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7 Wahrnehmung

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B.Sc.-Modul Allgemeine Psychologie I<br />

Modulelement: <strong>Wahrnehmung</strong> und Aufmerksamkeit<br />

WS 2011<br />

7 <strong>Wahrnehmung</strong><br />

Sprachwahrnehmung und Lesen<br />

Dirk Wentura<br />

Universität des Saarlandes, Saarbrücken<br />

1


Ein wissenschaftshistorisch kurioser Fall …<br />

Diese Notiz kursierte vor einigen Jahren via E-Mail und Internet:<br />

2


Ein wissenschaftshistorisch kurioser Fall …<br />

Rayner, White, Johnson & Liversedge (2006)<br />

3


Ein wissenschaftshistorisch kurioser Fall …<br />

Rayner, White, Johnson & Liversedge (2006)<br />

4


Leseforschung<br />

• Blickbewegungsmessung als<br />

zentrale Methode der<br />

Leseforschung<br />

• Auflösung des<br />

Blickverhaltens in Fixationen<br />

und Sakkaden<br />

• Ort, Anzahl und Dauer von<br />

Fixationen als abhängige<br />

Variable<br />

Rayner, White, Johnson & Liversedge (2006)


Ein wissenschaftshistorisch kurioser Fall …<br />

dazu eine Blickbewegungsstudie<br />

Bedingung Beispiel<br />

Normaler Text The boy could not solve the<br />

problem so he asked for help.<br />

Verschiebung<br />

interner<br />

Buchstaben<br />

Verschiebung<br />

von<br />

Endbuchstaben<br />

Verschiebung<br />

von Buchstaben<br />

am Wortanfang<br />

The boy cuold not slove the<br />

probelm so he aksed for help.<br />

The boy coudl not solev the<br />

problme so he askde for help.<br />

The boy oculd not oslve the<br />

rpoblem so he saked for help.<br />

Anzahl der<br />

Fixationen<br />

• Blickfixation (Anzahl)<br />

• Rücksprung<br />

Rayner, White, Johnson & Liversedge (2006)<br />

• Blickfixation (Dauer)<br />

%<br />

Rücksprünge<br />

Mittlere<br />

Fixationsdauer<br />

(ms)<br />

10.4 15.0 236<br />

11.4 17.6 244<br />

12.6 17.5 246<br />

13.0 21.5 259<br />

6


Ein wissenschaftshistorisch kurioser Fall …<br />

• Die Aussage, dass „jumbled words“ ohne<br />

Probleme zu lesen sind, stimmt somit nicht<br />

perfekt, ist aber in einer „weicheren“ Form<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

• Wie können wir das erklären?<br />

– … auf Ebene der einzelnen Wörter<br />

– … auf der Ebene von Wort-Kontexten<br />

7


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das interactive activation model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das interactive activation model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Die Pandämonium-Metapher<br />

Selfridge (1959)<br />

vgl. Levine (2000, p. 188f)<br />

10


Die Pandämonium-Metapher<br />

Selfridge (1959)<br />

vgl. Levine (2000, p. 188f)<br />

11


Die Pandämonium-Metapher<br />

Selfridge (1959)<br />

vgl. Levine (2000, p. 188f)<br />

Feature Demons<br />

12


Die Pandämonium-Metapher<br />

Selfridge (1959)<br />

vgl. Levine (2000, p. 188f)<br />

Cognitive Demons<br />

13


Die Pandämonium-Metapher<br />

Selfridge (1959)<br />

vgl. Levine (2000, p. 188f)<br />

14


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das Interactive Activation Model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Interactive Activation Model<br />

• Drei Ebenen<br />

• Fördernde und<br />

hemmende<br />

Verbindungen<br />

• Top-down-<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

Verbindungen zwischen<br />

Wort- und Buchstaben-<br />

Ebene<br />

• Konnektionistisches<br />

Modell (vgl. WA1)<br />

Nächste Folie<br />

16


Interactive Activation Model<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

