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RiskMan - Quality, Engineers

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<strong>RiskMan</strong><br />

Kreatives Risikomanagement mit System<br />

Dr. Christine König, Dipl.-Ing. Michael Heß, Kaiserslautern<br />

Prof. Dr.-Ing. Detlef Stolten, Dr.-Ing. Hendrik Dohle, Dipl.-Ing. Jürgen Mergel, Jülich<br />

Dr.-Ing. Bernd Gimpel, Aachen<br />

Unternehmen wollen die Risiken ihrer Produkte und Prozesse minimieren. Dies<br />

geschieht entweder aus eigenem Antrieb oder auf Verlangen der Kunden. Dabei<br />

wird häufig die klassische FMEA eingesetzt. Praktische Erfahrungen zeigen,<br />

dass FMEA Workshops häufig mehr Frust als Lust bereiten. Als Alternative<br />

wurde das Verfahren <strong>RiskMan</strong> entwickelt, das in diesem Artikel vorgestellt<br />

wird. Neben dem eigentlichen Verfahren werden dabei Anwendungen aus der<br />

Praxis in F&E sowie in der Serienreifmachung vorgestellt.<br />

Die klassische FMEA ist ein systematisches Verfahren zur Risikoanalyse und -Minimierung.<br />

Sie basiert auf einem Formblatt, das sehr aufwendig zu bearbeiten ist. Aus diesem Grund verlieren<br />

viele Anwender die Lust an dem Verfahren, so daß FMEAs als lästige Zwangsveranstaltungen<br />

und echte Zeitfresser angesehen werden. Dementsprechend gering ist die Motivation,<br />

über mögliche Fehler kreativ nachzudenken. FMEAs werden häufig erst am Ende eines<br />

Projektes durchgeführt, weil der Kunde es verlangt. Der Nutzen einer solchen "Vorzeige"<br />

FMEA ist nahezu Null, da keine Zeit mehr zum Abstellen von Problemen bleibt.<br />

<strong>RiskMan</strong> ist ein von <strong>Quality</strong> <strong>Engineers</strong> entwickeltes Verfahren, um schnell und gezielt Risiken<br />

zu minimieren. Dabei ist es eine wesentliche praxiserprobte Komponente in Verbesserungs-<br />

und Entwicklungsprojekten [1, 2]. Es basiert auf der von Tony Buzan entwickelten<br />

Kreativtechnik des Mind Mappings, die heutzutage mit einfachen und preisgünstigen<br />

Softwaretools angewendet werden kann [3, 4].<br />

Bei der Anwendung von <strong>RiskMan</strong> wird großer Wert darauf gelegt, kreativ Fehler aufzudecken<br />

und abzustellen. <strong>RiskMan</strong> wird projektbegleitend eingesetzt. Das Verfahren ist in den<br />

unterschiedlichsten Branchen erprobt und in vielen Beratungsprojekten mit Erfolg angewendet<br />

worden.<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 1 / 11


Und so wird’s gemacht<br />

Die Vorgehensweise bei der Durchführung eines <strong>RiskMan</strong> Workshops ist in Bild 1 dargestellt.<br />

Bild 1: Vorgehensweise zur Risikominimierung mittels <strong>RiskMan</strong><br />

Sie gliedert sich in die Phasen Vorbereitung, Risikoanalyse und fortlaufendes Risikomanagement.<br />

Vorbereitung<br />

Die Risikoanalyse erfolgt in einem bereichsübergreifenden Team, dem je nach Aufgabenstellung<br />

auch Kunden und Lieferanten angehören sollten. Dieses Team wird zusammengestellt<br />

und im Vorfeld wird festgelegt, wer Informationen für den Workshop zusammentragen kann.<br />

Dabei handelt es sich z.B. um Beschreibungen des Prozesses, um wesentliche Produktmerkmale<br />

oder um Reklamationen. Daneben werden Räumlichkeiten und Infrastruktur organisiert.<br />

