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Zinzendorf - Vereinigung fuer Heimatforschung in Vogelsberg ...

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Graf von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> im Ysenburger Land<br />

Am 9.Mai vor 250 Jahren starb <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> .Er lebte von 1700<br />

bis 1760. <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> war Reichsgraf. Reichsgrafen gab es<br />

bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher<br />

Nation im Jahr 1806 .Nicht alle Reichsgrafen gehörten zum<br />

höchsten europäischen Adel , der unmittelbar dem Kaiser<br />

unterstand , denn Reichsgraf durfte sich auch nennen,<br />

wer den blossen Ehrentitel Reichsgraf direkt vom römischdeutschen<br />

Kaiser verliehen bekommen oder <strong>in</strong>direkt im<br />

Rahmen der Erbfolge erlangt hatte .Zur letztgenannten<br />

Gruppe gehörte Nikolaus Ludwig von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> als Sohn<br />

e<strong>in</strong>es begüterten sächsischen M<strong>in</strong>isters, der vom Kaiser zum<br />

Reichsgrafen erhoben worden war. Von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong><br />

entstammte e<strong>in</strong>er vom Pietismus geprägten Familie. Se<strong>in</strong><br />

Vater starb früh. Se<strong>in</strong>e Mutter g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e neue Ehe e<strong>in</strong>. Bis zu<br />

se<strong>in</strong>em 10.Lebensjahr leitete <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Grossmutter<br />

Henriette Kathar<strong>in</strong>a von Gersdorf aus Grosshennersdorf <strong>in</strong><br />

der Oberlausitz die Erziehung des Enkels , dann legte sie<br />

se<strong>in</strong>e weitere schulische Ausbildung <strong>in</strong> die Hände August<br />

Hermann Franckes, des Leiters der von ihm gegründeten<br />

pietistischen pädagogischen und sozialen Anstalten <strong>in</strong> Halle,<br />

die unter dem Namen Waisenhaus e<strong>in</strong> Begriff waren. Von<br />

1716 bis 1720 befasste <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> sich mit dem Studium der<br />

Rechte , nebenher auch etwas mit dem der Theologie. 1721<br />

wurde er Dresdener Hofrat <strong>in</strong> Diensten Augusts des Starken<br />

(1670-1733) .1722 heiratete er Erdmuthe Dorothea Gräf<strong>in</strong><br />

Reuss-Ebersdorf. Im gleichen Jahr erwarb er von se<strong>in</strong>er<br />

Grossmutter das <strong>in</strong> Ostsachsen, der Oberlausitz ,gelegene<br />

Rittergut Mittelberthelsdorf.<br />

Dort begann 1722 die Entstehung von Herrnhut mit der<br />

Ansiedlung evangelischer Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Mähren ( von<br />

Mähren, Morawien,wird im englisch-amerikanischen<br />

Sprachraum der Name "Moravian Settlements" für die


Herrnhuter Geme<strong>in</strong>en abgeleitet ) ; es kamen zu den<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen aus Mähren noch aus Schlesien stammende<br />

ebenfalls verfolgte Pietisten ,vor allem Schwenkfeldianer,<br />

h<strong>in</strong>zu. Der Name Herrnhut bedeutet "<strong>in</strong> der Hut des Herrn".<br />

Herrnhut wurde zu e<strong>in</strong>em Zentrum der Heidenmission. Die<br />

Mission war bereits früh Hauptanliegen <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s, der<br />

schon als 15-jähriger e<strong>in</strong>en "Senfkornorden" gem.Matth.<br />

13,31u.32 ( Das Himmelreich ist gleich e<strong>in</strong>em Senfkorn, das e<strong>in</strong> Mensch nahm<br />

und säte es auf se<strong>in</strong>en Acker; welches ist das kle<strong>in</strong>ste unter allem Samen; wenn er<br />

erwächst, so ist es das größte unter dem Kohl und wird e<strong>in</strong> Baum, daß die Vögel<br />

unter dem Himmel kommen und wohnen unter se<strong>in</strong>en Zweigen.) ,<br />

zusammen mit Friedrich von Watteville, gründete,mit dem<br />

Ziel,nicht nur Christus treu und zu allen Menschen gut zu<br />

se<strong>in</strong> , sondern auch das Evangelium <strong>in</strong> der Welt zu<br />

verbreiten.Tatsächlich vollbr<strong>in</strong>gt seit ihrem Bestehen die<br />

Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e Missionsleistungen, die diejenigen<br />

aller anderen Missionswerke weltweit <strong>in</strong> den Schatten stellen.<br />

Verbreitet ist die Brüder-Unität mit etwa e<strong>in</strong>er Million<br />

Mitgliedern jetzt ausser <strong>in</strong> Deutschland vor allem <strong>in</strong> Afrika<br />

(Kongo,Malawi,Sambia) Albanien, Estland,Lettland,der<br />

Schweiz, den Niederlanden,Dänemark (Christiansfeld). der<br />

Karibik (Kuba,Französisch -Guayana,Honduras) <strong>in</strong> Nepal,<br />

Nordamerika (Pennsylvania,Bethlehem),North-Carol<strong>in</strong>a<br />

(W<strong>in</strong>ston-Salem), Sur<strong>in</strong>ame ,Paläst<strong>in</strong>a.<br />

