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Hospitationsbericht Robert-Bosch-Stiftung aktualisiert

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<strong>Hospitationsbericht</strong><br />

Macklin - Intergenerational Institute in Findlay, Ohio und<br />

Pacific-Institute in San Francisco, California<br />

USA<br />

Kennen lernen von intergenerativen Konzepten,<br />

die eine Integration für Menschen mit Demenz ermöglichen<br />

Eingereicht von:<br />

Irmgard Klamant<br />

Christian-Walter-Heye-Weg 12<br />

41472 Neuss<br />

Tel. 02131-467944<br />

Email: klamant@aol.com


Ausgangssituation<br />

Im 20. Jahrhundert vollzog sich eine Umkehrung der Alterspyramide der Bundesrepublik<br />

Deutschland. War Anfang des 20. Jahrhunderts die Geburtenrate bei einer insgesamt<br />

geringeren Lebenserwartung sehr hoch, entwickelte sich im Laufe des Jahrhunderts eine<br />

steigende Lebenserwartung bei gleichzeitigem Geburtenrückgang. Es wird deutlich, dass<br />

diese demografische Entwicklung – also das starke Anwachsen der älteren Bevölkerung im<br />

Verhältnis zu Kindern und Jugendlichen zu politischen, gerontologischen und individuellen<br />

Veränderungen beiträgt. So galt es früher als selbstverständlich, dass Kinder ihre Eltern im<br />

Alter unterstützen. Das ist heute leider nicht mehr gewährleistet. Gleiches gilt für den<br />

Zusammenhalt der Generationen. Mit Blick auf die Prognosen, nach denen im Jahre 2020<br />

etwa ein Drittel der über 65jährigen keine direkten Nachkommen haben wird und der<br />

Umkehrung der Alterspyramide zufolge, muss der Zusammenhalt für die Zukunft neu<br />

gefestigt und gesichert werden. Wichtig für diesen Zusammenhalt ist, dass jede Generation<br />

Verständnis für die Belange, Wünsche und Probleme der anderen hat und dies für die<br />

gesellschaftliche Leistungsfähigkeit, Kompetenzen und Potenziale aller Generationen<br />

nutzbar gemacht werden muss. Generationsübergreifende Projekte unterstützen beide Ziele<br />

– Zusammenhalt und Leistungsfähigkeit und bieten gleichzeitig die Möglichkeit voneinander<br />

zu lernen, Schwieriges zu meistern aber auch gemeinsam Spaß und Freude zu erleben. So<br />

stiften diese Projekte ein neues Miteinander und helfen dabei, die in Zukunft auf uns<br />

zukommende demographische Herausforderung zu bewältigen.<br />

Seit 1990 ist nun in Deutschland eine stetige Zunahme von generations-übergreifenden<br />

Projekten zu beobachten, deren Ziel ein besseres Verständnis zwischen Jung und Alt ist.<br />

Intergenerative Projekte mit Pflegeheimen spielen jedoch bisher kaum eine Rolle.<br />

Generationenarbeit, auch in der stationären Altenhilfe, sollte darauf abzielen, Menschen<br />

verschiedener Generationen in Kontakt treten zu lassen und deren Bedürfnisse und<br />

Interessen zu erkunden. Hierfür bedarf es entsprechender geeigneter Modelle. Als<br />

Gerontologin ist es mein Anliegen, auch hier die Generationenbeziehungen zu fördern und<br />

hemmende Rahmenbedingungen abzubauen.<br />

Dabei stellt sich für mich auch immer wieder die Frage, wie demenziell veränderte Menschen<br />

in intergenerative Aktivitäten einbezogen werden können, so dass sie davon profitieren, aber<br />

nicht überfordert werden.<br />

2


Im Rahmen des Internationalen Studien- und Hospitationsprogramms Demenz der <strong>Robert</strong>-<br />

<strong>Bosch</strong>-<strong>Stiftung</strong> hatte ich im Juni und im August 2008 die Möglichkeit zu dieser Fragestellung<br />

an zwei verschiedenenen Institutionen in den USA jeweils 14tägig teilzunehmen:<br />

1. Gastgebende Institution: Marilyn & Gordan Macklin-Intergenerational Institute<br />

Ort: Findlay, Ohio, USA<br />

Zeitraum: 03.06. – 18.06.08<br />

2. Gastgebende Institution: Pacific Institute<br />

Ort: San Francisco, California, USA<br />

Zeitraum: 15.08. – 29.08.08<br />

Zentrale Fragestellungen:<br />

Seit zwei Jahren bin ich in der Projektleitung der Umsetzung der Eden-Alternative (www.<br />