17


Interactive Activation Model<br />

T<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

fördernd<br />

hemmend<br />

18


Interactive Activation Model<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

fördernd<br />

hemmend<br />

19


Interactive Activation Model<br />

• Einflussreiches Modell der<br />

Worterkennung<br />

• kann einige Effekte gut erklären, z.B.<br />

– den Wortüberlegenheitseffekt<br />

– den Pseudowortüberlegenheitseffekt<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

20


Wortüberlegenheitseffekt<br />

Stimulus<br />

(sehr kurz<br />

präsentiert)<br />

Maske<br />

… an 3. Position?<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 338)<br />

BLUME<br />

@@@@@<br />

Ist der Stimulus ein Wort, so<br />

ist die Reizdiskriminierung<br />

besser (im Vergleich zu<br />

Pseudowörtern)<br />

U oder O?<br />

21


Pseudowortüberlegenheitseffekt<br />

Stimulus<br />

(sehr kurz<br />

präsentiert)<br />

Maske<br />

… an 3. Position?<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 338)<br />

PLUZE<br />

@@@@@<br />

U oder O?<br />

Ist der Stimulus ein<br />

aussprechbares Wort, ist<br />

die Reizdiskriminierung<br />

besser (im Vergleich zu<br />

nicht aussprechbaren<br />

Pseudowörtern).<br />

22


Interactive Activation Model<br />

• Einflussreiches Modell der Worterkennung<br />

• … kann einige Effekte gut erklären, z.B.<br />

– den Wortüberlegenheitseffekt<br />

– den Pseudowortüberlegenheitseffekt<br />

durch die top down-Modulation der<br />

Buchstabenerkennung.<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

23


Interactive Activation Model<br />

• …kann aber einige Befunde nicht gut<br />

erklären (vgl. Eysenck & Keane, 2010, p.<br />

338f); hier seien genannt:<br />

– der „jumbled words“-Effekt (s.o.)<br />

– die Bedeutung der Phonologie<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

24


Interactive Activation Model<br />

• …kann aber einige Befunde nicht gut<br />

erklären (vgl. Eysenck & Keane, 2010, p.<br />

338f); hier seien genannt:<br />

– der „jumbled words“-Effekt (s.o.)<br />

– die Bedeutung der Phonologie<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

