Arbeitshilfe Rwanda - PSG
Arbeitshilfe Rwanda - PSG
Arbeitshilfe Rwanda - PSG
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<strong>Rwanda</strong><br />
Land der 1000 Hügel<br />
<strong>Arbeitshilfe</strong> zur <strong>Rwanda</strong>partnerschaft der <strong>PSG</strong><br />
Pfadfi nderinnenschaft St. Georg (<strong>PSG</strong>)<br />
www.pfadfi nderinnen.de
Inhalt<br />
2<br />
Inhalt / Impressum<br />
Vorwort 3<br />
Die Partnerschaft zwischen AGR und <strong>PSG</strong> 4<br />
Das Land der tausend Hügel 5<br />
Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong> 8<br />
Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong> 12<br />
Gesundheit, Aufklärung und HIV 16<br />
Armutsbekämpfung weltweit 19<br />
CD mit Informationen und Aktionstipps 23<br />
Impressum<br />
Herausgeben im Dezember 2008<br />
von der Bundesleitung der Pfadfi nderinnenschaft St. Georg,<br />
Unstrutstr. 10, 51371 Leverkusen,<br />
info@pfadfi nderinnen.de,<br />
www.pfadfi nderinnen.de<br />
Redaktion:<br />
Tina Dietz, Sigrid Hofmann, Renate Lammerding, Kathrin<br />
Moosdorf, Tine Ott, Conny Wolf<br />
Artwork:<br />
Sabrina Gielessen, Köln<br />
www.mein-liebes-fraeulein.de<br />
Diese <strong>Arbeitshilfe</strong> sowie der vorausgegangene Workshop<br />
„UN-GERECHT- Armutsbekämpfung in <strong>Rwanda</strong>“ wurde<br />
im Rahmen des Aktionsprogramms für mehr Jugendbeteiligung<br />
aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des<br />
Bundes gefördert. Das Aktionsprogramm ist eine Initiative<br />
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend, der Bundeszentrale für politische Bildung und des<br />
Deutschen Bundesjugendrings.<br />
“Vergesst auch nicht, dass der<br />
Pfadfi nder nicht nur ein Freund der<br />
Mitmenschen seiner engsten<br />
Umgebung ist, sondern ein Freund zu<br />
allen Menschen auf der Welt.<br />
Freunde bekämpfen einander nicht.<br />
Wenn wir mit unseren Nachbarn in<br />
fremden Ländern und Übersee<br />
Freundschaft schließen und wenn sie<br />
unsere Freundschaft erwidern,<br />
so werden wir nicht das Verlangen<br />
haben, gegen sie zu kämpfen.<br />
Das ist bei weitem die beste Methode,<br />
um künftige Kriege zu verhindern und<br />
einen dauerhaften Frieden zu sichern.”<br />
BiPi
Liebe Leiterinnen, liebe Pfadfi nderinnen!<br />
„Allzeit bereit“ bzw. „Guides toujours prêtes“<br />
Dieser Auftrag ist ein grundlegendes Prinzip der<br />
Pfadfi nderinnen und Pfadfi nder weltweit. Dazu gehört<br />
auch Neues zu entdecken, sich für eine bessere<br />
Welt zu engagieren, Ungerechtigkeiten aufzudecken<br />
und allen Menschen ein menschenwürdiges Leben<br />
zu ermöglichen. Diese Bemühungen beginnen im<br />
Kleinen und gehen, wie die Partnerschaft der <strong>PSG</strong><br />
mit der Association des Guides du <strong>Rwanda</strong> (AGR)<br />
auch über Länder-, Kontinentale- und kulturelle<br />
Grenzen hinaus. Uns reicht es nicht „nur“ in<br />
unserem unmittelbaren Umfeld zu schauen. Wir<br />
wollen im pfadfi nderischen Sinne auch international<br />
was bewegen, Partnerschaften knüpfen und uns<br />
gemeinsam mit anderen Pfadfi nderinnen für eine<br />
gerechtere Welt zusammenschließen.<br />
Internationale Vernetzung bedeutet voneinander<br />
Wissen, sich austauschen und den Alltag der anderen<br />
kennen lernen. Gemeinsam Aktionen zu machen<br />
und sich gegenseitig zu helfen sind pfadfi nderische<br />
Grundgedanken!<br />
Sichtwechsel! Manches für uns Alltägliche wird in<br />
anderen Ländern unterschiedlich gehandhabt und so<br />
manche Weltanschauung wurde deshalb schon auf<br />
den Kopf gestellt.<br />
Miteinander unterwegs sein, leben, singen, tanzen,<br />
essen, reden,…. machen Spaß und tragen zu einem<br />
friedlichen Miteinander bei.<br />
Partnerschaftsarbeit mit Pfadfi nderinnen aus<br />
Ländern wie <strong>Rwanda</strong>, in denen die kulturellen und<br />
materiellen Unterschiede im Vergleich zu Deutschland<br />
sehr groß sind, bietet vielfältige Möglichkeiten. Durch<br />
die Beschäftigung mit der Andersartigkeit können<br />
wir Pfadfi nderinnen in Deutschland die Augen für<br />
weltweite Unterschiede öffnen, manche Ansicht<br />
ändern und uns aktiv gegen Ungerechtigkeiten<br />
einsetzten.<br />
Armut geht alle was an! Was Politiker weltweit<br />
erstmals im Jahr 2000 in den so genannten<br />
Millenniumentwicklungszielen als Probleme der Welt<br />
festhalten und in einem 15-Jahres-Plan bekämpfen<br />
wollen, ist den Pfadfi nderinnen auf der ganzen Welt<br />
schon längst eine Herzensangelegenheit und ist auch<br />
in unserer Partnerschaft mit der AGR schon seit<br />
Jahren ein wichtiges Thema. Um die Mitglieder der<br />
<strong>PSG</strong> erneut zu ermuntern sich mit diesem Thema<br />
Vorwort<br />
auseinander zu setzen und in Aktion zu treten,<br />
haben wir mit Hilfe des Aktionsprogramms für mehr<br />
Jugendbeteiligung („Armut geht uns alle an“) bei einer<br />
Auftaktveranstaltung beim Bundescaravelle- und<br />
Rangerhajk im Herbst 2008 erstes Interesse geweckt<br />
und Ideen für diese <strong>Arbeitshilfe</strong> gesammelt.<br />
Diese <strong>Arbeitshilfe</strong> zur <strong>Rwanda</strong>partnerschaft<br />
und die dazu gehörige CD sollen als Handwerkszeug<br />
dienen, um euch und eure Gruppenkinder mit dem<br />
Thema <strong>Rwanda</strong> vertraut zu machen, Informationen<br />
zu vertiefen, Aktionen zu planen und Gruppenstunden<br />
oder Projekte durchzuführen. Zu jedem Kapitel der<br />
<strong>Arbeitshilfe</strong> fi ndet ihr zusätzliches Datenmaterial auf<br />
der CD. Wir, der Arbeitskreis <strong>Rwanda</strong>, stehen euch<br />
gerne für weitere Auskünfte, Hilfestellungen und<br />
Co zur Verfügung. Erreichen könnt ihr uns unter<br />
ak.rwanda@pfadfi nderinnen.de.<br />
Wir wünschen euch viel Spaß beim Eintauchen<br />
in die rwandische Welt!<br />
Euer AK <strong>Rwanda</strong><br />
Tina Dietz, Sigrid Hofmann,<br />
Renate Lammerding, Kathrin Moosdorf,<br />
Tine Ott und Conny Wolf<br />
3
Die Partnerschaft zwischen AGR und <strong>PSG</strong><br />
Die Association des Guides du<br />
<strong>Rwanda</strong> (AGR) ist der Partnerverband der<br />
Pfadfi nderinnenschaft St. Georg (<strong>PSG</strong>) in<br />
Afrika. Wie die <strong>PSG</strong>, ist die AGR ein reiner Mädchen-<br />
und Frauenverband und Mitglied im Weltverband<br />
der Pfadfi nderinnen (WAGGGS). Seit 1980 besteht<br />
zwischen den beiden Verbänden ein intensiver<br />
Austausch in Form einer Partnerschaft.<br />
Dies bedeutet für uns, das pfadfi nderische Leben<br />
der AGR, ihre Aktivitäten und Projekte kennenzulernen<br />
und den rwandischen Pfadfi nderinnen unsere<br />
Grundsätze und Aktionen näher zu bringen. Darüber<br />
hinaus bietet die Partnerschaft Mädchen und<br />
Frauen in beiden Ländern die Möglichkeit, Einblicke<br />
in eine fremde Kultur zu bekommen und über das<br />
jeweilige Alltagsleben etwas zu erfahren. Persönliche<br />
Begegnungen sind die beste Gelegenheit, sich ein<br />
eigenes Bild zu machen und einen tiefen Einblick in die<br />
andere Lebenswelt zu bekommen.<br />
In den langen Jahren der Partnerschaft haben<br />
viele Begegnungen zwischen Pfadfi nderinnen<br />
der <strong>PSG</strong> und der AGR stattgefunden.<br />
1982 reisten <strong>PSG</strong>lerinnen das erste Mal nach<br />
<strong>Rwanda</strong>. Vier Jahre später durften wir die<br />
ersten rwandischen Pfad-fi nderinnen in Deutschland<br />
begrüßen. Auch während des Genozids brach der<br />
Kontakt zwischen den beiden Verbänden nicht ab und<br />
einige Jahre später konnte das nächste Wiedersehen<br />
stattfi nden.<br />
2005 besuchten die Frauen aus dem Arbeitskreis<br />
<strong>Rwanda</strong> die AGR und lernten das Land, viele Stämme,<br />
Projekte und den pfadfi nderischen Alltag kennen.<br />
Die <strong>PSG</strong> konnte sich 2007 gleich über zwei Besuche<br />
von Rwanderinnen freuen. Im Juni feierten sie mit<br />
uns bei „100 % <strong>PSG</strong>“ in Ahrhütte das 60jährige<br />
Jubiläum der <strong>PSG</strong> und auf einer kleinen Deutschlandreise<br />
besuchten sie mehrere Partnerstämme.<br />
Anlass für den Besuch einer weiteren Gruppe im<br />
September war die internationale Begegnung zu<br />
„Scouting 100“ und das damit verbundene Camp<br />
im Garten des Bundespräsidenten in Schloss<br />
Bellevue in Berlin. Der Bundespräsident war von dem<br />
Engagement der Pfadfi nderinnen und Pfadfi nder so<br />
beeindruckt, dass ihn zwei deutsche Pfadfi nderinnen<br />
