Rundbrief 1 - Bund für Soziale Verteidigung
Rundbrief 1 - Bund für Soziale Verteidigung
Rundbrief 1 - Bund für Soziale Verteidigung
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<strong>Soziale</strong> <strong>Verteidigung</strong><br />
Konflikte gewaltfrei austragen - Militär und Rüstung abschaffen<br />
Nummer 1/07 Zeitschrift des <strong>Bund</strong>es <strong>für</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Verteidigung</strong> e.V.<br />
Die Zukunft<br />
des BSV*<br />
H 4361<br />
*ohne Ihre Spende!<br />
1
Eine dringende Bitte um<br />
Unterstützung<br />
Lieber Leserinnen und Leser,<br />
liebe Freundinnen und Freunde,<br />
dies könnte der letzte <strong>Rundbrief</strong> „<strong>Soziale</strong> <strong>Verteidigung</strong>“ im gewohnten Umfang sein. Trotz der großen Unterstützung<br />
im vergangenen Jahr und sparsamstem Wirtschaften weist unser Jahresabschluss 2006 eine Rückgang<br />
der Spendeneinnahmen von über 20.000 Euro aus. Viele treue Spenderinnen und Spender konnten uns<br />
auf Grund ihrer eigenen Finanzsituation nicht mehr im gewohnten Umfang unterstützen. Gleichzeitig werden<br />
die Preise <strong>für</strong> viele Dinge erhöht, die wir <strong>für</strong> unsere politische Arbeit brauchen, seien es Druckaufträge, Fahrtkosten<br />
oder Büromaterialien. Unsere MitarbeiterInnen hingegen arbeiten seit vier Jahren ohne Gehaltserhöhung<br />
- bei steigenden Lebenshaltungskosten.<br />
Gleichzeitig haben wir anspruchsvolle Projekte geplant oder bereits gestartet, die wir nur umsetzen können,<br />
wenn unsere materielle Basis stimmt. Wir wenden uns daher mit einem Notruf an Sie und an euch: Bitte,<br />
unterstützt uns mehr als sonst!<br />
Wenn ihr unsere Arbeit schätzt, dann versetzt uns in den Stand, sie weiter zu tun:<br />
Bitte, spendet jetzt <strong>für</strong> den BSV!<br />
Gebt uns <strong>für</strong> das neue Jahr einen finanziellen Anschub!!<br />
Wir benötigen vor allem Spenden ohne Zweckbindung, die uns in den Stand versetzen, unsere laufenden<br />
Aufgaben zu finanzieren: Mit 100 Euro können wir ein Faltblatt in Kleinauflage drucken. 350 Euro benötigen<br />
wir jeden Monat, um unseren PraktikantInnen die Unterkunft zu finanzieren und 400 Euro monatlich, um<br />
unsere Mitarbeit in bundesweiten und internationalen Dachorganisationen wie „forum Ziviler Friedensdienst“<br />
oder „Nonviolent Peaceforce“ leisten zu können.<br />
All dies können wir nur aufbringen, weil viele Menschen mit kleinen und größeren Spenden dazu beitragen!<br />
Dabei zählt im wahrsten Sinn des Wortes jeder Zehner!<br />
Vielen Dank <strong>für</strong> Eure und Ihre Unterstützung<br />
Ute Finckh-Kämer und Bernhard Nolz<br />
Vorsitzende des BSV<br />
Überweisungsträger <strong>für</strong> Spenden an den BSV liegen diesem <strong>Rundbrief</strong> bei.<br />
Sollte der Überweisungsträger nicht mehr vorhanden sein, dann spenden Sie bitte auf folgendes Konto:<br />
Nr. 89 42 08 14, Sparkasse Minden-Lübbecke, BLZ 490 501 01.<br />
Spenden an den BSV sind steuerlich absetzbar, eine Spendenquittung senden wir Anfang 2008 zu.<br />
2
So können Sie uns unterstützen!<br />
Beispiele und Ideen <strong>für</strong> erfolgreiche Friedensförderung<br />
von Kathrin Vogler<br />
Die Friedens-Dinnerparty<br />
Sie verbinden das Angenehme mit dem<br />
Nützlichen und laden Freunde und Bekannte<br />
zu einem Abendessen ein. Umfang<br />
und Aufwand bestimmen Sie selbst - ob<br />
Grünkohl mit Mineralwasser oder<br />
Nouvelle Cuisine zu erlesenen Weinen.<br />
Schon in der Einladung weisen Sie darauf<br />
hin, dass Sie Ihre Gäste um eine Spende<br />
<strong>für</strong> den BSV bitten. Die Spenden sammeln<br />
Sie im Lauf des Abends ein und überweisen<br />
Sie auf unser Spendenkonto. Wir<br />
stellen Ihnen gerne Informationsmaterial<br />
<strong>für</strong> Ihre Gäste zur Verfügung. Auch über<br />
Berichte und Fotos von geglückten Partys<br />
freuen wir uns.<br />
Einen Tag <strong>für</strong> Gewaltfreiheit<br />
und Frieden<br />
Sind Sie erwerbstätig? Vielleicht in einem<br />
Team mit KollegInnen zusammen? Arbeiten<br />
Sie doch mal einen Tag <strong>für</strong> den BSV!<br />
Besprechen Sie die Idee mit Ihren<br />
KollegInnen und informieren Sie diese<br />
über unsere Arbeit, wenn Sie einige überzeugt<br />
haben, suchen Sie sich gemeinsam<br />
einen Tag aus, den Sie zum „Tag der Friedensarbeit“<br />
erklären. Das nötige Infomaterial<br />
senden wir gerne zu. Alle, die<br />
sich beteiligen, spenden anschließend den<br />
Lohn dieses Tages (oder einen Teil, z.B.<br />
das Trinkgeld) <strong>für</strong> den BSV. Auch bei dieser<br />
Aktion freuen wir uns über Berichte.<br />
Wein trinken<br />
In unserem Büro können Sie auch 2007<br />
den beliebten Dekadenwein von der Mosel<br />
bestellen. Vom Erlös dieses Verkaufs<br />
erhält der BSV einen Euro pro Flasche<br />
und der Versöhnungsbund einen weiteren<br />
Euro. Der Wein in rot oder weiß kostet 6<br />
Euro pro Flasche zzgl. Versandkosten.<br />
Die Feier-Spende<br />
Haben Sie demnächst Geburtstag, Taufe<br />
