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Lösungsskizze - Verwaltungsgericht Sigmaringen

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Examensrepetitorium an der Universität Tübingen<br />

Aktuelle Fälle aus der Praxis des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />

Sommersemester 2007<br />

<strong>Lösungsskizze</strong> zu Fall 3: „Kein Unterstand für die edlen Rösser“<br />

R`in am VG Nina Philippi<br />

KLAGE DES S GEGEN DIE DULDUNGSVERFÜGUNG<br />

A. Zulässigkeit der Klage<br />

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO: (+)<br />

Streitentscheidende Normen sind solche des öffentlichen Baurechts.<br />

II. Statthafte Klageart: Anfechtungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO<br />

S wendet sich gegen einen Verwaltungsakt.<br />

III. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO: (+)<br />

S ist möglicherweise in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt.<br />

IV. Vorfahren, § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO: (+)<br />

(Achtung: die Widerspruchsfrist war eingehalten, da das Fristende auf einen Samstag fiel,<br />

vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 187, 188<br />

BGB; im Übrigen hat die Widerspruchsbehörde in der Sache entschieden, so dass selbst bei<br />

- unzutreffender - Annahme einer Verfristung des Widerspruchs die Klage als zulässig<br />

anzusehen wäre, vgl. dazu Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 70, RdNr. 8)<br />

V. Klagefrist, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO: eingehalten<br />

B. Begründetheit der Klage<br />

Die Klage ist begründet, wenn der Bescheid des Landratsamtes L vom 08.07.2005 und der<br />

Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22.11.2005 rechtswidrig<br />

sind und S dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).<br />

I. Passivlegitimation<br />

richtiger Beklagter: Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt L,<br />

da das Land Baden-Württemberg nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Rechtsträger des<br />

Landratsamtes L ist, das den angefochtenen (Ausgangs-)Bescheid erlassen hat<br />

II. Ermächtigungsgrundlage des Verwaltungsakts: § 47 Abs. 1 LBO<br />

§ 47 Abs. 1 LBO:<br />

Die Baurechtsbehörden haben darauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriften sowie die<br />

anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Errichtung und den Abbruch von Anlagen und<br />

Einrichtungen im Sinne des § 1 eingehalten und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen<br />

Anordnungen befolgt werden.<br />

Sie haben zur Wahrnehmung dieser Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind.


III. Formelle Rechtmäßigkeit<br />

- Zuständigkeit des Landratsamtes L: (+)<br />

§ 48 Abs. 1 LBO, § 46 Abs. 1 Nr. 3 LBO, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG , § 1 Abs. 3 LKrO<br />

- vorherige Anhörung, § 28 Abs. 1 LVwVfG: (-), wurde aber im Widerspruchsverfahren<br />

nachgeholt, vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG, so dass der Fehler geheilt wurde<br />

- ansonsten keine Bedenken<br />

IV. Materielle Rechtmäßigkeit<br />

- Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Duldungsverfügung:<br />

1. die zu vollziehende, an einen Dritten gerichtete Verfügung kann wegen eines<br />

entgegenstehenden Rechts des Adressaten der Duldungsverfügung nicht durchgesetzt<br />

werden<br />

2. der Adressat der Duldungsverfügung ist gleichfalls Störer<br />

3. die mit Hilfe der Duldungsanordnung durchzusetzende Verfügung ist rechtmäßig<br />

(Ausnahme, hier aber nicht relevant: Adressat der Duldungsverfügung war in früherem<br />

Gerichtsverfahren gegen den Adressaten der durchzusetzenden Verfügung beigeladen)<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 11.06.1990 - 3 S 1036/90 -,<br />

VBlBW 1991, 27, vom 22.05.2000 - 8 S 314/00 -, Vensa, und vom 19.08.1992 - 5 S<br />

247/92 -, juris<br />

Zu 1.: Hier würde durch Beseitigung der Hütte in das Eigentumsrecht des S eingegriffen.<br />

Zu 2.: S ist Handlungsstörer (vgl. § 6 Abs. 1 PolG), da er die Hütte 2004 selbst wieder auf<br />

dem Grundstück des P aufgestellt hat. Er ist zugleich Zustandsstörer (vgl. § 7 PolG), da er<br />

