehmungen fungieren, beständig an.<br />
Der US-amerikanische Vorreiter der Szene –<br />
kickstarter.com – demonstriert, dass in der<br />
Masse durchaus Millionenbeträge zusammengetragen<br />
werden können. Und auch der<br />
hierzulande wohl erfolgreichste Anbieter<br />
seedmatch.de sammelte schon immerhin<br />
sechsstellige Investitionsbeträge für etliche<br />
Aktionen ein. Auch wenn die am höchsten<br />
dotierten Projekte meist künstlerisch-kreativer<br />
Natur sind, lässt dieser Trend doch<br />
Hoffnung aufkeimen, dass auch kapitalintensive<br />
Projekte wie biotechnologische<br />
Entwicklungen von diesem Investitions-<br />
vehikel profitieren können.<br />
Bisher finden sich zwar nur wenige wissenschaftliche<br />
Projekte auf dem Crowdfunding-<br />
Marktplatz, das internationale Umfeld macht<br />
aber bereits vor, dass gerade medizinische<br />
Themen die Gunst der Webgemeinde erreichen<br />
können. So konnte die Initiative<br />
MyProjects der Krebsorganisation Cancer<br />
Research UK unter dem Slogan „Choose<br />
the cancer you want to beat“ seit 2008<br />
ca. eine Million Euro Spendengelder für verschiedenste<br />
onkologische Forschungsprojekte<br />
einsammeln. Auf der anderen Seite<br />
des Atlantiks sollen in naher Zukunft<br />
auf den Plattformen poliwogg.com und<br />
curelauncher.com Gelder für kostspielige<br />
klinische Studien gesammelt werden.<br />
Finanzierung<br />
Als Paradebeispiel für eine erfolgreiche<br />
Crowd-Finanzierung eines <strong>Biotech</strong>-Unternehmens<br />
vermeldete ANTABIO aus Frankreich<br />
erst im vergangenen Oktober, dass im<br />
Rahmen einer erfolgreichen Seed-Runde<br />
etwa 200 Kleinanleger ausgezahlt wurden.<br />
Das Start-up war zunächst über das französische<br />
Crowdfunding-Portal WiSEED finanziert<br />
worden, womit Validierungsschritte<br />
der Technologie bezahlt werden konnten.<br />
Darauf aufbauend konnte ein Investment<br />
eines Business Angel und später die Seed-<br />
Runde mit einem industriellen Partner eingeworben<br />
werden.<br />
Im November 2012 startete hierzulande<br />
die erste deutschsprachige Plattform speziell<br />
für wissenschaftliche Projekte namens<br />
sciencestarter.de. Zwar ist die Aktivität mit<br />
derzeit lediglich zwei Projekten noch recht<br />
gering, allerdings befindet sich das Crowdfunding<br />
noch am Anfang seiner Entwicklung.<br />
Nicht zuletzt steht der Einfluss der<br />
„Digital Natives“ aus der Generation Y noch<br />
aus, die erst in den kommenden Jahren die<br />
unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreichen<br />
werden, um so Zugang zum digitalen Inves-<br />
titionsgeschäft zu erhalten. Vor diesem Hintergrund<br />
bleibt es sehr interessant abzuwarten,<br />
inwiefern sich neue schwarmfinanzierte<br />
Investitionsvehikel etablieren können, die –<br />
gepaart mit einem geschärften Bewusstsein<br />
für den Nutzen der <strong>Biotech</strong>nologie – mithelfen<br />
können, Entwicklungen voranzutreiben.<br />
Privatinvestoren vor dem „Aus“<br />
durch AIFM?<br />
In einer ohnehin schwierigen Situation hatten<br />
sich die für Kleinanleger aufgelegten Fonds<br />
ebenso wie die Crowdfunding-Industrie mit<br />
einer existenzbedrohenden politischen Ini-<br />
tiative auf EU-Ebene auseinanderzusetzen:<br />
die AIFM-Richtlinie (Alternative Investment<br />
Fund Managers). Als Reaktion auf die Finanz-<br />
marktkrise hatte die EU-Kommission einen<br />
Richtlinienentwurf zur Regulierung alternativer<br />
Investmentfonds im europäischen Parlament<br />
verabschiedet. Relevant ist hier vor<br />
allem der angedachte bessere Schutz von<br />
Kleinanlegern vor Risiken der Kapitalanlage<br />
in Fonds und anderen riskanten Finanzprodukten.<br />
Sowohl Untergrenzen für Direkt-<br />
investments in Unternehmen als auch der<br />
72 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
generelle Ausschluss nicht-professioneller<br />
Anleger sowie die Aufnahme aller geschlosse-<br />
nen Fonds (z. B. auch der MIG Fonds) auf<br />
die Liste der zu regulierenden AIFs (Alternative<br />
Investment Funds) hätten viele der o. a.<br />
Fonds-Konstrukte in die Bredouille gebracht<br />
und private Kleinanleger wieder aus diesem<br />
Sektor verbannt.<br />
Der aktuelle Stand der Umsetzung in nationales<br />
Recht (bis zum Juli <strong>2013</strong>) scheint<br />
hier Lockerungen vorzusehen, damit die<br />
direkten Beteiligungen wieder zugelassen<br />
werden und auch Kleinanleger als „Semi-<br />
professionelle“ damit nicht der ursprünglich<br />
vorgesehenen Restriktion unterliegen. Konkret<br />
hatten sowohl der AMD Therapy Fund<br />
über ein Genossenschaftsmodell als auch<br />
M<strong>EY</strong> Capital Matrix über das Modell einer<br />
Anleihe mit definierten Basis-Zinsgewinnen<br />
diese Regelungen bereits umgangen.<br />
Business Angels weiter angesagt<br />
Die im Volumen insgesamt kleiner werden-<br />
den Finanzierungsrunden sind für Business<br />
Angels ein gutes Terrain, um ihre Expertise<br />
verbunden mit eher geringerem Kapitaleinsatz<br />
einzubringen. Insofern ist die zunehmende<br />
Zahl an Runden mit Beteiligung von<br />
Business Angels folgerichtig. Weiterhin zeigt<br />
sich an Einzelbeispielen auch die Tendenz<br />
zur Zusammenarbeit zwischen mehreren<br />
BAs sowie die Einbeziehung ihrer lokalen<br />
Netzwerke, insbesondere regionaler Banken.<br />
Hier geht Nordrhein-Westfalen mit gleich<br />
mehreren guten Beispielen voran. Mit Algiax<br />
Pharmaceuticals wurde 2011 ein <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen gegründet, das sich der Erfor-<br />
schung und Entwicklung neuer ZNS-Wirkstoffe<br />
im Bereich neuropathischer Schmerzen<br />
verschrieben hat.<br />
Die Basis der Finanzierung bilden gleich vier<br />
bekannte <strong>Biotech</strong>-Pioniere in NRW mit ihren<br />
jeweiligen Investitionsvehikeln:<br />
• Riesner Verwaltungs GmbH<br />
(Prof. Detlev Riesner)<br />
• RMMM Holding GmbH<br />
(Martin Nixdorf)<br />
• ROI Verwaltungsgesellschaft mbH<br />
(Roland Oetker)<br />
• Schumacher Familienholding GmbH<br />
(Jürgen Schumacher)
Nicht nur das gemeinsame Engagement der<br />
Privatinvestoren ist beispielgebend. Darüber<br />
hinaus stellt Algiax Pharmaceuticals eines<br />
der ersten Investments des EIF Angel Fonds<br />
dar, mit dem sich die EU an innovativen<br />
Beteiligungen über Mittlerinvestoren aus<br />
dem BA-Bereich beteiligt. Über die ausgewiesene<br />
Expertise dieser Branchen-„Gurus“<br />
hinaus konnte durch weitere Beteiligungen<br />
des High-Tech Gründerfonds (HTGF) sowie<br />
der KfW-Förderbank immerhin die signifikante<br />
Startfinanzierung von 4,3 Millionen<br />
Euro akquiriert werden.<br />
Private Business Angels spielen auch bei<br />
einem weiteren Start-up in NRW eine Rolle.<br />
AyoxxA Biosystems – eine Proteomics-Firma<br />
mit einer Technologieplattform zur Analyse<br />
von Proteinen auf Biochips – wurde 2012 in<br />
Köln als Zweigniederlassung einer Gründung<br />
in Singapur gestartet.<br />
Hinter der 2,6-Millionen-Euro-Finanzierungs-<br />
runde in dieses Unternehmen steht zwar<br />
mit Wellington Partners auch ein klassischer<br />
VC-Fonds sowie ebenfalls HTGF und KfW;<br />
sehr stark involviert sind hier aber vor allem<br />
Rainer Christine und Gregor Siebenkotten<br />
als Business Angels (beide ehemalige amaxa-<br />
Vorstände). Der Link zur lokalen Bank<br />
(NRW.Bank) rundet das Bild ab. In beiden<br />
Fällen (Algiax und AyoxxA) nehmen die<br />
erwähnten Business Angels auch als Board-<br />
Vorsitz (Rainer Christine bei AyoxxA) bzw.<br />
als CEO (Jürgen Schumacher bei Algiax)<br />
wichtige Management-Funktionen wahr.<br />
Die Reihe der BA-Engagements lässt sich<br />
fortsetzen:<br />
• Algiax Pharmaceuticals, Erkrath (s. o.)<br />
• AyoxxA Biosystems, Köln (s. o.)<br />
• AudioCure Pharma, Berlin<br />
(Jürgen Schumacher, HTGF)<br />
• Cube <strong>Biotech</strong>, Monheim<br />
(lokale BAs, HTGF)<br />
• Epivios, Düsseldorf<br />
(HTGF, LSI, privater Investor)<br />
• Eternygen, Berlin<br />
(HTGF, private Investoren, IBB)<br />
Neben der aktiven Unterstützung der meisten<br />
europäischen VC-Fonds hat der EIF<br />
(European Investment Fund) im letzten<br />
Jahr ein neues Finanzierungsvehikel mit<br />
Ausrichtung auf die aktiver werdenden<br />
Business Angels aufgelegt. Dieses sieht vor,<br />
Finanzierung<br />
Investments individueller Business Angels<br />
pro rata und pari passu aufzustocken. Dabei<br />
werden nur individuelle Co-Finanzierungsvereinbarungen<br />
mit individuellen BAs abgeschlossen<br />
und es gibt gewisse Selektions-<br />
kriterien:<br />
• 250.000 bis 5.000.000 Euro Investitionsvolumen<br />
• Track Record des BA hinsichtlich Anzahl<br />
früherer Investments und Exits<br />
Die Grundidee des EAF wird von allen Seiten<br />
sicherlich positiv empfunden, wenngleich<br />
die Erfüllung der Kriterien nicht einfach ist<br />
und den Kreis der Nutznießer und der privaten<br />
Investoren deutlich limitiert.<br />
HTGF – ein immer stärkerer Aktivposten<br />
für <strong>Biotech</strong>-Finanzierungen<br />
Wie bereits erwähnt, ist der High-Tech<br />
Gründerfonds an allen Business-Angel-Runden<br />
beteiligt. An 11 der insgesamt 29 für<br />
Deutschland beschriebenen Finanzierungsrunden<br />
im privaten <strong>Biotech</strong>-Sektor (38 %)<br />
war der HTGF beteiligt und damit der weitaus<br />
aktivste Investor. Dies liegt sicherlich<br />
in erster Linie an der hohen Zahl von<br />
18 Seed- und Erstrundenfinanzierungen,<br />
die zwei Drittel aller Runden ausmachen<br />
und auftragsgemäß das Haupt-Investmenttarget<br />
für die Bonner darstellen. Typischerweise<br />
liegt in fast allen Investments des<br />
HTGF eine einheitliche Konstellation vor,<br />
die durch die Anbindung an lokale Förderinstitutionen<br />
und Business Angels sowie<br />
regionale Geldinstitute charakterisiert ist.<br />
Diese Konstellationen zeigen vor allem<br />
auch, dass die insgesamt wenigen Finanzierungen<br />
fast ausschließlich im Gründungs-<br />
und frühen Unternehmensentwicklungs-<br />
bereich stattfinden, während für spätere<br />
Stadien – außer in wirklichen Einzelfällen<br />
wie bspw. Family Offices – keine Investoren<br />
bereitstehen.<br />
Klassische VCs in Ausnahmeposition<br />
Wie bereits im letzten Jahr sind die klassi-<br />
schen Venture-Capital-Fonds nur noch sehr<br />
vereinzelt als aktive Marktteilnehmer auszumachen;<br />
bezeichnenderweise auch fast<br />
nur in Anschlussfinanzierungen (vierte und<br />
fünfte Runde).<br />
Darunter ragt als einzige signifikante Runde<br />
die fünfte Finanzierung von Affimed über<br />
15,5 Millionen Euro heraus. Das neue<br />
Affimed-Management sieht sich allerdings<br />
nach einem Quasi-Neustart des ursprünglich<br />
2000 gegründeten Unternehmens 2007<br />
deutlich „früher“ positioniert. Besonderheit<br />
dieser Runde ist das Konsortium, das vorwiegend<br />
auf ausländischen VCs (OrbiMed /<br />
USA, Life Sciences Partners / NL, BioMed-<br />
Partners / CH) beruht und zusätzlich mit<br />
Novo Nordisk einen ebenfalls im Ausland<br />
ansässigen strategischen Partner aufweist.<br />
Dies bestätigt die Attraktivität der von<br />
Affimed verfolgten Strategie, die einerseits<br />
auf einer Plattform (TandAb ® , tetravalente<br />
Antikörper) beruht, andererseits aber vor-<br />
nehmlich das Lead-Produkt verfolgt, wel-<br />
ches gerade erst in Phase I getestet wird<br />
(AFM13, anti-CD30xCD16A; Hodgkin-Lymphom).<br />
Die Vorteile dieser Strategie werden<br />
im Artikel von CEO Adi Hoess im Kapitel<br />
„Produkte“ näher beschrieben (S. 105).<br />
Als einzige rein deutsche, aktive VC-Investoren<br />
sind nur Wellington Partners, CREATHOR<br />
VENTURE und Peppermint VenturePartners<br />
verblieben. Die Finanzierungsrunden, für<br />
die sie im Jahr 2012 Kapital beigesteuert<br />
haben, sind fast allesamt im Technologiebereich<br />
angesiedelt:<br />
• CEVEC Pharmaceuticals (Zelltechnik)<br />
• AyoxxA Biosystems (Proteomics Chips)<br />
• Cube-biotech (Membrantechnologie)<br />
CREATHOR VENTURE ist außerdem an der<br />
aktuellen 2012er Runde von Phenex Pharmaceuticals<br />
beteiligt und damit an einem<br />
Technologie- / Therapieentwicklungsunternehmen.<br />
Venture Capital kam darüber hinaus in<br />
begrenztem Umfang aus wenigen Fonds<br />
mit regionaler Anbindung in bestimmten<br />
Bundesländern. So trugen die Investitionsbank<br />
Berlin, bmp Beteiligungsmanage-<br />
ment (Brandenburg), Bio M (München),<br />
eCAPITAL entrepreneurial Partners (Münster)<br />
und die BayBG Bayerische Beteiligungs-<br />
gesellschaft (München) jeweils ihren Teil<br />
zu den meist sehr lokalen kleinen Runden<br />
bei.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 73
Ausländische VC-Investoren nach wie vor<br />
nur sporadisch in Deutschland aktiv<br />
Deutschland kann sicherlich viele Innova-<br />
tionen im Bereich der biotechnischen Entwicklung<br />
aufweisen; dennoch ist der Standort<br />
nach wie vor nicht ausgesprochen attrak-<br />
tiv für ausländische Investoren. Lediglich<br />
in der Affimed-Runde haben sich einige zusammengefunden<br />
(s. o.).<br />
Darüber hinaus Fehlanzeige bis auf eine<br />
eher nicht erwartete Ausnahme: Mit Maxwell<br />
<strong>Biotech</strong> Venture Fund hat erstmals<br />
ein russischer VC-Fonds in Deutschland ein<br />
Investment getätigt. Maxwell <strong>Biotech</strong> Venture<br />
Fund ist der erste russische Fonds, der<br />
voll auf den Life-Science-Sektor setzt. Er<br />
wurde mithilfe eines russischen Regierungsfonds<br />
aufgelegt, der eigentlich den Auftrag<br />
hat, innovative Entwicklungen in Russland<br />
voranzubringen. Allerdings ist Maxwell mittlerweile<br />
mit Büros in Moskau und Boston<br />
international aufgestellt.<br />
Corporate Venture Capital und<br />
strategische Investoren auch in<br />
Deutschland aktiv<br />
Schließlich sind auch die bereits in den letzten<br />
Jahren viel diskutierten Aktivitäten von<br />
Corporate Venture Capital und strategischen<br />
Investoren in Deutschland wieder sichtbar.<br />
Interessant ist, dass gleich zwei Strategen<br />
mit ihren CVC-Fonds sich auf ein und das-<br />
selbe Target gestürzt haben: Sowohl für den<br />
Novartis Venture Fund als auch für den<br />
Boehringer Ingelheim Venture Fund war<br />
AMP Therapeutics ein lohnendes Asset. Die<br />
junge pharmazeutische Firma aus Leipzig<br />
hat sich auf die Erforschung und Entwicklung<br />
innovativer Breitspektrum-Antibiotika<br />
zur Behandlung von Infektionen durch multi-<br />
resistente gramnegative Bakterien fokussiert.<br />
Offensichtlich ist dieses Feld inzwischen<br />
Finanzierung<br />
für Pharma-Firmen wieder höchst attraktiv<br />
geworden. Dies untermauert auch der im<br />
letzten Jahr abgeschlossene Deal zwischen<br />
AiCuris und Merck & Co. (genauer erläutert<br />
im Kapitel „Transaktionen“). AMP Therapeu-<br />
tics kann auf eine hoch innovative Techno-<br />
logieplattform mit natürlichen Peptiden<br />
bauen, die Bestandteile des Immunsystems<br />
von Insekten sind (z. B. die Apidaecine der<br />
Honigbiene und die Oncocine der Milchkrautwanze).<br />
Auf dieser Basis wurden Leitstrukturen<br />
entwickelt und hergestellt, die in vitro<br />
und in vivo bezüglich ihrer pharmakologischen<br />
Schlüsseleigenschaften sowie anschließend<br />
in klinischen Studien am Menschen<br />
getestet werden (vgl. Artikel von Marc W.<br />
Hentz auf S. 76).<br />
Dieses Investment ist sehr typisch für die<br />
Ziele/ Kennzeichen der Pharma-Corporate-<br />
Venture-Funds:<br />
• Eine sehr frühe Technologieplattform mit<br />
dem Potenzial zur nachhaltigen Generierung<br />
innovativer Wirkstoffe<br />
• Die Möglichkeit, an einer Innovation früh<br />
und ohne großen Aufwand (Risiko, Kosten,<br />
Commitment) teilzunehmen und gege-<br />
benenfalls priorisierte Zugriffsrechte zu<br />
erhalten<br />
• Therapiegebiete mit großem Zukunfts-<br />
potenzial<br />
• Ein zu früher Zeitpunkt für das Engagement<br />
von Pharma Business Development<br />
Neben den genannten CVC-Fonds waren stra-<br />
tegische Investoren in wenigen Finanzierungs-<br />
runden involviert. Novo Nordisk schloss<br />
sich der Affimed-Runde an; BioNTech, das<br />
Mainzer <strong>Biotech</strong>-„Konsortium“ mit Schwerpunkt<br />
auf individueller Immuntherapie aus<br />
dem Strüngmann-Portfolio, erwarb eine<br />
Beteiligung an dem Bioinformatik-Start-up<br />
AptaIT. AptaIT ist ein idealer Fit für die<br />
Bestrebungen bei BioNTech, durch Next<br />
Generation Sequencing (NGS) einzelne<br />
Krebspatienten nach Sequenzierung ihrer<br />
Tumor-DNA einer gezielten „individualisierten“<br />
Therapie zuzuführen. Für die Auswertung<br />
von NGS-Daten sind hochspezifische<br />
Programme erforderlich, wie sie AptaIT bieten<br />
kann.<br />
74 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Außerhalb des Medizinsektors waren schließ-<br />
lich BRAIN und die Braun Beteiligungs-GmbH<br />
mit einer Beteiligung an Enzymicals aus<br />
Greifswald aktiv. Dieses Investment sowie<br />
die bereits 2010 getätigte erste Beteiligung<br />
ist ein erster Schritt auf dem Weg der Industrialisierungsstrategie<br />
von BRAIN. Durch die<br />
Kombination der Enzymicals-Kompetenz in<br />
industriellen Chemieprozessen und der<br />
BRAIN-Technologie zum Genetic Engineering<br />
innovativer Enzymfunktionen wurde eine<br />
fast komplette Wertschöpfungskette für die<br />
Herstellung von Feinchemikalien etabliert.<br />
Dazu gehört inzwischen auch die Produk-<br />
tionsfirma HERBRAND PharmaChemicals.
Business Angels und Venture-Capital-Investoren –<br />
Nur gemeinsam stark<br />
Rainer Christine,<br />
Science to Market Venture Capital GmbH,<br />
Köln<br />
Die Retter der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie?<br />
Business Angels – geflügelte Wesen zur Errettung<br />
der deutschen Life-Science-Unternehmen?<br />
Leider nicht. Aber in vielen Fällen<br />
Akteure mit Bodenhaftung und Erfahrung,<br />
die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau<br />
erfolgreicher Start-ups leisten können.<br />
Es gibt keinen typischen Business Angel<br />
Der Begriff Business Angels suggeriert, dass<br />
es sich um eine halbwegs homogene Gruppe<br />
von Investoren handelt. Die Realität ist allerdings<br />
deutlich facettenreicher: vom Investor,<br />
der „nur Geld“ zur Verfügung stellt, das er<br />
nicht im Life-Science-Bereich verdient hat,<br />
und außerhalb von Gesellschafterversammlungen<br />
nicht mit dem Unternehmen interagiert<br />
– bis hin zum Investor, der Geld, Know-<br />
how und Netzwerk zu bieten hat, auf reich-<br />
haltige operative Erfahrung bei Life-Science-<br />
Start-ups zurückgreifen kann, mehrmals pro<br />
Woche mit dem Unternehmen Kontakt hat<br />
und vielleicht sogar den Beiratsvorsitz übernimmt,<br />
reicht das Spektrum. Eine andere<br />
wichtige Dimension: geschieht das Investment<br />
am Rande des eigenen Arbeitsschwerpunkts,<br />
bestenfalls als Nebentätigkeit, oder<br />
stellt die Tätigkeit als Business Angel einen<br />
wichtigen Teil des eigenen Alltags und<br />
Selbstverständnisses dar? Die Schattierun-<br />
gen zwischen den Polen sind vielfältig. Vor<br />
dem Hintergrund dieser Vielfalt stellen die<br />
folgenden Aussagen fraglos eine starke Verallgemeinerung<br />
dar und konzentrieren sich<br />
auf Business Angels, die aus dem Life-Science-<br />
Bereich stammen.<br />
Unterschiede VC – BA<br />
Gibt es also wichtige Unterschiede zwischen<br />
institutionellen Venture-Capital-Investoren<br />
und Business Angels? Auch hier erfordert<br />
die Abgrenzung das Aushalten von etwas<br />
Stereotypie. Die Ausnahmen von der Regel<br />
sind hier zahlreich. VCs haben tiefere Taschen,<br />
selektieren ihre Investments aus breiterem<br />
Dealflow (z. B. einem Deal von hundert),<br />
machen die professionellere Due Diligence<br />
und die professionelleren Verträge. Sie sind<br />
stärker auf einen Exit fokussiert, haben hierbei<br />
engere zeitliche Vorgaben, auch aufgrund<br />
der eigenen Fonds-Struktur. VCs, besonders<br />
wenn sie ihr ganzes Berufsleben in dieser<br />
Rolle verbracht haben, besitzen manchmal<br />
einen eingeschränkteren Blick auf das Unter-<br />
nehmen und dessen Erfolgsfaktoren. So lange<br />
keinem ehrlichen Feedback mehr ausgesetzt,<br />
steht es mit der Selbstwahrnehmung hier und<br />
da nicht zum Allerbesten. Und gelegentlich<br />
weisen VCs die Tendenz auf, ihre Rendite<br />
auf Kosten der Gründer und anderer Gesellschafter<br />
optimieren zu wollen. Privatinves-<br />
toren hingegen haben weniger tiefe Taschen<br />
und selektieren aus geringerem Dealflow<br />
(z. B. einem Deal von zehn). Das senkt potenziell<br />
die Qualität der durchgeführten Investments,<br />
allerdings kann die Herkunft aus dem<br />
persönlichen Netzwerk auch eine wichtige<br />
Vorselektion darstellen. Business Angels haben<br />
einen geringeren Fokus auf professionelle<br />
Due Diligence und Verträge. Sie sind in<br />
vielen Fällen weniger stark Exit-orientiert<br />
und haben oft den längeren Atem bei ihren<br />
Investments. Business Angels haben aufgrund<br />
ihrer unternehmerischen Erfahrung (sofern<br />
vorhanden) die Firma in ihrer Komplexität<br />
besser im Blick und ein Herz für Gründer, die<br />
sie vielleicht selbst einmal waren. Sie wissen<br />
aus Erfahrung, dass Ausgleich der Interessen<br />
ein wichtiger Beitrag zum Erfolg ist. Zu beglückwünschen<br />
sind vor allem die Unternehmen,<br />
deren Investoren in der Lage sind, das<br />
Beste aus beiden Welten zu kombinieren:<br />
tiefe Taschen und unternehmerische Erfahrung,<br />
professionelle Due Diligence und einen<br />
wohlwollenden Blick auf die Gründer, Ausrichtung<br />
auf einen Exit als wichtige Leitlinie,<br />
aber ohne Zeitdruck zur Unzeit.<br />
Problem Finanzierung<br />
Die Finanzierung von Life-Science-Unternehmen<br />
in Deutschland steckt in einer tiefen<br />
Krise. Es steht auch den guten Unternehmen<br />
zu wenig Kapital zur Verfügung, um sich mit<br />
optimaler Geschwindigkeit zu bewegen; bzw.<br />
in vielen Fällen sich überhaupt noch zu bewegen.<br />
Die Gründe hierfür sind vielschichtig:<br />
mangelnde Erfolge in der Vergangenheit,<br />
schlechtes konjunkturelles Timing für die<br />
entstehende VC-Szene in Deutschland (etwa<br />
das schlechte Abschneiden der Fonds, die<br />
um das Jahr 2000 aufgelegt wurden),<br />
erschwerte Rahmenbedingungen für die<br />
potenziellen Investoren in VC-Fonds sowie<br />
keine etablierte Kultur zur Finanzierung von<br />
Start-ups bei den verbleibenden Investoren.<br />
Kein VERSUS, sondern ein UND:<br />
Gemeinsam ans Ziel<br />
Die größere Rolle, die Business Angels in den<br />
letzten Jahren bei der Finanzierung junger<br />
Life-Science-Unternehmen spielen, ist durchweg<br />
zu begrüßen. Auch der European Angels<br />
Fund des EIF liefert hier einen wertvollen Beitrag.<br />
Das Gesamtvolumen von 70 Millionen<br />
Euro, welches in allen Technologiebereichen<br />
über die nächsten fünf bis zehn Jahre inves-<br />
tiert werden soll, macht allerdings deutlich,<br />
dass auch diese Initiative alleine die Finanzierungskrise<br />
nicht lösen wird. In diesen Krisenzeiten,<br />
aber auch grundsätzlich gilt wohl,<br />
dass alle Akteure in der Life-Science-Welt am<br />
besten gemeinsam ans Ziel kommen, und<br />
zwar an das Ziel, nachhaltig erfolgreiche<br />
Unternehmen aufzubauen, die Produkte ent-<br />
wickeln, welche die Kunden bezahlen wollen.<br />
Die Fragestellung nach Business Angels<br />
VERSUS Venture Capital erscheint daher<br />
wenig hilfreich, vielmehr geht es um die Frage<br />
Business Angels UND Venture Capital. Wie<br />
sieht eine konstruktive, vertrauensvolle,<br />
unternehmensorientierte Zusammenarbeit<br />
aus, um die kargen verbliebenen Ressourcen<br />
in bester Weise für die Portfoliounternehmen<br />
und damit auch für deren Gesellschafter zu<br />
nutzen? Und wie kann das auf Grund gelaufene<br />
Schiff „Venture Capital“ wieder flottgemacht<br />
werden?<br />
www.science-to-market.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
75
Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer<br />
und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics<br />
Dr. Marc W. Hentz,<br />
Managing Director<br />
AMP Therapeutics GmbH, Leipzig<br />
Gefahr der multiresistenten Bakterien<br />
Durch Krankenhausinfektionen sterben allein<br />
in Deutschland jedes Jahr über 15.000<br />
Menschen – Tendenz steigend. Nach Expertenmeinung<br />
fehlen bis 2020 mindestens<br />
zehn neu entwickelte Antibiotika, um der<br />
wachsenden Gefahr durch (multi-)resistente<br />
Bakterien adäquat begegnen zu können.<br />
Andernfalls droht ein Rückfall in die präantibiotische<br />
Ära mit drastischen Konsequenzen.<br />
AMP Therapeutics: Lean & Smart<br />
Vor diesem Hintergrund startete 2009 die<br />
AMP Therapeutics GmbH (AMPT) als Ausgründung<br />
der Universität Leipzig. In der<br />
Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann vom<br />
Institut für Bioanalytische Chemie war es<br />
gelungen, die seit längerem bekannten<br />
antimikrobiellen Peptide aus Insekten durch<br />
gezielte Strukturveränderungen zu stabilisieren<br />
und deren Wirksamkeit zu verbessern.<br />
AMPT übernahm die beiden Substanzklassen<br />
der Apidaecine (aus der Honigbiene)<br />
und der Oncocine (aus der Milchkrautwanze).<br />
Was eine Entwicklung unter Pharma-Gesichtspunkten<br />
besonders interessant machte,<br />
war die neue Wirkweise der optimierten<br />
Substanzen, die die Bildung resistenter Bakterien<br />
erschweren. AMPT war von Beginn an<br />
als schlanker Projektentwickler geplant, der<br />
mit den besten CROs weltweit kooperiert.<br />
Zwei Co-Geschäftsführer managen die<br />
Bereiche R&D einerseits sowie Finances &<br />
Business Development andererseits. Das<br />
Kernteam im Hauptquartier in der BIO CITY<br />
Leipzig übernimmt ausgewählte Aufgaben<br />
aus Qualitätskontrolle, entwicklungsbeglei-<br />
tender Forschung und Synthese. Die Firma<br />
profitiert von ihrer Lage Tür an Tür mit der<br />
Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann, was<br />
die fortgesetzte Nutzung universitärer Infrastruktur<br />
und Großgeräte erlaubt und bereits<br />
zwei erfolgreiche gemeinsame Fördermittelanträge<br />
ermöglicht hat.<br />
Wenig Resonanz der VCs<br />
Als wir 2010 den Businessplan für die Entwicklung<br />
solch neuartiger Antibiotika konzipierten,<br />
war uns bewusst, dass das Fundraising<br />
für ein derartig frühes, präklinisches<br />
Projekt eine Herausforderung sein würde.<br />
Antibiotikaentwicklung war und ist nach wie<br />
vor ein Gebiet, aus dem sich die meisten<br />
Pharma-Firmen zurückgezogen hatten. Obwohl<br />
wir in der Community europäischer<br />
Life-Science-Investoren über ein gutes Netzwerk<br />
verfügten, war die Resonanz zunächst<br />
enttäuschend. Die meisten VCs sind auf<br />
Portfoliopflege und das Entwickeln „risiko-<br />
reduzierter“ Ansätze fokussiert – für innovative<br />
und riskante Konzepte im Bereich Drug<br />
Development gibt es nur eine sehr eingeschränkte<br />
Nachfrage.<br />
Corporate Venture: NVF und BIVF<br />
Daher knüpften wir außerdem Kontakte zu<br />
den firmeneigenen VC-Fonds der Pharma-<br />
Konzerne, den Corporate Venture Capital<br />
Funds (CVC). Früh stießen wir dort auf ein<br />
deutlich größeres Interesse. In den anfangs<br />
parallel und später zusammen geführten<br />
Diskussionen mit dem Novartis Venture Fund<br />
(NVF) und dem 2010 neu aufgelegten<br />
Boehringer Ingelheim Venture Fund (BIVF)<br />
stimmten wir schnell überein, wie ein solches<br />
Projekt aufzusetzen sei. Insbesondere die<br />
sehr wissenschaftsbasierte Due Diligence<br />
und Diskussion trieb den schnellen Fortschritt<br />
in dieser Phase. Wir einigten uns auf<br />
eine gleich hohe Beteiligung beider Fonds,<br />
die in einer Finanzierungsrunde Ende 2011 /<br />
Anfang 2012 umgesetzt wurde. Das Investment<br />
stellte die erste Beteiligung von BIVF<br />
in Deutschland dar, der mittlerweile weitere<br />
gefolgt sind. Für den Novartis Venture Fund<br />
(über 550 Mio. US unter Management)war<br />
es das erste und bisher einzige Investment in<br />
Deutschland. Obwohl NVF seinen Hauptsitz<br />
in Basel hat, wird die Betreuung des Investments<br />
aus dem Büro in Boston gesteuert.<br />
Mit Henry Skinner aus dem NVF Büro in<br />
76 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Cambridge (Massachusetts), der den NVF<br />
im Advisory Board repräsentiert, ist nun ein<br />
ehemaliger CEO einer Antibiotikafirma Teil<br />
des Teams. Durch Martin Heidecker – einen<br />
erfahrenen Venture Capitalist, der den BIVF<br />
vertritt – eröffnen sich für AMP Therapeutics<br />
wichtige Kontakte in die Forschungsabteilungen<br />
und zu den Spezialisten von Boehringer<br />
Ingelheim. Für beide Fonds ist die Beteiligung<br />
an AMPT bereits das zweite gemeinsame<br />
Investment (nach Okairos, Schweiz).<br />
Keine Nachteile für AMPT<br />
Den Vorteilen der Finanzierung durch Corporate<br />
Venture Capital stehen für AMPT keinerlei<br />
sichtbare Nachteile gegenüber. Da<br />
keiner der beiden bestehenden CVC-Gesellschafter<br />
Lizenz- oder Optionsrechte hält,<br />
steht späteren Partnerschaften mit anderen<br />
Pharma-Unternehmen nichts entgegen. Die<br />
Beteiligung weiterer klassischer VC-Investoren<br />
wird für die nächste Finanzierungsrunde im<br />
laufenden Jahr angestrebt. Innerhalb dieser<br />
Finanzierungsperiode soll die erste Lead-<br />
Substanz dann in die klinische Phase I eintreten.<br />
CVC als generelles<br />
Finanzierungsinstrument?<br />
Ist das ein garantiertes Erfolgsrezept oder<br />
eine Alternative für alle Start-ups im Bereich<br />
Drug Development? Die Antwort muss Nein<br />
lauten, denn immer spielen Timing und auch<br />
Glück eine Rolle. Während unverändert eine<br />
hohe Übereinstimmung bei den üblichen<br />
harten Kriterien und der Bewertung bestehen<br />
muss, gibt es einige weiche Faktoren, die<br />
nur bedingt zu steuern sind: Reputation und<br />
Netzwerk des initialen Advisory Boards können<br />
den erfolgreichen Kontakt zu den Investoren<br />
über passende individuelle Kontakte<br />
erleichtern. Auch die persönliche Ansprache<br />
der Investoren durch das Management bei<br />
Konferenzen o. a. Anlässen kann hilfreich<br />
sein, um die Sichtbarkeit und Priorität des<br />
eigenen Projekts zu steigern. Festzuhalten<br />
bleibt die hohe Ansprechbarkeit und Risikobereitschaft<br />
von CVC-Investoren, was den<br />
Sektor Drug Discovery angeht. Diese stellen<br />
im aktuellen schwierigen Marktumfeld insbesondere<br />
für deutsche <strong>Biotech</strong>-Start-ups aus<br />
diesem Bereich eine der wichtigsten Res-<br />
sourcen für die Translation früher Entwicklungskandidaten<br />
dar.<br />
www.amp-therapeutics.com
Service for Equity – US CROs starten<br />
auch in Deutschland durch<br />
In Zeiten extrem schwieriger Finanzierung<br />
ist für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Kreativität bei<br />
der Erschließung neuer Geldquellen gefragt.<br />
Andererseits sind auch Dienstleister wie<br />
zum Beispiel Auftragsforschungs- und Entwicklungsorganisationen<br />
von finanziellen<br />
Engpässen ihrer Kunden betroffen, wenn<br />
diese die Leistungen nicht mehr bezahlen<br />
können. Diesem Dilemma waren bereits<br />
früher CROs (z. B. FocusCDD) begegnet –<br />
dadurch, dass sie versuchten sich in einem<br />
Service-for-Equity-Modell die Dienstleistungen<br />
in Form von Firmenanteilen bezahlen<br />
zu lassen. Leider hat sich keines dieser<br />
Modelle bisher als nachhaltig erwiesen.<br />
Wie der nachfolgende Artikel von CATO<br />
BioVentures aufzeigt, funktioniert deren<br />
Konzept zumindest in den USA und soll nun<br />
in Europa (inklusive Deutschland) übernommen<br />
werden. Ein wesentlicher Bestandteil<br />
des Modells ist die Trennung der reinen<br />
CRO-Services (CATO Research) von den<br />
Kapitalgebern, die als CATO BioVentures<br />
firmieren. Grundsätzlich existieren zwei unterschiedliche<br />
Modelle der Zusammenarbeit:<br />
• Das Partnership-Programm<br />
• Das Majority-Ownership-Programm<br />
Während in der ersten Variante individuelle<br />
Produktentwicklungen als Asset im Mittelpunkt<br />
der Vereinbarung stehen und die<br />
entsprechenden Entwicklungskosten gegen<br />
Anteile getauscht werden, bezieht das zweite<br />
Programm ein ganzes Portfolio mit ein.<br />
In beiden Fällen ergeben sich für die beteilig-<br />
ten Unternehmen Vorteile. Das Konzept hat<br />
positive Auswirkungen auf den Cashflow,<br />
verringert das Umlaufvermögen in der Bilanz<br />
und eröffnet dem Sponsor die Möglichkeit,<br />
mit insgesamt geringerem Kapitaleinsatz<br />
den Drug-Development-Prozess zu finan-<br />
zieren. Auch der Due-Diligence-Prozess ist<br />
einfacher gestrickt und verbindet das notwendige<br />
Master Service Agreement mit der<br />
Finanzierung<br />
Finanzierung bzw. dem Anteilskapital. Die<br />
Majority-Ownership-Variante kommt dabei<br />
in die Nähe von Modellen, die auch für<br />
Pharma-Unternehmen in jüngerer Vergangenheit<br />
interessant waren. Externe Finanzierungen<br />
von Projekten oder Teilportfolios<br />
sind realistische Szenarien, wenn es darum<br />
geht, die Werte vorhandener Assets bei<br />
limitiertem F&E-Budget optimal auszuschöpfen.<br />
In den USA hat CATO BioVentures nach<br />
diesen Modellen bereits Verbindungen zu<br />
22 Portfoliounternehmen, vier davon im<br />
Majority-Ownership-Programm. Es bleibt<br />
abzuwarten, ob und wie dieses Modell auch<br />
in Europa und Deutschland Einzug findet.<br />
Regionalisierung des Kapitals?<br />
Auf der Liste der aktuellen Finanzierungen<br />
stürzt die Rundengröße nach den beiden<br />
großen Finanzierungen von CureVac und<br />
BRAIN jäh ab und landet mit nur zwei Ausnahmen<br />
(AiCuris und Affimed) schnell bei<br />
einstelligen Millionensummen. In diesen<br />
immer kleiner werdenden Runden nimmt<br />
die Präsenz wie auch die Bedeutung lokaler<br />
Kapitalgeber – lokaler Business Angels,<br />
lokaler Banken, VC-Äste von Landesregierungen<br />
etc. – sichtbar zu.<br />
In der Tabelle der Beteiligungsfinanzierungen<br />
in Deutschland ist dieser „Regionalisierungstrend“<br />
deutlich sichtbar. Bei zwei<br />
Dritteln der 29 aufgeführten Finanzierungen<br />
sind regionale Investoren zumindest an Bord.<br />
Aus Sicht der kapitalsuchenden Firmen<br />
eigentlich ein Segen: Lokale Netzwerke und<br />
die persönliche Interaktion mit Banken und<br />
Business Angels haben Vorteile. Auch die<br />
Kapitalgeber in direkter Nachbarschaft zu<br />
ihren Portfoliounternehmen können daraus<br />
Nutzen ziehen. Andererseits müssen Unternehmen<br />
mit Blick auf die Standortwahl diese<br />
Faktoren stärker berücksichtigen.<br />
Standortwechsel wegen Finanzierung?<br />
Mit der allgemein schlechten Finanzierungslage<br />
in Deutschland und der zuvor beschriebenen<br />
Regionalisierung der Finanzierungsszene<br />
gewinnt die Standortfrage auch aus<br />
diesem Aspekt heraus an Bedeutung. Während<br />
bisher in puncto Standort vor allem die<br />
Nähe zu Kollaborationspartnern, dem wissen-<br />
schaftlichen Umfeld oder allenfalls Zulieferern<br />
eine Rolle spielte, kommt möglicherweise<br />
der Investor als weiteres Element hinzu. Wenn<br />
die passenden Investoren und/oder Partner<br />
nicht vor Ort gefunden werden, ist auch ein<br />
Standortwechsel eine denkbare Option.<br />
Hierfür gab es bereits früher Beispiele: Etwa<br />
als Phenex Pharmaceuticals in ihren Anfängen<br />
kein VC-Kapital in Heidelberg bekommen<br />
konnte und deshalb den Umzug nach Ludwigshafen<br />
wagte, wo in Rheinland-Pfalz die<br />
EVP Capital Management (ehemals equinet<br />
Venture Partners) die Finanzierung übernahm.<br />
Ein aktuelles Beispiel betrifft CyTuVax. Das<br />
ehemals in Dortmund gegründete Unternehmen,<br />
das 2012 als ein Gewinner des<br />
Science4Life Venture Cup ausgezeichnet<br />
wurde, hat eine innovative Immuntherapieplattform<br />
zur Krebsvakzinierung ent-<br />
wickelt. Der zentrale Baustein ist ein auf<br />
Zytokinen in Depotform basierendes hoch<br />
effektives Adjuvans. Zytokine sind körper-<br />
eigene Biomoleküle, mit deren Hilfe Zellen<br />
des Immunsystems miteinander kommunizieren.<br />
Durch ihre Anwendung in Depotform<br />
in Vakzinen kann das Immunsystem gezielt<br />
beeinflusst werden. Damit wird es möglich,<br />
