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Bodenzone der Polar- und Subpolargebiete - xdjkx

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Otto-Friedrich-Universität Bamberg<br />

Sommersemester 2005<br />

Lehrstuhl Geographie II (Physische Geographie)<br />

Hauptseminar: <strong>Bodenzone</strong>n <strong>der</strong> Erde<br />

Dozent: Prof. Dr. Gerhard Schellmann<br />

Referent: Dominik Kremer<br />

<strong>Bodenzone</strong> <strong>der</strong> <strong>Polar</strong>- <strong>und</strong> <strong>Subpolargebiete</strong><br />

Klima, Vegetation, bodenbildende Prozesse <strong>und</strong> Böden


2<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Lage <strong>und</strong> Abgrenzung .............................................................................................3<br />

2. Subzonale Differenzierung ......................................................................................3<br />

3. Klima........................................................................................................................4<br />

4. Vegetation ...............................................................................................................6<br />

5. Bodenbildende Prozesse.........................................................................................8<br />

6. Böden ....................................................................................................................10<br />

7. Bodenüberformende periglaziale Prozesse...........................................................12<br />

8. Das Beispiel Spitzbergen.......................................................................................13<br />

Literaturverzeichnis ...................................................................................................14<br />

Abbildungen...............................................................................................................15


1. Lage <strong>und</strong> Abgrenzung<br />

3<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Abfolge <strong>der</strong> Klimazonen auf <strong>der</strong> Erde symmetrisch zum Äquator ist die<br />

<strong>Bodenzone</strong> <strong>der</strong> <strong>Polar</strong>- <strong>und</strong> <strong>Subpolargebiete</strong> von einer bipolaren Verteilung gekennzeichnet.<br />

Im Vergleich mit allen an<strong>der</strong>en <strong>Bodenzone</strong>n liegen Arktis <strong>und</strong> Antarktis maximal<br />

voneinan<strong>der</strong> entfernt. Bei einer Betrachtung müssen also zwei disjunkte Räume betrachtet<br />

werden, in denen ähnliche klimatische Bedingungen wirken (Abb.1, 2 u. 3).<br />

Zudem kann auch die genaue Abgrenzung <strong>der</strong> <strong>Polar</strong>- / Subpolarzone unterschiedlich<br />

vorgenommen werden. Während ZECH die Zone polwärts durch das Kriterium einer<br />

maximalen Schneedeckendauer von 300 Tagen pro Jahr beschränkt, bezieht SCHULTZ auch<br />

die polaren Eiswüsten mit ein, die ganzjährig von Schnee bedeckt sind. Äquatorwärts setzen<br />

beide Ansätze die Baumgrenze als definierendes Kriterium. Da für das Vorkommen von<br />

Bäumen vor allem die Temperatur den limitierenden Faktor darstellt, deckt sich diese über<br />

weite Strecken mit <strong>der</strong> 10°C-Juli-Isotherme. Zwar ist für die polare /subpolare Zone auch das<br />

Vorkommen von Dauerfrostboden charakteristisch. Dies kann aber deswegen nicht für eine<br />

Definition genutzt werden, da <strong>der</strong> Permafrost noch bis weit unter die boreale Zone reicht bzw.<br />

auch innerhalb <strong>der</strong> subpolaren Zone (Island) Bereiche existieren, die keinen Permafrost<br />

aufweisen. (ZECH 2002, S. 10, BLÜMEL 1999, S. 46, SCHULTZ 2000, S. 127)<br />

2. Subzonale Differenzierung<br />

Den Hauptunterschied zwischen Arktis <strong>und</strong> Antarktis stellt die inverse Verteilung von<br />

Landmassen <strong>und</strong> Meerwasserkörpern dar. Während sich in <strong>der</strong> Arktis an das <strong>Polar</strong>meer<br />

äquatorwärts große Landmassen anschließen, die sich im Sommer stärker erwärmen können<br />

<strong>und</strong> dann mit Ausnahme Grönlands weitgehend eisfrei sind, besteht die Antarktis<br />

hauptsächlich aus dem gleichnamigen Kontinent, <strong>der</strong> größtenteils ganzjährig von Eis bedeckt<br />

ist, <strong>und</strong> an den sich im Norden das Südpolarmeer anschließt. So sind in <strong>der</strong> Arktis weite<br />

Bereiche Alaskas, Kanadas, Skandinaviens <strong>und</strong> Russlands für Verwitterungs- <strong>und</strong><br />

Bodenbildungsprozesse zugänglich, während in <strong>der</strong> Antarktis lediglich einige Inselgruppen<br />

im Südpolarmeer sowie ein schmaler Küstenstreifen <strong>der</strong> eigentlichen Antarktis die dafür<br />

notwendigen Bedingungen aufweisen.<br />

SCHULTZ (2000) glie<strong>der</strong>t die polare / subpolare Zone allgemein in polare Eiswüsten <strong>und</strong><br />

eisfreie Gebiete, wobei die eisfreien Gebiete offensichtlich die polare / subpolare Zone im<br />

Sinne von ZECH (2002) bezeichnen. Die Grenze zwischen beiden Bereichen folgt größtenteils


4<br />

<strong>der</strong> klimatischen Schneegrenze, an <strong>der</strong> die Akkumulation <strong>und</strong> Ablation von Schnee <strong>und</strong> Eis<br />

im Gleichgewicht stehen. Die eisfreien Gebiete unterteilt SCHULTZ (2000) mit Blick auf die<br />

Arktis weiter in eine Frostschuttzone <strong>und</strong> eine T<strong>und</strong>renzone. Differenzierendes Kriterium ist<br />

dabei die Vegetationsbedeckung. Im Sommer eisfrei, aber nahezu ohne<br />

Vegetationsbedeckung sind die polaren Wüsten <strong>der</strong> Frostschuttzone, in denen auch die<br />