auf seiner Reise nach <strong>Rwanda</strong> und Uganda im<br />
Februar 2008 begleiten durften.<br />
4<br />
All diese Begegnungen lassen Freundschaften<br />
entstehen, die ein wichtiger Aspekt der<br />
Partnerschaft sind und welche die Pfadfi<br />
nderinnen der <strong>PSG</strong> und der AGR verbinden.<br />
Der Arbeitskreis (AK) <strong>Rwanda</strong> besteht aus jungen<br />
<strong>PSG</strong>lerinnen und steht in regem Kontakt mit der<br />
AGR, plant Begegnungen in beiden Ländern, führt<br />
Aktionen zum Thema <strong>Rwanda</strong> und AGR durch und<br />
tauscht aktuelle Informationen mit den rwandischen<br />
Pfadfi nderinnen aus. Außerdem dient der AK<br />
<strong>Rwanda</strong> als Bindeglied zwischen der AGR und dem<br />
Bundesverband der <strong>PSG</strong>.<br />
AKTIONSTIPP!<br />
· Informiert euch über die Partnerschaftsarbeit<br />
eures <strong>PSG</strong>-Stammes oder eurer<br />
<strong>PSG</strong>-Diözese mit der AGR. Hat es schon<br />
Begegnungen gegeben?<br />
Gibt es Brieffreundschaften?<br />
· Ladet eine <strong>PSG</strong>lerin, die schon mal in<br />
<strong>Rwanda</strong> war, zu eurer nächsten Aktion ein<br />
und lasst sie von ihren Erlebnissen<br />
berichten.<br />
Gemeinsames Tanzen und Singen mit den<br />
Pfadfi nderinnen beim Stamm Byumba
Das Land der tausend Hügel<br />
<strong>Rwanda</strong> gehört zu Subsaharaafrika, genauer zum<br />
östlichen Zentralafrika. Es liegt knapp südlich des<br />
Äquators in der „Region der großen Seen“ und grenzt<br />
im Norden an Uganda, im Osten an Tansania, im Süden<br />
an Burundi und im Westen an die Demokratische<br />
Republik Kongo.<br />
„Das Land der tausend Hügel“ wird <strong>Rwanda</strong> auch<br />
genannt, denn der größte Teil besteht aus hügeliger<br />
Hochebene, besonders im Westen. Doch <strong>Rwanda</strong> ist<br />
ein sehr vielfältiges Land. Im Norden des Landes<br />
werden aus den kleinen Hügeln hohe Vulkane.<br />
Der höchste Gipfel Karisimbi erreicht 4507m. In<br />
dichten Nebelwäldern der Vulkan-Region fi ndet sich<br />
eine Besonderheit <strong>Rwanda</strong>s, die Berggorillas. Die<br />
Gebiete, in denen Gorillas leben, sind zugänglich und<br />
abgesichert. Besuchergruppen können die Gorillas<br />
hautnah erleben. Doch es gibt strikte Aufl agen, um den<br />
Fortbestand der Gorillas zu sichern, der dem Tourismus<br />
einen Aufschwung beschert und zu einer wichtigen<br />
Einnahmequelle wurde. Im Osten fi ndet sich eher<br />
trockene Savanne, mit ausgedehnter Sumpffl äche.<br />
Giraffen, Elefanten, Impalas, Warzenschweine,<br />
Kafferbüffel, Zebras, Nilpferde und Affen sind nur<br />
einige Tiere, die nur noch in den Nationalparks<br />
anzutreffen sind.<br />
Das ganze Jahr über herrscht in <strong>Rwanda</strong> aufgrund<br />
der Verbindung von Höhen- und Tropenlage ein<br />
gemäßigtes Klima, die Temperaturen sind meistens<br />
zwischen 15°-30°C. Der Jahreszyklus lässt sich in<br />
vier Phasen einteilen, jeweils eine große und kleine<br />
Trocken- und Regenzeit.<br />
<strong>Rwanda</strong> ist 26.340 km² groß (und damit<br />
ungefähr so groß wie Brandenburg) und hat<br />
etwa 10,2 Millionen Einwohner. Dies entspricht<br />
einer Bevölkerungsdichte von 387 Einwohnern/<br />
km². Damit gehört <strong>Rwanda</strong> zu den am dichtesten<br />
besiedelten Ländern Afrikas. Zugleich ist es einer<br />
der kleinsten Staaten des Kontinents. Wie viele<br />
andere Entwicklungsländer auch weist <strong>Rwanda</strong> seit<br />
Jahrzehnten eine sehr hohe Wachstumsrate von<br />
ca. 2,3 - 3% auf.<br />
In der Altersstruktur fallen starke Gegensätze im<br />
Vergleich zu Industrieländern wie Deutschland<br />
(mit seiner „überalterten Gesellschaft“) auf.<br />
In <strong>Rwanda</strong> ist jede zweite Person unter 15 Jahre<br />
alt, jünger als 25 Jahre sind ungefähr 70 % der<br />
Bevölkerung. Die Ursachen hierfür sind vielfältig,<br />
u.a. spielen ein Mangel an Aufklärungsarbeit und<br />
Verhütungsmitteln eine Rolle. Doch besonders der<br />
Genozid trägt zu dieser Situation bei.<br />
Das Land der tausend Hügel<br />
5
Das Land der tausend Hügel<br />
Zwischen April und Juli 1994 herrschte in <strong>Rwanda</strong><br />
zwischen den Volksstämmen der Hutu, Tutsi und Twa<br />
ein grausamer Völkermord (Genozid), indem sich<br />
die Unzufriedenheiten und gezielte Hetzkampagnen<br />
innerhalb der rwandischen Bevölkerungen entluden.<br />
Diesem Völkermord fi elen innerhalb von drei<br />
Monaten ca. 800 000 - 1 000 000 Menschen zum<br />
Opfer. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit und der<br />
vor Ort stationierten Friedenstruppen der Vereinten<br />
Nationen spielten sich unbeschreibliche Szenen<br />
zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und<br />
Tutsi ab. Der anschließende Bürgerkrieg dauerte in<br />
einigen Regionen noch bis 1998 an und stürzte das<br />
Land in großes Chaos und Leid.<br />
Fast 2/3 der rwandischen Bevölkerung war auf<br />
der Flucht in Flüchtlingslager, die in angrenzenden<br />
Ländern notdürftig errichtet wurden. Als Reaktion<br />
auf diese Flüchtlingsströme, auf die Ausbreitung<br />
von Seuchen und die damit verbundene sehr hohe<br />
Sterblichkeit in den Flüchtlingslagern setzte eine<br />
große internationale Hilfsaktion ein.<br />
Der Bürgerkrieg hat vieles in <strong>Rwanda</strong> verändert<br />
und die Folgen sind noch heute sichtbar.<br />
<strong>Rwanda</strong> wurde nicht nur wirtschaftlich weit zurück<br />
geworfen, viele Menschen sind von den schrecklichen<br />
Ereignissen so traumatisiert, dass sie ihr Leben<br />
nicht mehr alleine meistern können. Hinzu kommt,<br />
dass vor allem Männer während des Völkermords<br />
umgekommen sind oder deswegen im Gefängnis<br />
sitzen. Deshalb müssen viele Familien heute ohne das<br />
männliche Oberhaupt zurecht kommen. Das hat die<br />
rwandische Gesellschaft grundlegend verändert.<br />
Viele Mädchen und Frauen wurden während des<br />
Völkermords gezielt vergewaltigt. Nach Angaben von<br />
UNICEF wird die Zahl der vergewaltigten Mädchen<br />
und Frauen auf 250 000 bis 500 000 geschätzt.<br />
Die betroffenen Frauen leiden häufi g unter sozialer<br />
Ächtung, denn auch in <strong>Rwanda</strong> gelten solche Taten<br />
zugleich als persönliche Schande der Opfer. Hinzu<br />
kommt, dass viele Frauen durch die Vergewaltigung<br />
mit HIV infi ziert wurden, da gezielt HIV infi zierte<br />
Männer eingesetzt wurden, um die Frauen während<br />
des Völkermords zu vergewaltigen.<br />
Die Regierung <strong>Rwanda</strong>s steht seitdem vor der<br />
großen Herausforderung mit Hilfe von internationale<br />
Organisationen das Land nach dem Genozid wieder<br />
aufzubauen und die Menschen miteinander zu<br />
versöhnen.<br />
6<br />
Seit 2006 ist <strong>Rwanda</strong> in fünf Provinzen<br />
aufgeteilt: Nord, Ost, Süd, West und Kigali, die<br />
Hauptstadt. Kigali ist seit 1962 Hauptstadt und mit<br />
ca. 900 000 Einwohnern größte Stadt des Landes.<br />
Benannt ist die Hauptstadt nach dem Berg Kigali, der<br />
sich am westlichen Stadtrand befi ndet.<br />
Der Großteil der rwandischen Bevölkerung<br />
lebt auf dem Land. Doch in den letzten Jahren<br />
ist die städtische Bevölkerung von 5 % auf 17 %<br />
angestiegen. Immer mehr Leute wandern in die Stadt,<br />
in der Hoffnung auf ein besseres Leben und Arbeit.<br />
Neben Kigali sind es die großen Städte Muhanga,<br />
Huye, Ruhengeri und Rubavu, die besonders viele<br />
Leute anziehen. Diese Städte haben alle weniger als<br />
100 000 Einwohnerinnen und Einwohner.<br />
AKTIONSTIPP!<br />
· Auf der beigefügten CD fi ndet ihr ein 1, 2<br />
oder 3-Ratequiz, in dem ihr Fragen für jede<br />
Altersstufe fi ndet. Falls ihr euch nicht mehr<br />
ganz genau an das Spiel erinnern könnt,<br />
fi ndet ihr auch noch eine Beschreibung auf<br />
der CD. Wenn Euch die Fragen zu langweilig<br />
sind oder ihr besonders kreativ seid,<br />
wie wäre es mit folgendem Vorschlag:<br />
Teilt eure Gruppe in zwei oder drei<br />
Kleingruppen ein und überlegt euch in<br />
diesen einige Fragen. Hinterher stellt ihr<br />
Euch gegenseitig eure Fragen. Wer weiß am<br />
meisten über <strong>Rwanda</strong>?<br />
· Ihr interessiert euch für fremde Kulturen<br />
und Sprachen? Dann macht doch mal<br />
einen kleinen Kinyarwanda-Sprachkurs.<br />
Auf der CD fi ndet ihr einige Wörter, Ausdrücke<br />
und auch Zahlen dieser, für uns so<br />
fremd klingenden Sprache.