selbst gegen Tumoren und problematische<br />
Infektionskrankheiten zu vakzinieren. Trotz<br />
des hochinnovativen Ansatzes konnte in<br />
Deutschland keine Finanzierung realisiert<br />
werden, woraufhin CyTuVax ins Nachbarland<br />
Niederlande auswanderte. Am neuen Standort<br />
in Maastricht gelang offenbar, was in<br />
Deutschland verwehrt geblieben war: eine<br />
Beteiligung durch Nedermaas Ventures, ein<br />
ebenfalls regional auf die Region Limburg<br />
konzentrierter Ast der Industriebank LIOF.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 77
Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und<br />
BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt<br />
Dr. Ulf Menyes,<br />
CEO Enzymicals AG, Greifswald<br />
Enzymicals AG – Spezialisten im Bereich<br />
Biokatalyse<br />
2009 als Start-up aus dem AK Bornscheuer<br />
an der Universität Greifswald gegründet, ist<br />
die Enzymicals AG auf die biokatalytische<br />
Prozessentwicklung und Herstellung von<br />
Fein- und Spezialchemikalien bis in den Kilogrammmaßstab<br />
und einzigartigen Biokatalysatoren<br />
(Enzyme) spezialisiert.<br />
Produkt- und Dienstleistungsspektrum<br />
Alleinstellungsmerkmale besitzen die<br />
Greifswalder im Bereich der rekombinanten<br />
Schweineleberesterasen, (R)-selektiven<br />
Amintransaminasen und Baeyer-Villiger-<br />
Monooxygenasen. Das Enzymportfolio enthält<br />
innovative Biokatalysatoren in ver-<br />
schiedenen Qualitäten, um den Aufgabenstellungen<br />
der Kunden im höchsten Maße<br />
gerecht zu werden. Auch andere Enzym-<br />
klassen werden im Rahmen von Kundenprojekten<br />
bearbeitet und auf ihre effiziente<br />
ökonomische Nutzbarkeit gegebenenfalls<br />
durch Protein Engineering hin angepasst.<br />
Dabei steht dem Unternehmen neueste<br />
Technik zur Verfügung. Ein Schwerpunkt für<br />
das interdisziplinäre Team aus Biochemikern,<br />
Chemikern und Biologen bildet darüber<br />
hinaus der Dienstleistungs- und Prozessentwicklungsbereich.<br />
Hier werden z. B. Screenings<br />
für die biokatalytische Umsetzung von<br />
Chemikalien angeboten. Bei Eignung eines<br />
Enzyms werden die Prozesse, inklusive der<br />
Aufarbeitung der Produkte, entwickelt. Ziel<br />
ist eine Auslizenzierung an die Kunden.<br />
Industriepartner investieren strategisch<br />
Die Enzymicals AG hat von Ihrer Gründung<br />
an auf strategische Kooperationen – verbunden<br />
mit strategischen Investments zur ersten<br />
Finanzierung des Unternehmensaufbaus –<br />
gesetzt. So sind seit 2010 die BRAIN AG und<br />
seit 2012 zusätzlich die BBG (Braun Beteiligungs)<br />
GmbH Greifswald jeweils mit Minderheitsbeteiligungen<br />
investiert. Zur BBG GmbH<br />
gehört auch die HERBRAND PharmaChemicals,<br />
ein klassischer API-Hersteller. Weitere<br />
Unternehmen mit BBG-Beteiligung, welche<br />
für Enzymicals von Relevanz sind, sind die<br />
CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH und die<br />
WALTER RITTER GmbH & Co. KG.<br />
Optimale Positionierung innerhalb der Enzym-Wertschöpfungskette<br />
Die Kernkompetenzen der direkt miteinander<br />
kooperierenden Firmen ergänzen sich<br />
optimal: BRAIN identifiziert, optimiert und<br />
produziert neue Enzyme. Enzymicals übernimmt<br />
die Anwendungs- und Prozessentwicklung<br />
der biokatalytischen Prozesse für<br />
chemische und pharmazeutische Produkte<br />
sowie die prozessorientierte Enzymoptimierung.<br />
Am Ende steht dann die biokatalytische<br />
Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen<br />
(APIs) unter cGMP-Bedingungen<br />
der HERBRAND PharmaChemicals GmbH.<br />
Der Verbund der Unternehmen bildet damit<br />
eine einzigartige Wertschöpfungskette: vom<br />
neuen Enzym bis hin zum biokatalytisch<br />
hergestellten chemisch-pharmazeutischen<br />
Produkt (inklusive der Möglichkeit, im Netzwerk<br />
auch die kompletten Arzneimittel mit<br />
ökologisch und ökonomisch effizienten Prozessen<br />
herstellen zu können). Ein solcher<br />
Unternehmensaufbau durch strategische<br />
Investoren ist gegenüber anderen Finanzierungswegen<br />
ein Vorteil. Dieser erfordert<br />
eine ständige Kontrolle der strategischen<br />
Ansätze von allen Beteiligten durch eine<br />
ständige Aktivität am Markt mit Kundenorientierung.<br />
Um daraus keinen Nachteil erwachsen<br />
zu lassen, ist disziplinierte und kontinuierliche<br />
Abstimmung zwischen den<br />
Partnern erforderlich.<br />
Weitere Finanzierung durch Cashflow<br />
Die weitere Finanzierung des Unternehmens<br />
wird Schritt für Schritt durch den erfolgreichen<br />
Ausbau der Kundengeschäfte er-<br />
78 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
reicht. Zusätzlich wurden für die Entwicklung<br />
neuer Produkte und Prozesse im<br />
Bereich Feinchemikalien sehr erfolgreich<br />
öffentliche Fördermittelprojekte eingeworben.<br />
Auch dabei setzt die Enzymicals auf<br />
bestehende Kooperationen im Bereich von<br />
Universitäten und Firmen.<br />
Synergien nutzen aus bestehenden<br />
Kooperationen<br />
Die positiven Effekte, die sich aus der Zusammenarbeit<br />
mit der HERBRAND Pharma-<br />
Chemicals GmbH in der marktorientierten<br />
biokatalytischen Prozessentwicklung und<br />
mit der BRAIN AG in der Identifizierung neuer<br />
Enzyme ergeben, sind für alle Beteiligten<br />
hervorragend nutzbar. Es präsentiert sich<br />
dadurch am Markt ein starker Verbund von<br />
innovativen Unternehmen mit zum Teil jahrzehntelangen<br />
Erfahrungen und Kontakten.<br />
Die Möglichkeiten bei der HERBRAND Pharma-<br />
Chemicals GmbH versetzen den Verbund in<br />
die Lage, großvolumige Produktionsprozesse<br />
am Standort Deutschland unter cGMP-Bedingungen<br />
auszuführen und somit die Anfor-<br />
derungen der Kunden bezüglich Qualität<br />
und zeitnaher Belieferung optimal zu bedienen.<br />
Dieses Potenzial wurde auch am internationalen<br />
Markt auf der Informex <strong>2013</strong> in<br />
den USA gemeinsam angeboten. Über das<br />
bestehende Netzwerk hinaus ist es der Enzymicals<br />
gelungen, in kurzer Zeit eine Reihe<br />
von Kooperationen zu definierten Themengebieten,<br />
z. B. mit Sigma-Aldrich, Evonik,<br />
Lonza und einer Reihe von nicht offengelegten<br />
Kunden aus dem Bereich der pharma-<br />
zeutischen und chemischen Industrie, abzuschließen.<br />
Gut gerüstet für die Zukunft<br />
Enzymicals erwartet in dem stetig wachsenden<br />
Markt der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />
sehr gute Wachstumsaussichten für Produkte<br />
und Dienstleistungen. Die sich immer stärker<br />
ausprägende „Bioökonomie“ und die sich<br />
rasant entwickelnden innovativen Technologien<br />
im Bereich der Biokatalyse und der Biokatalysatoren<br />
selbst geben der Enzymicals<br />
mit ihrer engen Verzahnung zwischen universitären<br />
Forschungseinrichtungen und industriellen<br />
Kooperationen beste Aussichten,<br />
den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.<br />
www.enzymicals.com
Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie:<br />
Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran<br />
Dr. Ingmar Hoerr,<br />
CEO CureVac GmbH, Tübingen<br />
Das Erfolgs-Konzept CureVac<br />
Seit unserer Gründung im Jahr 2000 hat<br />
uns das außerordentliche medizinische<br />
Potenzial von messenger RNA (mRNA)<br />
überzeugt, unseren Weg in der Unternehmensentwicklung<br />
kontinuierlich voranzugehen.<br />
Dank des Einstiegs von Dietmar Hopp<br />
2006 in einer ersten Finanzierungsrunde<br />
mit 27,6 Millionen Euro konnten wir seither<br />
unsere mRNA-Plattform RNActive ® systematisch<br />
und dynamisch ausbauen und profes-<br />
sionalisieren. Für Dietmar Hopps erneutes<br />
Investment 2012 in Höhe von 80 Millionen<br />
Euro waren natürlich einige grundlegende<br />
Voraussetzungen sowie gezielte Planungen<br />
für die Zukunft notwendig.<br />
mRNA – Eine anspruchsvolle Diva<br />
RNA wird in der Evolutionsforschung als das<br />
Biomolekül betrachtet, auf dessen Grundlage<br />
alles weitere Leben entstand. Im Jahr 2006<br />
erhielt das Molekül besondere Aufmerksamkeit<br />
durch die Vergabe des Nobelpreises für<br />
das Phänomen RNA-Interferenz, vermittelt<br />
durch siRNA-Oligonukleotide, mit dem die<br />
Genexpression in Körperzellen gezielt ausgeschaltet<br />
werden kann. Allerdings gestaltet<br />
sich die therapeutische Entwicklung offensichtlich<br />
wesentlich komplizierter als anfäng-<br />
lich angenommen. mRNA-basierte Technologien,<br />
die eine gezielte Expression von Genen<br />
zur Grundlage haben, sind demgegenüber<br />
erst in einer vergleichsweise frühen<br />
Entwicklungsphase. CureVac übernahm hier<br />
in Hinblick auf die kommerzielle Entwicklung<br />
im Jahr 2000 eine Vorreiterrolle.<br />
RNActive ® – CureVacs einzigartige<br />
Plattform-Technologie<br />
Mit RNActive ® entwickeln wir mRNA-basierte<br />
Vakzine zur Behandlung von onkologischen<br />
Erkrankungen sowie zur Prophylaxe von<br />
Infektionskrankheiten. So haben wir zum<br />
weltweit ersten Mal mRNA als therapeutischen<br />
Impfstoff Krebspatienten mit Prostatakarzinom<br />
und mit Lungenkrebs appliziert<br />
und konnten dabei unsere präklinischen Ergebnisse<br />
klinisch validieren. Die Sicherheit<br />
der Plattform auch bei mehrmaligen Injektionen<br />
wurde dabei bestätigt. Durch die<br />
starke Aktivierung von spezifischen zellulären<br />
Immunantworten gegen alle neun verabreichten<br />
Antigene konnten wir Effektivität<br />
und Versatilität der Plattform belegen.<br />
Planung weiterer Studien<br />
Auf Grundlage der Ergebnisse dieser beiden<br />
Studien haben wir derzeit drei weitere onkolo-<br />
gische Studien geplant. Eine multizentrische,<br />
europäische Phase-IIb-Studie im Bereich<br />
Prostatakarzinom wurde bereits Anfang <strong>2013</strong><br />
gestartet. Darüber hinaus haben wir auch<br />
für den Bereich Lungenkrebs eine besondere<br />
Studie vorbereitet, die uns Erkenntnisse über<br />
die Kombinierbarkeit von RNActive ® mit bestehenden<br />
Therapien liefern wird. Die dritte<br />
Studie befasst sich mit dem „mode of action“<br />
von RNActive ® : Hierbei wollen wir vielversprechende<br />
präklinische Daten über die molekularen<br />
Funktionsweisen unserer Vakzine<br />
klinisch validieren. Nachdem wir im Jahr<br />
2009 wesentliche Fortschritte im Bereich<br />
der Stabilität von RNActive ® sowie in der<br />
Induktion einer ausgewogenen Immunantwort<br />
zeigen konnten, haben wir unsere Forschung<br />
und Entwicklung im Bereich der prophylaktischen<br />
Vakzine verstärkt ausgebaut.<br />
Transaktionen und Publikationen<br />
Unsere Ergebnisse haben 2011 zu einer weit-<br />
reichenden, mit 33 Millionen US-Dollar finan-<br />
zierten Partnerschaft mit Sanofi Pasteur,<br />
In-Cell-Art und DARPA (einer Behörde des<br />
amerikanischen Verteidigungsministeriums)<br />
geführt. Die Ergebnisse unserer Arbeiten<br />
der vergangenen Jahre in Zusammenarbeit<br />
mit dem Team um Prof. Lothar Stitz vom<br />
Friedrich-Loeffler-Institut im Bereich Influenza<br />
konnten wir vor wenigen Monaten in der Zeit-<br />
schrift Nature <strong>Biotech</strong>nology publizieren –<br />
u. a. die zentrale Erkenntnis, dass durch die<br />
Induktion einer starken Immunantwort<br />
(die Aktivierung einer zellulären Immunantwort<br />
sowie von spezifischen Antikörpern)<br />
in unseren Modellexperimenten auch neue,<br />
konservierte Antigene zum Schutz gegen<br />
eine Grippe-Infektion beitragen können.<br />
Weiterentwicklung der Prozesse<br />
Neben dem wissenschaftlichen Fortschritt und<br />
den damit verbundenen Patentanmeldungen<br />
sind die Innovationen im Ausbau der biophar-<br />
mazeutischen Produktion von RNActive ®<br />
wesentliche Erfolgsfaktoren, auf die wir unser<br />
besonderes Augenmerk legen. Es ist uns<br />
gelungen, das ursprünglich instabile Molekül,<br />
welches anfänglich bei minus 80 Grad Celsius<br />
gelagert wurde, soweit zu stabilisieren, dass<br />
wir mittlerweile auf keinerlei Kühlkette mehr<br />
angewiesen sind. Dies ist eine Grundvoraussetzung<br />
dafür, eine weltweite Versorgung<br />
mit Impfstoffen unter erheblichen Kosteneinsparungen<br />
zu garantieren. Wir haben den<br />
Herstellungsprozess in einer ersten Ausbaustufe<br />
soweit automatisiert, dass wir derzeit<br />
jährlich 3,5 Millionen RNActive ® -Impfdosen<br />
bei uns in Tübingen produzieren können.<br />
Ausblick<br />
Mittlerweile sind uns andere Firmen gefolgt,<br />
u. a. haben mit Novartis, der Mainzer Firma<br />
BioNTech, der Münchner Firma ethris und<br />
zuletzt ModeRNA aus Cambridge / Massachusetts<br />
weitere Protagonisten das Feld betreten.<br />
All diese Firmen arbeiten daran, durch<br />
mRNA als Basistechnologie eine neue Stufe<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie, die <strong>Biotech</strong>nologie 2.0,<br />
anzustoßen. Hier geht es weniger um die rekombinante<br />
maßgeschneiderte Entwicklung<br />
von Medikamenten ex vivo sondern um die<br />
gezielte Informationsübermittlung an den<br />
Körper, selbst sein eigenes Medikament herzustellen.<br />
Körpereigene Zellen können das<br />
von jeher am besten. mRNA fungiert dabei,<br />
ähnlich wie in einem schriftlich fixierten Rezept,<br />
als Überbringer von exakten genetischen<br />
Informationen, welche die Körperzellen<br />
brauchen, um die relevanten Proteine zu<br />
produzieren und an ihrem Wirkungsort einzusetzen.<br />
Für Vakzin-Antigene hat dies<br />
CureVac bereits klinisch validiert. Weitere<br />
Beispiele sind therapeutische Proteine wie<br />
Enzyme oder Hormone. Damit hat mRNA<br />
seinen Platz als bedeutendes neues Biomole-<br />
kül in der Wirkstoffentwicklung gefunden.<br />
www.curevac.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 79
CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell?<br />
Werner J. Langner,<br />
CATO Europe GmbH, Köln<br />
CATO investiert über<br />
CATO BIOVENTURES (CBV)<br />
Seit fast 25 Jahren verfügt CBV über eine<br />
innovative Investmentstrategie für Life-<br />
Science-Unternehmen und ist nun erstmals<br />
auch in Europa vertreten. Sie basiert auf der<br />
umfangreichen Erfahrung von CATO, einem<br />
weltweit agierenden Full-Service-Auftragsforschungsinstitut<br />
(CRO) mit den Kern-<br />
kompetenzen „Drug Development / Science“<br />
(„DD / S“) und „Regulatory Affairs“ („RA“).<br />
Ziel ist es, Sponsoren im Bereich <strong>Biotech</strong>,<br />
Pharma und Medtech auch dann bei der<br />
Produktentwicklung finanziell unterstützen<br />
zu können, wenn traditionelle Finanzierungs-<br />
quellen zu versiegen drohen.<br />
Partnership-Programm (Risk-Sharing-Programm)<br />
Sowohl aufstrebende als auch etablierte<br />
Unternehmen profitieren beim Partnership-<br />
Programm – auch Risk-Sharing-Programm<br />
genannt – von den Möglichkeiten einer Optimierung<br />
bzw. Minimierung ihres Finanzbedarfs.<br />
Hierbei wird in potenzielle Klienten<br />
zunächst auf Basis von Dienstleistungen, die<br />
von CATO übernommen werden, und dem<br />
Erwerb von Unternehmensanteilen des jeweiligen<br />
Vertragsunternehmens investiert.<br />
Die Höhe des Investments richtet sich dabei<br />
grundsätzlich nach dem gesamten Auf-<br />
tragsvolumen zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung.<br />
CBV zielt dabei nicht auf<br />
Rendite des eingesetzten Kapitals, sondern<br />
auf die Übernahme und den erfolgreichen<br />
Abschluss der CRO Services sowie eine langfristig<br />
angelegte Geschäftsbeziehung mit<br />
dem Klienten. Voraussetzung für die Teilnahme<br />
am Partnership-Programm ist eine<br />
erfolgreiche Due-Diligence-Prüfung, die<br />
primär auf die Technologie und das Managementteam<br />
des Klienten anhand eigener<br />
Qualitätskriterien abzielt und erst in zweiter<br />
Linie auf das Finanzmanagement des Unternehmens.<br />
Unterschiede zu VC-Finanzierung und Business-Angel-Modellen<br />
In vielen Ländern Europas sind VC-Gesellschaften,<br />
Business Angels, Finanzinstitute<br />
sowie vereinzelt staatliche Förderprogramme<br />
die tragenden Säulen bei der Finanzierung<br />
von Drug-Development-Prozessen. Ihre fast<br />
ausschließliche Verfolgung von Renditezielen<br />
unter Einbeziehung der Kapitalkosten, eine<br />
fehlende Kompetenz, die Durchführung von<br />
CRO Services zu übernehmen sowie die<br />
strengen Prüfkriterien bei der Due Diligence<br />
und Basel III erschweren zunehmend den<br />
Zugang zu den traditionellen Finanzierungsquellen.<br />
Allen ist gemeinsam: Keiner dieser<br />
Investortypen kann ein „Rundum-Sorglos-<br />
Paket“ anbieten.<br />
Ein ganzheitlicher Ansatz<br />
CATO BIOVENTURES hingegen bietet ganzheitliche<br />
Problemlösungen: Durch die Übernahme<br />
der CRO-Serviceleistungen erreicht<br />
CATO die mit dem Sponsor vereinbarten<br />
Milestones. Charakteristische Besonderheit<br />
des Unternehmens: Der große Erfahrungsschatz<br />
im Bereich RA, der auch aus den<br />
häufigen Interaktionen mit der FDA resultiert.<br />
Darauf aufbauend entwickelte sich zudem<br />
ein großes Innovationspotenzial, einhergehend<br />
mit einer sehr hohen Kompetenz<br />
bei der Wahl der jeweiligen Zulassungs-<br />
strategien.<br />
Maßgeschneiderte Lösungen<br />
CATO offeriert bei der Vertragsgestaltung<br />
ein Höchstmaß an Flexibilität während des<br />
gesamten Projektverlaufs. Potenzielle Klienten<br />
profitieren davon, dass sowohl vor der<br />
Pre-IND-Phase als auch zu einem beliebigen<br />
späteren Zeitpunkt im Projektverlauf eine<br />
Teilnahme am CBV-Programm möglich<br />
ist. Dem Klienten eine maßgeschneiderte<br />
Lösung seiner individuellen Probleme – und<br />
somit oft benötigten Freiraum – anzubieten<br />
ist hierbei primäres Ziel. Dies gilt auch hin-<br />
80 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
sichtlich der Kombination mit anderen<br />
Finanzierungsmodellen. Zudem wird auf<br />
Kapitalkosten oder Zinsen verzichtet, um die<br />
Projektdurchführung nicht mit zusätzlichen<br />
finanziellen Bürden zu belasten. Das Konzept<br />
hat somit positive Auswirkungen auf<br />
den Cashflow und – je nach Mittelverwendung<br />
– auch auf die Liquidität des Unternehmens.<br />
Dies sind klare Vorteile bei der Aus-<br />
gestaltung des Finanzmanagements.<br />
Majority-Ownership-Programm<br />
Im Majority-Ownership-Programm übernimmt<br />
CBV die Alleinvertretung eines Portfolios<br />
privat geführter Unternehmen oder ist zumindest<br />
größter Einzelinvestor. Das Programm<br />
stellt zudem eine mögliche Exit-Strategie<br />
dar, indem die betreuten Unternehmen<br />
beispielsweise in Übernahmen oder Akquisitionen<br />
aufgehen. Da eine Teilnahme am<br />
Majority-Ownership-Programm bislang nur<br />
auf dem nordamerikanischen Markt möglich<br />
war, konnten beispielhaft folgende dort ansässige<br />
Firmen Erfolgsgeschichten schreiben:<br />
RTP Pharma aufgrund einer von CATO entwickelten<br />
Technologie für schwerstlösliche<br />
Wirkstoffe (Akquisition durch SkyePharma<br />
2002), Durham Pharmaceuticals mit einem<br />
neuartigen dermatologischen Nootropikum<br />
(Merger mit Sontra Medical Corporation<br />
und anschließendem Aufgang in Echo Therapeutics<br />
2007), Artemis Neuroscience im<br />
Bereich Stammzellforschung (Merger mit<br />
VistaGen Therapeutics 2003). Darüber<br />
hinaus gründete CATO mehrere virtuelle<br />
Unternehmen mit Präparaten, die bei der<br />
FDA zugelassen sind. Professionalität, indi-<br />
vidueller Zuschnitt, die Reduzierung der<br />
Kosten auf das Minimum der Projektdurchführung,<br />
eine effektive Vorgehensweise und<br />
eine kürzere Time-to-Market sind kennzeichnende<br />
Merkmale des CBV-Programms,<br />
welches sich angesichts der andauernden<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa<br />
hoher Akzeptanz erfreuen wird.<br />
www.catobioventures.com
Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern<br />
Andreas Huber,<br />
Bayern Kapital GmbH, Landshut<br />
Bayern Kapital<br />
Junge Unternehmen aus dem Life-Science-<br />
Sektor mit oft schon hohem Kapitalbedarf<br />
in frühen Phasen stehen vor großen Finanzierungsproblemen<br />
aufgrund des Mangels<br />
an institutionellem VC-Kapital. Alternative<br />
Finanzierungsquellen gewinnen an Bedeutung.<br />
Ergänzend zur Finanzierung durch<br />
private VCs agieren staatliche Investitionsvehikel<br />
wie die Bayern Kapital GmbH und<br />
ihre Fonds.<br />
Bayern Kapital wurde auf Initiative der<br />
bayerischen Staatsregierung 1995 als<br />
100-prozentige Tochter der LfA Förderbank<br />
Bayern gegründet. Als VC-Gesellschaft des<br />
Freistaats stellt sie jungen innovativen Technologieunternehmen<br />
in Bayern, i. d. R.<br />
gemeinsam mit weiteren Investoren, Beteiligungskapital<br />
zur Verfügung. Einschließlich<br />
früherer Fonds wurden bislang rund 180<br />
Millionen Euro Beteiligungskapital in 220<br />
innovative Unternehmen aus verschiedenen<br />
Technologiefeldern investiert; über 4.000<br />
qualifizierte Arbeitsplätze wurden so geschaffen.<br />
Im Jahr 2012 wurden insgesamt<br />
27 Beteiligungen realisiert, darunter zehn<br />
Neuengagements.<br />
Zusammenarbeit mit anderen Investoren<br />
Bayern Kapital arbeitet mit allen anderen<br />
am Markt tätigen Investoren (Beteiligungsgesellschaften<br />
und Business Angels) sowie<br />
mit den Bundesinitiativen ERP-Startfonds<br />
der KfW und dem High-Tech Gründerfonds<br />
zusammen. Damit konnte Bayern Kapital<br />
neben dem eigenen eingesetzten Beteiligungskapital<br />
über 400 Millionen Euro Lead-<br />
und Coinvestment-Finanzierung mobilisieren.<br />
Portfolio<br />
Das Portfolio der Bayern Kapital umfasst<br />
aktuell 75 Unternehmen, davon 25 aus dem<br />
Life-Science-Bereich mit Schwerpunkt Medizintechnik,<br />
aber auch acht Unternehmen, die<br />
innovative Therapeutika entwickeln (z. B.<br />
Pieris, Suppremol). Zu den ehemaligen<br />
Beteiligungen der Bayern Kapital im Life-<br />
Science-Bereich zählen bekannte Namen<br />
wie MorphoSys, die 2012 von Amgen gekaufte<br />
Micromet, Geneart, ein führender<br />
Hersteller synthetischer Gene und – ein<br />
Beispiel für den zunehmenden Bedarf aus<br />
dem Bereich personalisierter Medizin – der<br />
Drug Developer Corimmun, den 2012 eine<br />
Tochter des Pharma-Konzerns Johnson &<br />
Johnson übernahm.<br />
Finanzierungsangebote im Seed-Bereich<br />
Die Bayern Kapital verfügt über verschiedene<br />
Fonds. Die allgemeinen Anforderungen an<br />
Team, USP, Markt, IP etc. sind weitestgehend<br />
deckungsgleich mit den marktüblichen Krite-<br />
rien privater Investoren. Die Seed-Finanzierung<br />
entspricht dabei dem HTGF-Modell,<br />
wobei das gesamte Finanzierungsvolumen<br />
0,6 Millionen Euro beträgt (offene Beteiligungen<br />
zu nominal 6 Prozent durch Bayern<br />
Kapital bzw. 12 Prozent durch den HTGF<br />
zusammen mit einem Wandelnachrangdarlehen).<br />
Die Darlehen werden im Zuge der<br />
Anschlussfinanzierungsrunde(n) mit privaten<br />
Investoren zu der dann geltenden Bewertung<br />
gewandelt. Private Side-Investoren<br />
sind eingeladen, bis zu 0,2 Millionen Euro<br />
zu investieren. Bayern Kapital ist einer der<br />
größten Seed-Finanzierungspartner des<br />
HTGF. Die Zusammenarbeit mit dem HTGF<br />
ist langjährig erfolgreich erprobt, z. B. beim<br />
gemeinsamen Engagement Corimmun.<br />
Weitere Finanzierungsangebote<br />
Die darüber hinaus vorhandenen Co-Finanzierungsfonds<br />
der Bayern Kapital können<br />
bis zu 2,5 Millionen Euro in Life-Science-<br />
Unternehmen investieren. Voraussetzung<br />
ist die Beteiligung eines privaten Lead-Inves-<br />
tors (VC-Gesellschaft, Family Offices bzw.<br />
Business Angels). Hierbei muss sich der<br />
Lead-Investor im Pari-Passu-Modell zu gleichen<br />
Bedingungen und in gleicher Höhe wie<br />
Bayern Kapital beteiligen. Für Business Angels<br />
gibt es ein von der EU speziell notifiziertes<br />
sogenanntes 30-70-Modell, welches ab<br />
0,15 Millionen Euro Business-Angel-Investment<br />
erlaubt, dass der Business Angel nur<br />
30 Prozent der Investitionssumme aufbringen<br />
muss. Dieses Modell erfährt zunehmen-<br />
den Zuspruch.<br />
Ausblick<br />
Die Life Sciences und speziell deren Finanzierung<br />
unterliegen großen Veränderungen,<br />
wie wir auch an unserem Portfolio sehen:<br />
• Investoren wie Business Angels, Family<br />
Offices, VC-Gesellschaften aus dem Ausland<br />
sowie Corporate Venture Capital zeigen ver-<br />
mehrt Interesse an heimischen Projekten.<br />
Kritisch bleibt allerdings die Finanzierung<br />
von kapitalintensiven Arzneimittelentwicklern<br />
in den frühen Phasen. Eine Syndizierung<br />
von finanzstarken Partnern, um Projekte<br />
bis zum Exit vorantreiben zu können,<br />
ist von immenser Bedeutung.<br />
• Die schnelle Generierung von Cashflow<br />
mittels hybrider Geschäftsmodelle trifft<br />
auf den zunehmenden Outsourcing-Trend<br />
im Pharma-Bereich.<br />
• Durch das Patent Cliff in der Pharma-<br />
Industrie werden Innovationen wieder<br />
zunehmend bei <strong>Biotech</strong>nologiefirmen<br />
gesucht – zu sehen etwa bei Corimmun<br />
bzw. an lukrativen Allianzen mit Big Pharma<br />
(z. B. Pieris / Daiichi Sankyo 2011).<br />
• Der steigende Kostendruck im Gesundheits-<br />
wesen wirkt sich auf die Vermarktungs- /<br />
Erstattungs- und damit auch die Exit-Chancen<br />
aus.<br />
• Neue Investitionsfelder an der Schnittstelle<br />
von Pharma /Healthcare und IT treten vermehrt<br />
auf. Bayern Kapital schloss im vergangenen<br />
Jahr eine erste Beteiligung im<br />
eHealth-Bereich ab.<br />
Das Angebot an staatlichen Beteiligungs-<br />
finanzierungen wie durch Bayern Kapital<br />
wird neben Fördermitteln wie GO-Bio aber<br />
nach wie vor ein wichtiger Baustein zur<br />
Finanzierung bleiben, auf den in Bayern<br />
auch langfristig gebaut werden kann. Eine<br />
neue Fondsgeneration der Bayern Kapital<br />
ist bereits in Vorbereitung.<br />
www.bayernkapital.de<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 81
Eigenkapitalfinanzierung in<br />
europäischen Ländern<br />
Die Übersichtsgrafik für die Equity-Finanzierung<br />
in Europa insgesamt deutet bereits<br />
darauf hin, dass nach wie vor eine deutliche<br />
Erholung an der Venture-Capital-Front nicht<br />
in Sicht ist. Diese Erkenntnis wird durch die<br />
Betrachtung einzelner Länder in Europa<br />
bestätigt. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es<br />
keine eindeutigen Trends in Richtung einer<br />
sichtbaren Erholung. Wie bereits für<br />
Deutschland konstatiert, zeigen einige Länder<br />
Extremausschläge, die sich aber bei<br />
vertiefter Analyse als Einzelereignisse heraus-<br />
stellen.<br />
Aufgrund der bereits angesprochenen Family-<br />
Office-Runden bei CureVac und BRAIN, die<br />
auch an der Spitze der europäischen Beteiligungsfinanzierungen<br />
liegen, reißt Deutschland<br />
wie bereits im Jahr 2010 nach oben aus.<br />
Demgegenüber gibt es bei Dänemark und<br />
Österreich klare Gründe für deren erdrutschartige<br />
Rückfälle. Während in Dänemark<br />
die sensationelle 100-Millionen-Euro-<br />
Finanzierung für Symphogen im Jahr 2011<br />
erwartungsgemäß keine Wiederholung<br />
fand, konnte auch Österreich nicht die bei-<br />
Finanzierung<br />
den letztjährigen großen Runden von<br />
AFFiRiS (25 Mio. €) und F-star (15 Mio. €)<br />
ausgleichen.<br />
Allenfalls würde man Ländern wie der Schweiz<br />
und den Niederlanden einen leichten und<br />
stetigen Aufwärtstrend über die letzten drei<br />
Jahre zubilligen. In der Schweiz konnten<br />
sowohl im letzten Jahr durch Biocartis<br />
(71 Mio. €) als auch im aktuellen Jahr durch<br />
ADC Therapeutics (39 Mio. €) und erneut<br />
Biocartis (35 Mio. €) signifikante Summen<br />
aufgenommen werden.<br />
Für die Niederlande schlugen im Vorjahr<br />
29 Millionen Euro für AM-Pharma zu Buche<br />
sowie 15 Millionen Euro für ProFibrix. Im<br />
Berichtsjahr 2012 stieg dieser Betrag auf<br />
insgesamt 74 Millionen Euro aus zwei Run-<br />
den (Agendia mit knapp 51 Mio. € und<br />
Prosensa mit 23 Mio. €) an.<br />
Hot Topics bei den Finanzierungsrunden:<br />
Diagnostik–Therapeutika-Plattformen für<br />
Krebs und Infektionserkrankungen<br />
Eine genauere Betrachtung der Top-10-<br />
Finanzierungsrunden liefert klare Erkenntnisse<br />
darüber, worauf aktuell das Interesse<br />
von Investoren ausgerichtet ist: den Thera-<br />
Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern<br />
Summe (Mio. €)<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
82 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
peutikasektor. Sieben der zehn Top-Finanzierungen<br />
gehen in diese Richtung. Allerdings<br />
fällt auf, dass gerade von den Top-5-<br />
Investments mit Summen über 30 Millionen<br />
Euro immerhin zwei im Diagnostikbereich<br />
und ein weiteres Engagement (BRAIN) im<br />
Segment der industriellen <strong>Biotech</strong>nologie<br />
getätigt wurden.<br />
Gemäß den im Einleitungskapitel „Perspektive“<br />
geäußerten Trends und Kategorisierungen<br />
für den Diagnostikbereich entsprechen<br />
die beiden Vertreter den bevorzugten<br />
Ausrichtungen in diesem Sektor: einerseits<br />
Agendia mit Fokus auf dem Thema „Big Data“<br />
in der Entwicklung von Krebsdiagnostika auf<br />
Basis von Sequenzdaten individueller Patien-<br />
ten, auf der anderen Seite Biocartis mit<br />
dem Ehrgeiz, ein voll integrierter Anbieter<br />
von Molekulardiagnostik-Tests inklusive der<br />
gesamten Device-Seite zu werden und damit<br />
Werkzeug einer patientennahen Diagnostik.<br />
Dementsprechend finden sich im Konsortium<br />
der Investoren auch Strategen (Debiopharm,<br />
Philips) bzw. deren Corporate-Venture-Vehikel<br />
(Johnson & Johnson Development Corporation),<br />
die ihre konkreten Interessen an<br />
den marktnahen Entwicklungen durch ihre<br />
Beteiligung sichern.<br />
Deutschland UK Schweiz Niederlande Frankreich Spanien Dänemark Belgien Schweden Österreich<br />
2010 2011 2012<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Der genauere Blick auf die Finanzierungs-<br />
runden der Therapeutikaentwickler lohnt:<br />
Wie bereits für die Finanzierungsrunden im<br />
vergangenen Jahr festgestellt, leiten auch<br />
2012 alle dort aufgeführten Firmen ihre<br />
Medikamentenentwicklungsaktivitäten von<br />
proprietären Technologieplattformen ab,<br />
die in die im Einleitungskapitel „Perspek-<br />
tive“ definierten Kategorien passen:<br />
• Tech@MPO:<br />
CureVac (RNA-Vakzine), ADC Therapeutics<br />
(Antibody Drug Conjugates), PsiOxus<br />
Therapeutics (Makromolekulare Therapeutika),<br />
Prosensa (Antisense-Thera-<br />
peutika), GenKyoTex (NOX-Inhibitoren),<br />
Cell Medica (T-Cell-Therapie)<br />
• Tech@Process:<br />
Chiasma (Drug Delivery)<br />
• Tech@Disease:<br />
AiCuris und F2G (beide Antiinfektiva)<br />
Finanzierung<br />
Risikokapitalfinanzierungen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />
Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren<br />
CureVac Deutschland 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding<br />
BRAIN Deutschland 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH,<br />
ungenannte Investoren<br />
Agendia Niederlande 50,6 Mai 5 Debiopharm, Breedinvest, Gilde Healthcare<br />
Partners, Global Life Science Ventures, ING Group,<br />
Korys, Van Herk Group, ungenannte Investoren<br />
ADC Therapeutics Schweiz 38,9 März Seed Celtic Therapeutics, Cancer Research Technology,<br />
private Investoren<br />
Biocartis Schweiz 34,5 Dezember 4 PMV, Benaruca, Debiopharm, Dr. Paul Janssen,<br />
Johnson & Johnson Development Corporation,<br />
Korys, New Rhein Healthcare, Philips, RMM,<br />
Valiance, Luc Verelst<br />
Chiasma Israel 29,9 Juli 3 7 Med Health Ventures, Abingworth, ARCH Venture<br />
Partners, F3 Ventures, Fredric Price, MPM Capital<br />
PsiOxus<br />
Therapeutics<br />
UK 27,1 Juni 2 Imperial Innovations, Invesco Perpetual,<br />
Lundbeckfond Ventures, SR One<br />
AiCuris Deutschland 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP <strong>Biotech</strong> Holding, Santo Holding,<br />
privater Investor<br />
F2G UK 23,3 September n/a Advent Life Sciences, Astellas Venture Fund,<br />
Merifin Capital, K Nominees, Novartis Bioventures,<br />
Sunstone Capital<br />
Prosensa Niederlande 23,0 Januar 6 New Enterprise Associates, Abingworth, Gimv,<br />
idinvest Partners, LSP Life Sciences Partners,<br />
MedSciences Capital<br />
Cell Medica UK 21,0 Juli 3 Cancer Prevention and Research Institute of Texas<br />
(CPRIT), Imperial Innovations, Invesco Perpetual<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Offenbar überzeugt der Aspekt einer nachhaltigen<br />
Produktgenerierung auf Basis<br />
eigener Plattformen mittlerweile wieder die<br />
Investoren, die in früheren Jahren explizit<br />
die technologielastigen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
auf eine reine und hochriskante Produktentwicklungsstrategie<br />
eingeschworen<br />
hatten. Ein wichtiges Argument dabei dürfte<br />
die deutlich größere Attraktivität der Technologieplattformfirmen<br />
für lukrative Deals mit<br />
Pharma sein. Zumindest in Zeiten, wo Exits<br />
über Transaktionen die nicht mehr stattfindenden<br />
IPOs ersetzen, ist dies eine nachvollziehbare<br />
Kehrtwendung.<br />
Schwerpunktthemen innerhalb der Therapeutikaentwicklung<br />
sind weiterhin die Indika-<br />
tionen Krebs und Infektionserkrankungen,<br />
die von 70 Prozent der finanzierten Firmen<br />
verfolgt werden. Die restlichen Unternehmen<br />
sind in Orphan-Drug-Indikationen aktiv<br />
(z. B. Chiasma / Akromegalie; Prosensa /<br />
genetische Defekte wie Chorea Huntington,<br />
Duchenne-Muskeldystrophie).<br />
Venture-Capital-Fonds in Europa nach wie<br />
vor stark engagiert<br />
Während traditionelles Venture Capital in<br />
Deutschland sowohl hinsichtlich der Rundenbeteiligung<br />
als auch des Kapitalvolumens<br />
weiter rückläufig ist, kann dieser Eindruck in<br />
der gesamteuropäischen Betrachtung nicht<br />
bestätigt werden. In acht der Top-10-Runden<br />
für Therapeutikaentwickler sind klassische<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 83
Finanzierung<br />
Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international)<br />
Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich<br />
Allianzen / Lizenzierungen<br />
Fremdkapital<br />
Fördermittel<br />
Freunde und Familie<br />
Private Investoren<br />
Business Angels<br />
VC<br />
Erlöse aus Servicegeschäften<br />
Erlöse aus Produktverkäufen<br />
0 %<br />
VCs in Konsortien involviert. Auch die Erweiterung<br />
auf die Top 50 ändert wenig an<br />
diesem Bild (40 von 50) und legt nahe,<br />
dass Venture Capital in Europa – anders als<br />
in Deutschland – insgesamt nach wie vor<br />
die Kapitalquelle erster Wahl ist.<br />
Wie bereits im vergangenen Jahr heraus-<br />
gestellt, sind die VC-Konsortien auch internationaler<br />
besetzt als dies in Deutschland<br />
der Fall ist, mit stärker grenzüberschreitenden<br />
Aktivitäten der Venture-Capital-Gesellschaften.<br />
10 % 20 % 30 % 40 % 50 %<br />
Deutschland (n = 120) Europa (Rest, n = 159) USA (n = 146)<br />
Corporate Venture mit Zielrichtung<br />
Produktinnovation<br />
Die in den letzten Jahren beobachtete<br />
Zunahme der Aktivitäten von Corporate<br />
Venture Funds und direkten Investments<br />
strategischer Partner setzt sich auch 2012<br />
fort. Insgesamt 15 (30 %) der Top-50-<br />
Finanzierungsrunden weisen Pharma oder<br />
andere Strategen im Investor-Konsortium<br />
auf. Dabei sind die jeweiligen CVC-Investments<br />
meist auf Technologieneuheiten und<br />
innovative Wirkstoffkonzepte ausgerichtet.<br />
Der Auftrag lautet, deren weitere Entwicklung<br />
zu beobachten, die Fortführung finanziell<br />
zu unterstützen und gegebenenfalls<br />
Nutzungsrechte rechtzeitig zu sichern.<br />
84 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
60 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Typische Beispiele sind etwa Promethera<br />
Biosciences mit Stammzellen, an denen<br />
Boehringer Ingelheim, Mitsui und Shire gleichermaßen<br />
Interesse bekundet haben.<br />
Ebenso F2G, deren neuartige Antiinfektiva<br />
für den Novartis Venture Fund und Astellas<br />
Venture Management interessant waren.<br />
Schließlich auch PsiOxus Therapeutics, die<br />
neue Wirkstoffklassen im Format von Makro-<br />
molekülen oder viralen Strukturen erschließen<br />
und damit Lundbeckfond Ventures sowie<br />
SR One (GSK) als Investoren gewonnen<br />
haben.