25


Interactive Activation Model<br />

und der „jumbled words“-Effekt<br />

• Im Prinzip lässt sich mit dem Grundgedanken des<br />

Interactive Activation Model der „jumbled words“-<br />

Effekt verständlich machen (noch einmal: die<br />

Pandämonium-Metapher)<br />

• Im Speziellen kann es das aber nicht, da die<br />

Verbindungen zwischen Buchstaben- und Wortebene<br />

im Modell auf Buchstaben an der richtigen Position<br />

beschränkt sind.<br />

• Mögliche Lösung:<br />

Grainger & Whitney (2004) postulieren, dass es eine<br />

weitere Ebene von Buchstabenpaaren gibt.<br />

Grainger & Whitney (2004)<br />

26


Exkurs: Grainger & Whitney (2004)<br />

• Grainger & Whitney (2004) postulieren, dass es eine<br />

weitere Ebene von Buchstabenpaaren gibt.<br />

Grainger & Whitney (2004)<br />

TAKE<br />

TA TK TE AK AE KE<br />

• Es gibt Verbindungen zwischen dem Wort und den<br />

Paaren, bei denen die Paarlinge in der selben<br />

Reihenfolge wie im Wort auftreten.<br />

27


Exkurs: Grainger & Whitney (2004)<br />

• Es gibt Verbindungen zwischen dem Wort und den<br />

Paaren, bei denen die Paarlinge in der selben<br />

Reihenfolge wie im Wort auftreten.<br />

Grainger & Whitney (2004)<br />

TAKE<br />

TA TK TE AK AE KE<br />

• „jumbled words“ (z.B. „TKAE“) aktivieren in der Regel<br />

fast ebenso viele Paare wie das Originalwort (im<br />

Beispiel: nur „AK“ wird durch „TKAE“ nicht aktiviert).<br />

28


Interactive Activation Model<br />

• …kann aber einige Befunde nicht gut<br />

erklären (vgl. Eysenck & Keane, 2010, p.<br />

338f); hier seien genannt:<br />

– der „jumbled words“-Effekt (s.o.)<br />

– die Bedeutung der Phonologie bei der (visuellen)<br />

Wortverarbeitung<br />

nächstes Kapitel<br />

Vorher noch ein Hinweis …<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

29


Interactive Activation Model<br />

• Das Interactive Activation Model ist<br />

– …kein Lernmodell<br />

(d.h. es wird nicht modelliert, wie die<br />

einzelnen Repräsentationen entstehen)<br />

– …ein Modell der „symbolischen Kodierung“<br />

(d.h. die einzelnen Punkte im Modell<br />

symbolisieren jeweils z.B. einen<br />

Buchstaben, ein Wort)<br />

• Alternative: parallel-verteilte Modelle<br />

Anhang<br />

McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 337ff)<br />

30


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

• Hochgradige Vernetzung<br />

• Hemmende und aktivierende Verbindungen (d.h. positive und<br />

negative Gewichte)<br />

• Lernalgorithmus, der dafür sorgt, dass ein über die Graphem-<br />

Einheiten eingegebenes Wort richtig „gelesen“ wird (d.h. dass<br />

die richtigen Phonem-Einheiten aktiviert werden).<br />

Plaut et al. (1996; Eysenck & Keane, 2010, p. 346f)


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das Interactive Activation Model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Die Rolle der Phonologie bei der<br />

(visuellen) Worterkennung<br />

• Starke Hypothese von Frost (1998):<br />

Phonologische Verarbeitung ist obligatorisch<br />

beim Lesen von Wörtern<br />

• Empirische Hinweise:<br />

– Stroop-Farbbenennaufgabe<br />

Nächste Folie<br />

– Zu weiterer Evidenz vgl. Eysenck & Keane (2010,<br />

p. 335)<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 335)<br />

33


Stroop-Farbbenennung<br />

„cross-script“-Homophone<br />

„grün!“<br />

Tzelgov, Henik, Sneg & Baruch (1996)<br />

Das hebräische Wort für „rot“<br />

Dieses Nicht-Wort in englischer<br />

Aussprache vorgelesen<br />

entspricht phonemisch<br />

dem hebräischen „rot“<br />

„grün!“<br />

34


Stroop-Farbbenennung<br />

„cross-script“-Homophonen<br />

Mittlere Farbbenennzeiten<br />

Stimulustyp<br />

Teilnehmer mit<br />

Hebräisch als Erstsprache und<br />

Englisch als Zweitsprache<br />

Kongruent Neutral Inkongruent<br />

(Wort=Farbe) (Neutr. Wort) (Wort Farbe)<br />

Hebräisch 577 603 707<br />

„Englisch“ 685 700 812<br />

Tzelgov, Henik, Sneg & Baruch (1996)<br />

Stroop-Effekt für beide Stimulustypen!


Die Rolle der Phonologie bei der<br />

(visuellen) Worterkennung<br />

• Obschon die empirischen Befunde nahelegen,<br />

dass der Phonologie eine bedeutende Rolle<br />

beim Lesen (bzw. der Worterkennung) spielt,<br />

gibt es vor allem einen Beleg gegen die starke<br />

Hypothese von Frost (1998):<br />

• Das Phänomen der Phonologischen Dyslexie<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 336)<br />