Das Land der tausend Hügel<br />
Als Lebensgrundlage gilt für die meisten<br />
Menschen in <strong>Rwanda</strong> die Landwirtschaft, ca.<br />
90% arbeiten in diesem Sektor und nutzen insgesamt<br />
ca. 2/3 der Gesamtfl äche des Landes. Meistens<br />
dienen die Erzeugnisse aus eigenem Anbau der<br />
Versorgung der eigenen Familie. Doch Ackerland wird<br />
knapp und die Böden sind erschöpft. Die wachsende<br />
Bevölkerung ist auf eine steigende Produktion<br />
angewiesen, die Selbstversorgung vieler Haushalte<br />
ist jetzt schon nicht mehr garantiert und wird in den<br />
nächsten Jahren zu großen Problemen führen.<br />
Wichtigste Produkte, die in <strong>Rwanda</strong> angebaut werden,<br />
sind Bananen, Bohnen, Hirse, Maniok, Mais,<br />
Kartoffeln, Süßkartoffeln und Papaya, Avocado,<br />
Maracuja, Ananas und Mango. In westliche Länder<br />
werden vor allem Kaffee und Tee sowie Zinn und<br />
Coltan exportiert.<br />
Neben unzureichender Nahrung sind es vor<br />
allem Engpässe in der Versorgung mit Strom und<br />
Wasser, die das alltägliche Leben erschweren. Nur<br />
5% der Bevölkerung hat Zugang zu Strom. Der<br />
Bedarf in den Städten wächst schnell und der<br />
Wasserspiegel in den Seen ist stark gefallen. Da der<br />
gesamte Strom aus Wasserkraft gewonnen wird, führt<br />
dies zu unzureichender Versorgung; regelmäßig wird<br />
deshalb der Strom in den Stadtteilen abgeschaltet.<br />
Das Problem in der Trinkwasserversorgung liegt<br />
vor allem in der hügeligen Landschaft, die den Bau<br />
von Wasserleitungen zusätzlich zu den fi nanziellen<br />
Faktoren erschwert.<br />
Typisches Wohngebiet der ärmeren<br />
Bevölkerung in Kigali<br />
Amtssprache sind neben Kinyarrwanda,<br />
einer Bantusprache, Französisch und<br />
Englisch. Besonders die Rolle des Englischen nimmt in<br />
letzter Zeit stark zu und verdrängt zunehmend das<br />
Französische, ein Erbe der belgischen Zeit.<br />
Ebenfalls belgisches Erbe ist der weit verbreitete<br />
Katholizismus, dem heute etwa 55% der Bevölkerung<br />
angehören. Ca. 38% sind protestantisch und 5%<br />
islamisch, besonders in großen Städten. Doch auch<br />
viele Freikirchen gewinnen an Bedeutung. Von der<br />
ursprünglichen Religion <strong>Rwanda</strong>s, dem Ahnenkult, ist<br />
heutzutage sehr wenig übergeblieben.<br />
Die aktuelle Flagge <strong>Rwanda</strong>s wurde 2001 eingeführt.<br />
Grün steht für Hoffnung auf Wohlstand, Gelb für wirtschaftliche<br />
Entwicklung und Blau für Glück und Frieden. Auf dem blauen<br />
Balken ist eine goldenfarbene Sonne zu sehen.<br />
Mit ihren 24 Strahlen symbolisiert sie Licht, welches das Volk<br />
allmählich beleuchten soll.<br />
7
Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong><br />
Da Feldarbeit und Viehzucht mehr als 90 % der<br />
rwandischen Bevölkerung als Lebensgrundlage<br />
dient, prägen sie auch das gesellschaftliche Bild<br />
<strong>Rwanda</strong>s.<br />
Der Großteil der Bevölkerung lebt auf dem Land,<br />
in kleinen Hütten aus luftgetrockneten Ziegeln oder<br />
in traditionellen Rundhütten aus Lehm. Oftmals leben<br />
Kleintiere, wie Ziegen, Schafe und Hühner zusammen<br />
mit den Menschen in den Rundhütten. Nur die Rinder,<br />
deren Zucht eine lange Tradition in <strong>Rwanda</strong> hat und<br />
die als ein Zeichen des Reichtums und Wohlstands<br />
gelten, werden im Freien gehalten. Leider reicht die<br />
Viehzucht bis heute nicht aus, um den Nahrungsbedarf<br />
der Bevölkerung zu decken und so kommt es vor allem<br />
bei Kindern zu Mangelerscheinungen, Krankheiten<br />
und Wachstumsstörungen.<br />
Dörfer sind im traditionellen <strong>Rwanda</strong> unbekannt,<br />
meist beginnt direkt hinter der Hütte das<br />
eigene Feld und die einzelnen „Höfe“ liegen weiter<br />
auseinander und sind nur über kleine Trampelpfade<br />
miteinander verbunden. Das hat den Vorteil, dass<br />
man immer schnell beim eigenen Feld sein kann.<br />
Diese Streusiedelung macht es jedoch schwer<br />
eine gute Infrastruktur zu schaffen, d.h. es ist fast<br />
unmöglich all die Hütten mit Strom und Trinkwasser<br />
zu versorgen und die Menschen müssen weite<br />
Wege gehen, um an sauberes Wasser zu gelangen.<br />
Der Staat hat in den letzten Jahren versucht die<br />
Bildung von Dörfern zu fördern und die Infrastruktur<br />
auszubauen, aber es haben nach wie vor nur<br />
5% der Rwanderinnen und Rwander Strom und kaum<br />
jemand Trinkwasser im Haus.<br />
8<br />
Feldarbeit ist in <strong>Rwanda</strong> noch Handarbeit.<br />
Traktoren fi ndet man hier nicht.<br />
Meistens sind Frauen und Kinder für die<br />
Bestellung der Felder zuständig.<br />
Viele Menschen in <strong>Rwanda</strong> träumen von einem<br />
geregelten Job mit sicherem Gehalt in der<br />
Industrie oder im Dienstleistungssektor, deshalb<br />
zieht es sie vom Land in die Stadt, um dort so eine<br />
Arbeit zu fi nden. Dieser Traum endet für viele jedoch<br />
in Notunterkünften in den städtischen Randbezirken,<br />
getrennt von ihren Familien und sozialem Rückhalt.<br />
Die wenigen Jobs die es gibt, sind vor allem bei<br />
Behörden, oder in Banken zu fi nden. Einige wenige<br />
auch in der Industrie, die sich im Wesentlichen auf<br />
die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten<br />
und Gerätschaften, sowie auf die Herstellung von<br />
Ziegeln, Baumaterial, Möbeln und Kleidung beschränkt.<br />
Der größte Arbeitgeber in der Industrie ist<br />
eine Bierbrauerei, die das traditionelle Bananenbier<br />
braut und verkauft. Daneben wächst die Mobilfunkindustrie<br />
immer schneller und Handys und<br />
Internet nehmen einen immer wichtigeren<br />
Stellenwert ein.<br />
Das rwandische Straßennetz ist schlecht<br />
ausgebaut. Nur die Provinzhauptstädte<br />
und wichtigsten Knotenpunkte sind über<br />
Teerstraßen gut erreichbar, aber alles<br />
was darüber hinausgeht, ist mit Fahr<br />
zeugen oftmals nur mühsam zu erreichen. Zudem<br />
können es sich nur die wenigsten Menschen in<br />
<strong>Rwanda</strong> leisten, eine Busfahrkarte oder ein Taxi zu<br />
bezahlen. Deshalb müssen die meisten von ihnen zu Fuß<br />
gehen. Dabei wird von Einkäufen, über Wasserkanister<br />
bis hin zum Brennholz so gut wie alles auf dem<br />
Kopf transportiert. Reichen die Tragekapazitäten<br />
mal nicht mehr aus, dann wird alles auf ein Fahrrad<br />
geladen. Damit werden auf abenteuerliche Weise<br />
Personen und Güter gleichermaßen und oftmals<br />
gleichzeitig über mittlere Entfernungen transportiert.<br />
Weite Entfernungen werden mit Kleinlastern, oder<br />
Minibus-Taxis zurückgelegt, wobei erst losgefahren<br />
wird, wenn das Taxi doppelt so voll ist wie eigentlich<br />
erlaubt. Wer es sich leisten kann, kann in der Stadt<br />
auch Motorrad- oder Autotaxis mieten.<br />
Das Straßensystem abseits der Hauptstraßen<br />
ist sehr schlecht.<br />
Die Nebenstraßen sind oftmals auch<br />
nicht asphaltiert.
Es ist kein Vorurteil - In <strong>Rwanda</strong> wird<br />
fast alles auf dem Kopf transportiert<br />
Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong><br />
<strong>Rwanda</strong> ist eines der ärmsten Länder der Erde.<br />
Mehr als 60% der Bevölkerung leben unterhalb der<br />
Armutsgrenze, d.h. diese Menschen müssen mit<br />
weniger als einem Dollar pro Tag (das ist etwas mehr<br />
als 0,80 €) leben. Diese extreme Armut zeigt sich zum<br />
einen in einem sehr schlechten Ernährungszustand<br />
großer Teile der Bevölkerung, ist aber auch einer von<br />
vielen Gründen für die hohe Rate an Kinderarbeit.<br />
36% der Kinder in <strong>Rwanda</strong> müssen in der ein<br />
oder anderen Form arbeiten, um sich und ihre<br />
Familien zu ernähren. Das reicht von Feldarbeit für<br />
die Familie, über Arbeit auf Plantagen, in Steinbrüchen<br />
und Ziegeleien bis hin zur Prostitution und dem<br />
Dasein als Kindersoldatin bzw. Kindersoldat.<br />
Die Gründe für die Kinderarbeit sind vielfältig.<br />
Durch den Krieg und Völkermord 1994 und durch<br />
Krankheiten wie Aids, Malaria, Tuberkulose ist<br />
jedes dritte Kind in <strong>Rwanda</strong> Halb- oder Vollwaise.<br />
Davon müssen 40 000 bis 80 000 selbst einen<br />
Haushalt führen und sich und ihre Geschwister<br />
„durchbringen“.<br />
SCHULE UND BILDUNGSCHANCEN<br />
Angesichts all dieser Schwierigkeiten, denen viele<br />
Kinder ausgesetzt sind, ist es umso erstaunlicher,<br />
dass es eine Schulpfl icht für alle Kinder zwischen<br />
7 und 15 Jahren gibt und dass die Einschulungsrate<br />
dank Regierungsprogrammen bei über 90% liegt.<br />
Angelehnt an das europäische Schulsystem gibt es<br />
Vorschulen, Primarschulen (für die die Schulpfl icht<br />
besteht) und weiterführende Sekundarschulen,<br />
sowie Hochschulen für alle, die es sich leisten<br />
können. Das Schulgeld für weiterführende Schule ist<br />
jedoch sehr hoch und kann von den meisten Familien<br />
nicht bezahlt werden. Außerdem wird die zusätzliche<br />