1727 trat der Graf aus dem Staatsdienst aus, 1731 versuchte<br />

er vergeblich,am dänischen Hof Fuss zu fassen.<br />

E<strong>in</strong>en Orden, der ihm vom dänischen König verliehen worden<br />

war, gab er später zurück, weil der König <strong>in</strong> <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s<br />

geistlichen Stand nicht e<strong>in</strong>zuwilligen bereit war.1734 wurde er<br />

Kandidat des Predigtamtes <strong>in</strong> Stralsund und <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen als<br />

lutherischer Theologe ord<strong>in</strong>iert. 1737 schloss sich <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Ord<strong>in</strong>ation zum Bischof der Mährischen<br />

Brüdergeme<strong>in</strong>de an . Schon vorher kurzfristig, dann aber


länger, von 1736 bis 1747 ,war <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> durch den<br />

sächsischen Kurfürsten (erst 1806 stieg das Kurfürstentum<br />

zum Königreich auf) wegen "Unordnungen und<br />

Religionsstörungen" aus Sachsen verbannt. E<strong>in</strong>erseits hatte<br />

die Staatskirche, die sich von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Bewegung gestört<br />

fühlte, auf e<strong>in</strong>e Verbannung h<strong>in</strong>gearbeitet, andererseits hatte<br />

Kaiser Karl VI <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenhändig abgezeichneten<br />

Beschwerde an die kursächsische Regierung ,weil ihm <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Eigenschaft als König von Böhmen Untertanen<br />

entfremdet würden, mit Nachdruck die Ausweisung der<br />

Herrnhuter Flüchtl<strong>in</strong>ge gefordert.<br />

Neuerungen,die der Pietismus mit sich gebracht hatte,<br />

waren aus der Sicht der Pietisten die Betonung praktischen<br />

Christentums , Askese, sowie der Kampf gegen die<br />

Lähmung des religiösen Bewusstse<strong>in</strong>s der Orthodoxie. Aus<br />

der Sicht der <strong>in</strong> Sachsen etablierten Kirche war die<br />

Bekehrungswut der Pietisten zu beanstanden, das Streben<br />

nach e<strong>in</strong>er universalistisch-christlichen Kirche, also<br />

Separatismus, e<strong>in</strong>e krankhafte Überspanntheit, Exzentrik. Als<br />

ausgesprochen exzentrisch wurden zur Herrnhaag-Zeit vor<br />

allem ausgelassene lustige Festlichkeiten ,sogenannte<br />

Niedlichkeiten, empfunden, deren Ausrichtung<br />

"Schätzelgesellschaften" oblag .Diese "Niedlichkeiten" wurden<br />

mit Leichts<strong>in</strong>nigkeit gleichgesetzt . Es kam zu zahlreichen<br />

Warnungen, die ärgsten Auswüchse wurden zu guter Letzt<br />

von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> beseitigt , der, weil er immer wieder lange auf<br />

Missionsreisen unterwegs war, erst spät , dann aber<br />

energisch, mit e<strong>in</strong>em geharnischten Strafbrief, e<strong>in</strong>griff .<br />

Danach trat e<strong>in</strong>e Läuterung der Religionsausübung der<br />

Brüdergeme<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>.<br />

Bis heute setzen die Herrnhuter Pietisten auf Erweckung, also<br />

persönliche Gotteserfahrung des e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gläubigen ,pflegen geme<strong>in</strong>sames Bibelstudium und Gebet


und gehen grundsätzlich von Irrtumsfreiheit der Bibel sowie<br />

dem Priestertum aller Gläubigen aus.Es gibt Diakone,<br />

Presbyter und Bischöfe. Die Bischöfe s<strong>in</strong>d blosse<br />

Titularbischöfe, über kirchliche Vollmachten verfügen die<br />

Unitäts-Ältesten . Besonderheit : am 16.September 1741, auf<br />

e<strong>in</strong>er Synode <strong>in</strong> London, wurde Jesus selbst, wohl durch das<br />

Los,als Generalältester der Herrnhuter angenommen.<br />

Die Herrnhuter kennen auch die Frauenord<strong>in</strong>ation. Angelene<br />

Harriet Swart wurde 2007 zur<br />

Präsident<strong>in</strong> der aus e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>nerkirchlichen<br />

Erneuerungsbewegung hervorgegangenen Evangelischen<br />

Freikirche gewählt .Freikirchen lehnen e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung<br />

durch die Kirchensteuer ab und f<strong>in</strong>anzieren sich durch<br />

freiwilige Beiträge und Spenden .<br />

Im Herrnhuter Gottesdienst , der zusätzlich zu den <strong>in</strong> allen<br />

evangelischen Kirchen üblichen Aktivitäten an Festtagen<br />

spezielle "Agapefeiern" kennt, wird die Geme<strong>in</strong>schaftsidee<br />

besonders unterstrichen. E<strong>in</strong>e Agapefeier ist e<strong>in</strong><br />

„Liebesmahl“. Dabei wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em liturgischen Rahmen Tee<br />

getrunken und es werden Brötchen gegessen .Von den<br />

Herrnhutern werden ausser Predigtgottesdiensten auch<br />

Liedgottedienste gefeiert .Bei der sogenannten<br />

„S<strong>in</strong>gstunde“ , trifft sich die Geme<strong>in</strong>de zu e<strong>in</strong>er<br />