oder Jubiläum? Wie wäre es statt Geschenken<br />
mit Spenden <strong>für</strong> den BSV? Auch bei<br />
kirchlichen Feiern (Hochzeit, Taufe, Seelenamt)<br />
kann man häufig der Kirchengemeinde<br />
vorschlagen, wo<strong>für</strong> die Kollekte<br />
des Gottesdienstes verwendet werden soll.<br />
Mitglieder<br />
gewinnen<br />
Sicher kennen Sie im Freundes-<br />
und Bekanntenkreis<br />
Menschen, die überzeugte<br />
Pazfistinnen, Anhänger der<br />
Gewaltfreiheit, radikale<br />
FriedensfreundInnen sind.<br />
Warum sprechen Sie nicht<br />
mit Ihnen und bitten Sie,<br />
den BSV als Mitglied dauerhaft<br />
zu stärken? Vielleicht warten diese<br />
Menschen nur darauf, einmal angesprochen<br />
zu werden. Auch hier<strong>für</strong> senden wir<br />
Ihnen gerne zusätzliches Informationsmaterial,<br />
eine Beitrittserklärung finden Sie<br />
in diesem <strong>Rundbrief</strong>.<br />
Bei all diesen Aktivitäten geht es nicht<br />
nur darum, Geld <strong>für</strong> Friedensarbeit zu<br />
erwirtschaften, sondern auch, den BSV<br />
und seine Arbeit neuen Menschen bekannt<br />
zu machen und damit unsere Ausstrahlung<br />
zu erweitern. Bitte, helfen Sie<br />
uns, unsere Unabhängigkeit zu erhalten<br />
und den BSV als kritisches Sprachrohr<br />
<strong>für</strong> Gewaltfreiheit stark zu machen!<br />
Happy birthday, Ute!<br />
BSV-Vorsitzende Ute Finckh (Mitte) feierte<br />
vor Kurzem ihren fünfzigsten Geburtstag.<br />
Viele persönliche und politische<br />
Freundinnen und Freunde gratulierten<br />
zu diesem Anlass ebenso wie der<br />
BSV-Vorstand.<br />
Eine Spendensammlung von Ute <strong>für</strong> den<br />
BSV anlässlich des runden Geburtstages<br />
erbrachte die stolze Summe von 790 Euro.<br />
Da<strong>für</strong> sagen wir allen Spenderinnen und<br />
Spendern - und natürlich dem Geburtstagskind<br />
- herzlichen Dank!<br />
Beitrittserklärung<br />
❍ ich möchte dem BSV als Einzelmitglied beitreten<br />
❍ wir möchten dem BSV als Mitgliedsorganisation beitreten<br />
Ich zahle/wir zahlen einen jährlichen Beitrag in Höhe von _____ Euro<br />
(mindestens 50 Euro).<br />
Name:_____________________________________________<br />
Straße und Nr. _____________________________________<br />
PLZ und Ort _______________________________________<br />
E-<br />
Mail________________________Telefon_______________________<br />
❍ bitte, bucht den Beitrag jährlich von folgendem Konto ab:<br />
Kto. Nr. _______________________________________________<br />
Bank ___________________________ BLZ___________________<br />
Datum und Unterschrift____________________________________<br />
3
Ute Finckh-Krämer<br />
Menschliche Sicherheit<br />
was <strong>für</strong> Konzepte verstecken sich hinter diesem Begriff?<br />
Der Begriff „menschliche Sicherheit“<br />
(human security) ist durch den Human<br />
Development Report 1994 des United<br />
Nations Development Programme<br />
(UNDP) in die internationale politische<br />
Debatte eingeführt worden. Der Report<br />
(im Web unter http://hdr.undp.org/<br />
reports/global/1994/en/ zu finden) enthält<br />
ein Kapitel mit dem Titel „New<br />
dimensions of human security“.<br />
Hierin werden dem Sicherheitsbegriff des<br />
Kalten Kriegs, der als territoriale Sicherheit,<br />
als Schutz nationaler Interessen im<br />
Kontext internationaler Politik oder als<br />
globale Sicherheit vor nuklearer Bedrohung<br />
definiert wurde, die Sicherheitsbedürfnisse<br />
der „gewöhnlichen Menschen“<br />
gegenüber gestellt: Schutz vor Krankheit,<br />
Hunger, Arbeitslosigkeit, Verbrechen, sozialen<br />
Konflikten, politischer Unterdrükkung<br />
und Umweltrisiken (S. 22). Die engen<br />
Wechselbeziehungen zwischen den genannten<br />
Bedrohungen werden erörtert und<br />
es wird dargelegt, dass eine an Menschen<br />
(nicht Staaten) orientierte Entwicklungspolitik<br />
(„human development“) das beste<br />
Mittel sei, die menschliche Sicherheit zu<br />
erhöhen. Der weltweite Rückgang der Militärausgaben<br />
nach Ende des Kalten Krieges<br />
erschien als große Chance, hier<strong>für</strong><br />
Mittel bereitstellen zu können.<br />
4<br />
BSV-Jahrestagung 2007<br />
Maßanzug <strong>für</strong> Friedensarbeit oder<br />
Deckmantel <strong>für</strong>s Militär?<br />
Der „Human Security“ – Ansatz<br />
der Vereinten Nationen<br />
mit<br />
Tobias Pflüger, Andreas Zumach,<br />
Christine Schweitzer, Dr. Herbert<br />
Sahlmann, Friedrich Däuble, Jochen<br />
Mangold, Ute Hegener, Natascha<br />
Zupan, Anja Stiel , Kathrin Vogler...<br />
... und dir?<br />
Bielefeld, 2.-4. März<br />
Information und Anmeldung<br />
unter 0571-29456<br />
Diese an den Bedürfnissen der Menschen<br />
orientierte Begriffsbildung prägt bis heute<br />
einen Teil der Debatte. Elmar Altvater<br />
definiert 2003 in einem Aufsatz präzise:<br />
„Menschliche Sicherheit bedeutet Freiheit<br />
von Furcht und Freiheit von Mangel<br />
(„freedom from fear“ and „freedom from<br />
want“).“ (http://www.glow-boell.de/<br />
media/de/txt_rubrik_3/Altvater.pdf). Die<br />