Arbeitskraft der Kinder auf dem Feld benötigt.<br />
Solange die Kinder in die Schule gehen,<br />
müssen sie ihre Haare kurz tragen und es ist<br />
den Mädchen verboten sich Zöpfe fl echten zu<br />
lassen. Dies und die Schuluniform soll dazu<br />
beitragen, dass die Unterschiede zwischen arm und<br />
reich nicht so stark hervortreten und zu Konfl ikten<br />
führen. Leider kommen die Schulbaumaßnahmen<br />
dem Bevölkerungswachstum nicht hinterher.<br />
Überfüllte Klassenzimmer, Zwei-Schicht-Betrieb<br />
und ein Mangel an gut ausgebildeten Lehrerinnen<br />
und Lehrern sind die Folge. Dies ist auch als<br />
Ursache für den oft eher geringen Bildungserfolg,<br />
schwache Schulabschlüsse und eine weiterhin hohe<br />
Analphabetenrate von 29% (Männer) und 40%<br />
(Frauen) zu sehen.<br />
Eine typische Streusiedlung im<br />
ländlichen Raum <strong>Rwanda</strong>s<br />
9
FRAUEN IN RWANDA<br />
Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong><br />
Es ist kein Zufall, dass die Analphabetenrate<br />
von Frauen mehr als 10 % höher liegt als die der<br />
Männer. Dies erschließt sich aus dem traditionellen<br />
Bild der Rolle der Frau in der Gesellschaft <strong>Rwanda</strong>s.<br />
Im traditionellen Rollenverständnis war die<br />
Frau, außer in Ausnahmefällen, ihrem Mann oder<br />
Vater unterstellt und durfte sich nicht in Anwesenheit<br />
von Männern zu Wort melden. Sie ging nicht in<br />
die Öffentlichkeit und ihre Stellung in Familie und<br />
Gesellschaft war und ist sehr stark von Traditionen<br />
geprägt. Zum Ansehen der Frau tragen vor allem<br />
ihre Kinder bei. Sie gelten als Segen, sind aber auch<br />
als <strong>Arbeitshilfe</strong> auf dem Feld und im Haushalt unverzichtbar.<br />
Zudem gelten sie als eine Art Altersvorsorge,<br />
denn in <strong>Rwanda</strong> gibt es keine zuverlässigen<br />
Rentenversicherungen oder Ähnliches und so ist<br />
der Rückhalt der Großfamilie das wichtigste soziale<br />
Netzwerk. Im Durchschnitt hat die rwandische<br />
Frau sechs Kinder. Für deren Erziehung, sowie für<br />
Arbeiten in Haus und Hof ist sie zuständig. Somit fällt<br />
die Hauptlast der Arbeit auf die Frau.<br />
Seit dem Völkermord 1994 hat sich jedoch einiges<br />
geändert. Der Genozid hinterließ hunderttausende<br />
Witwen und Waisen. Das führte dazu, dass sich<br />
die Rolle der Frau in der rwandischen Gesellschaft<br />
grundlegend geändert hat. Frauen mussten nun die<br />
Funktion des Familienoberhaupts übernehmen<br />
(da ihre Männer tot oder im Gefängnis waren). Das<br />
hat auch zwangsläufi g dazu geführt, dass sich ihre<br />
rechtliche Situation verbessert hat. Früher war es<br />
rwandischen Frauen weder erlaubt als Oberhaupt<br />
der Familie Entscheidungen zu treffen, noch im Falle<br />
des Todes ihres Ehemannes Hof oder Vermögen zu<br />
erben. Dadurch war die rwandische Frau fi nanziell<br />
immer abhängig von Männern und in ihren Rechten<br />
eingeschränkt. Dies wurde mittlerweile gesetzlich<br />
geändert und der Staat bemüht sich den Frauen<br />
gleiche Rechte einzuräumen. Durch diese fortschrittliche<br />
Gesetzgebung ist es <strong>Rwanda</strong><br />
gelungen mit knapp 50 % die weltweit<br />
höchsten Frauenvertretungsquote im<br />
Parlament zu erreichen.<br />
10<br />
TANZ, GESANG UND TROMMELN<br />
Das kulturelle Leben <strong>Rwanda</strong>s wird vor allem<br />
von Musik, Gesang, Tanz und Poesie geprägt.<br />
Tanzgruppen treten bei Familienfesten genauso auf<br />
wie bei offi ziellen Staatsempfängen, immer begleitet<br />
von Gesang, Klatschen, Trommeln und Schellen.<br />
Der Höhepunkt solcher Darbietungen endet meist<br />
mit dem berühmten Tanz der Krieger („Itore“).<br />
Professionelle Tanzgruppen, die auch bei offi ziellen<br />
Anlässen tanzen genießen großes Ansehen. Und auch<br />
in der modernen rwandischen Popmusik fi nden sich<br />
traditionelle Elemente wieder.<br />
Neben Tanz und Gesang sind die Rwanderinnen und<br />
Rwander vor allem auch berühmt für ihre Flechtarbeiten<br />
aus Sisal und getrockneten Bananenblättern.<br />
Solche Kunsthandwerksprodukte werden auch in<br />
den Projekten der AGR hergestellt und von den<br />
Frauen verkauft, um sich ihren Lebensunterhalt zu<br />
fi nanzieren.<br />
Die traditionelle Kleidung in <strong>Rwanda</strong> ist sehr<br />
bunt und farbenfroh mit großen Druckmotiven und<br />
Perlenschmuck. Die Frauen tragen dazu meist eine<br />
farblich passende Kopfbedeckung. Heutzutage wird<br />
diese traditionelle Kleidung mehr und mehr durch<br />
den „westlichen“ Kleidungsstil verdrängt. T-Shirt und<br />
Hosen werden vor allem zur Feldarbeit getragen.<br />
Das in Ehren gehaltene<br />
„Festtags-Outfi t“ ist meist weiterhin traditionell<br />
und wird nur bei festlichen<br />
Anlässen getragen. Dank der guten<br />
Bewegungsfreiheit steht einem Fest mit<br />
ausgiebigem Tanzen und Singen nichts<br />
mehr im Wege.
Solch ein Festmahl können sich nur<br />
wenigste Menschen in <strong>Rwanda</strong> leisten.<br />
Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong><br />
Auch das Festessen nimmt einen hohen Stellenwert<br />
ein. Zu besonderen Anlässen gibt es Fleisch, wobei<br />
vor allem Innereinen wie Magen als besondere<br />
Delikatesse zählen. Die Ernährung der ärmeren<br />
Menschen ist meistens sehr einseitig und<br />
besteht aus Hirsebrei, Maniok und Süßkartoffeln.<br />
Oft verkaufen die Familien ihr selbst<br />
angebautes Obst und Gemüse, um nahrhafte<br />
Lebensmittel wie Hirse, Reis und Maniok zu kaufen.<br />
Besitzen die Menschen etwas mehr Geld, so können sie<br />
sich eine abwechslungsreichere Ernährung bestehend<br />
aus Süßkartoffeln, Reis, Maniok, Auberginen,<br />
Erdnusssoße und diversem Obst und Gemüse leisten.<br />
„Luxus“-Lebensmittel wie Schokolade, Käse und Wein<br />
sind zum Teil sogar teurer als bei uns in Deutschland,<br />
deshalb können sich das die wenigsten leisten.<br />
Die meisten Lebensmittel bauen die Menschen selbst<br />
an, oder kaufen es auf dem Markt. Supermärkte wie<br />
bei uns in Deutschland sind selten und sehr teuer<br />
und eigentlich nur für „umuzungus“ (Weiße, oder<br />
auch Reiche).<br />
AKTIONSTIPP!<br />
· Maniokbrei mit einer Sauce von Banane<br />
und Aubergine. Maniok und Kochbananen<br />
sind zwei grundlegende Lebensmittel in<br />
<strong>Rwanda</strong>. Bei uns sind sie jedoch fast unbekannt.<br />
Um die kulinarischen Genüsse <strong>Rwanda</strong>s<br />
besser kennen zu lernen probiert doch<br />
mal das Rezept „Maniokbrei“ und „Soße<br />
aus Bananen und Auberginen“ (fi ndet ihr<br />
auf der CD) aus. Solltet ihr einige Lebensmittel<br />
so nicht bekommen, dann probiert<br />
doch einfach mal andere Lebensmittel aus,<br />
die in dieser <strong>Arbeitshilfe</strong> erwähnt werden<br />
und sucht dazu Informationen im Internet.<br />
Ihr könnt z.B. auch Kochbananen frittieren<br />
oder einen Hirsebrei zur Soße machen.<br />
· Macht eine Gruppenstunden zum Thema:<br />
„Alltag, Leben und Arbeiten in <strong>Rwanda</strong>“:<br />
Überlegt euch zunächst wie wohl das Leben<br />
in <strong>Rwanda</strong> Tag für Tag aussieht. Was müssen<br />
die Menschen jeden Tag erledigen? Wie<br />
sehen ihre täglichen Gänge und Arbeiten<br />
aus? Sammelt eure Ideen auf Plakaten und<br />
überlegt euch einmal, was das im Vergleich<br />
zu eurem Alltag und Leben bedeutet.<br />
11
Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong><br />
Der Stolz eine Pfadfi nderin zu sein ist in <strong>Rwanda</strong><br />
noch größer als in Deutschland. Dies liegt zum<br />
einen daran, dass es für Kinder- und Jugendliche<br />
nur wenig Freizeitmöglichkeiten gibt, zum anderen<br />
hat die Pfadfi nderei in der Gesellschaft einen hohen<br />
Stellenwert und Bekanntheitsgrad. Bei der Reise von<br />
deutschen Pfadfi nderinnen nach <strong>Rwanda</strong>, wurden die<br />
<strong>PSG</strong>lerinnen z.B. immer wieder von fremden Leuten<br />
auf der Straße mit dem Pfadfi ndergruß begrüßt.<br />
Die AGR ist ein reiner Mädchen und<br />
Frauenverband. Neben der AGR gibt es noch die<br />
„Association des Scouts du <strong>Rwanda</strong>“ (ASR), die<br />
nur männliche Mitglieder hat.<br />
In den Gruppenstunden wird entsprechend der<br />
rwandischen Kultur viel getanzt, gesungen und<br />
getrommelt.<br />
Verband Pfadfi nderinnenschaft St. Georg<br />
(<strong>PSG</strong>)<br />
Am Ende der Gruppenstunde oder eines Treffens<br />
wird wie bei uns ein Abschiedskreis gebildet und mit<br />
gekreuzten Armen das Abschiedslied auf Französisch<br />
gesungen. Zu den Aktivitäten der Pfadfi nderinnen<br />
zählen aber auch der Anbau von landwirtschaftlichen<br />
Produkten, Viehzucht und die Anfertigung von<br />
zahlreichen Handwerksprodukten.<br />
12<br />
Zwischen der AGR und der <strong>PSG</strong> gibt es viele Gemeinsamkeiten:<br />
Dazu gehören Körbe, Karten und Seife. Außerdem<br />