Mitteltemperatur des wärmsten Monats unter 2°C bleibt. Bei einer Mitteltemperatur des<br />

wärmsten Monats von immer noch kälter als 6°C bilden sich hocharktische T<strong>und</strong>ren mit<br />

einem weitabständigen Pflanzenbewuchs. Erst bei höheren Sommertemperaturen kommt es<br />

zur geschlossenen Vegetationsbedeckung <strong>der</strong> subpolaren T<strong>und</strong>ren, die sich bis zur<br />

Baumgrenze erstrecken.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Antarktis kann allgemein zwischen dem Inlandeis, den eisfreien<br />

Küstenbereichen, <strong>und</strong> den vorgelagerten, hochozeanisch geprägten, subpolaren Inseln<br />

unterschieden werden. Der antarktische Kontinent selbst kann in einen maritim gemäßigten<br />

<strong>und</strong> tiefer gelegenen Westteil <strong>und</strong> einen extrem kontinental geprägten <strong>und</strong> zudem<br />

hochgelegenen Ostteil geglie<strong>der</strong>t werden. (ZECH 2002, S. 10, SCHULTZ 2000, S. 127, BLÜMEL<br />

1999, S.48, 53 u. 68)<br />

3. Klima<br />

Neben den bereits genannten Kriterien sind die Verhältnisse <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone<br />

vor allem durch ein Jahreszeitenklima geprägt, bei dem die jährlichen<br />

Temperaturschwankungen die täglichen bei weitem überschreiten. Der halbjährliche Wechsel<br />

zwischen <strong>Polar</strong>nacht <strong>und</strong> <strong>Polar</strong>tag in den hohen Breiten bedingt Jahresamplituden, die je<br />

nachdem, ob sie durch maritime Einflüsse gemil<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> im kontinentalen Bereich<br />

intensiviert werden, zwischen 10 <strong>und</strong> 50 K liegen. Der gesamten Zone ist eine<br />

Jahresmitteltemperatur von unter 0°C gemeinsam, wobei die Vegetationsperiode, in <strong>der</strong> das<br />

Monatsmittel über 5°C liegt, selbst in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>renzone den Zeitraum von drei bis vier<br />

Monaten nicht übersteigt.<br />

Die jährlichen Nie<strong>der</strong>schläge liegen in <strong>der</strong> Regel unter 300mm. Da sich die<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsereignisse gleichmäßig über das Jahr verteilen, ist dies vor allem auf die geringe<br />

Ergiebigkeit <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schläge infolge <strong>der</strong> niedrigen Temperaturen zurückzuführen. Weil<br />

aber auch die jährliche Verdunstung gering bleibt, herrschen zumindest in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>renzone<br />

humide Klimabedingungen vor. Einzig Teile <strong>der</strong> polaren Eis- <strong>und</strong> Kältewüsten, wie sie vor<br />

allem in <strong>der</strong> Ostantarktis zu finden sind, weisen kaltaride Verhältnisse auf.


5<br />

Die Tatsache, dass die Nie<strong>der</strong>schläge unter den gegebenen Temperaturbedingungen<br />

überwiegend als Schnee fallen, hat einen weitreichenden Einfluss auf den Jahresgang <strong>der</strong><br />

Bodentemperatur <strong>und</strong> damit auch auf die Vegetationsperiode in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>renzone. Zur Zeit<br />

des <strong>Polar</strong>tages erreicht die tägliche Strahlungssumme den Wert tropischer Breiten, wenn auch<br />

auf die doppelte Einstrahlungsdauer verteilt. Bei einer geschlossenen Schneedecke von<br />

üblicherweise 20-30 cm werden aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen Albedo davon aber nur 10-20%<br />

absorbiert. Wenn die Schneedecke geschmolzen ist, kann <strong>der</strong> Boden selbst erheblich mehr<br />

(70-85%) <strong>der</strong> eingestrahlten Energie aufnehmen. Auch dann wärmen sich Boden <strong>und</strong><br />

bodennahe Luftschichten jedoch nur langsam auf, da ein großer Teil <strong>der</strong> Energie bei <strong>der</strong><br />

Verdunstung des nun mit Schmelzwasser überstauten Permafrosts verbraucht wird. Fast die<br />

Hälfte <strong>der</strong> im Sommerhalbjahr zugeführten Strahlungsenergie wird darauf verwendet, was<br />

dazu führt, dass die Vegetationsperiode erst erheblich verzögert Anfang Juni beginnen kann<br />

(ZECH 2002, S.10, SCHULTZ 2000, S.130ff., LAUER 1993, S. 21, Abb.4).<br />

Während <strong>der</strong> <strong>Polar</strong>nacht ist eine andauernde Temperaturinversion charakteristisch, bei <strong>der</strong> die<br />

kalte Luft in Senken <strong>und</strong> Täler abfließt. So kommt es vor allem über den vereisten Gebieten<br />

Grönlands <strong>und</strong> <strong>der</strong> Antarktis zu katabatischen Fallwinden, die von Inlandeis radial nach außen<br />

wehen. Diese sind vor allem im Winter stark ausgeprägt, wenn die Luftdruckgegensätze<br />

zwischen dem polaren Kältehoch <strong>und</strong> den subpolaren Tiefdruckrinnen maximal werden. In<br />

<strong>der</strong> Antarktis sorgen diese Winde, die örtlich sogar Orkanstärke erreichen können, für die<br />

Umlagerung von Schnee über weite Entfernungen, halten aber auch teilweise Meeresflächen<br />

ganzjährig eisfrei. Da die zirkumpolaren zyklonalen Westwinde, die sich infolge des<br />

Druckgefälles von Süd nach Nord bilden, auf <strong>der</strong> Südhalbkugel nicht von Landmassen<br />

abgebremst werden, bildet sich hier eine beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägte Tiefdruckrinne, <strong>der</strong>en<br />