Der <strong>RiskMan</strong> wird am effizientesten online über einen Beamer mit geeigneter Software, wie<br />

zum Beispiel der Programm MindManager erstellt.<br />

Workshop Risikoanalyse<br />

Die Risikoanalyse mit <strong>RiskMan</strong> kann sowohl für Produkte, als auch für Prozesse durchgeführt<br />

werden. Im folgenden wird die Anwendung auf Prozesse beschrieben.<br />

Zunächst wird der Prozess grob gegliedert und in Form eines Baumdiagramms (Mind Maps)<br />

dargestellt. Dies geschieht auf Grundlage der in der Vorbereitungsphase zusammengetragenen<br />

Informationen. Die Gliederung kann auch durch den Moderator in Verbindung mit den<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 2 / 11


Mitarbeitern vorbereitet werden. Das so entstehende Diagramm wird <strong>RiskMan</strong> genannt und<br />

stellt einen Mix aus Prozeßstruktur und Fehlerbaum dar.<br />

Im Team werden dann die Hauptprozessschritte nach Kritikalität sortiert. Hierzu hat sich die<br />

Methode des Bubble Sort bewährt. Obwohl es kompliziert klingt, ist das Verfahren sehr einfach<br />

zu handhaben. Man beginnt mit dem obersten Prozessschritt im Diagramm und vergleicht<br />

ihn mit dem nächsten. Der vom Team als kritischer bewertetet Schritt wird nach oben<br />

sortiert. Diese Vorgehensweise wird nun auf den nächsten Schritt angewendet. Ähnlich wie<br />

Luftblasen in einem Glas Wasser aufsteigen, werden nun die einzelnen Prozessschritte in eine<br />

Reihenfolge gebracht. Das Verfahren arbeitet ähnlich, wie der paarweise Vergleich, ist aber<br />

um Klassen schneller, zumal das Tauschen der Äste mit der Software leicht von der Hand<br />

geht. Wichtig ist der nachfolgende Plausibilitätscheck. Dabei hat jedes Teammitglied die<br />

Möglichkeit zu sagen, ob es seine Sichtweise in der Sortierung wiederfindet. Ist dies nicht der<br />

Fall, so wird die Sortierung so lange überarbeitet, bis sich alle widerfinden. Dabei kommt der<br />

Diskussion grosse Bedeutung bei, da aus den unterschiedlichen Sichtweisen heraus häufig<br />

bereits schwerwiegende Probleme erkannt werden können.<br />

Dann werden Grenzen nach einem Ampelschema gezogen. Rot für sehr kritische Prozessschritte,<br />

gelb für kritische und grün für unkritische. Dieser intuitive Ansatz führt erneut zu<br />

kreativen Diskussionen und letztendlich zu einer einheitlichen Sichtweise.<br />

Die roten und gelben Bereiche werden jetzt detailliert betrachtet. Es werden Unterprozesschritte<br />

beschrieben, die ebenfalls nach Kritikalität sortiert werden. Danach gelangt man<br />

auf die Fehlerebene. Je nach Kritikalität werden die Fehler dann ebenfalls rot oder gelb markiert.<br />

Unkritische Bereiche werden grün markiert.<br />

Abschliessend wird der so entstandenen <strong>RiskMan</strong> von unten nach oben farblich markiert. Dabei<br />

gilt die Regel, dass sich die kritischste Farbe in einem Zweig eines Unterastes auf den<br />

Oberast auswirkt. Beispiel: In einem Unterast gibt es zwei gelbe und einen roten Fehler. Damit<br />

wird der Oberast rot eingefärbt. Klappt man den Ast ein, dann sieht man immer noch,<br />

dass sich darunter rote Punkte befinden.<br />

Ziel ist es, alle Äste grün zu bekommen. Hierzu werden Abstellmaßnahmen definiert und in<br />

einer Aktionsliste festgehalten. Damit jeder im Betrieb mit dieser Liste arbeiten kann, wird sie<br />

in Excel geführt und am besten in einen Bereich auf einen Server gelegt, auf den jeder im<br />