leisten die Mädchen und Frauen gemeinnützige<br />
Arbeit in sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern<br />
und Schulen.<br />
In der AGR sind viele Pfadfi nderinnengruppen an<br />
Internate angeschlossen. Die meisten weiterführenden<br />
Schulen in <strong>Rwanda</strong> sind gleichzeitig Internate, denn<br />
viele Schülerinnen und Schüler haben einen sehr<br />
weiten Schulweg. Die Schul-Pfadfi nderinnen treffen<br />
sich nach dem Unterricht zur Gruppenstunde.<br />
Außerdem gibt es viele Stämme und Gruppen auf dem<br />
Land, denn dort lebt der Großteil der Bevölkerung<br />
<strong>Rwanda</strong>s. Auf dem Land gibt es auch besonders<br />
viele erwachsene Pfadfi nderinnen. Bis ins hohe Alter<br />
wirken die Frauen bei den Aktivitäten der AGR mit.<br />
Association des Guides du<br />
<strong>Rwanda</strong> (AGR)<br />
Mitglieder Mädchen und Frauen Mädchen und Frauen<br />
Struktur/ Ebenen Bundesleitung<br />
Diözesanleitung<br />
Stammesleitung<br />
Altersstufen<br />
(die Farben sind den<br />
Altersstufen zugeordnet)<br />
Wichtel<br />
7 – 10 Jahre<br />
blaues Tuch mit gelbem Streifen<br />
Pfadis<br />
10 – 13 Jahre<br />
blaues Tuch mit blauem Streifen<br />
Caravelles<br />
13 – 16 Jahre<br />
blaues Tuch mit grünem Streifen<br />
Ranger<br />
ab 16<br />
blaues Tuch mit rotem Streifen<br />
Comité National<br />
Comité Regional<br />
Conseil d`Unitè<br />
Bergeronnettes<br />
6 – 12 Jahre<br />
rotes Tuch mit weißem Streifen<br />
Guides und Eclaireuses<br />
13 – 17 Jahre<br />
grünes Tuch mit weißem Streifen<br />
Guides Aînées<br />
17 – 25 Jahre<br />
grünes Tuch mit weißem Streifen<br />
Cadres<br />
ab 25 Jahre<br />
blaues Tuch mit weißem Streifen<br />
Konfession Katholisch Katholisch<br />
Motto „Allzeit bereit“ «Guides toujours prêtes»<br />
Auch die rwandischen Pfadfi nderinnen<br />
machen zum Abschluss einen Abschiedskreis
Als rein weiblicher Verband setzt sich die AGR<br />
natürlich besonders für die Rechte von Mädchen<br />
und Frauen ein. Die Pädagogik der AGR zielt darauf<br />
die Pfadfi nderinnen zu verantwortungsvollen und<br />
selbstbewussten Frauen zu erziehen. Die durch die<br />
pfadfi nderische Arbeit vermittelten Fähigkeiten und<br />
Kompetenzen sollen die Frauen befähigen ihr Leben<br />
selbstständig gestalten zu können.<br />
Nach dem Völkermord 1994 ist Versöhnungsarbeit<br />
und Friedenserziehung zu einem weiteren<br />
Schwerpunkt der AGR geworden. Die Folgen des<br />
Genozids sind auch heute noch im Land und in<br />
der Gesellschaft spürbar. Der Krieg hat viel Tod<br />
und Leid über <strong>Rwanda</strong> gebracht und viel Wut<br />
und Misstrauen in der Bevölkerung hinterlassen.<br />
Heute leben Mörder und Opfer oft nebeneinander<br />
und müssen miteinander auskommen. Durch den<br />
Krieg sind viele Frauen zu Witwen geworden, unter<br />
ihnen natürlich auch viele Pfadfi nderinnen. Bei den<br />
„Witwen“ handelt es sich sowohl um Frauen deren<br />
Männer getötet haben und nun im Gefängnis sitzen, als<br />
auch um Frauen deren Männer umgebracht wurden.<br />
In Folge dessen herrschte auch unter den<br />
Pfadfi nderinnen in den Stämmen und Gruppen<br />
viel Hass und Misstrauen. Die AGR hat den Frauen<br />
geholfen sich anzunähern und über das Geschehene<br />
zu sprechen. Durch die gemeinsamen Gespräche<br />
haben sich die Frauen vielfach versöhnt und einander<br />
verziehen.<br />
Die Frauen haben verstanden, dass sie<br />
zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen<br />
müssen um den anstrengenden Alltag ohne ihre<br />
Männer meistern zu können. Nun arbeiten sie in den<br />
Stämmen und Gruppen wieder miteinander.<br />
Um den Vorurteilen zwischen den verschiedenen<br />
Bevölkerungsgruppen dauerhaft entgegenzuwirken<br />
wird auch in der jüngeren Generation, die den Krieg<br />
nur aus Erzählungen kennt, viel Aufklärungsarbeit<br />
und Friedenserziehung von der AGR geleistet. In den<br />
Stämmen und Projekten der AGR waren und sind<br />
Hutus und Tutsis schon immer gemeinsam aktiv.<br />
Die Ethnie spielt im Pfadfi nderinnenalltag keine<br />
Rolle.<br />
Ebenso werden durch die AGR in allen Stämmen<br />
und Projekten Inhalte in Gesundheitserziehung,<br />
Hygiene und HIV/Aids vermittelt. Da es in<br />
vielen Dörfern an Infrastruktur mangelt und z.B.<br />
kaum Strom oder fl ießendes Wasser gibt, besteht<br />
besonders auf dem Land noch viel Aufklärungsbedarf.<br />
Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong><br />
In den Gruppenzimmern der Pfadfi nderinnen<br />
hängen Infoposter die hygienische Grundregeln<br />
zeigen. Die anschaulichen Darstellungen garantieren,<br />
dass auch Analphabeten die Inhalte verstehen können.<br />
Ein besonderer Fokus ist auch auf HIV/Aids gerichtet,<br />
denn wie in vielen anderen Ländern ist die Krankheit<br />
auch in <strong>Rwanda</strong> ein sehr brisantes Thema. In den<br />
Projekten klärt die AGR Mädchen und Frauen über die<br />
Hintergründe, Risiken und Schutzmaßnahmen auf.<br />
Dadurch werden auch Vorurteile gegenüber Infi zierten<br />
abgebaut und der Stigmatisierung entgegengewirkt.<br />
In ihren „Gruppenzimmern“ trauen sich die<br />
Pfadfi nderinnen auch über „pikante“ Themen wie<br />
Sexualität, Verhütung und HIV/Aids zu reden. Von<br />
Zeit zu Zeit kommen Mitglieder der Nationalleitung<br />
vorbei um mit den Frauen zu diskutieren, Fragen zu<br />
beantworten und Kurse zu verschiedenen Themen<br />
der Gesundheitserziehung durchzuführen. Die<br />
erlangten Tipps geben die Frauen an ihre Kinder und<br />
Enkelkinder weiter.<br />
Die Mädchen und Frauen in <strong>Rwanda</strong> gehen also nicht<br />
nur zu den Pfadfi nderinnen um zu singen und tanzen,<br />
sondern auch, weil die AGR sie dabei unterstützt<br />
ihr Leben zu verbessern. Darüber hinaus leistet<br />
die AGR auch einen hohen Beitrag zur Änderung<br />
der Lebensbedingungen und der Gesellschaft in<br />
<strong>Rwanda</strong>.<br />
Kinder in einer Vorschule,<br />
die von der AGR fi nanziert wird<br />
13
PROJEKTE DER AGR<br />
Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong><br />
Projekt: Nähatelier<br />
Teilnehmerinnen:<br />
Frauen mit schwierigem sozialem Hintergrund<br />
Ziel: Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten,<br />
Selbstständigkeit der Frauen<br />
In dem Projekt erhalten junge Frauen eine Ausbildung<br />
zur Näherin. Die Ausbildung dauert sechs Monate<br />
und ist kostenlos. Ein Großteil der Auszubildenden<br />
hat eine problematische Vergangenheit und steckt in<br />
einer schwierigen sozialen und fi nanziellen Situation.<br />
Die Frauen sind zum Beispiel Exprostituierte, Witwen,<br />
Alleinerziehende und/oder HIV positiv. In der<br />
Gesellschaft stoßen sie deshalb oft auf Missachtung<br />
und werden ausgegrenzt. Die AGR gibt ihnen mit der<br />
Ausbildung die Chance ihr Leben selbst in die Hand zu<br />
nehmen. In dem Projekt lernen die Frauen zunächst<br />
mit der Nähmaschine umzugehen bis hin zur Fertigung<br />
von Taschen, Puppen und Kleidung. Die hergestellten<br />
Nähartikel können die Frauen verkaufen oder für sich<br />
behalten. Ein Teil der genähten Produkte wird von der<br />
AGR verkauft. Der Erlös fl ießt zurück ins Projekt und<br />
wird beispielsweise für die Anschaffung von Stoffen<br />
und Nähmaschinen genutzt. Neben handwerklichen<br />
Fähigkeiten werden in dem Projekt auch Inhalte in den<br />
Bereichen Allgemeinbildung, Gesundheitserziehung,<br />
Familienplanung, Verhütung und HIV/Aids vermittelt.<br />
Durch das Zusammenarbeiten von HIV-Infi zierten<br />
und Nicht-Infi zierten werden Vorurteile abgebaut.<br />
Zudem erhalten die Frauen ein Grundwissen in<br />
wirtschaftlichem Arbeiten. Zum Beispiel wird ihnen<br />
bei der Einrichtung eines eigenen Kontos geholfen.<br />
Am Ende der Ausbildung bekommen die Frauen ein<br />
kleines Startkapital, das zur Hälfte auf dem Konto<br />
angelegt wird. Die AGR motiviert die Absolventinnen<br />
sich zusammen zu schließen um sich gemeinsam<br />
eine Nähmaschine zu kaufen. So können sie sich<br />
ihren Lebensunterhalt selbst fi nanzieren. Außerdem<br />
vermitteln die Frauen ihr Wissen an andere Frauen<br />
und Pfadfi nderinnen weiter. In der Stadt Ruhengeri<br />
wurde von einer Absolventin aus Kigali ein weiteres<br />
Nähprojekt ins Leben gerufen.<br />
14<br />
Projekt: Bananenblatt Kunsthandwerk<br />
Teilnehmerinnen:<br />
Frauen mit schwierigem sozialen Hintergrund<br />
Ziel:<br />
Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten,<br />
Selbstständigkeit der Frauen<br />
In diesem Projekt erhalten Frauen, die ebenfalls<br />
einen schwierigen sozialen Hintergrund haben, eine<br />
Ausbildung in den verschiedenen Techniken zum<br />
Gestalten mit Bananenblättern. Mit spitzen Messern<br />
schneiden die Frauen in Millimeterarbeit Motive<br />
aus den getrockneten Bananenblättern aus und<br />
kleben damit verschiedene Motive auf Postkarten<br />
