Grundlagen des Arbeitsrechts, Teil 1 - Sparkassen-SchulService
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4/08 geldprofi<br />
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<strong>Grundlagen</strong> <strong>des</strong> <strong>Arbeitsrechts</strong>, <strong>Teil</strong> 1<br />
P r o f . S t a n i s l a v T o b i a s , R e c h t s a n w a l t u n d V e r a A s t r i d V o g t , R e c h t s a n w ä l t i n<br />
In der heutigen arbeitsteiligen Massengesellschaft ist das Arbeitsverhältnis für das Indivi-<br />
duum meistens die einzige Möglichkeit, die Existenz und Lebensgrundlage zu sichern.<br />
Man stelle sich nur vor, allabendlich würden ca. 80 Millionen Deutsche in den Wald ziehen,<br />
um sich ein Aben<strong>des</strong>sen zu jagen – undenkbar! Jeder ist auf seinen Arbeitsplatz und den<br />
damit zu erzielenden Verdienst existenziell angewiesen. Rechtliche Schutzmechanismen<br />
bezüglich eines solchen Arbeitsplatzes sind sehr wichtig.<br />
Der Lebenslauf eines<br />
Arbeitsvertrages<br />
Der Arbeitsvertrag kann – wie fast jeder<br />
Vertrag – in drei Grundphasen eingeteilt<br />
werden: Die Vertragsabschlussphase, die<br />
Vertragsdurchführungsphase und die<br />
Vertragsbeendigungsphase.<br />
Gleichgültig, ob man einen Kaufvertrag,<br />
Mietvertrag oder eben wie hier einen<br />
Arbeitsvertrag untersucht, stets<br />
muss er abgeschlossen, durchgeführt<br />
und beendet werden. Die Vertragsbeendigung<br />
ist vor allem bei sogenannten<br />
Dauerschuldverhältnissen, also Verhältnissen,<br />
die nicht nur auf einen einmaligen<br />
Leistungsaustausch gerichtet sind, sondern<br />
einen fortwährenden Leistungsaustausch<br />
über einen Zeitraum hinweg erfassen,<br />
von Bedeutung.<br />
Die Abschlussphase<br />
Vertragsrechtlich weist der Arbeitsvertrag<br />
keine Besonderheiten auf. Er kommt<br />
durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen,<br />
genannt Angebot und Annahme,<br />
zustande. Diese finden sich regelmäßig<br />
in einem schriftlichen – mehr oder<br />
weniger ausgehandelten – Arbeitsvertrag.<br />
Häufig wird der Arbeitsvertrag nicht<br />
direkt vom Arbeitgeber (Chef) unterschrieben,<br />
sondern von einem Vertreter<br />
(z. B. dem Personalchef oder dem Prokuristen).<br />
Ist die Vollmacht ordnungsgemäß<br />
an den Vertreter erteilt, kommt der Vertrag<br />
direkt mit dem Arbeitgeber zustande,<br />
§ 164 Abs. 1 BGB.<br />
Auch mündliche Verträge können geschlossen<br />
werden und sind selbstverständlich<br />
wirksam, da es keine gesetz<br />
R E c h T<br />
liche Vorschrift gibt, die eine bestimmte<br />
Form, z. B. die Schriftform für die Wirksamkeit<br />
eines Arbeitsvertrages vorschreibt.<br />
Für diesen Fall ist der Arbeitgeber<br />
aber durch das Nachweisgesetz<br />
verpflichtet, binnen Monatsfrist die wichtigsten<br />
Eckdaten <strong>des</strong> Vertrages schriftlich<br />
an den Arbeitnehmer mitzuteilen (Vertragsparteien,<br />
Arbeitszeit, Arbeitsentgelt<br />
etc.).<br />
Vor Abschluss <strong>des</strong> Arbeitsvertrages<br />
wollen die Beteiligten regelmäßig mehr<br />
voneinander bzw. übereinander erfahren.<br />
Hierbei kann es jedoch schon zu arbeitsrechtlichen<br />
Problemen kommen, denn<br />
nicht alle Fragen sind erlaubt. So wird<br />
zwischen rechtlich zulässigen oder unzulässigen<br />
Fragen beim Bewerbungsgespräch<br />
unterschieden. Aber auch die<br />
Frage nach dem Ersatz von Bewerbungskosten<br />
ist bereits im Vorfeld zu bedenken.<br />
Zulässige und unzulässige<br />
Fragen<br />
Naturgemäß möchte der Arbeitgeber<br />
über die Person, die in seinem Unternehmen<br />
tätig werden soll, so viel wie möglich<br />
erfahren, um den besten Kandidaten für<br />
den freien Arbeitsplatz zu finden. Vieles<br />
ergibt sich nicht aus dem Bewerbungsschreiben<br />
oder dem Lebenslauf, so dass<br />
der Arbeitgeber auf Fragen beim Bewerbungsgespräch<br />