Wochenschlussandacht , um Lieder geme<strong>in</strong>sam zu s<strong>in</strong>gen .<br />

Auch Liedstrophen können nach Me<strong>in</strong>ung der Herrnhuter<br />

predigen ; man geht davon aus, dass mit dem geme<strong>in</strong>samen<br />

S<strong>in</strong>gen die Geme<strong>in</strong>de unter Mitwirkung aller anwesenden<br />

Mitglieder gewissermassen ihre Predigt selbst hält .<br />

Es gibt verschiedene Spielarten des Pietismus, e<strong>in</strong>e davon,<br />

die lutherische, der <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> angehörte, wurde von Philipp<br />

Jacob Spener begründet (1635-1705).<br />

Spener war e<strong>in</strong>er der Taufpaten von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s (so


Glaubrecht ,<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> <strong>in</strong> der Wetterau,1925,S. 21.<br />

Glaubrecht war das Synonym für den Pfarrer und<br />

Schriftsteller Rudolf Oeser aus LIndheim , 1807-1859).<br />

Der junge Goethe nahm 1769 ,zusammen mit e<strong>in</strong>em<br />

befreundeten Pietisten, J.F.Morgenstern,an der Herrnhuter<br />

Synode teil , der letzten ,die <strong>in</strong> Marienborn stattfand.<br />

Marienborn zur Goethezeit, Maler unbekannt


Hofgut Marienborn heute , das Schloss ist<br />

verschwunden<br />

Alexander Demandt erwähnt diese Marienborn-Begebenheit<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz "Geschichte im Leben Goethes", <strong>in</strong> den<br />

Büd<strong>in</strong>ger Geschichtsblättern Band XX, 2007/08, S.29.<br />

Goethe war von der Synode bee<strong>in</strong>druckt und wäre wohl<br />

be<strong>in</strong>ahe zum Anhänger geworden. Jedenfalls wirkte das<br />

Herrnhuter Religionsverständnis ,über das er besonders oft<br />

mit e<strong>in</strong>em pietistischen Freund ,Ernst Theodor Langer, sowie<br />

der von ihm "schöne Seele", genannten Pietist<strong>in</strong> Susanna<br />

Kathar<strong>in</strong>a von Klettenberg, diskutierte , noch lange <strong>in</strong> ihm<br />

nach. Goethe lässt Im 6.Buch se<strong>in</strong>es Werkes "Wilhelm<br />

Meisters Lehrjahre" wiederholt se<strong>in</strong> Interesse am Herrnhuter<br />

Pietismus durchblicken.Als der Weisheit letzten Schluss sah<br />

er den Pietismus aber nicht an , denn <strong>in</strong> späteren Jahren<br />

fühlte er sich weitaus mehr als zum Pietismus zum<br />

Neuplatonismus Plot<strong>in</strong>s h<strong>in</strong>gezogen, demzufolge sich die<br />

Seele des Menschen durch Ekstase und Visionen mit dem<br />

Ursprung, dem Allwesen, vere<strong>in</strong>igen könne.


<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> regelte akribisch die Kopfbedeckung der<br />

weiblichen Gläubigen : es wurden zum Beispiel weisse<br />

Hauben für die Witwen, Frauen, Jungfrauen und Mädchen<br />

vorgeschrieben , unterschieden durch die Farben der Bänder<br />

(weiss, blau, rosa, rot ).<br />

Er räumte aber , ungewöhnlich für die damalige Zeit, den<br />

Frauen e<strong>in</strong>e starke Stellung e<strong>in</strong>.Es gab -grundsätzlich durch<br />

das Los als e<strong>in</strong>e Art von Gottesurteil bestimmte - Ämter wie<br />

das der Ältest<strong>in</strong>, der Helfer<strong>in</strong>,der Lehrer<strong>in</strong>,der Aufseher<strong>in</strong>, der<br />

Ermahner<strong>in</strong>, der Diener<strong>in</strong>,der Almosenpfleger<strong>in</strong>, der<br />

Krankenwärter<strong>in</strong>. <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> redete übrigens , als erster, von


der dritten Wesenheit Gottes, dem heiligen Geist, als<br />

"Geist<strong>in</strong>" .Die Dreie<strong>in</strong>igkeit von Vater, Sohn und Heiligem<br />

Geist sah <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> als göttliche Familie von Vater, Sohn<br />

und Mutter, so dass die Vorstellung von e<strong>in</strong>em Mutteramt<br />

des Heiligen Geistes e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle für ihn spielte .<br />

Er kämpfte vehement gegen Judenhass.<br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> dichtete die - im Lauf der Zeit allerd<strong>in</strong>gs durch<br />

Dritte stark veränderten- Texte zu etwa 2000 Kirchenliedern.<br />

E<strong>in</strong>ige dieser Lieder werden heute noch gesungen (zum<br />

Beispiel "Herz und Herz vere<strong>in</strong>t zusammen", "Jesu geh<br />

voran", "Herr,De<strong>in</strong> Wort, die edle Gabe") .Dass <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s<br />

