Ein Riese mit Ausstrahlung - Projektwerkstatt
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war Stinnes für die vereinbarten Kohlelieferun-<br />
gen interessant.<br />
1920 fusionierte Hugo Stinnes die - vorher<br />
aufgekaufte - Gelsenkirchener Bergwerks AG<br />
<strong>mit</strong> Deutsch-Lux zur Rhein-Elbe-Union, einem<br />
riesigen Montankomplex. Adenauer gratulierte<br />
zu der Fusion, die er ein „Meisterwerk finanz-<br />
technischer Art"' nannte. Hugo Stinnes betei-<br />
ligte auch Friedrich Flick an der Rhein-Elbe-<br />
Union. Mit Carl Friedrich von Siemens schmie-<br />
dete Stinnes den Siemens-Rhein-Elbe-<br />
Schuckert-Union-Konzern.<br />
Daswar nun schon ein multinationalerTrust der<br />
Kohle-, Stahl- und Elektrobranche.<br />
Den nach den Novemberunruhen des Jahres<br />
191 8 eingeführten 8-Stunden-Arbeitstag wollte<br />
Hugo Stinnes wieder abschaffen. Auch das<br />
Streikrecht und soziale Errungenschaften soll-<br />
ten zurückgenommen werden.<br />
Der Reichsverband der Deutschen Industrie<br />
unterstützte Stinnes' Forderung, die eine politi-<br />
sche Tragweite besaß, die weit über seine ei-<br />
gentlichen Unternehmungen hinausging. In<br />
diesen Jahren hatte Hugo Stinnes immer weni-<br />
ger Zeit für das RWE, denn er war zu sehr <strong>mit</strong><br />
dem Aufbau seines eigenen Reiches beschäf-<br />
tigt.<br />
<strong>Ein</strong>e unglaubliche Erbschaft<br />
Die Inflation nahte. Er nahm ungeheure Kredite<br />
auf, erwarb Kapitalbeteiligungen und zahltedie<br />
Schulden <strong>mit</strong> wertlosem Geld zurück. Sowie er<br />
schon zu den großen Kriegsgewinnlern gehör-<br />
te, gehört er nun zu den ganz großen Inflations-<br />
gewinnlern. Er verhinderte durch spekulative<br />
Devisenkäufe die Stabilisierung der Mark und<br />
trat öffentlich gegen einen englischen Kredit,<br />
der der Reparationszahlung gedient hätte, auf.<br />
Als Hugo Stinnes am 10. 4. 1924 starb, hinter-<br />
ließ der RWE-Vater seinen Erben ein Anden-<br />
ken, daß sich sehen lassen kann: 1535 juri-<br />
stisch selbständige Unternehmen <strong>mit</strong> 2888 Be-<br />
trieben! Darunter waren 69 Betriebe der Bauin-<br />
dustrie, 66 Chemie-, Papier- und Zuckerbetrie-<br />
be, 59 Erzbergwerke, 57 Banken undversiche-<br />
rungen, 56 Hütten- und Walzwerke, 81 Stejn-<br />
kohlenwerke, 49 Braunkohlenbetriebe, 37 01-<br />
felder und Petroleumbetriebe, 389 Handels-<br />
und Verkehrsgesellschaften, 100 Fabriken der<br />
Metallindustrie, 83 Bahnen und Reedereien<br />
und 88 sonstige Gesellschaften. Dazu kommen<br />
89 Betriebe in Deutsch-Osterreich, 35 in der<br />
Tschechoslowakei, 29 in Ungarn, 47 auf dem<br />
Balkan, 19 in Rußland, 41 in Polen, 14 in den<br />
baltischen Staaten, 43 in Skandinavien, 12 in<br />
England, 31 in Holland, 17 in Belgien und Luxemburg,<br />
20 in Frankreich, 3 in Spanien, 8 in<br />
Portugal, 31 in Italien, 17 in der Schweiz, 7 in<br />
Nordamerika, 48 in Süd-und Mittelamerika, 4 in<br />
Japan, 5 in China, 10 auf den Inseln des Indischen<br />
Ozeans und der Südsee, 8 in Vorderasien<br />
und Persien und 6 in Afrika.<br />
Das war das Imperium von Hugo ~tinnes! Vom<br />
Kohlenbergbau bis zum Film, vom Holzeinschlag<br />
ineigenen Wäldern über die Papierfabrikation<br />
bis zur „Deutschen Allgemeinen Zeitung"<br />
und zum „Kladderadatsch".J<br />
AUGUST UND FRlTZ THYSSEN<br />
Der am 17. Mai 1842 in Eschweiler geborene<br />
August Thyssen, führte gemeinsam <strong>mit</strong> dem<br />
wesentlich jüngeren Hugo Stinnes viele Unter-<br />
nehmensgründungen und Finanztransaktio-<br />
nen durch. Seine Beteiligung an der Gründung<br />
des RWE wird oft erwähnt, jedoch nie belegt.<br />
Verbürgt ist erst sein RWE-Aktienerwerb im<br />
Jahre 1902 (siehe STINNES). Erst danach trat<br />
er in den Aufsichtsrat ein und blieb dort bis zu<br />
seinem Tode 1926 stellvertretender Vorsitzen-<br />
der.<br />
Sein Vater war Direktor des einzigen Draht-<br />
walzwerkes imdamaligen Deutschen Reich. Er<br />
konnte seinem Sohn eine gute Ausbildung und<br />
eine nicht näher genannte Geldsumme als<br />
Startkapital <strong>mit</strong> aufden Weg geben. Sowarer in<br />
der Lage, einen der größten Konzerne der da-<br />
maligen Eisen-und Stahlindustrie aufzubauen.<br />
Er gehörte zu der alten „Gardew der schwerin-<br />
dustriellen Gründergeneration.<br />
Im ersten Weltkrieg gehörte AugustThyssenje-<br />
doch auch zu denen, die die deutsche Beset-<br />
zung des französischen Erzbeckens von<br />
BrieylLothringen <strong>mit</strong> besonderem Hochdruck<br />
betrieben.4 Er benötigte für seine neuentstan-<br />
denen Erzwerke in Lothringen mehr Eisenerz,<br />
als ihm zur Verfügung stand. Nach dem Krieg<br />
stellte sich dieses Problem durch dieschlichte<br />
Enteignung seines lothringischen Besitzes<br />
nicht mehr. Das Erzbecken, aber auch die Erz-<br />
werke waren ja nun in französischer Hand.<br />
Die Konzentrationsperiode der Nachkriegszeit<br />
ließ er, im Gegensatz zu Hugo Stinnes, fast un-<br />
genutzt. Er hätte das Aktienkapital seiner Kon-<br />
zerne erhöhen und andere Aktionäre neben<br />
sich dulden müssen. Doch August Thyssen<br />
wollte unbedingt Herr im Hause bleiben und<br />
das Aktienkapital in eigenen Händen behal-<br />
ten.5<br />
Von seinen vier Kindern trat der am 9. Novem-