englische Version dieser Definition wurde<br />
vom VN-Generalsekretär Kofi Annan<br />
beim Millenniumsgipfel der VN im Herbst<br />
2000 verwendet. Sie findet sich auch in<br />
der Erklärung vom Januar 2001, mit der<br />
eine „Commission on Human Security“<br />
etabliert wurde, die 2003 einen „Final Report“<br />
vorlegte (http://<br />
www.humansecurity-chs.org/finalreport/<br />
Outlines/outline.html). Seit Herbst 2004<br />
gibt es eine „Human Security Unit“ im<br />
Büro <strong>für</strong> die Koordination humanitärer<br />
Angelegenheiten (OCHA) der VN. Es gibt<br />
dort mittlerweile auch einen „United<br />
Nations Trust Fund for Human Security”<br />
und ein “Advisory Board on Human<br />
Security” (vgl. http://ochaonline.un.org/<br />
webpage.asp? Page=1516).<br />
Altvater führt in seinem Text aus:<br />
„Menschliche Sicherheit entsteht auf verschiedene<br />
Weise, (1) durch verlässliche<br />
Regeln in einem Gemeinwesen, (2) durch<br />
Vermeidung von Instabilitäten und die<br />
Wiederherstellung stabiler Verhältnisse,<br />
wenn sie denn - wie in finanziellen Krisen<br />
- destabilisiert worden sind, (3) durch<br />
“Daseinsvorsorge” in jenen Passagen des<br />
menschlichen Lebens, in denen Individuen<br />
oder Familien nicht in der Lage sind,<br />
aus eigenen Ressourcen <strong>für</strong> Bildung und<br />
Ausbildung, <strong>für</strong> Erhaltung oder Wiederherstellung<br />
der Gesundheit, <strong>für</strong> die Alterssicherung<br />
oder auch <strong>für</strong> Nahrung und<br />
Unterkunft, <strong>für</strong> Wasserangebot und Abwasserbeseitigung<br />
Sorge zu tragen, (4)<br />
durch Zugang zu allen jenen Gütern, die<br />
<strong>für</strong> die menschliche Existenz wesentlich<br />
sind. Kurz: Menschliche Sicherheit wird<br />
durch die Bereitstellung öffentlicher Güter<br />
gewährleistet. Daher lässt sich der Diskurs<br />
über menschliche Sicherheit von<br />
demjenigen über öffentliche Güter nicht<br />
sinnvoll trennen.“<br />
Aber der Begriff „menschliche Sicherheit“<br />
wurde in den letzten Jahren auch<br />
auf den klassischen Sicherheitsbegriff in<br />
den internationalen Beziehungen zurückbezogen.<br />
Dies geschah z.B. durch den<br />
„Human Security Report“ von 2005<br />
(http://www.humansecurityreport.info/).<br />
In diesem Bericht wird mit statistischem<br />
Material belegt, dass Krieg, Bürgerkrieg<br />
und Gewalt bei weitem nicht so ungebrochen<br />
auf dem Vormarsch sind, wie die<br />
Fernsehbilder suggerieren, was zweifellos<br />
ermutigend ist. „Human Security“<br />
wird hierin aber enger als im Human<br />
Development Report 1994 als Sicherheit<br />
vor physischer Gewalt bzw. Kriegs- oder<br />
Bürgerkriegsfolgen definiert. Damit<br />
rückt der Begriff – wohl unbeabsichtigt<br />
– näher an die erweiterten Sicherheitsbegriffe,<br />
die derzeit von militärischen<br />
Organisationen (beispielsweise der <strong>Bund</strong>eswehr<br />
oder der NATO) verwendet werden<br />
und die ganz klar zur Begründung<br />
militärischer Auf- oder Umrüstung bzw.<br />
militärischer Interventionen entwickelt<br />
wurden. Mit der „Verpflichtung zu schützen“<br />
(„Responsibility to Protect“), die den<br />
schnell in Verruf geratenen Begriff “humanitäre<br />
Intervention” ablöste, entstand<br />
eine weitere Verknüpfung zwischen dem<br />
Begriff „menschliche Sicherheit“ und zumindest<br />
potenziell militärischem Eingreifen<br />
(vgl. z.B. http://www.iciss.ca/<br />
report2-en.asp).<br />
Es gibt schon zu denken, wenn im Weißbuch<br />
2006 im Kapitel „Grundlagen deutscher<br />
Sicherheitspolitik“ im Abschnitt<br />
1.2 „Die strategischen Rahmenbedingungen<br />
– Globale Herausforderungen, Chancen,<br />
Risiken und Gefährdungen“ unter<br />
anderem die Punkte „Globalisierung“,<br />
„Entwicklungshemmnisse und fragile<br />
Staatlichkeit“, „Transportwege – Ressourcen<br />
– Kommunikation“, „Energiesicherheit“,<br />
„Migration“ sowie „Pandemien<br />
und Seuchen“ abgehandelt werden<br />
(http://www.weissbuch.de/download/<br />
Weissbuch_2006_Vollversion.pdf).<br />
Es empfiehlt sich also, sehr genau hinzuschauen,<br />
wer den Begriff „menschliche<br />
Sicherheit“ mit welcher Definition<br />
und zu welchem Zweck verwendet. Aber
als <strong>Bund</strong> <strong>für</strong> soziale <strong>Verteidigung</strong> haben<br />
wir ja Erfahrung darin, militärisch besetzte<br />
Begriffe mit eigenen Inhalten zu füllen.<br />
Wir sind Mitgliedsorganisation der<br />
Nonviolent Peaceforce (NP), die sich die<br />
gewaltfreie Intervention in Gewaltkonflikten<br />
zur Aufgabe gemacht hat. Wir<br />
haben also keinen Anlass, den Begriff<br />
„menschliche Sicherheit“ den Be<strong>für</strong>wortern<br />
militärischer Interventionen zu überlassen.<br />
Stattdessen stellt sich die spannende<br />
Frage, ob menschliche Sicherheit ein<br />
Konzept sein kann, das Kriterien <strong>für</strong><br />
gewaltfreie Interventionen liefern kann.<br />
Christine Schweitzer, BSV-Mitglied und<br />
Programmdirektorin der NP, hat dieses<br />
