GIN Bolero 4 im Test - OASE Flugschule Peter Geg GmbH

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Seit vielen Jahren im Spitzenfeld bei Entwicklung, Produktion und Innovation ist der koreanische Hersteller Gin Gliders mittlerweile aus dem Gleitschirm-Business nicht mehr wegzudenken. Kein Wunder, lieferte Gin doch immer wieder aufs Neue solide, innovative Konzepte, die sich durchsetzten. Die Bolero-Reihe war von Anfang an eine Erfolgsgeschichte, die Modelle 1 bis 3 gingen zahlreich über den Ladentisch. „Take it easy!“ Das zentrale Motto des Erfolgs-Einsteigers soll gleich vorneweg alle Zweifel darüber beseitigen, wo sich der Neue positioniert. Die vierte Auflage des Bolero soll einen verlässlichen Partner für Übungshang und Höhenflüge stellen. Und das trotz seines Namens: „Bolero“ bezeichnet nämlich ursprünglich einen rhythmischen, spanischen Nationaltanz mit Kastagnetten- und Gitarrenbegleitung. Ein etymologisch etwas fragwürdiges Gleichnis! Tatsächlich richtet sich der Bolero an Flugschüler, die vom Übungshang weg bis zu ersten kleinen Streckenflügen einen verlässlichen (Be)gleiter suchen. Neben den immensen Sicherheitsreserven, die eventuell auch bei Modellen anderer Hersteller gegeben sind, sollen es vor allem die Leichtgängigkeit des Steuerverhaltens sowie das kompakte Fluggefühl sein, welche Vertrauen schenken sollen. Leicht zu fliegen, gutmütig und sicher: Das sind laut Hersteller die zentralen Elemente eines gelungenen Einsteigers. Konstruktion, Verarbeitung Um die anvisierten Ziele zu realisieren, bedurfte es mehr als nur einer Weiterentwicklung des Vorgängers. War der Bolero 3 zwar in seiner Grundcharakteristik seinem Nachfolger ähnlich, so verminderten sich das runde Thermikflugverhalten und die guten Starteigenschaften doch ein wenig auf Kosten der Sicherheit und der Flugruhe. So hatte der Bolero 3 noch EN B in allen Größen, trotz des LTF 1. Sein Nachfolger besitzt nun in allen Größen EN/LTF A. Ein Sicherheits-Upgrade also! Um jene runden Flugeigenschaften trotz des Sicherheitsgewinnes nicht einzubüßen, bedurfte es einiger konstruktiven Neuerungen am Schirm. Während abermals auf langlebige Materialien geachtet wurde, so konnte laut Hersteller mit einer kompletten Neugestaltung der Profilnase nicht nur eine Gewichtsreduktion erzielt werden, sondern auch eine Steigerung der Thermik- sowie Gleitleistung. Auf Mylar wurde trotzdem nicht gänzlich verzichtet, um dem harten Alltag am Übungshang Tribut zu zollen. Es wird lediglich durch die Nylonstäbchen ergänzt, welche kaum aufs Obersegel reichen, am Untersegel etwa 10 cm unterhalb der A-Aufhängungen enden. Apropos Aufhängungen: Sie sind vorbildlich verarbeitet und weiterführend auf Mylar vernäht. Auch die Designübergänge am Segel sowie die bekanntermaßen kompliziert zu nähenden Ohren sind gut verarbeitet – alles sitzt perfekt. Das Leinen-Line-up ist klassisch: 3A-, 4B-, 3C- und 2D-Stammleinen bilden klassenadäquat ein konservatives Setup. Alle Leinen, inklusive der Galerieleinen, besitzen einen Mantel. Dem Übungshang, der Konstanz der Trimmung, sowie der Leinensortierbarkeit kommt jene Ausführung selbstredend sehr entgegen. Die Vernähung der Leinen ist, Gin-typisch, ausgezeichnet. Auch die Tragegurte sind formschön, logisch aufgebaut und mit Liebe zum Detail ausgeführt. Besonders die Magnete in den A-Gurten gefallen, ebenso wie der starke Magnet zur Bremsgriffbefestigung. Ein kleiner Wermutstropfen sind, wie so oft, die Plastikrollen, die etwas billig wirken, ihren Zweck jedoch erfüllen. Darüber hinaus sind sie – wie der Rest des Tragegurtes – super eingearbeitet und vernäht. Löblich ist übrigens die Zulassung bis 140 kg, damit werden auch schwere Jungs bedient. Die Zulassung bleibt selbst in der Jumbo-Klasse ein lupenreines A! startverhalten Die farbliche Differenzierung der A-Ebene lässt selbst am Übungshang keine Zweifel aufkommen, um welche Leinen es sich handelt. A-Leinen sind rot, Bremse ist gelb, der Rest blau. Einzig der Stabilo ist ebenfalls in Rot gehalten, er ist allerdings unverkennbar dünner als die A-Leinen. Bei den Startvorbereitungen kann die vergleichsweise erhöhte Anzahl der Leinen selten, aber doch, zum Kräuseln