02.06.2013 Aufrufe

kispi.zh 03_09 - valérie jaquet - fotografin

kispi.zh 03_09 - valérie jaquet - fotografin

kispi.zh 03_09 - valérie jaquet - fotografin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

aus den abteilungen 37. Jahrgang |<br />

3<br />

KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong><br />

September 20<strong>09</strong><br />

K S P I<br />

Personalzeitschrift Kinderspital Zürich<br />

ZYTIG<br />

1


<strong>kispi</strong>.<strong>zh</strong><br />

Personalzeitschrift Kinderspital Zürich<br />

aus den abteilungen | KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong><br />

September 20<strong>09</strong><br />

3<br />

3


KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong> | aus den abteilungen<br />

ein Tag im Leben der Psychomotoriktherapeutinnen<br />

Sonja Wenger und Daniela Wipfli<br />

In beweGunG<br />

Text: danIeLa wIPfLI und SOnJa wenGer | Fotos VaLérIe JaqueT<br />

[ Daniela Wipfli ]<br />

08.00H<br />

Mein Arbeitsweg zum Kinderspital ist zum Glück sehr kurz, so<br />

kann ich noch gemütlich mit meiner Familie frühstücken, bevor<br />

alle ihr Tagwerk beginnen. Im Kispi angekommen, prüfe ich<br />

zuerst die Mails, um zu sehen, ob bei den in der Agenda eingetragenen<br />

Terminen etwas geändert werden muss. Seit 18 Jahren<br />

arbeite ich nun schon zusammen mit Sonja Wenger hier im Kispi.<br />

Da sind einige alltägliche Abläufe eingeschliffen, auch wenn<br />

ständige betriebliche Neuerungen oder Änderungen uns davor<br />

bewahren, in der Gewohnheit zu stagnieren. Ein Blick in das Protokoll<br />

der letzten Therapiestunde stimmt mich auf Malena ein.<br />

08.15H 1. THeraPIeSTunde / maLena<br />

Malena kommt seit vier Monaten einmal wöchentlich zu mir<br />

in die Therapiestunde. Sie wurde von ihrer Kinderärztin wegen<br />

grafomotorischer Probleme zur Therapie angemeldet. Die Drittklässlerin<br />

hatte grosse Widerstände gegenüber allen schriftlichen<br />

Arbeiten in der Schule. Schreibarbeiten „stressten“ sie. Zu Therapiebeginn<br />

klagte Malena über die beim Schreiben schmerzende<br />

Hand und dass sie nie mit den anderen Klassenkolleginnen eine<br />

schriftliche Arbeit abgeben könne. Immer arbeite sie zu langsam.<br />

Beim Diktat sei es besonders schlimm. Da schaffe sie es nie, so<br />

schnell zu schreiben, wie die Lehrerin diktiere. Und dann kritisiere<br />

diese auch immer noch ihre unschöne und „schludderige“<br />

Schrift. Die Grafomotorik-Abklärung ergab, dass ihre unökonomische<br />

Körper- und Stifthaltung beim Schreiben zu starken<br />

Verspannungen in Schulterbereich und Schreibhand führen und<br />

dass es Malena nicht möglich ist, Armzug oder Fingerbewegung<br />

zu koordinieren.<br />

In den ersten Therapiestunden ging es vor allem darum, gemeinsam<br />

mit dem Mädchen einen Schreibstift zu finden, der ihr eine<br />

entspannte und sichere Schreibhaltung erleichtert. Natürlich<br />

musste ihr der Stift nicht nur gut in der Hand liegen, er sollte<br />

auch schön aussehen! Durch experimentieren in verschiedenen<br />

Sitzpositionen erarbeiteten wir eine für Malena bestmögliche<br />

Schreibhaltung. Sowohl die Mutter wie die Lehrerin werden<br />

regelmässig über die Veränderungen informiert, so dass Malena<br />

„ihren“ Stift und „ihre“ Schreibhaltung auch im Alltag nutzt und<br />

automatisiert.<br />

4<br />

In der heutigen Stunde geht es auf Wunsch des Mädchens vor<br />

allem um das Schreibtempo. Wir „schreiben“ erst mit bunten<br />

Bändern Formen in die Luft und lassen uns dabei von Musik aus<br />

dem CD-Player leiten. Dann malen wir mit bunten Kreiden und<br />

wechselnden Farben die Rhythmen auf Papier. Wichtig ist für<br />

Malena, dass auch ich mitmache und nicht nur zuschaue. Zum<br />

Schluss der Stunde versuchen wir, mit „unseren“ Stiften die gleichen<br />

Rhythmen in die vorgegebenen Linien eines Schulhefts zu<br />

„schreiben“. Es entstehen Bogen, Zacken, Wellenlinien, Kreise –<br />

alles Grundformen der Schrift. Und diese Formen sehen wirklich<br />

schön aus, findet Malena.