Nie<strong>der</strong>schläge im Küstenbereich <strong>der</strong> Antarktis zu Schneeakkumulation führen. Im Sommer ist<br />

<strong>der</strong> Druckgegensatz geringer, wodurch sowohl die katabatischen Winde, als auch die<br />

Tiefdruckrinne schwächer ausgebildet sind (BLÜMEL 1999, S. 50ff u. S. 134).<br />

Während das antarktische Klima also recht gut als Großraum beschrieben werden kann, muss<br />

in <strong>der</strong> Arktis weiter differenziert werden. Dafür sind hauptsächlich zwei Gründe Ausschlag<br />

gebend. Zum einen werden die zykonalen Westwinde über den großen Kontinenten stark<br />

abgebremst, zum an<strong>der</strong>en ermöglicht das Nordpolarmeer, im Gegensatz zu den großen<br />

Landmassen <strong>der</strong> Antarktis, durch Meeresströmungen einen Wärmetransport in die Arktis. Die<br />

markanteste Temperaturanomalie ist dabei im Bereich des Golfstroms ausgeprägt, aber auch<br />

im Bereich <strong>der</strong> Beringstraße sind die klimatischen Verhältnisse durch den Einfluss des<br />

Pazifiks gemil<strong>der</strong>t. Im Ausgleich dazu reicht <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> winterlichen Kälte über den


6<br />

großen kontinentalen Landmassen Sibiriens <strong>und</strong> Kanadas weit nach Süden. In diesen<br />

Bereichen ist allerdings auch die sommerliche Erwärmung stärker, so dass lediglich Grönland<br />

als Insel ganzjährig von Eis bedeckt ist (BLÜMEL 1999, S.130f.).<br />

4. Vegetation<br />

Infolge <strong>der</strong> klimatischen Unterschiede ergeben sich für Arktis <strong>und</strong> Antarktis auch voneinan<strong>der</strong><br />

abweichende Vegetationsbedingungen. Nur einige Gräser <strong>und</strong> Seggen, sowie Moose <strong>und</strong><br />

Flechten kommen in beiden Räumen gleichermaßen vor (SCHULTZ 2000, S. 154).<br />

Die Lebensbedingungen <strong>der</strong> Arktis umfassen neben <strong>der</strong> kurzen <strong>und</strong> relativ kühlen<br />

Vegetationsperiode hydromorph geprägte <strong>und</strong> kryoturbat durchmischte Böden. Da hier nur<br />

äußerst spezialisierte Pflanzen gedeihen können, herrschen artenarme Gesellschaften vor.<br />

Allgemein ist die vertikale Erstreckung <strong>der</strong> Biosphäre in diesem Bereich äußerst gering. Die<br />

maximale Wuchshöhe <strong>der</strong> Pflanzen entspricht dabei in etwa <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Schneedecke am<br />

Ende des Winters. Die schützende Wirkung <strong>der</strong> Schneedecke ist neben <strong>der</strong> isolierenden<br />

Wirkung vor allem deshalb relevant, weil herausragende Pflanzenteile nicht durch vom Wind<br />

verwehte Schneekristalle beschädigt werden können. Ein weiterer Vorteil ergibt sich für die<br />

Pflanzen dadurch, dass durch ihre im Vergleich zur Schneedecke geringere Albedo die<br />

Schneeschmelze, ähnlich Kryokonitlöchern, zuerst bei den Pflanzenkörpern selbst einsetzt. Im<br />

günstigsten Falle ist die Vegetation so zwar rasch von Schnee befreit, durch die verharschte<br />

Schneedecke über ihr aber noch wie in einem Glashaus vor Nachtfrösten geschützt, so dass<br />

die Pflanze unter diesen Bedingungen bereits frühzeitig Photosynthese betreiben kann.<br />

(Abb.6) Der geringen Wuchshöhe entspricht die Erstreckung <strong>der</strong> Wurzeln, die maximal so<br />

weit reichen kann wie die Tiefe <strong>der</strong> sommerlichen Auftauschicht über dem Permafrost<br />

(SCHULTZ 2000, S. 136f. u. S. 153f.).<br />

Da einjährigen Pflanzen im kurzen Sommer nicht die Zeit zur Samenbildung bleibt,<br />

überwiegen perennierende Gewächse. Findet sich in <strong>der</strong> Übergangszone zur Taiga noch ein<br />

lichter Baumbestand aus Zwergsträuchern, Koniferen <strong>und</strong> Birken, sind in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>renzone<br />

immergrüne Kleinsträucher (Chamaephyten) <strong>und</strong> Kräuter mit Erneuerungsknospen<br />

(Hemikryptophyten) im Vorteil, da sie das Temperaturoptimum knapp über <strong>der</strong><br />

Bodenoberfläche direkt nutzen können. Kryptophyten sind bereits wie<strong>der</strong> benachteiligt, da <strong>der</strong><br />

Boden bereits bis zu einer gewissen Tiefe aufgetaut sein muss, bis für sie die<br />

Vegetationsperiode beginnt.


7<br />

Viele Pflanzenarten schaffen sich zusätzlich ihr eigenes Mikroklima, indem sie Polster o<strong>der</strong><br />

Büschel bilden, in denen die Strahlungsabsorption maximiert wird. Dies ist vor allem bei<br />

vegetativer Vermehrung <strong>der</strong> Fall, bei <strong>der</strong> auch am wenigsten Energie für die Reproduktion<br />

benötigt wird. Daneben ist die Verbreitung <strong>der</strong> Samen durch den Wind (Anemochorie)<br />

vorherrschend (SCHULTZ 2000, S. 154ff.).<br />

Allgemein nimmt die Wuchshöhe von Süden nach Norden von bis zu 2 m bis auf wenige cm<br />

ab. Auch <strong>der</strong> Deckungsgrad <strong>der</strong> Vegetation wird mit höherer Breite geringer, so dass die oben<br />

bereits angedeutete zirkumpolare zonale Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vegetation vorgenommen werden<br />

kann. In <strong>der</strong> Frostschuttzone findet sich außer vereinzelten Flechten <strong>und</strong> Moosen kaum<br />