Eigentümer der Hütte ist.<br />

Zu 3.:<br />

Rechtmäßigkeit der Abbruchverfügung gegen P vom 05.03.2002? (Inzidentprüfung)<br />

hier zu prüfen, da Bestandskraft gegenüber P nicht gegenüber S wirkt (s.o.)<br />

a) Ermächtigungsgrundlage: § 65 Satz 1 LBO<br />

§ 65 Satz 1 LBO:<br />

Der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen<br />

Vorschriften errichtet wurde, kann angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige<br />

Zustände hergestellt werden können.<br />

b) Formelle Rechtmäßigkeit<br />

- Zuständigkeit des Landratsamtes L: (+)<br />

§ 48 Abs. 1 LBO, § 46 Abs. 1 Nr. 3 LBO, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG , § 1 Abs. 3 LKrO<br />

- ansonsten keine Bedenken<br />

c) Materielle Rechtmäßigkeit:<br />

- Voraussetzungen einer Abbruchverfügung:<br />

Die bauliche Anlage muss vom Zeitpunkt ihrer Errichtung an bis zum Schluss der<br />

mündlichen Verhandlung öffentlich-rechtlichen (insbesondere baurechtlichen) Vorschriften<br />

widersprechen und eine Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise,<br />

beispielsweise durch nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung, muss ausscheiden.


- Weidehütte: bauliche Anlage?<br />

Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LBO:<br />

Bauliche Anlagen sind unmittelbar mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte<br />

Anlagen.<br />

Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf<br />

dem Boden ruht oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist,<br />

überwiegend ortsfest benutzt zu werden.<br />

hier: Es handelt sich um eine transportable Weidehütte, aber es liegt eine überwiegend<br />

ortsfeste Benutzung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 LBO vor. Dies ist der Fall, wenn eine<br />

erkennbar verfestigte Beziehung zwischen der Anlage und dem zu ihrer Aufstellung<br />

dienenden Grundstück besteht und die Anlage als Gebäudeersatz dient. Die Hütte befindet<br />

sich seit 2001 auf dem Grundstück und wurde nur vorübergehend zur Reparatur entfernt.<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.1970 - VIII 745/67 -, ESVGH 22,<br />

30, 33; in diesem Fall bejaht für einen Wohnwagen<br />

- Rechtswidrigkeit seit der Errichtung?<br />

Weidehütte befindet sich im Außenbereich, daher richtet sich Genehmigungsfähigkeit nach<br />

§ 35 BauGB:<br />

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn es einem<br />

land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 201 BauGB dient und nur einen<br />

untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt (und außerdem dem Vorhaben keine<br />

öffentlichen Belange entgegenstehen und seine Erschließung ausreichend gesichert ist).<br />

Frage: Dient die Weidehütte einem landwirtschaftlichen Betrieb?<br />

Legaldefinition der Landwirtschaft in § 201 BauGB:<br />

Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und<br />

Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum<br />

landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann,<br />

die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die<br />

berufsmäßige Binnenfischerei.<br />

- Die Haltung von zwei Pferden durch P ist kein landwirtschaftlicher Betrieb, zumal auch das<br />

Grundstück an S verpachtet ist und die Pferde durch S gepflegt werden.<br />

- S führt unstreitig einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 201 BauGB (laut Sachverhalt),<br />

aber dient die Weidehütte diesem Betrieb?<br />

Ein Vorhaben „dient“ nur dann im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem<br />

landwirtschaftlichen Betrieb, wenn ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter<br />

Berücksichtigung des Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - dieses<br />

Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und<br />

Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch<br />

diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird.<br />

vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 03.11.1972 - IV C 9.70 -, BVerwGE 41, 138, 141 und<br />

143, vom 24.08.1979 - IV C 3.77 - und vom 14.04.1978 - IV C 85.75 -<br />

Hier:<br />

- weite Entfernung zum Betrieb des S<br />

- kein Funktionszusammenhang mit diesem, keine äußerlich erkennbare Prägung


- keine Nachhaltigkeit (Grundstück mit Hütte nur kurzfristig gepachtet)<br />

- Hütte wird nur von Pferden des P genutzt<br />

Die Hütte dient daher nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des S in 7 km Entfernung.<br />