und Wandbildern. Außerdem lernen sie aus den<br />
Bananenblättern Tisch-Sets, Taschen und Schalen zu<br />
fl echten und Mobiles aus Bananenblatt herzustellen.<br />
Nach der Ausbildung können sie durch den Verkauf<br />
der Produkte ihren Lebensunterhalt fi nanzieren. All<br />
diese Kunsthandwerkprodukte aus Bananenblatt<br />
können ebenfalls über die <strong>PSG</strong> erworben werden.<br />
Projekt: Vorschule<br />
TeilnehmerInnen: Mädchen und Jungen aus<br />
dem Stadtteil Gikondo in Kigali<br />
Ziel: Schulische Bildung auch für Kinder aus<br />
armen Familienverhältnissen<br />
In zwei kleinen Klassenzimmern betreibt die AGR im<br />
Pfadfi nderinnenzentrum in Kigali eine kleine Vorschule<br />
für Kinder zwischen 3 - 6 Jahren. Das Gehalt der beiden<br />
Lehrerinnen und viele Unterrichtsmaterialien werden<br />
von der AGR fi nanziert. Die Schulkinder stammen<br />
bewusst aus verschiedenen „gesellschaftlichen<br />
Schichten“. Beim gemeinsamen Lernen und Spielen<br />
sollen Vorurteile zwischen arm und reich abgebaut<br />
werden bzw. gar nicht erst entstehen. Im Gegensatz<br />
zu Deutschland muss in <strong>Rwanda</strong> für die Schule<br />
bezahlt werden. Das Schulgeld von umgerechnet ca.<br />
50$ pro Trimester können sich jedoch viele Familien<br />
nicht leisten. In der Grundschule der AGR zahlen<br />
deshalb nur die Kinder von wohlhabenden Familien<br />
und fi nanzieren somit auch das Schulgeld für die<br />
ärmeren Klassenkameraden. Schulbildung ist der<br />
erste Schritt der Armut zu entfl iehen. In <strong>Rwanda</strong><br />
ist Schulbildung nicht so selbstverständlich wie in<br />
Deutschland, deshalb sind die Kinder sehr stolz in<br />
die Schule gehen zu können. Die Nachfrage nach den<br />
Schulplätzen der AGR ist so groß, dass am Vormittag<br />
und Nachmittag Unterricht für verschiedene Klassen<br />
stattfi ndet.<br />
Hier sieht man Frauen beim Erlernen des<br />
Bastelns der Bananenblattkarten im Projekt<br />
Nähatelier
Projekt: Kooperation Landwirtschaft<br />
Teilnehmerinnen:<br />
Erwachsene Pfadfi nderinnen auf dem Land<br />
Ziel: Vermittlung von landwirtschaftlichen<br />
Techniken und Methoden, Gewinnsteigerung<br />
und mehr Sicherheit<br />
Die Dörfer sind oft sehr abgelegen und nur nach langer<br />
Fahrt über Sandpisten zu erreichen. Im Gegensatz zur<br />
Stadt ist das Leben auf dem Dorf primitiv und der Alltag<br />
sehr anstrengend. Da viele Männer im Bürgerkrieg<br />
ums Leben gekommen sind oder im Gefängnis sitzen,<br />
müssen die Frauen die Felder alleine bewirtschaften.<br />
Um die Lebensverhältnisse der Pfadfi nderinnen zu<br />
verbessern, motiviert die AGR die Frauen sich zu<br />
landwirtschaftlichen Gemeinschaften zusammen<br />
zu schließen. Die Pfadfi nderinnen bewirtschaften<br />
Gemeinschaftsfelder auf denen u.a. Reis, Maniok oder<br />
Süßkartoffeln angebaut werden. Die Erträge dienen<br />
zur Ernährung der eigenen Familien oder werden auf<br />
dem Markt verkauft. Den Frauen werden Methoden<br />
und Techniken beigebracht, die das Bewirtschaften<br />
der Felder und das Halten von Tieren einfacher<br />
machen und helfen bessere Erträge zu erzielen. In<br />
guten Erntezeiten werden die Überschüsse auf dem<br />
Markt verkauft. Das verdiente Geld wird auf ein<br />
Gemeinschaftskonto eingezahlt und zur Anschaffung<br />
von Tieren, Saatgut oder Werkzeugen verwendet.<br />
AGRlerinnen auf dem Kartoffelfeld<br />
Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong><br />
Projekt: Dorfkiosk und Cafe<br />
Teilnehmerinnen:<br />
Pfadfi nderinnen aus dem Stamm Nyagahanga<br />
Ziel: Menschen mit den Pfadfi nderinnen und<br />
miteinander in Kontakt bringen, Lebensmittel<br />
verkaufen<br />
In dem weit abgelegenen Dorf Nyagahanga betreiben<br />
die Pfadfi nderinnen einen Kiosk und ein Cafe. In<br />
den Gruppenstunden fl echten sie Strohmatten<br />
und Taschen, die dann anschließend im Kiosk zum<br />
Verkauf stehen. Einige Felder sind im Besitz der<br />
Pfadfi nderinnen, dort werden Bohnen und Kartoffeln<br />
angebaut und Kaffeepfl anzen gezüchtet. Das<br />
angebaute Gemüse wird zum Teil im Kiosk verkauft<br />
oder zum Kochen im Cafe verwendet. In dem Cafe<br />
das „Chez les Guides“, das übersetzt „Bei den Pfadfi<br />
nderinnen“, heißt, werden jeden Tag köstliche<br />
afrikanische Gerichte und kalte Getränkte angeboten.<br />
Kiosk und Cafe dienen zusätzlich als Treffpunkt im Dorf.<br />
Das verdiente Geld wird für Anschaffungen des Stamms<br />
verwendet. So konnten bereits einige Nähmaschinen<br />
fi nanziert werden, mit denen die Frauen nun ihre<br />
Pfadfi nderinnentücher, Kleidung und Taschen nähen<br />
können. Besonders stolz sind die Pfadfi nderinnen<br />
in Nyagahanga auf ihre Partnerschaft mit dem<br />
Stamm Düsseldorf-Hamm. Die Wände des Dorfkiosk<br />
schmücken ein Banner und ein Kalender, alles<br />
Geschenke des Partnerstammes der <strong>PSG</strong>.<br />
Da es im Dorf kaum Läden gibt<br />
wird das Angebot der Pfadfi nderinnen<br />
von den Dorfbewohnern dankend<br />
angenommen.<br />
15
Gesundheit, Aufklärung und HIV<br />
GESUNDHEIT<br />
& GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG<br />
Gesundheitserziehung ist in Deutschland und der<br />
„westlichen Welt“ generell etwas ganz Alltägliches,<br />
das wir bereits von frühester Kindheit an lernen. Von<br />
den Eltern, in der Schule, durch andere öffentliche<br />
Einrichtungen und durch die Medien (Radio,<br />
Fernsehen, Zeitungen) lernen wir, wie man sich vor<br />
ansteckenden Krankheiten schützt.<br />
In <strong>Rwanda</strong> ist es leider nicht Gang und Gäbe,<br />
dass man bereits im Kindesalter weiß, sich z.<br />
B. nach dem Klogang die Hände zu waschen,<br />
da sich Bakterien auf den Handfl ächen befi nden.<br />
Es wird oft angenommen, dass solange man keinen<br />
Schmutz sehen kann, die Flächen auch sauber und<br />
dementsprechend keimfrei sind. Hinter diesem<br />
Irrglauben verbergen sich viele Gefahren, so z. B.<br />
erkennen viele Menschen die Gefahr von unsauberem<br />
Trinkwasser aus Wasserlöchern nicht.<br />
Inzwischen gibt es in <strong>Rwanda</strong> einige<br />
Regierungskampagnen, aber vor allem viele Projekte<br />
von Hilfsorganisationen, die es sich zur Aufgabe<br />
gemacht haben, die Bevölkerung über richtiges<br />
Hygieneverhalten aufzuklären. Die AGR unterrichtet<br />
dieses Thema in ihren Projekten ebenfalls und zeigt<br />
Möglichkeiten zur Krankheitsvermeidung auf. Ein<br />
großes Hindernis zur Umsetzung dieser Tipps ist<br />
die oftmals vorherrschende Wasserknappheit.<br />
Im Krankheitsfall können sich die Menschen<br />
in <strong>Rwanda</strong> oft keine medizinische Behandlung<br />
leisten, da sie sehr arm sind. Auch die gesundheitliche<br />
Grundversorgung, wie Impfungen, können sie deshalb<br />
nicht in Anspruch nehmen.<br />
Viele Menschen, vor allem aber Kinder, erkranken<br />
häufi g an Durchfall, was in der folgenden Tabelle<br />
mit Magen-Darm-Entzündungen aufgeführt ist. Nicht<br />
selten sterben die Kinder an dieser, in westlichen<br />
Augen „harmlosen“, Erkrankung.<br />
Zu dieser Problematik kommt das überwiegend<br />
schlechte Straßennetz in den ländlichen Regionen<br />
hinzu, welches einen Arztbesuch für diesen Teil der<br />
Bevölkerung oft unmöglich macht.<br />
16<br />
In <strong>Rwanda</strong> gibt es jedoch seit kurzer Zeit eine<br />
verpfl ichtende Krankenversicherung, die pro Person<br />
im Jahr ca. 1,50 Euro kostet. Die rwandische<br />
Regierung gewährt für die Ärmsten und Waisen<br />
eine volle Kostenübernahme. <strong>Rwanda</strong> nimmt als<br />
Entwicklungsland damit eine Vorreiterstellung ein.<br />
Mehr als 80% der Bevölkerung sind jetzt<br />
krankenversichert, können sich somit den Gang zum<br />
Arzt leisten und erhalten in den meisten Fällen auch<br />
die entsprechenden Medikamente.<br />
Der Standard der Gesundheitsversorgung<br />
in <strong>Rwanda</strong> ist jedoch sehr niedrig. Viele<br />
Ärztinnen und Ärzte werden aus dem Ausland<br />
durch Hilfsorganisationen nach <strong>Rwanda</strong> entsendet,<br />
um ihre rwandischen Kolleginnen und Kollegen<br />
zu unterstützen, das Pfl egepersonal zu schulen<br />
und die Grundversorgung für die Bevölkerung zu<br />
gewährleisten. Durch diese Hilfsprogramme werden<br />
häufi g auch lebenswichtige Medikamente, Impfungen<br />
und medizinische Geräte fi nanziert.<br />
Ein großes Problem ist die geringe Anzahl<br />
einheimischer Ärztinnen und Ärzte. Auf einen<br />
eine Ärztin bzw. einen Arzt kommen 50 000<br />
Menschen in <strong>Rwanda</strong> - in Deutschland sind es<br />
nur 283.<br />
Viele Menschen in <strong>Rwanda</strong> vertrauen der Schulmedizin<br />
nicht und suchen im Krankheitsfall ausschließlich<br />
traditionelle Heilerinnen und Heiler auf. Bei Krankheiten<br />
wie Malaria, Krebs oder Lungenentzündung können<br />
diese aber nicht helfen und die Menschen sterben oft<br />
an den schlimmen Erkrankungen.