Team Zugriff hat. Durch die Verwendung von Standardfilterfunktionen kann diese Liste später<br />

gut verfolgt werden. So kann z.B. sofort gefiltert werden, welche Aufgaben eine bestimmte<br />

Person zu erledigen hat.<br />

Risikomanagement<br />

Das Abstellen von Risiken ist in den wenigsten Fällen eine Aktivität, die „in einem Aufwasch“<br />

erledigt ist. Aus diesem Grund sollte das Team z.B. nach 14 Tagen erneut für einen<br />

kurzen Zeitraum von maximal 2 Stunden für ein Review zusammenkommen. Besser noch ist<br />

es, das Risikomanagement zum festen Bestandteil regelmäßiger Meetings, z.B. Treffen von<br />

Projektgruppen zu machen. Dabei wird die Aktionsliste durchgegangen und aktualisiert sowie<br />

der Status der Farben im <strong>RiskMan</strong> aktualisiert. Durch die komprimiere Darstellung der Farben,<br />

die sich von unten bis auf die oberste Ebene ziehen ist auch bei komplexen Projekten<br />

sehr schnell der Status intuitiv erfassbar. Viel Rot = viel Ärger; alles Grün: Gefahr gebannt.<br />

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<strong>RiskMan</strong> in der Praxis<br />

<strong>RiskMan</strong> ist in einer Vielzahl von Projekten mit Erfolg eingesetzt worden. Im Folgenden wird<br />

anhand von zwei unterschiedlichen Aufgabenstellungen aufgezeigt, wie <strong>RiskMan</strong> in der Praxis<br />

arbeitet. Um das Potential des Verfahrens darzustellen wird ein Projekt im frühen Entwicklungsstadium<br />

bei der Entwicklung einer Brennstoffzelle sowie eine Anwendung bei der<br />

Serienreifmachung einer Spinnfliesanlage vorgestellt.<br />

Riskomanagement bei der Entwicklung einer neuen Brennstoffzelle<br />

Aufgabenstellung<br />

Die Forschungszentrum Jülich GmbH beschäftigt sich u.a. mit Direkt-Methanol-<br />

Brennstoffzellen. Brennstoffzellen wandeln die chemische Energie eines Brennstoffes direkt<br />

in elektrische Energie um und kommen ohne bewegte Teile aus. Damit ähneln sie im Prinzip<br />

Batterien, bei denen die elektrische Energie auch durch chemische Reaktionen freigesetzt<br />

wird (Bild 2).<br />

Bild 2: Direkt-Methanol-Brennstoffzelle des Forschungszentrums Jülich,<br />

Nennleistung 500W, Größe: 160x160x165mm³<br />

Brennstoffzellen sind hinsichtlich Emissionen und Wirkungsgraden sehr interessant, da sie<br />

prinzipbedingt höhere Wirkungsgrade als z.B. Verbrennungsmotoren erreichen können.<br />

Anders als z.B. bei Batterien werden die benötigten Stoffe der Brennstoffzelle jedoch kontinuierlich<br />

zugeführt. Dadurch kann eine Brennstoffzelle im Unterschied zur Batterie nicht<br />

„leer“ werden. Dies gestaltet sich bei der Direkt-Methanol-Brennstoffzelle besonders einfach.<br />

Methanol ist ein flüssiger Kraftstoff, ein Alkohol, der auch aus nachwachsenden Rohstoffen<br />

hergestellt werden kann. Dieser wird in Form eines Methanol/Wassergemisches der Brennstoffzelle<br />

zugeführt und mit Hilfe von Luftsauerstoff in sog. Membran-Elektroden Einheiten<br />