Die hier getroffenen Aussagen zu den Details<br />
der Finanzierungsrunden sowie zu den Aktivitäten<br />
der verschiedenen Investorengruppen<br />
decken sich zum Großteil mit denen des<br />
Vorjahres und scheinen auf den ersten Blick<br />
redundant. Allerdings ist zu beachten, dass<br />
es sich dabei um eine vollkommen andere<br />
Zusammensetzung der individuellen Ereignisse<br />
im Vergleich zum Vorjahr handelt.<br />
Wenn also in dieser vergleichenden Analyse<br />
identische Schlussfolgerungen resultieren,<br />
so bestärkt dies die entsprechenden Trendaussagen<br />
umso klarer.<br />
Privatinvestoren und Family Offices<br />
auch in Europa sichtbar<br />
Das bisher vor allem in Deutschland beschriebene<br />
Phänomen der Family Offices<br />
mit großen Taschen für den <strong>Biotech</strong>-Sektor<br />
(Hopp / Strüngmann) ist inzwischen auch<br />
in einigen europäischen Finanzierungs-<br />
runden erkennbar.<br />
Vor allem die beiden Diagnostikfinanzierungen<br />
(Agendia und Biocartis) weisen<br />
eine Reihe von Family Offices / Privatinves-<br />
toren als Mitfinanzierer aus:<br />
• Korys ist der Investmentarm der Colruyt<br />
Familie in Belgien, die im Lebensmittel-<br />
handel seit über 50 Jahren tätig ist; das<br />
FO investiert bevorzugt in den Bereichen<br />
Verbrauchsgüter, Life Sciences und Cleantech<br />
(Agendia, Biocartis)<br />
• Family Office Paul Janssen geht auf den<br />
Gründer der gleichnamigen Pharma-Firma<br />
zurück, die mittlerweile die Pharma-Aktivitäten<br />
von J&J trägt (Biocartis)<br />
• Van Herk Groep; eine holländische Familie<br />
aus Rotterdam mit Aktivitäten im Real-<br />
Estate- und Bau-Sektor (Biocartis)<br />
• Luc Verelst, CEO von Reliable Cancer<br />
Therapies, Belgien (Biocartis)<br />
• Rudi Mariën, CEO Innogenetics, Belgien<br />
(Biocartis)<br />
• Benaruca, FO von Rudi Pauwels<br />
(Biocartis-Gründer)<br />
Firmenumfrage: Finanzierungsquellen<br />
im internationalen Vergleich<br />
Zur Ergänzung der Analysen im Finanzierungsumfeld,<br />
die bisher vornehmlich auf die<br />
Top-Investments beschränkt waren, wurden<br />
in einer internationalen Umfrage alle privaten<br />
Finanzierung<br />
Unternehmen einbezogen und nach ihren<br />
jeweiligen Kapitalquellen gefragt. Im Ergebnis<br />
gab es auch hier keine wesentlichen<br />
Änderungen zum Vorjahr, weder in<br />
der Präferenz von Kapitalquellen noch<br />
in der Relation der geographischen Zuordnung.<br />
Sowohl die Dominanz von Erlösen aus<br />
dem Verkauf von Produkten (vornehmlich<br />
Tools & Equipment) und Dienstleistungen<br />
in Deutschland wird bestätigt als auch im<br />
Gegenzug die im Vergleich zu Deutschland<br />
(nur noch 16 %) stärker VC-basierte Finanzierung<br />
im restlichen Europa und den USA<br />
(28 % bzw. 22 %).<br />
Interessant ist, dass die Klasse der Business<br />
Angels im restlichen Europa und in den<br />
USA (13 bzw. 15 % der Antworten) eine<br />
wichtigere Rolle zu spielen scheint als in<br />
Deutschland, während die privaten Investoren<br />
gleichermaßen prominent vertreten<br />
waren (in Europa und in den USA quantitativ<br />
leicht rückläufig im Vergleich zum Vorjahr,<br />
in Deutschland konstant). Auch Fördermittel<br />
sind weiterhin in allen drei geographischen<br />
Räumen gleichermaßen begehrt und<br />
ein wichtiger Beitrag für die Finanzierung<br />
der Branche. Leider geht die Mittelvergabe<br />
oft am Bedarf vorbei, da insbesondere<br />
kleinere Unternehmen den administrativen<br />
Aufwand für die Beantragung nicht zu stemmen<br />
vermögen (mehr dazu im Artikel von<br />
Sven Pirsig, Ernst & Young, S. 88).<br />
Lichtblicke beim Fundraising?<br />
Nach sehr bescheidenen Erfolgen beim Fundraising<br />
für europäische Venture-Capital-Fonds<br />
im Jahr 2011 stellt sich die Bilanz für 2012<br />
extrem positiv dar. Vor allem die großen<br />
europäischen Investoren konnten signifikante<br />
Summen für neu aufgelegte Fonds aufnehmen.<br />
Allen voran Sofinnova Partners in Paris,<br />
die für ihren Capital VII Fonds ein Closing<br />
über 240 Millionen Euro meldeten und darüber<br />
hinaus auch einen neuen „Green Seed<br />
Fund“ mit 22,5 Millionen Euro etablieren<br />
konnten.<br />
Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl)<br />
Fondsname VC-Gesellschaft Land Volumen<br />
BioDiscovery IV FCPR Edmond de Rothschild<br />
Investment Partners<br />
Frankreich 125 Mio. €<br />
Creathor Venture Fund III CREATHOR VENTURE Deutschland 80 Mio. €<br />
Earlybird IV Earlybird Venture Capital Deutschland 100 Mio. US$<br />
HBM BioCapital II HBM Healthcare Investments Schweiz 90 Mio. €<br />
Index Life VI LP Index Ventures Schweiz 200 Mio. US$<br />
Inveready Biotec II Inveready Technology<br />
Investment Group<br />
Spanien 7 Mio. €<br />
Lifeline Ventures Fund I LIFELINE Ventures Finnland 20 Mio. €<br />
Sofinnova Capital VII Sofinnova Partners Frankreich 240 Mio. €<br />
Sofinnova Green Seed<br />
Fund<br />
Sunstone Life Science<br />
Ventures III<br />
TVM Life Science Ventures<br />
VII<br />
Wellington Partners IV<br />
Life Science Fund<br />
Sofinnova Partners Frankreich 22,5 Mio. €<br />
Sunstone Capital Dänemark 89 Mio. €<br />
TVM Capital Deutschland 150 Mio. US$<br />
Wellington Partners Deutschland 70 Mio. €<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 85
Wichtigste Geldgeber in diese neuen Fonds<br />
waren vor allem große institutionelle In-<br />
vestoren in Europa, Pensionsfonds, Fondsin-Fonds-Investoren<br />
und Versicherungen<br />
wie z. B.:<br />
• Skandia Life Insurance Company (UK)<br />
• CNP Assurances (F)<br />
• CDC Enterprises(F; in Regierungshand)<br />
Damit wird ein wesentlicher Unterschied<br />
im Fundraising zwischen deutschen und<br />
französischen Fonds sehr evident. Während<br />
in Frankreich die großen Versicherungskonzerne<br />
als signifikante Geldgeber diese<br />
Summen zusammenbringen, bleibt den<br />
deutschen Fonds der Zugang zu dieser Klasse<br />
versperrt und das Fundraising insgesamt<br />
ist deutlich erschwert.<br />
Der Erfolg von Sofinnova Partners muss<br />
aber vor allem auch direkt mit dem äußerst<br />
beeindruckenden 3,6 Milliarden Euro „Trade<br />
Sale Track Record“ über die letzten drei Jahre<br />
in Verbindung gebracht werden, nämlich<br />
durch den Verkauf von:<br />
• CoreValve an Medtronic (850 Mio. US)<br />
• Novexel an AstraZeneca (505 Mio. US)<br />
• Movetis an Shire (428 Mio. US)<br />
• Fovea Pharmaceuticals an Sanofi<br />
(370 Mio. US)<br />
• PregLem an Gideon Richter<br />
(445 Mio. CHF)<br />
Die Investmentstrategie für den neuen Fonds<br />
orientiert sich an den erfolgreichen Vorgängern:<br />
Durchbruchstechnologien und inno-<br />
vative Life-Science-Produkte aus Spin-offs,<br />
Start-ups und Turn-around-Geschäften.<br />
Zwei Drittel des Investitionsvolumens sollen<br />
in Europa angelegt werden.<br />
Ebenso beeindruckend ist der neue Fonds<br />
von Index Ventures mit einem Volumen<br />
von 150 Millionen Euro (200 Mio. US);<br />
vor allem deshalb, weil damit eine völlig<br />
neue Investmentstrategie einhergeht:<br />
Das Kapital wurde exklusiv für Investments<br />
in Asset-focused Companies, mit anderen<br />
Worten für Projektfinanzierungen in Ein-<br />
Projekt-Firmen, eingesammelt. Mit genau<br />
dieser Strategie konnte auch TVM Capital<br />
in München ein erfolgreiches Closing seines<br />
TVM Life Science Ventures VII über 150<br />
Millionen US-Dollar kommunizieren.<br />
Finanzierung<br />
Die Gemeinsamkeiten dieser beiden Fonds<br />
zum Thema „Asset Funding“ gehen insofern<br />
weiter, als beide große Pharma-Firmen wie<br />
GSK und J & J (im Falle von Index Ventures)<br />
bzw. Eli Lilly (bei TVM) als signifikante Investoren<br />
aufgenommen haben. Dies hat<br />
einige Konsequenzen. Die beiden VC-Gesellschaften<br />
verlagern ihr Kerngeschäft damit<br />
eindeutig (zumindest mit den genannten<br />
Fonds) weiter in Richtung Pharma. Sowohl<br />
für den Input von interessanten Projekten<br />
als auch als Partner für die anvisierten Exits<br />
nach Erreichen des klinischen Proof of<br />
Concept stehen die Pharma-Partner in erster<br />
Linie zur Verfügung. Sie stellen deshalb<br />
nicht nur Geld bereit, sondern prozessieren<br />
dadurch Projekte über eine externe Finanzierungs-<br />
und Projektmanagementschiene<br />
weiter, die intern nicht oder nur depriorisiert<br />
hätten verfolgt werden können.<br />
Dies sind sicherlich sehr relevante Beiträge<br />
zur nachhaltigen Innovation im Life-Science-<br />
Bereich und als solche dringend gefordert.<br />
Da es sich bei diesen Finanzierungen nicht<br />
um <strong>Biotech</strong>-Firmen im eigentlichen Sinne<br />
handelt, sondern eher um Projektmanagement-Aufgaben<br />
unter strikter Führung des<br />
VC-Investors, bleibt die Relevanz für <strong>Biotech</strong><br />
fraglich. Es wird zu beobachten sein, ob in<br />
diesem Modell tatsächlich auch Projekte aus<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen landen können, die<br />
aus deren Portfolio stammen und mangels<br />
Finanzierung gegen Bezahlung an die<br />
VC-Gesellschaften abgegeben werden – mit<br />
der Option zum späteren Rückkauf (à la<br />
Symphony Capital).<br />
Weitere neue Life-Science-Fonds mit dreistelligen<br />
Millionenkapitaleinlagen wurden<br />
von Edmond de Rothschild Investment<br />
Partners in Paris (125 Mio. €) sowie von<br />
Earlybird Venture Capital in Berlin aufgelegt<br />
(100 Mio. US).<br />
Es ist nach der am Anfang dieses Kapitels<br />
geführten Diskussion über weiter rückläufige<br />
VC-Finanzierungen in Deutschland<br />
umso erfreulicher zu beobachten, dass gerade<br />
in der Liste der erfolgreichen Fundraisings<br />
2012 deutsche VC-Gesellschaften mit<br />
am besten abschneiden. Den beiden franzö-<br />
sischen Fonds von Edmond de Rothschild<br />
Investment Partners und Sofinnova Partners,<br />
86 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
die zusammen rund 388 Millionen Euro neu<br />
auflegen konnten, stehen die vier deutschen<br />
Fonds (Earlybird venture Capital, CREATHOR<br />
VENTURE, TVM Capital, Wellington Partners)<br />
mit einer Gesamtsumme von 340 Millionen<br />
Euro neuem Kapital kaum nach. Und dies<br />
trotz der schlechteren Ausgangssituation<br />
im Zusammenhang mit dem fehlenden Engagement<br />
großer Versicherungskonzerne.<br />
Da dieses Geld den nach wie vor aktiven<br />
Investoren in Deutschland zugutekommt,<br />
könnte man hoffen, dass damit zumindest<br />
deren weitere Investitionsaktivitäten in<br />
<strong>Biotech</strong> abgesichert sind. Allerdings muss<br />
diese Erwartung gleich wieder relativiert<br />
werden. Sowohl CREATHOR VENTURE als<br />
auch Wellington Partners setzen vornehmlich<br />
auf reifere Pharma-Entwicklungen sowie<br />
auf Aktivitäten in der Diagnostik und damit<br />
nicht auf die Bereiche mit dem größtem<br />
Finanzierungsbedarf (frühe Therapeutika-<br />
entwicklung).<br />
Earlybird Venture Capital hatte sich bereits<br />
seit einiger Zeit aus <strong>Biotech</strong> „ausgeklinkt“<br />
und stärker auf Medizintechnik gesetzt. Und<br />
schließlich TVM Capital: Der neue TVM VII<br />
Fonds wurde in Kanada geschlossen, mit<br />
wesentlicher Beteiligung kanadischer Geldgeber<br />
(neben Eli Lilly) und einem klaren<br />
Commitment zu Investitionen in Kanada.<br />
Dennoch ist aus TVM-Kreisen zu hören, dass<br />
Investments in deutsche Asset-focused<br />
Companies nach diesem Modell nicht ausgeschlossen<br />
seien.<br />
Ein interessanter neuer Player könnte<br />
Sunstone Capital aus Kopenhagen werden.<br />
Der zuvor nur auf Skandinavien fokussierte<br />
Investor hat als erklärtes Ziel eine weitere<br />
Expansion nach Europa ausgegeben. Der<br />
neue Topf von fast 90 Millionen Euro könnte<br />
dafür eine Basis sein. Immerhin war Sunstone<br />
Capital bereits im Jahr 2012 an einigen<br />
Finanzierungsrunden außerhalb Dänemarks<br />
beteiligt (z. B. F2G in UK, Galecto <strong>Biotech</strong><br />
in Schweden).
Wellington Partners IV Life Science Fund:<br />
Ja zu <strong>Biotech</strong>, aber mit hoher Selektivität<br />
Dr. Rainer Strohmenger,<br />
Wellington Partners, München<br />
Der neue Fonds WP-IV Life Science<br />
Im September 2012 konnten wir das erste<br />
Closing des neuen Wellington Partners Life<br />
Science Fonds („WP-IV Life Science“; Zielgröße:<br />
120 Mio. €) bekanntgeben. Bereits<br />
das initiale Volumen lag bei über 70 Millionen<br />
Euro, d. h. nahe an der Größe des Vorgängerfonds<br />
WP-III Life Science (78 Mio. €). Dies<br />
war angesichts des schwierigen Finanzmarkt-<br />
umfelds ein großer Erfolg und löste ein<br />
äußerst positives Echo in der gesamten Life-<br />
Science-Branche aus. Bedeutet dies schon<br />
eine Trendwende für die angespannte Finanzierungssituation<br />
in der deutschen <strong>Biotech</strong>nologie?<br />
Sicherlich nicht. Der geographische<br />
Fokus von WP-IV Life Science beinhaltet<br />
zwar eine Betonung der DACH-Region, liegt<br />
aber auf Gesamteuropa. Der Investmentschwerpunkt<br />
umfasst alle Arten innovativer<br />
medizinischer Produkte, d. h. Medizintechnik,<br />
Diagnostika und Therapeutika. Die Strategie<br />
besteht darin, über diese Segmente hinweg<br />
die jeweils aus medizinischer Sicht sinn-<br />
vollsten Produktentwicklungen zu finanzieren,<br />
die zugleich das attraktivste Reimbursement<br />
erwarten lassen.<br />
Große institutionelle Investoren halten<br />
sich zurück<br />
Die Investorenbasis von WP-IV Life Science<br />
besteht sowohl aus staatlichen Investoren<br />
wie dem European Investment Fund (EIF),<br />
der bayerischen LfA und der österreichischen<br />
AWS, als auch aus Family Offices, Privat-<br />
investoren und kleineren institutionellen Investoren.<br />
Die meisten großen institutionellen<br />
Anleger sind zwar grundsätzlich an Life-<br />
Science-VC interessiert, aber es gibt meist<br />
keine Kompetenz und keine strategische<br />
Allokation für diesen Bereich. In ebenjener<br />
Zurückhaltung liegt der eigentliche Grund<br />
für die Kapitalknappheit, was aber wiederum<br />
Investments in Life Science für andere Anleger<br />
besonders attraktiv macht. Natürlich ist<br />
das Fundraising bei Privatinvestoren aufgrund<br />
geringerer Volumina und der Intransparenz<br />
dieser Anlegerklasse deutlich aufwändiger<br />
als im institutionellen Bereich. Auf<br />
der anderen Seite ist es gerade unser breites<br />
Investorennetzwerk, über das ein signifikan-<br />
ter Teil des qualitativ hochwertigen „proprietären“<br />
Dealflows generiert wird. Viele<br />
Family Offices bevorzugen Direktinvestments<br />
gegenüber Investments in VC-Fonds. Unsere<br />
Beobachtung ist allerdings, dass die meisten<br />
dieser Investoren nicht in der Lage sind,<br />
Beteiligungsunternehmen über die reine<br />
Finanzierung hinaus wesentliche Unterstützung<br />
zu bieten. Aus diesem Grund führt die<br />
Direktinvestmentstrategie in der Regel zu<br />
einer niedrigeren Erfolgsrate, die letztendlich<br />
das Gesamtinvestment gefährdet. Wir<br />
bieten daher unseren interessierten Privat-<br />
investoren an, parallel zu unserem Fonds<br />
in weiter fortgeschrittene Projekte mit ent-<br />
sprechend hohem Kapitalbedarf mitzu-<br />
investieren.<br />
Medizintechnik vs. <strong>Biotech</strong>nologie<br />
Für die Medizintechnik gilt der Standort<br />
Europa als besonders attraktiv, da vor allem<br />
die DACH-Region über hervorragende In-<br />
genieure verfügt und die Zulassungshürden<br />
im Vergleich zu den USA viel niedriger sind.<br />
Oft lässt sich ein innovatives Produkt bereits<br />
mit einer Investitionssumme von deutlich<br />
weniger als 10 Millionen Euro zur Zulassung<br />
bringen – ein Betrag, der von VC-Fonds ohne<br />
Schwierigkeiten bereitgestellt werden kann.<br />
Angesichts des knappen Angebots an Venture<br />
Capital und der niedrigen Einstiegsbewertun-<br />
gen bieten sich daher für Anleger enorme<br />
Chancen. Im Vergleich dazu wird der <strong>Biotech</strong>-<br />
nologiesektor von Investoren als deutlich<br />
schwieriger eingestuft – obwohl er im Wellington<br />
Track Record aufgrund von vielen<br />
sehr erfolgreichen Investments (Actelion,<br />
Grandis, immatics, Oxagen, Evolva) überproportional<br />
positiv heraussticht. Viele andere<br />
Investoren leiden jedoch noch immer<br />
unter den Nachwehen großer Investments in<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
zu riskante klinische Entwicklungsprojekte,<br />
die häufig scheiterten. Hinzu kommt, dass<br />
<strong>Biotech</strong>-IPOs in den letzten Jahren in Europa<br />
kaum stattfanden und sich dadurch die Halte-<br />
dauern verlängern. Nur in Ausnahmefällen,<br />
wie z. B. der Firma immatics mit ihrer einzig-artigen<br />
Krebsvakzineplattform, gelingt<br />
es, vorbörslich mehr als 100 Millionen Euro<br />
einzusammeln und Produkte durch alle klini-<br />
schen Entwicklungsphasen in kurzer Zeit bis<br />
zur Zulassung zu entwickeln.<br />
Wellingtons Kompetenz in Sachen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie<br />
Auf der anderen Seite verfügt Wellington<br />
Partners gerade in der <strong>Biotech</strong>nologie über<br />
außergewöhnliche Kompetenz: Mit Erich<br />
Schlick, dem früheren Forschungschef der<br />
BASF Pharma Knoll AG, und seinen damali-<br />
gen Mitarbeitern Melvin Spigelman und Ulrich<br />
Granzer gehören diejenigen Personen, die in<br />
den 90er Jahren für die Entwicklung von<br />
Humira verantwortlich waren, heute zum<br />
Wellington Life Science Team. Humira ® , der<br />
erste voll humane therapeutische Antikörper,<br />
hat sich heute mit mehr als neun Milliarden<br />
US-Dollar zum umsatzstärksten Medikament<br />
der Welt entwickelt – bei prozentual zweistelligem<br />
Wachstum. Regina Hodits, die Anfang<br />
2010 von Atlas Venture zu Wellington<br />
kam, brachte Erfahrung aus so erfolgreichen<br />
Exit-Transaktionen wie dem Genmab-IPO<br />
oder dem Verkauf der U3 Pharma an Daiichi<br />
Sankyo mit.<br />
Auch in Zukunft Investitionen in <strong>Biotech</strong><br />
Wellington Partners wird sich daher weiterhin<br />
selektiv im <strong>Biotech</strong>nologiebereich engagieren.<br />
Wir betrachten diesen Bereich als<br />
hochinteressant – nicht nur wegen der attrak-<br />
tiven Bewertungen, sondern auch aufgrund<br />
der Möglichkeiten zur Verbesserung des<br />
Rendite-Risikoprofils der Investments, z. B.<br />
durch Diversifikation mittels früher Kollaborationen<br />
oder durch konsequente Patienten-<br />
selektion in klinischen Entwicklungsprogrammen.<br />
Dies hilft nicht nur, Studiengrößen<br />
und Finanzierungsbedarf zu reduzieren,<br />
sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit<br />
eines Studienerfolgs und führt zur Entwicklung<br />
der besseren Medikamente.<br />
www.wellington-partners.com<br />
87
Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten<br />
gebraucht werden<br />
Sven Pirsig,<br />
Ernst & Young GmbH, Berlin<br />
Fördermittel auf dem Prüfstand<br />
Durch richtig gesetzte Anreize können wirtschaftspolitische<br />
Zielsetzungen schneller<br />
und wirkungsorientiert umgesetzt werden.<br />
Dafür gilt es, die Akzeptanz, die Zielgenauigkeit<br />
und vor allem die Effizienz des Einsatzes<br />
von Fördermitteln zu erhöhen. Bislang nutzt<br />
in Deutschland nur jeder fünfte Mittelständler<br />
Fördermittel, und wenn, ergeben sich<br />
hieraus hohe Mitnahmeeffekte. Dies verdeutlichen<br />
die Ergebnisse einer aktuellen<br />
Studie zum Thema „Nutzung öffentlicher<br />
Fördermittel“. Aufbauend auf einer repräsentativen<br />
Befragung wurde das Ernst &<br />
Young KMU-Förderbarometer entwickelt,<br />
welches detaillierte Entwicklungen zu Inanspruchnahme<br />
und Bedarf an öffentlicher<br />
Förderung publiziert. Bereits mit der zweiten<br />
Auflage im Jahr 2012 wird eine belastbare<br />
Informationsgrundlage für die Verbesserung<br />
der öffentlichen Förderlandschaft<br />
durch Politik und Verwaltung geschaffen.<br />
Dazu wurden 1.000 KMU in Deutschland mit<br />
bis zu 500 Mitarbeitern befragt.<br />
Nur geringe Inanspruchnahme bei KMU<br />
Die Befragung bei deutschen KMU zeigt,<br />
dass die Inanspruchnahme von öffentlichen<br />
Fördermitteln weiterhin auf einem insgesamt<br />
eher geringen Niveau liegt. Nur 17<br />
Prozent der Unternehmen nahmen in den<br />
vergangenen drei Jahren Fördermittel in<br />
Anspruch. Bei Kleinstunternehmen ist die<br />
Quote mit 13 Prozent deutlich niedriger. Im<br />
Vergleich zum Vorjahr gibt es nur geringfügige,<br />
d. h. leicht rückläufige Änderungen<br />
bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln.<br />
Mitnahmeeffekte korrelieren mit<br />
Unternehmensgröße<br />
Die Ursachen für die geringe Inanspruch-<br />
nahme sind vielschichtig. Als eine Haupt-<br />
ursache nennen die KMU fehlenden Bedarf.<br />
Hierbei sind neben den Unterschieden zwischen<br />
den alten und neuen Bundesländern<br />
auch die Spezifika der Branche zu berücksichtigen.<br />
<strong>Biotech</strong>-Firmen mit ihrem hohen<br />
Kapitalbedarf werden öfter und regelmäßig<br />
öffentliche Beteiligungen oder F&E-Zuschüsse<br />
anstreben als KMU anderer Branchen. Eins<br />
haben die vielen kleinen und mittleren Unter-<br />
nehmen aber gemeinsam: Jedes sechste<br />
(15 %) beklagt, dass es nicht über genügend<br />
Zeit für die aufwendige Beantragung<br />
der Fördermittel verfügt bzw. der administrative<br />
Aufwand sehr hoch ist oder aus-<br />
reichende Unterstützung im Antragsprozess<br />
fehlt. Hier sind die KMU gefordert, öffentliche<br />
Dienstleister wie IHKs oder Landesförderinstitutionen<br />
als Supporter noch stärker<br />
in Anspruch zu nehmen. Die Erstellung eines<br />
Businessplanes für ein Investitionsvorhaben<br />
lässt sich jedoch kaum delegieren. Eine<br />
differenzierte Betrachtung zeigt, dass ein<br />
direkter Zusammenhang zwischen Mitnahme-<br />
effekten und Unternehmensgröße besteht.<br />
Mit zunehmender Größe der Unternehmen<br />
hätten diese die geförderte Maßnahme auch<br />
ohne Fördermittel durchgeführt. Folglich ist<br />
die Relevanz von Mitnahmeeffekten bei<br />
mittleren Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten<br />
größer als bei den kleineren KMU.<br />
Nachholbedarf bei der Subventionierung<br />
Die Untersuchungsergebnisse lassen den<br />
Schluss zu, dass in Zeiten knapper werden-<br />
der Ressourcen sowohl hinsichtlich einer<br />
bedarfsorientierten Gestaltung als auch der<br />
Effizienz der Förderprogramme noch Optimierungspotenziale<br />
bestehen. Die vorhandenen<br />
Mittel sind zukünftig noch zielgerichteter<br />
einzusetzen. Die Bewertung der Wirk-<br />
88 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
samkeit der Förderung, z. B. durch regel-<br />
mäßiges Monitoring und Evaluierungen, sollte<br />
Standard werden. Die Förderinstrumente<br />
müssen zukünftig so gestaltet werden, dass<br />
Mitnahmeeffekte auf ein Minimum reduziert<br />
werden und besonders kleine Unternehmen<br />
auf diese zugreifen können. Weiterhin muss<br />
die Beantragung von Fördermitteln für Unternehmen<br />
sowohl transparenter als auch<br />
unbürokratischer gestaltet werden, um die<br />
Akzeptanz zu erhöhen. Es ist wichtig, die<br />
vorhandenen Mittel zielgerichtet und effizient<br />
einzusetzen, um eine maximale Wirkung<br />
für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu<br />
erzielen.<br />
Förderdschungel Deutschland<br />
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
haben Innovationen, Forschung und Ent-<br />
wicklung sowie Humanressourcen eine hohe<br />
Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung.<br />
Deutschland zeichnet sich durch ein vielschichtiges<br />
System von Förderprogrammen<br />
aus EU-, Bundes- und Ländermitteln mit unterschiedlichsten<br />
Zielen und Anforderungen<br />
aus. Nicht immer ist diesbezüglich für Unternehmen<br />
eine ausreichende Transparenz<br />
gegeben. Ziel des Ernst & Young-Ansatzes<br />
„Lernendes Programm“ ist daher eine Ver-<br />
besserung der Wirksamkeit und des effizienten<br />
Mitteleinsatzes unter Berücksichtigung<br />
aller Beteiligten, Schnittstellen und<br />
Prozesse zu gewährleisten. Unser Beratungs-<br />
angebot deckt dabei den gesamten Lebenszyklus<br />
eines Programms ab und erstreckt<br />
sich sowohl auf summative als auch formative<br />
Evaluierungen, welche das Branchen-<br />
team Government Public Sector anbietet.<br />
Weiterhin können Unternehmen auf direkte<br />
und vielfältige Unterstützung bei der Innovationsförderung<br />
zurückgreifen. Dies kann die<br />
Beantragung von Fördermittel für komplexe<br />
F&E-Vorhaben oder auch die Strukturierung<br />
des Vorhabens betreffen. Die Identifizierung<br />
der potenziellen Förderung – wie z. B. aus dem<br />
EU-Programm Horizon 2020 oder aus dem<br />
Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand<br />
des BMWi – hängt dabei von den spezifischen<br />
Bedingungen des jeweiligen Investitionsvorhabens<br />
ab.
Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche <strong>Biotech</strong>nologie<br />
Ingrid Zwoch,<br />
Nationale Kontaktstelle Lebenswissen-<br />
schaften (Projektträger für das BMBF),<br />
Bonn<br />
Das neue Rahmenprogramm<br />
Für die Beteiligung an europäischen Pro-<br />
grammen sind neben der Erschließung neuer<br />
Märkte und Netzwerke die Streuung des<br />
Forschungs- und Entwicklungsrisikos und<br />
der Zugang zu Schlüsseltechnologien, Infrastruktur<br />
und Know-how die vorrangingen<br />
Ziele biotechnologischer Einrichtungen.<br />
Anfang 2014 wird offiziell das neue Rahmenprogramm<br />
der EU für Forschung und Innovation<br />
– Horizon 2020 – mit einer Laufzeit<br />
von sieben Jahren starten.<br />
Horizon 2020<br />
Bereits jetzt ist zu erkennen, dass mit diesem<br />
neuen Programm ein Paradigmenwechsel<br />
innerhalb der europäischen Forschungs-<br />
förderung eingeleitet wird: Horizon 2020<br />
setzt verstärkt auf Innovationen – Forschung<br />
soll wesentlich dazu beitragen, Innovationen<br />
umzusetzen und die wirtschaftliche Entwicklung<br />
Europas zu befördern. Die Struktur<br />
von Horizon 2020 spiegelt diese Innovations-<br />
nähe des Programms wider: In den drei<br />
Hauptblöcken (I) Wissenschaftsexzellenz,<br />
(II) Führende Rolle der Industrie und (III)<br />
Gesellschaftliche Herausforderungen hat die<br />
Förderung von Unternehmen vorwiegend im<br />
Teil II einen Schwerpunkt. So haben Schlüssel-<br />
technologien, zu denen auch die <strong>Biotech</strong>nologie<br />
explizit zählt, eine eigene Förderlinie<br />
erhalten. Der erleichterte Zugang zur Risikofinanzierung<br />
für KMU und die gezielte Unter-<br />
stützung einzelner KMU – ein Novum in<br />
einem europäischen Rahmenprogramm –<br />
sind industriefreundliche Neuerungen.<br />
Förderbereiche<br />
Wichtige Förderbereiche für die gesamte<br />
<strong>Biotech</strong>nologieszene werden die Gesell-<br />
schaftlichen Herausforderungen mit den<br />
Challenges „Gesundheit, demografischer<br />
Wandel und Wohlergehen“ und „Ernährungs-<br />
und Lebensmittelsicherheit, nachhaltige<br />
Landwirtschaft, marine und maritime Forschung,<br />
und Biowirtschaft“ bieten. Die Planung<br />
sieht auch gemeinsame thematische<br />
Ausschreibungen mit den Schlüsseltechnologien<br />
vor. Damit soll die direkte Verbindung<br />
von neuen Technologien und deren Einsatz<br />
in der Forschung und Entwicklung sichergestellt<br />
werden.<br />
Neue Finanzierungsmöglichkeiten über<br />
Public-Private Partnerships<br />
Neben den o. g. Optionen eröffnen auch<br />
gemeinsame Technologie-Initiativen (Joint<br />
Technology Initiativen, JTI) Beteiligungsmöglichkeiten.<br />
JTI sind eine Variante der<br />
Public-Private Partnerships (PPPs): Finanzmittel<br />
aus Horizon 2020 werden mit privaten<br />
Investitionen kombiniert. JTI können eigene<br />
Ausschreibungen durchführen. Ein bekanntes<br />
Beispiel ist die Innovative Medicines Initiative<br />
(IMI), die bereits im siebten Forschungs-<br />
rahmenprogramm (FP7) selbständig Projekt-<br />
ideen aus dem Bereich der präkompetitiven<br />
Arzneimittelforschung fördert. Diese mit<br />
einem Gesamtbudget von zwei Milliarden<br />
Euro weltweit größte öffentlich-private Partnerschaft<br />
bietet auch deutschen innovativen<br />
<strong>Biotech</strong>nologieunternehmen vielfältige<br />
Chancen zur Zusammenarbeit mit Akademie,<br />
Zulassungsbehörden, Patientenorganisatio-<br />
nen und der Großindustrie. JTI haben häufig<br />
vom Rahmenprogramm abweichende Regelungen<br />
zum Umgang mit geistigem Eigentum<br />
(IMI IP Policy), den Finanzierungsbedingun-<br />
gen bzw. administrativen Vorgaben. Aktuell<br />
laufen die Beratungen, die Rahmensetzungen<br />
der Nachfolgeinitiativen für Horizon 2020<br />
stärker auf die Bedürfnisse aller an den Projekten<br />
beteiligten Einrichtungen auszurichten.<br />
Für Horizon 2020 ist ebenfalls in dem Bereich<br />
der „industriellen <strong>Biotech</strong>nologie“ eine neue<br />
Form der PPP („BRIDGE“) geplant. Im<br />
Rahmen von „BRIDGE“ sollen neue Wertschöpfungsketten<br />
von der Biomasseproduktion<br />
bis hin zum Markt – einschließlich Bioraffinerien<br />
– etabliert werden. Für Industrie-<br />
unternehmen ist es von großer Bedeutung,<br />
sich bereits frühzeitig in Gremien und Beratungsforen<br />
zu neuen Initiativen zu engagieren<br />
und sich an der Erarbeitung strategischer<br />
Forschungs- und Innovationsagenden zu beteiligen.<br />
Wieviel im Einzelnen?<br />
Die Förderung von Forschungs-, Entwicklungs-<br />
und Demonstrationsaktivitäten in Horizon<br />
2020 wird durch die Beteiligungsregeln festgelegt.<br />
Geplant wird, die Erstattung der<br />
tatsächlichen Kosten mit einer Förderquote<br />
je Maßnahme / Projekt spezifisch festzulegen.<br />
Sie ist unabhängig vom Einrichtungstyp<br />
(z. B. Universität, KMU, Großindustrie) und<br />
den jeweiligen Aktivitäten innerhalb des<br />
Projektes. Sie soll maximal bis 100 Prozent<br />
für Forschungs-, Entwicklungs-, Koordinierungs-<br />
und Managementaktivitäten aufkommen;<br />
für Demonstrationsaktivitäten wird<br />
sie bei maximal 70 Prozent liegen. Für die<br />
Erstattung der indirekten Kosten ist eine<br />
Pauschale von 20 Prozent vorgesehen. Wie<br />
die Instrumente im Einzelnen aussehen<br />
werden, mit denen die Projekte letztendlich<br />
umgesetzt werden, ist Gegenstand aktueller<br />
Diskussionen auf europäischer Ebene.<br />
Chancen nutzen. Jetzt!<br />
Interessierte Einrichtungen sollten sich<br />
vorbereiten: Erste Ausschreibungen von<br />
Horizon 2020 werden aller Voraussicht<br />
nach im Winter <strong>2013</strong>/14 publiziert werden.<br />
Die Beteiligung deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<br />
unternehmen, die zum größten Teil durch<br />
KMU repräsentiert sind, war im letzten<br />
Rahmenprogramm sehr erfolgreich. Die<br />
Chancen, europäische Fördermittel akquirieren<br />
zu können, werden nochmals steigen.<br />
Um erfolgreich zu sein, ist es extrem wichtig,<br />
sich frühzeitig auf der europäischen Bühne<br />
zu engagieren und zu informieren. Entscheidend<br />
ist eine fundierte Beratung im Vorfeld<br />
von Ausschreibungen.<br />
www.nks-lebenswissenschaften.de<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
89
Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Börsengänge weiter Fehlanzeige<br />
Man kann dieses Kapitel getrost kurz abschließen:<br />
Auch im sechsten Jahr in Folge<br />
nach 2006 gab es keine Börsengänge deutscher<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen.<br />
Das seit Jahren andauernde Desinteresse<br />
des Kapitalmarkts am <strong>Biotech</strong>-Sektor hält<br />
unvermindert an. Der Gang an die Börse<br />
kann nicht einmal als Finanzierungsrunde<br />
mit einem akzeptablen Kapitalzufluss angestrebt<br />
werden, und somit sind auch die mit<br />
einem Börsengang verbundenen Kontroll-<br />
und Transparenzpflichten noch weniger zu<br />
rechtfertigen.<br />
Dennoch gibt es vereinzelt Diskussionen, die<br />
aus der Perspektive der mindestens genauso<br />
schlechten Finanzierungssituation im priva-<br />
ten <strong>Biotech</strong>-Sektor neue Überlegungen zu<br />
einem Listing am Kapitalmarkt einbringen.<br />
Als Argument wird der Zugang zu individuellen<br />
Investoren für PIPEs genannt, der die<br />
fast aussichtslose Suche nach privaten Inves-<br />
toren und die Auseinandersetzung mit komplizierten<br />
Konsortienbildungen erübrigt.<br />
Weiterhin wird auch die größere Transparenz<br />
im Zusammenhang mit der Bewertung von<br />
Assets über die Marktkapitalisierung ins<br />
Feld geführt.<br />
Ob diese Argumente tragen, ist schwer abzuschätzen;<br />
konkrete Beispiele für Listings<br />
ohne Aktienausgabe fehlen und auch die<br />
Finanzierungserfolge für bereits gelistete<br />
Unternehmen am Kapitalmarkt machen sich<br />
eher bescheiden aus (s. o.).<br />
Bleibt zu wiederholen, dass ohne eine Wieder-<br />
belebung des Kapitalmarktes die gesamte<br />
Branche im Hinblick auf Finanzierungen und<br />
erfolgreiche Exits weiter unter Druck stehen<br />
wird. Trade Sales alleine können nicht die<br />
Lösung für alle <strong>Biotech</strong>-Unternehmen und<br />
auch nicht für alle Geschäftsmodelle sein.<br />
Börsengänge europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Unternehmen Land Volumen<br />
(Mio. €)<br />
Auch im restlichen Europa Börsenflaute<br />
für <strong>Biotech</strong><br />
Bis auf den IPO von Adocia aus Frankreich<br />
sind die restlichen vier „Börsengänge“ in<br />
Spanien (Bionaturis), Schweden (Respiratorius),<br />
Irland (Prothena) und Israel (Vaxil<br />
BioTherapeutics) allenfalls als Neunotierung<br />
an den jeweiligen Kapitalmärkten zu<br />
sehen. Als Finanzierungsereignisse waren sie<br />
weniger geeignet. Bei den beiden letztgenannten<br />
stand in der Tat auch das Listing direkt<br />
(Prothena) oder in Form des Reverse<br />
IPO (Vaxil) als primäres Ziel auf dem Plan.<br />
Adocia nahm bei seinem doppelten Börsengang<br />
in New York (NYSE) und Paris (Euro-<br />
next) immerhin gut 27 Millionen Euro ein<br />
und befand sich damit in guter Gesellschaft<br />
mit privaten Finanzierungsrunden. Das<br />
Unternehmen entspricht mit seiner Aufstellung<br />
auch nicht dem üblichen <strong>Biotech</strong>-Modell<br />
eines Therapeutika- oder Diagnostikentwick-<br />
lers sondern hat bereits eine Marktposition<br />
mit Umsätzen im einstelligen Millionenbereich.<br />
Außerdem ist das Geschäftsmodell<br />
eher in der Nähe von Specialty-Pharma-<br />
Firmen anzusiedeln:<br />
• Drug-Delivery-Technologie („Bio-Chape-<br />
rone“ zur Verpackung von Proteinen mit<br />
Heparin-ähnlichen Polysacchariden)<br />
• Verbesserung von therapeutisch relevanten<br />
Biologicals (z. B. Insulin, Wachstumsfaktoren)<br />
• Risikoreduktion durch „Veredelung“ von<br />
erfolgreichen Marktprodukten (z. B. Insulin)<br />
• Schwerpunkt auf der Entwicklung und<br />
Vermarktung<br />
90 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Datum Börse Art<br />
Adocia Frankreich 27,4 14. Februar NYSE<br />
Euronext Paris<br />
Bionaturis Spanien 3,0 26. Januar MAB IPO<br />
Respiratorius Schweden 0,8 15. Mai AktieTorget IPO<br />
Prothena<br />
Corporation<br />
Vaxil<br />
BioTherapeutics<br />
IPO<br />
Irland 21. Dezember NASDAQ Listing<br />
Israel 25. Juli TASE Reverse IPO<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Trotz dieses Profils und einer attraktiven<br />
Marktposition konnte die Aktie über den<br />
Jahresverlauf ihren Ausgangswert nicht<br />
halten. Die Jahresabschlussnotierung ergab<br />
als Market Cap lediglich 50 Millionen Euro,<br />
glatte 50 Prozent unter dem Ausgangswert<br />
beim Börsenstart (Market Cap 100 Mio. €).<br />
Somit bleibt die Diskussion hinsichtlich einer<br />
Verbesserung der Geschäftsposition für<br />
<strong>Biotech</strong>-Firmen durch ein Börsen-Listing<br />
weiter offen. Adocia jedenfalls motiviert –<br />
selbst mit guter Ausgangsposition – durch<br />
seine Börsen-Performance nicht gerade<br />
dazu, diese Strategie einzuschlagen.<br />
Sehr erstaunlich und ungewöhnlich ist auch<br />
das Listing der Prothena Corporation aus<br />
Irland. Das Unternehmen ist ein Spin-off –<br />
und hier liegt der Hintergrund des Listings –<br />
aus Elan und hat seine Kernkompetenz in der<br />
Entwicklung von monoklonalen Antikörpern<br />
für die Behandlung von Krankheiten, bei<br />
denen falsch gefaltete Proteine eine Rolle<br />
spielen (z. B. Amyloidose). Ungewöhnlich ist<br />
dies, da das Lead-Programm von Prothena<br />
gerade einmal die Phase I der klinischen<br />
Entwicklung angetreten und dafür Orphan-<br />
Drug-Status erhalten hat. In diesem Stadium<br />
würde ein <strong>Biotech</strong>-Unternehmen herkömmlicher<br />
Prägung am Kapitalmarkt nicht akzep-<br />
tiert werden. Da die Finanzierung durch Elan<br />
aber weiter gesichert ist und die Corporation<br />
auch Hauptaktionär bleibt, ist die Situation<br />
bei Prothena nachvollziehbar.