HIV/AIDS<br />
Gesundheit, Aufklärung und HIV<br />
Das Humane Immundefi zienz-Virus<br />
(HIV) und die dadurch ausgelöste<br />
Immunschwächekrankheit Aids stellen<br />
weltweit ein großes gesellschaftliches<br />
Problem dar; die Länder in Schwarzafrika sind<br />
besonders stark betroffen.<br />
In <strong>Rwanda</strong> sind ca. 150.000 Menschen mit dem<br />
HI-Virus infi ziert.<br />
Das sind ungefähr 3 % der Bevölkerung.<br />
Es ist schwierig verlässliche Zahlen über die<br />
tatsächlich HIV-Infi zierten zu erhalten, da sich<br />
nicht alle Menschen testen lassen können oder<br />
wollen. Deshalb beruhen die Zahlen häufi g auf<br />
realitätsnahen Schätzungen. Auch <strong>Rwanda</strong> berührt<br />
diese Problematik. Die Ansteckungsrate war bis vor<br />
einigen Jahren noch sehr hoch, doch in den letzten<br />
Jahren konnte diese durch Aufklärungskampagnen<br />
deutlich gesenkt werden.<br />
Ein schwerwiegendes Problem ist, dass<br />
überwiegend Menschen zwischen 15 und 45<br />
Jahren erkranken. Sie stellen einen Großteil<br />
der gesellschaftlichen Wirtschaftskraft. Sterben<br />
diese Leute oder fallen wegen Krankheiten<br />
aus, müssen weniger Menschen mehr Arbeit<br />
verrichten, um das gleiche zu produzieren und<br />
die Wirtschaft aufrecht zu erhalten.<br />
17
Gesundheit, Aufklärung und HIV<br />
AKTIONSTIPP!<br />
· Schaut mal nach wie viele Ärztinnen<br />
und Ärzte bei euch im Telefonbuch stehen.<br />
Wie viele Menschen muss diese bzw.<br />
dieser bei Euch ungefähr betreuen? Wie<br />
sind die Zahlen im Vergleich zu <strong>Rwanda</strong>?<br />
Was könnte das für eine Bedeutung für die<br />
Menschen dort haben?<br />
· Welche Hygiene-Regel befolgt ihr täglich<br />
(und schon automatisch)? Was denkt ihr<br />
wird davon in <strong>Rwanda</strong> befolgt ? Mit welchen<br />
Auswirkungen? (Hände waschen, duschen,<br />
Obst abwaschen, verderbliche Lebensmittel<br />
kühlen, keine verdorbenen Lebensmittel<br />
essen, nur Trinkwasser trinken,…). Wie viel<br />
Wasser, Möglichkeiten zur Reinigung,… gibt<br />
es bei uns im Vergleich zu <strong>Rwanda</strong>?<br />
· Überlegt euch ein Theaterstück zum Thema<br />
Ausgrenzung von HIV-Infi zierten und führt<br />
das einem Publikum vor, z. B. euren Eltern,<br />
in der Pfarrgemeinde o.ä.<br />
Viele Kinder verlieren zum Teil beide Elternteile<br />
durch Aids. In <strong>Rwanda</strong> schätzt man die Zahl der<br />
Waisen auf 220 000. Diese Kinder haben oft kein<br />
Zuhause, erhalten keine schulische Ausbildung<br />
und fi nden, sofern sie nicht selbst infi ziert sind, im<br />
Erwachsenenalter keinen Job. Mittlerweile gibt es<br />
viele Hilfsorganisationen, die sich um Aids-Waisen<br />
kümmern und einen Schulbesuch, Kleidung, Nahrung<br />
etc. fi nanzieren.<br />
18<br />
Lange Zeit wurde HIV in den subsaharischen<br />
Staaten als keine offi zielle Krankheit anerkannt,<br />
so auch in <strong>Rwanda</strong>. Das erschwert(e) den Kampf<br />
gegen HIV/Aids besonders. Ferner verstärkte das<br />
die immer schon da gewesene Stigmatisierung und<br />
Ausgrenzung von HIV-Infi zierten Menschen, denn<br />
viele sehen die Krankheit als eine Strafe Gottes<br />
für schlechtes Verhalten in der Vergangenheit. Oft<br />
werden HIV-positive Personen bei Bekanntgabe<br />
ihrer Krankheit aus der Gesellschaft ausgestoßen,<br />
verlieren fast alle sozialen Kontakte und oft auch ihr<br />
Zuhause.<br />
Inzwischen erkennt die Regierung <strong>Rwanda</strong>s<br />
HIV/Aids als offi zielle Krankheit an, betreibt<br />
Aufklärungskampagnen und kämpft gegen die<br />
Stigmatisierung und Ausgrenzung.<br />
Die AGR betreibt in ihren Projekten und der<br />
pfadfi nderischen Verbandsarbeit ebenfalls HIV-<br />
Aufklärung und zeigt Verhütungsmethoden und<br />
Schutzmaßnahmen auf. In ihrem Projekt „Nähatelier“<br />
bietet die AGR HIV-infi zierten Frauen, die oft auch<br />
in der Prostitution tätig waren, eine Nähausbildung,<br />
um sich selbst und ihre Familien als Schneiderin<br />
versorgen zu können. Die Kampagnen und Projekte<br />
zeigen eine positive Wirkung: Die Ansteckungsrate<br />
von HIV sinkt, die Krankheit wird inzwischen auch<br />
in der Gesellschaft größtenteils akzeptiert und die<br />
Stigmatisierung lässt dadurch spürbar nach.<br />
Menschen, die wissen, dass sie HIV-positiv sind und<br />
es nicht bekannt geben, können ihre Medikament<br />
oft nicht regelmäßig mit Mahlzeiten einnehmen. Die<br />
soziale Kontrolle ist sehr stark. Die Viren werden durch<br />
die nicht regelmäßige Einnahme der Medikamente<br />
resistent – die Arzneimittel verlieren dadurch ihre<br />
Wirksamkeit.<br />
Durch die obligatorische Krankenkasse und<br />
aufgrund des Umdenkens in der Gesellschaft<br />
unterziehen sich mehr Menschen HIV-Tests.<br />
Somit können die infi zierten Personen betreut<br />
und mit Medikamenten versorgt werden.<br />
Wir sollten bei diesem Thema allerdings Deutschland<br />
nicht aus den Augen verlieren. Auch hier ist HIV/<br />
Aids präsent. In den letzten Jahren ist die HIV-Rate<br />
wieder stark angestiegen. Viele Jugendliche sind<br />
betroffen. Insgesamt sind ca. 59 000 Menschen HIVpositiv.<br />
Das sind zwar „nur“ 0,1 % der Bevölkerung,<br />
aber die Krankheit ist vorhanden und durch nicht<br />
entsprechende Schutzmaßnahmen können wir uns<br />
ebenfalls mit dem Virus infi zieren.
Armutsbekämpfung weltweit<br />
Überall auf der Welt, in allen Gesellschaften,<br />
gibt es von Armut betroffene Menschen. Aber<br />
wenn von Armut die Rede ist, dann macht es zunächst<br />
einen Unterschied, ob wir von Armut in einem<br />
Entwicklungsland oder von Armut in Deutschland<br />
sprechen. Armut in Deutschland hat in der Regel<br />
einen anderen Charakter, als dies u. a. für <strong>Rwanda</strong><br />
gilt.<br />
Absolute Armut: Armut in einem armen Land kann<br />
absolut, existenziell und lebensbedrohlich sein.<br />
Beispielsweise durch Mangelernährung, den fehlenden<br />
Zugang zu sauberem Wasser, kein Dach über dem Kopf,<br />
ausbleibende Versorgung bei Krankheit – Aspekte,<br />
die mitunter sehr eng zusammenhängen und sich<br />
verstärken.<br />
Relative Armut: Armut „bei uns“ unterscheidet sich<br />
insofern nicht so sehr von dieser absoluten Armut<br />
in Entwicklungsländern, als sie sich auch als eine<br />
Mangelsituation ausdrückt. Allerdings auf einem anderen<br />
Niveau, und als relative Armut ergibt sie sich durch die<br />
Relation zu einem bestimmten „durchschnittlichen“<br />
Standard. Die Bestimmung von relativer Armut ist dabei<br />
gar nicht so einfach: Denn was beispielsweise soll als<br />
Standard und damit als Maßstab gelten? Und welches<br />
Ausmaß an Mangel macht dann Armut aus? Und in<br />
welchen Dimensionen kann jemand überhaupt<br />
arm sein? Nur in materiellen? Oder auch in<br />
immateriellen?<br />
Gemessen am Volkseinkommen pro Kopf liegt der<br />
Lebensstandard in Industriestaaten mehr als 25<br />
Mal so hoch wie in Entwicklungsländern. Doch auch<br />
innerhalb der Entwicklungsländer verschärft sich die<br />
soziale Polarisierung zwischen armen und reichen<br />
Menschen.<br />
Der Welthandel trägt zur Armut in<br />
Entwicklungsländern bei. Armut und<br />
Umweltzerstörung in Entwicklungsländern ist vielfach<br />
auch eine Folge der Lebens- und Konsumstile<br />
in Industriestaaten. Viele Produkte die in Afrika<br />
angebaut werden, sind für den Konsum in Europa<br />
und Nordamerika bestimmt. Für viele Rohwaren, wie<br />
beispielsweise Kaffee, Kakao oder Zucker, gibt es<br />
einen Weltmarktpreis. Das ist der Preis, der für diese<br />
Waren weltweit gilt, weil er zentral an der Börse<br />
ausgehandelt wird. Die Weltmarktpreise ändern sich<br />
aber ständig und letztlich entscheidet sich darüber<br />
das Einkommen der Menschen, die anbauen und<br />
ernten. Sie können sich auf die Weltmarktpreise<br />
nicht verlassen und ihr Einkommen wird dadurch<br />
unsicher.<br />
Für viele Produzentinnen und Produzenten z.B. von<br />
Kaffee, Kakao oder Kleidung ist es überlebenswichtig<br />
ihrer Arbeit weiter nachzugehen, auch wenn die<br />
Arbeitsbedingungen extrem schlecht sind und die<br />
Entlohnung kaum zum Überleben reicht.<br />
Die Armut in <strong>Rwanda</strong> hat viele Gesichter. In<br />
dieser <strong>Arbeitshilfe</strong> wurden bereits viele Auswirkungen<br />
der Armut in <strong>Rwanda</strong> aufgezeigt. Dazu gehört u.a.<br />
dass mehr als 60% der rwandischen Bevölkerung<br />
weniger als 1 US$ täglich zur Verfügung hat um sich<br />
selbst und zum Teil weitere Familienmitglieder zu<br />
versorgen. Die Folgen der fi nanziellen Armut sind<br />
z.B. eine schlechte Ernährung, daraus folgt schlechte<br />
Gesundheit, die Menschen sterben früher. Um Geld zu<br />
bekommen, enden einige Frauen in der Prostitution.<br />
Darüber wird häufi g das HI-Virus übertragen. Zu den<br />
gesundheitlichen Problemen trägt auch bei, dass<br />
rund ein Viertel der Bevölkerung keinen gesicherten<br />
Zugang zu Trinkwasser hat.<br />
Nach der Grundschule besuchen über 90% Kinder in<br />
<strong>Rwanda</strong> keine weiterführende Schule, da sie bei der<br />
Feldarbeit helfen müssen um sich und ihre Familie zu<br />
ernähren. Die fehlende Schulbildung führt zu einer<br />
hohen Analphabetenrate.<br />
Keine Schulbildung bedeutet in der Regel auch<br />
keinen guten Job, d.h. wiederum kein ausreichendes<br />
Geld um sich gesund zu ernähren oder die Kinder<br />
in die Schule zu schicken,… damit schließt sich der<br />
Teufelskreis, aus dem viele Menschen nicht wieder<br />
heraus kommen.<br />
19
WAS TUN GEGEN ARMUT?<br />
Armutsbekämpfung weltweit<br />
Die Millenniumsziele – Herausforderungen für<br />
die Zukunft<br />
Im September 2000 kamen Vertreterinnen und<br />
Vertreter von 189 Ländern, die meisten von ihnen<br />
Staats- und Regierungschefs, zu dem bis dahin größten<br />
Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York<br />
zusammen. Als Ergebnis des Treffens verabschiedeten<br />
sie die so genannte Millenniumserklärung. Sie<br />
beschreibt die Agenda für die internationale Politik<br />
im 21. Jahrhundert.<br />
Aus der Erklärung wurden später acht<br />
internationale Entwicklungsziele abgeleitet, die<br />
Millenniumsentwicklungsziele:<br />
Ziel 1: den Anteil der Weltbevölkerung, der unter<br />
extremer Armut und Hunger leidet, halbieren<br />
Ziel 2: allen Kindern eine Grundschulausbildung<br />
ermöglichen<br />
Ziel 3: die Gleichstellung der Geschlechter fördern<br />
und die Rechte von Frauen stärken<br />
Ziel 4: die Kindersterblichkeit verringern<br />
Ziel 5: die Gesundheit der Mütter verbessern<br />
Ziel 6: HIV/Aids, Malaria und andere übertragbare<br />
Krankheiten bekämpfen<br />
Ziel 7: den Schutz der Umwelt verbessern<br />
Ziel 8: eine weltweite Entwicklungspartnerschaft<br />
aufbauen<br />
Mit vereinten Kräften will die internationale<br />
Gemeinschaft diese Ziele bis zum Jahr 2015<br />
erreichen.<br />
Die Staatengemeinschaft hat verabredet, die<br />
Umsetzung der Millenniumserklärung regelmäßig zu<br />
überprüfen. Bei der letzten Überprüfung kam heraus,<br />
dass die Ziele in den meisten Ländern der Welt nur<br />
sehr schwer bis 2015 umgesetzt werden können. In<br />
manchen Ländern sind die Entwicklungen in einigen<br />
Bereichen sogar ins Gegenteil verkehrt.<br />
20<br />
UN-GERECHT. PFADFINDERINNEN FÜR<br />
GERECHTIGKEIT<br />
Als Pfadfi nderinnen wollen wir uns einsetzten für<br />
die Idee einer gerechter solidarischeren Welt. Als<br />
<strong>PSG</strong>lerinnen unterstützen wir die Arbeit der AGR und<br />
bieten auch in Deutschland von Armut betroffenen<br />
Kindern die Möglichkeit Pfadfi nderin zu werden und<br />
sich ihren Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln.<br />
Wir wollen es „im Kleinen“ vorleben, was man für eine<br />
gerechtere Welt tun kann und auch die Politikerinnen<br />
und Politiker an ihre Versprechen erinnern.<br />
Im Rahmen des Jahresthema „un-gerecht.<br />
Pfadfi nderinnen für Gerechtigkeit“ haben viele<br />
Pfadfi nderinnen in den Stämmen, Diözesen und auf<br />
Bundesebene bereits einiges geleistet. Einen ersten<br />
Auftakt zur Verknüpfung des Jahresthemas mit der<br />
<strong>Rwanda</strong>partnerschaft haben die Teilnehmenden des<br />
Bundescaravelle- und Rangerhajk 2008 gemacht.<br />
Das WAGGGS„Global Action Theme“<br />
der Jahre 2009-2011 basiert auf den<br />
Milleniumszielen.<br />
Gemeinsam sollen sich alle Pfadfi nderinnen<br />
weltweit für die Einhaltung der<br />
Milleniumsziele einsetzen.
