BILDHAUERSYMPOSIUM DAVOS WERKSCHAU 2005 – 2009 - H-Art
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sind die Töne a-es durch das solistisch einsetzende Violoncello<br />
noch stärker hervorgehoben, die Linie c-h-b findet sich<br />
als Hauptstimme nun in der Violine.<br />
Hörbeispiel T. 4-7 Solche Umsetzung von Namen in Töne<br />
hat eine lange Tradition in der Musikgeschichte; bereits Bach<br />
hat seinen Namen auf diese Weise musikalisiert, und eine<br />
lange Reihe von Komponisten, die ihm huldigen wollten, hat<br />
es ebenfalls getan. Auch Eisler hat übrigens ein Präludium<br />
und Fuge über B-A-C-H geschrieben, bemerkte allerdings<br />
dazu, dass die Wahl des Mottos keine Ehrung Johanns Sebastian<br />
Bachs bedeute, der es nicht nötig habe, in dieser Weise<br />
geehrt zu werden; die Wahl des Mottos solle vielmehr an<br />
die spiessbürgerliche Mystik des Durchschnittsmusikers anknüpfen,<br />
der oft von Bach nur die Buchstaben B-A-C-H verstehe.<br />
Im Falle Schönbergs bedeutete das Monogramm freilich<br />
durchaus eine Ehrung <strong>–</strong> es sei dahingestellt, ob<br />
Schönberg sie nötig hatte. Eisler widmete das Werk nämlich<br />
Arnold Schönberg zum 70. Geburtstag, und er hatte mehrere<br />
Gründe, den Lehrer in dieser Weise zu ehren. Schönberg<br />
war für Eislers Entwicklung von entscheidender Bedeutung;<br />
das lässt sich an dem Quantensprung ablesen, den Eislers<br />
Komponieren in der Lehrzeit bei Schönberg 1919 <strong>–</strong> 23 in<br />
Wien machte. Es war die Zeit, in der Schönberg seine Methode<br />
des Komponierens mit 12 Tönen entwickelte, und Eisler<br />
gehörte zu den ersten, die diese Methode anwandten. Er war<br />
allerdings im Schönberg-Kreis wiederum der erste, der sich<br />
davon abwandte, und zwar weil er die Isolation, in die sich die<br />
neue Musik mit ihren Materialexperimenten manövriert hatte,<br />
durchbrechen wollte. Dies bedeutete allerdings nicht ein<br />
«Zurück zu» wie etwa bei Richard Strauss, sondern Eisler<br />
wollte die gesellschaftlichen Grundlagen der Musik verändern<br />
und sah die Arbeiterklasse als Träger einer neuen Musikkultur.<br />
Für die kommunistische Arbeiterbewegung schrieb<br />
er, u.a. in Zusammenarbeit mit Brecht, zahlreiche Werke, in<br />
denen traditionelles musikalisches Material auf eine durchaus<br />
neuartige Weise verwendet wird. Mit der Machtübernahme<br />
durch die Nazis war in Deutschland und bald auch im übrigen<br />
Europa Schluss mit solchen Bestrebungen; Eisler,<br />
Brecht und alle andern fortschrittlichen Künstler wurden ins<br />
Exil gezwungen, und das war bekanntlich noch das Beste,<br />
was ihnen in dieser Zeit widerfahren konnte. Mit dem Exil<br />
veränderte sich für Eisler auch die Bewertung der Zwölftontechnik,<br />
zum einen, weil für eine politisch eingreifende Musik<br />
die Realisierungsmöglichkeiten drastisch gesunken waren,<br />
zum andern, weil die Zwölftontechnik ebenfalls auf dem<br />
Verbots-Index des Nazireichs stand und ihr Erfinder Schönberg<br />
seiner Berliner Professur enthoben und ebenfalls ins<br />
Exil in die USA gezwungen wurde. Nachdem Eisler in der<br />
zweiten Hälfte der 20er Jahre aus politischen Gründen mit<br />
Schönberg gebrochen hatte und dieser seinerseits ihm „Verrat“<br />
vorgeworfen hatte, entwickelte sich im USA-Exil wieder<br />
eine persönliche Beziehung zwischen den beiden und näherten<br />
sich auch ihre musikästhetischen Positionen wieder an.<br />
Schönberg nahm die Widmung der «Vierzehn <strong>Art</strong>en den Regen<br />
zu beschreiben» offenbar mit Begeisterung entgegen;<br />
Eisler berichtete jedenfalls in einem Brief an seine Frau,<br />
Schönberg hätte das Quintett ausgezeichnet gefunden und<br />
es sich zweimal vorspielen lassen. Die Widmung an Schönberg<br />
ist in der Musik selbst nicht nur in den Ton-Buchstaben<br />
des einleitenden Monogramms umgesetzt, sondern auch in<br />