36


Dyslexie<br />

generell: Beeinträchtigung der Leseleistung, die<br />

deutlich höher ausfällt als aufgrund des<br />

allgemeinen Intelligenzniveaus der Person<br />

erwartet werden kann.<br />

Hier sind vor allem einzelne Fälle von durch<br />

Hirnschädigung erworbener Dyslexie<br />

relevant, deren spezifische Ausprägung zum<br />

„Prüfstein“ der Wortverarbeitungs-Modelle<br />

wurde.<br />

37


Phonologische Dyslexie<br />

Patienten haben beim Lesen von häufig<br />

vorkommenden regulären und irregulären<br />

Wörtern keine (oder nur geringe) Einbußen,<br />

können aber seltene Wörter oder<br />

(aussprechbare) Nicht-Wörter nicht korrekt<br />

lesen.<br />

vgl. Eysenck & Keane (2005, p. 331f)<br />

38


Dual-route cascaded model<br />

Lexical route<br />

Non-Lexical route<br />

Semantic<br />

System<br />

Orthographic<br />

Input Lexicon<br />

Phonological<br />

Output Lexicon<br />

print<br />

Orthographic<br />

Analysis<br />

Grapheme-<br />

Phoneme<br />

Rule System<br />

Response<br />

Buffer<br />

speech<br />

Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 341ff)<br />

Oberflächenstruktur<br />

des Modells<br />

(Das dazugehörige<br />

Simulationsprogramm<br />

ist eine Erweiterung des<br />

„Interactive Activation<br />

Models“; s.o.)<br />

39


Dual-route cascaded model<br />

Lexical route<br />

Non-Lexical route<br />

Semantic<br />

System<br />

Orthographic<br />

Input Lexicon<br />

Phonological<br />

Output Lexicon<br />

print<br />

Orthographic<br />

Analysis<br />

Grapheme-<br />

Phoneme<br />

Rule System<br />

Response<br />

Buffer<br />

speech<br />

Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 341ff)<br />

Patienten mit<br />

Phonologischer<br />

Dyslexie haben eine<br />

intakte lexikalische<br />

Route, aber<br />

Schädigungen der nonlexikalischen<br />

Route<br />

40


Dual-route cascaded model<br />

Lexical route<br />

Non-Lexical route<br />

Semantic<br />

System<br />

Orthographic<br />

Input Lexicon<br />

Phonological<br />

Output Lexicon<br />

print<br />

Orthographic<br />

Analysis<br />

Grapheme-<br />

Phoneme<br />

Rule System<br />

Response<br />

Buffer<br />

speech<br />

Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 341ff)<br />

Es wurden Fälle von<br />

Phonologischer<br />

Dyslexie beobachtet,<br />

bei denen das<br />

(korrekte) Lesen von<br />

Wörtern nicht von<br />

semantischem<br />

Verständnis begleitet<br />

war.<br />

41


Oberflächendyslexie<br />

(surface dyslexia)<br />

Patienten haben beim Lesen regulärer Wörter<br />

(engl. Mint /mInt/) oder auch aussprechbarer<br />

Nicht-Wörter keine (oder wenig) Einbußen,<br />

können aber irregulär auszusprechende<br />

Wörter (engl. pint /paInt/) nicht korrekt lesen.<br />

(Häufiger Fehler: Irreguläre Wörter werden<br />

regulär ausgesprochen.)<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 342)<br />