(MEAs) zu elektrischem Strom umgesetzt.<br />

Eine Brennstoffzelle besteht aus mehreren Einheiten, den sog. Einzelzellen. Die Größe und<br />

die Anzahl dieser Einheiten bestimmen die elektrische Abgabeleistung. Das Ziel des Forschungszentrums<br />

Jülich lag in der Entwicklung einer Direkt-Methanol-Brennstoffzelle mit<br />

einer Leistung im Bereich von 2-5 kW.<br />

Bisher gibt es lediglich Direkt-Methanol-Brennstoffzellen im Leistungsbereich von einigen<br />

Watt bis einigen hundert Watt, da die Entwicklung von größeren Einheiten zunehmend<br />

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schwieriger wird. Reproduzierbarkeit der Einzelkomponenten und Wechselwirkungen der<br />

einzelnen Komponenten miteinander sind dabei wesentliche Entwicklungsaufgaben.<br />

Projektablauf Brennstoffzellenentwicklung<br />

Zur Durchführung des Projektes wurde ein festes Projektkernteamteam gebildet dem Mitarbeiter<br />

sowohl aus der Entwicklung als auch aus der Fertigung des Forschungszentrums Jülich<br />

angehörten. Die Moderation erfolgte durch die <strong>Quality</strong> <strong>Engineers</strong>, die an den entsprechenden<br />

Stellen die jeweiligen QM-Tools schulten und deren Anwendung moderierten.<br />

Wesentliche eingesetzte QM Tools waren <strong>Quality</strong> Function Deployment sowie Design of Experiments.<br />

Die projektbegleitende Risikoanalyse wurde mittels <strong>RiskMan</strong> durchgeführt.<br />

Ausgehend von einer generellen Beschreibung der Aufgabe „Brennstoffzellenentwicklung“<br />

wurde zunächst ein Projektablaufplan erstellt, mit dessen Hilfe zeitkritische Vorgänge und<br />

Meilensteine herausgearbeitet wurden. Den einzelnen Vorgängen wurden dann verantwortliche<br />

Mitarbeiter zugeordnet. Neben den technischen Anforderungen galt es auch die Terminsituation<br />

bzgl. Anfragen, Angeboten und Lieferzeiten zu klären, um so eine erste Abschätzung<br />

der Liefersituation und einer Realisierbarkeit im gesetzten Zeitrahmen zu erhalten.<br />

Die Aufgabe „Brennstoffzellenentwicklung“ wurde anhand von Zielgrößen näher beschrieben,<br />

z.B. robustes Design, Zeitstabilität, Baugröße, Wirkungsgrad etc.<br />

Die Aufgabe wurde daran anschließend in Teilaufgaben gesplittet:<br />

• Herstellung der Membran-Elektroden-Einheiten<br />

• Eigenfertigung von mechanische Bauteilen wie Platten, Dichtungen etc.<br />

• Auslegung der Zusatzaggregate wie Pumpen, Verdichter, Steuerung<br />

Die Teilaufgaben können prinzipiell durch verschiedene Konzepte gelöst werden. Deren Bewertung<br />

erfolgte anhand eines target performance / risk portfolios im Stil einer QFD-Matrix.<br />

Dabei stand im Vordergrund, bei der Auswahl von Materialien und Verfahren nicht nur die<br />

Leistungsfähigkeit, sondern auch die damit vorhandenen Risiken zu bewerten. Entscheidend<br />

war dabei die Beteiligung aller Teilnehmer, um das jeweilige Material oder Konzept auch mit<br />

Hilfe der Erfahrungen der jeweils anderen Gruppen zu bewerten.<br />

Beispiel Dichtungsmaterialien: Aus Sicht der Entwickler der mechanischen Baugruppen sind<br />

weiche, nachgiebige Dichtungen zu bevorzugen, die sich an Fertigungsungenauigkeiten anpassen<br />

und so eine Dichtheit garantieren. Aus Sicht der Spezialisten für die Membran-<br />