angewiesen ist. Für den<br />
künftigen Arbeitnehmer gilt dies ebenso:<br />
Auch er muss beim Bewerbungsgespräch<br />
die Fragen stellen, die ihn interessieren<br />
(Entlohnung, Art der Arbeit etc.).<br />
Fragen <strong>des</strong> Arbeitgebers z. B. nach der<br />
Familienplanung oder gar nach einer<br />
Schwangerschaft sind jedoch unzulässig.<br />
Werden sie dennoch gestellt, so kommt<br />
der Bewerber in die Zwickmühle: Gibt er<br />
eine »ehrliche« Antwort, riskiert er, den<br />
Job nicht zu bekommen. Lügt er, so<br />
riskiert er gekündigt zu werden, wenn<br />
sich die Lüge herausstellt. Die Arbeitsgerichte<br />
helfen weiter: Auf unzulässige Frage<br />
darf der Bewerber lügen, ohne dass<br />
diese Lüge später Konsequenzen für ihn<br />
hätte, d.h. er darf <strong>des</strong>wegen nicht gekündigt<br />
bzw. der Vertrag kann <strong>des</strong>halb auch<br />
nicht wegen arglistiger Täuschung (§ 123<br />
BGB) angefochten werden.<br />
Die Schwierigkeit liegt darin zu erkennen,<br />
was zulässige und unzulässige Fragen<br />
sind. Zulässig ist z. B. die Frage nach<br />
dem Verdienst im früheren Unternehmen,<br />
nach geordneten Vermögensverhältnissen<br />
oder nach Vorstrafen, die in unmittel<br />
Grundsätzlich zulässige Fragen Grundsätzlich unzulässige Fragen<br />
• beruflicher Werdegang<br />
• Gesundheitszustand, soweit arbeitsplatzrelevant<br />
• Vorstrafen, soweit arbeitsplatzrelevant<br />
• Vermögensverhältnisse bei besonderer<br />
Vertrauensposition<br />
• Frühere Vergütung, soweit arbeitsplatzrelevant<br />
Abbildung 1: Zulässige und unzulässige Fragen<br />
• Betriebsratszugehörigkeit<br />
• Gewerkschaftszugehörigkeit<br />
• Krankheit allgemein<br />
• Religions und Parteizugehörigkeit<br />
• Schwangerschaft<br />
• Schwerbehinderung und Schwerbehinderteneigenschaft<br />
• Wehr und Ersatzdienst
arem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz<br />
stehen.<br />
Bewerbungskosten<br />
Häufig nimmt der künftige Arbeitnehmer<br />
eine längere Anreise zum Bewerbungsgespräch<br />
in Kauf, wenn er eine Einladung<br />
hierzu aufgrund seiner Bewerbung erhält.<br />
Schließt der Arbeitgeber im Einladungsschreiben<br />
die Erstattung der Fahrtkosten<br />
zum Bewerbungsgespräch nicht aus, so<br />
kann der Arbeitnehmer nach § 670 BGB<br />
analog die Kosten seiner Fahrt (und falls<br />
erforderlich auch einer Übernachtung)<br />
geltend machen.<br />
Diskriminierung<br />
Zu beachten ist auch, dass der Arbeitnehmer<br />
bei der Einstellung/im Einstellungsgespräch<br />
nicht diskriminiert werden darf.<br />
Geregelt ist dies im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />
(AGG). So sind Benachteiligungen<br />
aus Gründen der Rasse<br />
oder wegen der ethnischen Herkunft, <strong>des</strong><br />
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,<br />
einer Behinderung, <strong>des</strong> Alters<br />
oder der sexuellen Identität nicht erlaubt.<br />
Verstöße dagegen verpflichten den Arbeitgeber<br />
zum Schadensersatz.<br />
Die Vertragsdurchführungsphase<br />
Hier sind die zwei Seiten ein und derselben<br />
Medaille zu berücksichtigen: Die<br />
Pflichten <strong>des</strong> einen sind die Rechte <strong>des</strong><br />
anderen und umgekehrt. Aus einem Ar<br />
Informationspflicht<br />
im<br />
Krankheitsfall<br />
Wettbewerbsverbot<br />
Treuepflicht<br />
einige<br />
Nebenpflichten<br />
<strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers<br />
Anzeigen<br />
von<br />
Schäden<br />
und<br />
Störungen<br />
Abbildung 3: Neuverpf lichten <strong>des</strong> Arbeitsnehmers<br />
Hauptleistungs-<br />
pflicht <strong>des</strong><br />
Arbeitgebers<br />
Abbildung 2: Vertragsdurchführungsphase<br />
beitsvertrag hat der Arbeitnehmer die<br />
Pflicht vertragsgemäß zu arbeiten. Demgegenüber<br />
steht das Recht <strong>des</strong> Arbeitgebers,<br />
