07.05.2013 Aufrufe

Kinderpornographie im Internet - So weit weg und doch so nah

Kinderpornographie im Internet - So weit weg und doch so nah

Kinderpornographie im Internet - So weit weg und doch so nah

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Kinderpornographie</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> - <strong>So</strong> <strong>weit</strong> <strong>weg</strong> <strong>und</strong> <strong>doch</strong> <strong>so</strong> <strong>nah</strong><br />

Am 29.Oktober hielten die Medienwissenschaftlerin<br />

Frau Dr. Korinna Kuhnen <strong>und</strong> der Kr<strong>im</strong>inologe Markus<br />

Wortmann in Lingen einen Vortrag über dieses<br />

Thema. Wir hatten die Gelegenheit, daran teilzunehmen.<br />

An diesem Vortrag haben ca. 200 Menschen<br />

teilgenommen, unter ihnen waren auffallend<br />

viele Polizisten <strong>und</strong> Justizvollzugsangestellte.<br />

Bei dem Begriff „<strong>Kinderpornographie</strong>“ handelt es<br />

sich um „pornographische Schriften, die sexuelle<br />

Handlungen von, an <strong>und</strong> vor Kindern (§176 Abs.<br />

1) zum Gegenstand haben“ <strong>und</strong> „die ein tatsächliches<br />

oder wirklichkeits<strong>nah</strong>es Geschehen wiedergeben.“<br />

(Definition gemäß §184b StGB)<br />

Ich denke, dass jeder erwachsene Mensch eine Definition<br />

von <strong>Kinderpornographie</strong> parat hat, mich persönlich<br />

hat es aber überrascht – <strong>und</strong> ich schätze, dass<br />

ich mit der Meinung nicht alleine bin – dass es viele in<br />

Zeitschriften <strong>und</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> veröffentlichte Bilder gibt,<br />

bei denen es sich um „Grenzfälle“ handelt. Frau Dr.<br />

Korinna Kuhnen hat Bilder präsentiert, bei denen teils<br />

nackte oder anzüglich angezogene Kinder vor der<br />

Kamera posieren. Alle bei dem Vortrag Anwesenden<br />

waren überrascht, dass es sich allerdings bei keinem<br />

dieser Bilder um <strong>Kinderpornographie</strong> handelte. Dort<br />

waren einfache Nacktbilder von Kindern in der Freikörperkultur<br />

(FKK), künstlerische Darstellungen in<br />

Ausgabe 71 6 KIM


Form von Zeichnungen, ein Foto aus der Jugendzeitschrift<br />

„Bravo“ <strong>und</strong> ein Bild der <strong>so</strong> genannten „Lookalike“<br />

Pornographie, bei der volljährige Menschen als<br />

jugendlich dargestellt werden.<br />

All diese Darstellungen sind strafrechtlich irrelevant.<br />

Bei 90% aller Anzeigen aus der Bevölkerung handelt<br />

es sich um <strong>so</strong>lches Material.<br />

Strafrechtlich verfolgt werden können illegale Darstellungen,<br />

wie Posenfotos, Fotos auf denen die<br />

Geschlechtsteile fokussiert sind, auf denen sexuelle<br />

Handlungen praktiziert werden <strong>und</strong> bei denen es<br />

sich um Extremformen handelt.<br />

Dieses illegale Material ist nur sehr schwer verfügbar.<br />

Um auf diesem Gebiet fündig zu werden, ist in<br />

der Regel Absicht <strong>und</strong> eine gezielte Suche erforderlich.<br />

Vorsicht ist lediglich bei „Spam-Mails“, schlecht geschützten<br />

Rechnern <strong>und</strong> Surfen in erwachsenenpornographischen<br />

Bereichen geboten. Dort könnte es<br />

vorkommen, dass einem illegales Material unter<br />

Begriffen wie z.B. „childporn“ oder „kidporn“ o.ä. angeboten<br />

wird.<br />

Im Laufe dieses Vortrags wurde dann unter der<br />

Verwendung vieler technischer Fachbegriffe erklärt,<br />

wie sich die Täter, die dieses illegale Material anbieten<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> untereinander tauschen, schützen.<br />

Für Laien auf diesem Fachgebiet war zwar<br />

nicht jeder dieser technischen Schritte der Täter<br />

nachvollziehbar, aber dennoch war daraus zu verstehen,<br />

dass diese Systeme <strong>so</strong> gesichert sind, dass<br />

es den Kr<strong>im</strong>inologen oftmals fast unmöglich ist, zurückzuverfolgen,<br />