Elektroden-Einheiten stellen weiche Dichtungen ggf. ein unkalkulierbares Risiko dar, wenn<br />

mit der Zeit Weichmacher aus dem Dichtungsmaterial austreten, sich an den empfindlichen<br />

Oberflächen der MEAs anreichern und so die Leistung der Brennstoffzelle verringern.<br />

Anwendung von <strong>RiskMan</strong> im Brennstoffzellen Projekt<br />

Nachdem die Konzepte ausgewählt wurden und die Planung erstellt war, wurde die Planung<br />

des Gesamtprojektes mittels <strong>RiskMan</strong> analysiert. Hierzu wurden neben dem Projektkernteam<br />

auch Lieferanten eingeladen.<br />

Ausgehend vom Projektplan wurde ein <strong>RiskMan</strong> erstellt, der die wesentlichen Projektkomponenten<br />

enthielt. Diese wurden detailliert und gemäß der möglichen Probleme mit einem Ampelsystem<br />

bewertet. Für kritische Bereiche wurden die Probleme im Detail beschrieben und<br />

Aktionen in einer Aktionsliste festgelegt.<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 5 / 11


Der <strong>RiskMan</strong> für das Projekt Brennstoffzelle ist in Bild 3 dargestellt. Er wurde aus Wettbewerbsgründen<br />

„entfeinert“ und leicht verfremdet. Das Bild zeigt den <strong>RiskMan</strong> im eingeklappten<br />

Zustand.<br />

Bild 3: <strong>RiskMan</strong> für das Projekt Brennstoffzelle im eingeklappten Zustand.<br />

Es ist deutlich, dass für das Projekt noch großer Handlungsbedarf bestand, da die Mehrzahl<br />

der Äste im Status rot war und ein Ast auf gelb.<br />

Klappt man die Äste auf, wie in Bild 4 dargestellt, so wird deutlich, wo die einzelnen Risiken<br />

liegen.<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 6 / 11


Bild 4: <strong>RiskMan</strong> für das Projekt Brennstoffzelle, Ast für den Hauptschritt Prozessablauf ausgeklappt.<br />

Man sieht deutlich, wie sich die roten Pfade durchziehen und wo die eigentlichen Risiken<br />

liegen. Die kleinen Buchsymbole an den Ästen bedeuten, dass sich darunter Kommentare und<br />

Erläuterungen befinden. Pfeile an den Ästen deuten darauf hin, dass zu diesem Risiko eine<br />

Aktion in der Aktionsliste aufgenommen ist.<br />

Der Review des gesamten Entwicklungsprojektes konnte an einem Tag durchgeführt werden.<br />

Dabei wurden die wesentlichen Schwachpunkte entdeckt und Gegenmaßnahmen eingeleitet.<br />

Der <strong>RiskMan</strong> wurde dann regelmäßig bei den folgenden Projektsitzungen reviewed und aktualisiert,<br />

bis alle Äste auf Grün standen. Diese Reviews waren aufgrund der einfachen Struktur<br />

des <strong>RiskMan</strong> mit geringem Zeitaufwand realisierbar.<br />

Der Ansatz <strong>RiskMan</strong> führte zusammenfassend zu folgenden Vorteilen und Ergebnissen:<br />

• Einbeziehung von allgemeinen und fachspezifischem KnowHow aller Teilnehmer<br />

• Schaffung einer bereichsübergreifender Plattform für Informationsaustausch und gegenseitige<br />

Beratung<br />

• Schnelle und effektive Herausarbeitung der kritischen Punkte samt Lösungsansätzen<br />

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Risikoanalyse bei der Serienreifmachung einer Spinnfließanlage<br />