Thema aufgegriffen. Ich versuche im Folgenden,<br />
an ihre Überlegungen anzuknüpfen.<br />
Gewaltfreie Interventionen setzen auf der<br />
Graswurzelebene an. Während militärisches<br />
peace keeping sich vorrangig mit<br />
den bewaffneten Akteuren in einem Krieg<br />
oder Bürgerkrieg befasst, stellt gewaltfreie<br />
Intervention diejenigen in den Mittelpunkt,<br />
die des Schutzes bedürfen. Oft sind<br />
in Kriegs- und Bürgerkriegssituationen<br />
gerade die, die sich aktiv <strong>für</strong> eine gewaltfreie<br />
Austragung des ursprünglichen Konfliktes<br />
und ein friedliches Zusammenleben<br />
der Konfliktparteien einsetzen, besonders<br />
gefährdet. Sie können und wollen<br />
sich nicht durch ausländische Bewaffnete<br />
schützen lassen, weil sie damit als gewaltfreie<br />
Akteure unglaubwürdig werden (von<br />
den Eigeninteressen der ausländischen<br />
Truppenentsender mal ganz abgesehen).<br />
Militärisches peace keeping beruht letztlich<br />
auf dem Abschreckungsgedanken:<br />
Gewaltanwendung wird durch direkte<br />
oder indirekte Androhung, im Extremfall<br />
durch Anwendung von Gewalt unterbunden.<br />
„Frieden“ wird dabei als Zustand angesehen,<br />
nicht als Prozess. Zunehmend ist<br />
von „Stabilisierungseinsätzen“ und<br />
„Stabilisierungskräften“ die Rede. Gewaltfreie<br />
Intervention hingegen sieht sich als<br />
Unterstützung eines Friedensprozesses<br />
bzw. der zivilgesellschaftlichen Akteure,<br />
die diesen tragen (wollen). Sie arbeitet mit<br />
grundsätzlich anderen Mitteln: Schutz gefährdeter<br />
Akteure und Gruppen durch un-<br />
Post an uns<br />
Briefe von Leserinnen und Lesern<br />
Zum Leserbrief von Joachim Kasten<br />
und den beiden Sudan-Artikeln in<br />
<strong>Rundbrief</strong> 3/4.06:<br />
Arme Kathrin Vogler! Schreibt ein paar<br />
erleichterte Zeilen über das Ende des<br />
deutschen WM-Fahnenrummelrausches<br />
- und muss sich da<strong>für</strong> dann derartig niedermachen<br />
lassen!<br />
Ach, Joachim Kasten, Sie „später Sozialisierter“,<br />
der über „alte 68-er<br />
Spielchen...nur noch müde und bedauernd<br />
lächeln kann“: Begreife er doch,<br />
dass <strong>für</strong> Menschen, die die das 20.Jahrhundert<br />
nicht verschlafen haben, die<br />
sommerliche Patriotismus-Gaudi um die<br />
WM herum einfach albern war! Kein<br />
Grund, meine ich, denjenigen, die daran<br />
keine kindische Freude mehr entwikkeln,<br />
Ihrerseits eine solch „heftige Prise<br />
Intoleranz“ (Ihr Ausdruck!) zu verabreichen.<br />
Und dann, als weiteres Eigentor, gar der<br />
Vorwurf der „Besserwisserei“ an sie!<br />
Merkt er denn nicht, dass Kathrin Vogler<br />
es tatsächlich besser weiß? Dass<br />
schwarz-rot-gold-Gefühligkeit und<br />
Deutschland“-Gesang zwar einmal zeitgemäß,<br />
sogar fortschrittlich waren -<br />
Mitte des 19.Jahrhunderts nämlich -,<br />
heute aber nur noch in „Weißt-du-noch-<br />
bewaffnete Begleitung und Herstellung von<br />
Öffentlichkeit, wo sinnvoll und erwünscht;<br />
Schaffen von sicheren Räumen <strong>für</strong> Gespräche,<br />
Vertrauensbildung, Verhandlungen;<br />
Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Akteuren;<br />
Vermittlung gewaltfreier Techniken,<br />
Bereitstellen von Informationen über<br />
erfolgreiche gewaltfreie Konfliktbearbeitung<br />
an anderen Orten und zu anderen<br />
Zeiten. Der Übergang zwischen<br />
„peace keeping“ und „peace building“ wird<br />
hierbei fließend.<br />
Auch eine gewaltfreie Intervention bedarf<br />
der Begründung. Gewaltfreie Methoden<br />
sind, wie Gene Sharp immer wieder aus-<br />
Parties“ (ebenfalls O-Ton J. Kasten)<br />
ihren provinziellen Platz haben.<br />
Im Übrigen: Mit Fußball hat all das rein<br />
gar nichts zu tun. Für Leute wie mich,<br />
die diesen Sport gut kennen, sehr lieben<br />
und ihn jahrzehntelang selbst ausgeübt<br />
haben, war gerade die letzte WM<br />
- trotz erfrischendem Spiel zumal der<br />
deutschen Elf - ein recht mittelmäßiges<br />
Turnier und, anders als offenbar <strong>für</strong> Sie<br />
und Millionen Fahnenschwenker, kein<br />
Anlass zu frenetischem Gebaren.<br />
So erheiternd letztlich die Leserbrief-<br />
Seite im neuesten Heft, so enttäuschend<br />
freilich sein Sudan-Teil. Nahezu drei<br />
Seiten Text - und fast nur beschwörende<br />
Versöhnungsdeklarationen (des<br />
SONAD-Direktors Aganwa) und ein<br />
hoffnungsheischender Workshop-Bericht<br />
(des SweFOR-Referenten<br />
Smedjeback). Alles gut gemeint, da aber<br />
ohne eine Analyse der Hintergründe und<br />
Dimensionen der horrenden Konflikte in<br />
diesem Land vorgebracht, kann ich gar<br />
nicht beurteilen, ob die Strategie des<br />
einen auch gut erdacht und realistisch,<br />
das Erlebnis des anderen auch fundiert<br />
und zukunftsträchtig ist. Schade!<br />
Mit den besten Grüßen<br />
Dr. Walter Satzinger, Amerang<br />
geführt hat, mächtige Instrumente, deren<br />
Einsatz auch <strong>für</strong> unrechtmäßige Ziele<br />
möglich ist. Der Begriff der menschlichen<br />
Sicherheit kann hier<strong>für</strong> Kriterien liefern:<br />
