Nummer 1 - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom Vereinigung e.V.
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4. Illusion „Therapie“<br />
Was sich diagnostizieren lässt, das kann auch<br />
therapiert werden – das ist eine andere Illusion,<br />
der man sich nicht hingeben sollte. Das<br />
gilt schon für genetische Störungen: diese<br />
lassen sich nicht kausal behandeln, Gene und<br />
Chromosomen können nicht repariert werden<br />
(35). Aber das gilt eben noch in einem viel weiteren<br />
Sinne: Hinken die Diagnosemöglichkeiten<br />
beim Ungeborenen schon erheblich hinter<br />
denen beim geborenen Kind her, so sind<br />
die therapeutischen Interventionen erst<br />
recht eingeschränkt (81ff.). Faktisch stehen<br />
die Eltern bei zahlreichen feststellbaren<br />
Erkrankungen daher nicht vor der Frage nach<br />
einer möglichen Behandlung, sondern einem<br />
möglichen Abbruch der Schwangerschaft.<br />
Konsequenterweise endet das vorliegende<br />
Buch zur Pränataldiagnostik daher mit einem<br />
Kapitel zum Schwangerschaftsabbruch (97ff.).<br />
III. Die Ethik der PND<br />
Die hier angesprochene Problematik ist von so<br />
grundsätzlicher Tragweite („Selektion“? vgl.<br />
32), dass sich ihre Diskussion im Rahmen einer<br />
Rezension verbietet.<br />
Die Fragen, die hier aufbrechen (insbesondere<br />
von sogenannten „Spätabbrüchen“), können<br />
die Betroffenen unter Umständen völlig aus<br />
der Balance werfen (110) und rühren tief an das<br />
Selbstverständnis des Arztes (114f.). Sie reichen<br />
aber zugleich auch weit in kulturelle und gesellschaftliche<br />
Dimensionen hinein.<br />
Pagels deutet dies an verschiedenen Stellen an<br />
(63, 97, 114), etwa beim Stichwort „Screening<br />
auf Trisomie 21“ (60f.). Spätestens hier wird<br />
deutlich, dass die PND mehr ist als ein Erkenntnisinstrument<br />
zur Identifikation möglicher<br />
Erkrankungen. Indem sie das ungeborene<br />
Leben in ihren forschend-prüfenden Augenschein<br />
nimmt, richtet die PND an uns die Frage,<br />
wer wir eigentlich sind und vor allem: wer wir<br />
sein wollen. Von daher ist die eingangs angesprochene<br />
Einladung zur kritischen Reflexion<br />
der PND auch eine Einladung zur Reflexion<br />
unserer selbst. Von der Stellung zu dieser<br />
Frage hängt ab, ob wir in der Lage sind, in<br />
Krankheit und Behinderung mehr zu sehen als<br />
einen reparaturbedürftigen Schaden. Die UN-<br />
Behindertenrechtskonvention etwa hat hier<br />
einen faszinierenden Schritt gewagt, indem sie<br />
das vergessene dritte Ideal der französischen<br />
Revolution unter den Bedingungen einer total<br />
ökonomisierten Gesellschaft neu zu buchsta-<br />
bieren versucht: das Ideal der Brüderlichkeit.<br />
Die PND steht wortwörtlich am Anfang dieser<br />
Frage nach uns selbst und ihrer von uns immer<br />
wieder neu zu leistenden Antwort.<br />
Pagels, Jens:<br />
Pränataldiagnostik. Wissen, was stimmt.<br />
Freiburg: Herder 2011, 128 Seiten<br />
(HERDER spektrum Band 6398)<br />
Professor Dr. Tobias Trappe, geboren 1966,<br />
Studium der Philosophie und Katholischen<br />
Theologie, seit 2010 Professor für Ethik an der<br />
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung<br />
NRW, Arbeitsschwerpunkte: Verwaltungs- und<br />
Polizeiethik<br />
Literatur zum Thema Inklusion<br />
Auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungsverständnis.<br />
Eine Arbeitshilfe der Abteilung Bildung<br />
im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland. Eine Darstellung der gegenwärtigen<br />
Situation.<br />
Magazin „ohrenkuss … da rein, da raus“ Ein Magazin<br />
von Menschen mit Down-<strong>Syndrom</strong> getextet, zum<br />
Beispiel die Ausgabe No 28 März 2012 mit dem<br />
Thema „Skandal“<br />
Mehr zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
in den Bundesländern unter www.<br />
menschen-das-magazin.de. Die Ausgabe 2. 2011 mit<br />
dem Spezial Inklusion<br />
www.kein-mensch-ist-perfekt.de<br />
www.teilhabeinitiative.de<br />
www.deutscher-behindertenrat.de<br />
www.schulministerium.nrw/BP/Inklusion<br />
Gutachten Auf dem Weg zur schulischen Inklusion in<br />
Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen zur Umsetzung<br />
der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich<br />
der allgemeinen Schulen. Klaus Klemm / Ulf Preuss-<br />
Lausitz, Juni 2011<br />
weitere Fachbücher finden Sie auch<br />
in www.buchhandel.de<br />
unter dem Stichwort Inklusion<br />
literatur<br />
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