Die Freudenberg Vliesstoffe KG stellt Anlagen zur Produktion von Spinnfliesen her, wie sie<br />

in Bild 5 dargestellt sind. Im vorliegenden Fall wurde eine vorhandene Anlage zur Herstellung<br />

von Spinnvliesstoffen für eine neue Produktlinie modifiziert. Die Produktionsanlage war<br />

ursprünglich zur Herstellung von Polyestervliesstoffen konzipiert worden und sollte im Rahmen<br />

eines Projektes für die Herstellung von Polypropylenvliesstoffen umgerüstet werden.<br />

Aus diesem Grund wurde die Risikoanalyse nach Abschluß der Entwicklungstätigkeiten vor<br />

Übergabe der Anlage an die Produktion durchgeführt.<br />

Bild 5: Anlage im Hause Freudenberg<br />

Aus anderen Projekten lagen bereits Erfahrungen mit „klassischen“ FMEA’s (d. h. mit „erschöpfender“<br />

Betrachtung aller Eventualitäten) vor, so daß der Nutzen von FMEA’s , auch im<br />

Hinblick auf die Forderungen des Qualitätsmangamentsystems von Freudenberg Vliesstoffe,<br />

grundsätzlich akzeptiert war. Dennoch war man auf der Suche nach einem Ablauf, der sowohl<br />

hinsichtlich Effizienz als auch Mitarbeiterakzeptanz Vorteile versprach.<br />

Zur Durchführung der Risikoanalyse wurden im Rahmen des Projektes zwei ganztägige Termine<br />

geplant, zu denen im wesentlichen keine Vorbereitung zu leisten war.<br />

Die Workshops wurden von <strong>Quality</strong> <strong>Engineers</strong> moderiert. Dem Team gehörten Projekt- und<br />

Prozeßingenieure, Produktionsmeister, Qualitätsbeauftragte und Produktentwickler an.<br />

Am Anfang der ersten Sitzung wurde eine Einführung zum Hintergrund und Procedere von<br />

FMEA’s gegeben. Dies war umso wichtiger, da nicht alle der Teilnehmer über theoretische<br />

oder praktische Erfahrungen mit FMEA’s verfügten.<br />

Nach der Untergliederung des Spinnvliesprozesses in einzelne Prozeßschritte und der Auflistung<br />

möglicher Fehler in diesen Prozeßschritten mittels eines Mind Maps wurden zunächst<br />

Prioritäten für diese Fehler vergeben. Die Rangordnung orientierte sich nach der Auswirkung<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 8 / 11


der Fehler auf die Produktqualität. Erst danach wurden Lösungsmöglichkeiten gesucht, Verantwortliche<br />

für die Umsetzung definiert und Termine für die Erledigung fixiert.<br />

Das für die Gruppe mit Abstand bedeutendste Ergebnis war die „Hitliste“ der kritischsten<br />

Einflußparameter bei der Spinnvliesherstellung an dieser speziellen Anlage. Ein willkommener<br />

„Nebeneffekt“ war das Training von neuen Mitarbeitern, die bisher noch keine Erfahrung<br />

bei der Herstellung von Spinnvliesstoffen hatten, im Hinblick auf die „DO’s and DONT’s“<br />

beim Betreiben der Anlage. Nach knapp einem Jahr Produktionserfahrung kann man zusammenfassen,<br />

daß die Risikoanalyse mit <strong>RiskMan</strong> entscheidend dazu beigetragen hat, die wichtigsten<br />

Risiken zu identifizieren und abzustellen.<br />

Aus technischer Sicht ist <strong>RiskMan</strong> unseres Erachtens in der Lage, die gestellten Forderungen<br />

transparent und nachvollziehbar zu erfüllen. In Sachen Teamarbeit haben die Arbeitssitzungen<br />

dazu beigetragen, über Abteilungsgrenzen hinweg ein größeres Verständnis zwischen den<br />

einzelnen Funktionen zu erzielen. Dies kann nur dann gelingen, wenn das Verfahren an sich<br />

nicht als anstrengend und belastend empfunden wird.<br />

<strong>RiskMan</strong> vs. klassische FMEA<br />

<strong>RiskMan</strong> unterscheidet sich in drei Aspekten von der klassischen FMEA:<br />