Leben. In <strong>der</strong> hocharktischen T<strong>und</strong>ra o<strong>der</strong> auch Fleckent<strong>und</strong>ra bilden sich bei einer<br />

Vegetationsbedeckung von 10 - 80% verbreitet Inseln aus Weiden, Seggen, Moosen <strong>und</strong><br />

Flechten. Eine nahezu geschlossene Pflanzendecke findet sich in <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>arktischen o<strong>der</strong><br />

Buscht<strong>und</strong>ra. Bei einer Vegetationsbedeckung von mehr als 80% herrschen artenarme<br />

Buschvegetationen <strong>und</strong> Seggen-Moos-Gesellschaften vor. Erst in <strong>der</strong> Waldt<strong>und</strong>ra, die bereits<br />

den Übergangsbereich zur südlich anschließenden borealen Taiga bildet, findet sich zusätzlich<br />

ein lichter Baumbestand aus Zwergsträuchern, Koniferen <strong>und</strong> Birken. Interessanterweise<br />

kommen diese Arten auch in <strong>der</strong> Buscht<strong>und</strong>ra vor, bilden dort aber eine völlig an<strong>der</strong>e<br />

Wuchsform aus, die weniger als degeneriert, son<strong>der</strong>n als hoch angepasst betrachtet werden<br />

muss (SCHULTZ 2000, S. 154 u. 156, ZECH 2002, S.10).<br />

Diese zonale Klassifizierung wird kleinräumig natürlich durch weitere Faktoren wie z.B.<br />

Hangneigung <strong>und</strong> Bodenbeschaffenheit modifiziert. Am größten ist hierbei <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong><br />

Bodenfeuchte. Wie kalte ermöglichen auch trockene Standorte nur eine lückenhafte<br />

Vegetation. Auch hier scheinen Kissen bildende Flechten <strong>und</strong> Gefäßpflanzen im Vorteil zu<br />

sein, da diese Wuchsform auch vor Austrocknung schützt. Bei vergleichbaren thermischen<br />

Bedingungen finden sich bei höheren Feuchtegehalten höherwüchsige Horstgras- <strong>und</strong><br />

Zwergstrauchgesellschaften, während sich auf nassen Standorten Sauergras-Nie<strong>der</strong>moore<br />

o<strong>der</strong> Weidengebüsch-Gesellschaften ausbilden. Wuchshöhe <strong>und</strong> damit Produktion<br />

organischer Substanz nehmen also mit zunehmen<strong>der</strong> Temperatur <strong>und</strong> Bodenfeuchte zu<br />

(SCHULTZ 2000, S.150).<br />

In <strong>der</strong> Antarktis lassen die klimatischen Bedingungen keinen flächigen Pflanzenwuchs mehr<br />

zu. Gerade einmal zwei Arten von Blütenpflanzen sind auf dem gesamten Kontinent bekannt.<br />

Es wäre aber falsch, die Antarktis deswegen als leblos zu bezeichnen. Eine Vielzahl von<br />

verschiedenen Flechten kommt selbst mit diesen extremen Bedingungen zurecht. Die<br />

Anpassung geht teilweise so weit, dass schon bei Temperaturen von -10°C Photosynthese


8<br />

betrieben werden kann <strong>und</strong> bereits bei 0°C das Photosynthesemaximum erreicht wird. Der<br />

limitierende Faktor sind also gar nicht so sehr die niedrigen Temperaturen, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />

die kaltariden Bedingungen. Auch hier haben Flechten als poikilohydre, also wechselfeuchte<br />

Organismen einen Vorteil, da sie längere Phasen <strong>der</strong> Trockenheit unbeschadet überstehen<br />

können.<br />

Allgemein nimmt die Artenvielfalt <strong>und</strong> Verbreitung in <strong>der</strong> Antarktis polwärts bzw. von West<br />

nach Ost ab. Selbst in <strong>der</strong> extrem kalten <strong>und</strong> ariden Ostantarktis können noch bis zu einer<br />

Höhe von 2500m Flechten auftreten. Diese schaffen sich endolithische Lebensräume in<br />

Gesteinsrissen o<strong>der</strong> gar in lichtdurchlässigen Porenräumen des Gesteins <strong>und</strong> können so den<br />

Umweltbedingungen trotzen. In <strong>der</strong> klimatisch etwas gemil<strong>der</strong>ten Westantarktis finden sich<br />

Flechtent<strong>und</strong>ren, wie sie in etwa <strong>der</strong> arktischen T<strong>und</strong>ra entsprechen. Strauchflechten bis zu<br />

5cm Höhe sind hier mit Moosen vergesellschaftet <strong>und</strong> besiedeln vor allem die Luv-Seiten von<br />

vorgelagerten Inseln, wo im Sommer ausreichend Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Auch an<br />

an<strong>der</strong>en günstigen Standorten, wie z.B. Schmelzwasserbahnen, können sich Moose<br />

behaupten.<br />

Alle bisher genannten Arten sind jedoch vollkommen unabhängig davon, ob an <strong>der</strong><br />

Erdoberfläche Bodenbildungsprozesse stattgef<strong>und</strong>en haben. Eine antarktische Beson<strong>der</strong>heit<br />

bildet dagegen die Grasart Deschampsia antarctica, die kleine Polster von wenigen cm Höhe<br />

<strong>und</strong> Durchmesser ausbildet. Neben einem Boden im pedologischen Sinne, <strong>der</strong> zudem wenig<br />

o<strong>der</strong> gar nicht kryoturbat überformt werden darf, benötigt diese Art zum Gedeihen einen<br />

geschützten Standort in Meeresnähe, beständige Zufuhr von Schmelz- o<strong>der</strong> Sickerwasser <strong>und</strong><br />

ein bestimmtes Quantum an Stickstoff in <strong>der</strong> Nähe von Vogelkolonien. Trotz <strong>der</strong> Nähe zu<br />