Die Pflege der beiden Pferde des P stellt auch für sich genommen keinen<br />

landwirtschaftlichen Betrieb des S dar, da es schon an der Nachhaltigkeit fehlt.<br />

- Die Weidehütte ist auch nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig, da sie die natürliche<br />

Eigenart der Landschaft als öffentlichen Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5<br />

beeinträchtigt; dazu gehört, dass Außenbereichsflächen grundsätzlich unbebaut sind.<br />

Zwischenergebnis: Die Weidehütte verstößt seit ihrer Errichtung bis heute gegen<br />

baurechtliche Vorschriften, die Herstellung rechtmäßiger Zustände ist nur durch ihre<br />

Beseitigung möglich.<br />

- Ermessen (§ 65 Satz 1 LBO: „kann“)<br />

Grundsätzliche Anforderungen an eine Ermessensentscheidung:<br />

Eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung erfordert, dass die Behörde bei ihrer<br />

Entscheidung von zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht und<br />

alle nach Lage der Dinge in Betracht kommenden öffentlichen und privaten Interessen<br />

gegeneinander abwägt<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16.12.1981 - 8 S 1398/81 -, BauR<br />

1982, 264, 265 und vom 09.11.1990 - 8 S 1013/90 -, BauR 1991, 449, 451<br />

Prüfungsmaßstab für das <strong>Verwaltungsgericht</strong> (vgl. § 114 Satz 1 VwGO):<br />

- Sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten?<br />

- Wurde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden<br />

Weise Gebrauch gemacht?<br />

Sonderfall des „intendierten Ermessens“:<br />

Im Falle einer Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen rechts- und<br />

ordnungswidrige Zustände wird der Begründungspflicht regelmäßig damit genügt, dass die<br />

Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner<br />

Rechtswidrigkeit und Ordnungswidrigkeit beseitigt werden (intendiertes Ermessen).<br />

vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28.08.1980 - 4 B 67/80 -, juris, sowie VGH Baden-<br />

Württemberg, Urteile vom 22.04.2002 - 8 S 177/02 -, Vensa, und vom 16.06.2003 - 3 S<br />

2436/02 -, Vensa<br />

- Verhältnismäßigkeit:<br />

Vor.: (1) Geeignetheit (+)<br />

(2) Erforderlichkeit (+)<br />

(3) Angemessenheit = Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (+)<br />

Die mobile Weidehütte kann abtransportiert und wiederverwendet werden, daher ist<br />

die Angemessenheit unproblematisch zu bejahen.


- Hat sich die Abbruchverfügung durch die zwischenzeitliche Entfernung der<br />

Weidehütte erledigt?<br />

Legaldefinition der Erledigung: § 43 Abs. 2 LVwVfG<br />

Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen,<br />

anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.<br />

Soll eine behördliche Maßnahme das Verhalten des Betroffenen nicht nur einmalig, sondern<br />

auf Dauer steuern, erledigt sie sich nicht schon dann, wenn der Betroffene ihr zwar<br />

nachgekommen ist, seine Dispositionen aber jederzeit wieder rückgängig machen kann.<br />

Selbst im Falle der Vollstreckung eines Verwaltungsakts tritt keine Erledigung ein, wenn der<br />

damit geschaffene Zustand wieder rückgängig gemacht werden kann .<br />

vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100/98 -, juris<br />

Die Abbruchverfügung dient der dauerhaften Beseitigung eines rechtswidrigen<br />

Zustandes.<br />

Insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Abbruchverfügung eine bauliche<br />

Anlage betrifft, die ohne großen Aufwand abtransportiert werden kann, ist der Anordnung<br />

daher das Gebot immanent, nach der Beseitigung der baurechtswidrigen Anlage ihre<br />

Wiederaufstellung bzw. die erneute Verbringung auf das Grundstück zu unterlassen.<br />

vgl. dazu Hessischer VGH, Beschluss vom 22.08.1986 - 3 TH 2137/86 -, NVwZ 1987,<br />

