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Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides - Verwaltungsgericht ...

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Lösung<br />

Kolloquium: Aktuelle Fälle <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s Sigmaringen<br />

Lösungsskizze zu Fall 2: Die kranke Katze<br />

Richter am VG Dr. Keppeler<br />

<strong>Rechtmäßigkeit</strong> <strong>des</strong> Leistungsbeschei<strong>des</strong><br />

Die Anforderung der Kosten der Ersatzvornahme erfolgt nach §§ 25, 31 Abs. 1 LVwVG i.V.m.<br />

§ 8 Abs. 1 Nr. 8 LVwVGKO. Voraussetzung ist, dass die Ersatzvornahme ihrerseits<br />

rechtmäßig war.<br />

I. Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig?<br />

1. Formelle <strong>Rechtmäßigkeit</strong><br />

Zuständige Vollstreckungsbehörde § 4 Abs.1 LVwVG: LRA<br />

2. Materielle <strong>Rechtmäßigkeit</strong><br />

a) Allg.Vollstreckungsvoraussetzungen § 2 LVwVG<br />

Weder Bestandskraft noch Entfallen der aufschiebenden Wirkung,<br />

aber Gefahr im Verzug § 21 LVwVG: AnSofVollz entbehrlich<br />

(Eine Interpretation <strong>des</strong> Sachverhalts dergestalt, dass die Grundverfügung dem<br />

begleitenden Polizeivollzugsbeamten zugerechnet wird, also eine Heranziehung <strong>des</strong> §<br />

80 Abs.2 Nr. 2 VwGO, kommt nicht in Betracht, da es bei Anwesenheit <strong>des</strong> zuständigen<br />

Beamten <strong>des</strong> LRA an der erforderlichen Eilzuständigkeit <strong>des</strong> Vollzugsbeamten fehlt.)<br />

b) Androhung ( § 20 LVwVG) ist ebenfalls entbehrlich, da Gefahr im Verzug (§ 21<br />

LVwVG).<br />

c) Auswahlermessen ( § 19 Abs. 2, 3 LVwVG)<br />

Zwangsgeld wäre angesichts der Verweigerungshaltung der A. untunlich gewesen.<br />

3. Besteht ein „Rechtswidrigkeitszusammenhang“?<br />

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Lösung<br />

Die Frage, ob die <strong>Rechtmäßigkeit</strong> der Vollstreckungsmaßnahme die <strong>Rechtmäßigkeit</strong> der<br />

Grundverfügung voraussetzt, ist umstritten, soweit noch keine Bestandskraft der<br />

Grundverfügung eingetreten ist. M. E. ist ein solcher „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ zu<br />

bejahen ( vgl. Heckmann, VBlBW 1993, 41; a. A. Weiß, DÖV 2001, 275) zumin<strong>des</strong>t aber<br />

dann, wenn es um die <strong>Rechtmäßigkeit</strong> der Kostentragungspflicht geht ( s. dazu noch unten<br />

III.)<br />

II. Grundverfügung rechtmäßig?<br />

1. Ermächtigungsgrundlage<br />

Spezialermächtigung / Standardmaßnahmen / Generalklausel<br />

(vgl. hierzu Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Bad.-Württ., 4. Aufl.1999,<br />

Rn.171 ff.)<br />

Hier: Spezialermächtigung § 16 a TierSchG<br />

2. Formelle <strong>Rechtmäßigkeit</strong>:<br />

LRA ist zuständige Behörde ( § 15 Abs. 1 TierSchG i.V.m. § 1 Nr. 3 TierSchZuVO i.V.m. §§<br />

13 Abs.1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 13 LVG).<br />

3. Materielle <strong>Rechtmäßigkeit</strong><br />

(1) Erforderliche Maßnahmen i.S.d. § 16 a Satz 1, 2 Nr. 1 TierSchG. Zu der<br />

nach § 2 TierSchG erforderlichen Pflege gehört auch Gesundheitsfürsorge und<br />

Heilbehandlung ( vgl. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl. 1999, § 2, Rnr.<br />