aus den abteilungen | KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong><br />

5


KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong> | aus den abteilungen<br />

<strong>09</strong>.15H 2. THeraPIeSTunde / eVa<br />

Eva, eine 15½ jährige Anorexie-Patientin, steht bereits vor der<br />

Türe zum Therapieraum. Nach kurzem Aufenthalt auf dem PSU<br />

wurde sie auf die Psychosomatische Therapiestation überwiesen.<br />

In Absprache mit dem behandelnden Team gelten die Verbesserung<br />

der Körperwahrnehmung und des Körperbildes, der achtsamere<br />

und dosiertere Umgang mit ihrem übermässigen Bewegungsdrang<br />

sowie die Möglichkeit von Entspannung als wichtige<br />

Psychomotorik-Therapieziele für Eva.<br />

Eva ist unglücklich. Sie hat letzte Woche 100 Gramm zugenommen<br />

und fühlt sich unwohl in ihrem Körper. Sie möchte<br />

rennen „bis zum Umfallen“. Wir einigen uns darauf, dass wir<br />

ihrem Bewegungsdrang und ihren Aggressionen in Form eines<br />

Ballontennis-Matchs gerecht werden und einigen uns auf 15 Minuten<br />

Spielzeit. So kann sie ihre Wut loswerden, ohne sich selber<br />

Schaden zuzufügen und sich bewegen, ohne exzessiv Kalorien zu<br />

verbrennen. Eva liefert mir einen erbitterten Kampf bei vollstem<br />

Körpereinsatz. Auch ich komme ins Schwitzen. Nach dem Spiel<br />

wirkt sie ruhiger und zufriedener und wir versuchen, Puls, Atem<br />

sowie einzelne Körperteile zu spüren, unsere Körperwahrnehmungen<br />

zu verbalisieren und zu vergleichen. Ein wichtiger Teil<br />

jeder Therapiestunde mit Eva dient der Entspannung. Diese fällt<br />

ihr sehr schwer. Wichtig ist mir in der momentanen Therapiephase,<br />

dass Eva auch in den Entspannungssequenzen aktiv am<br />

Geschehen beteiligt ist und sich dabei weder ihren Gedanken<br />

noch mir ausgeliefert fühlen muss. Ich „massiere“ mit verschiedenen<br />

Materialien ihren Rücken, wobei sie immer ihre Kleider<br />

anbehält. Eva muss mir mitteilen, ob die mit dem Material berührten<br />

Stellen ihres Rückens als angenehm oder unangenehm<br />

wahrgenommen werden. Sie bestimmt auch die Druckstärke und<br />

erstellt zum Abschluss eine „Rangliste“ der für sie angenehmen<br />

und entspannenden Massagehilfen. Ihren Körper auf positive<br />

und wohltuende Art wahrzunehmen ist für Eva sehr entlastend.<br />

10.10H<br />

Ich hole mir einen Cappuccino in der Kantine und setze mich<br />

fünf Minuten in den Garten.<br />

Doch diese Pause ist nur kurz, denn ich habe ein Telefongespräch<br />

mit der Lehrerin von Max vereinbart. Der motorisch extrem unruhige<br />

und unkonzentrierte Erstklässler braucht viel Verständnis<br />

seitens der Lehrperson. Oftmals sehe ich mich in der Rolle der<br />

Anwältin des liebenswürdigen „Zappelphilipps“. Klare Abmachungen<br />

und Regeln erleichtern Max und allen beteiligten Betreuungspersonen<br />

den Alltag in der Schule und zu Hause. Es ist<br />

dem zuständigen Kinderarzt und mir ein grosses Anliegen, regelmässige<br />

Rundgespräche zu initiieren, damit die Informationen<br />

und Abmachungen für alle transparent sind.<br />

Nun bleiben mir noch eine halbe Stunde Zeit zum Aufräumen<br />