wer hinter diesen verbotenen Geschäften<br />

steckt. Mit gefälschten Identitäten <strong>und</strong> erschlichenen<br />

Kreditkartendaten werden <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

Server gemietet. Und diese Server sind <strong>so</strong> gesichert<br />

durch best<strong>im</strong>mte Passwörter, Anonymisierungen,<br />

durch „<strong>Internet</strong>tunnel“ usw., dass es unmöglich ist<br />

ohne Erlaubnis der „Insider“ an das illegale Material<br />

zu gelangen.<br />

Über das <strong>Internet</strong> entstehen richtige Gemeinschaften,<br />

die kinderpornographisches Material sammeln<br />

wie andere Leute Briefmarken. Die meisten besitzen<br />

riesige Datenmengen.<br />

Bei den erwähnten Tätern handelt es sich fast ausschließlich<br />

um Männer über 18 Jahre (über 90%).<br />

Ein mir be<strong>so</strong>nders wichtiger Punkt ist die Auswirkung<br />

auf die Opfer. Als erstes muss man sich bewusst<br />

machen, dass hinter jedem Foto ein sexueller<br />

Missbrauch steht.<br />

Bei den kinderpornographischen Fotos <strong>und</strong> Videos<br />

<strong>im</strong> <strong>Internet</strong> handelt es sich meist um eine „homemade“-Machart,<br />

bei der es <strong>so</strong> aussehen <strong>so</strong>ll, als geschehe<br />

alles „<strong>im</strong> Haus nebenan“.<br />

Dazu ist noch anzumerken, dass die Täter <strong>nah</strong>ezu<br />

aus<strong>nah</strong>mslos aus dem unmittelbaren Umfeld des<br />

Opfers stammen <strong>und</strong> ihr Opfer oftmals bereits über<br />

viele Jahre sexuell missbraucht haben.<br />

Bei den Auf<strong>nah</strong>men werden bei dem Kind meist<br />

Freude <strong>und</strong> Freiwilligkeit inszeniert, dies übt auch<br />

Jahre später noch großen Druck auf die Opfer aus,<br />

denn es erweckt den Eindruck, dass sie nicht Opfer,<br />

<strong>so</strong>ndern Mittäter waren.<br />

Den Kindern wird auch vermittelt, dass es sich um<br />

Spiele handelt, die völlig normal sind.<br />

Da die Bilder <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> unter allen Interessierten<br />

getauscht werden, entsteht für die Opfer ein Warencharakter<br />

des eigenen Missbrauchs <strong>und</strong> die Bilder<br />

sind durch das Verschicken an sehr viele Netze,<br />

unauslöschbar. Das heißt, dass auch Jahrzehnte<br />

nach einem Missbrauch die Bilder noch irgendwo <strong>im</strong><br />

<strong>Internet</strong> vorhanden sind.<br />

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass es<br />

mich persönlich - gerade auch für meinen Beruf -<br />

noch interessiert hätte, welche Hintergründe es hat,<br />

dass die Täter diese pädophile Vorliebe haben,<br />

sprich warum sie überhaupt zu Tätern werden. Aber<br />

bei einem Vortrag mit einer Dauer von drei St<strong>und</strong>en<br />

über ein <strong>so</strong> breites Thema kann man nicht allen<br />

Aspekten eine Antwort geben, denn selbst für den<br />

besprochenen Inhalt hat die vorgesehene Zeit nicht<br />

ganz gereicht.<br />

Viele Informationen konnte man während des Vortrages<br />

leicht aufnehmen, wie z.B. die Zahlen- <strong>und</strong><br />

Prozentangaben. Es gab allerdings auch Informationen,<br />

die großes Mitgefühl weckten. Ich finde be<strong>so</strong>nders<br />

schl<strong>im</strong>m, dass die Fotos der Kinder, für die<br />

jedes Mal ein neuer Missbrauch stattgef<strong>und</strong>en hat,<br />

wie Briefmarken oder Fußballbilder gesammelt <strong>und</strong><br />

untereinander getauscht werden. Sie werden behandelt<br />

wie Waren <strong>und</strong> sind unauslöschbar, wenn<br />

sie erst einmal <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> stehen. Herr Wortmann<br />

hatte dazu ein Beispiel, dass sie eine Frau ausfindig<br />

machen konnten, die in den 60er Jahren Opfer eines<br />

Missbrauchs für kinderpornographisches Material<br />

war. Und allein die Tatsache, dass ihre Bilder auch<br />

nach über 40 Jahren <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> vorhanden<br />

sind, ließ ihre psychische Verfassung einen<br />

großen Rückschritt machen. Sie begab sich danach<br />

wieder in psychologische Beratung. Die Opfer fühlen<br />

sich vor der gesamten Menschheit entblößt <strong>und</strong><br />

haben <strong>so</strong>gar Angst, als Erwachsene be<strong>im</strong> Einkaufen<br />

wieder erkannt zu werden.<br />

Ich fand den Vortrag sehr interessant <strong>und</strong> bedanke<br />

mich auf diesem Wege dafür, dass uns die Zeit dafür<br />

zur Verfügung gestellt wurde, daran teilzunehmen.<br />

Und auch bei Frau Dr. Korinna Kuhnen<br />

(post@korinna-kuhnen.de) möchte ich mich auf diesem<br />

Wege bedanken, dass sie mir ihr Skript des<br />

Vortrages geschickt <strong>und</strong> mir die Erlaubnis gegeben<br />

hat, dies für das Verfassen dieses Textes zu verwenden.<br />

Maren Oortman<br />

Erzieherin Clearinggruppe<br />

GfS Emsland<br />

Ausgabe 71 7 KIM

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!