Feuerland können sich auch in <strong>der</strong> Westantarktis keine weiteren Gräser o<strong>der</strong> Blütenpflanzen<br />

ansiedeln. (BLÜMEL 1999, S.70f.)<br />

5. Bodenbildende Prozesse<br />

Von einer Bodenbildung kann man eigentlich immer nur dann sprechen, wenn neben<br />

mineralischen auch organische Komponenten durch physikalische, chemische <strong>und</strong> biologische<br />

Prozesse zersetzt <strong>und</strong> umgebildet werden <strong>und</strong> wenn es dabei zu einer vertikalen Verlagerung<br />

von Bodenstoffen kommt. Im Sinne dieser Definition ist es unter den beson<strong>der</strong>en<br />

Bedingungen <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone zumindest in <strong>der</strong> Frostschuttzone problematisch,<br />

von Böden zu sprechen. Für die Produkte rein physikalischer Zerkleinerungsprozesse, denen


9<br />

jede organische Substanz fehlt, verwendet BLÜMEL 1999 daher den Begriff<br />

Verwitterungsdecke (KUNTZE et al. 1994, S. 48, BLÜMEL 1999, S. 83 u. S. 154).<br />

Am stärksten eingeschränkt sind die bodenbildenden Prozesse in <strong>der</strong> Antarktis. Von großer<br />

Bedeutung für die Zersetzung <strong>der</strong> anstehenden Gesteine ist hier die Insolationsverwitterung,<br />

da sich selbst bei Lufttemperaturen um den Gefrierpunkt freiliegende Gesteinsflächen<br />

tagsüber auf über 30°C aufheizen können. Der regelmäßige Temperaturwechsel zwischen<br />

Nacht <strong>und</strong> Tag führt zu Spannungen im Mineralverband <strong>und</strong> letztlich zur Zerkleinerung durch<br />

Abgrusen <strong>und</strong> Desquamation. Der Wirkungsgrad <strong>der</strong> Insolationsverwitterung ist in <strong>der</strong><br />

Westantarktis geringer, da hier <strong>der</strong> höhere Bewölkungsgrad die täglichen<br />

Temperaturamplituden mil<strong>der</strong>t. Trotzdem bilden sich auch hier Risse im Gestein, in die die<br />

Feuchtigkeit von Schmelzwässern o<strong>der</strong> sommerlichen Nie<strong>der</strong>schlägen eindringen kann.<br />

Frostwechsel, wie sie in <strong>der</strong> Westantarktis gerade im Sommer häufig auftreten, führen dann<br />

über Frostsprengung zur weiteren Verwitterung des Gesteins. Alle Arten chemischer<br />

Verwitterung sind stark eingeschränkt. Einzig endolithische Flechten bilden einen<br />

Ansatzpunkt für hydrolytische Prozesse. In <strong>der</strong> Ostantarktis spielt Frostverwitterung aufgr<strong>und</strong><br />

des Wassermangels unter den extrem ariden Bedingungen keine Rolle. Allerdings erfor<strong>der</strong>t<br />

auch die hier auftretende Salzsprengung durch Lösungs- <strong>und</strong> Rekristallisationsprozesse<br />

wenigstens eine episodische Durchfeuchtung (BLÜMEL 1999, S. 77ff.).<br />

In <strong>der</strong> Arktis ist die Bedeutung chemischer <strong>und</strong> biologischer Verwitterung gering, wenn auch<br />

vorhanden. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht auch hier die Frostsprengung, die vor allem dadurch an<br />

Effizienz gewinnt, dass die beim Wie<strong>der</strong>gefrieren von <strong>der</strong> Oberfläche her entstehenden<br />

Eiskristalle durch ihre Volumenvergrößerung darunter liegende Wassersäulen unter<br />

hydraulischen Druck setzen. Durch häufige Frostwechsel können die so entstehenden<br />

Verwitterungsprodukte die Korngröße von Grobschluff bis Ton erreichen. Diese weisen<br />

allerdings nach wie vor die mineralogischen Eigenschaften des Ausgangsgesteins auf <strong>und</strong> sind<br />

von <strong>der</strong> Tonmineralneubildung zu unterscheiden.<br />

Selbst in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>ra sind Umbildungs- <strong>und</strong> Verlagerungsprozesse auf die sommerliche<br />

Auftauschicht beschränkt <strong>und</strong> werden dadurch zusätzlich eingeschränkt, dass Schmelz- <strong>und</strong><br />

Regenwässer über dem Permafrost nicht abfließen können. So führt die von den<br />

Schmelzwässern transportierte Energie zwar zu einer relativ großen Auftautiefe, die<br />

Bodentemperaturen bleiben dafür aber gering. Gerade eine geschlossene Vegetation wirkt<br />

dabei zusätzlich isolierend auf darunter liegende Bodenschichten.<br />

Die chemische <strong>und</strong> biologische Umbildung des Bodens ist daneben auch durch das<br />

reduzierende Milieu <strong>und</strong> die hohen CO2-Gehalte <strong>der</strong> mit Wasser überstauten Böden behin<strong>der</strong>t,


10<br />

da nur wenige Bodenorganismen an den weitgehend vollständigen Luftabschluss angepasst<br />

sind. Obwohl die Produktion an Biomasse in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>ra gering ist, kommt es daher zu einer<br />

Akkumulation von organischer Substanz in Form von Torf auf feuchten bzw. zur<br />

Anreicherung mit Rohhumus auf trockenen Standorten. Bei hohen Bodenwassergehalten<br />

steigt darüber hinaus die Wirksamkeit von Kryoturbations- <strong>und</strong> Gelifluktionsprozessen, so<br />

dass die kryogenen Merkmale <strong>der</strong> Böden teilweise die pedogenen überwiegen.<br />