427; der Fall betraf einen Wohnwagen<br />

d) Ergebnis:<br />

Rechtmäßigkeit der Abbruchverfügung gegenüber P ist zu bejahen.<br />

(Ende der Inzidentprüfung der Abbruchverfügung gegen P, nun ist die<br />

Duldungsverfügung weiter zu prüfen)<br />

Ermessen bzgl. Duldungsverfügung:<br />

auch hier „intendiertes Ermessen“<br />

Verhältnismäßigkeit der Duldungsverfügung?<br />

ist zu bejahen<br />

V. Ergebnis:<br />

Die Klage des S hat keine Aussicht auf Erfolg.<br />

KLAGE DES P GEGEN DIE ZWANGSGELDANDROHUNG<br />

A. Zulässigkeit der Klage<br />

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO: (+)<br />

Streitentscheidende Normen sind solche des öffentlichen Baurechts und des LVwVG.<br />

II. Statthafte Klageart: Anfechtungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO<br />

P wendet sich gegen einen Verwaltungsakt.<br />

III. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO: (+)<br />

P ist als Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsakt möglicherweise in seinen Rechten<br />

aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.


IV. Vorfahren, § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO: (+)<br />

V. Klagefrist, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO: eingehalten<br />

B. Begründetheit der Klage<br />

Die Klage ist begründet, wenn der Bescheid des Landratsamtes L vom 11.07.2005 und der<br />

Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22.11.2005 rechtswidrig<br />

sind und P dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).<br />

I. Passivlegitimation<br />

richtiger Beklagter: Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt L,<br />

da das Land Baden-Württemberg nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Rechtsträger des<br />

Landratsamtes L ist, das den angefochtenen (Ausgangs-)Bescheid erlassen hat<br />

II. Ermächtigungsgrundlage des Verwaltungsakts: §§ 18, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1<br />

LVwVG<br />

Exkurs: Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung nach dem LVwVG:<br />

- Geltungsbereich des LVwVG nach § 1 Abs. 1 LVwVG für die Vollstreckung von<br />

Verwaltungsakten, die zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten<br />

- vollziehbarer Grund-Verwaltungsakt, § 2 LVwVG (Bestandskraft des Grund-VA oder<br />

Entfallen der aufschiebenden Wirkung)<br />

- zuständige Vollstreckungsbehörde ist nach § 4 Abs. 1 LVwVG die Behörde, die den zu<br />

vollstreckenden Grund-VA erlassen hat<br />

- Nichterfüllung der Verpflichtung aus dem Grund-VA trotz tatsächlicher und rechtlicher<br />

Erfüllbarkeit<br />

- Vollstreckung gegen den Pflichtigen (Adressat des Grund-VA, Rechtsnachfolger unter den<br />

Voraussetzungen des § 3 LVwVG)<br />

- schriftliche Androhung mit Fristsetzung (§ 20 Abs. 1 LVwVG) (Ausnahme: § 21 LVwVG:<br />

Gefahr im Verzug)<br />

- Ermessen:<br />

Entschließungsermessen hinsichtlich des „ob“ der Anwendung von Zwangsmitteln<br />

Auswahlermessen (§ 19 Abs. 2, 3 LVwVG) bezüglich des festzusetzenden Zwangsmittels<br />

(Zwangsgeld/Zwangshaft, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang; zu den Zwangsmitteln<br />

und ihren Voraussetzungen vgl. §§ 18 ff. LVwVG)<br />

- Verhältnismäßigkeit<br />

III. Formelle Rechtmäßigkeit: (+)<br />

- zuständige Vollstreckungsbehörde: nach § 4 Abs. 1 LVwVG die Behörde, die den zu<br />

vollstreckenden Grund-VA erlassen hat; hier: Landratsamt L<br />

- ansonsten keine Bedenken<br />

IV. Materielle Rechtmäßigkeit:<br />

- § 2 LVwVG: vollziehbarer Grundverwaltungsakt:<br />

hier (+): bestandskräftige Abbruchverfügung vom 05.03.2002<br />

- Nichterfüllung der Verpflichtung aus dem Grund-VA trotz tatsächlicher und rechtlicher<br />