Lieder und se<strong>in</strong>e sonstige Lyrik <strong>in</strong>tensiv bearbeitet wurden,<br />

liegt daran, dass sie sehr bald als zensurbedürftig erkannt<br />

wurden , sei es wegen e<strong>in</strong>er allzu überschwenglichen Jesus-<br />

Verehrung („Jesu, süsse Lust/ aus der Liebes-Brust;/ nimm<br />

mich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>e Stille./ E<strong>in</strong> Genuss aus de<strong>in</strong>er Fülle/ macht<br />

mich seliger/ als e<strong>in</strong> Wollust-Meer“ ) oder wegen des<br />

besonders bei den bereits erwähnten "Niedlichkeiten" im<br />

Mittelpunkt stehenden "Seitenhöhlchen" -Kults (der religiösen<br />

Verehrung der Lanzenstich-Wunde Jesu).<br />

1728 schuf <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> die Herrnhuter Losungen, die für<br />

jeden Tag e<strong>in</strong> Wort aus dem Alten und dem Neuen Testament<br />

nebst e<strong>in</strong>em Lied-Vers oder e<strong>in</strong>em Gebet br<strong>in</strong>gen und<br />

Menschen verschiedener Konfessionen und verschiedenen<br />

Frömmigkeitsgrades verb<strong>in</strong>den. Die Losungen werden jährlich<br />

<strong>in</strong> Herrnhut durch Auslosung<br />

festgelegt.<br />

Überhaupt suchte <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft .Se<strong>in</strong>e These<br />

war:<br />

"Ich statuiere ke<strong>in</strong> Christentum ohne Geme<strong>in</strong>schaft".<br />

Er wollte alle Christen ansprechen, nicht nur solche<br />

evangelischen Bekenntnisses, strebte im Grunde e<strong>in</strong>e


universelle Religion an . Zu e<strong>in</strong>er wahren Geme<strong>in</strong>e Jesu<br />

gehörte nach se<strong>in</strong>er Überzeugung die Suche nach der<br />

Geme<strong>in</strong>schaft mit den anderen K<strong>in</strong>dern Gottes (Reichel <strong>in</strong> "wir<br />

geben alles h<strong>in</strong>, nur e<strong>in</strong>es nicht, die Geme<strong>in</strong>e-Das<br />

Selbstverständnis der Herrnhuter Geme<strong>in</strong>e auf dem<br />

Herrnhaag im 18.Jahrhundert, Büd<strong>in</strong>ger Geschichsblätter<br />

Band XIII,1988,250 Jahre Herrnhaag, S.12.)<br />

Noch heute s<strong>in</strong>d die Losungen Bestseller . Auf dem Grabste<strong>in</strong><br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s <strong>in</strong> Herrnhut steht:<br />

»Er war gesetzt, Frucht zu<br />

br<strong>in</strong>gen und e<strong>in</strong>e Frucht, die da bleibet«.<br />

1738 verlegte der aus Sachsen ausgewiesene <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong><br />

se<strong>in</strong>e Tätigkeit <strong>in</strong> die Wetterau, zur Ronneburg ,<br />

Ronneburg<br />

nach Schloss Marienborn (wo zahlreiche Synoden<br />

stattfanden, auch noch , bis 1769 ,nach der Auflösung der<br />

Herrnhaager Geme<strong>in</strong>e, und wo e<strong>in</strong> später nach Herrnhut<br />

verlegtes zentrales Archiv geschaffen wurde),


Stahlstich aus dem Nachlass von Dr.Walter Niess,<br />

Büd<strong>in</strong>gen<br />

nach<br />

L<strong>in</strong>dheim , jetzt Stadtteil von Altenstadt ( das dortige Schloss ,<br />

<strong>in</strong> dem vor allem Sem<strong>in</strong>are stattfanden,


L<strong>in</strong>dheim mit Schloss<br />

wurde 1929 durch e<strong>in</strong>en Brand total zerstört. Dabei<br />

wurde auch die Urne mit der Asche Sacher-Masochs<br />

vernichtet. Es steht <strong>in</strong>nerhalb des Areals des ehemaligen<br />

Schlosses nur noch e<strong>in</strong> Landhaus, das letzter Wohnsitz von<br />

Sacher-Masoch war und seit Generationen von Familie<br />

Demandt bewohnt wird, ferner der Hexenturm ).


L<strong>in</strong>dheimer Hexenturm<br />

In L<strong>in</strong>dheim lebte der Pfarrer und Volksschriftsteller Oeser-<br />

Glaubrecht .<br />

Auch <strong>in</strong> Leustadt kamen, vor allem während der<br />

Hernhaager Bauarbeiten , Brüdergeme<strong>in</strong>e - Mitglieder unter


Leustadt<br />

Schliesslich konnte die Brüdergeme<strong>in</strong>e die Herrnhaag-<br />

Häuser beziehen<br />

Herrnhaag vor 1835, P<strong>in</strong>selzeichnung auf Papier aus der<br />

Graphiksammlung des Hessischen Landesmuseums<br />

Darmstadt


Herrnhaag , Foto aus dem Jahr 2010<br />

L<strong>in</strong>ks das Schwesternhaus der Brüdergeme<strong>in</strong>e,<br />

rechts die Lichtenburg (das Grafenhaus).Im Grafenhaus<br />

wohnte von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>, der Bet-und Versammlungs-Saal<br />

(das Jüngerhaus) nimmt den 1.und 2.Stock des<br />

Grafenhauses e<strong>in</strong> . Rechts unterhalb der Gebäude : Modell<br />

des Brunnenhauses.


