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anmerkungen zu bach's johannespassion - ulmer-kantorei.de

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JOHANNESPASSION / THEOLOGIE / ANTIJUDAISMUS? Seite 8<br />

dich mir überliefert", so ist auch hier nicht die gesamte jüdische Nation gemeint,<br />

son<strong>de</strong>rn die Repräsentanten <strong>de</strong>s Volkes: <strong>de</strong>r Sanhedrin. An die gleiche<br />

Gruppe haben wir auch in 19,21.31 <strong>zu</strong> <strong>de</strong>nken. Und selbstverständlich fürchten<br />

sich <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong> Joseph von Arimathäa (19,38) o<strong>de</strong>r die jüdischen Jünger<br />

(20,19) nicht vor <strong>de</strong>m jüdischen Volk an sich, son<strong>de</strong>rn vor <strong>de</strong>ssen politischreligiöser<br />

Führung.<br />

Die inhaltliche Untersuchung <strong>de</strong>s Wortes "die Ju<strong>de</strong>n" führt also <strong>zu</strong> <strong>de</strong>m Ergebnis,<br />

dass <strong>de</strong>r Evangelist <strong>de</strong>n Begriff nicht einheitlich, <strong>zu</strong>meist aber - und<br />

vor allem dort, wo ein negativer Akzent auf "die Ju<strong>de</strong>n" liegt - für die jüdische<br />

Führungsgruppe verwen<strong>de</strong>t. In nur etwa einem Drittel <strong>de</strong>r Belege weist <strong>de</strong>r<br />

Begriff eine "negative Konnotation" auf. Die Behauptung, dass im JoEv das<br />

jüdische Volk für <strong>de</strong>n Prozess Jesu und seine Kreuzigung verantwortlich gemacht<br />

wird, lässt sich <strong>de</strong>mnach nicht halten.<br />

Eine Parallele für einen eingegrenzten Gebrauch <strong>de</strong>s Begriffes fin<strong>de</strong>n wir bei<br />

Josephus, <strong>de</strong>r häufig solche als "die Ju<strong>de</strong>n" bezeichnet, die gegen Rom<br />

kämpfen. Und sicher wäre es falsch, Josephus, <strong>de</strong>ssen Biografie und <strong>de</strong>ssen<br />

Werke eine tiefe Verwurzelung im Ju<strong>de</strong>ntum beweisen, als Gegner <strong>de</strong>s jüdischen<br />

Volkes <strong>zu</strong> verstehen. Gleiches gilt auch für <strong>de</strong>n Verfasser <strong>de</strong>s JoEv<br />

und sein Werk.<br />

Die Damaskusschrift aus Qumran zeigt noch eine weitere Parallele: Auch dort<br />

wird <strong>de</strong>r Pauschalbegriff "Ju<strong>de</strong>" (o<strong>de</strong>r auch "Land Juda", "Haus Juda") <strong>zu</strong>r<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>r Gegner <strong>de</strong>r Qumranessener gebraucht. Und auch hier meint<br />

die Polemik gegen "Juda" nur einen Teil <strong>de</strong>s jüdischen Volkes.<br />

Einige Bibelüberset<strong>zu</strong>ngen (z. B. "Die Bibel im heutigen Deusch" o<strong>de</strong>r<br />

"BIBEL in gerechter Sprache") haben diese differenzierte Analyse <strong>de</strong>s<br />

Pauschalbegriffs konsequent umgesetzt. Sie verwen<strong>de</strong>n statt "die Ju<strong>de</strong>n"<br />

u. a. "die führen<strong>de</strong>n Männer", "die Zuhörer", "Vertreter <strong>de</strong>r jüdischen<br />

Obrigkeit" o<strong>de</strong>r betonen <strong>de</strong>n innerjüdischen Zusammenhang, z. B.<br />

„Der Ju<strong>de</strong> Jesus sprach <strong>zu</strong> <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren jüdischen Menschen“. Sehr<br />

hilfreich sind hier<strong>zu</strong> auch die jeweiligen Anmerkungen <strong>zu</strong>m Begriff "die<br />

Ju<strong>de</strong>n".<br />

2.2 Zu <strong>de</strong>r harten Aussage von Joh 8,44<br />

Dieser Text entstammt einer "innerjüdischen Streitkultur"<br />

Dieser Text hat für die gesamten Diskussion in <strong>de</strong>r Tat eine große Be<strong>de</strong>utung.<br />

Doch wie ist die Aussage im Blick auf "die Ju<strong>de</strong>n" <strong>zu</strong> bewerten?<br />

Ein Blick auf <strong>de</strong>n Kontext macht <strong>zu</strong>nächst <strong>de</strong>utlich, dass die Aussage "Ihr seid<br />

aus <strong>de</strong>m Vater, <strong>de</strong>m Teufel, und die Begier<strong>de</strong>n eures Vaters wollt ihr tun.<br />