Edenalt.com) im Seniorenzentrum Krefeld tätig. Ein Aspekt der Eden-Alternative ist die Ein-<br />

beziehung von Kindern und Jugendlichen in den Alltag der Bewohner und Bewohnerinnen.<br />

Aufgrund meiner dort gemachten Erfahrungen genießen sowohl die Bewohner als auch die<br />

Kinder das Miteinander, lernen, haben Spaß und profitieren voneinander.<br />

Mein Anliegen war und ist es, auch demenzerkrankte Bewohner besser zu integrieren, da<br />

besonders diese Menschen in der Regel positiv auf Kinder reagieren, leuchtende Augen<br />

bekommen und Fürsorge zeigen.<br />

Somit ergaben sich für mich folgende zentrale Fragenstellungen:<br />

• Welche intergenerativen Projekte und Interaktionen sind für demenziell<br />

veränderte Menschen geeignet?<br />

• Wie können diese Menschen davon profitieren: Chancen und Grenzen?<br />

• Welche nachhaltigen Effekte sind für beide Generationen durch intergenerative<br />

Arbeit zu erwarten?<br />

Ziele und Erwartungen der Hospitationen:<br />

Ich ging mit großen Erwartungen in die USA, da ich mir erhoffte, nach meiner Rückkehr ein<br />

besseres Know How in der Umsetzung der integerativen Arbeit mit dementiell veränderten<br />

Menschen zu haben und sensibler für die tatsächlichen Wünsche und Bedürfnisse dementer<br />

Bewohner im Umgang mit Kindern und jungen Menschen geworden zu sein. Auch erhoffte<br />

3


ich neue Ideen und Anregungen für entsprechende Interaktionen zu finden, die sich in mei-<br />

ner bisherigen Erfahrungsschatz integrieren kann.<br />

Meine Ziele hatte ich wie folgt gesteckt:<br />

• demenziell veränderte Menschen zusammen mit Kindern zu erleben, um damit die<br />

Lebensfreude der Senioren zu verbessern<br />

• durch diese Begegnungen positive Augenblicke beobachten zu können<br />

• die Hoffnung, zu erfahren, dass positive Erinnerungen wachgerufen werden, um neue<br />

Äußerungsmöglichkeiten und Handlungsaktivitäten zu erschließen und letztendlich,<br />

• dass dadurch Ressourcen gestärkt werden, die ein besseres Selbstwertgefühl<br />

bewirken und das Wohlbefinden der Bewohner verbessern.<br />

Hospitationsverlauf – Macklin Intergenerational Institute<br />

Über vielerlei Internetrecherchen hatte ich vom Macklin Intergenerational Institute in Findlay,<br />

Ohio erfahren und Kontakt mit Vicky Rosebrook PHD, der Leiterin des Institutes geknüpft.<br />

Aufgrund des intensiven Austausches war ich sicher, dort die gewünschten Erfahrungen<br />

machen zu können. Aufgrund ihrer Bereitschaft zu einer Hospitation meinerseits und der<br />

Bewilligung der <strong>Robert</strong>-<strong>Bosch</strong>-<strong>Stiftung</strong> machte ich mich am 3. Juni auf den Weg dorthin.<br />

Das Macklin Intergenerational Institute<br />

„Hand in Hand, we are connecting lives“ das ist das, was das Macklin Intergenerational<br />

Institute sich auf die Fahne geschrieben hat und was ich bei meiner Hosptiation hautnah<br />

erleben konnte. Das Marilyn & Gordon Macklin Intergenerational Institute (Macklin Institute)<br />

wurde von Marylin & Gordon Macklin, frühere Einwohner von Findlay, Ohio gestiftet, um das<br />

wiederzugeben, was sie Gutes durch die „community“ erfahren hatten. Heute ist dies ein Ort,<br />

an dem mitfühlende Pflege und ein spontaner Austausch zwischen den Generationen<br />

stattfindet – ein Platz an dem Jung und Alt zusammenkommen, um ihre Talente und Kennt-<br />

nisse zu teilen und jedem dennoch den Spielraum lässt, individuelle Ressourcen und<br />

