Kurzdarstellung des Themas
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"Das Denken der Sprache und die Performanz <strong>des</strong> Literarischen um 1800"<br />
Ein literaturwissenschaftliches Kolloquium,<br />
unterstützt von der Studienstiftung <strong>des</strong> deutschen Volkes<br />
im Kloster Altenberg bei Wetzlar vom 4. bis 7. Februar 1999<br />
Leitung: Stephan Jaeger (Gießen) und Stefan Willer (Münster)<br />
Schirmherrschaft: Prof. Dr. Christine Lubkoll (Gießen)<br />
Erscheint als Das Denken der Sprache und die Performanz <strong>des</strong> Literarischen um<br />
1800. Hg. von Stephan Jaeger undStefan Willer. Würzburg 2000.<br />
Gegenstand<br />
In dem Augenblick, in dem Sprache aus funktionalen Systemzusammenhängen<br />
heraustritt, werden auch die Reflexion <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> ‘Sprache’ und der Einsatz<br />
<strong>des</strong> Mediums ‘Sprache’ neu gestaltet. Ob über die Sprache gesprochen werden<br />
kann, wird in dem Maße ungewisser, wie die Sprache bestrebt ist, sich selbst zu<br />
sprechen. Für Philosophie und Literatur hat das grundlegende Konsequenzen.<br />
Das Denken der Sprache<br />
Sprachphilosophie gestaltet sich unter diesen Prämissen als selbstreflexives<br />
Geschäft: als Denken der Sprache. Das gilt für das Problem der Sprachgeschichte,<br />
für die Begründung eines Sprachursprungs, für Sprache als Modus der Darstellung<br />
usw. Außerhalb fixierter Systeme kann die Betrachtung der Sprache sowohl<br />
spekulativer als auch empirischer werden – in der romantischen Sprachwissenschaft<br />
oft auch bei<strong>des</strong> zugleich. Wechselverhältnisse wie das von Fragment und System<br />
oder von Natur- und Kunstzeichen, Fragen der Etymologie, Analogiebildung und<br />
Suggestion werden relevant.<br />
Die Performanz <strong>des</strong> Literarischen<br />
In literarischem Sprechen bietet sich die grundsätzliche Möglichkeit, die eigene<br />
Gemachtheit zu thematisieren, hervorzuheben, zu inszenieren oder zu vollführen<br />
und so neue Schreibweisen zu entwickeln. Diese können sich beispielsweise in<br />
Texturen oder Geweben, in neuem Ausdruck von Sinnlichkeit und Imagination oder<br />
auch in Sprachlosigkeit niederschlagen.<br />
Der Performanzbegriff, den wir heuristisch als Formel für diese<br />
Selbstdarstellungsfunktion von Texten verwenden, soll in einer Einleitung<br />
begriffsgeschichtlich und metaphorologisch hergeleitet werden (Herkunft aus der
strukturalistischen Linguistik und Sprechakttheorie, Ausdehnung auf<br />
poststrukturalistische Schriftdebatten, Performance-Begriff neuerer<br />
Theaterkonzeptionen). Vor diesem Hintergrund entwickelt sich dann die Frage, wie<br />
sich die Kategorien ‘Aufführung’, ‘Inszenierung’, ‘Vollzug’ und ‘Vollführung’ historisch<br />
und texttheoretisch differenzieren lassen<br />
Das Denken der Sprache und die Performanz <strong>des</strong> Literarischen<br />
Welche charakteristischen Schreibweisen werden geschaffen, um Denken und<br />
Ausdruck der Sprache zu gestalten, zu vollführen, zu spiegeln, zu bedingen? Gibt es<br />
noch eine Differenz zwischen ‘Sprachdenken’ und ‘Performanz <strong>des</strong> Literarischen’?<br />
Da sich denkende Betrachtung der Sprache und sprachliche Gestaltung sowohl in<br />
Philosophie und Wissenschaft als auch in Literatur und Kunst nicht vollends<br />
voneinander trennen lassen, ist der Titel <strong>des</strong> Kolloquiums entsprechend<br />
komplementär aufzufassen. In beiden Fällen: dem ‘Denken der Sprache’ und der<br />