des Therapiesaals und für die Therapiestunden-Protokolle, welche<br />

wir für jedes Kind nach jeder Therapiestunde machen. Diese<br />

6<br />

helfen uns bei der Planung der nächsten Therapiestunden und<br />

erleichtern den Überblick über den individuellen Therapieverlauf<br />

und das Verfassen von Therapieberichten.<br />

11.00H 3. THeraPIeSTunde / max<br />

Schon von weitem höre ich das Scheppern des Kickboards von<br />

Max. Ohne zu klopfen rennt er in den Therapiesaal und wirft als<br />

erstes gleich die Mauer aus Schaumstoff-Klötzen um. Er sei ein<br />

Bulldozer und reisse alles um, ruft Max. Ich lasse den Bulldozer<br />

Max einige Minuten walten, dann schlüpfe ich in die Rolle der<br />

Verkehrspolizistin, welche dem zerstörerischen Gefährt Einhalt<br />

gebietet. Ich fordere den „Bulldozer“ auf, durch eine von mir<br />

vorbereitete Strasse (auf den Boden gelegte Seile) zu einem Parkplatz<br />

zu fahren. Dort bitte ich ihn, der Stadt seine Dienste zur<br />

Verfügung zu stellen. Es gelte, einen Schrottplatz aufzuräumen.<br />

Die Zufahrt dazu sei aber sehr schwierig und sehr schmal. Ich<br />

wisse nicht, ob dieser Bulldozer das könne. Bulldozer Max nimmt<br />

die Herausforderung an. Dosiert und mit erstaunlich gesteuerten<br />

und im Tempo angepassten Bewegungen fährt er durch schmale<br />

„Strassen“. Immer neue Herausforderungen entstehen und Max<br />

selber entwickelt ständig neue Ideen. Der „Bulldozer“ muss<br />

Rampen überqueren, Tunnels und Unterführungen meistern und<br />

zum Schluss alles aufräumen. Gegen Ende der Therapiestunde<br />

bekommt der Bulldozer Max von der Verkehrspolizistin eine Autowäsche<br />

spendiert. Er kommt in der Autowäsche auf eine Matte<br />

und wird gewaschen, geschrubbt, getrocknet und fein poliert.<br />

Max liegt zum Schluss der Stunde ganz ruhig da und glänzt als<br />

sauberer Bulldozer, als seine Mutter ihn abholt.


11.50H<br />

Nach dieser Stunde bin ich ziemlich geschafft, und das Schreiben<br />

des Stundenprotokolls geht nicht mehr leicht von der Hand. Verkehrspolizistin<br />

zu sein ist nicht einfach…<br />

Das Mittagessen nehme ich gemeinsam mit meiner Kollegin Sonja<br />

ein. Gesprächsstoff gibt es genug.<br />

[ Sonja Wenger: ]<br />

13.00H<br />

Nach dem Mittagessen bespreche ich mit Daniela, was nicht bis<br />

zur wöchentlichen Teamsitzung warten kann.<br />

Bevor die erste Therapiestunde beginnt, schreibe ich einen Abklärungsbericht<br />

an den zuständigen Arzt, der uns ein Kind zur<br />

förderdiagnostischen Abklärung und Therapie zugewiesen hat,<br />

fertig. Danach stelle ich eine Liste der aktuellen Psychomotorik-<br />

Therapiekinder zusammen, die ich in regelmässigen Abständen<br />

an das interne Patientenabrechnungswesen schicke. Dort wird<br />

geklärt, ob die Krankenkassen die Therapiestunden für unsere<br />

Patientinnen bezahlen.<br />

14.00H 1. THeraPIeSTunde / CarLa<br />

Carla ist erst 4½ Jahre alt und gehört damit zu den jüngsten<br />

unserer Patientinnen. Sie wurde durch die Kinderärztin bei uns<br />

angemeldet, weil sie oft stürzte, sich dabei verletzte und ihre<br />

aus den abteilungen | KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong><br />