Eine gewaltfreie Intervention muss, um<br />
gerechtfertigt zu sein, Menschen im Streben<br />
nach „freedom from fear“ und<br />
„freedom from want“ unterstützen, ihnen<br />
Raum geben, um die da<strong>für</strong> notwendigen<br />
Strukturen als „öffentliche Güter“, zu<br />
denen alle im betreffenden Gebiet Zugang<br />
haben, zu schaffen.<br />
Ute Finckh-Krämer ist Mathematikerin<br />
und Vorsitzende des BSV<br />
5
Streitschlichtungskongress 2006<br />
von Detlef Beck<br />
Vom 8. bis 10. Dezember 2006 fand in<br />
Bensberg der 4. bundesweite<br />
Streitschlichtungskongress statt. 80<br />
Lehrkräfte, SozialpädagogInnen und<br />
SozialarbeiterInnen, eine Ausbilderin<br />
aus dem handwerklichen Bildungsbereich<br />
und ein Konflikttrainer aus<br />
Österreich hatten sich zu<br />
Kongressbeginn am Tagungsort eingefunden.<br />
Mythen der Mediation<br />
Thema des Eröffnungsvortrages am Freitagabend<br />
von Prof. Dr. Leo Montada,<br />
Prof. <strong>für</strong> Psychologie, Universität Trier<br />
waren „Mythen der Mediation“. Ein Konflikt<br />
sei mitnichten gegeben, wenn allein<br />
divergierende Interessen aufeinander treffen,<br />
sondern dann, führte Prof. Montada<br />
aus, wenn beim Aushandeln der Interessen<br />
aus Sicht eines Beteiligten Regeln der<br />
Fairness verletzt („normative Erwartungen<br />
nicht erfüllt“) werden. Ebenso sei die<br />
Auffassung, dass Konflikte vor allem auf<br />
sachlicher Ebenen zu klären seien<br />
(„Sachlichkeitsgebot“) keineswegs richtig.<br />
Die Aufforderung an einen Konfliktbeteiligten,<br />
doch sachlich zu bleiben,<br />
spreche den Emotionen des anderen ihre<br />
Berechtigung ab und sei nichts anderes<br />
als eine Rüge. Der Vortrag wird in seinen<br />
wesentlichen Teilen in der<br />
Internetdokumentation zum Kongress<br />
veröffentlicht.<br />
Themen der Streitschlichtung<br />
im Open Space<br />
Ludwig Weitz (Stiftung Mitarbeit) erklärte<br />
zu Beginn des zweiten Tages, wie der<br />
Kongress als offener Raum <strong>für</strong> die Bear-<br />
6<br />
beitung von Themen der Teilnehmenden<br />
„funktionieren“ sollte. Es dauerte danach<br />
weniger als 45 Minuten bis über 20 Workshops<br />
über den Samstag verteilt organisiert<br />
waren. Fragen zur Gestaltung von<br />
Streitschlichtungs-ausbildungen, die unterschiedlichen<br />
Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />
die Implemen-tierung von Streitschlichtungsprogrammen<br />
in verschiedenen<br />
<strong>Bund</strong>esländern, Beispiele wie eine<br />
konstruktive Konfliktkultur das ganze System<br />
Schule erfasst, neue Methoden in der<br />
Streitschlichtung, wie die Vorstellung des<br />
Mediationsbrettes bestimmten neben vielen<br />
anderen Themen nun das Tagesprogramm.<br />
Die offene Themenfindung,<br />
die Freiheit Workshopinhalte und –<br />
teilnahme individuell gestalten zu können,<br />
machte <strong>für</strong> viele Teilnehmenden den<br />
Kongress zu einer besonderen Fachtagung.<br />
Im Mittelpunkt standen die eigenen<br />
Fragen und das gemeinsame<br />
ExpertInnenwissen aller KongressteilnehmerInnen.<br />
„Rhythm is it“ –<br />
Für Emotionen und Herz<br />
Andreas Terhoeven, Schlagwerker und<br />
Unternehmensberater brachte mit Instrumenten<br />
und Gegenstände aus dem<br />
(Arbeits-)Alltag den Kongress zu einer<br />
Quelle von Rhythmus und Klängen.<br />
Schon eine kleine Tradition sind Musik,<br />
Kabarett oder Theater am Samstagabend<br />
des Kongresses.<br />
No Blame Approach –<br />
Mobbing stoppen<br />
Abschluss des Kongresses bildete der<br />
Informationsworkshop von Heike Blum<br />
und Detlef Beck (fairaend – Praxis <strong>für</strong><br />
Konfliktberatung) zum No Blame<br />
Approach. Dieser neue Ansatz gibt Schulen<br />
ein Handlungsinstrument an die<br />
Hand, Mobbing unter Schülern in vielen<br />
Fällen in kurzer Zeit zu stoppen. Die<br />
Wirksamkeit dieses Ansatzes liegt darin,<br />
dass die am Mobbing beteiligten<br />
SchülerInnen in einen Gruppenprozess<br />
einbezogen werden, der das Mobbing-geschehen<br />
beendet. In einem aktuellen Projekt<br />
von BSV und fairaend wird der No<br />
Blame Approach mit Unterstützung der<br />
Aktion Mensch bundesweit verbreitet. Interessierte<br />
Schulen finden dazu weitere<br />
Informationen unter www.no-blameapproach.de<br />
Wie in den letzten Jahren wurde der<br />
Kongress in bewährter Zusammenarbeit<br />
vom <strong>Bund</strong> <strong>für</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Verteidigung</strong>, der<br />
Stiftung Mitarbeit, dem Bildungswerk<br />
Umbruch und der Thomas-Morus-Akademie<br />
organisiert. Finanziell unterstützt<br />
wurde der Kongress 2006 darüber hinaus<br />
vom Weißen Ring und vom Bündnis<br />
<strong>für</strong> Kinder – Gegen Gewalt, denen<br />
wir an dieser Stelle noch einmal herzlich<br />
danken möchten.<br />
Detlef Beck ist freiberuflicher Trainer<br />
<strong>für</strong> konstruktive Konfliktbearbeitung<br />
und koordiniert zusammen mit Heike<br />
Blum die Bildungsarbeit des BSV.