Auf gut durchlüfteten Böden, wie sie durch sandige Ausgangssubstrate o<strong>der</strong> Hanglagen<br />

möglich werden, in denen das Wasser abfließen kann, wird auch unter diesen klimatischen<br />

Bedingungen Verbraunung wirksam. Wird durch eine hinreichend geschlossene <strong>und</strong><br />

produktive Vegetation genügend Rohhumus erzeugt, ist sogar Podsolierung möglich. Dies gilt<br />

auch für die Böden <strong>der</strong> maritim gemil<strong>der</strong>ten Westantarktis. In den extrem ariden Gebieten <strong>der</strong><br />

Ostantarktis dagegen kommt es durch den tendenziell aufwärts gerichteten Bodenwasserstrom<br />

zu Salzausblühungen, die durch die Anwehung von marinen Aerosolen noch verstärkt werden<br />

<strong>und</strong> oberflächliche Salzkrusten aus Gips <strong>und</strong> Calcit bilden. (ZECH 2002, S. 11, SCHULTZ 2000,<br />

S. 133f., S. 139f. u. 149ff., SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL 1998, S. 382f., S.456f., BLÜMEL<br />

1999, S. 82ff.)<br />

6. Böden<br />

Wie die bodenbildenden Prozesse sind auch die aus ihnen resultierenden Böden im<br />

Allgemeinen auf die sommerliche Auftauschicht begrenzt. Ausnahmen treten dann auf, wenn<br />

infolge einer Klimaabkühlung o<strong>der</strong> lokal durch die isolierende Wirkung <strong>der</strong> darüber liegenden<br />

Vegetation Bodenschichten o<strong>der</strong> gar organische Streu in den Bereich des Permafrosts<br />

gelangen, wo sie vor einer weitergehenden Umbildung geschützt sind (SCHULTZ 2000, S.151).<br />

Die Böden <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone lassen sich primär nach Ausgangssubstrat <strong>und</strong> dem<br />

Vorhandensein von Staunässe klassifizieren. Das Präfix Gelic trägt dabei <strong>der</strong> Tatsache<br />

Rechnung, dass die Böden dieser Zone im Allgemeinen über Permafrost ausgebildet sind. Da<br />

diese Bereiche während <strong>der</strong> letzten Eiszeit von Eis bedeckt waren, kann eine Bodenbildung<br />

frühestens vor etwa 14-10 ka eingesetzt haben. Weil unter den gegebenen klimatischen<br />

Bedingungen bodenbildende Prozesse nur sehr langsam ablaufen können, sind in <strong>der</strong><br />

Frostschuttzone zumeist nur arktische Rohböden mit einem direkt auf <strong>der</strong> Verwitterungsdecke<br />

entwickelten Oberboden (Ai/Ah) aufzufinden. Sind diese direkt auf Gesteinsschutt o<strong>der</strong><br />

Felsfluren ausgebildet, werden sie als Gelic Leptosols (T<strong>und</strong>ra-Ranker) bezeichnet. Auf


11<br />

feinkörnigem Substrat, wie es im Bereich <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone vor allem durch<br />

glaziale Sedimentation gebildet wurde, spricht man von Gelic Regosol (T<strong>und</strong>ra-Regosol).<br />

Unter dem Einfluss des überstauten Permafrosts kommt es in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>ra <strong>und</strong> damit vor allem<br />

in <strong>der</strong> Arktis zur hydromorphen Überprägung <strong>der</strong> Böden. Es entstehen Gelic Gleyosols<br />

(T<strong>und</strong>rengleyböden) mit torfigen Oberböden (H) von bis zu 40 cm Mächtigkeit über<br />

Gleyhorizonten, die im oberen Bereich teilweise oxidiert <strong>und</strong> damit fleckig sind (GO), im<br />

unteren Bereich dagegen stets im reduzierenden Milieu liegen (GR). In Senken kann es zur<br />

Akkumulation von torfigen Oberböden mächtiger als 40 cm kommen, da hier das Wasser<br />

beson<strong>der</strong>s schlecht abfließen <strong>und</strong> die Vegetation geschützt vom Wind mehr Biomasse<br />

produzieren kann. In diesem Falle spricht man auch bei darunter liegenden vergleyten<br />

Horizonten von Gelic Histosols (T<strong>und</strong>ra-Moor) (Abb.7).<br />

Fehlen bei beson<strong>der</strong>s sandigen Böden o<strong>der</strong> in Hanglage die hydromorphen Merkmale,<br />

konnten sich die Initialböden über Entkalkung <strong>und</strong> Verbraunung zu Gelic Cambisols<br />

(Arktische Braunerden) weiterentwickeln, bei denen unter dem Ah- ein Bv-Horizont<br />

ausgebildet ist. Auf quarzreichen Ausgangssubstraten bzw. bei hinreichend hoher<br />

Rohhumusproduktion kann es sogar zur Podsolierung kommen, wenngleich dies hier eher<br />

selten ist <strong>und</strong> vor allem in <strong>der</strong> borealen Zone vorkommt.<br />

Allgemein reagieren die Böden <strong>der</strong> T<strong>und</strong>renzone durchwegs sauer bis stark sauer, wobei<br />

Gelic Gleyosols vorherrschen. Da den Rohböden <strong>der</strong> Frostschuttzone sowohl die mächtigen<br />

Auflagen organischer Streu als auch das hydromorphe Gepräge fehlt, ist ihr pH-Wert vom<br />

Ausgangssubstrat bestimmt, weshalb sie alkalisch bis schwach sauer reagieren. Bestimmend<br />

ist hier <strong>der</strong> Gelic Regosol (SCHULTZ 2000, S. 149ff., ZECH 2002, S. 11, SCHEFFER/<br />