US-Börsen mit Bio-Appetit?<br />
Die IPO-Aktivitäten in den USA hatten sich<br />
bereits vor zwei Jahren wieder erholt und<br />
waren im letzten Jahr (2011) mit zehn<br />
Börsengängen und einem Gesamtvolumen<br />
von 814 Millionen US-Dollar wieder fast auf<br />
dem Niveau vor der Finanzkrise angelangt.<br />
Auf dieser Höhe verharrt der Kapitalmarkt<br />
in den USA auch 2012. Insgesamt 11 IPOs<br />
haben frisches Kapital in Höhe von 765 Millionen<br />
US-Dollar eingefahren. Dazu kamen<br />
zwei Listings und vier Reverse IPOs die anzeigen,<br />
dass Unternehmen stärker an den<br />
Kapitalmarkt drängen.<br />
Die aufgeführten 11 IPOs haben zwar im<br />
Durchschnitt mit etwa 70 Millionen US-Dollar<br />
etwas weniger eingenommen als noch im<br />
Vorjahr (84 Mio. US). Dafür waren aber in<br />
diesem Jahr erfreulicherweise alle Unternehmen<br />
über der 50-Millionen-Dollar-Grenze.<br />
Es gab nur einen IPO mit 100 Millionen<br />
US-Dollar, den Börsengang von Merrimack<br />
Pharmaceuticals, der das Feld knapp anführt.<br />
Merrimack repräsentiert sicherlich<br />
das Paradigma des aktuellen Börsenkandidaten:<br />
eine Technologieplattform für Antikörper<br />
und Nanotherapeutika mit einer<br />
Finanzierung<br />
breiten Pipeline an Krebswirkstoffen in fortgeschrittener<br />
klinischer Entwicklung; dazu<br />
kommt ein Deal mit Sanofi als externem<br />
Partner und „Evaluator“ der Plattform sowie<br />
deren Output.<br />
Auch das Muster der IPOs hinsichtlich Geschäftsmodell<br />
und Reifegrad war recht<br />
homogen: Alle 11 Unternehmen sind Therapeutikaentwickler<br />
mit Leitprodukten in<br />
Phase III der klinischen Entwicklung sowie<br />
zwei Specialty-Pharma-Unternehmen mit<br />
Produkten bereits am Markt. Ausnahme<br />
bildet Verastem, das erst in der Präklinik<br />
steht; allerdings mit einem hochinnovativen<br />
Ansatz zur Entwicklung niedermolekularer<br />
Inhibitoren für Krebsstammzellen. CEO<br />
Christoph Westphal und Board-Mitglied<br />
Robert Weinberg, zwei Krebsforschungs-<br />
pioniere aus Cambridge/Massachusetts,<br />
sind die Aushängeschilder dieser Unter-<br />
nehmung, die die Börsenglocke erstmals<br />
beim IPO aus dem Labor einer <strong>Biotech</strong>-<br />
Firma geläutet haben.<br />
Interessant ist weiterhin die einzige Technologiefirma<br />
– Regulus Therapeutics aus San<br />
Diego. Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss<br />
der früheren Antisense-RNA-Pioniere<br />
Alnylam Pharmaceuticals und Isis Pharmaceuticals,<br />
die auf Basis der Technologien<br />
und Patente ihrer Vorgänger innovative<br />
microRNA-Therapeutika entwickeln. Beleg<br />
für die offenbar hochattraktive Technologieplattform<br />
sind bestehende Frühphasen- bzw.<br />
Plattform-Deals mit Sanofi, AstraZeneca<br />
und GSK neben einem eigenen, noch frühen<br />
Entwicklungsprogramm.<br />
Börsengänge US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Unternehmen Volumen (Mio. US$) Datum Art<br />
Merrimack Pharmaceuticals 100,1 29. März IPO<br />
Tesaro 86,8 24. Juli IPO<br />
Intercept Pharmaceuticals 86,3 15. Oktober IPO<br />
KYTHERA Biopharmaceuticals 81,0 16. Oktober IPO<br />
Durata Therapeutics 77,6 24. Juli IPO<br />
Verastem 63,3 27. Januar IPO<br />
Cempra Pharmaceuticals 58,0 3. Februar IPO<br />
Hyperion Therapeutics 57,5 31. Juli IPO<br />
Supernus Pharmaceuticals 52,2 1. Mai IPO<br />
ChemoCentryx 51,8 8. Februar IPO<br />
Regulus Therapeutics 50,9 4. Oktober IPO<br />
Puma <strong>Biotech</strong>nology 16. April Listing<br />
RXi Pharmaceuticals 1. Mai Listing<br />
ADMA Biologics 29. März Reverse IPO<br />
Arrogene NanoTechnology 11. Januar Reverse IPO<br />
Islet Sciences 1. März Reverse IPO<br />
Retrophin 18. Dezember Reverse IPO<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 91
Finanzierung börsennotierter <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen in Deutschland bleibt<br />
schwierig<br />
Mit einer Gesamtsumme von nur 80 Millionen<br />
Euro an Einnahmen aus Finanzierungen<br />
am Kapitalmarkt bleibt dieses Terrain für<br />
<strong>Biotech</strong> schwierig. Wenngleich in der Summe<br />
doppelt so hoch wie noch im vergangenen<br />
Jahr und den Jahren nach der Krise (mit der<br />
Ausnahme von 2010, als mit einer PIPE-<br />
Kapitalerhöhung bei Agennix durch das<br />
Hopp Family Office alleine 78 Millionen Euro<br />
aufgenommen werden konnten), so reicht<br />
sie noch immer nicht an die Vorkrisenwerte,<br />
die bei deutlich über 100 Millionen Euro<br />
gelegen hatten.<br />
Alle aufgeführten Finanzierungsrunden sind<br />
PIPEs, welche die nach wie vor stagnierende<br />
Situation des Kapitalmarkts belegen, wo<br />
meist nur direkte Commitments der existierenden<br />
Anteilseigner die Weiterfinanzierung<br />
ihrer Portfoliofirmen stemmen. Das Bild<br />
gleicht auch insofern dem des Vorjahres,<br />
weil fast exakt die gleichen Namen auftreten.<br />
Dennoch stechen einige Firmen hervor, die<br />
durch positive Performance die benötigten<br />
Kapitalerhöhungen realisieren konnten.<br />
MOLOGEN rechtfertigt die Kapitalaufnahme<br />
von insgesamt 24,7 Millionen Euro (2011<br />
10 Mio. €) mit guten klinischen Daten. In<br />
den ersten neun Monaten des Jahres 2012<br />
hat MOLOGEN mehrere wichtige Ziele erreicht.<br />
Die klinischen Studien zu den beiden<br />
Produktkandidaten MGN1703 (Darmkrebs)<br />
und MGN1601 (Nierenkrebs) übertrafen<br />
alle Erwartungen. Weitere positive Meilensteine<br />
in der aktuellen Berichtsperiode stellten<br />
zum einen der erfolgreiche Abschluss der<br />
präklinischen Arbeiten zum Leishmaniose-<br />
Impfstoff MGN1331 und zum anderen der<br />
Beginn der Kooperation mit der Charité<br />
Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für<br />
Molekulare Medizin zur klinischen Unter-<br />
suchung einer auf der von MOLOGEN ent-<br />
wickelten MIDGE ® -Technologie basierenden<br />
Immuntherapie gegen den schwarzen Hautkrebs<br />
dar.<br />
Finanzierung<br />
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012<br />
Unternehmen Volumen (Mio. €) Datum Art<br />
MOLOGEN 22,0 19. Juni PIPE<br />
WILEX 16,1 3. August PIPE<br />
4SC 12,6 13. Juni PIPE<br />
Biofrontera 11,5 2. März PIPE<br />
WILEX 9,9 9. Januar PIPE<br />
co.don 3,9 20. August PIPE<br />
MOLOGEN 2,7 27. März PIPE<br />
Biofrontera 1,4 3. Februar PIPE<br />
Noch erfolgreicher hinsichtlich der Kapitalaufnahme<br />
war WILEX, das in ebenfalls zwei<br />
Tranchen 25 Millionen Euro einnahm. Im<br />
Wesentlichen wurde diese Kapitalerhöhung<br />
getragen durch den Hauptaktionär Dietmar<br />
Hopp. Umso tragischer, dass im Herbst des<br />
letzten Jahres der erwartete Erfolg der Phase-III-Studie<br />
ausblieb und das Kapital somit<br />
zunächst verloren schien.<br />
Ebenfalls Wiederholungstäter nach knapp<br />
12 Millionen Euro 2011 war 4SC, die im Berichtsjahr<br />
2012 erneut um die 13 Millionen<br />
Euro aufnehmen konnte. Auch hierbei handelt<br />
es sich um eine notwendige Finanzspritze<br />
per PIPE für die weiteren klinischen<br />
Entwicklungsschritte, gezeichnet von den<br />
existierenden Investoren (u. a. Thomas<br />
Strüngmann).<br />
92 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Biofrontera, in den letzten Jahren immer<br />
aktiv mit mehreren kleineren Kapitaler-<br />
höhungen über PIPEs, konnte auch 2012<br />
zweimal „zuschlagen“ und insgesamt 13<br />
Millionen Euro durch Ausgabe neuer Aktien<br />
an bestehende Aktionäre erzielen. Newsflow<br />
durch weitere Vertriebsvereinbarungen<br />
(z. B. Allergan, Desitin) für ihre Therapie<br />
der aktinischen Keratose tragen zur positiven<br />
Stimmung bei.<br />
Schließlich war auch co.don mit einer kleineren<br />
Kapitalmaßnahme über ein 3,9-Millionen-Euro-PIPE<br />
erfolgreich, die von Trans<br />
Nova Investments und Osemifaro Investments,<br />
beide mit Sitz in Zypern, ausgingen.<br />
Die Kapitalerhöhung hat die Gesellschaft in<br />
die Lage versetzt, insbesondere die hohen<br />
Aufwendungen für die zentrale Zulassung<br />
der Tissue-Engineering-Produkte zur Behandlung<br />
von Knorpeldefekten zu erlangen.<br />
Dies ist Ende 2012 durch die positive Einschätzung<br />
der Zulassungsbehörden tatsächlich<br />
erfolgreich vorangebracht worden.
Börsennotierte <strong>Biotech</strong>-Firmen in Europa<br />
stagnieren weiter<br />
Kapitalerhöhungen europäischer <strong>Biotech</strong>-<br />
Firmen 2012 lagen mit 910 Millionen Euro<br />
zwar 12 Prozent über dem Vorjahreswert.<br />
Die Gesamteinnahmen über den Kapitalmarkt<br />
bleiben in Europa aber weiterhin<br />
deutlich unter dem Bedarf und den Werten<br />
aus den Vorkrisenjahren (z. B. 3,35 Mrd. €<br />
2007).<br />
Immerhin lagen die Top 10 der Einzelmaßnahmen<br />
immer noch deutlich über dem Mittel<br />
der Kapitalerhöhungen in Deutschland,<br />
sodass MOLOGEN mit seiner 22 Millionen-<br />
Runde gerade einmal an Platz neun zu<br />
liegen kommt.<br />
Mit einer Ausnahme – der auf die Entwicklung<br />
von Augenerkrankungen spezialisierten<br />
ThromboGenics in Belgien – gehören<br />
alle Firmen mit Kapitalerhöhungen über<br />
40 Millionen Euro der Gruppe der Specialty-<br />
Pharma-Unternehmen an:<br />
• Amarin Corporation<br />
• Vernalis<br />
• Veloxis Pharmaceuticals<br />
• Algeta<br />
Diese sind größtenteils am Markt etabliert<br />
und können den Kapitalmarkt mit anderen<br />
Kennzahlen angehen als Entwicklungsfirmen<br />
aus dem traditionellen <strong>Biotech</strong>-Bereich.<br />
ThromboGenics kann ebenfalls auf eine sehr<br />
erfolgreiche Entwicklung von Produkten<br />
gegen Augenkrankheiten bauen, die im<br />
Zuge der Partnerschaft mit Alcon und deren<br />
Finanzierung<br />
Übernahme durch Novartis ins Rampenlicht<br />
von Pharma und damit von Analysten gerückt<br />
war.<br />
Abzüglich dieser offensichtlichen Kapitalmarkt-„Platzhirsche“<br />
fallen die restlichen<br />
Kapitalmaßnahmen in den gleichen Rahmen,<br />
der bereits für Deutschland beschrieben<br />
wurde: wenige Unternehmen und kleine<br />
Runden, die allesamt (außer in Israel) als<br />
PIPEs strukturiert sind. Insofern kommt<br />
man auch für das europäische Börsenumfeld<br />
in <strong>Biotech</strong> nur zu dem Schluss, dass<br />
vom Kapitalmarkt immer noch keine neuen<br />
Signale zu vernehmen sind. Somit steht<br />
Deutschland diesbezüglich nicht alleine,<br />
sondern sollte sich gemeinsam mit den<br />
Nachbarländern bzw. den entsprechenden<br />
<strong>Biotech</strong>-Verbänden überlegen, wie hier Impulse<br />
gesetzt werden könnten.<br />
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl)<br />
Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Datum Art<br />
Amarin<br />
Corporation<br />
Irland 116,7 4. Januar Wandelanleihe<br />
Vernalis UK 84,4 10. Februar Follow-on<br />
ThromboGenics Belgien 77,8 28. März PIPE<br />
Veloxis<br />
Pharmaceuticals<br />
Dänemark 56,7 15. Oktober PIPE<br />
Algeta Norwegen 40,2 13. Februar PIPE<br />
Prolor <strong>Biotech</strong> Israel 29,1 10. Mai Follow-on<br />
Pluristem<br />
Therapeutics<br />
Fremdfinanzierung in Europa<br />
erstmalig auffällig<br />
Ausschlaggebend für die Höhe der Gesamtfinanzierung<br />
in Europa ist vor allem das<br />
erstmalig signifikante Volumen an Fremd-<br />
finanzierungen (1.331 Mio. €). Diese Kategorie<br />
war bisher lediglich in den USA als<br />
Zeichen einer reiferen Industrie sichtbar<br />
gewesen.<br />
Entsprechend sind es aber auch in Europa<br />
sehr wenige Firmen, die in diesem Ruf<br />
stehen und deshalb hier auch große Summen<br />
in Form von Fremdkapital aufnehmen<br />
konnten:<br />
• Elan<br />
• Jazz Pharmaceuticals<br />
• Alkermes<br />
• Swedish Orphan Biovitrum<br />
Israel 28,4 12. September Follow-on<br />
Rosetta Genomics Israel 24,6 3. August Follow-on<br />
MOLOGEN Deutschland 22,0 19. Juni PIPE<br />
Clavis Pharma Norwegen 21,8 18. Januar PIPE<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 93
Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch:<br />
4SC führt Kapitalerhöhung durch<br />
Enno Spillner,<br />
CEO / CFO 4SC AG, Martinsried<br />
Flaute am deutschen Kapitalmarkt?<br />
2012 war ein erfolgreiches Jahr für die inter-<br />
nationale <strong>Biotech</strong>-Branche und auch <strong>2013</strong><br />
hat vielversprechend begonnen. Die positive<br />
Entwicklung spiegelte sich in Medikamenten-<br />
zulassungen und klinischen Erfolgen ebenso<br />
wider wie in der guten Branchen-Performance<br />
an den Kapitalmärkten. In Deutschland war<br />
die Situation aufgrund einiger Rückschläge<br />
und nur weniger aktiver lokaler Investoren<br />
jedoch bedeutend schwieriger. Zusammen<br />
führte dies im Heimatmarkt zu einer geringen<br />
Anzahl von Finanzierungsrunden und kleineren<br />
Transaktionsvolumina. Trotz allem gelang<br />
es einigen „Small Caps“ mit attraktiven<br />
Werttreibern im Portfolio, auch unter den<br />
harschen Finanzierungsbedingungen Geld<br />
am Kapitalmarkt zu beschaffen – unter anderem<br />
der 4SC AG.<br />
4SC wirbt 12,6 Millionen Euro ein<br />
Im Sommer 2012 war die Eurokrise auf<br />
ihrem Höhepunkt und es bestand im Zu-<br />
sammenhang mit der Parlamentswahl in<br />
Griechenland eine große Verunsicherung,<br />
im Euroraum Mittel zu investieren. Insbeson-<br />
dere war völlig unklar, wie sich der Kapitalmarkt<br />
in der zweiten Jahreshälfte weiter<br />
entwickeln würde. In diesem schwierigen<br />
Umfeld gelang es 4SC, Gelder bei bestehenden<br />
Aktionären und neuen internationalen<br />
institutionellen Investoren einzuwerben.<br />
Anfang Juli 2012 schloss das Unternehmen<br />
erfolgreich eine Kapitalerhöhung mit Be-<br />
zugsrecht aus dem genehmigten Kapital mit<br />
einem Bruttoemissionserlös in Höhe von<br />
12,6 Millionen Euro ab. Dadurch konnte 4SC<br />
die Aktionärsbasis weiter stärken und die<br />
Finanzierung anstehender operativer Meilen-<br />
steine absichern.<br />
Das Commitment der Altaktionäre lockt<br />
auch ausländische Investoren<br />
Die Kapitalerhöhung wurde maßgeblich von<br />
den Altaktionären getragen – ein wichtiges<br />
Signal für interessierte neue Investoren. Das<br />
im Vorfeld bekundete Engagement des Groß-<br />
aktionärs Santo, sich mit bis zu fünf Millionen<br />
Euro zu beteiligen, spielte bei der Platzierung<br />
der Kapitalerhöhung eine wichtige Rolle.<br />
Es ist zudem erwähnenswert, dass rund ein<br />
Viertel der Aktien bei neuen institutionellen<br />
Investoren, vor allem aus den Benelux-Staaten,<br />
Frankreich und Skandinavien, platziert<br />
werden konnten. Die weitgehende Zurückhaltung<br />
amerikanischer Investoren war spür-<br />
bar, aber in Anbetracht der Euro-Krise verständlich.<br />
Entsprechend war eine gewisse<br />
Finanzierungslücke vorhanden, nachdem<br />
bei einer im Jahr 2011 durchgeführten<br />
Kapitalerhöhung von 4SC knapp ein Drittel<br />
der Mittel von US-Investoren eingeworben<br />
worden war.<br />
Struktur der Finanzierung<br />
Die Transaktion erfolgte in drei Stufen:<br />
Zunächst wurde eine Vorabplatzierung mit<br />
einem Bruttoerlös von rund 4,4 Millionen<br />
Euro bei institutionellen Investoren durchgeführt,<br />
um den Erfolg der Transaktion frühzeitig<br />
transparent zu machen. Im zweiten<br />
Schritt erfolgte das Bezugsangebot an die<br />
bestehenden Aktionäre. Im letzten Schritt<br />
wurden im Rahmen des Bezugsangebots<br />
nicht platzierte Aktien in einem Rump Placement<br />
bei institutionellen Investoren platziert.<br />
Gewollt kein öffentliches Angebot<br />
Ein öffentliches Angebot erfolgte nicht: Die<br />
Transaktion richtete sich bewusst nur an Altaktionäre<br />
und ausgewählte institutionelle<br />
Investoren. Gemäß der alten Prospektricht-<br />
linie war im Sommer 2012 ein vorgelagerter<br />
Angebotsprospekt noch nicht notwendig,<br />
was Zeit sparte. Die Zulassung der neuen<br />
Aktien zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse<br />
erfolgte im September 2012<br />
auf Basis eines nachgelagerten Zulassungsprospekts.<br />
Um dennoch den neuen Aktionären<br />
umgehend handelbare Aktien an die Hand<br />
geben zu können, hat 4SCs größter Aktionär<br />
94 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
dankenswerter Weise einen Teil seiner bestehenden<br />
Aktien via Aktienleihe zur Ausgabe<br />
an die neuen Investoren zur Verfügung gestellt<br />
und selbst zunächst nicht zugelassene<br />
Aktien gehalten. Die gewählte Form der<br />
Kapitalerhöhung war somit effizienter und<br />
schneller umsetzbar als eine konventionelle<br />
Kapitalerhöhung mit vorgelagerter Prospekt-<br />
erstellung.<br />
Finanzierung von börsengelisteten<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Die Möglichkeiten zur Refinanzierung von Bio-<br />
tech-Unternehmen am europäischen Kapital-<br />
markt bleiben weiterhin herausfordernd –<br />
anders als derzeit in den USA. Es ist deshalb<br />
wichtig, neben Kapitalerhöhungen auch alter-<br />
native Finanzierungsquellen wie Royalty<br />
Financing und SEDA nicht aus den Augen zu<br />
verlieren und weitere „kreative Wege“ zu<br />
erschließen. Eine Grundregel ist dabei, für<br />
alles offen und startbereit zu bleiben und<br />
situationsbedingt im Sinne des Unternehmens<br />
zu agieren – frei nach der Devise „Take the<br />
money when you can“.<br />
Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt durch<br />
Umsätze<br />
In diesem Zusammenhang hat 4SC eine eigene<br />
Strategie entwickelt, um ein Stück weit<br />
unabhängiger vom Kapitalmarkt zu werden –<br />
nämlich die Generierung von Mittelzuflüssen<br />
aus der konzerneigenen Frühphasenforschung<br />
durch die Anfang 2012 gestartete Tochtergesellschaft<br />
4SC Discovery GmbH. Umsätze<br />
entstehen zum einen durch das Dienstleistungsgeschäft<br />
in der Wirkstoffentdeckung.<br />
Hier wurde beispielsweise mit der Mainzer<br />
BioNTech AG im Februar <strong>2013</strong> eine dreijährige<br />
Partnerschaft gemeldet. Darüber hinaus<br />
zielt 4SC Discovery auf Partnering Deals im<br />
Early-stage-Bereich ab. Medikamentenprogramme<br />
werden bereits in frühen Forschungs-<br />
phasen mit <strong>Biotech</strong>- und Pharma-Firmen ver-<br />
partnert, um frühzeitig Mittelzuflüsse zu generieren,<br />
die Entwicklung zu beschleunigen<br />
und von Beginn an auf eine breitere Grundlage<br />
zu stellen sowie in späteren Phasen vom<br />
Wertzuwachs zu profitieren. Hier sorgte das<br />
Unternehmen Ende Februar <strong>2013</strong> mit einem<br />
Deal mit der dänischen LEO Pharma A/S für<br />
Aufsehen. Neben einer Vorabzahlung von<br />
einer Million Euro könnte 4SC daraus weitere<br />
Meilensteineinnahmen von fast 100 Millionen<br />
Euro plus Umsatzbeteiligungen erzielen.<br />
www.4sc.de
Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen<br />
Peter Brock,<br />
Family Office Services,<br />
Ernst & Young GmbH, Düsseldorf<br />
Family Offices – eine Chance für den<br />
deutschen Mittelstand<br />
Seit der weltweiten Finanzkrise ist bei Family<br />
Offices ein deutlicher Trend zu spüren, signifikante<br />
Teile des betreuten Vermögens in Real-<br />
kapital und als Direktinvestition anzulegen.<br />
Traditionelle Depots börsennotierter Wertpapiere<br />
und Anleihen haben infolge des schwierigen<br />
Marktumfeldes (schwache Renditen bei<br />
erhöhter Volatilität, historisch niedriges Zinsniveau,<br />
steigende Inflationsgefahr und der<br />
unter Druck geratene Euro) an Attraktivität<br />
verloren – einen nachhaltigen Vermögenserhalt<br />
über mehrere Generationen hinweg können<br />
sie nur noch bedingt gewährleisten. Neben<br />
Immobilienanlagen und Private Equity Investments<br />
rücken damit auch unternehmerische<br />
Direktbeteiligungen verstärkt in den Fokus<br />
langfristig agierender Family Offices. In den<br />
vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass<br />
unternehmerisch geprägte Family Offices ver-<br />
mehrt als Investoren auftreten. Dabei handelt<br />
es sich sowohl um bekannte Family Offices mit<br />
Milliardenvermögen als auch verstärkt um<br />
weniger prominente vermögende Familien und<br />
Privatpersonen. Immer öfter schließen sich<br />
auch mehrere Family Offices zusammen, um<br />
mit Hilfe sog. Club Deals auch größere Firmenbeteiligungen<br />
erwerben zu können und das<br />
Risiko zu streuen. Für Verkaufsprozesse mittelständischer<br />
Unternehmen – besonders<br />
auch in Nachfolgesituationen – stellen Family<br />
Offices eine zunehmend wichtige Quelle von<br />
Eigenkapital dar.<br />
FOs in Deutschland und Europa<br />
Family Offices sind eigenständig organisierte<br />
Vermögensverwaltungen und ermöglichen<br />
die ganzheitliche und unabhängige Betrachtung<br />
des Gesamtvermögens des Vermögensinhabers<br />
– einschließlich aller Asset-Klassen<br />
wie Immobilien und Firmenbeteiligungen –<br />
mit der Aufgabe, ebenjenes private Groß-<br />
vermögen über Generationen hinweg zu<br />
erhalten bzw. zu vermehren. Das Dienstleis-<br />
tungsspektrum ist breit gefächert: Neben<br />
Kernbereichen der Vermögensverwaltung,<br />
des Investmentcontrollings und des <strong>Report</strong>ings<br />
bieten FOs u. a. auch Steuerberatung,<br />
Nachfolgeregelungen und Concierge Services<br />
an. Der europäische Family-Office-Markt hat<br />
seit seiner Etablierung Anfang der 90er Jahre<br />
stark an Bedeutung gewonnen und bildet<br />
heute einen integralen Bestandteil der Finanz-<br />
dienstleistungsbranche. In Deutschland werden<br />
nach Schätzungen von Experten mehr<br />
als 180 Milliarden Euro Gesamtvermögen<br />
durch Family Offices betreut. Ihre Zahl wird<br />
auf rund 400 Single Family Offices – die nur<br />
für eine Familie tätig sind – und auf etwa<br />
50 Multi Family Offices – die mehrere Familien<br />
betreuen – veranschlagt. Neben Deutschland<br />
ist in Kontinentaleuropa vor allem die Schweiz<br />
ein Zentrum für Family Offices. Im Anschluss<br />
an die weltweite Finanzkrise ist es in vergangenen<br />
Jahren zu einem Gründerboom bei<br />
Family Offices gekommen: Viele Hochvermögende<br />
präferieren zunehmend eine bank-<br />
unabhängige und auf die eigenen Bedürfnisse<br />
zugeschnittene Vermögensverwaltung,<br />
die eine transparente Kostenstruktur ermöglicht.<br />
Family Governance zur langfristigen<br />
Vermögenssteuerung<br />
Neben dem primär angestrebten Vermö-<br />
genserhalt dienen unternehmerische Direktbeteiligungen<br />
vermögender Familien oftmals<br />
weiteren Zielen. So können sie einen<br />
Identifikationsrahmen für den Familienverbund<br />
stiften, den vielfach über Generatio-<br />
nen kultivierten Unternehmergeist lebendig<br />
halten und mittels „Socially Responsible<br />
Investment“ und „Impact Investment“ Sinn<br />
stiftend wirken und dem gesellschaftlichen<br />
Ansehen dienen. Eine wachsende Bedeutung<br />
kommt in diesem Zusammenhang der<br />
sog. Family Governance zu. Diese umfasst<br />
Methoden und Prinzipien der Familienführung<br />
– angelehnt an die Prinzipien der<br />
Corporate Governance bei Unternehmen –<br />
und dient der besseren Organisation des<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Familienverbundes und dem systematischen<br />
Management des Familienvermögens. Solange<br />
das ursprüngliche Familienunternehmen im<br />
Fokus der Familie steht, sind durch die gesellschaftsrechtlichen<br />
Gegebenheiten (Gesellschaftsvertrag<br />
etc.) gewisse Rahmen-<br />
bedingungen vorgegeben. Nach erfolgtem<br />
Verkauf fallen diese jedoch weg. Gute Family<br />
Governance institutionalisiert neue Gremien<br />
und Geschäftsabläufe der Familie durch ein<br />
Family Office und legt klare Werte fest, die<br />
das ethische Selbstverständnis der Familienmitglieder<br />
beschreiben und als Grundsätze<br />
für nachhaltige Investitionen dienen können.<br />
Den langfristigen Erfolg im Blick<br />
FOs haben bei unternehmerischen Direktbeteiligungen<br />
in aller Regel eine deutlich<br />
längerfristige Perspektive als Private-Equity-<br />
Gesellschaften, da sie nicht von den Anforderungen<br />
institutioneller Investoren abhängig<br />
sind und ihre Rendite typischerweise<br />
nicht über den Verkauf der Beteiligung nach<br />
einem definierten Zeitablauf realisieren<br />
(müssen). Stattdessen können sie langfristige<br />
Wachstumsinitiativen unterstützen<br />
und die Erträge bzw. Dividenden der Beteiligung<br />
langfristig vereinnahmen. Das macht<br />
sie als Unternehmenskäufer gerade für<br />
Nachfolgesituationen im deutschen Mittelstand<br />
besonders interessant. Hierbei ist in<br />
Kauf zu nehmen, dass sich Family Offices<br />
bei M&A-Transaktionen in der Regel deutlich<br />
weniger transparent verhalten als die Private-<br />
Equity-Branche – oftmals aus gutem Grund,<br />
um die Vertraulichkeit für die Familienmitglieder<br />
zu wahren. Angesichts des weiterhin<br />
bestehenden hohen M&A-Potenzials im<br />
Mittelstand ist davon auszugehen, dass<br />
Family Offices die M&A-Aktivitäten in Zukunft<br />
deutlich stärker prägen werden als dies heute<br />
der Fall ist.<br />
Professionelle Unterstützung für den<br />
reibungslosen Ablauf<br />
Ernst & Young unterstützt den reibungslosen<br />
Ablauf einer Investition von Family<br />
Offices mit Due-Diligence-Prüfungen sowie<br />
steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen<br />
Strukturierungsfragen. Zudem wird sensibel<br />
auf die Besonderheiten und die speziellen<br />
Investitionskriterien des jeweiligen Family<br />
Offices eingegangen und bei jeder Trans-<br />
aktion ein klarer Blick auf die Risikoorientierung<br />
der Familie, die weitere Nachfolge-<br />
planung und die vorherrschenden Family-<br />
Governance-Strukturen behalten.<br />
95
Marktkapitalisierung<br />
Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012<br />
Marktkapitalisierung in Mio. €<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Jan<br />
12<br />
Feb<br />
12<br />
März<br />
12<br />
April<br />
12<br />
Gesamtmarktkapitalisierung im Jahresverlauf<br />
mit positiver Entwicklung<br />
Die Marktkapitalisierung in Summe über alle<br />
14 deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen zeigt im<br />
Jahresverlauf 2012 insgesamt nach oben.<br />
Vom Ausgangswert mit 1,10 Milliarden Euro<br />
bis zum Jahresschlusswert von 1,49 Milliarden<br />
Euro ergibt sich ein Anstieg von 34 Prozent.<br />
Wie in all den Vorjahren angemerkt, repräsentiert<br />
dieser Wert allerdings weniger die<br />
Branche als solche, sondern reflektiert vorwiegend<br />
nur die Entwicklungen der beiden<br />
Klassenbesten MorphoSys und Evotec. Insofern<br />
kann die dargestellte Abbildung eher<br />
als Spiegel dieser beiden Unternehmen<br />
dienen, während die restlichen Vertreter<br />
im „Rauschen“ untergehen.<br />
Die meisten der 12 weiteren Unternehmen<br />
sind in der Medikamentenentwicklung aktiv<br />
(Ausnahmen sind nur Epigenomics und die<br />
inzwischen insolvente november). Da das<br />
Jahr 2012 einiges an klinischem Newsflow<br />
hervorgebracht hat, lohnt es, dessen Einfluss<br />
auf die jeweiligen Marktkapitalisierungen<br />
und damit quasi die Firmenbewertungen<br />
nachzuverfolgen.<br />
96 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Mai<br />
12<br />
Juni<br />
12<br />
Juli<br />
12<br />
Aug<br />
12<br />
Sep<br />
12<br />
Okt<br />
12<br />
Nov<br />
12<br />
Dez<br />
12<br />
1600<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
MorphoSys<br />
Evotec<br />
Agennix<br />
MOLOGEN<br />
WILEX<br />
4SC<br />
MediGene<br />
Biofrontera<br />
Curasan<br />
PAION<br />
Epigenomics<br />
co.don<br />
SYGNIS Pharma<br />
november<br />
Summe<br />
(rechte Achse)<br />
Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, <strong>2013</strong><br />
Markante Änderungen in negative Richtung<br />
ergeben sich zwischen Jahresbeginn und<br />
Ende 2012 für:<br />
• Agennix (–85 %) von 110 Millionen Euro<br />
auf 17 Millionen Euro aufgrund der negativen<br />
Phase-III-Studienergebnisse für<br />
Talactoferrin aus dem August<br />
• WILEX (–56 %) von 70 Millionen Euro<br />
auf 31 Millionen Euro aufgrund negativer<br />
Phase-II-Studienergebnisse für Rencarex<br />
im Oktober; der Absturz fällt noch heftiger<br />
aus (–74 %), wenn man die offensichtlich<br />
optimistische Stimmung im Vorfeld der<br />
Ergebnisveröffentlichung einrechnet, als<br />
die Market Cap zeitweise bei 120 Millionen<br />
Euro gelegen hatte.