42


Dual-route cascaded model<br />

Lexical route<br />

Non-Lexical route<br />

Semantic<br />

System<br />

Orthograpic<br />

Input Lexicon<br />

Phonological<br />

Output Lexicon<br />

print<br />

Orthograpic<br />

Analysis<br />

Grapheme-<br />

Phome Rule<br />

System<br />

Response<br />

Buffer<br />

speech<br />

Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 341ff)<br />

Patienten mit<br />

Oberflächen-Dyslexie<br />

haben eine intakte<br />

non-lexikalische<br />

Route, aber<br />

Schädigungen der<br />

lexikalischen Route.<br />

43


Zur Vollständigkeit: Tiefendyslexie<br />

Patienten haben ebenfalls beim Lesen von seltenen<br />

Wörtern oder Nicht-Wörtern große Einbußen.<br />

Besonders charakteristisch sind aber sog.<br />

semantische Paralexien („Krug“ ist zu lesen;<br />

„Flasche“ ist die Antwort).<br />

Störung der non-lexikalischen Route (um die<br />

Symptome zu erklären, die Tiefendyslexie<br />

gemeinsam hat mit Phonologischer Dyslexie) und<br />

spezifische Störungen des semantischen Systems<br />

(z.B. mangelnde Inhibition von konkurrierenden<br />

semantischen Einträgen).<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 343f)


Worterkennung im Kontext<br />

• Bislang hatten wir Worterkennung für das<br />

einzelne Wort betrachtet.<br />

• In der realen Sprachverarbeitung findet<br />

Worterkennung fast ausschließlich im Kontext<br />

anderer Wörter statt.<br />

45


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das interactive activation model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Worterkennung im Kontext<br />

Semantisches Priming<br />

Prime<br />

Target<br />

SOA<br />

* in der Regel sind über 95%<br />

der Durchgänge fehlerfrei<br />

** Alternative:<br />

Nur Wörter präsentieren und<br />

Target aussprechen lassen<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 339)<br />

BLUME<br />

Tulpe<br />

Wort<br />

oder<br />

Nichtwort?**<br />

Wörter vs. Nicht-Wörter<br />

(z.B Timate) werden auf<br />

dem Bildschirm präsentiert.<br />

Die Antwortzeit (der<br />

korrekten Antworten*) wird<br />

gemessen.<br />

Die Reaktionszeit ist dann<br />

geringer, wenn ein<br />

semantisch verwandtes<br />

Wort vorangeht.<br />

47


Worterkennung im Kontext<br />

Semantisches Priming<br />

Prime<br />

Target<br />

SOA<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 339)<br />

BLUME<br />

Tulpe<br />

Wort<br />

oder<br />

Nichtwort?<br />

Triviale Deutung: Die<br />

Probanden erkennen,<br />

dass häufig ein<br />

semantisch verwandtes<br />

Wort erscheint und<br />

bilden Erwartungen aus.<br />

Die Antwort darauf ist<br />

Neely (1977) …<br />

48


Worterkennung im Kontext<br />

Semantisches Priming<br />

• Neely (1977) nutzte Kategorienamen (z.B. BODY,<br />

BUILDING) als Primes und Exemplare als Targets<br />

(z.B. heart, door)<br />

• Er induzierte die Erwartung bei den Probanden, dass<br />

in der überwiegenden Mehrzahl der Durchgänge eine<br />

unpassende Prime-Target-Beziehung präsentiert wird<br />

(z.B. fast immer ein Gebäudeteil nach BODY folgt).<br />

• Er variierte darüberhinaus das Zeitintervall zwischen<br />

Prime und Target (stimulus onset asynchrony, SOA)<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 339)<br />