SCHACHTSCHABEL 1998, S. 456f. u. 463, KUNTZE et al. 1994, S. 307, BLÜMEL 1999, S.<br />

156ff.).<br />

Die arktischen Rohböden, sowie die arktischen Braunerden sind in dieser Form auch in den<br />

eisfreien Gebieten <strong>der</strong> maritim geprägten Westantarktis zu finden. Eine antarktische<br />

Beson<strong>der</strong>heit stellen hier die sog. Ornithosole dar, äußerst nährstoffreiche Böden, die sich im<br />

Bereich von Pinguinkolonien entwickeln können, die laut SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL 1998<br />

nach <strong>der</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Kolonie aber zur Versauerung neigen. In <strong>der</strong> ariden Ostantarktis kommt<br />

es dagegen außer Salzausblühungen in skelettreichen Verwitterungsdecken kaum zu<br />

nennenswerten Bodenbildungen (BLÜMEL 1999, S. 82ff., SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL 1998,<br />

S. 463f.).<br />

Im gesamten Bereich <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone ist darüber hinaus die Bezeichnung <strong>der</strong><br />

Böden als Cryosole gerechtfertigt. Wenn am Ende des Sommers die Auftauschicht wie<strong>der</strong>


12<br />

gefriert, beginnt dieser Prozess an <strong>der</strong> Erdoberfläche. Im Boden befinden sich noch reichlich<br />

Schmelzwässer, die sich beim Gefrieren ausdehnen <strong>und</strong> auf die darunter liegenden noch nicht<br />

gefrorenen Bodenschichten kryostatischen Druck ausüben. Dadurch kommt es zu<br />

kryoturbaten Verwürgungs- <strong>und</strong> Durchmischungsprozessen bis hin zu Frostaufbrüchen, die<br />

das pedogene Bodenprofil modifizieren <strong>und</strong> umgestalten. (KUNTZE et al. 1994, S. 290,<br />

SCHEFFER/ SCHACHTSCHABEL 1998, S. 456f., SCHULTZ 2000, S. 134, Abb.5, 8 u. 9)<br />

7. Bodenüberformende periglaziale Prozesse<br />

Nicht als Böden im pedologischen Sinne, aber doch als oberflächlich sichtbares räumliches<br />

Verteilungsmuster bedeutsam sind Strukturböden. Dabei werden zunächst grobkörnige<br />

Komponenten durch Auffrierprozesse angehoben <strong>und</strong> die Hohlräume beim Abschmelzen<br />

durch feinkörniges Substrat verfüllt. Die exponierte Lage begünstigt gravitativ bedingten<br />

lateralen Transport, durch den sich das grobkörnige Material lokal sammeln kann. So bilden<br />

sich Steinnetz- bzw. ab einer gewissen Hangneigung Steinstreifenböden (Abb.12).<br />

Polygonale Eiskeilnetze entstehen in <strong>der</strong> Aufsicht, wenn es ab einer Abkühlung des Bodens<br />

auf -15°C zu einer Verringerung des Eisvolumens um 10% gegenüber dem Gefrierpunkt <strong>und</strong><br />

nachfolgend zu Kontraktionsrissen kommt, die während des Schmelzvorganges wie<strong>der</strong> durch<br />

Schmelzwasser <strong>und</strong> Bodenpartikel verfüllt werden. Dieser Prozess wie<strong>der</strong>holt sich dann<br />

jährlich umso leichter an den vorgegebenen Rissen, so dass sich Eiskeilspalten von ca. 1,5m<br />

Breite <strong>und</strong> bis zu 4m Tiefe ausbilden können. Eiskeile sind in ihrem Vorkommen an<br />

kontinuierlichen Permafrost geb<strong>und</strong>en. Sind die Kontraktionsrisse ausschließlich durch<br />

Bodenmaterial verfüllt, spricht man von Feinerdenetzen, die natürliche Leitlinien für die<br />

Vegetation bieten (Abb.10 u. 11).<br />

Kommt es durch den kryostatischen Druck beim Wie<strong>der</strong>gefrieren des Bodens lediglich zu<br />

Frostaufbrüchen, spricht man von Feinerdekreisen o<strong>der</strong> „mudpits“. Bei einer unversehrten<br />

Oberfläche entsteht ein Gefälle des Wasserpotentials vom ungefrorenen Boden zur bereits<br />

gefrorenen Bodenoberfläche, so dass sich dort Eislinsen bilden können. Sind diese durch<br />

Vegetation ganzjährig vom Auftauen geschützt, entstehen Thufure genannte Auffrierhügel,<br />

die ungefähr einen halben Meter Höhe erreichen können. Unter <strong>der</strong> isolierenden Wirkung<br />

auflagern<strong>der</strong> Torfschichten können solche Auffrierhügel unter dem Namen Palsas Höhen bis<br />

10m erreichen. Diese Formen sind charakteristisch für diskontinuierlichen Permafrost.<br />

Maximal 100m Höhe erreichen Pingos, bei denen lateraler Zufluss von Wasser gemäß des<br />

Potentialgefälles, wie er beim Gefrieren von Intrapermafrostgewässern (Taliki) auftreten


13<br />

kann, den Aufbau <strong>der</strong> Eislinse erheblich verstärkt. Da Pingos keine schützende<br />

Vegetationsdecke besitzen, kann sich <strong>der</strong> Prozess allerdings auch wie<strong>der</strong> bis zum<br />

vollständigen Abschmelzen <strong>und</strong> nachfolgen<strong>der</strong> Bildung eines Gewässers umkehren.<br />

Neben Kryoturbation <strong>und</strong> Auffrierprozessen trägt auch Solifluktion in <strong>der</strong> wassergesättigten<br />

sommerlichen Auftauschicht (Gelifluktion) mit dazu bei, dass bodenbildende Prozesse nur<br />

selten ungestört ablaufen können. Unter Vegetation ist dabei von geb<strong>und</strong>ener, sonst von freier<br />