neigen. Es empfiehlt sich, die Leinen vor dem Start immer zumindest ein wenig zu sortieren – was an sich ohnehin nie verkehrt sein kann. Der Start an sich könnte einfacher nicht sein. Durch die großen Kammern füllt sich der Bolero prompt und steigt anschließend auch sehr leichtgängig über den Piloten. Weniger ist mehr: Zuviel Bremse ergibt einen Knick zwischen C & D. Besser steigt man bei weniger Bremseinsatz. Technische daTen (herstellerangaben) gin gliders inc., 285-1 GalDam-Ri. Moyun-Myum, Yongin City, Kyunggi-Do, 449-855 Korea, www.gingliders.com Partner a: Flight Connection Arlberg, Flugschule Ternberg, Flugschule Aufwind, Flugschule Steiermark, Parateam hersTeller/Vertrieb Pannonia Partner d: Oase Flugschule (Peter Geg GmbH), Süddeutsche Gleitschirmschule, Gleitschirmschule Tegernsee GmbH, Sky Team Paragliding, Hot Sports Sportschulen GmbH Partner ch: Zorro Sarl (Hans Bollinger) Produktion GIN GLIDERS INC. Yong-in, Korea. Konstrukteur Robert Graham & Gin Seok Song Testpilot Hans Bollinger, Robert Graham, Claude Thurnheer größen Xs s M M/l l Zellenanzahl 37 37 37 37 37 startgewicht (kg) 55~75 70~90 80~105 95~120 115~140 Fläche ausgelegt (m²) 24,2 25,8 28 30,28 32,66 Fläche projiziert (m²) 22,2 23,59 25,6 27,68 29,85 spannweite ausgelegt (m) 10,89 11,24 11,71 12,17 12,65 spannweite projiziert (m) 9,17 9,46 9,86 10,25 10,65 streckung ausgelegt 4,9 4,9 4,9 4,9 4,9 streckung projiziert 3,8 3,8 3,8 3,8 3,8 Kappengewicht (kg) 4,6 4,9 5,4 5,9 6,4 gesamtleinenlänge (m) – – – – – V-minimum (km/h) – – – – – V-trimm (km/h) – – – – – V-max (km/h) – – – – – Preis inkl. Mwst. (€) 2.650,– 2.650,– 2.650,– 2.650,– 2.650,– gütesiegel lTF A A A A A gütesiegel en A A A A A obersegel/Untersegel Skytex45 / Skytex 40 galerieleinen LIROS DSL70, LIROS PPSL120, PPSL160 stammleinen GIN TGL280, TGL220 lieferumfang k.A. 1/2_12 | 71
TesT | Gin Gliders Bolero 4 Vorwärts wie rückwärts ergibt sich dasselbe Bild: Selbst asymmetrisches Aufziehen führt in den meisten Fällen zu keinem seitlichen Ausbrechen, der Bolero folgt brav der Laufbahn seines Piloten und korrigiert sich dabei zwangsläufig von selbst. Viel auffälliger ist allerdings die Unfähigkeit des Boleros, den Piloten zu überschießen. Es ist schier unmöglich, den Zeitpunkt zu verschlafen, an dem der Pilot einen kleinen Bremsimput setzen sollte – der Bolero braucht ihn nicht! Ein paar entschlossene Schritte gen Luftraum reichen eigentlich immer aus, um den Piloten in die dritte Dimension zu bringen. Hier zeigt sich übrigens die Übungshangtauglichkeit am deutlichsten. Flugverhalten Entgegen seinem Verhalten beim Start ist der Bolero kein Panzer. In der Luft macht sich zwar einerseits sofort große Ruhe breit, die Resonanz auf Steuerimpulse ist jedoch erfreulich positiv: Willig lässt sich der Bolero mit langen, etwas verzögerten Bremseinsätzen drehen. Die Steuerkräfte sind stark ansteigend, liegen im Arbeitsbereich aber im unteren Drittel. Mit etwas Gewichtsverlagerung, die dem Drehverhalten übrigens sehr entgegenkommt, werden mittels der in diesem Bereich angenehm geringen Steuerkräfte flache, steigeffiziente Kreise gezogen. Auf diese Weise entpuppt sich der Bolero mitunter auch zu einem Steigwunder, was er an teilweise schwach thermischen bei den Testflügen beweisen konnte. Unterstützt wird die Thermikeffektivität durch die trotz der hohen Dämpfung ausgeprägte Sensibilität, die hauptsächlich über die Tragegurte vermittelt wird. Ganz klar: Der Bolero lebt! An stark thermischen Tagen macht sich die große Dämpfung um alle Achsen bezahlt. Zwar büßt der Bolero-Pilot etwas an Wendigkeit ein, dafür kommt vor allem ein Charakteristikum zur Geltung, das bereits beim Startverhalten für Verblüffung gesorgt hatte: Die ausgeprägte Nickdämpfung! Selbst bei groben Versäumnissen seitens des Piloten bzw. bei Schwungaufnahme/Anfahren der Kappe durch Turbulenzen passiert in der heiklen Situation nach einem furchterregenden Durchpendler ... nichts! Der Bolero verhindert vor allem eines: Das Überschießen der Kappe. Damit werden die meisten Störungen bereits im Ansatz unterbunden. Nachdem die Luft aber dennoch oft anders ist, als wir wollen, hier die Entwarnung: Sollte trotz der immensen