Dem standen aber auch positive Entwicklungen<br />
gegenüber, wie zum Beispiel:<br />
• MOLOGEN (+105 %) von 88 Millionen<br />
Euro auf 180 Millionen Euro; die klinischen<br />
Studien zu den beiden Produktkandidaten<br />
MGN1703 (Darmkrebs) und MGN1601<br />
(Nierenkrebs) übertrafen die Erwartungen<br />
• Biofrontera (+97 %) von 31 Millionen<br />
Euro auf 61 Millionen Euro aufgrund<br />
weiterer Vertriebsvereinbarungen für den<br />
am Markt eingeführten Wirkstoff Ameluz ®<br />
• 4SC (+100 %) von 51 Millionen Euro auf<br />
102 Millionen Euro mit einer deutlichen<br />
Erholung nach dem Einbruch im Vorjahr<br />
• co.don (+57 %) von sieben Millionen Euro<br />
auf 11 Millionen Euro aufgrund positiver<br />
Daten für die Knorpelersatztherapie und<br />
Erfolge in der Zulassungsdiskussion<br />
• SYGNIS von einer Million Euro nach dem<br />
Scheitern der klinischen Phase auf acht<br />
Millionen Euro nach der Bekanntgabe der<br />
Fusion mit der spanischen X-Pol und der<br />
Änderung des Geschäftsmodells<br />
MorphoSys und Evotec in europäischer<br />
Rangliste gut platziert<br />
Die führenden börsennotierten deutschen<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen MorphoSys und<br />
Evotec finden sich auf einer Rangliste der<br />
europäischen <strong>Biotech</strong>-Branche auf den<br />
Plätzen 16 und 27.<br />
Hierbei ist hervorzuheben, dass sich unter<br />
den in Europa führenden Unternehmen allein<br />
acht reife und marktfokussierte Specialty-<br />
Pharma-Unternehmen befinden (Shire,<br />
Meda, Jazz, Ipsen, BTG, Algeta, Cosmo,<br />
Vectura) sowie weiterhin vor allem etablierte<br />
Therapeutikaentwickler mit teilweise frühen<br />
Börsengängen.<br />
Technologieplattformen sind mit nur neun<br />
Vertretern eher unterrepräsentiert. Unter<br />
die Top-30-Firmen fallen vier Tech@Disease-<br />
Unternehmen, die noch am ehesten zu den<br />
in der Vergangenheit üblichen Börsengängen<br />
der Therapeutikaentwickler passen<br />
(ThromboGenics, Stallergenes, Active <strong>Biotech</strong><br />
und Medivir).<br />
Finanzierung<br />
Die typischen modernen Technologieplattformen<br />
sind mit zusammengenommen fünf<br />
Vertretern noch mehr die Exoten: MorphoSys<br />
ist in Gesellschaft mit Genmab und Ablynx<br />
Die 30 größten <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Europas<br />
nach Marktkapitalisierung, 2012<br />
Name Land Marktkapitalisierung<br />
(Mio. €)<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Umsatz<br />
(Mio. €)<br />
Shire UK 13.332 3.641<br />
Novozymes Dänemark 6.829 1.509<br />
Elan Corporation Irland 4.719 935<br />
Actelion Schweiz 4.255 1.434<br />
Qiagen Niederlande 3.337 976<br />
Meda Schweden 2.417 1.493<br />
Jazz Pharmaceuticals Irland 2.397 456<br />
Ipsen Frankrech 1.942 1.277<br />
Alkermes Irland 1.900 303<br />
Eurofins Scientific Frankreich 1.826 1.044<br />
ThromboGenics Belgien 1.544 150*<br />
BTG UK 1.372 243<br />
Swedish Orphan Biovitrum Schweden 1.159 221<br />
Amarin Corporation Irland 943 n/a<br />
Algeta Norwegen 920 84<br />
MorphoSys Deutschland 693 52<br />
Stallergenes Frankreich 594 240<br />
AB Science Frankreich 592 1*<br />
Genmab Dänemark 538 65<br />
Active <strong>Biotech</strong> Schweden 475 26<br />
Galapagos Belgien 434 129*<br />
Devgen Belgien 397 25*<br />
Protalix BioTherapeutics Israel 377 27<br />
Basilea Pharmaceutica Schweiz 363 48<br />
Cosmo Pharmaceuticals Italien 360 81*<br />
Vectura Group UK 355 41<br />
Evotec Deutschland 319 87<br />
Transgene Frankreich 263 12*<br />
Ablynx Belgien 262 27<br />
Medivir Schweden 258 64<br />
*Umsatz wurde auf Basis veröffentlichter Quartals-<br />
und Halbjahresberichte hochgerechnet<br />
der führende Vertreter der Tech@MPO-Plattformen;<br />
Evotec zusammen mit seinem Rivalen<br />
Galapagos sind als einzige Tech@Process-Repräsentanten<br />
gelistet.<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
97
Produkte<br />
98 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Zahlen und Fakten im Überblick<br />
<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Deutschland<br />
Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
161 159 166<br />
Präklinik<br />
47 53 44<br />
Phase I<br />
2010 2011 2012<br />
82 78 75<br />
Phase II<br />
<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012<br />
Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />
UK<br />
Deutschland<br />
Schweiz<br />
Israel<br />
Frankreich<br />
Schweden<br />
Dänemark<br />
Spanien<br />
Italien<br />
Belgien<br />
Österreich<br />
Niederlande<br />
Norwegen<br />
Irland<br />
Finnland<br />
0<br />
38<br />
48<br />
59<br />
91<br />
91<br />
87<br />
118<br />
144<br />
163<br />
183<br />
255<br />
14 14 9<br />
Phase III<br />
294<br />
294<br />
287<br />
Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />
1 0 0<br />
Zulassungsphase<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
412<br />
50 100 150 200 250 300 350 400 450<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
• Leichter Rückgang in der Gesamtzahl<br />
der Entwicklungskandidaten<br />
(2010: 305, 2011: 304,<br />
2012: 294)<br />
• Größte Abnahme in Phase III<br />
(–36 %) und Phase I (–17 %)<br />
• Präklinik mit positiver Bilanz (+4 %)<br />
• Gesamtzahl der Therapeutika in<br />
Entwicklung 2.564 (2011: 2.549)<br />
• UK führt nach wie vor die Liste der<br />
Entwicklungsprodukte an<br />
• Deutschland und Schweiz teilen sich<br />
den zweiten Platz; Deutschland mit<br />
einer deutlich jüngeren Pipeline<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 99
Wirkstoffpipeline in Deutschland<br />
In Richtung Markt nichts in Sicht<br />
Die Pipeline der <strong>Biotech</strong>-Therapeutikaentwicklungen<br />
in Deutschland zeigt sich auf<br />
den ersten Blick seit Jahren unverändert.<br />
Sowohl die Zahl der Medikamentenkandidaten<br />
in den einzelnen Phasen der Entwicklung<br />
als auch das Gesamtmuster in der<br />
relativen Verteilung über die Phasen blieben<br />
weitgehend konstant.<br />
Der zweite Blick ins Detail enthüllt ein differenzierteres<br />
Bild. Für 2012 ist die Zahl der<br />
Produktkandidaten mit insgesamt 294 erstmals<br />
seit einigen Jahren wieder unter die<br />
300er Marke gefallen; ein Rückgang um<br />
drei Prozent von den 304 Wirkstoffen im<br />
Vorjahr. Weiterhin stimmt bedenklich, dass<br />
in den späten Phasen der Klinik deutliche<br />
Einbußen auftreten (–36 % in Phase III).<br />
Zudem stehen aktuell auch keine Zulassungen<br />
an. Obwohl in Deutschland in den<br />
letzten zehn Jahren immer wieder von einer<br />
noch jungen Branche gesprochen wurde,<br />
die noch Zeit für durchschlagende Erfolge<br />
benötigt, ist die Erwartungshaltung allmählich<br />
doch auf deutlichere Fortschritte in der<br />
Kommerzialisierung von Medikamenten<br />
ausgerichtet.<br />
Zweifel an der Entwicklungskompetenz<br />
der Branche?<br />
Das Ausdünnen der späten Pipeline kann<br />
schlicht in der Tatsache begründet sein,<br />
dass <strong>Biotech</strong>-Firmen heute nur noch selten<br />
mit ihren Produkten in die Phase III vordringen.<br />
Meist können sie sich diesen Entwicklungsschritt<br />
nicht einmal als Co-Development-Partner<br />
leisten. In der Tat entspricht<br />
es eher der Regel, erfolgreiche Projekte vor<br />
oder nach der Phase II mit belegbarem<br />
Proof of Concept an Partner zu geben und<br />
von diesem Zeitpunkt an dem Partner die<br />
weitere Entwicklung gegen entsprechende<br />
Erfolgszahlungen zu überlassen.<br />
Dies geschieht in Form von Asset Deals,<br />
Auslizenzierungen und Firmenakquisitio-<br />
nen. Insbesondere die Akquisiton von<br />
Assets und ganzen Unternehmen war in<br />
der jüngeren Vergangenheit stark auf<br />
reifere Produkte ausgerichtet (wie z. B.<br />
Corimmun).<br />
Auf längere Sicht müsste also der tatsäch-<br />
liche Erfolg von <strong>Biotech</strong>-Firmen zumindest<br />
auch unter Einbeziehung der weiteren Entwicklungserfolge<br />
der veräußerten Produkte<br />
gemessen werden. Der Blick auf die vorliegende<br />
Pipeline-Darstellung wird dieser Aufgabe<br />
nicht hinreichend gerecht. Leider ist<br />
es zum Teil aber schwierig, den weiteren<br />
Verlauf der veräußerten Projekte lückenlos<br />
nachzuvollziehen, wenn diese unter neuer<br />
Führung Namen wechseln und uneinheitlich<br />
von beiden Partnern dokumentiert werden.<br />
Anzahl Wirkstoffe in Studien<br />
100 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Pipeline-Dynamik zeigt Licht<br />
und Schatten auf<br />
Weitaus informativer ist die Analyse der<br />
Dynamik der Entwicklungspipeline deutscher<br />
<strong>Biotech</strong>nologiefirmen.<br />
Dabei zeigt sich, dass hinter dem vermeintlichen<br />
„Steady State“ in der Präklinik in Wirk-<br />
lichkeit ein enormer Zuwachs an 39 neuen<br />
Projektaufnahmen steht, im Vergleich zum<br />
Vorjahr ein Anstieg um 34 Prozent. Dieser<br />
Wert steht in direkter Korrelation zur Innova-<br />
tionskraft der <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland.<br />
Dem steht allerdings eine signifikante Zahl<br />
von 21 Projektabbrüchen (13 % der Gesamt-<br />
zahl, im Vorjahr 15) gegenüber – meist aufgrund<br />
von nicht erreichten Zielvorgaben.<br />
Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
- 10<br />
- 20<br />
Bilanz: 7<br />
Bilanz: -9<br />
Bilanz: -3<br />
Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />
Phaseneintritt Projektstopp Firmenschließung<br />
Akquisition Phasenübergang<br />
Bilanz: -5<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong>
Diese relativ hohe Zahl der Projektstopps<br />
bedeutet nicht automatisch eine schlechte<br />
Qualität der aufgenommenen Projekte, sondern<br />
gibt Hinweise darauf, dass im Zuge der<br />
weiteren Effizienzerhöhung in F&E insbesondere<br />
frühe Projekte stärker dem „Early<br />
Killing“-Postulat unterliegen.<br />
Zwei weitere Veränderungen der Präklinik-<br />
Pipeline sind eher positiv einzuordnen, da<br />
die Assets weiter fortbestehen: Im Rahmen<br />
von Firmenakquisitionen (Scil Technology,<br />
Cellzome, SymbioTec) wurden insgesamt<br />
sechs Projekte eliminiert; zwei weitere<br />
schafften den Sprung in die klinische Entwicklung.<br />
Die Ausbeute von lediglich zwei<br />
bzw. – unter Anrechnung der akquirierten<br />
Projekte – acht Produktkandidaten (5 % aller<br />
präklinischen Projekte) mit fortgesetzter<br />
Perspektive zur Weiterentwicklung scheint<br />
relativ bescheiden.<br />
Deutlich positiver stellt sich das Verlaufsergebnis<br />
für die Phase I dar: Den sieben<br />
Neuaufnahmen stehen immerhin acht Projekte<br />
gegenüber, die in die Phase II weitergeleitet<br />
werden. Die neu aufgenommenen<br />
Phase-I-Studien umfassen:<br />
• GlutaDON ® (New Medical Enzymes)<br />
• 2x Apocept TM (Apogenix)<br />
• MCS-18 (DoNatur)<br />
• QC-Inhibitor (Probiodrug)<br />
• Solulin (PAION)<br />
• Revacept (advanceCOR)<br />
Leider fallen auch in dieser Phase sieben<br />
Projekte (13 %) durch Projektstopp und<br />
ein Projekt durch Liquidation der Trin<br />
Therapeutics aus dem Rennen, sodass die<br />
Gesamtbilanz für die Phase-I-Pipeline mit<br />
minus neun ins Negative rutscht.<br />
Produkte<br />
In die Phase II wurden im Berichtsjahr 2012<br />
immerhin 14 neue Produktkandidaten eingeschlossen.<br />
Die dahinter stehenden Entwickler<br />
sind:<br />
• NOXXON Pharma mit allein vier<br />
Spiegelmeren<br />
• CellAct Pharma<br />
• Glycotope<br />
• MorphoSys mit fünf Antikörpern<br />
(alle verpartnert)<br />
• advanceCOR<br />
• WILEX<br />
• sterna biologicals<br />
Dies sind doppelt so viele wie 2011, was<br />
einen Zuwachs von 18 Prozent gemessen<br />
an der Phase-II-Pipeline bedeutet. Ein erfreuliches<br />
Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr<br />
ist dies aber vor allem, weil die betreffenden<br />
Wirkstoffe damit die entscheidende<br />
Hürde zum Proof of Concept sowie im Erfolgsfall<br />
einen deutlichen Wertsteigerungssprung<br />
angehen.<br />
Gerade aus diesem Grund ist es bitter, dass<br />
2012 auch insgesamt sechs Unternehmen<br />
(neun Projekte) an dieser Hürde gescheitert<br />
sind:<br />
• Agennix<br />
• Biofrontera<br />
• IMTM<br />
• MBiotec<br />
• MorphoSys<br />
• Revotar<br />
• WILEX<br />
Immerhin vier Projekte wurden durch die<br />
Akquisitionen von Corimmun, Scil Technology<br />
und SymbioTec „weitergeleitet“ – neben nur<br />
einem, welches innerhalb <strong>Biotech</strong> in die<br />
nächste Phase übergeht (Phase-II / III-Studie<br />
mit Remimazolam in Japan).<br />
Leider wurden die wenigen deutschen<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen mit eigenen Entwicklungen<br />
in Phase III im Jahr 2012 nicht vom<br />
Glück begleitet. Von den Hoffnungsträgern<br />
mit bereits vorgezeichneter Marktperspek-<br />
tive mussten einige den negativen Ausgang<br />
ihrer Phase-III-Studien vermelden:<br />
• WILEX scheitert mit Rencarex ® in Nierenkarzinom-Studie<br />
• Agennix scheitert mit Talactoferrin-Studie<br />
in schwerer Sepsis<br />
• Antisense Pharma stoppt Glioblastom-<br />
Studie mit Trabedersen aufgrund unzureichender<br />
Patientenrekrutierung<br />
Alle drei Firmen hatten große Hoffnungen<br />
in ihre jeweiligen Produktkandidaten gesetzt,<br />
basierend auf guten Daten aus früheren<br />
Studien.<br />
Für Agennix ist dieses Ergebnis besonders<br />
dramatisch, da ausschließlich auf das Lead-<br />
Projekt fokussiert wurde. Für WILEX hingegen<br />
haben sich in der Detailanalyse der<br />
klinischen Daten offenbar Hinweise ergeben,<br />
die die Wirksamkeit zumindest für bestimmte<br />
Subpopulationen belegen, sodass eine Fort-<br />
setzung und Neuauflage der Studie möglich<br />
scheint.<br />
In Anbetracht dieses Rückschlags ist es verständlich,<br />
dass derzeit auch keine Produkte im<br />
Zulassungsverfahren stehen. Ebenso wenig<br />
konnte die <strong>Biotech</strong>-Branche in Deutschland<br />
mit einer Neuzulassung aufwarten.<br />
Diese Situation – Fehlschläge mit großer Außenwirkung<br />
und das Ausbleiben von Marktzulassungen<br />
– führt leider zu einer weiterhin<br />
sehr kritischen Diskussion über die Qualitäten<br />
der <strong>Biotech</strong>-Unternehmen in Deutschland.<br />
Vor dem Hintergrund der hier beschriebenen<br />
grundsätzlichen Änderungen in den Geschäftsmodellen<br />
wäre es umso wichtiger,<br />
die Bewertungsmaßstäbe ebenfalls anzupassen<br />
und stärker auf Kriterien wie erfolgreiche<br />
Allianzen und Einkünfte daraus<br />
(siehe z. B. AiCuris) einzugehen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 101
Produktinnovationen in Phase II<br />
im Detail<br />
Die Aufstellung von <strong>Biotech</strong>-Entwicklungsprodukten<br />
mit Neueintritt in Phase II belegt<br />
den Innovationsgrad der dahinter stehenden<br />
Unternehmen.<br />
Einerseits werden überwiegend neuartige<br />
Wirkstoffkonzepte erstmals klinisch am<br />
Patienten getestet, wie zum Beispiel RNA-<br />
Spiegelmere (NOXXON Pharma), katalytisch<br />
aktive DNA-Wirkstoffe (DNAzymes<br />
von sterna biologicals) oder posttransla-<br />
tional modifizierte therapeutische Proteine<br />
(Glycotope).<br />
Produkte<br />
Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl)<br />
Firma<br />
Wirkstoff<br />
Wirkstoffart<br />
Indikation<br />
Studie<br />
Beschreibung<br />
Glycotope<br />
FSH-GEX TM<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
Unfruchtbarkeit<br />
der Frau<br />
Phase II<br />
Voll human<br />
glykosyliertes<br />
follikelstimulierendes<br />
Hormon<br />
MorphoSys<br />
OMP-59R5<br />
monoklonaler<br />
Antikörper<br />
Erstlinientherapie<br />
in<br />
fortgeschrittenemPankreaskrebs<br />
Phase Ib/II<br />
(Partner<br />
OncoMed<br />
Pharmaceuticals)<br />
HuCAL-Antikörper,<br />
der<br />
gegen den<br />
Notch2-Rezeptorgerichtet<br />
ist<br />
NOXXON<br />
Pharma<br />
NOX-A12<br />
RNA-Molekül<br />
Chronische<br />
lymphatische<br />
Leukämie und<br />
multiples<br />
Myelom<br />
2 Phase-<br />
IIa-Studien<br />
Spiegelmer ® -<br />
basierter<br />
Antagonist<br />
zu CXCL12/<br />
SDF-1 (CXC-<br />
Motiv-Chemokin<br />
12 / Stromal<br />
Cell-Derived<br />
Factor-1)<br />
NOXXON<br />
Pharma<br />
NOX-E36<br />
RNA-Molekül<br />
Diabetische<br />
Nephropathie<br />
Phase IIa<br />
Spiegelmer ® -<br />
basierter<br />
Antagonist zu<br />
CCL2/MCP-1<br />
(C-C Chemokin<br />
Ligand 2 /<br />
Monocyte<br />
Chemoat-<br />
tractant<br />
Protein-1)<br />
Andererseits fokussieren die geplanten<br />
Studien in Phase II auf spannende neue<br />
Targets aus der molekularbiologischen<br />
Grundlagenforschung:<br />
• Notch2-Rezeptor als Teil eines essenziellen<br />
Wachstumsregulations-Pathways<br />
• CXCL12 / SDF-1 (CXC-Motiv-Chemokin<br />
12 / Stromal Cell-derived Factor-1)<br />
• CCL2 / MCP-1 (C-C Chemokin Ligand 2 /<br />
Monocyte Chemoattractant Protein-1)<br />
• Zinkfinger-Transkriptionsfaktor<br />
102 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
NOXXON<br />
Pharma<br />
NOX-H94<br />
RNA-Molekül<br />
Anämie der<br />
chronischen<br />
Erkrankung<br />
Phase IIa<br />
Spiegelmer ® -<br />
basierter Antagonist<br />
zum<br />
Peptidhormon<br />
Hepcidin<br />
sterna<br />
biologicals<br />
SB010<br />
DNA-Molekül<br />
Asthma<br />
Phase IIa<br />
Antagonist<br />
des Th2-spezifischenZinkfinger-Transkriptionsfaktors<br />
GATA-3<br />
WILEX<br />
WX-554<br />
niedermolekularer<br />
Wirkstoff<br />
Solide<br />
Tumoren<br />
Phase Ib/II<br />
Inhibitor der<br />
Mitogen-<br />
aktivierten<br />
Protein-Kinase<br />
(MEK)<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Schließlich zielen die Therapien auf medizinisch<br />
hoch relevante Krankheiten, die<br />
noch nicht oder nur unzureichend therapiert<br />
werden können. Dazu zählen Pankreas-<br />
krebs mit nach wie vor extrem schlechten<br />
Prognosen und hohem Medical Need ebenso<br />
wie solide Tumoren und Myelome.
Klinische Wirkstoffpipeline<br />
in Deutschland<br />
nach Substanz, 2012<br />
(n=124)<br />
30 %<br />
4 %<br />
8 %<br />
6 %<br />
11 %<br />
21 %<br />
Monoklonale Antikörper<br />
Rekombinante Proteine<br />
RNA / DNA<br />
Peptide<br />
Zellbasiert<br />
Natürliche Wirkstoffe<br />
Niedermolekulare Wirkstoffe<br />
20 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Produkte<br />
Zuordnung der Produkte zu<br />
Wirkstofftypen macht <strong>Biotech</strong>-Fokus<br />
deutlich<br />
In der klinischen Pipeline der deutschen<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ist die Präferenz für<br />
biotechnologische Wirkstoffe klar ersichtlich.<br />
Sie machen ca. 70 Prozent aller Substanzen<br />
in der Entwicklung aus.<br />
Die Biologicals spalten sich in eine ganze<br />
Reihe von unterschiedlichen Scaffolds auf.<br />
Antikörper nehmen zwar immer noch eine<br />
Vorrangstellung ein (21 %), aber andere<br />
Klassen wie rekombinante Proteine holen<br />
deutlich auf (20 %). Sichtbar werden auch<br />
zellbasierte Ansätze, die immerhin schon<br />
fast ein Zehntel der Gesamt-Pipeline aus-<br />
machen. Dennoch spielen niedermolekulare<br />
Wirkstoffe mit einem dreißigprozentigen<br />
Anteil nach wie vor eine nicht unwesentliche<br />
Rolle.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 103
Pipeline nach Therapiegebieten mit<br />
Schwerpunkt Krebstherapie<br />
Eine Analyse der Therapiegebiete und ihre<br />
Relevanz bei der Produktentwicklung deutscher<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen ergibt die bereits<br />
früher gezeigte Dominanz der onkologischen<br />
Projekte. Es fällt allerdings auf, dass<br />
diese Vormachtstellung in der rein klinischen<br />
Pipeline deutlich stärker ausgeprägt ist (48 %)<br />
als in der Präklinik (29 %). Ursachen dafür<br />
könnten in der Erweiterung der Anwendungs-<br />
Produkte<br />
Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012<br />
Klinische Studien (n=128) Präklinik (n=166)<br />
4 %<br />
5 %<br />
5 % 2 %<br />
48 %<br />
1 %<br />
9 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
6 %<br />
9 %<br />
9 %<br />
Onkologie Autoimmun Entzündung Neurologie<br />
Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen<br />
Metabolismus und Endokrinologie Sonstige<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
möglichkeiten gerade in den onkologischen<br />
Indikationen liegen, die im Rahmen des<br />
klinischen Programms ab Phase II durchaus<br />
üblich sind, während bei anderen Indikationen<br />
der klinische Entwicklungspfad stärker<br />
aus der Präklinik heraus determiniert ist.<br />
Affimed konzentriert sich beispielsweise mit<br />
dem Antikörperwirkstoff TandAb ® AFM13<br />
auf die Behandlung von CD30-positiven<br />
Lymphomen. Über die Pipeline, die aus der<br />
eigenen TandAb ® -Technologieplattform<br />
104 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
21 %<br />
17 %<br />
9 %<br />
2 %<br />
29 %<br />
9 %<br />
gespeist wird, konnten die Heidelberger im<br />
Herbst 2012 eine satte Finanzierung von<br />
15,5 Millionen Euro sicherstellen (siehe<br />
Artikel S. 105).<br />
Die tetravalenten, bispezifischen Antikörper<br />
stellen eine ähnlich neuartige Herangehensweise<br />
an Krebs dar, wie sie das Technologie-<br />
Spin-out CyTuVax des Dortmunder CRO Cires<br />
entwickelt. CyTuVax möchte über seine Vakzinierungsplattform<br />
mithilfe von Cytokinen<br />
in Depotform das Immunsystem im Kampf<br />
gegen Tumore unterstützen. Auch eine Ausweitung<br />
auf problematische Infektionskrank-<br />
heiten wie Hepatitis B oder Tetanus ist geplant.<br />
Das junge Unternehmen überzeugte<br />
mit diesem Ansatz bereits die Science4Life<br />
Gründungsinitiative, konnte jedoch keine<br />
deutschen Investoren für sich gewinnen und<br />
operiert daher momentan in Nähe seines<br />
jetzigen Finanzierers Nedermaas Ventures<br />
in Maastricht (siehe Artikel von Frank W.<br />
Falkenberg auf S. 110).
Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation<br />
Dr. Adi Hoess,<br />
CEO Affimed Therapeutics AG,<br />
Heidelberg<br />
Affimed: Erfolg mit der<br />
TandAb ® -Technologieplattform<br />
Affimed ist ein Unternehmen, das einzig-<br />
artige Antikörperwirkstoffe als Behandlungsmöglichkeiten<br />
gegen lebensbedroh-<br />
liche Krankheiten mit hohem medizinischen<br />
Bedarf entwickelt. Das Unternehmen hat<br />
verschiedene Wirkstoffkandidaten gegen<br />
Krebserkrankungen basierend auf der unternehmenseigenen<br />
TandAb ® -Technologie-<br />
plattform in der Entwicklung. Neben den<br />
beiden Lead-Produkten AFM13 zur Behandlung<br />
von CD30-positiven Lymphomen und<br />
AFM11 zur Behandlung von CD19-positiven<br />
Lymphomen werden weitere Produktkandidaten<br />
zur Behandlung von soliden Tumoren<br />
und Autoimmunerkrankungen entwickelt.<br />
Die Ausgliederung des Deutschen Krebs-<br />
forschungszentrums (DKFZ) konnte im<br />
September 2012 eine weitere Finanzie-<br />
rungsrunde (Serie D) in Höhe von 15,5 Millionen<br />
Euro sicherstellen. Die Finanzierung<br />
wurde vom bestehenden Konsortium international<br />
anerkannter Life-Sciences-Investoren,<br />
darunter Orbimed, Aeris Capital, Novo<br />
Nordisk, LSP und BioMedInvest, getragen.<br />
Ausgründung der Discovery-Abteilung<br />
Im Jahr 2009 hat die Affimed ihre Antibody-<br />
Discovery-Abteilung in ein eigenständiges<br />
Unternehmen, die AbCheck s.r.o. (Pilsen,<br />
Tschechien) ausgegliedert. Mittlerweile<br />
konnte sich das Unternehmen als High End<br />
Service Provider für Antikörper-Discovery<br />
und -optimierung nachhaltig am Markt etablieren,<br />
beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiter<br />
und ist profitabel. In den letzten 12 Monaten<br />
konnte AbCheck neben der bestehenden<br />
Zusammenarbeit mit Eli Lilly weitere Kooperationen,<br />
unter anderem mit U3 Pharma /<br />
Daiichi Sankyo, bekanntgeben.<br />
Tetravalente bispezifische Antikörper<br />
Mit Affimeds TandAb ® -Plattform werden<br />
hochpotente und vollständig humane Antikörper-Formate<br />
generiert, die ein überlegenes<br />
Profil gegenüber monoklonalen Anti-<br />
körpern erwarten lassen. TandAbs ® , von<br />
Affimed-Wissenschaftlern erfunden und entwickelt,<br />
sind tetravalente, bispezifische<br />
Antikörper, die Tumorzellen durch die Re-<br />
krutierung und Aktivierung von Immun-<br />
effektorzellen bekämpfen und eliminieren.<br />
Dazu binden sie gleichzeitig an Zielmoleküle<br />
der Tumoroberfläche und an Immuneffektorzellen<br />
wie T-Zellen oder NK-Zellen. Die<br />
TandAb ® -Moleküle haben die gleichen<br />
Bindungseigenschaften wie monoklonale<br />
Antikörperstrukturen (IgGs). Allerdings<br />
zeigen sie, verglichen mit monoklonalen<br />
Antikörpern, eine wesentliche bessere Wirksamkeit.<br />
Da sie ausschließlich aus variablen<br />
Domänen bestehen und keine Glykosylierung<br />
benötigen, erübrigen sich Fc-vermittelte<br />
Nebenreaktionen und es treten weniger<br />
Probleme hinsichtlich Immunogenität auf.<br />
Darüber hinaus konnte Affimed in den letzten<br />
Jahren einen robusten Produktionsprozess<br />
in Säugerzellen mit hohen Ausbeuten und<br />
erheblichen Produktstabilitäten etablieren.<br />
Lead-Produkte AFM13 und AFM11<br />
Affimed konzentriert derzeit seine Entwicklung<br />
auf die Onkologie und Autoimmunerkrankungen.<br />
Basierend auf der TandAb ® -<br />
Technologie werden die zwei Lead-Produkte<br />
AFM13 (Hodgkin-Lymphom) und AFM11<br />
(Non-Hodgkin-Lymphom) entwickelt. Den<br />
Patienten mit CD30-positiven Tumoren steht<br />
derzeit keine Immuntherapie zur Verfügung<br />
und AFM13 ist die einzige in der Klinik entwickelte<br />
Immuntherapie. AFM13 basiert auf<br />
einem in der Klinik bereits erfolgreich getesteten<br />
Prinzip und zeigte in klinischen Studien<br />
in Tumorpatienten ein sehr gutes Sicherheitsprofil<br />
und eine hohe Wirksamkeit bei<br />
den behandelten Patienten. Es ist geplant,<br />
das Produkt einerseits in weiteren CD30-<br />
positiven Tumorpatienten im Rahmen einer<br />
Pilotstudie zu testen sowie die klinische Entwicklung<br />
im Rahmen einer Phase-IIa-Studie<br />
in Hodgkin-Lymphom-Patienten fortzusetzen.<br />
AFM11 basiert ebenfalls auf einem<br />
in der Klinik erfolgreich getesteten Prinzip.<br />
Das Konkurrenzprodukt von AFM11 zeigt<br />
zwar eine extrem hohe Wirksamkeit, besitzt<br />
allerdings signifikante Nachteile gegenüber<br />
AFM11 in der Sicherheit und der Administration.<br />
Der Beginn der klinischen Studien für<br />
AFM11 ist für <strong>2013</strong> geplant.<br />
Die Zukunft ist vielversprechend<br />
Kooperationen mit der Pharma-Industrie<br />
sind ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftskonzepts<br />
der Affimed. Nachdem die<br />
Technologie klinisch erstmals validiert wurde,<br />
ist das Unternehmen für Partnerschaften im<br />
Bereich der bispezifischen Antikörper sehr<br />
gut positioniert. Mehrere Kooperationen sind<br />
bereits in Diskussion, wovon voraussichtlich<br />
mindestens eine im Jahr <strong>2013</strong> abgeschlossen<br />
wird. Nachdem wir bereits in der AFM13-<br />
Phase-I-Studie derart vielversprechende und<br />
positive Daten generieren konnten, hoffen<br />
wir, diese in den weiteren Studien bestätigen<br />
und ggf. noch verbessern zu können. Aussagefähige<br />
Daten hierzu werden Ende 2014 /<br />
Anfang 2015 erwartet. Unser Ziel ist es, eine<br />
hoch effektive Immuntherapie für Hodgkin‘s<br />
Patienten anbieten zu können. Aus kaufmännischer<br />
Sicht ist dieser Markt ebenfalls<br />
attraktiv und wird vom Kapitalmarkt entsprechend<br />
honoriert, wie dies am Beispiel von<br />
Adcetris (ein CD30-Drug-Conjugate-Antikörper<br />
ebenso für die Behandlung von Hodgkin<br />
Lymphom) zu sehen ist. Adcetris ist das<br />
einzig zugelassene Produkt von Seattle Genetics,<br />
deren derzeitige Marktkapitalisierung<br />
bei 3,5 Milliarden US-Dollar liegt. Die klinische<br />
Entwicklung von AFM11 ist für den<br />
Spätsommer <strong>2013</strong> angesetzt. Auch hier<br />
werden Ende 2014 / Anfang 2015 die entsprechenden<br />
Daten erwartet. Auch dieses<br />
Molekül hat prominente Vergleichsmoleküle<br />
mit Amgens MT103, welches sich derzeit zur<br />
Behandlung Akuter Lymphatischer Leukämie<br />
(ALL) in einer Phase-II-Studie befindet.<br />
Amgen hat dieses Produkt im Rahmen der<br />
1,3-Milliarden-US-Dollar-Übernahme von<br />
Micromet erworben. Affimed agiert also mit<br />
beiden Lead-Produkten in hoch attraktiven<br />
Märkten und könnte mit den nächsten Entwicklungsschritten<br />
ähnliches Wertpotenzial<br />
für die bestehenden, aber auch für weitere<br />
Investoren heben.<br />
www.affimed.com<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
105
Biomarker als lukrative Marktprodukte<br />
Biomarker als lukrative Marktprodukte<br />
Die im Einleitungskapitel dargelegten Perspektiven<br />
für <strong>Biotech</strong>-Unternehmen im Bereich<br />
der Companion-Diagnostics-Entwicklung<br />
werden durch bereits vermarktete<br />
Produkte sowie durch weitere Biomarker-<br />
Ansätze in der Entwicklung gut belegt.<br />
Die Übersichtstabelle zu Wirkstoffen mit<br />
verfügbaren Companion Diagnostics zeigt<br />
dabei neben den Produkten selbst auch eine<br />
Reihe von Entwicklungstrends, die zum Teil<br />
eingangs bereits erwähnt wurden:<br />
• Hauptanwendungsbereich für die Stra-<br />
tifzierungsmarker sind mit 85 Prozent<br />
Krebserkrankungen, es folgen Infektionserkrankungen<br />
und genetische Erkrankun-<br />
gen (z. B. Mukoviszidose)<br />
106 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
• Der Trend zu One-to-one-Beziehungen<br />
zwischen Rx und Dx wird sichtbar im<br />
Vergleich der früheren Biomarker (z. B.<br />
Herceptin-Test) mit insgesamt sieben Anbietern<br />
am Markt und neueren Produkten<br />
mit nur einem Dx-Anbieter (z. B. Agendia)<br />
• Bei den (früheren) Produkten sind die<br />
Dx-Vertreter meist klassische Diagnostikfirmen<br />
(z. B. Roche, Abbott, Qiagen,<br />
Agilent/Dako)<br />
Aus <strong>Biotech</strong>-Perspektive sind zwei Modelle<br />
erkennbar:<br />
• Vollintegrierter Dx-Anbieter basierend auf<br />
<strong>Biotech</strong>-Hintergrund (z. B. Agendia)<br />
• <strong>Biotech</strong> in Partnerschaft mit Dx oder Rx<br />
(Celera / Quest; empire Genomics / Icon;<br />
entroGen / Qiagen)
Wirkstoff<br />
(Marke)<br />
Abacavir<br />
(Ziagen ® )<br />
Anastrozol<br />
(Arimidex ® )<br />
Arsentrioxid<br />
(TRISENOX ® )<br />
Cetuximab<br />
(Erbitux ® )<br />
Crizotinib<br />
(XALKORI ® )<br />
Dasatinib<br />
(SPRYCEL ® )<br />
Erlotinib<br />
(Tarceva ® )<br />
Exemestan<br />
(Aromasin ® )<br />
Fulvestrant<br />
(Faslodex ® )<br />
Gefitinib<br />
(Iressa ® )<br />
Imatinib<br />
(Glivec ® )<br />
Ivacaftor<br />
(KALYDECO)<br />
Lapatinib<br />
(Tyverb ® )<br />
Letrozol<br />
(Femara ® )<br />
Maraviroc<br />
(Celsentri ® )<br />
Nilotinib<br />
(Tasigna ® )<br />
Panitumab<br />
(Vectibix ® )<br />
Toremifen<br />
(Fareston ® )<br />
Trastuzumab<br />
(Herceptin ® )<br />
Vemurafenib<br />
(Zelboraf ® )<br />
Eigentümer,<br />
Urheber*<br />
Krankheitsgebiet Target Diagnostikum Hersteller Diagnostikum<br />
(Auswahl)<br />
GlaxoSmithKline HIV / AIDS HLA-B*5701-Allel Roche<br />
AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />
Brustkrebszellen<br />
Teva / Cephalon Akute Promyelozyten-<br />
Leukämie<br />
Bristol-Myers Squibb,<br />
Eli Lilly / ImClone,<br />
Merck / Merck-Serono<br />
Promyelozytenleukämie /<br />
Retinsäurerezeptor-alpha<br />
(PML / RAR-alpha)-Gen<br />
Agendia<br />
Qiagen, Quest Diagnostics<br />
Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS,<br />
Roche<br />
Pfizer Lungenkrebs Fusionsgen Echinoderm microtubule-<br />
associated protein-like 4 anaplastic<br />
lymphoma kinase (EML4-ALK)<br />
Bristol-Myers Squibb Akute lymphatische<br />
Leukämie<br />
Astellas / OSI*,<br />
Pfizer*,<br />
Roche / Genentech<br />
Abbott, AmoyDx, empire Genomics<br />
Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />
Roche / Ventana<br />
Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR<br />
(epidermal growth factor<br />
receptor)-Tyrosinkinase<br />
Pfizer / Pharmacia* Brustkrebs Östrogenrezeptor-positive<br />
Brustkrebszellen<br />
AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />
Brustkrebszellen<br />
AstraZeneca Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR<br />
(epidermal growth factor<br />
receptor)-Tyrosinkinase<br />
Novartis* Akute lymphatische<br />
Leukämie (ALL),<br />
chronische myeloische<br />
Leukämie(CML)<br />
entroGen, Qiagen / DxS, Roche<br />
Agendia<br />
Agendia<br />
entroGen, Qiagen / DxS, Roche<br />
Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />
Roche / Ventana<br />
Vertex* Mukoviszidose G551D-Mutation Abbott, Quest Diagnostics / Celera<br />
GlaxoSmithKline* Brustkrebs HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex<br />
Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies<br />
/ Invitrogen, Roche / Ventana, WILEX<br />
Novartis* Brustkrebs Hormonrezeptor-positive<br />
Brustkrebszellen<br />
Pfizer* HIV / AIDS Kombinationstherapie-resistente,<br />
an den CCR5-Rezeptor andockende<br />
CCR5-trope HI-Viren<br />
Novartis* Chronische myeloi-<br />
sche Leukämie (CML)<br />
Agendia<br />
Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen,<br />
Roche /Ventana<br />
Amgen Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS,<br />
Roche<br />
Kyowa Hakko Kirin /<br />
ProStrakan, Orion*<br />
Chugai,<br />
Roche / Genentech*<br />
Produkte<br />
In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin<br />
Brustkrebs und<br />
Magenkrebs<br />
Brustkrebs und<br />
Magenkrebs<br />
Hormonrezeptor-positive<br />
Brustkrebszellen<br />
Plexxicon*, Roche Melanom BRAF-V600 Mutation im<br />
Tumorgewebe<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 107<br />
n/a<br />
Agendia<br />
HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex<br />
Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies<br />
/ Invitrogen, Roche/Ventana, WILEX<br />
Roche<br />
Quelle: Ernst & Young, vfa, <strong>2013</strong>
Neugründungen mit innovativen Ideen<br />
Drug Development<br />
• AdiuTide Pharmaceuticals<br />
Frankfurt am Main<br />
AdiuTide Pharmaceuticals entwickelt Oligo-<br />
nukleotid-basierte Therapeutika zur verbesserten<br />
Stimulation der angeborenen<br />
Immunantwort. Das Portfolio von hochpotenten<br />
Rezeptor-Agonisten (insbesondere<br />
TLR9 und RIG-I) geht auf Patente zurück,<br />
die von Pfizer aufgegeben wurden. Zwei<br />
Substanzen befinden sich derzeit in der<br />
präklinischen Entwicklung und sind bereit<br />
für eine Phase-I-Studie im Menschen.<br />
Potenzielle Anwendungsbereiche der<br />
modifizierten Oligonukleotide sind z. B.<br />
die Therapie von Krebs, Allergien und Infektionskrankheiten<br />
sowie die Verwendung<br />
als Vakzinadjuvans. Das Start-up gewann<br />
2012 den ersten Preis der Businessplanphase<br />
des Science4Life Venture Cup.<br />
• DeltaVir<br />
Leipzig<br />
DeltaVir widmet sich der Entwicklung einer<br />
autologen Tumortherapie. Grundlage für<br />
den Anti-Krebs-Impfstoff sind aus dem<br />
Eigenblut des Patienten isolierte Dendriti-<br />
sche Zellen. Die Forschung an Dendritischen<br />
Zellen und ihrer Bedeutung zur Aktivierung<br />
und Steuerung des Immunsystems<br />
erhielt 2011 den Nobelpreis für Medizin.<br />
Die Therapie beruht auf der Kombination<br />
des Newcastle Disease Virus (NDV) mit<br />
dem autologen Dendritischen-Zell(DC)-<br />
Anti-Krebs-Vakzin und versucht auf diesem<br />
Weg die Toleranz des Immunsystems für<br />
Krebszellen zu brechen. Die DeltaVir wurde<br />
2011 gegründet, um diese bislang ausschließlich<br />
am IOZK (Immunologisches<br />
und Onkologisches Zentrum Köln) als<br />
Einzelfall-Therapie für Krebspatienten<br />
zugelassene Therapiemöglichkeit einem<br />
größeren Patientenkreis zugänglich zu<br />
machen.<br />
• GeneQuine Biotherapeutics<br />
Hamburg<br />
Die Behandlung von Osteoarthritis durch<br />
einen gentherapeutischen Ansatz ist das<br />
Ziel der im Oktober 2012 gegründeten<br />
GeneQuine Biotherapeutics. Da Entwicklungskosten<br />
und regulatorische Hürden<br />
für veterinärmedizinische Medikamente<br />
geringer sind als für humanmedizinische,<br />
werden die ersten beiden Produktkandidaten<br />
für die Therapie von Pferden und<br />
Hunden entwickelt. Das Lead-Produkt<br />
GQ-201 befindet sich derzeit in Proof-of-<br />
Concept-Studien im Pferd. Die Substanz ist<br />
ein Gentransfer-Vektor, der direkt in das<br />
betroffene Gelenk injiziert wird und die<br />
dortigen Zellen zur Bildung eines therapeutischen<br />
Proteins anregt, welches entzündungshemmend<br />
wirkt und die Knorpeldegeneration<br />
stoppt.<br />
• ImmunoQure<br />
Martinsried<br />
ImmunoQure hat eine Technologieplattform<br />
zur Identifizierung und Gewinnung<br />
von humanen Autoantikörpern gegen relevante<br />
Drug Targets entwickelt. Zur Identifizierung<br />
dieser gegen endogene Proteine<br />
gerichteten Autoantikörper kollaboriert<br />
ImmunoQure mit Patienten seltener Auto-<br />
immundefekte. Der Fokus liegt auf der<br />
parallelen Entwicklung mehrerer humaner<br />
Antikörper zur Therapie von chronisch-<br />
entzündlichen und Autoimmunerkrankungen<br />
sowie deren Verpartnerung für die<br />
klinische Entwicklung.<br />
108 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
• Katairo<br />
Kusterdingen<br />
Katairo – einer der Gewinner des Innova-<br />
tionspreises der BioRegionen in Deutschland<br />
2012 – widmet sich der Entwicklung<br />
eines Wirkstoffes zur Behandlung der<br />
trockenen altersbedingten Makuladegeneration.<br />
Diese ist in Industrieländern der<br />
häufigste Grund für Erblindung und gilt<br />
bislang als nicht heilbar. Professor Schraer-<br />
meyer hat einen Wirkstoff entdeckt, welcher<br />
das toxische Stoffwechselprodukt<br />
Lipofuszin in der betroffenen Zellschicht<br />
abbauen kann.<br />
• PSites Pharma<br />
Frankfurt am Main<br />
PSites widmet sich einem neuen Ansatz<br />
der Inhibition von Protein-Kinasen. Die<br />
meiste Forschung wird derzeit auf die<br />
Hemmung der ATP-Bindestelle der Protein-Kinasen<br />
verwandt. PSites hat jedoch<br />
eine Plattformtechnologie entwickelt,<br />
welche die allosterische Bindestelle der<br />
ACG-Kinase hemmt. Die entwickelten<br />
allosterischen Kinasehemmer könnten<br />
aufgrund ihrer unterschiedlichen Bindestellen<br />
in Kombination mit ATP-Kompe-<br />
titoren zur Krebstherapie verwendet<br />
werden.