Jener war ein Menschenmör<strong>de</strong>r von Anfang an..." als Teil einer außeror<strong>de</strong>nt-<br />

lich hart geführten innerjüdischen Auseinan<strong>de</strong>rset<strong>zu</strong>ng Jesu mit seinen Gegnern<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n will, die ihn nach 8,37ff <strong>zu</strong> töten versuchen. Jesus<br />

erklärt mit kaum <strong>zu</strong> überbieten<strong>de</strong>r Härte, dass diejenigen, die ihn umbringen<br />

wollen, Satans Kin<strong>de</strong>r sind. Doch die Argumente seiner Gegner lassen ebenfalls<br />

nichts an Deutlichkeit und Polemik vermissen: Jesus wird <strong>zu</strong>m Besessenen<br />

erklärt (8,52) und schließlich folgen Steine als "Argumente" (8,59).<br />

Gleichzeitig wird aber auch <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>m Joh nicht an einer Pauschalverurteilung<br />

o<strong>de</strong>r gar "Verteufelung" <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n gelegen ist: Wenige Verse<br />

<strong>zu</strong>vor (8,31) ist noch von "<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n" die Re<strong>de</strong>, "die ihm geglaubt hatten". Auf<br />

diese bezieht sich die harte Verurteilung Jesu keinesfalls.<br />

Parallelen einer so hart geführten theologischen Auseinan<strong>de</strong>rset<strong>zu</strong>ng fin<strong>de</strong>n<br />

wir auch in <strong>de</strong>n Qumranschriften.<br />

Solche Belege beweisen die Existenz einer "innerjüdischen Streitkultur", bei<br />

<strong>de</strong>r es verfehlt wäre, sie als "Antijudaismus" <strong>zu</strong> verstehen: Es han<strong>de</strong>lt sich um<br />

Ju<strong>de</strong>n im verbalen Kampf mit an<strong>de</strong>ren Ju<strong>de</strong>n. In diesem Sinn erklären sich<br />

auch die harten Aussagen <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>n Paulus gegen "die Ju<strong>de</strong>n" in 1Thess<br />

2,13-16 o<strong>de</strong>r die Gerichtsandrohung gegen Irrlehrer in 2Petr 2,1ff.<br />

2.3 Zur Rolle "<strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n" im Prozess Jesu<br />

Gera<strong>de</strong> Johannes schil<strong>de</strong>rt auch das Versagen <strong>de</strong>s Präfekten Pilatus ausführlich<br />

Der Begriff "die Ju<strong>de</strong>n" meint – wie schon betont - im Prozess Jesu vornehmlich<br />

die jüdische Führungsschicht in Gestalt <strong>de</strong>r Hohenpriester, <strong>de</strong>s Sanhedrin<br />

sowie <strong>de</strong>r Pharisäer. Darüber hinaus muss aber gefragt wer<strong>de</strong>n, in welcher<br />

Rolle und damit auch Verantwortung Johannes <strong>de</strong>n Präfekten Pilatus sieht.<br />

Es kann nicht bezweifelt wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r genannte jüdische Personenkreis<br />

wesentlich an <strong>de</strong>r Hinrichtung Jesu beteiligt war, doch gera<strong>de</strong> im JoEv, das<br />

<strong>de</strong>n Prozess (18,28-19, 16) so ausführlich schil<strong>de</strong>rt, wird auch das Versagen<br />

<strong>de</strong>s römischen Präfekten Pilatus klar aufgezeigt. Er erscheint als ein Politiker,<br />

<strong>de</strong>r bei je<strong>de</strong>m "Schach<strong>zu</strong>g" erkennen lässt, dass es ihm nur wenig um das<br />

Recht <strong>de</strong>s Angeklagten geht. Seine "Furcht" (19,8) hat mehrere Grün<strong>de</strong>: Es<br />

ist die Furcht vor <strong>de</strong>m Synhedrium und <strong>de</strong>r hinter ihm stehen<strong>de</strong>n Masse; es ist<br />

weiterhin die Furcht vor seinen eigenen Vorgesetzten und <strong>de</strong>m möglichen<br />

Verlust einer möglichen Karriere; es ist – das scheint das Hauptanliegen <strong>de</strong>s<br />

Evangelisten Johannes <strong>zu</strong> sein (so vor allem Bultmann!) - aber auch die<br />

Furcht vor einer göttlichen Macht, die größer ist als alle weltlichen Mächte.<br />

Weil die jüdischen Ankläger das wissen, gelingt es ihnen, Pilatus unter Druck<br />

<strong>zu</strong> setzen (19,7ff). Obwohl er von <strong>de</strong>r Unschuld Jesu überzeugt ist (19,6) und<br />

die Entscheidungsgewalt hat (19, 10), lässt er ihn kreuzigen. Wenn auch die-

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