32). Wenn der Halter dazu nicht in der Lage ist, hat er einen Fachmann, z. B.<br />

einen Tierarzt beizuziehen.<br />

(2) Tierschutzrechtliche Gefahr<br />

(Insofern entspricht die vorzunehmende Prüfung dem polizeirechtlichen<br />

Schema, da es sich hier um spezielles ( Veterinär-)Polizeirecht handelt)<br />

Hier: Gefahrenverdacht (abzugrenzen von<br />

der Schein(Putativ-)gefahr einerseits und der<br />

Anscheinsgefahr andererseits, vgl. dazu<br />

Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 8.<br />

Aufl.2000, Rn. 95 ff.)<br />

Dieser liegt vor, wenn aus der Sicht ex ante nach dem Urteil eines fähigen und<br />

sachkundigen Beamten Anlass für die Annahme einer möglichen Gefahr oder<br />

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Lösung<br />

Störung besteht, es aber nicht ohne weitere Ermittlungen erkennbar ist, ob<br />

wirklich eine gefährliche Situation oder gar Störung eingetreten ist.<br />

Im vorliegenden Fall bestand die Notwendigkeit weiterer Aufklärung, ob<br />

tatsächlich eine tierschutzrechtliche Gefahr ( Behandlungsbedürftigkeit,<br />

Beseitigung eines vorhandenen Leidens, § 1 Satz 2 TierSchG) vorlag. Bei<br />

Gefahrenverdacht kommen jedoch nur vorl. Maßnahmen in Betracht, sog.<br />

Gefahrenerforschungsmaßnahmen (vgl. hierzu Würtenberger/Heckmann/<br />

Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl. 1999, Rnr. 286).<br />

(3) Maßnahmen gegen den Störer<br />

Ist der Verursacher der möglichen Gefahr bekannt, so ist der Gefahrenverdacht<br />

hinreichend individualisiert und konkretisiert, so dass der Betreffende<br />

Verdachtsstörer ist und als solcher gemäß §§6, 7 PolG in Anspruch<br />

genommen werden kann ( vgl. Würtenberger u.a. a.a.O., Rnr.288; Wolf/<br />

Stephan, PolizeiG für Bad.-Württ., § 1, Rnr. 32 f.). Der VGH BW zieht hier die<br />

für die Anscheinsgefahr bzw. den Anscheinsstörer geltenden Grundsätze<br />

heran ( vgl. die Nachw. bei Rudisile, VBlBW 1993, 321 Fn. 7, 323 Fn. 15).<br />

Durch einen Gefahrenerforschungseingriff kann (weitere) Klarheit über den<br />

Schadensumfang, die Verursachung usw. erlangt werden. Unter der<br />

Voraussetzung, dass eine ex-ante-Prognose einen hinreichenden<br />

Gefahrenverdacht ergeben hat, konkretisieren solche Maßnahmen die<br />

Polizeipflicht und sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeit rechtmäßig,<br />

gleichgültig, ob sich der Gefahrenverdacht bestätigt oder nicht (vgl. die<br />

umfangreichen Nachweise bei Wolf/Stephan a.a.O., §1, Rnr. 33).<br />

Der A. durfte hier demnach durch Polizeiverfügung aufgegeben werden, ihre<br />

Katze von einem praktizierenden Tierarzt untersuchen zu lassen. Denn sie trifft<br />

eine Gefahrenerforschungspflicht dahingehend, dass von ihr - als Vorstufe für<br />

die Beseitigung einer Gefahr- die Durchführung von Untersuchungen verlangt<br />

werden kann, die die Feststellung von Gefahrenursachen sowie <strong>des</strong><br />

Schadensumfangs zum Gegenstand haben ( vgl. VGH Bad.- Württ., Beschl. v.<br />

16.10.1990, NVwZ 1991, 493, 494).<br />

Nach der Gegenmeinung hat die Behörde angesichts <strong>des</strong> in § 24 LVwVfG geregelten<br />

Untersuchungsgrundsatzes die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen selbst (und auf eigene<br />