E<strong>in</strong>e der <strong>in</strong> den Boden des Brüdergeme<strong>in</strong>e-Friedhofs<br />

e<strong>in</strong>gelassenen Grabplatten<br />

Auf dem Friedhof, von dem nur noch e<strong>in</strong> Rest erhalten<br />

geblieben ist, fanden laut e<strong>in</strong>er der gusseisernen Platten am<br />

würfelförmigen Grab-Denkmal 429 Geme<strong>in</strong>e-Mitglieder ihre<br />

letzte Ruhestätte, darunter He<strong>in</strong>rich Graf Reuss-<br />

Ebersdorf ,e<strong>in</strong> Schwager des Grafen, drei K<strong>in</strong>der des Grafen,<br />

drei Negerk<strong>in</strong>der, zwei Neger<strong>in</strong>nen,e<strong>in</strong> Armenier,e<strong>in</strong>e<br />

Perser<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Bericht über e<strong>in</strong>e Reise <strong>in</strong> die Wetterau im Jahre<br />

1870, verfasst von He<strong>in</strong>rich Adolph Müller,Lehrer der<br />

Brüdergeme<strong>in</strong>e aus Neuwied,(Büd<strong>in</strong>ger Geschichtsblätter Bd.<br />

XIII ,S.65 ff ,"Die Wetterau")schildert neben Stationen <strong>in</strong><br />

Hanau, L<strong>in</strong>dheim und Büd<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>gehend e<strong>in</strong>en Besuch des<br />

Herrnhaager Friedhofs, aber auch e<strong>in</strong>e Besichtigung des<br />

Schlosses Marienborn. Das 1673 erbaute Schloss stand seit<br />

1750 leer, wurde im Laufe der langen unbewohnten Zeit<br />

baufällig und 1889 abgerissen. Zum Zeitpunkt der Reise<br />

Müllers war es also, wenn auch <strong>in</strong> schlechtem baulichem<br />

Zustand, noch vorhanden. Müller berichtet, dass er mit se<strong>in</strong>en<br />

Begleitern über die immer noch bequemen, obwohl von


manchem Schutt und herabgefallenem Kalk bedeckten<br />

Treppen und durch die weiten langen Gänge .geschritten sei .<br />

Der Sitzungssaal jener vielen Synoden sei kaum noch mit<br />

Bestimmtheit auszumachen gewesen .Schliesslich sei man<br />

noch zu dem Türmchen auf dem Schloss emporgestiegen ,<br />

von dem e<strong>in</strong>st die Glocke zu den Versammlungen erklang und<br />

die blaue Flagge mit dem Lamm und der Siegesfahne wehte.<br />

Müller bezeichnet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Reisebericht den Herrnhaag als<br />

Trümmerstätte. Es stünden nur noch ,im Ganzen gut erhalten,<br />

zwei Gebäude, das Schwesternhaus und die Lichtenburg .<br />

Dass diese beiden von Adolph Müller erwähnten baulichen<br />

Relikte der Exulanten-Siedlung auf dem Herrnhaag , das<br />

Schwesternhaus und das Grafenhaus (im Volksmund hiess<br />

das Grafenhaus Lichtenburg , wegen des abends und nachts<br />

durch die zahlreichen Fenster des stattlichen Gebäudes<br />

h<strong>in</strong>durchsche<strong>in</strong>enden Lichterglanzes ) heute noch existieren,<br />

ist dem 1960 , also vor 50 Jahren, <strong>in</strong>s Vere<strong>in</strong>sregister<br />

Neuwied e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong> der Freunde des Herrnhaag<br />

(VFH) zu verdanken.Er gelang den Mitgliedern , die aussen<br />

und <strong>in</strong>nen baufällig gewordenen Barock-Häuser vor dem<br />

Abriss zu bewahren. In dem Büchle<strong>in</strong> "Herrnhaag", im W<strong>in</strong>ter<br />

2009/2010 <strong>in</strong> quadratischem Format erschienen,wird<br />

auf Seite 24 ausgeführt, der bauliche Zustand sei so<br />

jämmerlich gewesen , dass nur ganz wenige Menschen<br />

an e<strong>in</strong>e Rettungs-Möglichkeit geglaubt hätten. In dieser<br />

Herrnhaag-Schrift wird die Frage gestellt und beantwortet ,<br />

warum die Vere<strong>in</strong>sgründer dennoch das Rettungswerk <strong>in</strong><br />

Angriff genommen hätten:<br />

"War es Enthusiasmus oder Naivität ? War es das Gespür<br />

für die besondere Ausstrahlung dieses Ortes ?War es die Herausforderung, an<br />

diesem besonderen Ort der Herrnhuter noch e<strong>in</strong>mal anzufangen,wo frühere<br />