Erfahrungen einzubringen und weiterzugeben. Das sogenannte „Intergenerational program-<br />

ming“ bietet Gelegenheit der Mission des Macklin Institute nachzukommen, die lautet „To<br />

continually improve the lives of all ages through multi-age programming, care, community<br />

relationships and creative communication”.<br />

4


Integriert und geführt/begleitet (operated)<br />

durch das Macklin Institute ist das Marilyn’s<br />

Lifelong Educational Center (MILLEC), ein<br />

intergeneratives “childcare center” das im<br />

Birchaven Retirement Village lokalisiert ist.<br />

Dieses Center soll Kindern eine qualitative<br />

Kinderbetreuung im intergenerationellen<br />

Setting bieten, in dem soziales, emotionales,<br />

kognitives und spirituelles Wachsen in einem<br />

Miteinander von Jung und Alt gefördert werden. Täglich finden Interaktionen zwischen<br />

Kindern im Alter von 6 Wochen bis zu 5 Jahren mit den Bewohnern von Birchaven statt. Die<br />

Mitarbeiter von MILLEC sind so ausgebildet, dass sie beiden Zielgruppen - Kindern als auch<br />

den alten Menschen - einen warmen einladenden Raum bieten, in dem sich alle wohlfühlen.<br />

Vicky R. macht hier auch darauf aufmerksam, dass alle Mitarbeiter an einem mehrtägigen<br />

professionellen intergenerationellen Lernprogramm teilnehmen, mit dem Ziel sich selbst<br />

danach nicht als Leiter, sondern als Begleiter der jungen und alten Generation zu sehen.<br />

Dieses Programm „Rose Brook Journey“ führt zu einer Zertifizierung auch von anderen<br />

Einrichtungen, die sich auf den Weg gemacht haben, intergenerative Arbeit zu leisten.<br />

In der Umsetzung ist es somit nicht unmöglich, dass man einen „Großvater“ findet, der ein<br />

5<br />

Baby im Arm hält oder eine „Großmutter“,<br />

die einen Kinderwagen schiebt oder dass<br />

Kinder im Vorschulalter mit den Bewoh-<br />

nern der Tagespflege (Julien Faisant Adult<br />

Center) Wäsche falten. Dies kann beispiel-<br />

haft als spontanes, natürliches Alltagsge-<br />

schehen gesehen werden, das im norma-<br />

len Leben und Wohnen stattfinden könnte.<br />

Im Rahmen von Forschungsarbeiten des<br />

Mackling Intergenerational Institutes wurde<br />

die besondere Bedeutung des Familien-Raum-Ansatzes (Family Room Approach)<br />

herausgestellt, der sich am besten dazu eignet, eine Umgebung zu schaffen, in der<br />

bedeutsame intergenerative Aktivitäten stattfinden. Jung und Alt werden auf natürliche Art<br />

und Weise zusammengeführt, um voneinander zu lernen. Hier können Kinder die Welt<br />

entdecken und alte Menschen die in normalen Institutionen oftmals nicht mehr vorhandene<br />

frühere Lebenswelt wiederentdecken.


Birchaven Village<br />

„Birchhaven Village“ ist eine Abteilung des Blanchard Valley Health Systems und eine<br />

angesehene Rentenaltersgemeinschaft in Findlay im Nord-Westen von Ohio. Birchaven<br />

nennt sich selbst stolz eine Gemeinschaft der Wahlmöglichkeiten und bietet somit mehrere<br />

Optionen für ein Leben und Wohnen im Alter – abhängig vom Pflegebedarf der älteren und<br />

alten Menschen:<br />

„Independent Senior Living“, das entsprechend unserem „Betreuten Wohnen im Alter“,<br />

unabhängiges Leben und Wohnen im Alter bietet, jedoch die Option offen lässt, Service-<br />

leistungen, z.B. hauswirtschalftiche Dienste, Begleitung, Transport etc. in Anspruch zu<br />

nehmen, an sozialen Aktivitäten und Gesundheitsprogrammen in Birchaven teilzunehmen<br />

und ebenso nach Wunsch dort Mahlzeiten einzunehmen.<br />

Im „Skilled Nursing and Rehabiltiation“ findet eine medizinische „Rundumpflege“ für alte<br />

Menschen statt, die nach unvorhergesehenen schweren Erkrankungen, z.B. Schlaganfällen<br />

oder Unfällen für kurze Zeit intensiv betreut werden müssen. Je nach Krankheitsgrad mit<br />

einem nachfolgenden Pflegebedarf kann es auch zu einer Überleitung in die Langzeitpflege<br />

kommen.<br />

„Long Term Care“ entspricht unserer Langzeitpflege und umfasst eine 24stündige<br />