Armutsbekämpfung weltweit<br />
Eine Weltreise der etwas anderen Art:<br />
Von Deutschland nach <strong>Rwanda</strong>!<br />
Die weltweite Einkommens- und<br />
Bevölkerungsverteilung, die Defi nition und Auswirkung<br />
von Armut und die pfadfi nderischen Aktivitäten und<br />
Projekte der AGR waren Schwerpunkte bei einem<br />
Workshop im Oktober 2008, der vom Ak <strong>Rwanda</strong><br />
vorbereitet und durchgeführt wurde.<br />
Der Workshop startete mit einer kleinen Vorstellungsrunde,<br />
in der der eigene Name und etwas<br />
Typisches aus Schwarzafrika miteinander verbunden<br />
wurden. Dabei sollte das „typisch afrikanische” mit<br />
dem gleichen Buchstaben beginnen, wie der eigene<br />
Vorname, z. B. „Ich heiße Sigrid und ich weiß, dass<br />
in Afrika südlich der Sahara Süßkartoffeln angebaut<br />
werden.”<br />
Im nächsten Teil beschäftigten wir uns mit der<br />
weltweiten Verteilung der Bevölkerung und in<br />
Relation dazu der weltweiten Verteilung des<br />
Einkommens. Diese Einheit war sehr aufschlussreich<br />
und überraschend für Viele, da sie sich<br />
vorher nie bewusst mit diesen Themen bzw. der<br />
unterschiedlich hohen Verteilung<br />
von Bevölkerungsanteil zu<br />
Welteinkommensanteil beschäftigt hatten.<br />
Im Anschluss an das Spiel fand eine rege<br />
Diskussion über die ungerechte Einkommensverteilung<br />
und möglichen Ursachen dafür statt.<br />
Anschließend setzten wir uns mit dem Thema Armut<br />
auseinander. Zuerst wurde der Unterschied zwischen<br />
relativer und absoluter Armut defi niert und die<br />
Teilnehmenden suchten zu den jeweiligen Defi nitionen<br />
alltägliche Beispiele. Des Weiteren thematisierte wir,<br />
dass Armut sehr oft Frauen und Kinder betrifft,<br />
sowohl in den Industrienationen als auch in den<br />
Entwicklungsländern. Um zu verdeutlichen wie wenig<br />
Geld eine Jugendliche bzw. ein Jugendlicher aus einer<br />
Arbeitslosengeld II-Familie monatlich zu Verfügung<br />
hat, um alle Kosten zu decken (Schulbücher, Kleidung,<br />
Freizeitaktivitäten, Mitgliedsbeiträge etc.), stellten<br />
die Workshopteilnehmenden ihre durchschnittlichen<br />
Monatsausgaben in einer Liste zusammen. Für alle<br />
war es sehr überraschend, wie hoch ihre tatsächlichen<br />
Ausgaben sind. Außerdem fi el es allen durchaus sehr<br />
schwer, Einsparungsmöglichkeiten zu fi nden, um<br />
auf einen Monatsbetrag von 278 Euro zu kommen.<br />
Denn ein Betrag dieser Höhe steht einer bzw. einem<br />
Jugendlichen aus einer Arbeitslosengeld II-Familie<br />
monatlich zur Verfügung.<br />
Wir betrachteten auch die durchschnittlichen<br />
Lebensmittelpreise in <strong>Rwanda</strong>, um zu verstehen, wie<br />
wenig sich eine Familie bei einem Einkommen von<br />
weniger als 1 US$ pro Tag leisten kann.<br />
Die Teilnehmenden des Workshops<br />
sollten erst mit Wissen oder Schätzungen<br />
herausfi nden, wie viele Menschen in den<br />
verschiedenen Kontinenten leben und<br />
daran anknüpfend deren Anteil am<br />
Welteinkommen.<br />
21
Armutsbekämpfung weltweit<br />
Daran anschließend wurde die Partnerschaft<br />
zwischen der AGR und der <strong>PSG</strong> vorgestellt. Der<br />
AK <strong>Rwanda</strong> berichtete über die pfadfi nderischen<br />
Aktivitäten der ruandesischen Pfadfi nderinnen und<br />
über das Alltagsleben in <strong>Rwanda</strong>.<br />
Auch die Projekte der AGR wurden vorgestellt. In<br />
allen Projekten bekämpft die AGR vor allem die<br />
Armut von Frauen und Kindern, neben einer Reihe<br />
weiterer Ziele.<br />
Um die ruandesische Lebensart noch näher zu<br />
bringen und authentischer zu machen sangen wir<br />
zum Abschluss das traditionell pfadfi nderische<br />
Lied „Jambere” und tanzten dazu.<br />
Im Anschluss an den Workshop wurde seitens<br />
der Teilnehmenden erneut der Wunsch deutlich<br />
gemacht, eine gut ausgearbeitete <strong>Arbeitshilfe</strong> zu<br />
erhalten. Viele wollen gerne Afrika und die AGR<br />
ihren Kindern und Jugendlichen im Stamm/der<br />
Diözese näher bringen, wissen aber nicht genau wie<br />
und mit welchen Informationen und würden sich<br />
über Gruppenstunden- bzw. Aktionsvorschläge und<br />
kompakte Infos sehr freuen.<br />
Und hier ist sie … die <strong>Arbeitshilfe</strong>.<br />
Bildung ist besonders wichtig um dem<br />
Teufelskreis der Armut zu entfl iehen.<br />
22<br />
AKTIONSTIPP!<br />
· Sucht Beispiele für absolute und für<br />
relative Armut. Beschäftigt euch mit Menschen,<br />
die in Deutschland in Armut leben.<br />
Stellt eure monatlichen Ausgaben zusammen<br />
und vergleicht sie mit dem Geld, dass<br />
eine Jugendliche aus einer Arbeitslosengeld<br />
II-Familie monatlich zu Verfügung<br />
hat (Materialien hierzu fi ndet ihr auf der<br />
CD).<br />
· Betrachtet nun die durchschnittlichen<br />
Lebensmittelpreise in <strong>Rwanda</strong>, um zu verstehen,<br />
wie viel/wenig sich eine Familie bei<br />
einem Einkommen von weniger als 1 US<br />
pro Tag leisten kann (die Lebensmittelpreise<br />
in <strong>Rwanda</strong> fi ndet ihr ebenfalls auf der<br />
CD).<br />
· Spielt das Weltverteilungsspiel. Wie ist die<br />
weltweite Verteilung der Bevölkerung und<br />
in Relation dazu die weltweiten Verteilung<br />
des Einkommens? (Anleitung siehe CD)
Wer die Arbeit der AGR unterstützen will,<br />
kann dies auch in Form einer fi nanziellen<br />
Unterstützung tun!<br />
Spendenkonto:<br />
Pfadfi nderinnenwerk St. Georg e.V.<br />
Bank für Sozialwirtschaft, Köln<br />
Konto 10 500 01<br />
BLZ 370 205 00<br />
Stichwort: <strong>Rwanda</strong><br />
Informations CD-ROM<br />
Auf dieser CD befi nden sich Informationen,<br />
Gruppenstunden- und Aktionstipps zu folgenden Bereichen:<br />
> Die Partnerschaft zwischen AGR und <strong>PSG</strong><br />
> Das Land der tausend Hügel<br />
> Leben und Alltag in <strong>Rwanda</strong><br />
> Pfadfi nderinnen in <strong>Rwanda</strong><br />
> Gesundheit, Aufklärung und HIV<br />
> Armutsbekämpfung weltweit<br />
> Sonstiges Material<br />
23
Die Partnerschaft zwischen<br />
<strong>PSG</strong> und AGR!<br />
1980: Auf der <strong>PSG</strong>-Bundesversammlung wird eine<br />
dauerhafte Kooperation mit der AGR beschlossen.<br />
Der AK <strong>Rwanda</strong> wird gegründet.<br />
1982: Die erste Reise deutscher Pfadfi nderinnen<br />
nach <strong>Rwanda</strong>.<br />
1986: Der erste Besuch rwandischer Pfadfi nderinnen<br />
in Deutschland. Von da an kommt es zu regelmäßigen<br />
Besuchen in Deutschland und <strong>Rwanda</strong>.<br />
1987: Die Idee der Stammespartnerschaften wird<br />
geboren. Die Partnerschaft wird durch Aktionen und<br />
Brieffreundschaften der Stämme unterstützt.<br />
1994: Bürgerkrieg und Völkermord in <strong>Rwanda</strong>.<br />
Die Partnerschaft steht vor großen Herausforderungen.<br />
1996: Jambere <strong>Rwanda</strong>, Jahresaktion der <strong>PSG</strong>.<br />
Unsere Partnerschaft geht weiter.<br />
1997-2007: Viele weitere Begegnungen in Deutschland<br />
und <strong>Rwanda</strong> fi nden statt.<br />
2008: Die <strong>PSG</strong> Bundesversammlung beschließt,<br />
dass die <strong>Rwanda</strong>partnerschaft nach wie vor ein<br />
wichtiger Bestandteil des Bundesverbandes ist.<br />
www.pfadfi nderinnen.de