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KULTUR - theaterkritik.ch

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Die Bühnenkritiker gehen ins Netz - News Kultur: Theater - tagesanzeiger.<strong>ch</strong><br />

Die Bühnenkritiker gehen ins Netz<br />

Von Andreas Tobler. Aktualisiert um 09:02<br />

Käufli<strong>ch</strong> und radikal subjektiv: Im Internet gibt es neue Formate der<br />

Theaterkritik. Heikel ist die Finanzierung.<br />

Das Internetportal <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> bringt Kritiken<br />

auf Bestellung.<br />

Der Anspru<strong>ch</strong> ist legitim: Au<strong>ch</strong> in Zukunft soll es<br />

ungea<strong>ch</strong>tet des Medienwandels eine «öffentli<strong>ch</strong>e,<br />

qualifizierte Auseinandersetzung» mit Theater<br />

geben. Die Aufregung war aber gross, als ein<br />

Internetportal mit ebendiesem Anspru<strong>ch</strong> ins Netz<br />

ging – initiiert vom Berufsverband der freien<br />

Theaters<strong>ch</strong>affenden (ACT) und dem S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Verband für Kinder- und Jugendtheater (Astej).<br />

Das Besondere an www.<strong>theaterkritik</strong>. <strong>ch</strong>: Die<br />

Plattform bietet den Spielstätten und den freien<br />

Gruppen die Mögli<strong>ch</strong>keit, zwei Kritiken für 600 Franken zu bestellen. Je 200 Franken gehen an<br />

die Redaktionskosten sowie an die beiden Kritiker. Ihre Bespre<strong>ch</strong>ungen werden am Tag na<strong>ch</strong><br />

der Premiere auf der Seite aufges<strong>ch</strong>altet, die si<strong>ch</strong> selbst «die unabhängige Plattform für Theater<br />

-, Tanz- und Performancekritiken» nennt. Die Printmedien, von Boulevardblättern bis hin zur<br />

renommierten Wo<strong>ch</strong>enzeitung «Die Zeit», reagierten mit Häme.<br />

Die Aufregung ist gross, weil das Portal die Glaubwürdigkeit der Kritik untergräbt, indem es<br />

diese finanziell vom Theater abhängig ma<strong>ch</strong>t. Den Verda<strong>ch</strong>t des «Auftragsjournalismus»<br />

versu<strong>ch</strong>t <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> mit dem Verspre<strong>ch</strong>en auszuräumen, die Unabhängigkeit der Kritiker<br />

werde garantiert. Das genügt Mi<strong>ch</strong>ael Röhrenba<strong>ch</strong> vom Berner Tojo Theater ni<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> wenn<br />

er es – wie die meisten Exponenten der freien Szene – grundsätzli<strong>ch</strong> begrüsst, dass es in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ein Portal für Theaterkritik gibt. Das Finanzierungsmodell halten aber viele für<br />

«heikel», so au<strong>ch</strong> Gunda Zeeb und Catja Loepfe von der Gessnerallee Züri<strong>ch</strong>. Silvie von Kaenel<br />

vom Fabriktheater findet das Angebot ausserdem zu teuer – und unfair, weil nur jene den<br />

Service nutzen können, die über genügend Mittel verfügen. Damit perpetuiert si<strong>ch</strong> die<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit, denn Kritiken geben den Theaters<strong>ch</strong>affenden die Mögli<strong>ch</strong>keit, ihre Leistungen<br />

gegenüber den Subventionsgebern zu dokumentieren.<br />

Subventionierung mögli<strong>ch</strong>?<br />

<strong>KULTUR</strong><br />

http://www.tagesanzeiger.<strong>ch</strong>/kultur/theater/Die-Buehnenkritiker-gehen-ins-Netz/story/...<br />

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04.01.2012


Die Bühnenkritiker gehen ins Netz - News Kultur: Theater - tagesanzeiger.<strong>ch</strong><br />

Mehrere Spielstätten wären indessen bereit, jährli<strong>ch</strong> einen fixen Beitrag an ein ähnli<strong>ch</strong>es Portal<br />

zu zahlen. Dabei, so Röhrenba<strong>ch</strong>, müsste es si<strong>ch</strong> um einen «Solidarpakt» von<br />