Generationen e<strong>in</strong>e über Jahrhunderte unvergessene Epoche erlebt und gestaltet<br />

hatten und den sie abrupt verlassen mussten? War es Vision oder<br />

Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong> , diesen e<strong>in</strong>maligen Ort künftigen Generationen zu<br />

erhalten ? War es Berufung oder Gottvertrauen ? Es war sicher nicht nur e<strong>in</strong>er<br />

dieser genannten, sondern es waren viele solcher Beweggründe zusammen, die den<br />

Gründern der VFH ihren Mut, ihre Weitsicht und Tatkraft schenkten,das schier


Unmögliche anzupacken und es auch durch schwierige Phasen und Durststrecken<br />

weiterzuführen"<br />

Aus "Herrnhaag", Seite 14, Bau-Zustand um 1950<br />

Nachstehend werden stark verkle<strong>in</strong>ert 7 weitere Fotos aus der<br />

Zeit vor der Restaurierung wiedergegeben. Herr Samuel<br />

Waas, Vorsitzender des Vere<strong>in</strong>s der Freunde des<br />

Herrnhaag ,stellte sie dankenswerterweise zur Verfügung .


Bei Oeser a.a.O, Seite 265, f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />

Schilderung e<strong>in</strong>es österlichen Friedhofsbesuches : man sei<br />

schweigend aus dem Betsaal getreten , die Geme<strong>in</strong>de habe<br />

sich <strong>in</strong> Zügen geordnet.Voran seien die Brüder<br />

gegangen,ihnen seien die Schwestern gefolgt, <strong>in</strong> langem<br />

feierlichem Zuge, und e<strong>in</strong>e unabsehbare Menge Fremder<br />

habe sich angeschlossen. Feierlich sei durch die<br />

Morgendämmerung das Blasen der Posaunen gehallt. Man<br />

habe den Gottesacker betreten, der Zug habe e<strong>in</strong>en weiten<br />

Kreis um die festlich geschmückten Gräber der im letzten


Jahr Gestorbenen gebildet.Die Namen der Entschlafenen<br />

seien verlesen worden . Mit dem Blick auf die Gräber habe<br />

die Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> lautloser Stille e<strong>in</strong>e Weile der Verstorbenen<br />

gedacht .Dann ,als der erste Strahl der Ostersonne auf die<br />

Gräber fiel und die Tautropfen auf den Blumenkränzen zum<br />

Schimmern brachte, habe der Glaube Auferstehung<br />

gefeiert ,und die zum Morgenhimmel emporsteigenden<br />

Lerchen mit ihrem Gesang seien der Geme<strong>in</strong>de Boten des<br />

eigenen vollen Herzens gewesen.<br />

Herrnhaag ist die erste planmäßig angelegte Herrnhuter<br />

Siedlung und wurde zum Modell für viele Brüdergeme<strong>in</strong>e-<br />

Gründungen <strong>in</strong> Europa und <strong>in</strong> Übersee.Die ursprüngliche<br />

Geme<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Herrnhut war noch nicht das Ergebnis e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>heitlichen speziellen Planung, sondern wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

bereits bestehende Ansiedlung <strong>in</strong>tegriert . Herrnhaag und alle<br />

späteren Herrnhut-Siedlungen wurden demgegenüber so<br />

angelegt, dass ihre Errichtung getrennt von bereits<br />

bestehenden Ortschaften oder Siedlungen stattfand. Es<br />

herrschte mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Separations-Grundsatz. Architekt war <strong>in</strong><br />

Herrnhag der Dresdner Hofarchitekt Siegmund August von<br />

Gersdorf , der sozusagen "sächsischen Barock" <strong>in</strong> die<br />

Wetterau brachte. Zu den erhaltenen Resten der<br />

Herrnhaager Siedlung gehört der gewaltige, Raum für 600<br />

Menschen bietende Betsaal ,e<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>od kirchlicher<br />

Baugeschichte <strong>in</strong> der Wetterau . Herrnhaag war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Planung so angelegt, dass sich die Häuser um e<strong>in</strong>en<br />

quadratischen Platz gruppierten,<strong>in</strong> dessen Mitte sich e<strong>in</strong><br />

Brunnenhaus mit Glockenspiel befand. Aus 38 Metern Tiefe<br />

wurde das geschöpfte Wasser durch Bleiröhren <strong>in</strong> die Häuser<br />

geleitet. Der Platz wurde <strong>in</strong> das gottesdienstliche Geschehen<br />

bei jeder passenden Gelegenheit mit e<strong>in</strong>bezogen. In der Zeit<br />

des Absolutismus wurden mit Vorliebe Bauten aufgeführt, die<br />

als Symbole der Größe ,Bedeutung , Macht des<br />

Auftraggebers , beispielsweise e<strong>in</strong>es Landesherrn, gedacht


waren . Alles überstrahlender Mittelpunkt war regelmässig e<strong>in</strong><br />

Palast oder Schloss . In Herrnhaag gab es ke<strong>in</strong>en solchen<br />

Prachtbau. Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Kirchengebäude war zu sehen.<br />

Selbst der Bet- und Versammlungs-Saal war von aussen<br />

nicht zu erkennen. <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Planung war ,den<br />

Bedürfnissen der Brüdergeme<strong>in</strong>e Rechnung tragend, re<strong>in</strong><br />

funktionsbezogen . Grundvorstellung blieb stets , die<br />

baulichen Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e möglichst effiziente<br />