1. Risikominimierung statt Aufbau einer Wissensbasis<br />

Im Gegensatz zur klassischen FMEA bietet <strong>RiskMan</strong> nicht die Vorteile einer Wissensdatenbasis,<br />

wie sie bei FMEA Datenbanksystemen angestrebt wird [5]. Diese haben das Ziel, Wissen<br />

aus bereits gemachten FMEAs zugreifbar und recherchierbar zu machen. Die Erfahrung<br />

zeigt jedoch, dass dies nur bei Verwendung standardisierter Begriffe möglich ist. So findet<br />

das System z.B. nicht Einträge wie verschmutzt oder verdreckt, bei denen die FMEA Teammitglieder<br />

dasselbe gemeint haben. Viele Unternehmen schreiben deshalb die Verwendung<br />

standardisierter Begriffe vor. Dies hilft zwar bei der Recherche, hemmt jedoch die Kreativität<br />

bei der Durchführung der FMEA sehr stark. Die Bearbeitung der FMEA führt dann zu einem<br />

gelangweilten Auswählen aus Katalogen, was nicht unbedingt im Sinne des Findens von Risiken<br />

liegt.<br />

<strong>RiskMan</strong> legt den Schwerpunkt darauf, hier und jetzt gezielt Probleme unter Einsatz von Kreativmethoden<br />

zu finden und abzustellen. Statt zeitraubender Kennzahlenbewertung wird das<br />

oben beschriebene Bubble Sort in Verbindung mit einem intuitiven „Ampel“-Schema zur<br />

Bewertung eingesetzt. Auf die Verwendung standardisierter Begriffe wird bewusst verzichtet.<br />

Stattdessen werden die Begriffe im Kommentarfeld, das zu jedem Ast des <strong>RiskMan</strong> gehört<br />

beschrieben und erläutert.<br />

Die eingesetzte Mind Manager Software bietet elegante Suchmechanismen die zu späteren<br />

Recherchen eingesetzt werden können.<br />

2. Kein Formalismus<br />

Insbesondere in der Automobilindustrie wird die Verwendung genormten Formblätter von<br />

Kunden verlangt. Hier verkommt die Idee der Risikoanalyse oft zum Bürokratismus.<br />

<strong>RiskMan</strong> arbeitet mit der kreativen Form des Mindmappings.<br />

Falls der Einsatz klassischer FMEA Formulare gemäß QS 9000 oder VDA gefordert ist, so<br />

können die Ergebnisse des <strong>RiskMan</strong> im Anschluss an das Projekt im kleinen Kreis in den<br />

Formblättern dokumentiert werden. Dadurch entfällt das zeitraubende Bearbeiten der Formblätter<br />

im gesamten Team.<br />

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3. Konzentration auf das Wesentliche<br />

Die klassische FMEA erhebt den Anspruch einer vollständigen und umfassenden Analyse und<br />

Bewertung im Detail. Dies führt in der Praxis dazu, dass Berge von möglichen Fehlern beschrieben<br />

werden und deshalb meist keine Zeit mehr für die Abstellung der Fehler bleibt.<br />

<strong>RiskMan</strong> setzt bewußt auf das Pareto Prinzip und konzentriert sich auf die gravierendsten<br />

Fehler. Erst wenn diese abgestellt sind, werden die kleineren Fehler betrachtet - falls dazu in<br />

Praxis überhaupt die Zeit besteht.<br />

Damit ist <strong>RiskMan</strong> immer dann bevorzugt einzusetzen, wenn das Motto gilt: Lieber einen<br />

Fehler abgestellt, als 20 mögliche Fehler dokumentiert.<br />

Literatur<br />

[1] www.quality-engineers.de<br />

[2] Gimpel, B.; Herb, R.; Herb, T.:Ideen finden, Produkte entwickeln mit TRIZ; Carl Hanser<br />