49


Semantisches Priming<br />

Neely (1977)<br />

Erleichterung Erleichterung (+) bzw. Hemmung (-) (<br />

gegenüber gegenüber einer neutralen Prime-Bedingung Prime<br />

(in ms)<br />

Automatischer<br />

Effekt bei kurzer<br />

SOA<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 339)<br />

Erwartungseffekte<br />

bei langer SOA<br />

50


Worterkennung im Kontext<br />

Semantisches Priming<br />

• Kontexte machen Wortbedeutungen<br />

automatisch zugänglich.<br />

• Dies zeigt sich z.B. auch in EKP-Studien.<br />

• Funktion: z.B. Disambiguierung<br />

Nächste Folie<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 339)<br />

51


Worterkennung im Kontext<br />

Semantisches Priming<br />

SOA<br />

The man spent the<br />

entire BLUME FRIEDEN day fishing<br />

on the bank.<br />

Wort<br />

oder<br />

Nichtwort?<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 340)<br />

RIVER<br />

tolerant<br />

In der Anordnung links ist<br />

der Primingeffekt für die<br />

passende Bedeutung<br />

größer als für die<br />

unpassende (hier:<br />

Testwort MONEY)<br />

Kontext „kanalisiert“ die<br />

Auswahl in gewissem<br />

Maße. Allerdings gibt es<br />

auch Evidenz dafür, dass<br />

inhaltlich unpassende<br />

Wörter aktiviert werden.<br />

52


Gliederung<br />

• Modelle der Worterkennung<br />

– Die Pandämonium-Metapher<br />

– Das interactive activation model<br />

– Die Rolle der Phonologie und das<br />

Dual-route cascaded model<br />

• Worterkennung im Kontext<br />

– Wortkontexte<br />

– Lesen von Sätzen


Lesen von Sätzen<br />

• In der natürlichen Lesesituation werden<br />

ganze Sätze gelesen.<br />

• Die psycholinguistische Forschung nutzt hier<br />

neben Lesezeiten vor allem<br />

Blickbewegungsapparaturen.<br />

54


Bitte zählen Sie alle „F“ in dem folgenden<br />

Text innerhalb von 15 Sekunden!<br />

55


Bitte zählen Sie alle „F“ in dem folgenden<br />

Text innerhalb von 15 Sekunden!<br />

56


Bitte zählen Sie alle „F“ in dem folgenden<br />

Text innerhalb von 15 Sekunden!<br />

57


Bitte zählen Sie alle „F“ in dem folgenden<br />

Text innerhalb von 15 Sekunden!<br />

Die „F“ der drei OFs werden mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit<br />

übersehen.<br />

58


Blickbewegung<br />

Fixation<br />

Dauer (in ms)<br />

aus Reichle, Pollatsek, Fisher & Rayner (1998; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 349ff)<br />

59


Blickbewegungsmessung<br />

und die „Moving window“-Technik<br />

• Sakkaden (ballistisch)<br />

• dauern 20-30 ms<br />

• Fixationen typischerweise 200-250 ms<br />

• Etwa 10 % aller Sakkaden gehen im Text zurück (regressions).<br />

Zur Erinnerung (vgl. Folie 6):<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 349)<br />

60


Blickbewegungsmessung<br />

und die „Moving window“-Technik<br />

• Nur ein Ausschnitt des zu lesenden Textes ist klar<br />

sichtbar.<br />

• Die Veränderung des Fensters wird durch die<br />

Blickbewegung des Lesers gesteuert.<br />

• Durch Veränderung des Ausschnitts kann erfasst<br />

werden, welcher Ausschnitt für verlustloses Lesen<br />

notwendig ist.<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 349)<br />

61


Blickbewegungsmessung<br />

und die „Moving window“-Technik<br />

aus Reichle, Pollatsek, Fisher & Rayner (1998; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 349ff)<br />

Typische perceptual<br />

span (d.h.<br />

unbeeinträchtigtes<br />

Lesen ist möglich bei<br />

diesem „window“)<br />

62


Blickbewegungsmessung<br />

und die „Moving window“-Technik<br />

Was passiert im parafovealen Bereich?<br />

Lässt sich über<br />

„Wort-Austausch“-Technik<br />

testen:<br />

Das Wort im parafovealen Bereich wird<br />

während der Sakkade, die zu diesem Wort<br />

springt, ausgetauscht.<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 349)<br />

63


Blickbewegungsmessung<br />

und die „Moving window“-Technik<br />

Was passiert im parafovealen Bereich?<br />

„Wort-Austausch“-Technik<br />

• Kosten?<br />

– Fixationsdauer ist generell länger, wenn Wort ausgetauscht wird<br />

– Dieser Effekt ist aber weniger ausgeprägt, wenn das vorherige<br />

Wort visuell oder phonologisch ähnlich ist<br />

– Semantische Ähnlichkeit bringt nichts.<br />

Keine semantische Verarbeitung im parafovealen Bereich.<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 349)<br />