Theaters<strong>ch</strong>affenden und ni<strong>ch</strong>t um einen «Selbstbedienungsladen» handeln, der Kritiken auf<br />

Bestellung liefert. Andere Stimmen befür<strong>ch</strong>ten, dass die Internetkritiken ledigli<strong>ch</strong> von<br />

Spezialisten gelesen werden. «Die Theaterkritik gehört in den Diskurs, der im Feuilleton breit<br />

geführt wird», fordert von Kaenel. Dieser Meinung ist au<strong>ch</strong> Carena S<strong>ch</strong>lewitt von der Kaserne<br />

Basel. Sie wäre bereit, eine Kulturzeits<strong>ch</strong>rift zu unterstützen, «in der ni<strong>ch</strong>t nur Theaterkritiken,<br />

sondern au<strong>ch</strong> andere Texte zur Kunst, Kultur und Gesells<strong>ch</strong>aft ers<strong>ch</strong>einen».<br />

Zu den wenigen Spielstätten, die das Angebot von <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> bereits mehrfa<strong>ch</strong> genutzt<br />

haben, gehört das Miller’s Studio in Züri<strong>ch</strong>. Es sieht die Kritiken als weiteres Element im<br />

«Kommunikationsmix», um auf das internationale Kabarettfestival in der Mühle<br />

Tiefenbrunnen aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en. Insgesamt überwiegen aber Stimmen wie jene von Max<br />

-Philip As<strong>ch</strong>enbrenner vom Luzerner Südpol, der die unabhängige Theaterkritik «als Anliegen<br />

der Öffentli<strong>ch</strong>keit» verteidigt.<br />

Könnte man die Probleme von <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> lösen, indem man die Kritiken mit<br />

Subventionsgeldern bezahlt? Das Bundesamt für Kultur, das <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> eine Starthilfe von<br />

70 000 Franken gewährt hat, kann den Betrieb ni<strong>ch</strong>t dauerhaft finanzieren. Und au<strong>ch</strong> Plinio<br />

Ba<strong>ch</strong>mann, Leiter der Theaterförderung der Stadt Züri<strong>ch</strong>, winkt ab: Aufgabe der<br />

Theaterförderung sei die Unterstützung von Produktionen, ni<strong>ch</strong>t aber die Vermittlung von<br />

Theater. Freie Gruppen dürften aber einen Teil ihres Werbebudgets, für das es in den<br />

Antragsformularen der Theaterförderung eine Rubrik gibt, für Kritiken verwenden. Dies ist<br />

mögli<strong>ch</strong>, weil <strong>theaterkritik</strong>.<strong>ch</strong> laut Ba<strong>ch</strong>mann «zwis<strong>ch</strong>en Kritik und Marketing» angesiedelt ist.<br />

Au<strong>ch</strong> Martha Monstein von der Pro Helvetia hätte ni<strong>ch</strong>ts dagegen, wenn eine Gruppe eine<br />

Kritik aus ihrem Produktionsbudget finanzieren würde. Sie findet es allerdings ni<strong>ch</strong>t sinnvoll,<br />

die Seite direkt mit Fördermitteln zu unterstützen. Die Theaterkritik müsse unabhängig sein,<br />

«insbesondere unabhängig von jenen, die Produktionen mitfinanzieren». Wenn das ni<strong>ch</strong>t<br />

gewährleistet sei, werde «die Glaubwürdigkeit der Kritik unterlaufen».<br />

Au<strong>ch</strong> das deuts<strong>ch</strong>e Modell hinkt<br />

Lösen könnte man die Probleme des neuen Portals mit einer S<strong>ch</strong>weizer Kopie von<br />

na<strong>ch</strong>tkritik.de. Wie der Name sagt, findet man hier Rezensionen, die professionelle Kritiker<br />

über Na<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>reiben; jeweils am Morgen na<strong>ch</strong> der Premiere sind sie online. Seit 2007 werden<br />

so monatli<strong>ch</strong> rund 50 Inszenierungen aus dem gesamten deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Raum bespro<strong>ch</strong>en,<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz kommen bisher vornehmli<strong>ch</strong> die grossen Häuser wie das Zür<strong>ch</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>auspielhaus zum Zug. Ein Ersatz für eine Tageszeitung, die mögli<strong>ch</strong>st umfassend über eine<br />