In Vitro Diagnostics<br />
• oncgnostics<br />
Jena<br />
Die Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte<br />
korreliert mit dem Vorhandensein<br />
von Krebs und dessen Vorstufen. Auf Basis<br />
dieser Tumor-spezifischen epigenetischen<br />
Biomarker entwickelt oncgnostics molekulare<br />
In-vitro-Diagnostika zur onkologischen<br />
Früherkennung. Das erste Produkt in der<br />
Entwicklung ist GynTect, ein Test zur<br />
schnellen und zuverlässigen Diagnose von<br />
Gebärmutterhalskrebs. Für die Indikatio-<br />
nen Ovarialkarzinom und Kopf-Hals-Karzinom<br />
sind weitere Diagnostika geplant.<br />
• OakLabs<br />
Hennigsdorf<br />
Die Optimierung komplexer Pflanzenmerkmale<br />
wie Ertrag und Geschmack gestaltet<br />
sich oft als schwierig, da eine Vielzahl von<br />
Genen an ihrer Ausbildung beteiligt ist.<br />
Für die zuverlässige Vorhersage von Merkmalen<br />
durch die Analyse von DNA-Markern<br />
kombiniert OakLabs die Microarray-basierte<br />
Genexpressionsanalyse mit mathemati-<br />
schen Algorithmen.<br />
• RHECADIS<br />
Mannheim<br />
RHECADIS ist im Bereich der molekularen<br />
Diagnostik von Prostatakrebs tätig und<br />
entwickelt derzeit drei Biomarker-basierte<br />
Tests: RE-Bx bietet die Möglichkeit bei<br />
Prostatakrebs-negativen Biopsien oder<br />
Biopsien mit unklarem Ergebnis Prostatakrebs<br />
auszuschließen. PRO-Bx prognostiziert,<br />
wie die weitere Behandlung eines<br />
Prostatakrebses erfolgen muss. PRO-Tx<br />
identifiziert Patienten, die von einer frühen<br />
Endokrin-Behandlung profitieren. Das Unternehmen<br />
zählte 2012 zu den Gewinnern<br />
der Konzeptphase des Science4Life Venture<br />
Cup und belegte den dritten Platz des<br />
Prinz von Hohenzollern Innovationspreises<br />
2012 sowie den zweiten Platz des Existenzgründungspreises<br />
<strong>2013</strong>.<br />
Produkte<br />
Bioinformatics<br />
• AptaIT<br />
München<br />
AptaIT hat die COMPAS (COMmon<br />
PAtternS) Software entwickelt, welche es<br />
ermöglicht, aus den umfangreichen Next-<br />
Generation-Sequencing(NGS)-Datensätzen<br />
häufige Sequenzmotive herauszufiltern.<br />
Die Stärken der entwickelten Software<br />
liegen hierbei auf der auch statistisch abgesicherten<br />
Identifikation von Liganden,<br />
sowie von potenziellen Antikörpern und<br />
Biomarkern aus umfangreichen NGS-<br />
Datensätzen.<br />
• Computomics<br />
Tübingen<br />
Computomics hat sich der Interpretation<br />
und Validierung von Next-Generation-<br />
Sequencing-Daten im Bereich der landwirtschaftlich<br />
genutzten Pflanzen verschrieben.<br />
Computomics bietet mit seinem Team<br />
Analysen und Beratung im Bereich der<br />
Genom-Zusammensetzung, der Gen-<br />
expression, Genom-Annotation, Genom-<br />
Varianzanalyse sowie der Interpretation<br />
epigenetischer Daten.<br />
Technologies & Tools<br />
• AyoxxA Biosystems<br />
Köln<br />
AyoxxA Biosystems wurde 2010 als Spinoff<br />
der National University of Singapore<br />
gegründet und verlegte 2012 seinen Firmensitz<br />
nach Köln. Das junge Unternehmen<br />
hat eine neuartige Technologieplattform<br />
entwickelt, welche die Multiplex-Ana-<br />
lyse von Proteinen in sehr geringen Probenvolumina<br />
ermöglicht. Die Technologie<br />
basiert auf der Entwicklung von sogenannten<br />
„In-situ Encoded Bead-based Arrays“<br />
(IEBA). Das Unternehmen gewann 2010<br />
den ersten Preis des internationalen Best<br />
of <strong>Biotech</strong> Wettbewerbs.<br />
• Cysal<br />
Münster<br />
Cysal hat eine Technologie zur biotechnologischen<br />
Herstellung von chemisch<br />
schwierig synthetisierbaren Dipeptiden<br />
im Industriemaßstab entwickelt. Die<br />
Anwendungsmöglichkeiten reichen von<br />
Futter- und Nahrungsmittelzusätzen bis<br />
zu kosmetischen und pharmazeutischen<br />
Wirkstoffen.<br />
• glyXera<br />
Magdeburg<br />
glyXera, eine Ausgründung des Max- Planck-<br />
Instituts und einer der Gewinner des Innovationspreises<br />
der BioRegionen in Deutschland<br />
2012, hat eine Hochdurchsatz-Analyseplattform<br />
für Zuckerstrukturen (Glykosylierung)<br />
entwickelt. glyXera bietet sowohl<br />
den Service der Analyse an als auch eine<br />
korrespondierende Software (glyXalign)<br />
zum Alignment der Daten. Diese Technologie<br />
kann unter anderem bei der Entwicklung<br />
von Medikamenten zur frühen Erkennung<br />
von potenziellen Unverträglichkeiten,<br />
aber auch zur Identifikation von Biomarkern<br />
in der Diagnostik angewandt werden.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 109
CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer<br />
and Infectious Diseases<br />
Dr. Frank W. Falkenberg,<br />
CSO CyTuVax BV, Maastricht<br />
Vaccination against cancer?<br />
Vaccination efficiency can be highly enhanced<br />
by using strong adjuvants. These “stronger”<br />
vaccines are required for diseases that are<br />
caused by microorganisms that have developed<br />
powerful ways of escaping the human<br />
body’s immune response, e. g. antibiotic-<br />
resistant bacteria, tuberculosis and malaria.<br />
It has been the dream of immunologists and<br />
doctors to find a way to vaccinate against<br />
cancer and cure the patient of the otherwise<br />
deadly disease. However, this has turned out<br />
to be very difficult. Vaccination against<br />
cancer is a therapeutic procedure: it is done<br />
to cure an existing disease. This is different<br />
from the usual prophylactic vaccination,<br />
aimed at preventing or ameliorating morbidity<br />
from infection. In addition, cancer cells<br />
express antigens of the “self” repertoire<br />
which are tolerated by the immune system.<br />
Therefore, therapeutic vaccinations require<br />
powerful adjuvants that are capable of overcoming<br />
the suppression of the immune system<br />
under the influence of cancer cells.<br />
Depot-attached cytokines work as<br />
powerful adjuvants<br />
The CyTuVax vaccination concept is based<br />
on the application of inactivated autologous<br />
tumor cells as a source of antigens and<br />
depot-attached cytokines as powerful ad-<br />
juvants. Cytokines are a form of molecular<br />
messages by which cells of the immune system<br />
exchange information with each other.<br />
The recipients of the messages release their<br />
own cytokines. As a consequence, the cytokine<br />
network is activated and guides cells of<br />
the adaptive immune system to mount a<br />
specific response. Activation of the cytokine<br />
network by which cells of the adaptive immune<br />
system interact with each other is the<br />
decisive step in the induction of an immune<br />
response. In the case of vaccination against<br />
tumors, the induction of cellular cytotoxic<br />
immune responses (CD4, CD8, NK cells) is<br />
necessary. The use of depot-attached cytokines<br />
in an extremely high density as a vaccine<br />
adjuvant represents a completely new<br />
vaccination technology that can be applied<br />
in prophylactic as well as in therapeutic vaccines<br />
against bacterial and viral antigens,<br />
tumor antigens and antigens of problematic<br />
diseases such as anthrax, tuberculosis,<br />
malaria, hepatitis C and HIV. The fact that<br />
it has been possible to cure animals from<br />
deadly tumor diseases shows the power and<br />
capabilities of this novel vaccine concept.<br />
Promising preclinical studies in Germany<br />
The technology was developed by Frank<br />
W. Falkenberg during his professorship in<br />
the field of immunology at Bochum University<br />
and later in his CRO company CIRES<br />
GmbH in Dortmund. The concept has been<br />
tested in a variety of murine tumor models<br />
(RenCa renal carcinoma, B16 and K1735<br />
melanoma, C26 and CT 26 colon carcinoma,<br />
MCA fibro sarcoma, A20 and 38C13 B<br />
Lymphoma, TS/A mammary carcinoma)<br />
and with a variety of cytokines (IL-2, IL-4,<br />
IL-12, GM-CSF, IFN). Mice carrying a lethal<br />
load of tumor cells can be cured by vaccination<br />
with a vaccine composed of irradiated<br />
tumor cells and the CyTuVax depot-attached<br />
cytokines as adjuvants. The immune response<br />
is strong and persistent. Tumor-bearing mice,<br />
vaccinated and cured, were still protected<br />
against a challenge with a lethal dose of live<br />
tumor cells even one year after vaccination.<br />
Foundation of CyTuVax in the<br />
Netherlands<br />
For the sake of the technology’s implementation<br />
into clinical trials, forces were joined<br />
with Dr. Vleugels in Maastricht and CyTuVax<br />
BV was founded in the Netherlands. A first<br />
round of financing came from a local fund in<br />
the Netherlands (Nedermaas Ventures<br />
BV). CyTuVax BV will use this investment to<br />
work on the development of a vaccine for<br />
hepatitis B non-responders, concentrating<br />
mainly on patients with kidney dysfunction<br />
110<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
that undergo extracorporal dialysis and<br />
whose immune system is not capable of<br />
mounting an efficient immune response to<br />
vaccination with conventional hepatitis B<br />
vaccines.<br />
First clinical trial with pancreatic<br />
carcinoma patients<br />
Pancreatic cancer is one of the deadliest types<br />
of cancer, and its post-surgical treatment is<br />
one of the major unmet needs in oncology.<br />
Surgical removal of the tumor represents<br />
one of the best options but, unfortunately,<br />
less than 20 percent of all patients are candidates<br />
for potentially curative surgery.<br />
However, even with an optimal curative<br />
surgery, metastases often occur. CyTuVax<br />
plans to perform a Phase I/II study with<br />
pancreatic carcinoma patients that have<br />
been treated by the so-called Whipple operation<br />
as a primary treatment. With a median<br />
survival between 19 and 26 months the patients<br />
of this group survive long enough to<br />
show the efficacy of the CyTuVax vaccines.<br />
This clinical application is intended as a<br />
treatment for patients with Stage II and<br />
Stage III pancreatic carcinoma, an unmet<br />
medical need with surgery and / or chemotherapy<br />
(Gemcitabine) being the standard<br />
of care. CyTuVax will collaborate on the<br />
clinical trials with Prof. Dr. Waldemar Uhl,<br />
head of the Pankreaskarzinomzentrum<br />
Bochum, the third-largest pancreatic cancer<br />
center in Europe, recommended by the DKG.<br />
Treatment costs are estimated at about<br />
50 thousand Euros per patient and the number<br />
of patients is growing. Of the 115.000<br />
patients in Europe and the US, 20 percent are<br />
in stage II and III with a maximum market<br />
potential of between 575 and 1,150 million<br />
Euros.<br />
The future is wide open<br />
In a first round of investment for a clinical<br />
study with pancreatic cancer patients,<br />
CyTuVax will need between three and four<br />
million Euros. The proprietary technology<br />
has unlimited potential and can be applied<br />
to most types of cancers, as well as to<br />
crucial bacterial and viral diseases. Other<br />
types of cancer (e. g. renal carcinoma, lung<br />
cancer) will be included in further studies<br />
later on.<br />
www.cytuvax.com
Zusammenspiel von Physik und <strong>Biotech</strong>nologie: GNA Biosolutions<br />
von links: Dr. Lars Ullerich,<br />
Dr. Joachim Stehr,<br />
Dr. Frederico Bürsgens,<br />
Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH,<br />
Martinsried<br />
<strong>Biotech</strong>-Innovationen aus der Physik<br />
Der Biologie eilt der Ruf voraus, keine<br />
absoluten Aussagen treffen zu können.<br />
Wer je in der biologischen Forschung an<br />
widerspenstigen Zellkulturen oder dem<br />
erratischen Ausgang von Patientenstudien<br />
verzweifelte, kann die Ehrfurcht vor der<br />
Komplexität und Unbeständigkeit biologischer<br />
Systeme nachvollziehen. Abhilfe<br />
kann hier in vielen Fällen der Einsatz von<br />
effektiveren, physikalischen Verfahren zur<br />
Analyse und Manipulation bringen. Schon<br />
vor sechzig Jahren verhalf die Röntgenstrahlung<br />
zur Aufklärung der Molekülstruktur<br />
der DNA-Doppelhelix. Aktuellere Beispiele<br />
sind Atomic Force Microscopy zur<br />
Manipulation einzelner Moleküle wie DNA,<br />
oder das STED-Verfahren (Stimulated Emission<br />
Depletion), wodurch die bisherige<br />
Auflösungsgrenze von Fluoreszenzmikroskopen<br />
aufgehoben wurde. Seit einiger Zeit<br />
legen Physiker sogar selbst an der nicht<br />
mehr nur Biologen vorbehaltenen DNA Hand<br />
an und verwenden synthetische DNA-Stränge<br />
als Baublöcke, die sich durch gezieltes<br />
Sequenzdesign selbständig zu dreidimen-<br />
sionalen Strukturen zusammenlagern –<br />
sogenannten DNA-Origamis.<br />
Doch wo entstehen solche Ideen?<br />
Traditionell ist die Physik in Deutschland gut<br />
aufgestellt. Daher können viele Physiklehrstühle<br />
es ihren Wissenschaftlern ermöglichen,<br />
anspruchsvolle Spezialinstrumente für ihre<br />
Forschung einzusetzen. Auch die ausgeprägte<br />
analytische Natur dieser Disziplin<br />
und die Unverzagtheit gegenüber der vermeintlichen<br />
Unberechenbarkeit der Biologie<br />
erlauben einen anderen Blickwinkel; dann<br />
werden eben Modellierungen bemüht und<br />
gezielte Experimente durchgeführt. Physiker<br />
verstehen biologisches Material schlicht als<br />
„Soft Matter“, welche als Teil der „Condensed<br />
Matter“-Physik gilt und mit Energie zu<br />
Wechselwirkungen angeregt werden kann.<br />
Auch ist praxisrelevante Forschung unter<br />
Physikern kein Schimpfwort. Besonders<br />
fruchtbar sind Zusammenschlüsse, in denen<br />
neue physikalische Verfahren für die Bio-<br />
wissenschaften erschlossen werden. In<br />
München beispielsweise helfen Verbünde<br />
wie das CeNS (Center for Nanosciences) der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
(LMU) und das Exzellenzcluster NIM (Nano-<br />
systems Initiative Munich) beim Ideenaustausch<br />
über die Fachgrenzen hinweg. Beflügelt<br />
durch dieses Umfeld sind allein aus der<br />
Fakultät für Physik der LMU in den letzten<br />
Jahren bereits eine beachtliche Zahl von<br />
Ausgründungen im Bereich Life Sciences<br />
entstanden, wie etwa ibidi, Advalytix, Nanotemper,<br />
Nanion und auch GNA Biosolutions.<br />
GNA Biosolutions:<br />
ultraschnelle DNA-Detektion<br />
Bei GNA spielen gleich drei wissenschaftliche<br />
Disziplinen zusammen – Photonik,<br />
Nanotechnologie und DNA-Analytik. Nano-<br />
partikel dienen als präzise steuerbare Heizelemente<br />
direkt in der Probe. Ein Laserstrahl<br />
regt die Nanopartikel in der Probe an, welche<br />
die aufgenommene Lichtenergie sofort in<br />
Form von thermischer Energie an ihre unmittelbare<br />
Umgebung wieder abgeben. Effek-<br />
tiv wird nur ca. ein Millionstel der Flüssigkeit<br />
erhitzt, der Rest bleibt kalt. Wird der Laserstrahl<br />
abgeschaltet, so erkalten die Nano-<br />
partikel auch innerhalb von Nanosekunden<br />
wieder auf die Temperatur der umgebenden<br />
Flüssigkeit. Hierdurch können die bisherigen<br />
Heiz- und Kühlprozesse für biochemische<br />
Reaktionen revolutioniert werden. So be-<br />
nötigt z. B. die klassische PCR eine etwa<br />
dreißigfache Wiederholung von Heiz- und<br />
Kühlschritten, die in einem herkömmlichen<br />
Thermocycler typischerweise jeweils 20 bis<br />
30 Sekunden benötigen. Der Wärmetransfer<br />
über den massiven Metallblock des Thermocyclers,<br />
durch die Wand des Reagenzien-<br />
gefäßes und in die Probe hinein – und zum<br />
Kühlen auch wieder hinaus – ist zeitaufwendig,<br />
weshalb die DNA-Vervielfältigung in der<br />
Regel rund eine Stunde oder noch länger<br />
dauert. Hingegen erlaubt die Technologie<br />
von GNA eine Verkürzung dieses Prozesses<br />
auf nur wenige Minuten.<br />
Gründung<br />
Die Grundidee der Technologie entstand bereits<br />
in der Doktorarbeit des Mitgründers<br />
Joachim Stehr am Lehrstuhl für Photonik<br />
und Optoelektronik an der LMU München.<br />
Eine Förderung durch EXIST-Forschungstransfer<br />
und die Unterstützung des Gründerbüros<br />
und des Entrepreneurship Centers<br />
ermöglichten die ersten Schritte in Richtung<br />
Kommerzialisierung. Nach der GmbH-Gründung<br />
Mitte 2010 warben die drei Geschäftsführer<br />
Stehr, Bürsgens und Ullerich Anfang<br />
2011 eine Seed-Runde bei einem Privatinvestor<br />
ein. Anschließend bezog das Unternehmen<br />
neue Räumlichkeiten im Innovations-<br />
und Gründerzentrum IZB in Martinsried.<br />
Ende 2012 erfolgte eine weitere Finanzierungsrunde<br />
und das Team, das sich in der<br />
F&E mittlerweile aus Physikern, Biologen<br />
und Technikern zusammensetzt, konnte den<br />
Proof of Concept seiner Technologie in<br />
funktionsfähigen Prototypen erbringen.<br />
Minutenschnelle Pathogentests<br />
in Aussicht<br />
Auf der zeitsparenden DNA-Detektionstechnologie<br />
mittels lasergeheizter Nanopartikel<br />
aufbauend, entsteht derzeit ein Instrument,<br />
welches zum Nachweis von Krankheitserregern<br />
oder Lebensmittelpathogenen dienen<br />
wird. Das neuartige Verfahren ermöglicht<br />
eine ultraschnelle DNA-Detektion – und das<br />
in hohem Maße unabhängig von Probenvolumen<br />
und -format. Beispielhaft seien<br />
minutenschnelle Grippetests genannt, die<br />
direkt vor Ort verarbeitet und ausgewertet<br />
werden können. Das Prinzip des Laser-<br />
Heizens von Nanopartikeln zur Bioanalyse<br />
ist noch ein weites Feld, und neue Ideen aus<br />
der Physik helfen bei dessen Erschließung.<br />
www.gna-bio.de<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
111
Wirkstoffpipeline in Europa<br />
Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012<br />
Klinische Studien (n=1320) Präklinik (n=1266)<br />
5 %<br />
5 %<br />
7 %<br />
19 %<br />
9 %<br />
Onkologie Autoimmun & Entzündung Neurologie<br />
Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen<br />
Metabolismus und Endokrinologie Sonstige<br />
Produkt-Pipeline in Europa<br />
8 %<br />
34 %<br />
Im europäischen Ländervergleich führt<br />
Großbritannien nach wie vor klar die Liste<br />
der Entwicklungsprodukte an. Eine Tat-<br />
sache, die zumindest zum Teil dem Geschäfts-<br />
modell vieler britischer Unternehmen<br />
geschuldet ist, dem Specialty-Pharma-Typ.<br />
Dort stehen Breite des Portfolios und Schwerpunkt<br />
auf eher marktnahen Entwicklungen<br />
im Vordergrund.<br />
13 % 14 %<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Deutschland und die Schweiz teilen sich den<br />
zweiten Platz; Deutschland mit einer deutlich<br />
jüngeren Pipeline. Insbesondere in<br />
Phase III können Schweizer Unternehmen<br />
mit einem stattlichen Portfolio von immerhin<br />
22 Produkten aufwarten, darunter beispielsweise<br />
Tracleer ® (Actelion), Zeftera ®<br />
(Basilea) und Decapeptyl ® (Debiopharm).<br />
112 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
5 %<br />
5 %<br />
5 %<br />
14 %<br />
17 %<br />
27 %<br />
13 %<br />
Ebenfalls Fokus auf Onkologie<br />
Die entsprechende Analyse der Zuordnung<br />
von Pipeline und Therapiegebieten ergibt<br />
für Europa eine ähnliche Dominanz der<br />
Krebstherapien, wenngleich nicht ganz so<br />
deutlich sichtbar(nur 34 % gegenüber 48 %<br />
in Deutschland). Im europäischen Umland<br />
werden absolut gesehen nur in Großbritannien<br />
mehr Anti-Krebs-Therapeutika ent-<br />
wickelt als hierzulande. Dort stecken<br />
bereits drei onkologische Medikamente in<br />
der entscheidenden Phase III (Cerepro ® /<br />
Ark Therapeutics, Sativex ® / GW Pharmaceuticals,<br />
TroVax ® / Oxford BioMedica).<br />
Entsprechend sind andere Therapiefelder wie<br />
z. B. Neurologie in Europa etwas häufiger<br />
vorhanden als in Deutschland, und andere<br />
Gebiete in Deutschland gänzlich unterrepräsentiert,<br />
die in Europa gut sichtbar sind,<br />
wie z. B. Atemwegserkrankungen. Absolute<br />
Vorreiter sind hier die Schweiz und Groß-<br />
britannien, wo man sich stark auf Asthma<br />
und Pulmonale Hypertonie fokussiert.
Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA<br />
Orphan-Drug-Status immer attraktiver?<br />
Der Orphan Drug Act, wonach Entwicklungen<br />
von Medikamenten für Krankheiten<br />
mit weniger als weltweit 200.000 Patienten<br />
besonders behandelt werden, war ursprünglich<br />
eine ideale Nische für <strong>Biotech</strong>-Firmen,<br />
um der starken Konkurrenz durch Pharma<br />
zu entgehen.<br />
In den letzten Jahren hat sich dieses Feld<br />
auch für Pharma-Unternehmen zum attraktiven<br />
Markt entwickelt. Dies liegt in der<br />
Möglichkeit, schneller und billiger klinische<br />
Studien durchzuführen, schneller an den<br />
Markt zu kommen und dort hinsichtlich<br />
Pricing und Reimbursement größere Freiheitsgrade<br />
zu haben als im heißumkämpften<br />
Sektor der Medikamente für die großen<br />
Indikationen.<br />
Eine Analyse ausgehend von Zulassungszahlen<br />
der FDA in den USA sowie der EMA<br />
in Europa belegt diesen Trend eindeutig.<br />
Beide Behörden weisen einen Anstieg der<br />
Zulassungen von Orphan Drugs über die<br />
letzten Jahre auf. In Europa stieg die Zahl<br />
der Orphan-Drug-Zulassungen allein von<br />
2010 bis 2012 von 4 auf 10, damit der<br />
Anteil an allen Zulassungen von 13 auf<br />
26 Prozent. Ähnlich steil verläuft die Kurve<br />
in den USA, wo die FDA-Zulassungen im<br />
gleichen Zeitraum von 6 auf 13 Orphan<br />
Drugs anstiegen, was einem Anteil an allen<br />
Zulassungen von 29 auf 32 Prozent entspricht.<br />
Biologicals spielen dabei eine Rolle,<br />
wenngleich kein konsistenter Trend hinsichtlich<br />
stetig zunehmender Bedeutung<br />
erkennbar ist.<br />
Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA<br />
EMA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
2008 2009 2010 2011 2012<br />
FDA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
(49)<br />
(24)<br />
(69)<br />
(26)<br />
2008 2009 2010 2011 2012<br />
Small molecules Biologicals<br />
Quelle: Ernst & Young, <strong>2013</strong><br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 113<br />
(31)<br />
(21)<br />
(52)<br />
(30)<br />
(38)<br />
(41)
<strong>Biotech</strong>-Standort<br />
Deutschland<br />
114 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik<br />
Innovative Spitzentechnologien<br />
brauchen politisches Commitment<br />
durch alle Instanzen<br />
Das im Einleitungskapitel „Perspektive“ aufgegriffene<br />
Thema des „Umdenkens“ innerhalb<br />
der <strong>Biotech</strong>-Branche bezieht sich vor<br />
allem darauf, mit den eigentlichen Stärken<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie noch effektiver auf gegenwärtige<br />
Bedarfe einzugehen. Dabei ist<br />
sowohl das „Umdenken“ innerhalb des heute<br />
noch vorrangigen Schwerpunktes der Therapeutika<br />
eine wichtige Aufgabe als auch eine<br />
Verbreiterung der Perspektiven auf neue<br />
„Hot Spots“, z. B. in der Diagnostik oder<br />
noch breiter in der Einbeziehung der Bioökonomie-Initiativen<br />
und daran geknüpfter<br />
Visionen für <strong>Biotech</strong>.<br />
Das verbindende Element all dieser Per-<br />
spektiven sind „Bio-Technologien“, die heute<br />
in vielen Fällen mit dem Attribut „Spitzentechnologie“<br />
belegt werden.<br />
Spitzentechnologien und vor allem ihre best-<br />
mögliche Nutzung in kommerziellen Pro-<br />
zessen benötigen aber konkret das Commitment<br />
aller Player – inklusive der Politik.<br />
Aus dieser Richtung gibt es viel Zustimmung<br />
für die essenzielle Bedeutung von Innova-<br />
tion, Technologieführerschaft und „Brain<br />
Capital“ in einem rohstoffarmen Land wie<br />
Deutschland. Dies sind sogar nicht nur<br />
Lippenbekenntnisse in publikumswirksamen<br />
Redebeiträgen, sondern schriftlich fixierte<br />
Vorgaben in Koalitionsverträgen und poli-<br />
tischen Agenden. Allein die ebenso essenziellen<br />
Taten sind weniger herausragend.<br />
Diese Aussage ist vielleicht aber doch zu<br />
wenig differenziert:<br />
• Es ist unbestritten, dass seitens der Forschungspolitik<br />
viele neue Initiativen los-<br />
getreten wurden, die Spitzenforschung<br />
besser bündeln, fokussiert fördern und<br />
in letzter Zeit sogar unter dem Stichwort<br />
„Translation“ klarer auch in Richtung<br />
„Anwendung“ orientieren.<br />
• Viel weniger im Fokus stehen ebenjene<br />
Überlegungen in der Wirtschaftspolitik,<br />
in denen Industrien anderer Größenordnung<br />
relevanter erscheinen und man nicht<br />
wegen eines – wenn auch hoch innovativen<br />
– Start-up- bzw. KMU-Sektors Extraregeln<br />
aufstellen kann.<br />
• Wenn dann noch Forderungen wie steuerliche<br />
Vergünstigungen an das Finanz-<br />
ministerium herangetragen werden, geht<br />
die Diskrepanz der Größenordnungen gemessen<br />
an den Problemen der weltweiten<br />
Finanzkrise soweit ins Unendliche, dass<br />
nicht einmal Spitzentechnologien ausreichend<br />
auflösende Vergrößerungsgläser<br />
erfinden können.<br />
Wenn aber die immense Förderung der<br />
Spitzenforschung durch Steuergelder nicht<br />
oder nur unzureichend dazu führen kann,<br />
dass Teile des Investments in Form von<br />
Markterfolgen zurückgespielt werden und<br />
damit vor allem auch den Wohlstand des<br />
Steuerzahlers auf lange Sicht sichern, dann<br />
läuft die Förderpolitik letztendlich ins Leere<br />
und ist volkswirtschaftlicher Unsinn.<br />
Die Forderung an die Politik wäre also eindeutig,<br />
das Thema Innovation nicht bequem<br />
im Forschungsministerium zu „parken“ und<br />
dessen Aktivitäten als politisches Alibi für<br />
eine zukunftsorientierte Innovationspolitik<br />
zu missbrauchen. Vielmehr wäre eine viel<br />
engere Kohärenz der Disziplinen innerhalb<br />
der Politik notwendig, um Innovation im<br />
richtigen Sinn auszulegen. Sie ist erst dann<br />
ein Erfolg, wenn die Früchte der herausragenden<br />
Spitzentechnologien in Form<br />
signifikanter Wertschöpfung, nachhaltigen<br />
Wirtschaftswachstums und langfristig<br />
gesicherter, hochwertiger Arbeitsplätze<br />
geerntet werden können.<br />
Das Standortkapitel des Ernst & Young<br />
<strong>Biotech</strong>-<strong>Report</strong>s soll eine Plattform darstellen<br />
zur Artikulation aktueller Gegebenheiten<br />
im Zusammenspiel der Branche und ihrer<br />
Unternehmen<br />
• mit der Politik,<br />
• in Verbänden und regionalen Initiativen,<br />
• in Netzwerken.<br />
Im Folgenden sollen zunächst aktuelle Themen<br />
der politischen Diskussion aufgegriffen<br />
werden und von relevanten Vertretern der<br />
Branche – Peter Heinrich als Vorstandsvorsitzender<br />
der BIO Deutschland sowie Pablo<br />
Serrano als Geschäftsfeldleiter Forschung &<br />
Innovation / <strong>Biotech</strong>nologie beim Bundesverband<br />
der pharmazeutischen Industrie –<br />
erörtert werden.<br />
Beide Verbände nehmen wichtige Aufgaben<br />
der Interessenvertretung wahr, insbesondere<br />
in der Interaktion mit der Politik. Beide adressieren<br />
in unzähligen Aktionen die immer wieder<br />
gleichen Fragen mit ihren Gesprächs-<br />
partnern auf politischer Ebene. Leider ist<br />
diese Aufgabe oft undankbar, sehr langwierig<br />
und zäh. Insbesondere leidet der Ansatz des<br />
steten Tropfens darunter, dass allenfalls<br />
zwar immer wieder kleine Löcher den großen<br />
Stein der Gesamtproblematik „höhlen“, aufgrund<br />
der beschriebenen mangelnden Kohärenz<br />
der Politik enden die kleinen Höhlen<br />
aber meist in einer Sackgasse ohne Ausgang<br />
bzw. Zugang zu den wirklichen Schaltzentralen<br />
der Macht.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 115
BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen<br />
zur Förderung innovativer Spitzentechnologie<br />
Dr. Peter Heinrich,<br />
BIO Deutschland e.V., Berlin<br />
Die Branche ist ernüchtert<br />
<strong>2013</strong> ist ein wichtiges Wahljahr für Deutschland.<br />
Es ist höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme<br />
der wirtschaftspolitischen Rahmen-<br />
bedingungen aus Sicht der <strong>Biotech</strong>nologie-<br />
branche. Wie unsere jährlichen Trendum-<br />
fragen gezeigt haben, setzte die Branche<br />
2009 noch große Hoffnungen in innovations-<br />
freundliche Vorhaben der neuen Regierung.<br />
Deutlich geringer fielen allerdings die Erwartungen<br />
dieses Jahr aus. Die politischen Verheißungen<br />
der jetzigen Koalition in puncto<br />
Forschung und Innovation blieben unerfüllt,<br />
da sich wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen<br />
nicht zu Gunsten der innovativen<br />
Spitzenforschung weiterentwickelt haben.<br />
AMNOG: Regulatorische Hürden<br />
werden größer<br />
Eine wesentliche Neuerung in der jetzigen<br />
Legislaturperiode war die Einführung des<br />
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes,<br />
kurz AMNOG. Zwar begrüßte BIO Deutschland<br />
das Anliegen grundsätzlich, die Preis-<br />
ermittlung eines Arzneimittels über eine<br />
Nutzenbewertung durchzuführen. Wir haben<br />
aber auch an mehreren Stellen wichtige<br />
Verbesserungen an dem Gesetz angemahnt.<br />
Die Entwicklung neuer, innovativer Medikamente<br />
stellt ein hohes finanzielles Risiko<br />
dar. Das AMNOG hat hier eine weitere Hürde<br />
aufgebaut, da nur ein Zusatznutzen dazu<br />
führt, dass die Therapie in Deutschland in<br />
einer der Innovation angemessenen Höhe<br />
erstattet wird. Für eine effektive Arzneimittelentwicklung<br />
muss die Vergleichstherapie<br />
bereits in der klinischen Prüfung für die Zulassung<br />
festgelegt werden. Die empfohlene<br />
Vergleichstherapie ist aber für die Erstattung<br />
nicht bindend. Selbst wenn es ein Unternehmer<br />
also schafft, ein nachweislich wirksames<br />
Medikament zu entwickeln, ist nicht<br />
gleichzeitig gewährleistet, dass damit auch<br />
ein Erlös erwirtschaftet werden kann, mit<br />
dem Investitionen sich auszahlen werden.<br />
Umsatz schlägt Nutzen: Die nachträg-<br />
liche Bewertung von Orphan Drugs<br />
Auch die nachträgliche Nutzenbewertung<br />
von Orphan Drugs bei einem Jahresumsatz<br />
von mehr als 50 Millionen Euro ist nicht<br />
nachvollziehbar und erhöht das finanzielle<br />
Risiko bei der Entwicklung von Therapeutika<br />
zusätzlich. Gerade auf dem Gebiet seltener<br />
Krankheiten sind biotechnologisch hergestellte<br />
Arzneimittel besonders wirkungsvoll<br />
und über 50 Prozent der führenden Orphan<br />
Drugs sind Biologika. Die erneute Nutzen-<br />
bewertung aufgrund hoher Umsatzzahlen<br />
nach dem Erhalt des Orphan-Drug-Status<br />
bremst Innovation und schadet langfristig<br />
den Patienten. Das an sich schon hohe Risiko<br />
gepaart mit zusätzlichem Regulierungsdruck<br />
bei Zulassung und Preisermittlung<br />
macht es für innovative KMU (iKMU) zunehmend<br />
schwierig bis unmöglich, Risikokapital<br />
einzuwerben. Alternative Förderungen<br />
müssen somit ausgebaut und erschlossen<br />
werden.<br />
Kredite werden teurer:<br />
Basel III und Solvency II<br />
Basel III und Solvency II führen dazu, dass<br />
sowohl Kredite als auch Eigenkapital und<br />
Venture Capital (VC) teurer werden. Die im<br />
Rahmen von Basel III geplante Erhöhung<br />
der Eigenkapitalquoten für Banken und<br />
Sparkassen wird Kredite an den Mittelstand<br />
überproportional belasten. Die bei Solvency<br />
II aufgeführte Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung<br />
von VC wird dessen Angebot<br />
reduzieren und verteuern. Hier sollte nachgebessert<br />
werden.<br />
Frisches Kapital führt zu Verlusten<br />
Der aktuelle Koalitionsvertrag sah verschiedene<br />
Maßnahmen vor, um innovative Unternehmen<br />
zu fördern. Ein wichtiger Punkt war,<br />
die geltenden Bestimmungen für Verlustvorträge<br />
anzupassen. Durch Forschungs- und<br />
Entwicklungskosten angehäufte Verlustvor-<br />
116 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
träge gehen ab einer Änderung der Beteiligungsstruktur<br />
von 25 Prozent innerhalb<br />
einer Frist von fünf Jahren teilweise oder<br />
ganz verloren. Die Reichweite von Finanzierungsrunden<br />
beträgt aber derzeit nur etwa<br />
zwei bis maximal drei Jahre und somit ist<br />
die Übertragung von Anteilen meist früher<br />
als nach einem Zeitraum von fünf Jahren<br />
nötig. Eine Absenkung der Fünf- auf eine<br />
Drei- oder sogar Zwei-Jahres-Frist würde<br />
VC- und Family-Office-finanzierten <strong>Biotech</strong>s<br />
helfen, Innovationen nachhaltig zu finan-<br />
zieren.<br />
Steuerliche Förderung von F&E<br />
Ein weiterer Bestandteil des letzten Koali-<br />
tionsvertrages betraf die steuerliche Förderung<br />
von mittelständischer Forschung und<br />
Entwicklung (F&E). Die meisten EU-Länder<br />
haben diese eingeführt (z. B. tax credits),<br />
aber in Deutschland fehlt eine entsprechende<br />
steuerliche F&E-Förderung nach wie vor. Den-<br />
noch muss betont werden, dass die steuer-<br />
liche Forschungsförderung zwar wichtig ist,<br />
aber nicht an die Stelle der unmittelbaren<br />
Projektförderung treten darf, sondern diese<br />
sinnvoll ergänzen sollte. Es muss außerdem<br />
sichergestellt sein, dass die besondere Steuer-<br />
und Finanzierungssituation des innovativen<br />
Mittelstandes angemessen berücksichtigt<br />
wird.<br />
Spitzenforschung in Deutschland benötigt<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />
Innovativen Unternehmen wird durch verschiedene<br />
Gesetzesvorgaben kontinuierliche<br />
Spitzenforschung erschwert. Vergleicht man<br />
KMU und Großindustrie, geht die Schere bei<br />
Innovationsintensität und Investitionsaus-<br />
gaben jährlich weiter auseinander. Nach-<br />
besserungen bei regulatorischen Auflagen,<br />
der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags<br />
und den Rahmenbedingungen für die<br />
Mobilisierung von Kapital sind dringend erforderlich<br />
und sollten zügig realisiert werden,<br />
um erfolgreiche und wettbewerbsfähige<br />
Spitzenforschung auch weiterhin möglich zu<br />
machen.<br />
www.biodeutschland.org
Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die<br />
Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand<br />
Dr. Pablo Serrano,<br />
Geschäftsfeldleiter Forschung & Innova-<br />
tion / <strong>Biotech</strong>nologie, Bundesverband der<br />
Pharmazeutischen Industrie, Berlin<br />
Innovationsmotor biopharmazeutischer<br />
Mittelstand<br />
Molekularbiologische Methoden der modernen<br />
Gen- und <strong>Biotech</strong>nologie sind der Motor<br />
für die Entwicklung innovativer Medikamente.<br />
Dieser Prozess findet vor allem in<br />
den Laboren des biopharmazeutischen<br />
Mittelstandes statt. Von den 900 pharmazeutischen<br />
Unternehmen in Deutschland<br />
(Statistisches Bundesamt) haben fast<br />
95 Prozent weniger als 500 Mitarbeiter –<br />
und in rund 77 Prozent sind weniger als<br />
100 Beschäftigte tätig. 2011 waren fast<br />
120 Firmen an der Erforschung und Entwicklung<br />
sowie der Vermarktung eigener<br />
Biopharmazeutika beteiligt. In Deutschland<br />
sind bereits ca. 200 Medikamente auf biotechnologischer<br />
Basis, davon knapp 150 auf<br />
gentechnischer Grundlage, zugelassen. Das<br />
entspricht einem Anteil von 19 Prozent am<br />
Gesamtumsatz im Pharma-Markt. Die Zahl<br />
der biopharmazeutischen Präparate in der<br />
klinischen Pipeline betrug 2012 etwa 550.<br />
Insgesamt hat sich die Zahl der Medikamentenkandidaten<br />
in der Klinik seit 2006 mehr<br />
als verdoppelt. Damit ist die <strong>Biotech</strong>nologie<br />
keine Zukunftsvision mehr, sondern sorgt<br />
Tag für Tag für konkreten Nutzen beim Patienten.<br />
Darüber hinaus schaffen und sichern<br />
diese Firmen aufgrund ihres mittelständi-<br />
schen Charakters ortsgebundene hochquali-<br />
fizierte Arbeitsplätze. Trotz dieser für die<br />
<strong>Biotech</strong>- und Biopharmazeutika-Industrie<br />
recht positiven Zahlen gibt es erste Anzeichen,<br />
dass die Unternehmen aufgrund der<br />
aktuellen Rahmenbedingungen ihre Businesspläne<br />
anpassen müssen.<br />
GKV-Änderungsgesetz AMNOG<br />
Die 2010 verabschiedeten Gesetze, das<br />
GKV-Änderungsgesetz sowie das Arznei-<br />
mittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG),<br />
sind Beispiele für die erwähnten, den Innovationsstandort<br />
beeinflussenden Rahmenbedingungen.<br />
Ersteres wurde vor dem Hintergrund<br />
der Weltwirtschaftskrise von der<br />
Bundesregierung als Spargesetz konzipiert,<br />
welches von der Pharma-Industrie ein Einfrieren<br />
ihrer Medikamentenpreise auf dem<br />
Stand vom August 2009 fordert. Zudem<br />
wurde der Abschlag von sechs Prozent, den<br />
die Hersteller gewähren müssen, auf 16 Prozent<br />
erhöht. Beide Maßnahmen wurden von<br />
der Bundesregierung entgegen der aktuellen<br />
wirtschaftlichen Lage bis Ende <strong>2013</strong><br />
nicht korrigiert. Des Weiteren wurde mit dem<br />
AMNOG für innovative Arzneimittel eine frühe<br />
Nutzenbewertung eingeführt, die immer<br />
wieder zu Auseinandersetzungen über Bewertungsmethoden<br />
führt und im Ergebnis<br />
die Planbarkeit von innovativen F&E-Programmen<br />
in der Industrie weiter erschwert.<br />
Die unmittelbaren Folgen dieser Gesetze<br />
zeigen sich in einem Umdenken bei forschen-<br />
den Unternehmen, wo innovative Entwicklungen<br />
vorerst auf Eis gelegt werden – fatal<br />
für den Innovationsstandort. Die mittelständische<br />
Pharma-Industrie arbeitet mit den<br />
Gewinnen ihrer sich bereits auf dem Markt<br />
befindlichen Produkte weiter und überbrückt<br />
damit die aktuelle Pipeline-Durststrecke. Die<br />
Mitgliederumfrage des BPI zum Stellenwert<br />
von Innovationen 2012 spiegelt diesen Trend<br />
wider. So erwarten fast 90 Prozent der Firmen,<br />
dass die Nutzenbewertung nach dem<br />
AMNOG teilweise die Refinanzierung der<br />
Investitionen in F&E verhindern wird. Die Lage<br />
ist für den Innovationsstandort Deutschland<br />
ernst, denn 78 Prozent der antwortenden<br />
Firmen gaben an, dass sie derzeit Erfolg<br />
versprechende Entwicklungsprojekte auf<br />
dem Gebiet der verschreibungspflichtigen<br />
Medikamente, darunter zahlreiche Biopharmazeutika,<br />
nicht weiter verfolgen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Mehr Kooperation zwischen <strong>Biotech</strong> und<br />
Pharma könnte helfen<br />
Abhilfe hierzu können Kooperationen zwischen<br />
der <strong>Biotech</strong>-Branche und der mittelständischen<br />
Pharma-Industrie schaffen. Ein<br />
attraktives Feld für Partner beider Branchen<br />
bietet die personalisierte Medizin, denn die<br />
Weiterentwicklung eines bewährten Wirkstoffs<br />
für ein neues Indikationsgebiet mit<br />
Hilfe eines Biomarkers genießt (neuen)<br />
Patentschutz. Die neue Gesetzeslage erfordert<br />
allerdings ein exaktes Abstimmen der<br />
Forschung und Entwicklung auf spätere<br />
Kostenerstattung. Und die Mehrheit der in<br />
Deutschland biopharmazeutisch aktiven<br />
Unternehmen ist flexibel genug, Businesspläne<br />
an die Rahmenbedingungen anzupassen,<br />
wenn diese Planbarkeit erlauben. Doch<br />
das ist derzeit aufgrund der Nutzenbewertungskriterien<br />
für neue Arzneimittel nicht<br />
der Fall. Diese Kriterien werden häufig erst<br />
nach der Zulassung festgelegt und stimmen<br />
dann nicht mit dem Design der klinischen<br />
Studien überein, die normalerweise bis zu<br />
zehn Jahre zurückliegen.<br />
Konsequenzen des AMNOG<br />
für Deutschland<br />
Die Konsequenzen sind für Deutschland<br />
weitreichend: Standortgebundene F&E-Programme<br />
im Mittelstand kommen aufgrund<br />
der von der Regierung verordneten Sparmaßnahmen<br />
– Preismoratorium, Zwangsabschlag,<br />
Nutzenbewertungsverhandlungen,<br />
Aut-Idem-Regelungen etc. – ins Stocken und<br />
Arbeitsplätze werden gefährdet. Gravieren-<br />
der sind die Folgen für Patientinnen und<br />
Patienten, die auf manche verbesserte und<br />
neue Therapien weiter warten müssen.<br />
Denn bei Medikamenten, die keinen Zusatznutzen<br />
attestiert bekommen, werden sich<br />
die Hersteller gegen eine Vermarktung in<br />
Deutschland entscheiden. Der Preis, den sie<br />
damit hier erzielen können, reicht dann nicht,<br />
um die bereits über Jahre in F&E investierten<br />
Kosten zu refinanzieren – und somit neue<br />
Medikamentenkandidaten zu entwickeln. Ein<br />
Beispiel hierfür stellt bereits das Diabetes-<br />
Medikament Trajenta ® von Boehringer Ingelheim<br />
dar. Nach der Nutzenbewertung im<br />
Dezember 2012 wurde kein Zusatznutzen<br />
attestiert, woraufhin sich Boehringer entschlossen<br />
hat, Trajenta ® nicht in Deutschland<br />
auf den Markt zu bringen.<br />
www.bpi.de<br />
117
Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung<br />
Spitzencluster bündeln wissenschaftliche<br />
Exzellenz und sichern<br />
die Anbindung an wirtschaftliche<br />
Wertschöpfungsketten<br />
Die bereits in den Vorjahren angestoßene<br />
Initiative zur Darstellung der verschiedenen<br />
Clusterinitiativen des BMBF (Spitzencluster,<br />
BioPharma, DZG u. a.) dient zum einen einer<br />
Charakterisierung individueller Netzwerke<br />
und deren Herangehensweise an die Lösung<br />
komplexer Fragestellungen. Die meisten<br />
dieser Netzwerke, wie sie bereits aufgelistet<br />
wurden, haben heute in ihren Zielsetzungen<br />
die Anbindung an kommerzielle Wertschöp-<br />
fungsketten vorgesehen. Die Einbeziehung<br />
von Partnern aus der Life-Science-Industrie<br />
(<strong>Biotech</strong>, Medizintechnik, Pharma etc.) war<br />
bereits ein Kriterium für die Auszeichnung<br />
als Spitzencluster.<br />
Zum anderen ist es ebenso wichtig, neben<br />
der reinen Charakterisierung und Darstel-<br />
lung der Konzepte auch deren Verfolgung<br />
und Erfolge zu hinterfragen. Insofern wäre<br />
es sinnvoll, wenn die Erfolgskriterien von<br />
vorneherein definiert würden und bei dieser<br />
Definition auch kommerzielle Meilensteine<br />
Berücksichtigung fänden. Wissenschaftliche<br />
Exzellenz allein reicht nicht aus; der kommerzielle<br />
Erfolg – aus den anfangs geäußer-<br />
ten volkswirtschaftlichen Erwägungen vor<br />
allem in Deutschland – sollte ein ebenso<br />
wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Netz-<br />
werke sein.<br />
Zur Fortsetzung der begonnenen Serie über<br />
einzelne Netzwerke in Deutschland beschreibt<br />
im Folgenden Rainer Wessel das Konzept<br />
und den aktuellen Status des letztjährigen<br />
Gewinners im Spitzencluster-Wettbewerb<br />
des BMBF, des Ci3 Clusters mit Zentrum<br />
in Mainz. Von den oben genannten Grundvoraussetzungen<br />
sind die meisten gegeben:<br />
• Wissenschaftliche Exzellenz – akademische<br />
Spitzenforschung auf dem Gebiet der Immuntherapie<br />
• Etablierte Technologietransfer-Einrichtungen<br />
• Integration von Unternehmen zum Aufbau<br />
einer kommerziellen Wertschöpfungskette<br />
• Politisches Commitment selbst über Bundes-<br />
landgrenzen hinweg<br />
• Signifikantes finanzielles Engagement<br />
durch private Investoren<br />
118 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Regionale BioRegionen vernetzen<br />
sich international<br />
Neben den themengetriebenen Spitzenclustern<br />
hatten sich traditionell aus einem<br />
früheren BMBF-Wettbewerb in Deutschland<br />
BioRegionen etabliert, deren Aktivitäten<br />
ebenfalls an dieser Stelle Beachtung finden<br />
sollen. Im letzten Jahr bereits mit der Beschreibung<br />
von Schwerpunktbildung, Leis-<br />
tungsspektrum etc. begonnen, soll in den<br />
folgenden Ausgaben des <strong>Report</strong>s stärker<br />
auf das Thema „Best Practice“ fokussiert<br />
werden. In diesem Zusammenhang wurde in<br />
diesem Jahr die internationale Vernetzung<br />
als ein relevantes Thema ausgewählt, innerhalb<br />
dessen durch die geschilderten Beispiele<br />
Best-Practice-Initiativen der indivi-<br />
duellen Regionen herausgestellt werden.<br />
Dabei ist eine erstaunliche Erkenntnis, wie<br />
viele unterschiedliche Ideen aufgegriffen<br />
wurden, um international die jeweilige Bio-<br />
Region sichtbar zu machen. Aber diese Ini-<br />
tiativen dienen nicht nur der Sichtbarkeit<br />
einer Region; sie sind vielmehr die Basis für<br />
eine aktive Interaktion der akademischen<br />
und kommerziellen Partner im Sinne einer<br />
gemeinsamen Herangehensweise an komplexe<br />
wissenschaftliche Problemstellungen<br />
mit Auswirkungen für Gesundheit, technischen<br />
Fortschritt und wirtschaftlichen<br />
Erfolg.
