Dystonie-Bericht und Porträts
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Wenn die Krankheit schließlich diagnostiziert wird, haben<br />
die Betroffenen meist schon einen nervenaufreibenden<br />
Ärztemarathon inklusive einiger Fehlbehandlungen hinter<br />
sich. Das führt dazu, dass nicht wenige anfangs an der rich-<br />
tigkeit der gestellten Diagnose zweifeln. auch der Umstand,<br />
dass die Ursache der <strong>Dystonie</strong> meist im Dunkeln liegt, bie-<br />
tet anlass zu Spekulationen <strong>und</strong> Selbstzweifeln. Viele Be-<br />
troffene fragen sich, ob ihre erkrankung eine Fügung des<br />
Schicksals ist oder ob sie womöglich selbst zu ihrem aus-<br />
bruch beigetragen haben.<br />
» Ärzte können oft nicht zugeben,<br />
wenn sie mit ihrem latein am ende<br />
sind. «<br />
Krankheit mit vielen Gesichtern<br />
trotz vieler Gemeinsamkeiten ist keine <strong>Dystonie</strong> wie die an-<br />
dere. So wird je nachdem, wie viele Körperregionen betrof-<br />
fen sind, von einer fokalen, segmentalen oder generalisierten<br />
Form gesprochen. Wird eine <strong>Dystonie</strong> als fokal bezeichnet,<br />
bedeutet dies, dass sich die Krankheit allein in einer einzelnen,<br />
abgegrenzten Körperregion zeigt. Die fokalen <strong>Dystonie</strong>n<br />
treten meistens im mittleren bis späteren lebensalter auf.<br />
Die segmentale <strong>Dystonie</strong> betrifft bereits mehrere benachbarte<br />
teile des Körpers. Die generalisierte <strong>Dystonie</strong> schließlich<br />
beeinträchtigt das leben der Betroffenen am einschneidendsten,<br />
da sie sich über den gesamten Körper erstreckt.<br />
Generalisierte <strong>Dystonie</strong>n beginnen oft im Kindes- <strong>und</strong> Jugendlichenalter.<br />
Doch nicht nur der ausbreitungsgrad der<br />
<strong>Dystonie</strong>, auch die lokalisation der Muskelverkrampfung<br />
wird unterschieden.<br />
140 | Die BKK 03/2013<br />
Corbis<br />
Wenn der Kopf zur Seite kippt<br />
leidet ein Patient beispielsweise darunter, dass sich sein<br />
Kopf zur Seite neigt <strong>und</strong> in eine Zwangsstellung dreht, aus<br />
der er nur unter starken Schmerzen gelöst werden kann,<br />
wird von einem torticollis spasmodicus gesprochen. Diese<br />
umgangssprachlich auch Schiefhals genannte Bewegungsblockade<br />
tritt meist um das vierzigste lebensjahr auf, kann<br />
aber auch deutlich früher beginnen <strong>und</strong> ist die häufigste<br />
Form der fokalen <strong>Dystonie</strong>. neben der Daueranspannung<br />
<strong>und</strong> Verkrampfung des nackenmuskelgewebes besteht oftmals<br />
auch eine Bewegungsunruhe, die dazu führt, dass der<br />
Kopf wackelt oder zittert. Die abnormen Kopfstellungen sind<br />
beim torticollis durch überaktive hals- <strong>und</strong> nackenmuskeln<br />
bedingt. Da die normale abstimmung zwischen einzelnen<br />
Muskeln <strong>und</strong> ihren Gegenspielern gestört ist, werden diese<br />
Muskelgruppen fälschlicherweise gleichzeitig aktiviert, was<br />
die schweren Symptome auslöst.<br />
Wenn sich die Augenlider nicht öffnen<br />
eine weitere Form der fokalen <strong>Dystonie</strong> ist der Blepharospasmus<br />
(bleparon = griech. das lid). hierbei handelt es sich<br />
um die unwillkürliche Verkrampfung des augenlids, was im<br />
schlimmsten Fall zur funktionellen erblindung führen kann,<br />
wenn sich beide lider schließen <strong>und</strong> nicht willentlich wieder<br />
zu öffnen sind. teilweise kann es beim Blepharospasmus<br />
auch zu vermehrtem Blinzeln <strong>und</strong> einem Fremdkörpergefühl<br />
im auge kommen, was durch reize wie grelles Sonnenlicht<br />
oder Fernsehflackern noch verstärkt wird. Betroffene ereilt<br />
diese art der <strong>Dystonie</strong> meist zwischen dem fünfzigsten <strong>und</strong><br />
sechzigsten lebensjahr. Zumeist tritt ein Blepharospasmus<br />
isoliert auf, manchmal kann es aber auch zu einer ausdehnung<br />
der Muskelverkrampfungen auf die M<strong>und</strong>-Kiefer-Muskulatur<br />
kommen, dem sogenannten Meige-Syndrom.<br />
Wenn sich die Hände verkrampfen<br />
eine spezielle Form der neurologischen Bewegungsstörung<br />
bilden die aktionsspezifischen <strong>Dystonie</strong>n, zu denen der<br />
Schreib- <strong>und</strong> der Musikerkrampf gehören. Sie treten überwiegend<br />
bei komplexen, erlernten tätigkeiten auf <strong>und</strong> beschränken<br />
sich meist auf den Kopf-, hals- oder armbereich.<br />
auch hier kommt es zu einem gesteigerten Muskeltonus<br />
<strong>und</strong> schmerzhaften Zwangshaltungen, die z. B. beim Schreibkrampf<br />
dazu führen, dass sich die Finger unwillkürlich öffnen<br />
<strong>und</strong> der Stift nicht mehr festgehalten werden kann. Von<br />
dieser erscheinungsform der <strong>Dystonie</strong> können einzelne Finger,<br />
beispielsweise bei der Daumenbeugung, Zeigefingerstreckung<br />
oder Kleinfingerabspreizung in Mitleidenschaft gezogen<br />
sein, manchmal aber auch die gesamte hand.<br />
häufig sind Menschen, die von einem Schreibkrampf betroffen<br />
sind, nicht mehr in der lage, Dokumente zu unter-