Region beri<strong>ch</strong>tet, ist na<strong>ch</strong>tkritik.de also ni<strong>ch</strong>t. Und au<strong>ch</strong> hier besteht die Gefahr, dass die<br />

Kritiken vornehmli<strong>ch</strong> von Spezialisten gelesen werden. Für sie ist na<strong>ch</strong>tkritik.de die ideale<br />

Ergänzung zur Tageszeitung, denn neben den Rezensionen bietet die Seite Debattenbeiträge,<br />

eine Kritikenrunds<strong>ch</strong>au, aktuelle Meldungen, Theaterbriefe aus dem fremdspra<strong>ch</strong>igen Ausland,<br />

Bu<strong>ch</strong>bespre<strong>ch</strong>ungen sowie Leserkritiken und -kommentare.<br />

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Die Bühnenkritiker gehen ins Netz - News Kultur: Theater - tagesanzeiger.<strong>ch</strong><br />

Die Website ist gut besu<strong>ch</strong>t: Allein im November wurde na<strong>ch</strong>tkritik.de 103 000-mal<br />

aufgerufen; rund 40 Prozent des Gesamtaufwands kann das Portal inzwis<strong>ch</strong>en mit Anzeigen<br />

erwirts<strong>ch</strong>aften, wobei es eine strikte Trennung zwis<strong>ch</strong>en Werbung und Redaktion gibt: Wenn<br />

ein Theaterhaus ein Inserat s<strong>ch</strong>altet, erhält es kein Anre<strong>ch</strong>t auf eine Kritik. Obwohl einzelne<br />

S<strong>ch</strong>werpunkte von einer Stiftung finanziert werden und obwohl für S<strong>ch</strong>weizer Verhältnisse sehr<br />

tiefe Honorare gezahlt werden mit 60 Euro pro Kritik, ist die finanzielle Situation von<br />

na<strong>ch</strong>tkritik.de aber prekär: Wiederholt musste die Seite Spendenaufrufe s<strong>ch</strong>alten; damit konnte<br />

2011 wenigstens ein Drittel der Kosten aufgefangen werden. Der restli<strong>ch</strong>e Aufwand wird von<br />

einem privaten Darlehen gedeckt.<br />

Der Blog ma<strong>ch</strong>t Lust auf mehr<br />

Wer hoffte, im Internet würden au<strong>ch</strong> neue Formen der Theaterkritik entstehen, wurde zunä<strong>ch</strong>st<br />

enttäus<strong>ch</strong>t. Seit zwei Monaten gibt es nun aber ein Experimentierformat von Künstlern aus<br />

dem Umfeld des 400asa-Regisseurs Samuel S<strong>ch</strong>warz: blitzkritik.posterous.com. Da werden<br />

Audiobeiträge aufges<strong>ch</strong>altet, die kurz na<strong>ch</strong> Verlassen des Theaters auf ein Smartphone<br />

gespro<strong>ch</strong>en wurden. Einer denkt beim Hundespaziergang über eine Inszenierung na<strong>ch</strong>; ein<br />

Beitrag fordert «S<strong>ch</strong>luss mit marinierten [sic!] Bühnenbildnern!», und es gibt Interviews mit<br />

Zus<strong>ch</strong>auern, die in der Pause na<strong>ch</strong> Hause gehen, weil sie eine «fokusfreie» Inszenierung ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr ertragen.<br />

blitzkritik.posterous.com ist radikal subjektiv, ungere<strong>ch</strong>t und oft polemis<strong>ch</strong> – aber gerade<br />

deshalb ein so interessanter Versu<strong>ch</strong>, weil der Blog von einer Leidens<strong>ch</strong>aft geprägt ist, die Lust<br />

auf eine Auseinandersetzung mit Theater ma<strong>ch</strong>t. (Tages-Anzeiger)<br />

Erstellt: 03.01.2012, 14:10 Uhr<br />

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