64


Blickbewegungsmessung<br />

und das „E-Z Reader“-Modell<br />

Was u.a. zu erklären ist:<br />

• Etwa 80 % der inhalttragenden Wörter<br />

(Substantive, Adjektive, Verben) werden fixiert.<br />

• Nur etwa 20 % der Funktionswörter (Artikel, Präpositionen,<br />

Konjunktionen …) werden fixiert.<br />

vgl. Eysenck & Keane (2010, p. 349)<br />

65


Blickbewegungsmessung<br />

und das „E-Z Reader“-Modell • Nach dem Vertrautheitscheck<br />

des fixierten Wortes<br />

wird die nächste<br />

Blickbewegung<br />

vorbereitet.<br />

Reichle et al. (1998; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 350f)<br />

• Nach dem lexikalischen<br />

Zugriff auf das fixierte<br />

Wort wird die<br />

Aufmerksamkeit auf das<br />

nächste Wort gerichtet.<br />

• In der labilen Phase der<br />

Blickbewegungsprogrammierung<br />

kann das<br />

Programm abgebrochen<br />

werden<br />

Überspringen von Wörtern<br />

(s. nächste Folie)<br />

66


Blickbewegungsmessung<br />

und das „E-Z Reader“-Modell<br />

Wenn der Vertrautheits-Check für das nicht-fixierte Wort<br />

abgeschlossen ist, bevor das Blickbewegungsprogramm in seine<br />

stabile Phase übergeht, wird dieses Programm abgebrochen und sofort<br />

durch ein Programm für Wort n+2 abgelöst.<br />

Reichle et al. (1998; vgl. Eysenck & Keane, 2010, p. 350f)<br />

67


Blickbewegungsmessung<br />

und das „E-Z Reader“-Modell<br />

Das Modell kann eine Reihe von Befunden erklären,<br />

z.B.<br />

• „spillover“-Effekt: Nicht nur seltene Wörter werden<br />

länger fixiert, sondern auch das auf das seltene Wort<br />

folgende Wort<br />

Während der langen lexikalischen Zugriffsphase für das<br />

seltene Wort bleibt keine Zeit für parafoveale Verarbeitung<br />

des nächsten Wortes.<br />

• Die Wahrscheinlichkeit des Überspringens steigt für<br />

gebräuchliche, vorhersagbare und kurze Wörter<br />

( die OFs in der „F-Zählen“-Aufgabe).<br />

Eysenck & Keane (2010, p. 349f)<br />

68


Blickbewegungsmessung<br />

und das „E-Z Reader“-Modell<br />

Kritisch ist:<br />

• Beschränkung auf frühe Prozesse (lexikalischer<br />

Zugriff)<br />

• Rein serielle Verarbeitung in „korrekter“<br />

Wortreihenfolge<br />

(Alternative: SWIFT-Modell, Engbert, Nuthmann,<br />

Richter & Kliegl, 2005 parallele Verarbeitung jeweils<br />

dreier Wörter)<br />

• Stark fokussiert auf Erklärung von<br />

Augenbewegungsdaten<br />

Eysenck & Keane (2010, p. 349f)<br />

69


Visuelle Worterkennung<br />

Zusammenfassung<br />

• Worterkennung wird häufig durch<br />

konnektionistische Modelle erklärt<br />

– Rolle von top-down Prozessen<br />

• Die Rolle der Phonologie bei der visuellen<br />

Worterkennung.<br />

• Semantischer Kontext spielt eine große Rolle<br />

– Wichtig: Paradigma des semantischen Primings<br />

• Blickbewegung als Methode der Wahl des<br />

Leseprozesses<br />

70


Allgemeine Psychologie I<br />

Literatur<br />

Basis war<br />

• Eysenck, M. & Keane, M. T. (2010). Cognitive<br />

psychology. A student‘s handbook (6th ed.; Kap. 9, p.<br />

333-353). Hove: Psychology Press.<br />

Weitere zitierte Lehrbuchliteratur<br />