Pitch-Stabilität tatsächlich einmal ein Einklapper passieren, so geschieht im Grunde nicht viel. Die relativ weiche Kappe quittiert Deformationen jeglicher Art mit einem ruhigen, langsamen Anfahren und einer verhältnismäßig flotten Öffnung der eingeklappten Partien. Das Anfahren beschränkt sich jedoch auf wenige Grade Kurswechsel bei unbeschleunigten und selten über 45° bei beschleunigten Einklappern. Frontstalls sind kaum provozierbar, zu groß ist die natürliche Resistenz des Flügels. Seine Lebendigkeit trotz der harmlosen Reaktionen auf Fehler und/oder Turbulenzen hat aber neben der Thermikeffizienz auch einen weiteren Vorteil: Der Pilot ist durchaus nicht indifferent gegenüber den aktuellen Windverhältnissen, der Flügel teilt ihm sehr wohl mit, wann es eventuell Zeit wird, landen zu gehen. Auch dieser (oft vernachlässigte) Aspekt ist Teil eines Sicherheitspolsters. Für die Zielgruppe vermutlich irrelevant ist der fehlende Biss bei dynamischen Figuren. Wingover erfordern Timing, Durchzugskraft und eisernen Willen. PFlichTenheFT - Einfaches Start- und Flugverhalten - sicherer Schirm für Anfänger - Konstruktion entsprechend Stand der Technik eingesetzte Mittel - gemäßigte Streckung - Verstärkung der Eintrittskante mittels Stäbchen 72 | 1/2_12 Links und rechts: Beim Leinensortieren ist die farbliche Differenzierung eine angenehme Hilfe. Für kleine Ausbrüche aus dem Heimatfluggebiet eignet sich der Bolero durchaus, vor allem wegen seiner großen Steigfreude. Wer ständig oben ist, kann auch weit fliegen. Das Speedsystem ist leider schwer zu treten, das Profil atmet im beschleunigten Zustand etwas. Der Bolero ist, was er ist: Ein leicht zu fliegender, ehrlicher und gutmütiger Schirm. abstiegshilfen Ohrenanlegen: Die Ohren sind dank der Anlegehilfen schnell eingeholt, lassen aber in Größe und Effizienz etwas zu wünschen übrig. Die Steuerung durch Gewichtsverlagerung ist sehr gut, auch macht sich keine Unruhe bemerkbar. Die Einklapptiefe kann durch weiteres Einholen der äußeren A-Leinen noch etwas erhöht werden, so kann sich der Pilot langsam bis hin zu Big Ears herantasten. Einsteigertauglich, wie wir finden! B-Stall: Der B-Stall benötigt überdurchschnittlich viel Zug, der anschließende Stall kommt langsam und ist auch weiterhin nur mit großer Kraft zu halten. Die Sinkwerte pendeln sich bei etwa 6 m/s ein und liegen damit im wenig effektiven Bereich. Nach dem Lösen der Gurte fährt der Bolero umgehend wieder an. Das Manöver zeigt sich in Summe als etwas ineffektiv, aber völlig harmlos. Steilspirale: Die Spirale funktioniert gut. Mit etwas Nachdruck gibt der Bolero nach kurzer Verzögerung dem unmissverständlichen Drang der stark gezogenen Innenbremse nach und wirbelt schon kurz darauf in einer ordentlichen Spirale dem Boden entgegen. Die Sinkwerte lassen sich gut mittels der Bremse dosieren, der Ausleitung darf ruhig etwas auf die Schulter geklopft werden. Obgleich der Bolero sich selbständig auch aus starken Spiralen bis an die 20 m/s pilotiert, geht es mit Pilotenunterstützung doch schneller. Achtung: Wird die Schräglage zu abrupt verändert, stellt sich der Bolero gerne etwas auf. Ein paar Zusatzkreise helfen, ihn sachte aus der Spirale zu führen. resümee Im Grunde gibt es mehrere Pilotengruppen, welchen wir den Bolero empfehlen können. Einerseits begabten Flugschülern, welche bereits am Übungshang etwas einfacheres Startverhalten und leichtgängigeres Handling wünschen. Hans Poscher (Flugschule Ternberg) gibt sich pragmatisch: „Die Frage ist, wieviel man seinen Schülern vermitteln will. Der Bolero ist ein Schirm, der am Übungshang zwar einen Tick mehr Fluglehrer-Beisein erfordert, dann aber über ein paar Jahre Freude bereiten wird.“ Abgesehen von Einsteigern wird der Bolero sicherlich auch bereits erfahrene Flieger ansprechen. Hohe Sicherheitsreserven stehen nicht mehr im Widerspruch zu guter Wendigkeit, Thermik-Sensibilität oder gar Steigeffizienz. Während sich einige Piloten durch rassige Schirme und/oder haarstäubende Erlebnisse zu profilieren versuchen, rollt der Boleropilot das Feld von hinten auf: Er steigt und genießt. Warum auch nicht? www.thermik.at
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