Verlag, 2000<br />

[3] Buzan, T.; North, V.: Mind Mapping. Der Weg zu Ihrem persönlichen Erfolg, htp, 1997<br />

[4] www.mindjet.de<br />

[5] Herb, R.; Herb, T.; Kratzer, M.: Potentielle Fehler vollständig erfassen, QZ 43 (1998)<br />

[QZ Risk Man 25.01.02] Seite 10 / 11


Die Autoren dieses Beitrags<br />

Dr.-Ing. Bernd Gimpel, geb. 1961 studierte Fertigungstechnik an der RWTH in Aachen. Von<br />

1987 bis 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie<br />

(IPT) in Aachen und leitete dort die Gruppe Qualitätsmanagement. Nach seiner<br />

Promotion über die Optimierung von Prozessen war er geschäftsführender Gesellschafter eines<br />

Beratungsunternehmens. Seit 1996 ist er Inhaber der qe - <strong>Quality</strong> <strong>Engineers</strong> Dr. Bernd<br />

Gimpel mit Sitz in Aachen und Heidelberg.<br />

Dipl.-Ing. (TU) Michael Heß, geb. 1956, studierte Theoretischen Maschinenbau an der Technischen<br />

Universität Berlin. Von 1986 bis 1987 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hermann-Föttinger<br />

Institut für Thermo- und Fluiddynamik in Berlin. Seit 1987 ist er bei Fa.<br />

Freudenberg Vliesstoffe KG tätig, zunächst als Gruppenleiter Aerodynamik innerhalb der<br />

Verfahrensentwicklung. Ab 2000 hat er die Projektleitung "Neue Spinnverfahren" übernommen.<br />

Dr.-Ing. Christine König, geb. 1960, studierte Verfahrenstechnik an der Universität in Kaiserslautern.<br />

Von 1986 bis 1989 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mechanische<br />

Verfahrenstechnik und beschäftigte sich mit der mechanischen Staubabscheidung<br />

durch Zyklone. Seit 1989 ist sie als Entwicklungsingenieurin bei Freudenberg Vliesstoffe KG,<br />

seit 1994 als Leiterin der Verfahrensentwicklung.<br />

Jürgen Mergel, geb. 1950 studierte Chemietechnik an der FH-Aachen. Seit<br />

1973<br />

ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum Jülich und<br />

leitet<br />

dort seit 2000 die Abteilung 'Elektrochemische Wandler / Niedertemperatur'<br />

im Institut für Werkstoffe und Verfahren der Energietechnik (IWV-3).<br />

Prof. Dr.-Ing. D. Stolten studierte Hüttenwesen an der TU Clausthal. Nach seiner Promotion<br />

1989 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bei der Robert Bosch GmbH schlossen sich Forschungs-<br />

und Entwicklungsarbeiten in der Daimler-Benz/Dornier Forschung u.a. als Arbeitsgruppenleiter<br />

Keramik für SOFC und Projektleiter SOFC an. 1997-1998 Marketingmanager<br />

in der Abteilung "Marketing/Business Development" der Dornier Satellitensysteme GmbH.<br />

Seit 1998 Direktor am Institut für Werkstoffe und Verfahren der Energietechnik (IWV-3) im<br />

Forschungszentrum Jülich GmbH. Im Jahr 2000 Ernennung zum Universitätsprofessor an der<br />

RWTH-Aachen. Seit 2000 Leiter des Kompetenznetzwerkes Brennstoffzelle NRW im Rahmen<br />

der Landesinitiative Zukunftsenergien NRW.<br />

Dr.-Ing. Hendrik Dohle, geb. 1969 studierte Maschinenbau an der RWTH-Aachen. Seit 1996<br />

ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Werkstoffe<br />

und Verfahren der Energietechnik (IWV-3). Im Jahr 2000 Promotion über das Thema<br />

"Direkt-Methanol-Brennstoffzellen".<br />

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