Bewegungsunruhe in ihrem Umfeld negativ auffiel. Carla ist<br />

sehr lebhaft, intelligent und für ihr Alter gross gewachsen. Ihre<br />

Körperwahrnehmung und ihre Selbsteinschätzung sind eingeschränkt.<br />

Sie kann Situationen zu wenig gut einschätzen, überfordert<br />

sich oft selber beim „überstelligen“ Herumtollen und begibt<br />

sich dadurch in Gefahr.<br />

Indem ich mit Carla räumliche Strukturen aufbaue, die entweder<br />

instabil, schmal, oder über dem Boden sind, fordere ich von<br />

ihr vermehrte Aufmerksamkeit und Bewegungskontrolle. Dabei<br />

macht Carla auch wichtige Materialerfahrungen, die eine verbesserte<br />

Körperwahrnehmung und -kontrolle erfordern und ihr<br />

Grenzen und Möglichkeiten aufzeigen. Carla lernt beim Klettern,<br />

Hochsteigen, Balancieren, Abtasten und Runterspringen auch,<br />

ihre Bewegungen besser zu koordinieren und bewusster auszuführen.<br />

Heute, nach fünf Therapiestunden, klettert Carla sorgfältiger<br />

über eine schiefe Ebene oder über eine mit Würfeln aufgebaute<br />

„Treppe“ und kann dabei ein angemesseneres Bewegungstempo<br />

finden. Sie lässt sich weniger häufig einfach auf den Boden fallen<br />

und muss den Schmerz nicht mehr überspielen, wenn sie sich<br />

weh tut.<br />

Ihre Mutter ist während der Therapiestunden mit einem Säugling<br />

anwesend und beobachtet, wie ich Carla anweise und „begleite“.<br />

Sie kann dadurch ihre Tochter aus Distanz beobachten und dabei<br />

nicht nur ihre Schwierigkeiten sondern auch ihre Qualitäten<br />

erkennen.<br />

7


KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong> | aus den abteilungen<br />

BeWeGunG<br />

8<br />

BeeinFLuSST DaS DenKen, FühLen unD hanDeLn.<br />

iST auSDrucKSmiTTeL Der PerSönLichKeiT.


KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong> | aus den abteilungen<br />

Deutschkurse des Bereichs infrastruktur<br />

dIaLOGe Zum ImPeraTIV<br />

Text marGrIT wIeTLISbaCH, Kommission und Fachstelle für interkulturelle Fragen | Fotos VaLérIe JaqueT<br />

Bringen Sie mir bitte den Schlüssel - bittet die Kursleiterin eine<br />

Kursteilnehmerin. Nun sollen die Teilnehmenden diese Bitte in<br />

der Du-Form an ihre Kolleginnen und Kollegen richten.<br />

Schlüssel bitte bringen – falsch, meinen die meisten. Bitte bringst<br />

Du mir den Schlüssel – nicht ganz richtig, sagen einige. Bringst Du<br />

mir bitte den Schlüssel – richtig, finden alle.<br />

Leider nein – sagt die Kursleiterin. Zwar richtiges Deutsch, aber<br />

kein Imperativ.<br />

Die Kursteilnehmenden, alle Mitarbeitende des Bereichs Infrastruktur,<br />

sehen sich mit Spitzfindigkeiten der deutschen Grammatik<br />

konfrontiert. Bring mir bitte den Schlüssel! Logisch? Nein.<br />

Wie lernen? Wie ableiten?<br />

Eine andere Frage, die für Lernende und Lehrerin im Zentrum<br />

steht: Wie sich verabschieden von Sprachgewohnheiten, die Frau<br />

und Mann sich über Jahre angeeignet haben? Wie sich verabschieden<br />

von Satzstellungen oder Ausspracheformen, die sich<br />

über Lernen von Kolleginnen und Kollegen eingeprägt haben?<br />

Diese Schwierigkeit zeigt sich auch im Verlauf des weiteren Kurs-<br />

10<br />

geschehens. Themen im „freien Sprechen“ sind das Gewitter des<br />

Vorabends, die Wohnverhältnisse einer Teilnehmerin, die Ereignisse<br />

in Sri Lanka, die alle engagiert diskutiert werden.<br />

Die Kursleiterin, eine in der Sparte Deutsch für Fremdsprachige<br />

sehr erfahrene Lehrperson, thematisiert den Imperativ anhand<br />

von Alltagsthemen. Ich bin für einen Kursbesuch angemeldet und<br />

treffe am Ende eines Arbeitstages auf eine sehr lebhafte Gruppe,<br />

die in der Folge sehr konzentriert arbeitet, sei es im Plenum, mit<br />

einer Partnerin oder im Einzelstudium.<br />

Die meisten Teilnehmenden sind seit vielen Jahren in der<br />

Schweiz. Einige haben vorher einen Kurs besucht, in welchem sie<br />

sich Anfängerkenntnisse aneignen konnten, auf denen sich nun<br />

aufbauen lässt. Für eine Mehrheit gestaltet sich der Lernprozess<br />

jedoch schwieriger. Es gilt umzulernen: mach Du das Fenster zu!<br />

Bitte machst Du Fenster zu! Fenster bitte zumachen!<br />

Als primäres Lernziel nennen die Meisten die Verbesserung der<br />

passiven Sprachkenntnisse: Verstehen was gesagt wird; Verstehen<br />

was gefragt wird; Nachfragen können, wenn etwas nicht verstan


KISPI-ZYTIG 3/<strong>09</strong> | aus den abteilungen<br />

ü b e r b r ü C K u n G S m a<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!