Ci3 Spitzencluster – Katalysator für<br />
immunologische Innovationen<br />
Dr. Rainer Wessel,<br />
Cluster Individualisierte<br />
ImmunIntervention (Ci3), Mainz<br />
Maßgeschneiderte Behandlungsansätze<br />
Das Gesundheitssystem steht vor einem<br />
bedeutenden Umbruch. Neue Erkenntnisse<br />
in den Lebenswissenschaften führen zu<br />
einem Paradigmenwechsel in der Medizin<br />
und bieten dabei die Chance, wichtige Bereiche<br />
des Gesundheitswesens stärker auf<br />
eine auf jeden Einzelnen hin angepasste<br />
Medizin auszurichten. Innerhalb der individualisierten<br />
Medizin hat die Immunintervention<br />
ein sehr großes Potenzial. Dieser bereits<br />
jetzt wachstumsstärkste Bereich der<br />
pharmazeutischen Industrie nutzt die Eigenschaften<br />
des Immunsystems bei der Behandlung<br />
von schweren Erkrankungen wie<br />
Krebs, Autoimmun- und gefährlichen Infek-<br />
tionskrankheiten aus. Hierzu werden gene-<br />
tische und immunologische Eigenheiten der<br />
Patienten und ihrer Krankheit für die Entwicklung<br />
maßgeschneiderter Behandlungsansätze<br />
herangezogen. Dadurch entstehen<br />
innovative Therapieformen, die die Entwicklungszeiten<br />
neuer Medikamente verringern,<br />
Risiken für die Patienten reduzieren und die<br />
Kosten einzelner Therapien senken können.<br />
Das alles erfordert eine neuartige Abstimmung<br />
wesentlicher Bereiche unseres Gesund-<br />
heitssystems.<br />
Mit gebündelter Kompetenz<br />
international erfolgreich<br />
Ci3 leistet zur Integration der für die erfolgreiche<br />
Implementierung der individualisierten<br />
Immunintervention notwendigen Bereiche<br />
der Gesundheitswirtschaft einen wichtigen<br />
Beitrag. Das Cluster vernetzt über 120 Partner<br />
aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik in der erweiterten Rhein-<br />
Main-Region und bildet so das integrative<br />
Element der gesamten Innovations- und<br />
Wertschöpfungskette. Die Vision von Ci3 ist<br />
es, die sehr erfolgreiche Pharma-Region<br />
Rhein-Main im Bereich der individualisierten<br />
Immunintervention an die Weltspitze zu führen.<br />
Das volkswirtschaftliche Kernziel von<br />
Ci3 ist die Sicherung eines langfristigen Umsatz-<br />
und Beschäftigungswachstums der am<br />
Cluster beteiligten Firmen und Forschungseinrichtungen<br />
durch den Aufbau einer international<br />
konkurrenzfähigen Pipeline effizienter<br />
und nebenwirkungsarmer Immuntherapeutika<br />
und begleitender Diagnostikprodukte<br />
für stratifizierte und individualisierte<br />
Märkte. Die neuen Präventions-, Diagnose-<br />
und Therapieoptionen werden auf Zukunfts-<br />
und Tragfähigkeit validiert und der Patienten-<br />
versorgung zur Verfügung gestellt. In Strukturprojekten<br />
arbeiten die Partner gemeinsam<br />
daran, die infrastrukturellen Rahmenbedingungen<br />
für diese modernen Therapieformen<br />
zu verbessern und institutionsübergreifende<br />
Strukturen zu schaffen, die allen Cluster-<br />
akteuren zugutekommen.<br />
Spitzencluster: Bis zu 40 Millionen Euro<br />
Förderung<br />
Durch den Gewinn des Spitzencluster-Wett-<br />
bewerbs erhalten immuntherapeutische<br />
Ansätze in der Pharma-Region Rhein-Main<br />
nun einen starken Schub. Im Januar 2012<br />
war Ci3 erfolgreich aus der dritten Runde<br />
des vom Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung (BMBF) ausgelobten Wettbe-<br />
werbs hervorgegangen. Damit verbunden<br />
sind BMBF-Fördergelder in Höhe von bis zu<br />
40 Millionen Euro über fünf Jahre. Aufgestockt<br />
wird diese Summe durch private Mittel<br />
der Partner in mindestens gleicher Höhe.<br />
Leuchttürme gegen Krebs und Zöliakie<br />
Mit der Bewilligung von drei repräsentativen<br />
Projekten, den so genannten Leuchtturmprojekten,<br />
hat das Ci3 Spitzencluster zum<br />
1. April 2012 gestartet. Die Leuchtturm-<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
projekte fokussieren auf die Erforschung<br />
stratifizierter und individualisierter Impfstoffe<br />
zur Therapie solider Tumoren sowie<br />
auf die Entwicklung neuer Therapeutika zur<br />
Behandlung der Zöliakie (Glutenunverträglichkeit).<br />
Insgesamt konnten im Laufe des<br />
Jahres 2012 bereits 64 Förderprojekte an<br />
den Start gehen, die Mehrzahl davon in<br />
28 Verbünden zwischen Industrie und öffent-<br />
lichen Forschungseinrichtungen. Dies ist ein<br />
guter Indikator für die hohe Vernetzung der<br />
Partner. Da bereits jetzt weltweit die Mehrzahl<br />
der neuen Medikamente aus Koopera-<br />
tionen zwischen öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen<br />
und der privaten<br />
Wirtschaft entsteht, ist dieser hohe Grad der<br />
Vernetzung eine gute Voraussetzung für<br />
eine langfristig erfolgreiche und nachhaltige<br />
Entwicklung, mit entsprechenden positiven<br />
Effekten auf die Wertschöpfung in der Region<br />
und die damit verbundene Sicherung von<br />
Arbeitsplätzen.<br />
Wachstumsstarker Standort<br />
Für die beschleunigte Entwicklung des immunologischen<br />
Sektors in der Region spricht<br />
die starke Entwicklung junger <strong>Biotech</strong>-Firmen<br />
in den letzten Jahren. Ein robuster Anstieg<br />
der Investitionen am Standort hat die Entstehung<br />
einer großen Zahl neuer hochqualifizierter<br />
Arbeitsplätze ermöglicht und infrastrukturelle<br />
Maßnahmen nach sich gezogen.<br />
So wird die für Anfang 2014 geplante Fertig-<br />
stellung des ca. 8.000 m² großen neuen Bio-<br />
technologiezentrums „An der Goldgrube“ in<br />
Mainz mehr als 200 hochqualifizierte Arbeits-<br />
plätze in den Life Sciences beheimaten. Die<br />
große regionale Expertise und wachsende<br />
Bedeutung der Immuntherapien spiegelt<br />
sich auch in den stetig steigenden Besucherzahlen<br />
des jährlich in Mainz vom international<br />
hochkarätig besetzten Cancer Immunotherapy<br />
Consortium (CIMT) durchgeführten<br />
Treffens wider. Zusammen mit den anderen<br />
beiden Life-Science-Spitzenclustern der ersten<br />
und zweiten Wettbewerbsrunde, BioRN<br />
in der Rhein-Neckar-Region und m 4 in<br />
Bayern, leistet Ci3 damit einen wichtigen<br />
Beitrag für die weitere Entwicklung der<br />
Biomedizin in Deutschland.<br />
www.ci-3.de<br />
119
BioRegionen in Deutschland – Best<br />
Practice „Internationale Vernetzung“<br />
Angesichts der sehr komplexen und teuren Prozesse bei der Entwicklung<br />
neuer Produkte und eines globalen Wettbewerbs ist die internationale<br />
Vernetzung für die <strong>Biotech</strong>nologie von essenzieller Bedeutung. Auch die<br />
einzelnen BioRegionen in Deutschland legen Wert auf länderübergreifende<br />
Kooperationen.<br />
Hauptstadtregion gut vernetzt:<br />
BioTOP Berlin-Brandenburg<br />
In der deutschen Hauptstadtregion hat man<br />
schon früh auf Vernetzung mit anderen<br />
führenden europäischen Clustern gesetzt.<br />
Mit BioTOP ist die Region Gründungsmit-<br />
glied im Council of European BioRegions<br />
(CEBR) und dem Ostseeanrainer-Netzwerk<br />
ScanBalt. Neben diesen die <strong>Biotech</strong>nologie<br />
in ihrer ganzen Breite abdeckenden Strukturen<br />
ist man als bisher einzige deutsche<br />
Region in der European Diagnostic Clusters<br />
Alliance (EDCA) vertreten, die sehr konkrete<br />
Maßnahmen für Unternehmen und<br />
Forschungseinrichtungen erarbeitet und sich<br />
mit der Entwicklung von In-vitro-Diagnostika<br />
beschäftigt. Von der EDCA unterstützt, wurde<br />
mit dem vierten Berlin-Brandenburger Technologieforum<br />
im Juni 2012 erstmals ein<br />
europäisches Partnering speziell für Diagnostikunternehmen<br />
mit einer regionalen<br />
Konferenz etabliert. Im Bereich der Lebenswissenschaften<br />
profitiert die Hauptstadt-<br />
region von einer regen Teilnahme an den<br />
europäischen Forschungsförderprogrammen<br />
und hat an einer Vielzahl europäischer<br />
Konsortien partizipiert; so z. B. im Mai 2012<br />
an dem Dialogforum der Hauptstadtregion<br />
mit der Europäischen Kommission unter dem<br />
Motto „Bessere Gesundheit in einer älter<br />
werdenden Gesellschaft“. Ziel hierbei war<br />
nicht zuletzt, sich gute Startplätze bei der<br />
Ausgestaltung zukünftiger Förderprogramme<br />
wie Horizon 2020 und deren konkreter Nutzung<br />
zu sichern. Zusätzlich profitiert die<br />
Hauptstadtregion auch von der unmittel-<br />
baren Nähe zu den Botschaften. Fest etabliert<br />
hat sich so etwa der bilaterale Workshop,<br />
der gemeinsam von BioTOP und der<br />
französischen Botschaft jährlich organisiert<br />
wird und sich im November 2012 dem Thema<br />
„Perspectives of Systems Biology“ widmete.<br />
www.biotop.de<br />
Paneuropäische Open Innovation:<br />
das Ruhrgebiet in der IMI<br />
Die Bereitschaft von „Big Pharma“ wächst,<br />
sich auch auf neue, kreative und transnationale<br />
Arbeits- und Kooperationsweisen wie<br />
Open Innovation einzulassen. Ein Beispiel die-<br />
ser Neuausrichtung ist die von IMI (Innovative<br />
Medicines Initiative) mit 196 Millionen Euro<br />
initiierte „European Lead Factory“. In dieser<br />
haben sich sieben europäische Pharma-Unternehmen<br />
des EFPIA Verbundes (European<br />
Federation of Pharmaceutical Industries and<br />
Associations) mit Europas führenden medizinalchemischen<br />
KMU und akademischen Insti-<br />
tutionen zu einer bisher einmaligen PPP<br />
(Öffentlich-Privaten Partnerschaft) zusammengefunden.<br />
Im Rahmen dieser engen Zu-<br />
sammenarbeit wird es akademischen Forschern<br />
europaweit erstmalig möglich sein, beispiellosen<br />
Zugang zu den Substanzbibliotheken<br />
der pharmazeutischen Industrie zu erhalten.<br />
So wird die Translation ihrer Ergebnisse in<br />
künftige Arzneistoffe erleichtert. Auch haben<br />
die Pharma-Unternehmen die Möglichkeit,<br />
gegen die Substanzbibliotheken der Konkurrenten<br />
zu screenen. Das Vorhaben ist als euro-<br />
päische Logistik- und Lieferkette aufgestellt<br />
und wird von den jeweiligen Teil-Konsortialführern<br />
„Medizinalchemie“ (Taros Chemicals,<br />
Dortmund) und „High-Throughput-Screening“<br />
(TI Pharma, Niederlande) orchestriert. Der<br />
kooperative Arbeitsablauf sieht vor, dass die<br />
spezialisierten KMU-Partner zusammen mit<br />
den akademischen Vertretern neue innovative<br />
Strukturgerüste (Scaffolds) in einer parallelen,<br />
europaweiten Zusammenarbeit entwickeln<br />
und die Substanzbibliotheken synthetisieren.<br />
Im Anschluss werden die Compounds über<br />
einen ausgefeilten Logistikprozess den beiden<br />
High-Throughput-Screening-Zentren in Oss<br />
(Niederlande) bzw. Newhouse (Schottland)<br />
zugeführt. Neben der Taros Chemicals sind mit<br />
dem Lead Discovery Center, dem Max-Planck-<br />
Institut Dortmund und der Universität Duisburg-Essen<br />
weitere Akteure aus dem Ruhrgebiet<br />
eingebunden, welches somit seine<br />
Bedeutung als Exzellenzstandort für innovative<br />
Medizinalchemie weiter ausbaut.<br />
www.bioindustry.de<br />
120 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Städtepartnerschaften:<br />
BioRegio Regensburg<br />
Rund um Regensburg hat sich ein starker Mit-<br />
telstand im Bereich Medizintechnik, Pharma<br />
und Life Sciences entwickelt. Amgen und<br />
Life Technologies gehören zu den renommierten<br />
Mietern des kommunalen Techno-<br />
logiezentrums BioPark Regensburg. Mit<br />
1,4 Milliarden Euro Umsatz und insgesamt<br />
15.500 Beschäftigten hat sich die Gesundheitsbranche<br />
zu einem wichtigen Wirtschaftszweig<br />
in der Stadt entwickelt. Allein<br />
hieraus hat sich ein internationales Netzwerk<br />
ausgebildet, in dem die Stadt Regensburg<br />
im Mittelpunkt steht. Die kommunalen<br />
Gründer- und Technologiezentren können<br />
mit ihren Mietern vor Ort und den Firmen im<br />
Cluster von umfangreichen Delegationsreisen,<br />
Partnerstädten und Kooperationen der<br />
Stadt Regensburg profitieren. So bauten der<br />
BioPark Regensburg mit dem <strong>Biotech</strong>-Zentrum<br />
BioPôle in der Partnerschaft Clermont-<br />
Ferrand in Frankreich oder die Kliniken in<br />
Regensburg mit den Hospitälern der Partner-<br />
stadt Qingdao in China enge Kooperationen<br />
auf. Diesen Top-down-Ansatz nutzt die<br />
Politik als Türöffner und bietet zudem ein<br />
breites Angebot an potenziellen Koopera-<br />
tionsmöglichkeiten (kritische Masse).<br />
Hieran schließt sich die wichtige Unterstützungsphase<br />
der einzelnen, fachspezifischen<br />
Akteure vor Ort an – „man kennt sich“.<br />
Aufgrund dieser persönlichen Beziehungen<br />
gelingt auch die essenzielle, selektive Auswahl<br />
erfolgversprechender Projekte zum<br />
beidseitigen Vorteil. Die technologieorientierten<br />
Cluster der Gesundheitswirtschaft,<br />
IT- und Sensorik-Branchen haben hier in<br />
Regensburg von der vielfältigen Form des<br />
internationalen Netzwerkes im Zuge der<br />
Wirtschaftsförderung der Stadt profitiert –<br />
zuletzt durch gezielte Anwerbung von<br />
Fachkräften im Ausland, beispielsweise in<br />
Spanien.<br />
www.bioregio-regensburg.de
Fruchtbare Partnerschaft zwischen<br />
Bayern und Japan: Bio M in München<br />
Bereits ein Blick auf die zahlreichen Deals<br />
und langjährigen Kooperationen zwischen<br />
bayerischen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen und japanischen<br />
Pharma-Konzernen verrät, dass<br />
Japan für die regionale Branche beinahe<br />
ebenso attraktiv ist wie die Pharma-Industrie<br />
in den USA. Da das Interesse beider-<br />
seitig ist, wurden die bestehenden guten<br />
Kontakte zwischen München und der japanischen<br />
Osaka-Region im Jahr 2011 formalisiert.<br />
Bio M , das Clustermanagement des<br />
Münchner <strong>Biotech</strong>-Clusters m 4 , schloss ein<br />
„Transnational <strong>Biotech</strong> & Life Sciences Co-<br />
operation Partnership Agreement“ mit dem<br />
Osaka Bio Headquarters. Die gesamte Kansai-<br />
Region umfasst die Städte Osaka, Kobe und<br />
Kyoto und ist aufgrund der hohen Dichte an<br />
Pharma-Firmen, ihrer 155 Hochschuleinrichtungen<br />
(davon 66 Institute im <strong>Biotech</strong>no-<br />
logiebereich) und der dortigen exzellenten<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen (z. B.<br />
RIKEN) das Zentrum der japanischen <strong>Biotech</strong>nologie.<br />
Seit 2011 diente diese Partnerschaft<br />
vielfach konkret als „Türöffner“ in die<br />
nicht einfach zugänglichen Hierarchieebenen<br />
der japanischen Unternehmen. Mehrere<br />
organisierte Japanreisen, Partnering-Konferenzen<br />
und Messeauftritte mit bayerischen<br />
Unternehmen sowie Gegenbesuche seitens<br />
japanischer Pharma-Vertreter und Wissenschaftler<br />
haben zu zahlreichen und langfris-<br />
tigen Geschäftskontakten geführt. Derzeit<br />
laufen mehrere konkrete Kooperationsgespräche<br />
mit Pharma-Konzernen im R&D-<br />
Sektor und einige Produkt- und Technologie-unternehmen<br />
berichten von deutlichen<br />
Umsatzsteigerungen aufgrund der von Bio M<br />
koordinierten Japanaktivitäten. Zukünftig<br />
soll diese Zusammenarbeit noch intensiver<br />
und unbürokratischer gestaltet werden.<br />
www.bio-m.org<br />
ScanBalt verbindet die Ostsee:<br />
BioCon Valley<br />
BioCon Valley, die BioRegion Mecklenburg-Vorpommerns,<br />
fokussiert sich auf die<br />
enge Verknüpfung von Partnern über Ländergrenzen<br />
hinweg und ist Mitgründer von<br />
ScanBalt, dem Netzwerk aller BioRegionen<br />
an der Ostsee. 2001 in Teschow bei Teterow<br />
gegründet ist ScanBalt anerkannt als Modell-<br />
region der Europäischen Union für das<br />
Gebiet <strong>Biotech</strong>nologie und Gesundheit. Die<br />
11 Anrainerstaaten der Ostsee repräsen-<br />
tieren modellhaft die Herausforderungen in<br />
der EU – von den weltweit führenden Bio-<br />
Regionen wie dem Medicon Valley in Skandinavien,<br />
den norddeutschen BioRegionen von<br />
Kiel, Lübeck, Hamburg, Rostock, Greifswald<br />
und Berlin bis zu den noch forschungslasti-<br />
gen neuen EU-Mitgliedern der baltischen<br />
Staaten und Polen sowie Nordwest-Russland.<br />
Durch die mittlerweile zahlreichen EU-Projekte<br />
im ScanBalt-Verbund gelingt es, die<br />
Vernetzung der Branche in der Metaregion<br />
zu verstärken und die Entscheidungsträger<br />
in Brüssel für die Anliegen der Branche zu<br />
sensibilisieren. Es gilt, die kritische Masse in<br />
Forschung und Entwicklung in den Regionen<br />
zu stärken und neue Märkte für die jungen<br />
Firmen zu erschließen. Zu der ScanBalt<br />
BioRegion zählen mehr als 60 Universitäten<br />
und über 2.100 Life-Science- bzw. <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen, davon ca. 700 KMU, die sich<br />
auf Forschung spezialisiert haben. Organisiert<br />
wird die Zusammenarbeit dezentralisiert<br />
über den Bottom-up-Ansatz mit regionalen<br />
Büros in allen Anrainerstaaten. Zudem<br />
finden jährliche Treffen statt.<br />
www.bcv.org<br />
BioRegio STERN und BioRegioN sind Teil<br />
des EU-Projektes IN2LifeSciences<br />
BioRegio STERN aus dem Raum Stuttgart<br />
und die BioRegioN aus Niedersachsen unter<br />
Führung des BiomeTI e.V. bündeln ihre Kräfte<br />
in einem EU-Projekt: IN2LifeSciences –<br />
Transnational Innovation Incentives for Life<br />
Science SMEs – unterstützt die transnationale<br />
Vernetzung zwischen Life-Science-KMU und<br />
Experten aus den Bereichen „Technologien“,<br />
„Märkte“ und „Finanzen“. Im Fokus steht die<br />
Förderung von Forschung, Entwicklung und<br />
Kommerzialisierung neuer Produkte. Die<br />
beiden BioRegionen haben sich mit weiteren<br />
sechs Life-Science-Clustern aus den Ländern<br />
Frankreich, Niederlande, Belgien und Dänemark<br />
zu einem internationalen Konsortium<br />
zusammengeschlossen. Hauptziel des IN-<br />
2LifeSciences Projektes ist es, die Zusammen-<br />
arbeit über Grenzen als gezieltes Instrument<br />
für KMU zu nutzen, um deren jeweiliges Geschäftskonzept<br />
von Anfang an besser aufzustellen.<br />
Besondere Engpässe bestehen oft<br />
im Technologiebereich, im Zugang zu Finanz-<br />
mitteln, zu Märkten und generell im fehlen-<br />
den Wissen über ausländische Vertriebsspezifika<br />
und Regularien. Die internationalen<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Kollaborationen zwischen den KMU und<br />
Organisationen werden innerhalb des Projektes<br />
mittels finanzieller Anreize auf unterschiedlichen<br />
Ebenen gefördert. Mit Veranstaltungen<br />
wie den „Technology Brokerage<br />
Events“ oder den „Elevator Pitch Events“<br />
werden die Unternehmen dabei unterstützt,<br />
überregionale Technologiepartner für innovative<br />
Projekte bzw. Investoren zu finden.<br />
Zusätzlich werden Webinare zu ausgewählten<br />
Themen angeboten. Über B2B-Events<br />
und eine spezielle Datenbank können neue<br />
Geschäftspartner identifiziert werden.<br />
www.bioregio-stern.de<br />
www.bioregion.de<br />
Internationale Gründungsstory im<br />
BioRiver-Gebiet: AyoxxA Biosystems<br />
Für Pharma-Firmen sind sie selbstverständlich,<br />
für junge <strong>Biotech</strong>-Start-ups nicht: Internationale<br />
Kooperationen. AyoxxA Biosystems<br />
hat hingegen vom ersten Tag an einen internationalen<br />
Weg beschritten. Gegründet wurde<br />
das Unternehmen im Sommer 2010 von<br />
Prof. Dr. Dieter Trau und Dr. Andreas Schmidt<br />
als Spin-off der National University of Singa-<br />
pore, basierend auf dem sogenannten Multiplexing,<br />
bei dem mittels Chiptechnologie sehr<br />
viele unterschiedliche Proteine in kleinstem<br />
Probenvolumen gleichzeitig bestimmt werden<br />
können. In Singapur gilt AyoxxA Biosystems<br />
als hervorragendes Gründungsbeispiel. Hier<br />
profitiert das Start-up von der exzellenten<br />
Forschungslandschaft, dem ausgefeilten<br />
System zur Gründungsförderung sowie dem<br />
einfachen Kontakt zu großen Pharma-Unternehmen,<br />
die Singapur als Tor nach Asien<br />
nutzen. Bezüglich wissenschaftlicher Aspekte<br />
schaute AyoxxA von Singapur aus zuerst in<br />
Richtung USA. Bereits mit der Gründung<br />
wurde das Unternehmen in die „Singapore<br />
MIT Alliance of Research and Technology”<br />
(SMART) aufgenommen und gewann so<br />
neben finanzieller Förderung einen direkten<br />
Draht zum Massachusetts Institute of Techno-<br />
logy in Boston. Aus verschiedenen Gründen<br />
hat sich AyoxxA 2012 für Deutschland als<br />
weltweiten Hauptstandort entschieden. Besonders<br />
für ein Hightech-Unternehmen ist<br />
es zentral, ein verlässliches Zulieferernetz<br />
aufzubauen sowie erstklassige Ingenieursfirmen<br />
für die Produktion und qualifiziertes<br />
Personal zu finden. Zusätzlich konnte hier<br />
bereits in einem frühen Stadium eine starke<br />
Allianz mit Investoren gebildet werden: mit<br />
121
Wellington Partners als Lead-Investor, der<br />
NRW.BANK, dem HTGF, der KfW sowie Rainer<br />
Christine und Dr. Gregor Siebenkotten<br />
als Privatinvestoren. Letztlich hofft AyoxxA<br />
dem “Invented in Singapore & Made in Germany”<br />
mit der ersten Produktreihe der Proteinchips<br />
bald auch noch ein “Sold in the<br />
US” hinzuzufügen.<br />
www.bioriver.de<br />
BIO.NRW: Internationale Netzwerke und<br />
Kollaborationen in NRW<br />
BIO.NRW sorgt für die Internationalisierung<br />
des <strong>Biotech</strong>-Standorts NRW nicht nur mittels<br />
Präsenz durch Messestände und offizielle<br />
Sessions bei internationalen Leitmessen wie<br />
der BIO International Convention in den USA<br />
und der BIO-Europe, sondern organisiert<br />
auch maßgeschneiderte Veranstaltungen<br />
mit landeskundigen Experten. Die Regionen<br />
im Fokus von BIO.NRW sind Indien, Japan,<br />
China und Südkorea, in die z. B. Delegations-<br />
reisen durchgeführt werden. Zudem engagiert<br />
sich BIO.NRW im FP7-call „Bioeconomy<br />
regions – building strategies and partnerships<br />
for global growth from Europe”. In dem<br />
Konsortium sind Organisationen aus acht<br />
europäischen Ländern vertreten. Auch<br />
im Bereich der industriellen Biologie wird<br />
die Internationalisierung vorangetrieben.<br />
BIO.NRW unterstützt CLIB2021 durch perso-<br />
nelle Ressourcen, finanzielle Mittel und enge<br />
Zusammenarbeit. Das Cluster Industrielle<br />
<strong>Biotech</strong>nologie mit Sitz in Düsseldorf agiert<br />
international mit über 90 Mitgliedern aus<br />
Akademie, Industrie, KMU und Netzwerk-<br />
organisationen, von denen etwa 25 Prozent<br />
im Ausland ansässig sind. 2007 gegründet<br />
eröffnete CLIB2021 in den Jahren 2009<br />
bis 2012 nacheinander Repräsentanzen in<br />
Kanada, Russland, Brasilien und Malaysia.<br />
Die Auslandsbüros bilden dabei die Schnittstellen<br />
des Clusters in diese Regionen. Denn<br />
der Wandel hin zu einer biobasierten Öko-<br />
nomie bedarf einer globalen Zusammenarbeit,<br />
erfordert aber lokale Lösungen. Für<br />
verschiedene Weltregionen bieten sich jeweils<br />
andere nachwachsende Rohstoffe als Ressource<br />
an, was angepasste Verarbeitungsprozesse<br />
erfordert und unterschiedliche<br />
Produktspektren ermöglicht. Durch sein internationales<br />
Netzwerk unterstützt CLIB2021<br />
seine Mitglieder dabei, die jeweils geeignets-<br />
ten Ansätze und Technologien zu ermitteln<br />
und länderübergreifende Kooperationen<br />
zu initiieren. So können durch biotechnologische<br />
Verfahren neue Prozesse etabliert<br />
und innovative Produkte erschlossen werden.<br />
www.bio.nrw.de<br />
BioRN aktiviert Health Axis Europe<br />
In der Health Axis Europe (HAE), einer stra-<br />
tegischen Allianz zwischen den Biomedizin-<br />
Clustern Cambridge (England), Leuven (Bel-<br />
gien) und Heidelberg, startete das <strong>Biotech</strong>-<br />
Cluster Rhein-Neckar (BioRN) 2010 seine<br />
Aktivitäten zur Internationalisierung. Für die<br />
Einwerbung von EU-Fördermitteln wurde die<br />
HAE R&D-Community ins Leben gerufen. Sie<br />
bietet Wissenschaftlern aus europäischen<br />
Forschungseinrichtungen und aus der Industrie<br />
die Möglichkeit, sich über eine Online-<br />
Plattform zu Konsortien für europäische För-<br />
derprogramme zusammen zu schließen und<br />
gemeinsam Anträge für F&E-Projekte zu stellen.<br />
Koordinatoren helfen bei der Suche nach<br />
geeigneten Projektpartnern und unterstützen<br />
die Wissenschaftler bei der Antragstellung.<br />
Mit Businessplan-Wettbewerben im Rahmen<br />
des HAE Accelerators werden innovative<br />
Start-up-Teams in den drei Regionen der Health<br />
Axis Europe identifiziert, trainiert und<br />
mit internationalen VC-Investoren in Kontakt<br />
gebracht; auch über Ausrichtung eines Inves-<br />
tor Days (HAE Expo, September <strong>2013</strong>). Das<br />
Engagement des Clustermanagements im<br />
internationalen Entrepreneurship-Netzwerk<br />
TiE (The Indus Entrepreneurs) ist eine weitere<br />
Aktivität im Sinne der Internationalisierung:<br />
Es ermöglicht den Clusterakteuren den<br />
Zugang zu den „Emerging Markets“, so z. B.<br />
zum indischen Markt. Seit 2011 ist BioRN<br />
auch als Gründungsmitglied in der Internatio-<br />
nal Commercialization Alliance (ICA) aktiv.<br />
Die Mitglieder, sogenannte „Innovation Intermediaries“<br />
(Innovationsmittler) beschäftigen<br />
sich mit speziellen Services und Hilfestellun-<br />
gen, die die Kommerzialisierung von Innovationen<br />
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft<br />
fördern können. Der Erfahrungsaustausch<br />
über Landesgrenzen hinweg sowie die Anbahnung<br />
von Kooperationen stehen außerdem<br />
im Fokus der Aktivitäten. Ganz im Sinne<br />
der Internationalisierung beschäftigen sich<br />
die Mitglieder beim diesjährigen Forum<br />
(International Commercialization Forum,<br />
ICF) u. a. mit „Born Global“-Konzepten.<br />
www.biorn.org<br />
122 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
BioLAGO: Motor für die Life Sciences<br />
am internationalen Bodensee<br />
Internationalität ist in der DNA des bodenseeweiten<br />
Netzwerks BioLAGO e.V. fest verankert.<br />
Verbindendes Element des Verbunds<br />
von Forschungseinrichtungen und Unternehmen<br />
in den Lebenswissenschaften und<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie ist hierbei der vierländerübergreifende<br />
Bodensee. Seit seiner Gründung<br />
vor fünf Jahren vereint das Netzwerk<br />
Akteure über Grenzen hinweg und repräsentiert<br />
heute rund 80 Mitglieder aus Deutschland,<br />
der Schweiz, Österreich und Liechtenstein.<br />
Grenzüberschreitende Kooperationen<br />
stehen bei den Netzwerkmitgliedern auf der<br />
Tagesordnung; teilweise konnten diese erst<br />
durch die Existenz der BioLAGO-Plattform<br />
überhaupt angestoßen und realisiert werden.<br />
Insbesondere Netzwerksveranstaltungen<br />
dienen dabei als erster Zündfunken<br />
für spätere Kollaborationen – so beispielsweise<br />
im Falle eines durch die EU und Interreg-Mittel<br />
geförderten Projekts zum „Einfluss<br />
des Erbguts auf den Verlauf und das<br />
Therapieansprechen bei einer Brustkrebs-<br />
erkrankung“. Den Weg ebnete hier ein<br />
Stammtisch des Vereins, bei dem Peter Pohl,<br />
Geschäftsführer des Konstanzer <strong>Biotech</strong>nologieunternehmens<br />
GATC <strong>Biotech</strong>, den<br />
Leiter des VIVIT-Labors im österreichischen<br />
Dornbirn kennenlernte und die Idee zur Zusammenarbeit<br />
entstand. Die internationale<br />
Ausrichtung des Netzwerks spiegelt sich auf<br />
allen Ebenen und in allen Aktivitäten wider:<br />
so organisiert BioLAGO jährlich z. B. eine<br />
Finanzierungskonferenz, die abwechselnd in<br />
den jeweiligen Bodensee-Anrainerstaaten<br />
stattfindet. Ziel ist dabei der länderübergreifende<br />
Austausch von Unternehmen zu Unternehmen.<br />
BioLAGO ist ebenfalls Triebfeder<br />
für den internationalen Austausch über den<br />
Bodensee hinaus. Dies wird in dem Engage-<br />
ment für das Mitglied SystemsX.ch deutlich,<br />
der größten öffentlich geförderten Forschungsinitiative<br />
der Schweiz, einem Tor für<br />
Kooperationen mit KMU aus Baden-Württem-<br />
berg. Der Systembiologie-Initiative gehören<br />
schweizweit Wissenschaftler an 12 Hochschulen<br />
und Universitäten (Zürich, Basel,<br />
Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Neuchâtel)<br />
sowie Forschungsinstitutionen an.<br />
www.biolago.org
Auswahl der internationalen Kooperationen und<br />
Netzwerke deutscher BioRegionen<br />
CLIB2021<br />
European Lead Factory<br />
Health Axis Europe:<br />
IN2LifeSciences:<br />
Aachen<br />
Mitglieder des Arbeitskreises der BioRegionen<br />
Düsseldorf<br />
Köln<br />
Bochum<br />
Münster<br />
Freiburg<br />
Wiesbaden<br />
Bremerhaven<br />
Bielefeld<br />
Bremen<br />
Heidelberg<br />
Wirtschaftsförderung<br />
und Technologietransfer<br />
Schleswig-Holstein GmbH<br />
Stuttgart<br />
Konstanz<br />
Hamburg<br />
Hannover<br />
Würzburg<br />
Ulm<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
IN2LifeSciences:<br />
München<br />
Rostock<br />
Halle<br />
Leipzig<br />
Regensburg<br />
Greifswald<br />
Berlin<br />
Dresden<br />
ScanBalt<br />
EDCA<br />
ScanBalt<br />
CEBR<br />
123
124 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Danksagung<br />
Die Publikation einer Branchenstudie ist das<br />
Resultat der Zusammenarbeit zahlreicher<br />
Personen. Neben dem Ernst & Young Team<br />
haben vor allem auch viele externe, unverzichtbare<br />
Ansprechpartner zum Gelingen<br />
des <strong>Report</strong>s beigetragen.<br />
Allen voran die vielen Kontakte zu <strong>Biotech</strong>-<br />
Unternehmen, die wir im Rahmen einer<br />
globalen Firmenumfrage ansprechen und<br />
die uns essenzielle Informationen auf ver-<br />
traulicher Basis zukommen lassen. Die<br />
wiederholt hohe Rücklaufrate der Antworten<br />
macht uns stolz und zeigt uns, dass die<br />
Branche unsere Erhebungen schätzt. Wir<br />
bedanken uns hierfür herzlich bei allen Teilnehmern<br />
der Umfrage.<br />
Ebenso informativ wie wertvoll sind die<br />
Expertenbeiträge in Form von themenbezogenen<br />
Artikeln. Als authentische Stimme<br />
aus der Branche sind sie für uns wichtiger<br />
Beleg für die Richtigkeit unserer Analyse-<br />
ergebnisse und Trends. Allen Autoren zollen<br />
wir unseren tiefsten Dank für ihre durchweg<br />
spontane Bereitschaft zur Formulierung<br />
ihrer Beiträge.<br />
Als wesentliche Zutaten ergeben darüber<br />
hinaus unzählige persönliche Gespräche mit<br />
Experten aus der Branche das „Salz in der<br />
Suppe“. Allen voran und stellvertretend bedanken<br />
wir uns bei den diesjährigen Expertenpanels,<br />
die in offener Diskussion viele<br />
Sachverhalte interpretieren halfen und unzählige<br />
neue Ideen und Vorschläge einbrachten:<br />
Rainer Christine, Science to Market<br />
Dr. Thomas Höger, Apogenix<br />
Dr. Ingmar Hoerr, CureVac<br />
Dr. Timm-H. Jessen, Bionamics<br />
Dr. Wolfgang Klein, AMD Therapy Fund<br />
Dr. Claus Kremoser, Phenex Pharmaceuticals<br />
Dr. Karl Nägler, Gimv<br />
Dr. Axel Polack, TVM Capital<br />
Dr. Holger Reithinger, Forbion Capital Partners<br />
Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners<br />
Der Erfolg des fertigen gedruckten <strong>Report</strong>s<br />
ist aber vor allem das Produkt eines motivier-<br />
ten und eng verzahnten Teams im Ernst &<br />
Young Life Science Center Mannheim. Die<br />
Erfassung und Analyse von Informationen<br />
und Daten aus der Life-Science-Industrie<br />
wurde durchgeführt von Nina Hahn, Eva-<br />
Maria Hilgarth, Dr. Claudia Pantke, Lisa-Marie<br />
Schulte und Ulrike Trauth. Die teameigene<br />
„Knowledge Platform“ ermöglicht tief-<br />
gehende Analysen, Vergleiche über Jahre<br />
und Geographien sowie die Ableitung<br />
solider Trends nicht nur für die vorliegende<br />
Studie.<br />
Eva-Maria Hilgarth war darüber hinaus für<br />
die Koordination aller externen Beiträge<br />
zuständig, während Ulrike Trauth für die<br />
Gesamtabstimmung und Redaktion der vorliegenden<br />
Studie verantwortlich zeichnete.<br />
Das Kernteam wurde ergänzt durch Georgia<br />
Nalpantidis, die das Teilprojekt der „<strong>Biotech</strong><br />
in Germany“-Karte in Händen hatte.<br />
Der besondere Dank an das gesamte Team<br />
liegt mir persönlich besonders am Herzen –<br />
für das Engagement, die perfekt koordinierte<br />
Teamleistung und trotz Dauerstress<br />
stets fühlbare Freude an der Arbeit.<br />
Nicht zuletzt gilt unser Dank auch Stefanie<br />
Probst und ihrem Team bei magenta Kommunikation,<br />
Design und Neue Medien für<br />
den unermüdlichen Einsatz, die unendliche<br />
Geduld mit vielen Änderungswünschen<br />
und Korrekturen und die professionelle Umsetzung<br />
unserer Ideen in ein optisch gelungenes<br />
Werk.<br />
Mit diesem Bericht verfolgen wir das Ziel,<br />