• Engelkamp, J. & Zimmer, H. D. (2006). Lehrbuch der<br />

Kognitiven Psychologie (Kap. 9). Göttingen: Hogrefe.<br />

• Levine, M. W. (2000). Fundamentals of sensation<br />

and perception. Oxford, UK: Oxford University Press<br />

• Zwitserlood, P. & Bölte, J. (2008). Sprachproduktion<br />

und -verstehen. In J. Müsseler (Hrsg.), Allgemeine 71<br />

Psychologie (Kap. 11). Heidelberg: Spektrum.


Allgemeine Psychologie I<br />

Literatur<br />

Weitere zitierte Literatur (hier nur angegeben, sofern<br />

nicht auf der entsprechenden Folie ein Lehrbuch<br />

angegeben war, in dem der jeweilige Text zitiert ist):<br />

• Buchanan, L., McEwen, S., Westbury, C. & Libben, G. (2003).<br />

Semantics and semantic errors: Implicit access to semantic<br />

information from words and nonwords in deep dyslexia. Brain<br />

and Language, 84, 65-83.<br />

• Goldstein, E. B. (2002). <strong>Wahrnehmung</strong>spsychologie.<br />

Heidelberg: Spektrum.<br />

• Grainger, J. & Whitney, C. (2004). Does the human mnid raed<br />

wrods as a wlohe? Trends in Cognitive Sciences, 8, 58-59.<br />

• Rayner, K., White, S. K., Johnson, R. L. & Liversedge, S. P.<br />

(2006). Raeding wrods with jubmled lettres. Psychological<br />

Science, 17, 192-193.<br />

72


Anhang


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

vgl. Eysenck & Keane (2005, p. 334)<br />

61 phoneme units<br />

100 hidden units<br />

105 grapheme units<br />

74


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

• Hochgradige Vernetzung<br />

• Hemmende und aktivierende Verbindungen (d.h. positive und<br />

negative Gewichte)<br />

vgl. Plaut et al. (1996)


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

„an“<br />

„aus“<br />

vgl. Plaut et al. (1996)<br />

Ausgabevektor („Antwort“)<br />

Eingabevektor („Frage“)


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

/b@d/<br />

BAD<br />

vgl. Plaut et al. (1996)<br />

77


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

• „hidden units“ sind Einheiten, denen a priori keine<br />

Bedeutung zugeordnet wird.<br />

• Sie werden für komplexere Lernprozesse benötigt.<br />

vgl. Plaut et al. (1996)<br />

?<br />

78


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

Eine Demonstration findet sich unter<br />

http://psych.rice.edu/mmtbn<br />

dort anklicken:<br />

-„contents“<br />

- Word Production (II): PDP model<br />

- Word Production Simulation<br />

vgl. Plaut et al. (1996)


Das parallel-verteilte Modell<br />

von Plaut et al. (1996)<br />

http://psych.rice.edu/mmtbn/<br />

80


Das parallel-verteilte Modell …<br />

vor dem Lernen<br />

http://psych.rice.edu/mmtbn/<br />

81


Das parallel-verteilte Modell …<br />

vor dem Lernen<br />

• Lernen durch sog. backpropagation (vgl. Eysenck &<br />

Keane, 2005, p. 15)<br />

Start mit Zufallsgewichten<br />

Vergleich von Output-Vektor mit Soll-Vektor<br />

(also: mit )<br />

iterative Adjustierung der Gewichte<br />

http://psych.rice.edu/mmtbn/<br />

82


Das parallel-verteilte Modell …<br />

vor dem Lernen<br />

http://psych.rice.edu/mmtbn/<br />

83

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