Möglichkeit<br />

hier: (+), insbesondere ist durch die vorübergehende Entfernung keine Erfüllung bzw.<br />

Erledigung eingetreten (s.o., Klage des S)


- ausnahmsweise zusätzliches Erfordernis bei Abbruchverfügung (als Ausnahme vom<br />

Grundsatz, dass „nur“ ein vollziehbarer Grund-VA vorliegen muss):<br />

Die Sach- und Rechtslage darf sich zwischen Grund-VA und Vollstreckung nicht derart<br />

geändert haben, dass der Grund-VA nunmehr nicht mehr ergehen dürfte.<br />

Grund: Es soll im Hinblick auf Art. 14 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

keine bauliche Anlage beseitigt werden, die sodann nach Erteilung einer Baugenehmigung<br />

wieder errichtet werden dürfte.<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.1980 - III 1333/79 -, BauR 1980, 346<br />

hier: nach der Abbruchverfügung Abschluss des Pachtvertrages zwischen P und S und<br />

Übereignung der Hütte:<br />

beides führt aber nicht zu einer günstigeren Rechtsposition für P:<br />

zum einen ist die Weidehütte trotzdem weiterhin baurechtswidrig ist (vgl. Prüfung bei S),<br />

zum anderen ist P als Grundstückseigentümer weiterhin Zustandsstörer<br />

- Fristsetzung<br />

§ 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG: nicht zu beanstanden<br />

- Ermessen: § 19 LVwVG<br />

- Entschließungsermessen hinsichtlich des „ob“ der Anwendung von Zwangsmitteln (auch<br />

hier Anwendung der Grundsätze des intendierten Ermessens)<br />

- Auswahlermessen hinsichtlich der Wahl des Zwangmittels Zwangsgeld: nicht zu<br />

beanstanden<br />

Merke: Zwischen Zwangsgeld und Ersatzvornahme besteht in Baden-Württemberg kein<br />

gesetzlicher Vorrang eines der beiden Zwangsmittel, daher ist eine Einzelfallprüfung<br />

erforderlich. Hier besteht kein Anlass, einem der beiden Zwangsmittel den Vorzug zu geben.<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2003 - 5 S 2781/02 -, Vensa<br />

- hinsichtlich der Höhe:<br />

Das angedrohte Zwangsgeld ist im unteren Bereich des Möglichen angesiedelt (vgl. § 23<br />

LVwVG),<br />

jedoch nicht so gering bemessen, dass es nicht mehr geeignet erscheint, P zur Vornahme<br />

der geforderten Handlung zu bewegen.<br />

- Verhältnismäßigkeit (vgl. § 19 Abs. 3 LVwVG):<br />

ist gewahrt<br />

- Fehlen von Vollstreckungshindernissen:<br />

Das Eigentum des S an der Weidehütte ist kein Vollstreckungshindernis, da S die<br />

Vollstreckung dulden muss (s.o.); dabei reicht es aus, wenn die Duldungsverfügung zum<br />

Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, der gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch für die<br />

Recht-mäßigkeit der Zwangsgeldandrohung maßgebend ist, vollziehbar ist.<br />

vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.11.1997 - 5 S 3409/95 -, Vensa<br />

V. Ergebnis:<br />

Die Klage des P hat ebenfalls keinen Erfolg.


Anmerkung: Der Fallgestaltung liegen die beiden Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s<br />

<strong>Sigmaringen</strong> 7 K 532/06 und 7 K 2280/05 zu Grunde (Urteile vom 16.11.2006). Der<br />

Sachverhalt wurde zur Fallbearbeitung leicht verändert, ohne die grundlegenden rechtlichen<br />

Probleme zu beeinflussen. Der <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof Baden-Württemberg hat die Urteile<br />

mit Beschlüssen vom 28.03.2007 (- 8 S 159/07 - und - 8 S 190/07 -) bestätigt, indem er die<br />

Anträge auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat. Der Beschluss im Verfahren 8 S 159/07<br />

ist in der Datenbank „Vensa“ veröffentlicht, die beiden Urteile des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s<br />

<strong>Sigmaringen</strong> werden in Kürze ebenfalls in die Datenbanken „Vensa“ und „Juris“ eingestellt.

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