einen Überblick über aktuelle Perspektiven<br />
der <strong>Biotech</strong>nologiebranche in Deutschland<br />
zu geben und laufende Entwicklungen im<br />
internationalen Vergleich zu bewerten. Es<br />
handelt sich hierbei um einen unabhängigen<br />
Branchenbericht ohne externe Auftraggeber.<br />
Auf die Inhalte wurde keinerlei Einfluss durch<br />
einzelne Unternehmen oder Institutionen<br />
genommen.<br />
Dr. Siegfried Bialojan<br />
Gesamtleitung und Autor<br />
der Studie<br />
Nina Hahn<br />
Eva-Maria Hilgarth<br />
Dr. Claudia Pantke<br />
Lisa-Marie Schulte<br />
Ulrike Trauth<br />
Projektteam Ernst & Young<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 125
Anhang<br />
Methodik und Definitionen<br />
Methodik<br />
Ernst & Young erhebt seit über 20 Jahren<br />
Kennzahlen zur Beschreibung der <strong>Biotech</strong>no-<br />
logieindustrie in den Hauptmärkten USA,<br />
Europa, Kanada und Australien. Dabei geht<br />
es vor allem darum, Entwicklungen und<br />
Trends quantitativ zu erfassen und in entsprechenden<br />
Statistiken über die Jahre zu<br />
verfolgen. Die wichtigsten Qualitätskriterien<br />
hierbei waren und sind:<br />
• Eine konsistente Definition der Einschlusskriterien<br />
für <strong>Biotech</strong>-Firmen (siehe „Defini-<br />
tion: <strong>Biotech</strong>-Unternehmen“)<br />
• Die global einheitliche und konsistente<br />
Anwendung der Kriterien auf nationaler<br />
Ebene<br />
Die zugrundeliegenden Daten wurden mittels<br />
einer internationalen Befragung von<br />
<strong>Biotech</strong>-Unternehmen erhoben und durch<br />
intensive Sekundärrecherchen (BioCentury,<br />
Capital IQ, MedTRACK, Thomson Reuters,<br />
Dow Jones VentureSource, individuelle<br />
Firmen-Webseiten) ergänzt. Die Rücklaufquote<br />
der Primärerhebung betrug etwa<br />
40 % für Deutschland bzw. etwa 20 % für die<br />
übrigen Länder.<br />
Die Umrechnung ausländischer Währungen<br />
erfolgte auf Basis kalkulierter Jahresdurchschnittswerte<br />
der jeweiligen Wechselkurse<br />
(Quelle: www.oanda.com).<br />
Die themenbezogenen Expertenbeiträge<br />
wurden von externen Autoren verfasst und<br />
stellen somit deren Meinung dar.<br />
Definition: <strong>Biotech</strong>-Unternehmen<br />
Ernst & Young analysiert in der vorliegenden<br />
Studie Unternehmen, deren Hauptgeschäfts-<br />
zweck die Kommerzialisierung der modernen<br />
<strong>Biotech</strong>nologie ist. Moderne <strong>Biotech</strong>nologie<br />
nutzt die Gentechnik und andere molekularbiologische<br />
Verfahren zur Produktion von<br />
innovativen Medikamenten, Diagnostika, Spezialchemikalien<br />
sowie transgenen Pflanzen<br />
und Tieren. Ferner werden hier sämtliche<br />
Technologien, Forschung und Dienstleistungen,<br />
die in vorgenannten Bereichen eingesetzt<br />
bzw. durchgeführt werden, eingeschlossen.<br />
Eingesetzte Verfahren sind beispielsweise:<br />
rekombinante DNA-Techniken; cDNA-Techniken<br />
und Biochips; Herstellung von und<br />
Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen<br />
als Tools, Therapeutika und Diagnostika;<br />
Tissue Engineering; Auftragsproduktion,<br />
wenn rekombinante Verfahren involviert<br />
sind; biologische Assays und zelluläre Systeme;<br />
Zellkulturen für Therapie und Produktion;<br />
Gentherapie und Drug Delivery; molekulare<br />
Diagnostik sowie moderne pflanzen-<br />
biotechnologische Verfahren.<br />
Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte<br />
und Verfahren, die nicht im engeren Sinne<br />
„bio“-technologisch sind, jedoch wichtige<br />
Bausteine in der Wertschöpfungskette der<br />
<strong>Biotech</strong>-Industrie darstellen (z. B. Bioinformatik<br />
sowie Technologien und Services im<br />
Bereich Medikamentenentwicklung).<br />
126 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Diese Studie beinhaltet im Kernsegment keine<br />
Firmen, die sich mit klassischen Methoden<br />
der <strong>Biotech</strong>nologie beschäftigen, also z. B.<br />
Verfahren aus der Umweltbiologie (klassische<br />
biologische Verfahren der Schadstoffbeseitigung<br />
wie Abwasserreinigung<br />
oder Biofilter), der Pflanzenbiologie (klassische<br />
Pflanzenzucht und Vermehrung,<br />
Saatgutherstellung), der Nahrungsmittelherstellung<br />
(Bierbrauer) und der klassi-<br />
schen industriellen <strong>Biotech</strong>nologie (Fermen-<br />
tation / Transformationen zur Herstellung<br />
von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische<br />
Enzymtechnologie). Ebenso werden<br />
Firmen ausgeschlossen, die allein analyti-<br />
sche Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches<br />
Arbeiten (z. B. klassische Labor-,<br />
klinische und genetische Diagnostik) sowie<br />
mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt.<br />
Firmen, die sich vorwiegend mit<br />
gängigen Technologien der Immunologie<br />
(ELISA und ähnliches) beschäftigen, die<br />
Diagnostikgeräte (basierend auf SPR oder<br />
Fluoreszenz u. ä.) anbieten, sowie Medizintechnikgeräte-<br />
und Verbrauchsmaterialhersteller<br />
sind ebenfalls nicht in die Untersuchung<br />
eingeschlossen. Ferner nicht berücksichtigt<br />
werden Firmen, die sich ausschließlich<br />
mit dem Vertrieb von biologischen<br />
Produkten (z. B. Biochemikalien) beschäfti-<br />
gen oder die <strong>Biotech</strong>nologie nicht als Hauptgeschäftszweck<br />
betreiben. Damit sind auch<br />
traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen<br />
aus der Pharma- und Agroindustrie<br />
ausgeschlossen, auch wenn sie mit Methoden<br />
der modernen <strong>Biotech</strong>nologie arbeiten.
Abgrenzung zu anderen Branchenstudien<br />
Für die statistische Analyse von Trends ist<br />
es erforderlich, die Untersuchungsmenge<br />
möglichst homogen zu definieren. Deshalb<br />
hat sich eine eher restriktive Handhabung<br />
der Einschlusskriterien etabliert.<br />
Diskrepanzen zu Erhebungen verschiedener<br />
nationaler Institutionen ergeben sich vorwiegend<br />
dadurch, dass diese verständlicher-<br />
weise vornehmlich volkswirtschaftlich relevante<br />
Bewertungskriterien bei der Beschrei-<br />
bung der Branche anlegen, um eine regionale<br />
oder nationale Leistungsfähigkeit zu belegen.<br />
In diesem Zusammenhang tragen z. B. Nieder-<br />
lassungen ausländischer Muttergesellschaften<br />
in Deutschland sehr wohl zur volkswirtschaftlichen<br />
Leistung bei (Mitarbeiter, Umsatz,<br />
F&E-Aufwendungen, Steueraufkommen etc.);<br />
gleichwohl zwingt eine globale Analyse – wie<br />
sie von Ernst & Young regelmäßig durchgeführt<br />
wird – formal zur Zuordnung des Unternehmens<br />
zum juristischen Hauptsitz, um<br />
Doppelzählungen zu vermeiden. Auch ist es<br />
vielfach schwierig, von international tätigen<br />
Unternehmen detaillierte Zahlen – beispielsweise<br />
zu Umsatz, F&E-Ausgaben etc. – zu<br />
erhalten, die ihre regionalen Niederlassungen<br />
exakt abbilden.<br />
Das Vorgehen auf Basis einer restriktiveren<br />
Definition hat jedoch keine Auswirkungen<br />
auf die Beschreibung von Trends beziehungs-<br />
weise auf die Detailanalysen von Finanzierungs-<br />
oder Transaktionsentwicklungen,<br />
welche im Fokus der Ernst & Young Berichte<br />
stehen.<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 127
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen<br />
Tabellen<br />
Kapitel Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie 39<br />
Kennzahlen der europäischen <strong>Biotech</strong>-Industrie (börsennotierte Unternehmen) 39<br />
Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie im Detail 40<br />
Neugründungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2011/2012 41<br />
Kapitel Transaktionen<br />
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 49<br />
Allianzen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 55<br />
M&As deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 60<br />
M&As europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 63<br />
Kapitel Finanzierung<br />
Risikokapitalfinanzierungen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 70<br />
Risikokapitalfinanzierungen europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 83<br />
Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl) 85<br />
Börsengänge europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 90<br />
Börsengänge US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 91<br />
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 92<br />
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen, 2012 (Auswahl) 93<br />
Die 30 größten <strong>Biotech</strong>-Unternehmen Europas nach Marktkapitalisierung, 2012 97<br />
Kapitel Produkte<br />
Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl) 102<br />
In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin 107<br />
128 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Abbildungen<br />
Kapitel Perspektive<br />
Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz 8<br />
Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette 11<br />
Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten 12<br />
Übersicht der deutschen Tech@Companies im Therapiesektor 14<br />
Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics 18<br />
Übersicht der deutschen Tech@Companies im Diagnostiksektor 21<br />
Biologisierung der Industrien 22<br />
Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung 24<br />
Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA 36<br />
Kapitel Kennzahlen der deutschen <strong>Biotech</strong>-Industrie<br />
Fluktuation bei deutschen <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 39<br />
Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen in Deutschland 42<br />
Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland nach Geschäftsfeld, 2012 43<br />
Kapitel Transaktionen<br />
Allianzen deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 45<br />
Allianzen europäischer und US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 45<br />
Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 46<br />
Zahlungsströme aus Allianzen an europäische <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 46<br />
Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners 56<br />
Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern, Europa und USA 57<br />
Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies im Vergleich 58<br />
Käuferanalyse globaler Pharma-Allianzen 59<br />
Käuferanalyse globaler Pharma-M&As 64<br />
Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer 64<br />
Firepower: Abnahme bei Big Pharma, Zunahme bei Specialty Pharma und Big <strong>Biotech</strong> 65<br />
Geringere Firepower führt zur Verdrängung von Big Pharma aus M&As 65<br />
Kapitel Finanzierung<br />
Kapitalaufnahme deutscher <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 67<br />
Kapitalaufnahme europäischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 67<br />
Kapitalaufnahme US-amerikanischer <strong>Biotech</strong>-Unternehmen 68<br />
Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland 69<br />
Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern 82<br />
Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international) 84<br />
Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012 96<br />
Kapitel Produkte<br />
<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Deutschland 99<br />
<strong>Biotech</strong>-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012 99<br />
Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012 100<br />
Klinische Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Substanz, 2012 103<br />
Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012 104<br />
Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012 112<br />
Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA 113<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 129
Verzeichnis der Expertenbeiträge<br />
Kapitel Perspektive<br />
<strong>Biotech</strong> classica – Quo vadis? 6<br />
Dr. Timm-H. Jessen, CEO Bionamics GmbH, Hamburg<br />
Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation 9<br />
Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg<br />
Lead Discovery Center: Skipping <strong>Biotech</strong> – Verzichtet Pharma in Zukunft auf <strong>Biotech</strong>? 10<br />
Dr. Bert Klebl, CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH, Dortmund<br />
Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße <strong>Biotech</strong>nologie 27<br />
Dr. Holger Zinke, Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />
Von Brustimplantaten zur Textilfaser: AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum 28<br />
Axel Leimer, CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried<br />
Interim-Management: Mit Erfahrung starten 30<br />
Dr. Alrik Koppenhöfer, LSCN Ltd., Heidelberg<br />
Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups 31<br />
Dr. Jörg Fregien, Geschäftsführer Life Science Inkubator, Bonn<br />
Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion 33<br />
Christian A. Stein, CEO Ascenion GmbH, München<br />
VolksparkLabs – Eine Privatinitiative zur Förderung von Life Science 34<br />
Prof. Dr. Carsten Claussen, Initiator der VolksparkLabs, CEO European ScreeningPort GmbH, Hamburg<br />
Kapitel Transaktionen<br />
Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro von MSD für HCMV-Portfolio 50<br />
Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff, CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal<br />
Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen 51<br />
Dr. Claus Kremoser, Thomas Hoffmann, CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen<br />
evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity 54<br />
Dr. Thorsten Eggert, CEO evocatal GmbH, Düsseldorf<br />
Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline 61<br />
Dr. Gitte Neubauer, Geschäftsführerin Cellzome GmbH, eine GSK-Tochter, Heidelberg<br />
Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter 62<br />
Prof. Dr. Götz Münch, CEO advanceCOR GmbH, Martinsried<br />
Kapitel Finanzierung<br />
Business Angels und Venture-Capital-Investoren – Nur gemeinsam stark 75<br />
Rainer Christine, Science to Market Venture Capital GmbH, Köln<br />
Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics 76<br />
Dr. Marc W. Hentz, Managing Director AMP Therapeutics GmbH, Leipzig<br />
Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt 78<br />
Dr. Ulf Menyes, CEO Enzymicals AG, Greifswald<br />
Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie: Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran 79<br />
Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen<br />
CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell? 80<br />
Werner J. Langner, CATO Europe GmbH, Köln<br />
Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern 81<br />
Andreas Huber, Bayern Kapital GmbH, Landshut<br />
Wellington Partners IV Life Science Fund: Ja zu <strong>Biotech</strong>, aber mit hoher Selektivität 87<br />
Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners, München<br />
Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten gebraucht werden 88<br />
Sven Pirsig, Ernst & Young GmbH, Berlin<br />
Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche <strong>Biotech</strong>nologie 89<br />
Ingrid Zwoch, Nationale Kontaktstelle Lebenswissenschaften (Projektträger für das BMBF), Bonn<br />
Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch: 4SC führt Kapitalerhöhung durch 94<br />
Enno Spillner, CEO / CFO 4SC AG, Martinsried<br />
Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen 95<br />
Peter Brock, Family Office Services, Ernst & Young GmbH, Düsseldorf<br />
130 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Kapitel Produkte<br />
Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation 105<br />
Dr. Adi Hoess, CEO Affimed Therapeutics AG, Heidelberg<br />
CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer and Infectious Diseases 110<br />
Dr. Frank W. Falkenberg, CSO CyTuVax BV, Maastricht<br />
Zusammenspiel von Physik und <strong>Biotech</strong>nologie: GNA Biosolutions 111<br />
Dr. Lars Ullerich, Dr. Joachim Stehr, Dr. Frederico Bürsgens, Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH, Martinsried<br />
Kapitel <strong>Biotech</strong>-Standort Deutschland<br />
BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen zur Förderung innovativer Spitzentechnologie 116<br />
Dr. Peter Heinrich, BIO Deutschland e.V., Berlin<br />
Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand 117<br />
Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Forschung & Innovation / <strong>Biotech</strong>nologie,<br />
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Berlin<br />
Ci3 Spitzencluster – Katalysator für immunologische Innovationen 119<br />
Dr. Rainer Wessel, Cluster Individualisierte ImmunIntervention (Ci3), Mainz<br />
BioRegionen in Deutschland – Best Practice „Internationale Vernetzung“ 120<br />
Beiträge verschiedener BioRegionen; Koordination: Dr. Klaus Eichenberg,<br />
Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, Stuttgart,<br />
Sprecher des Arbeitskreises der BioRegionen in Deutschland, Berlin<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
131
Glossar<br />
ADME/PK Pharmakokinetik; Einwirkung des Organismus auf<br />
ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit der Zeit<br />
AMNOG Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />
Antibody Drug Conjugate Antikörper(fragment) gekoppelt an<br />
einen medizinischen, z. B. zytotoxischen Wirkstoff<br />
API Active Pharmaceutical Ingredient; Wirkstoff in einem Medikament<br />
Asset Vermögensgegenstand<br />
Aut-idem-Regelung Regelung, die dem Apotheker die Möglichkeit<br />
gibt, statt des vom Arzt verordneten Medikamentes ein wirkstoffgleiches,<br />
preisgünstigeres Präparat abzugeben<br />
BA Business Angel; Investor, der Start-up-Unternehmen mit Kapital,<br />
Erfahrung und Kontakten unterstützt<br />
Back-loaded Deal Deal, bei dem ein Großteil der Zahlungen gegen<br />
Ende der Vereinbarungszeit anfällt (z. B. in Form von Meilensteinzahlungen)<br />
Basel III / Solvency II Neue Eigenkapital- und Liquiditäts-<br />
vorschriften für Banken (Basel III); neue Eigenkapitalrichtlinien<br />
für Versicherer (Solvency II)<br />
BD Business Development; Geschäftsentwicklung<br />
Best Practice Erfolgsmethode; bewährte Vorgehensweise in<br />
Unternehmen<br />
Biobetter Biopharmazeutisches Nachfolgepräparat, welches eine<br />
Verbesserung des Originals darstellt<br />
Biologicals / Biologics Mit biotechnologischen Methoden her-<br />
gestellte Arzneistoffe (z. B. Antikörper)<br />
Bio-Dollars Potenzieller Wert einer strategischen Partnerschaft<br />
inklusive möglicher Meilensteinzahlungen<br />
Biosimilar <strong>Biotech</strong>nologisch erzeugtes Folgepräparat eines<br />
Biopharmazeutikums<br />
Brand Heritage Werte, Rituale und Traditionen, die durch die<br />
Verankerung einer Marke in der Vergangenheit entstanden;<br />
häufig durch Unternehmensgründer oder Herkunftsort geprägt<br />
Break-even-Point Gewinnschwelle, an der Erlöse und Kosten<br />
gleich hoch sind und somit weder Verlust noch Gewinn erwirt-<br />
schaftet wird<br />
Burn Rate Geldverbrennungsrate; Geschwindigkeit, mit der ein<br />
Unternehmen seine finanziellen Mittel verbraucht<br />
Business Model Geschäftsmodell<br />
CAGR Compound Annual Growth Rate; durchschnittliche relative<br />
Zunahme einer Größe pro Zeiteinheit<br />
Club Deal Zusammenschluss von Unternehmen zu einem<br />
Konsortium, um Vorteile in bestimmten Geschäften zu erzielen<br />
132 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Companion Diagnostics CDx; Parallel zu zielgerichteten<br />
Medikamenten entwickelte Begleitdiagnostika, mit denen der<br />
Biomarkerstatus der Patienten bestimmt wird<br />
Computational Chemistry Kombination von Chemie und Infor-<br />
matik zur Vorhersage von Molekülstrukturen und –verhalten<br />
Contract Research Auftragsforschung, z. B. Planung und Durchführung<br />
klinischer Studien als Dienstleistung<br />
Corporate Unternehmen betreffend<br />
Corporate Investor Unternehmen, das als Investor auftritt<br />
Corporate Venture Capital CVC; Risikokapital, das von Firmen<br />
mittels eines eigens dafür gegründeten Fonds als Eigenkapital zur<br />
Verfügung gestellt wird<br />
Cross-fund Investments Investitionen in eine Portfoliofirma zu<br />
unterschiedlichen Zeiten aus verschiedenen Funds<br />
Crowd Financing / Crowd Funding Schwarmfinanzierung; Art der<br />
Finanzierung, wobei eine breite Masse an Anlegern angesprochen<br />
wird, aber jeder Kapitalgeber nur einen geringen finanziellen Anteil<br />
trägt<br />
Deal Vertraglich festgelegte Zusammenarbeit zweier oder<br />
mehrerer Unternehmen mit dem Entschluss, ein bestimmtes<br />
gemeinsames Ziel zu erreichen<br />
Dealflow Zahl der Investmentmöglichkeiten, die Investoren<br />
angeboten werden<br />
Deal Sourcing Aufspüren und Evaluierung möglicher Deals<br />
De-risking Anlagestrategie zur Reduzierung von Risiken<br />
Drug Delivery Transport von pharmakologisch aktiven Substanzen<br />
an ihren Wirkungsort, z. B. durch spezielle Formulierungen,<br />
Verpackungen, Konjugate<br />
Drug Discovery Erforschung neuer medizinischer Wirkstoffe<br />
Drug Discovery Engine Technologiepalette, die zur Entdeckung<br />
neuer medizinischer Wirkstoffe genutzt wird<br />
Early Licensing Lizenzvereinbarung über ein Produkt in einem<br />
frühen Entwicklungsstadium<br />
Early / Late Stage Frühe / späte Phase in der Entwicklung eines<br />
Unternehmens bzw. eines Produkts<br />
Earn-Out Ein im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags zusätzlich<br />
zu dem Basispreis vereinbarter variabler Zahlungsbestandteil,<br />
der in festgelegten Abständen zu leisten ist und sich in seiner Höhe<br />
an einer betriebswirtschaftliche Bemessungsgrundlage orientiert,<br />
wie z. B. Umsatz oder Gewinn<br />
Entrepreneur Unternehmertyp, der mit hohem persönlichem<br />
Einsatz sowie großer Innovations- und Risikobereitschaft eine<br />
Firma führt
Exit Gelegenheit für Investoren, ihre Anteile an einem Unter-<br />
nehmen zu veräußern<br />
Family Office FO; Gesellschaft, die das Großvermögen einer<br />
Familie verwaltet<br />
F&E Forschung und Entwicklung<br />
Financial Engineering Entwicklung von neuen Finanzinstrumenten<br />
und -strategien<br />
FIPCO Fully Integrated Pharmaceutical Company; Geschäfts-<br />
modell, das den gesamten Entwicklungsprozess eines pharmazeutischen<br />
Produkts von der Entdeckung bis zur Vermarktung umfasst<br />
First-in-Class Drug erstes Medikament einer bestimmten Behandlungs-<br />
oder Substanzklasse<br />
Freedom to Operate Möglichkeit, ein Produkt zu entwickeln, zu<br />
benutzen oder zu vermarkten, ohne dass Eigentumsrechte eines<br />
Dritten verletzt werden<br />
Genetic Engineering Gentechnische Modifizierung von Organismen<br />
Going Concern Unternehmen, dessen Fortbestehen für absehbare<br />
Zeit gesichert ist<br />
Glycoengineering Optimierung der physiko-chemischen Eigenschaften<br />
rekombinanter Glykoproteine hinsichtlich Stabilität und<br />
Bioaktivität<br />
Grant Fördermittel; Finanzielle Zuwendung von Regierungen oder<br />
Stiftungen, die nicht zurückgezahlt werden muss<br />
GMP Good Manufacturing Practice; Richtlinien zur standardisierten<br />
Qualitätssicherung von Produktionsstätten und -abläufen<br />
Health Outcome Gesundheitszustand nach einer Behandlung<br />
iKMU Innovative kleine und mittlere Unternehmen<br />
Imaging Bildgebungsverfahren bzw. -instrumente<br />
Implementation Gap Umsetzungslücke<br />
Incentivierung Motivationsanreiz, z. B. durch Steuervergünstigungen,<br />
Geld- oder Sachprämien<br />
Innovation Hub Umgebung, in der innovative Kräfte gebündelt<br />
auftreten<br />
IND Investigational New Drug; neuer Wirkstoff, der von der FDA für<br />
klinische Studie zugelassen wurde<br />
IP Intellectual Property; geistiges Eigentum<br />
IPO Initial Public Offering; Börsengang<br />
iPS cells induced pluripotent stem cells; induzierte pluripotente<br />
Stammzellen, die durch künstliche Reprogrammierung nicht-<br />
pluripotenter somatischer Zellen erzeugt werden<br />
IRR Internal rate of return; Interner Zinsfuß<br />
JV Joint Venture; Beteiligungsunternehmen<br />
KMU Kleine und mittlere Unternehmen<br />
Lead Führend; verwendet auch für Hauptprodukt, Hauptinvestor<br />
Leverage Hebelwirkung<br />
Listing Börsennotierung, Börsenzulassung<br />
M&A Mergers and Acquisitions; Fusionen und Übernahmen<br />
MAB Monoklonaler Antikörper<br />
Market Pull Anforderungen an Produkteigenschaften und<br />
Technologien, die von Kunden und Markt formuliert werden<br />
Matching Fund Komplementäre Finanzierung, in der die Bereit-<br />
stellung öffentlicher Mittel an die Einwerbung privater Gelder<br />
gekoppelt ist<br />
Mega-Deal Allianz oder M&A mit einem herausragenden Deal-Volumen<br />
Mechanism of Action Wirkmechanismus, z. B. eines medizinischen<br />
Wirkstoffs<br />
Microarray Trägermaterial, auf dem z.B. DNA- oder Protein-<br />
fragmente aufgebracht werden; erlaubt die parallele Analyse<br />
mehrerer Tausend Einzelnachweise in geringen Probenmengen<br />
Milestone Meilenstein; vereinbartes Zwischenziel<br />
Mode of Action Wirkungsweise, z. B. eines medizinischen<br />
Wirkstoffs<br />
mRNA messenger RNA (Boten-RNA); zu einer Gensequenz (DNA)<br />
komplementäre einzelsträngige RNA, welche als Vorlage für die<br />
Proteinbiosynthese dient<br />
Multiples Multiplikatoren; Verhältnisgröße, die anhand betriebswirtschaftlicher<br />
Kennzahlen ermittelt und u.a. zur Unternehmensbewertung<br />
herangezogen wird<br />
Next Generation Sequencing Nächste Generation der DNA-<br />
Sequenzierungstechnologie<br />
NK cells Natürliche Killerzellen; eine Gruppe weißer Blutzellen<br />
Omics omik; Suffix, das Teilgebiete der Biologie kenntlich macht,<br />
die sich mit der Analyse der Gesamtheit ähnlicher Einzelelemente<br />
befassen; z. B. beschäftigt sich die Proteomik mit der Gesamtheit<br />
der Proteine eines Organismus<br />
Open Innovation Öffnung des Innovationsprozesses von<br />
Unternehmen zur Außenwelt hin<br />
Open Mindset Offene geistige Haltung / Denkweise<br />
Orphan Drug Medikament zur Behandlung seltener Krankheiten<br />
Outpartnering Ausgliederung von (Teil-)Prozessen an Partner-<br />
unternehmen<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 133
Outsourcing Ausgliederung von Betriebsfunktionen, Abgabe von<br />
Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen<br />
Partnering Eingehen von Geschäftsbeziehungen mit anderen<br />
Unternehmen<br />
Patient Outcome Patientennutzen; Resultat einer Therapie für<br />
den Patienten<br />
PCR Polymerase-Kettenreaktion; Methode zur DNA-Verviel-<br />
fältigung<br />
PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital<br />
PIPE Private Investment in Public Equity; Ausgabe von Aktien an<br />
einen ausgewählten Investorenkreis<br />
Pipeline Gesamtheit der in der Entwicklung befindlichen Produkte<br />
eines Medikamentenentwicklers<br />
Point-of-Care-Diagnostik Diagnostik, die unmittelbar am<br />
Patienten in Praxis / Krankenstation/Apotheke durchgeführt wird<br />
Policy Richtlinie<br />
Pre-money Valuation Bewertung eines Unternehmens vor dem<br />
Erhalt einer externen Finanzierung<br />
PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital<br />
Proof of Concept Machbarkeitsnachweis<br />
Proof of Market Marktfähigkeitsnachweis<br />
Protein Engineering Herstellung, Konstruktion und Optimierung<br />
von Proteinen (z. B. Enzymen)<br />
Public Funding Förderung aus öffentlichen Mitteln<br />
PPP Public Private Partnership; Kooperation zwischen der<br />
öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zur Erfüllung staatlicher<br />
Aufgaben<br />
R&D Research and Development; Forschung und Entwicklung<br />
Readiness Zustand der Bereitschaft, um bei günstigen<br />
Bedingungen handeln zu können, z. B. um Exits oder andere Trans-<br />
aktionen durchzuführen (Exit / Transaction Readiness)<br />
Retail Fonds Beteiligungsfonds, der seine Finanzmittel von<br />
Privatinvestoren einwirbt<br />
ROI Return on Investment; Kapitalrendite; erzielter Gewinn im<br />
Verhältnis zum eingesetzten Kapital<br />
Reverse IPO Indirekter Börsengang, bei dem ein privates Unternehmen<br />
durch den Zusammenschluss mit einer bereits börsen-<br />
notierten Gesellschaft handelbar wird<br />
Reimbursement Kostenerstattung<br />
Rights Offering Zeitlich begrenztes Angebot an Aktieninhaber,<br />
zusätzliche Aktien zu einem bestimmten (Vorzugs-)Preis zu<br />
erwerben<br />
134 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong><br />
Royaltys Ertrags- und / oder nutzungsabhängige Zahlungen im<br />
Rahmen einer Lizenzvereinbarung<br />
Rump Placement Privatplatzierung von Aktien, die bei einer<br />
Bezugsrechtsemission nicht in der normalen Bezugsfrist platziert<br />
werden konnten<br />
Scale-up Maßstabsvergrößerung von Herstellungsverfahren<br />
Scaffold Makromolekülstruktur<br />
Scouting Auskundschaften<br />
Secondarys Weiterverkauf von Unternehmensanteilen unter<br />
Investoren<br />
Seed Gründungsphase eines Unternehmens<br />
Small Molecule Niedermolekulare Verbindung<br />
Soft Money Einmalige Finanzierung für ein spezifisches Projekt<br />
Specialty Pharma Pharma-Firmen, die sich auf die Weiterent-<br />
wicklung und Vermarktung von Medikamenten spezialisiert haben,<br />
häufig unter Verwendung innovativer Drug-Delivery-Technologien<br />
Spin-off Ableger (Wirtschaft); eine Abteilungsausgliederung<br />
aus einer Unternehmung oder eine Firmenneugründung aus einer<br />
Institution heraus<br />
Start-up Unternehmen in der Frühphase seiner Entwicklung<br />
Steady State Gleichgewichtszustand<br />
Target (Angriffs-)Ziel, auch verwendet für molekulare Zielstruktur<br />
und Unternehmen als Gegenstand einer Transaktion<br />
Targeted Therapy Zielgerichtete Therapie, bei der ein Wirkstoff<br />
spezifisch mit krankheitsrelevanten Molekülen interagiert<br />
Time-to-Market Zeit von der Idee eines Produktes bis zum<br />
Markteintritt<br />
Tool Technisches Hilfsmittel und Ausrüstungsmaterial zum Einsatz<br />
in Forschung und Entwicklung<br />
Track Record Beleg über Erfolge und Erfahrungen<br />
Trade Sales Verkauf einer jungen Firma durch deren Management<br />
und andere Investoren an ein Industrie- / Großunternehmen<br />
USP Unique Selling Proposition; Alleinstellungsmerkmal<br />
Upfront-Zahlung Zahlung, die zum Zeitpunkt einer Vertragsunterzeichnung<br />
getätigt wird (Vorauszahlung)<br />
Value Inflection Point Etappenziel in der Wertsteigerung eines<br />
Unternehmens<br />
VC Venture Capital; Risikokapital<br />
Webinar Seminar, das im Word Wide Web gehalten wird
Notizen<br />
Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong> 135
Notizen<br />
136 Umdenken Deutscher <strong>Biotech</strong>nologie-<strong>Report</strong> <strong>2013</strong>
Ernst & Young<br />
Assurance | Tax | Transactions | Advisory<br />
Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick<br />
Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung,<br />
Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das<br />
Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 167.000 Mitarbeiter<br />
sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden.<br />
Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young<br />
Global Limited (<strong>EY</strong>G). Jedes <strong>EY</strong>G-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig<br />
und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.<br />
Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht und<br />
erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com<br />
In Deutschland ist Ernst & Young mit rund 7.400 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent.<br />
„Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen<br />
von Ernst & Young Global Limited.<br />
© <strong>2013</strong><br />
Ernst & Young GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
All Rights Reserved.<br />
Ernst & Young ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten.<br />
Diese Publikation wurde daher auf Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht.<br />
Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte<br />
Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein<br />
Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen<br />
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seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen Ernst & Young-<br />
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mag 0413<br />
ED none<br />
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