Religions-Ausübung der Geme<strong>in</strong>e und zugleich für e<strong>in</strong> enges<br />

Mite<strong>in</strong>ander der Geme<strong>in</strong>e-Mitglieder im alltäglichen Leben<br />

schaffen zu wollen ; nicht Herrschaft, sondern Geme<strong>in</strong>schaft<br />

war <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Ziel. Dabei wurden damals weit verbreitete<br />

Standesschranken überwunden.<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> selbst sah sich<br />

als Bruder unter Brüdern und Schwestern.<br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> sorgte dafür, dass ke<strong>in</strong> Mitglied der<br />

Brüdergeme<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong> leben musste. Es gab Häuser für<br />

Familien, aber auch Geme<strong>in</strong>schafts-Häuser (Chor-Häuser) für<br />

alle, die ke<strong>in</strong>e Familie hatten (Chorhäuser der ledigen<br />

Brüder,der ledigen Schwestern, der Witwen ).Vorläufer der<br />

Chöre waren sogenannte Banden, zahlreiche kle<strong>in</strong>e<br />

brüderliche Geme<strong>in</strong>schaften, <strong>in</strong> denen <strong>in</strong> voller Offenheit über<br />

alles gesprochen wurde, was die Geme<strong>in</strong>e-Mitglieder<br />

bewegte, und <strong>in</strong> denen Glaubenserfahrungen ausgetauscht<br />

wurden.<br />

Nach dem Tod von Graf Ernst Casimir von Ysenburg-<br />

Büd<strong>in</strong>gen im Jahr 1749 kam es zum Zerwürfnis mit dem<br />

Grafenhaus, das e<strong>in</strong>e Huldigung, e<strong>in</strong>en Untertanen-Eid<br />

verlangte, um die wirtschaftlich erfolgreiche Geme<strong>in</strong>e enger<br />

an Büd<strong>in</strong>gen zu b<strong>in</strong>den. Die Herrnhuter Siedlung wurde von<br />

dem gräflichen Kanzleidirektor Christoph Friedrich Brauer ,<br />

der im Auftrag des Landesherrn den Unterwerfungs-Versuch<br />

mit grossem Eifer vorantrieb, zu Unrecht als "Staat im Staat" ,<br />

als Bedrohung für die Macht des Büd<strong>in</strong>ger Grafen,


angesehen. Brauer verlangte zusätzlich zur Huldigung noch<br />

e<strong>in</strong>e Absage an <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> und se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>e-Ordnung. Die<br />

Mitglieder der Brüdergeme<strong>in</strong>e weigerten sich , und<br />

daraufh<strong>in</strong> wurde 1750 zum Schaden der Geme<strong>in</strong>e , aber<br />

ebenso des Fürsten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Emigrationsedikt die<br />

Auflösung unter Setzung e<strong>in</strong>er Frist von 3 Jahren verfügt. Die<br />

Geme<strong>in</strong>e ( mit 17 Häusern und etwa 1000 Mitgliedern )<br />

bestand also nur 12 Jahre ,lässt man die 3-jährige<br />

Auflösungs-Zeit ausser Betracht . In diesem kurzen Zeitraum<br />

gelangen den Hernhutern erstaunliche Missionsleistungen <strong>in</strong><br />

aller Welt, und die Künstlerfamilie Röntgen <strong>in</strong> Herrnhaag<br />

brachte es zu Weltruhm. Im Band XIII der Büd<strong>in</strong>ger<br />

Geschichtsblätter<br />

wird die Familie Röntgen gewürdigt (Gabriele Reber,<br />

ästhetischer Genuss und technische Raff<strong>in</strong>essen .Das<br />

Möbelangebot der Kunstschre<strong>in</strong>er Abraham und David<br />

Röntgen, S. 30 ff.Abgebildet s<strong>in</strong>d beispielhaft e<strong>in</strong><br />

Verwandlungstisch, zwei grosse Schreibschränke, zwei<br />

grosse Schreibtische).<br />

Die Herrnhuter waren nicht die e<strong>in</strong>zige besondere<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>schaft, die sich im Büd<strong>in</strong>ger Land betätigte.<br />

Vor allen die "Inspirierten" machten von sich reden. deren<br />

bekanntester Vertreter Johann Friedrich Rock (1678-1749)<br />

war. Matthias Graf befasst sich unter dem Titel "denn es<br />

brennet zu Zeiten e<strong>in</strong>e Liebes-Flamme <strong>in</strong> mir, die mich nicht<br />

schweigen lässt" mit Rock und den Inspirierten (Büd<strong>in</strong>ger<br />

Geschichtsblätter , Jubiläumsausgabe Band XIX , 2006, S.<br />

223 ff.).<br />

Rock war dem Grafen fe<strong>in</strong>dlich gesonnen .Oeser-Glaubrecht<br />

liess Rock <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>-Roman (Seite 209) recht<br />

abfällige Worte f<strong>in</strong>den: im Schloss sitze e<strong>in</strong>e Rotte,Wölfe <strong>in</strong><br />