der Bedeutung, die die Zahlen 13 und 9 haben <strong>–</strong> es sind das<br />
die Zahlen von Schönbergs Geburtstag am 13. September,<br />
die z.B. die Längen der Abschnitte in der 7. Variation bestimmen.<br />
Die 57 Takte der als «Sonatina» betitelten, relativ ausgreifenden<br />
Variation setzen sich aus 13+9+13+9+13 Takten<br />
zusammen. Dass Eisler dem Werk zum 70. Geburtstag<br />
des Meisters die Opuszahl 70 gab, die von der Chronologie<br />
her eigentlich einem andern Werk zugekommen wäre, sei<br />
nur nebenbei erwähnt; es ist weniger wichtig als der Fakt,<br />
dass auch die Instrumental-Besetzung an ein Schönbergsches<br />
Modell anknüpft, nämlich an den Pierrot lunaire, wo<br />
zur Sprechstimme ein Ensemble von Flöte, Klarinette, Violine<br />
alternierend mit Viola, Violoncello und Klavier tritt. Ich gehe<br />
hier so ausführlich auf die Schönberg-Connection ein, weil<br />
sie zu den Voraussetzungen gehört, unter denen das Filmmusik-Projekt<br />
und insbesondere die Regen-Musik mit ihrem<br />
Versuch, avancierte musikalische Technik und Experimentalfilm<br />
zusammenzubringen, gesehen werden muss. Avancierte<br />
musikalische Technik hiess in diesem Fall Zwölftontechnik,<br />
denn im übrigen leiteten sich die musikalischen Verfahrensweisen<br />
<strong>–</strong> also die Variationstechnik, die Setzung und Entwicklung<br />
von Themen, Motiven und Figuren <strong>–</strong> durchaus aus<br />
der klassischen Tradition her. Der Linie von Bach über die<br />
Wiener Klassik Haydns, Mozarts und Beethovens zu Brahms<br />
fühlte sich auch und gerade die Schönberg-Schule verpflichtet,<br />
und Eisler ist in dieser Hinsicht durchaus ein gelehriger<br />
Schüler gewesen. Es sollte aber daraus keinesfalls der<br />
Schluss gezogen werden, dass Eisler ein Schönberg-Epigone<br />
gewesen wäre. Im Gegenteil war er der wohl selbstständigste<br />
unter den Schönberg-Schülern, neben Berg und We-<br />
bern eigentlich der einzige, dem es gelang, eine eigene, unverkennbare<br />
Handschrift zu entwickeln. Sie zeigt sich bis in<br />
die Konstitution der Reihe, wo es Eisler darauf angelegt hat,<br />
auch konsonante Bildungen zu ermöglichen. Dadurch entstehen<br />
im Zwölfton-Kontext Akkordbildungen <strong>–</strong> Dur- und<br />
Molldreiklänge, Sept- und Nonakkorde <strong>–</strong> wie sie auch in der<br />
klassischen Musik vorkommen, nun allerdings nicht mehr in<br />
funktionalem Zusammenhang wie in der tonalen Musik, sondern<br />
isoliert, gewissermassen als Bruchstücke in neuartiger<br />
Montage. Wenn Sie mit der Musik Schönbergs ein bisschen<br />
vertraut sind, werden Sie in den nachfolgenden Hörbeispielen<br />
aus den «Vierzehn <strong>Art</strong>en den Regen zu beschreiben»<br />
auch die Differenz in der Musiksprache bemerken: Eislers<br />
Musik ist expressiv viel weniger aufgeladen als die Schönbergs,<br />
auch strukturell weniger komplex, also insgesamt weit<br />
lockerer. Sehr bewusst hat Eisler in den «Vierzehn <strong>Art</strong>en den<br />
Regen zu beschreiben» einen transparenten Tonsatz angestrebt<br />
und lässt sehr selten alle fünf Instrumente gleichzeitig<br />
spielen: So setzt das Klavier als schwergewichtiges Instrument<br />
erst in T. 14 ein, wobei dann die Bläser erst einmal aussetzen<br />
und erst allmählich wieder hinzutreten. Das hat zur<br />
Folge, dass in den 43 Takten der ersten beiden Nummern nur<br />
gerade in zwei Takten die volle Besetzung spielt. Wir hören<br />
uns diese ersten beiden Nummern, Monogramm und Introduktion,<br />
nun an.<br />
Hörbeispiel Anfang <strong>–</strong> T. 43 Die auf diesen Ausschnitt folgende<br />
Variation Nr. 3, als «Choral-Etüde» betitelt, wollen wir<br />
uns anhand von Eislers eigener Analyse etwas näher ansehen.<br />
Sie finden diese Analyse samt Notenbeispiel im Anhang<br />
zum Buch «Komposition für den Film», das Eisler zusammen