Hendrik Dürr<br />
Als Freiwilliger<br />
bei den Jahalin<br />
Mein Name ist Hendrik Dürr, ich<br />
bin 20 Jahre alt und komme aus<br />
Köln. In diesem Sommer machte<br />
ich mein Abitur in der Waldorfschule<br />
Köln. Über die Schule<br />
habe ich Jonas Calabrese kennen<br />
gelernt, der nach dem Abitur seinen<br />
Zivildienst als „Anderen<br />
Dienst im Ausland“ im Jahalin-<br />
Projekt des BSV ableistete. So<br />
bin ich auf das Projekt gestoßen.<br />
Heut bin ich nunmehr schon<br />
zweieinhalb Monate in Jerusalem.<br />
Es ist eine lehrreiche Zeit hier, mit Höhen und Tiefen. Die Arbeit<br />
in der Jahalin- Gemeinde, die außerhalb von Azaryah in der Westbank<br />
auf dem „Jabal“ (arab. Hügel) leben, ist spannend. An drei<br />
Tagen in der Woche bin ich auf dem Hügel, um mit einigen Jungs<br />
Englisch zu lernen. Das läuft mit größerem und kleinerem Erfolg.<br />
Wenn es dann aber zum Unterricht kommt, ist es schön, mit den<br />
Highschool-Studenten Suleiman, Iyad, Hääni, und manchmal auch<br />
Hiyyad zusammenzusitzen und die Aufgaben aus ihren Schulheften<br />
zu lösen. Dazu gibt es dann leckeren arabischen Tee und Kekse.<br />
Seit einem Monat unterstützt mich James, ein Theologiestudent<br />
aus Sambia. Er spricht fließend arabisch und so erreicht er noch<br />
mal andere Jungs, wie Iyad, der seine Schule abgebrochen hat. Vor<br />
einer Woche hatte James mit ihm das erste Mal Englisch und es<br />
war schön zu sehen, wie Iyad mit James im Caravan saß und wie<br />
James, mit Stiften und Scheren in der Hand, mit Iyad über „I have<br />
a scissor and you have a pen“ sprach.<br />
Nebenher spiele ich auch manchmal mit den Jungs auf dem Fußballplatz,<br />
der seit einem Monat mit strahlend weißen Toren und<br />
einem großem Fußballfangzaun in der Sonne glänzt.<br />
Abseits von der Arbeit auf dem Hügel werde ich nach den Winterferien<br />
in der Anwuar- Schule wieder mit Sport- und Englischunterricht<br />
beginnen. In dieser Schule, die von einem Beduinen gegründet<br />
wurde, werden Kinder der Jahalin-Beduinen gemeinsam<br />
mit palästinensischen Kindern aus Azariyah unterrichtet. Zur Schule<br />
gehört auch ein Garten, der vor kurzem von den Schülern und uns<br />
mit Möhren und allerlei Kräutern bepflanzt wurde der sich langsam<br />
zum schönen Schulgarten entwickelt.<br />
Es jährt sich in diesen Tagen, am 27. Januar 1997, als 35 Jahalin-<br />
Familien an einem kalten, stürmischen, regnerischen Januar-Tag<br />
auf den „Hügel“ vertrieben wurden“, einen unwirtlichen Hügel,<br />
500 m von Jerusalems größter Mülldeponie entfernt. Schiffscontainer<br />
hatte die israelische Armee den Menschen zur Verfügung<br />
gestellt, fast alle ihre Zelte und Unterkünfte wurden zerstört.<br />
Als ich Suleiman darauf ansprach und er James und mir erzählte,<br />
mir wie seine Familie von der israelischen Polizei in die Busse<br />
zum Abtransport getrieben wurde, während ihr Haus zerstört wurde,<br />
kann ich nur schweigend in die Weite staunen im Anblick seiner<br />
herzlichen Art und den ausgelassenen Begegnungen mit ihm.<br />
Quergeschrieben<br />
Ein Zaun, sechs Tornados<br />
und die christliche Familie<br />
Im Jahr 2000, dem letzten Jahr der Regierung Clinton, betrug<br />
das US-Militärbudget etwas über 300 Mrd. US$. In der letzten<br />
Woche legte Präsident Bush einen Haushaltsentwurf vor, indem<br />
insgesamt 716,5 Milliarden Dollar Kriegs- und Rüstungsausgaben<br />
enthalten sind, darunter 235,1 Mrd. Dollar <strong>für</strong> die laufenden<br />
Kriege im Irak, in Afghanistan und an weiteren Schauplätzen des<br />
„Terror-Krieges“. Schon ohne die zusätzlichen Kriegskosten liegt<br />
das Militärbudget der USA damit 62 Prozent über dem von 2001<br />
und kostet die BürgerInnen 20 Millionen Dollar pro Tag. Gespart<br />
werden soll hingegen vor allem bei der staatlichen Gesundheits<strong>für</strong>sorge<br />
<strong>für</strong> Ältere und Arme, einem Bereich, der im Vergleich<br />
mit anderen Industriestaaten nicht gerade üppig ausgestattet ist.<br />
Man fühlt sich auf geradezu perfide doppelte Weise erinnert an<br />
den alten Ostermarsch-Slogan „Krieg ist <strong>für</strong> die Reichen, die<br />
Armen stell’n die Leichen“. Nicht nur unter den Toten der US-<br />
Einheiten im Irak und in Afghanistan sind Angehörige ärmerer<br />
Familien deutlich überrepräsentiert, auch in der Heimat werden<br />
künftig wieder mehr Menschen sterben, weil sie sich keine medizinische<br />