Gelifluktion die Rede. (SCHULTZ 2000, S. 142ff., KARTE 1979, S. 37-58)<br />

8. Das Beispiel Spitzbergen<br />

Da die Böden <strong>der</strong> polaren / subpolaren Zone also neben pedogenen auch kryogenen<br />

Überformungen ausgesetzt sind, ergibt sich lokal eine wesentlich kleinteiligere<br />

Differenzierung, als die oben vorgestellte typologische Differenzierung berücksichtigen kann.<br />

Untersuchungen am Beispiel Spitzbergen ergaben, dass neben Klima, Relief <strong>und</strong> anstehendem<br />

Gestein auch landschaftsgenetische <strong>und</strong> geomorphologische Merkmale für eine hinreichende<br />

Klassifizierung <strong>der</strong> vorgef<strong>und</strong>enen Böden unabdingbar sind.<br />

Chemische Verwitterung konnte in den Sommermonaten auf Spitzbergen durchaus<br />

nachgewiesen werden; <strong>der</strong>en Effekt wurde durch kryoturbate Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> vertikalen<br />

Bodenschichtung jedoch mehr als ausgeglichen. Eine Bodenentwicklung, die über gelic<br />

Regosole o<strong>der</strong> Leptosole hinausgeht, war nur auf relativ stabilen <strong>und</strong> gut durchlüfteten<br />

Standorten zu beobachten, wie sie vor allem auf marinen Sedimenten gegeben ist. Nur dort<br />

konnten sich die Böden durch Verbraunung bis zu Gelic Cambisols weiterentwickeln.<br />

Da die wenigsten Standorte über längere Zeit stabile Bedingungen aufweisen, konnten<br />

mehrfach fossile Bodenhorizonte nachgewiesen werden, <strong>der</strong>en Entwicklung durch kryogene<br />

Umlagerung unterbrochen wurde. Kryogene <strong>und</strong> pedogene Prozesse können also zwar am<br />

selben Ort, nie jedoch gleichzeitig wirksam werden. Das Vorkommen von Vegetation stellt<br />

dabei kein Indiz für die Stabilität <strong>der</strong> Böden dar, da gerade kryogen geprägte Böden wegen<br />

des hohen Wassergehaltes als bevorzugte Standorte gelten müssen. (EBERLE 1994, S.175ff.,<br />

BLÜMEL <strong>und</strong> EBERLE 1994, S. 233ff.)


Literatuverzeichnis<br />

BLÜMEL, Wolf Dieter (1999): Physische Geographie <strong>der</strong> <strong>Polar</strong>gebiete. Leipzig: Teubner.<br />

14<br />

BLÜMEL, Wolf Dieter <strong>und</strong> Joachim EBERLE (1994): Merkmale chemischer Verwitterung in<br />

hochpolaren Böden – Ergebnisse pedologisch-sedimentologischer Untersuchungen<br />

in NW-Spitzbergen. Zeitschrift für Geomorphologie 1994 (97), 233-242.<br />

EBERLE, Joachim (1994): Untersuchungen zur Verwitterung, Pedogenese <strong>und</strong><br />

Bodenverbreitung in einem hochpolaren Geosystem (Liefdefjord <strong>und</strong> Bockfjord/<br />

Nordwestspitzbergen. Stuttgarter Geographische Studien 121, Stuttgart.<br />

KARTE, Johannes (1979): Räumliche Abgrenzung <strong>und</strong> regionale Differenzierung des<br />

Periglaziärs. Bochumer Geographische Arbeiten 35, Pa<strong>der</strong>born.<br />

KUNTZE, Herbert, ROESCHMANN, Günter <strong>und</strong> Georg SCHWERDTFEGER ( 5 1994): Bodenk<strong>und</strong>e.<br />

Stuttgart, Eugen Ulmer.<br />

LAUER, Wilhelm (1993): Klimatologie, hg. v. LESER, Hartmut <strong>und</strong> Klaus ROTHER.<br />

Braunschweig: Westermann.<br />

SCHACHTSCHABEL, Paul et. al. ( 14 1998): Lehrbuch <strong>der</strong> Bodenk<strong>und</strong>e. Stuttgart: Enke.<br />

SCHULTZE, Jürgen (2000): Handbuch <strong>der</strong> Ökozonen. Stuttgart: Ulmer.<br />

ZECH, Wolfgang <strong>und</strong> Gerd HINTERMAIER-ERHARD (2002): Böden <strong>der</strong> Welt. Ein Bildatlas.<br />

Berlin: Spektrum.


Abbildungen<br />

15<br />

Abb.1: <strong>Bodenzone</strong>n <strong>der</strong> Erde (SCHULTZ 2000, S.34).<br />

Abb.2: Bodengesellschaften in <strong>der</strong> Nördlichen T<strong>und</strong>ra (ZECH 2002, S.15).


Abb.3: Bodengesellschaften in <strong>der</strong> Südlichen T<strong>und</strong>ra (ZECH 2002, S.15).<br />

Abb.4: Vertikale Temperaturgradienten in <strong>der</strong> T<strong>und</strong>ra (SCHULTZ 2000, S.134).<br />

16


Abb.5: Jahresgang <strong>der</strong> Bodentemperaturen in Nordskandinavien (SCHULTZ 2000, S.135).<br />

Abb.6: Eis-Glashäuser (SCHULTZ 2000, S.138).<br />

17


Abb.7: Histic Horizonte (ZECH 2002, S.13).<br />

Abb.8: Kryoturbationen (ZECH 2002, S.13).<br />

18


Abb.9: Buckelwiesen infolge kryogener Prozesse (ZECH 2002, S.14).<br />

19<br />

Abb.10: Eiskeilpolygone (SCHULTZ 2000, S.143).


Abb.11: Polygonnetz (ZECH 2002, S.14).<br />

Abb.12: Steinstreifen (ZECH 2002, S.14).<br />

20

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