Kosten, s. dazu noch unten III.) durchzuführen (vgl. etwa OVG Lüneburg, NVwZ 1991, 496;<br />

HessVGH, NVwZ 1991, 498).<br />

III. Kostentragungspflicht der A.<br />

Mittlerweile ist es üblich, zwischen Primärebene (Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, s.<br />

o. II, Beurteilung der <strong>Rechtmäßigkeit</strong> ex ante) und Sekundärebene<br />

( Kostentragungspflicht, Beurteilung der <strong>Rechtmäßigkeit</strong> ex post) zu unterscheiden<br />

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Lösung<br />

(vgl. die Nachweise bei Knorr, VBlBW 1996, 449 Fn. 22; s. hierzu auch Würtenberger<br />

u.a. a.a.O., Rn. 582; Martensen, DVBl. 1996, 286, 291; Petri, DÖV 1996, 443, 449).<br />

Erweist sich der Verdachtsstörer im nachhinein auch tatsächlich als Störer, so hat er<br />

die Kosten der Gefahrenerforschungsmaßnahme auf jeden Fall zu tragen. Bestätigt<br />

sich der ursprüngliche Verdacht hingegen nicht, so bleibt zwar die<br />

Gefahrenerforschungsmaßnahme als solche rechtmäßig (s.o.), eine<br />

Kostentragungspflicht wird allerdings nur dann angenommen, wenn der Betroffene<br />

den Verdacht „zu verantworten“ hat (Würtenberger u.a. a.a.O., Rn. 582; Knemeyer, a.<br />

a.O., Rn. 97).<br />

VGH BW, Urt. v. 10.05.1990, VBlBW 1990,469, 470 f.:“Der Ordnungspflicht (folgt) auch die<br />

Kostenlast, und zwar selbst dann, wenn sich dieser Verdacht letztlich als unbegründet erweist,<br />

jedenfalls aber der Anscheinsverursacher Anlass für Ermittlungen zur Feststellung der<br />

Gefahrenursache in seinem Verantwortungsbereich ergeben hatte.“<br />

Im vorliegenden Fall spricht viel dafür, die A. mit den entstandenen Tierarztkosten zu<br />

belasten, da sie tierschutzrechtlich hinsichtlich <strong>des</strong> Gesundheitszustan<strong>des</strong> der in<br />

ihrem Eigentum stehenden Katze bereits als Zustandsstörerin anzusehen war und<br />

schon <strong>des</strong>wegen weitere Aufklärungsmaßnahmen vorzunehmen hatte, um ihren im<br />

Tierschutzgesetz normierten Pflichten (s.o. II.) nachzukommen. Insofern erscheint es<br />

unbillig, der Behörde Kosten aufzubürden, die die A. bei gesetzmäßigem Verhalten<br />

ohnehin hätte tragen müssen und deren Entstehung somit eindeutig ihrem<br />

Verantwortungsbereich zuzurechnen sind.<br />

Alternative<br />

Hier ergreift die zuständige Polizeibehörde die polizeirechtlich notwendigen<br />

Maßnahmen, die Person <strong>des</strong> Störers ist jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. In<br />

diesen Fällen greift die Regelung <strong>des</strong> § 8 Abs. 1 PolG (allg. hierzu Wolf/Stephan a.a.<br />

O., § 8 Rnr. 2 ff.).<br />

Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich vom Grundfall dadurch, dass keine<br />

Grundverfügung ergeht, die im Wege <strong>des</strong> Verwaltungszwanges nach dem LVwVG<br />

mittels Ersatzvornahme vollstreckt wird. Nach h.M. handelt es sich bei der<br />

unmittelbaren Ausführung um einen Realakt.<br />

Die Kostenanforderung stützt sich in diesem Falle auf § 8 Abs. 2 PolG, § 31 LVwVG<br />

findet hier allerdings keine Anwendung, da sich die unmittelbare Ausführung - wie<br />

ausgeführt - nicht auf das LVwVG stützt. Im übrigen gelten die oben dargestellten<br />

Grundsätze (vgl. auch Wolf/Stephan a.a.O., § 8 Rnr.29).<br />

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