Versorgung leisten können. Wer die Rekrutierungspraktiken<br />
in Michael Moores Film „Bowling for Colombine“<br />
gesehen hat, kommt fast automatisch zu der Vermutung, dass es<br />
(neben schier unbegrenzten Finanzen) vor allem eins braucht, um<br />
in aller Welt Kriege zu führen: eine möglichst große Zahl sozial<br />
deklassierter junger Menschen, deren einzige Chance auf soziale<br />
Absicherung das Militär zu sein scheint.<br />
Wenn dies so ist, dann brauchen wir uns um die Kampffähigkeit<br />
der <strong>Bund</strong>eswehr in den nächsten Jahren wohl auch nicht zu sorgen.<br />
Auch hierzulande klafft die soziale Schere immer weiter<br />
auseinander. Einer der Hauptrisikofaktoren <strong>für</strong> Armut ist dabei,<br />
Kind zu sein oder Kinder zu erziehen. Inzwischen ist es so, dass<br />
<strong>für</strong> Kriegseinsätze der <strong>Bund</strong>eswehr fast jede beliebige Summe<br />
zur Verfügung gestellt wird, während die sozialen Bedürfnisse<br />
von immer mehr Menschen beim Regierungshandeln außen vor<br />
bleiben. Wer fragt eigentlich noch öffentlich nach, wie viele Erzieherinnen<br />
man einstellen könnte <strong>für</strong> die Kosten, die der zusätzliche<br />
Afghanistan-Einsatz von sechs Tornados kostet?<br />
Da erntet die Familienministerin, die als berufserfahrene Mutter<br />
vermutlich weiß, warum sie das tut, einen Sturm der Entrüstung<br />
in ihrer eigenen Partei, weil sie den Ausbau von Kindertagesstätten<br />
fordert. Mit dem christlichen Familienbild sei dies nicht vereinbar,<br />
heißt es. Müssen wir nun daraus schließen, dass Kinderarmut<br />
und soziale Ausgrenzung von Millionen Kindern und<br />
ihren Familien eher dem christlichen Menschenbild entspricht?<br />
Da verwandelt die Regierung <strong>für</strong> den G8-Gipfel über 30 Quadratmeter<br />
<strong>Bund</strong>esrepublik in eine demokratiefreie Zone , in ein<br />
Hochsicherheitsgefängnis mit 280 Einwohnern und 16.000 Bewachern,<br />
eingesperrt in einen zwölf Millionen Euro teueren<br />
Zaun, um dort diejenigen zu empfangen, die in der Welt führend<br />
<strong>für</strong> dieses Konzept stehen: Reichtum auf Kosten der Armen,<br />
militärisch oder paramilitärisch im großen Stil abgesichert. Auch<br />
hier<strong>für</strong> werden, ohne mit der Wimper zu zucken, 100 Millionen<br />
Euro aufgewendet. Denn dabei handelt es sich ja um absolut<br />
notwendige Ausgaben. Im Gegensatz zu Kitas, beispielsweise…<br />
Kathrin Vogler<br />
7
<strong>Rundbrief</strong> 1/07 des <strong>Bund</strong>es <strong>für</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Verteidigung</strong> e.V.<br />
Schwarzer Weg 8, 32423 Minden (Herausgeber),<br />
V.i.S.d.P.: Kathrin Vogler<br />
Tel. 05 71 / 29 45 6, Fax 05 71 / 23 01 9<br />
E-Mail: office@soziale-verteidigung.de<br />
www.soziale-verteidigung.de<br />
SPK Mi-Lü, BLZ 490 501 01, Nr. 89 42 08 14<br />
gedruckt auf Recyclingpapier bei ART & IMAGE, Minden<br />
Auflage 6.800, kostenlos, Erscheinungsweise: vierteljährlich<br />
Redaktionsschluss <strong>für</strong> 2/07: 1.4.07<br />
IFGK-Studientag 2007<br />
17.März 9-17 Uhr<br />
Jugendherberge Bonn, Haager Weg 42<br />
Programm<br />
Quick-Seminararbeit zu Transcend in<br />
Äthiopien und spannende Ergebnisse<br />
Roland Schüler, Friedensbildungswerk,<br />
Köln<br />
Transcend als Evaluationstechnik über<br />
fragwürdige Erfahrungen mit deutsch/<br />
tanzanischer Entwicklungszusammenarbeit<br />
im Rahmen eines choreografischen<br />
Jugendprojektes 2005<br />
Sonia Franken, Tanzpädagogin, Köln<br />
Moscheebau in Köln Ehrenfeld –<br />
Transcend Anregungen <strong>für</strong> eine interkulturelle<br />
und interreligiöse Bürgerbeteiligung<br />
Gudrun Knittel, Trainerin, Sozialwissenschaftlerin,<br />
IFGK-Mitarbeiterin,<br />
Köln<br />
Einstellung des muslimisch-christlichen<br />
Dialogs? Reflexionen zu aktuellen<br />
Entwicklungen<br />
Joachim Engel, Kulturwissenschaftler,<br />
Bonn<br />
Bart de Ligt’s Vorstellungen von der<br />
Wirkungsweise seines Kampfkonzepts<br />
<strong>für</strong> Frieden und Gerechtigkeit, das er<br />
„geestelijke weerbaarheid“ oder<br />
„direkte aktie“ (vernünftigverantwortungsbewusste<br />
Wehrhaftigkeit<br />
/ direkte Aktion) nennt.<br />
Martin Arnold, Theologe, IFGK-<br />
Mitarbeiter, Essen<br />
Die Teilnahme am Samstag einschließlich<br />
Mittagessen und Tagungspauschale<br />
ohne Übernachtung kostet 18,50 Euro<br />
pro Person. (vom Haus erhoben, nicht<br />