„Rundum-pflege“ mit Betreuung für alle erforderlichen physischen, emotionalen und sozialen<br />

Bedürfnisse.<br />

Im Birchaven’s „Schaefer Care Center“ wohnen Menschen die an dementiellen<br />

Veränderungen wie Alzheimer leiden. Sie finden dort eine wohnliche Umgebung vor, in der<br />

Aktivitäten stattfinden, die dem alten Menschen Sicherheit und Förderung hinsichtlich „mind<br />

and body“ bieten. Dies war der Ort, an dem ich meine überwiegende Zeit der Hospitation<br />

verbrachte und meine vielfältigen Erfahrungen machen konnte.<br />

Zum Schluss findet sich im Birchaven Village ein Adult Day Center, - das „Julien A. Faisant<br />

Adult Day Center“ - das unserer Tagespflege entspricht. Für die alten Menschen selbst<br />

bietet es Sicherheit und Pflege und sozialen Kontakt während des Tages und eine Unter-<br />

stützung für die Angehörigen, die sich aufgrund von Berufstätigkeit über Tag nicht um ihre<br />

Lieben kümmern können.<br />

6


Nachdem ich die vielfältigen Möglichkeiten des Wohnens, der Pflege und der Betreuung in<br />

Birchhaven Village aufgezeigt habe, möchte ich hier noch einmal betonen, dass alle<br />

Gruppen in intergenerative Aktivitäten und Programme eingebunden sind.<br />

Bei meiner Ankunft in Birchhaven Village, finde ich „Straßen“ und Straßennnamen wie z.B.<br />

Aspen Avenue, Birch Boulevard oder Dogwood Drive, Geschäften, Frisör ect. vor. Dies lässt<br />

einen wirklichen Dorfcharakter empfinden in dem buntes Leben stattfindet. Kinder in<br />

Bollerwagen mit ihren Betreuerinnen, alte Menschen mit Rollstuhl oder Rollatoren kommen<br />

mir entgegen und ich wundere mich, dass es nicht zu Kollisionen kommt.<br />

Eine Gruppe von Kindern befindet sich gerade zu einer geplanten Begegnung im Schäfer-<br />

Care Centre – Parashooting ist heute angesagt – eine Aktivität, an der beide Generationen<br />

viel Spaß haben und bei der es temperamentvoll zugeht.<br />

An dieser Stelle werde ich weitere wiederkehrende Aktivitäten, die ich dort erleben konnte<br />

und die mich sehr beeindruckt haben wiedergeben:<br />

Verkleiden:<br />

Viele Kinder haben Spaß am Verkleiden und daran, sich entsprechend darzustellen. Die<br />

Bewohner erfreuen sich an der Kreativität und dem bunten Treiben der Kinder. Gleichzeitig<br />

haben sie auch die Möglichkeit den Kindern beim Um- und Ankleiden behilflich zu sein und<br />

somit das Gefühl gebraucht zu werden. Demenziell veränderte Bewohnerinnen finden sich<br />

plötzlich in ihrer Mutterrolle wieder, scheinen sichtbar zufrieden und haben auch nichts<br />

dagegen einzuwenden, wenn ihnen selbst im Eifer des Gefechts plötzlich von den Kindern<br />

ein Hut aufgesetzt wird.<br />

Musik:<br />

Gemeinsame Musikaktivitäten zu erleben, daran erfreuen sich Jung und Alt, wie ich hier<br />

besonders beobachten konnte. Ob es das Singen von altbekannten Kinderliedern ist oder ob<br />

mit oder ohne Instrumente getanzt wird – hier sind alle beteiligt und mit Freude dabei. Mir<br />

wurde berichtet, dass ein besonderer Effekt in der Form zu beobachten ist, dass<br />

demenzkranke beteiligte Bewohner in der Lage sind, einfache Kinderlieder neu zu erlernen<br />

und nach einer Weile mitsingen können.<br />

Backen<br />

Muffins sind angesagt. Hier erlebe ich die besondere Bedeutung des „Begleitens“ statt eines<br />

„Leitens“. Als Begleiter ist darauf zu achten, dass Jung und Alt gleichermaßen profitieren und<br />

partizipieren, indem jeder nach seinen Fähigkeiten der entsprechende Spielraum gewährt<br />

wird. Wichtig ist hierbei das gemeinsame Tun und das Gefühl, gemeinsam etwas geschaffen<br />

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