Schafskleidern, die Rocks Schafen Tag für Tag nachstelle.<br />

Im Schloss f<strong>in</strong>de man Fleischeslust,Gesang,<br />

Lustbarkeit,Wohlleben und Hoffahrt . Da sei zu sehen, wie<br />

die Herrnhuter ihre Kuppeleien hätten , wie sie Weibsleute


aus aller Herrn Länder zusammenlocken ,<strong>in</strong> die Chöre<br />

stecken und Hals über Kopf durch`s Los<br />

zusammenschmeissen würden .Die reichen Goldvögel aus<br />

Holland würden angelockt und dazu gebracht, ihre Beutel<br />

aufzutun und das Geld zu Tausenden herzugeben .<br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s engste Vertraute waren Friedrich von Watteville ,<br />

Christian David,David Nitschmann, Ludwig Karl von<br />

Schrautenbach, August Gottlieb Spangenberg (der nach<br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Tod dessen Nachfolger wurde), und , siehe<br />

nächsten Absatz, Anna Nitschmann .<br />

1747 wurde <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s Oberlausitzer Verbannung<br />

aufgehoben, er durfte nach Herrnhut zurückkehren, verlegte<br />

se<strong>in</strong>en Wohnsitz aber schon bald bis 1755 nach London.1756<br />

starb se<strong>in</strong>e Frau, die ihm 12 K<strong>in</strong>der geboren<br />

hatte; nur 4 davon kamen über erste K<strong>in</strong>dheitsjahre h<strong>in</strong>aus.<br />

1757 willigte Anna Nitschmann , wichtigste Mitarbeiter<strong>in</strong><br />

<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s, <strong>in</strong> die Ehe mit ihm e<strong>in</strong>. Drei Jahre später starb<br />

sie, nur zwei Wochen nach dem Tod ihres Mannes. Beide<br />

wurden neben Erdmuthe Dorothea von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> auf dem<br />

Hutberg <strong>in</strong> Herrnhut beigesetzt.<br />

Zum Zeitpunkt des Todes <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>s waren Mitglieder<br />

se<strong>in</strong>er Brüdergeme<strong>in</strong>e an 28 Orten weltweit missionarisch<br />

tätig.<br />

Nach dem Büd<strong>in</strong>ger Ausweisungsedikt von 1750 verteilten<br />

sich die Geme<strong>in</strong>e-Mitglieder auf andere Brüdersiedlungen <strong>in</strong><br />

Europa und Amerika . Band 13 der Büd<strong>in</strong>ger<br />

Geschichtsblätter ,S.44 ff ,Dieter Krieg, "Abwanderung des<br />

welschen Häufle<strong>in</strong>s auf dem Herrnhaag nach Neuwied am<br />

Rhe<strong>in</strong> " und S.50 ff., "Paul Peucker," Der Weg der<br />

Herrnhaager Auswanderer nach Zeist" befasst sich mit<br />

Abwanderungsbewegungen <strong>in</strong>nerhalb von Deutschland und


nach den Niederlanden.<br />

Die Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e ist der Evangelischen Kirche<br />

<strong>in</strong> Deutschland (EKD) angegliedert. Der amerikanische Zweig<br />

der Herrnhuter, die Moravian Church, ist Vollmitglied der<br />

National Council of Churches of Christ und steht seit 2001 <strong>in</strong><br />

voller Kanzels- und Abendmahlsgeme<strong>in</strong>schaft mit der<br />

Evangelischen Lutherischen Kirche Amerikas (ELCA) und<br />

führt zur Zeit Gespräche mit der Amerikanischen<br />

Anglikanerkirche, die zur vollen Kanzels- und<br />

Abendmahlsgeme<strong>in</strong>schaft führen sollen.<br />

Über google books gelangt man zu drei lesenswerten<br />

Buch-Digitalisierungen:<br />

"Neue Aspekte der <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>-Foschung, herausgegeben von<br />

Mart<strong>in</strong> Brecht und Paul Peucker.<br />

"Der Graf von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> und die Brüdergeme<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er Zeit"<br />

von Ludwig Carl v. Schrautenbach,<br />

"Des grafen nicolaus von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> leben und charakter"<br />

von August Gottlieb Spangenberg<br />

Weiterh<strong>in</strong> empfehlenswerte nicht digitalisierte Bücher<br />

s<strong>in</strong>d : Ma<strong>in</strong>zer Studien zur Neueren Geschichte 18<br />

"Herrnhuter <strong>in</strong> Hessen" von Matthias Graf, ISBN<br />

3-631-54560-6<br />

Glaubrecht ,<strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong> <strong>in</strong> der Wetterau,1925<br />

(antiquarisch ,zum Beispiel über ZVAB, noch zu<br />

bekommen)


E.Demandt, Nikolaus von <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong>, Von Herrnhut<br />

zum Herrnhaag, 1700 - 1760 1.Aufl 2007 (über die<br />

Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur zu<br />

erhalten) .<br />

"Herrnhaag" , herausgegeben vom Vere<strong>in</strong> der Freunde des<br />

Hernhaag, W<strong>in</strong>ter 2009/2010<br />

Graf <strong>Z<strong>in</strong>zendorf</strong><br />

VfH-Vorstandsmitglied Riescher, Cicerone,stellte den<br />

Herrnhaag <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en "Wetterauer Lebenszeichen" mittels<br />

e<strong>in</strong>er Collage vor (siehe gesondert wiedergegebenes Blatt)

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