‘Performanz <strong>des</strong> Literarischen’, spielt die Selbstreflexion von Subjekt und Texten eine<br />
Rolle; der Gegenstand ‘Sprache’ und das Ausdrucksmedium ‘Sprache’ sind jeweils<br />
verzahnt. Inwiefern dennoch zwischen eher betrachtenden (Denken, Wissen,<br />
Struktur) und eher vollführenden (Inszenierung, Aufführung, Wirkung) Schreibweisen<br />
zu unterscheiden wäre, ist eine weitere wichtige Frage <strong>des</strong> Kolloquiums.<br />
Die zeitliche Bestimmung ‘um 1800’<br />
Der gewählte historische Schnitt ‘um 1800’ ist eine wichtige, jedoch in beide<br />
Richtungen dehnbare Orientierungsgröße. Indem sich die Aufsätze mit Kant, Moritz,<br />
Goethe, Hölderlin, Novalis, F. Schlegel, Kanne, Kleist, Tieck, Arnim, Brentano,<br />
Eichendorff, Shelley, Rahel Varnhagen und Pauline Wiesel beschäftigen, decken sie<br />
etwa den Zeitraum von 1790 bis 1830 ab.<br />
Die Debatte über eine grundsätzliche Verschiebung zentraler Paradigmen für<br />
Mensch, Subjekt, Sprache und Dichtung um 1800 soll nicht vollständig wieder<br />
aufgerollt, aber in ihren Ergebnissen sowohl genutzt wie erneut problematisiert<br />
werden. Das betrifft Komplexe wie: Abkehr vom Denken der Repräsentation,<br />
Historizität der Sprache, Ausdifferenzierung der Künste und Wissenschaften,<br />
Neueinsatz von ‘Ästhetik’ anstelle von Poetik und Rhetorik, Entstehung eines<br />
Kunstmarktes, Entstehung der Textphilologie, den Begriff der Individualität, das
Konzept der ‘Sattelzeit’ – alles in allem also Überlegungen betreffend, eine<br />
Makroepoche der europäischen Moderne mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert<br />
beginnen zu lassen.<br />
Dieses Datum einer Epochenschwelle wird weder global bestätigt noch global<br />
bestritten, sondern es wird versucht, Veränderungen und Kontinuitäten im Detail zu<br />
beschreiben, so wie sie im Wechselverhältnis zwischen Denken und Performanz der<br />
Sprache und Dichtung sichtbar werden.<br />
Beitragsliste zu<br />
Das Denken der Sprache und die Performanz <strong>des</strong> Literarischen um 1800<br />
Robert André (Hamburg): 'Gut auch sind und geschikt einem zu etwas wir, / Wenn<br />
wir kommen, mit Kunst': Hölderlins Auf-Gabe und die Ode Blödigkeit<br />
Kai van Eikels (Hamburg): Zwei Monologe (Heidegger, Novalis)<br />
Stephan Jaeger (Gießen / Bielefeld): 'Das Rauschen der Blätter': Die Vollführung<br />
lyrischen Ausdrucks in der europäischen Romantik<br />
Anke van Kempen (München): Die Rede vor Gericht in der Literatur um 1800<br />
Arne Klawitter (Rostock): Eisenfeile. Das Fragment und die symbolische Form<br />
Antje Koch (Rostock): Briefe ohne Geschichte - Der Briefwechsel zwischen Rahel<br />
Varnhagen und Pauline Wiesel<br />
Detlef Kremer (Münster): Fenster<br />
Irmela Marei Krüger-Fürhoff (HU Berlin): 'Die abgelöste Zunge sprach durch das<br />
redende Gewebe.' Gewalt und Kunstautonomie in Moritz' Die Signatur <strong>des</strong> Schönen<br />
Stefan Metzger (Konstanz): Skalpell - Konjektur - Sprache. Versuche einer<br />
Annäherung an Hölderlins Sprachdenken
Ruth Petzoldt (Regensburg): Das Spiel spielt sich selbst. Anmerkungen zur<br />
Selbstreflexion und Selbstthematisierung der romantischen Komödie im Spiel im<br />
Spiel und durch das Moment der Verkehrung<br />
Axel Schmitt (Göttingen): Die Spur <strong>des</strong> 'Anderen' im 'Eigenen'. Überlegungen zur<br />
Übersetzbarkeit von Kulturen um 1800<br />
Tanja Schultz (Münster / Frankfurt a.M.): 'Der papierne Kitt': Novalis und die<br />
'Poetisierung <strong>des</strong> Staates'<br />
Stefan Willer (Münster): Zur Rhetorik der Etymologie bei Johann Arnold Kanne