vom IFGK.) Die Kosten <strong>für</strong> Übernachtung,<br />
VP und Tagungspauschale betragen<br />
41 Euro.<br />
Anmeldung u. Wegbeschreibung<br />
bei Christine Schweitzer<br />
CSchweitzerIFGK@aol.com. Wir freuen<br />
uns über baldige Anmeldungen!<br />
8<br />
H 4361<br />
IMPRESSUM<br />
Materialien<br />
Neues IFGK-Papier (Nr. 21)<br />
Jan Heider: Eine sozialphilosophische<br />
Verortung der Gütekraft<br />
Im vorliegenden Arbeitspapier wird der<br />
Gütekraftbegriff im Sinne Goss-Mayrs<br />
in drei Schritten sozialwissenschaftlich<br />
und philosophisch betrachtet.<br />
1) Die Beschäftigung mit der Theorie kommunikativen<br />
Handelns von Jürgen Habermas<br />
zeigt auf, inwieweit Gütekraft einen rationalen<br />
Kern besitzt. Darüber hinaus wird durch<br />
Verweis auf Habermas möglich, einen soziologisch<br />
‚realistischen’ Blick auf die Gütekraft<br />
zu werfen. Dieser wird in einem zweiten<br />
Schritt durch die Anwendung von Gedanken<br />
nach Gabriel Marcel weiter ausgeführt.<br />
2) Mit dem Marcelschen Begriff des ‚Aktes’<br />
kann Gütekraft sinnvoll analysiert werden, als<br />
entscheidend bei dieser Analyse zeigt sich der<br />
Umstand, dass Güteaktionen es den Konfliktparteien<br />
nahe legen, ihr Handeln als Akt zu<br />
begreifen und dies bewirkt, dass ihr Handeln<br />
ihr Gewissen betrifft.<br />
Der ‚realistische’ Blick auf die Gütekraft<br />
kommt dadurch zum Tragen, dass Handlungsformen<br />
gefunden werden, die zwar nicht der<br />
Gütekraft entsprechen, also kein kommunikatives<br />
Handeln sind und auch nicht zu einem<br />
Akt führen, aber dennoch in der modernen Gesellschaft<br />
sinnvoll erscheinen.<br />
3) Im dritten Schritt werden statt interpersonellen<br />
Inter-Gruppen-Interaktionen behandelt.<br />
Diese Unterscheidung aus der Sozialpsychologie<br />
findet ihre Berücksichtigung in<br />
der Gütekraft, indem sie gemäß dem Prinzip<br />
der Rekategorisierung handelt. D.h., in Güteaktionen<br />
wird versucht unterschiedliche<br />
Gruppenkategorien in eine gemeinsame Kategorie<br />
zu überführen. Die dadurch bewirkten<br />
positiven Effekte zeigen sich bei der Beschäftigung<br />
mit zwei konkreten Konfliktsituationen<br />
während des Marcossturzes 1986 auf<br />
den Philipinen. (Achim Schmitz)<br />
April 2006, 29 Seiten, 3 Euro + Porto<br />
bei:IFGK, Hauptstraße 35<br />
55491 Wahlenau www.ifgk.de<br />
Zivilcourage<br />
Für Menschenrechte in<br />
Belarus und Deutschland<br />
„Was ist Zivilcourage?“ Unter dieser<br />
Frage rechechierten 15 junge Erwachsene<br />
aus Weißrussland und Deutschland<br />
in ihrer Umgebung nach historischen<br />
und aktuellen Beispielen zivilcouragierten<br />
Handelns.<br />
„Wir entdeckten dabei spannende Geschichten<br />
und beeindruckende Persönlichkeiten<br />
– Ärzte, die illegalen Flüchtlingen<br />
in Deutschland helfen. Einen Pfarrer, der<br />
sich den Nazis in der bayerischen Provinz<br />
widersetzte. Eine junge belarussische<br />
Theatermacherin, die mutige Kunst gegen<br />
die gesellschaftlichen Konventionen ihres<br />
Landes macht. Bald stellten wir aber auch<br />
fest, dass sich die Situationen, in denen<br />
Menschen in unseren Ländern zivilcouragiert<br />
handeln, oft unterscheiden.<br />
Junge Belarussen treffen in allen Lebensbereichen<br />
auf einen übermächtigen Staat,<br />
vor allem wenn sie sich gesellschaftlich<br />
engagieren: wenn sie eine Studentenzeitung<br />
machen wollen, der Toten der<br />
Stalin‘schen Repressionen gedenken oder<br />
gegen Wahlfälschungen auf die Straße<br />
gehen. Auch die Internet-Umfrage am<br />
Ende des Heftes zeigt: Für junge<br />
Belarussen ist „Zivilcourage“ in erster<br />
Linie eine mutige Handlung gegen den<br />
Staat. Viele der belarussischen Teilnehmer<br />
interessierten sich <strong>für</strong> Beispiele von Zivilcourage<br />
in der Geschichte ihres Landes:<br />
Der deutsche Handwerker, der einer<br />
belarussischen KZ-Gefangenen heimlich<br />
Brot bringt. Belarussische Bäuerinnen, die<br />
sich den Traktoren der sowjetischen Kollektivierung<br />
entgegen stellten. Oder adlige<br />
Damen im 19. Jahrhundert, die dem<br />
zaristischen Autoritarismus durch Trauerkleidung<br />
<strong>für</strong> die aufständischen<br />
Belarussen trotzten.“<br />
Hintergrund- und Diskussionspapier<br />
Nr. 23, Herausgeber: <strong>Bund</strong> <strong>für</strong> <strong>Soziale</strong><br />
<strong>Verteidigung</strong>, Dezember 2006, 40 S.,<br />
3,50 Euro, ISSN-Nr. 1439-2011