die vertragsgemäße Arbeitsleistung<br />
auch einzufordern. Die Pflicht <strong>des</strong> Arbeitgebers<br />
ist es, den vereinbarten Lohn zu<br />
zahlen, was wiederum dem Recht <strong>des</strong> Arbeitnehmers<br />
entspricht, den Vertragslohn<br />
zu fordern. Diese beiden gegenseitigen<br />
Pflichten bzw. Rechte nennt man<br />
Hauptleistungspflichten. Problematisch<br />
wird es, wenn eine dieser Hauptleistungspflichten<br />
– oder beide – gestört sind:<br />
z. B., weil der Arbeitnehmer fehlerhaft arbeitet<br />
oder der Arbeitgeber verzögert<br />
oder überhaupt keinen Lohn zahlt. Im juristischen<br />
Fachjargon spricht man dann<br />
von einer Leistungsstörung. Daraus ergeben<br />
sich entsprechende Schadensersatzansprüche,<br />
aber auch Abmahnungs,<br />
Kündigungs bzw. Zurückbehaltungsansprüche<br />
(Details folgen in <strong>Teil</strong> 2).<br />
Neben den Hauptleistungspflichten gibt<br />
es im Arbeitsverhältnis – wie in jedem Vertragsverhältnis<br />
– auch Nebenpflichten. Diese<br />
Nebenpflichten ergeben sich daraus,<br />
dass man auf den anderen<br />
Rücksicht nehmen<br />
muss (§ 241 Abs. 2 BGB).<br />
Als Nebenpflichten gelten:Rücksichtnahmepflicht,<br />
Sorgfaltspflicht,<br />
Schutzpflicht, Aufklärungspflicht,Mitwir<br />
Verschwiegenheitspflicht<br />
R E c h T<br />
kungspflicht,Informationspflicht, Treuepflicht<br />
etc. Die Verletzung von<br />
Nebenpflichten führt<br />
ebenfalls zum Schadensersatz.<br />
Zum Beispiel<br />
dann, wenn ein<br />
Arbeitnehmer seine<br />
Verschw iegenheit spflicht<br />
verletzt, weil er<br />
in der Kneipe Betriebsgeheimnisseausplaudert.<br />
Lohnzahlungspflicht<br />
Erbringung der Arbeitsleistung<br />
Hauptleistungs-<br />
pflicht <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers<br />
Die Vertragsbeendigungsphase<br />
geldprof i 4/08<br />
Bei einem Kaufvertrag ist der Vertrag erfüllt,<br />
wenn der Verkäufer die Ware geliefert<br />
(übergeben und übereignet) und der<br />
Käufer den Kaufpreis bezahlt hat. Anders<br />
verläuft dies bei den Dauerschuldverhältnissen:<br />
Ohne Zeitbestimmung oder ohne<br />
Kündigung laufen sie immer weiter. Solange<br />
also eine Wohnung nicht gekündigt<br />
ist, muss Miete bezahlt werden, gleichgültig<br />
ob die Wohnung benutzt wird oder<br />
nicht. Mietverträge, Darlehensverträge,<br />
Arbeitsverträge oder Leasingverträge<br />
sind typische Dauerschuldverhältnisse.<br />
Dauerschuld <strong>des</strong>halb, weil der Vertragspartner<br />
in jeder Sekunde der Laufzeit <strong>des</strong><br />
Vertrages die geschuldete Leistung<br />
schuldet, also z. B. der Vermieter die<br />
Überlassung der Wohnung 24 Stunden<br />
am Tag, 365 Tage im Jahr, ohne Unterbrechung,<br />
eben dauernd.<br />
Ein Dauerschuldverhältnis, in unserem<br />
Fall ein Arbeitsverhältnis, kann durch<br />
Kündigung beendet werden. Hierbei sind<br />
bei einer ordentlichen Kündigung Kündigungsfristen<br />
zu beachten, bei einer außeraußerordentlichen<br />
Kündigung (man<br />
spricht auch von einer fristlosen Kündigung)<br />
sind gerade keine Fristen zu beachten.<br />
Neben der Kündigung endet das Arbeitsverhältnis<br />
(automatisch, also ohne<br />
besondere Kündigungserklärung) durch<br />
Befristung, d. h. also durch Zeitablauf<br />
oder durch Anfechtung oder durch Aufhebungsvertrag.<br />
Bei der Beendigung <strong>des</strong> Arbeitsverhältnisses<br />
ergeben sich für die Beteiligten<br />
ebenfalls Pflichten: So muss der Arbeitnehmer<br />
z. B. Arbeitsgeräte zurückgeben<br />
und der Arbeitgeber die Arbeitspapiere<br />
(z. B. Lohnsteuerkarte, Bescheinigung<br />
über im Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen<br />
Erholungsurlaub, Zeugnis)<br />
aushändigen.<br />
<strong>Teil</strong> 2 folgt in der Ausgabe 5/2008 <strong>des</strong><br />
geldprofi.<br />
g<br />
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