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Nichts für kleine Leute – der erste Test - WITEC Motorsport GmbH

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Fahrbericht Enduro Heft 05/1997<br />

<strong>Test</strong> & Technik<br />

<strong>Nichts</strong> <strong>für</strong> <strong>kleine</strong> <strong>Leute</strong> <strong>–</strong> <strong>der</strong> <strong>erste</strong> <strong>Test</strong><br />

Unter diesem baumlangen Menschen -exakt zwei Meter mißt er- wirkt diese gewaltige Maschine fast<br />

wie ein Kin<strong>der</strong>fahrrad. Dabei sieht diese 1100 GS beinahe noch wuchtiger aus als sonst, denn sie hat längere<br />

Fe<strong>der</strong>wege als das Original und ist dadurch höher.<br />

Rudolf Willner, 33, ist mit seiner dicken BMW-GS und dem neuen Vierventil-Boxer unter<br />

Rallyefahrern bekannt wie ein bunter Hund. Denn er hat schon allerhand Einsätze von <strong>der</strong> Pharaonen-Rallye<br />

über die Transdanubia bis zur München-Breslau hinter sich -mit beachtlichem Erfolg. Nur: Das Gerät, das er uns<br />

mitgebracht hat, ist nicht sein Rallye-Bolzen, son<strong>der</strong>n die zahmere, die gemäßigte Ausführung, die je<strong>der</strong>mann<br />

kaufen kann. Und die er selbst unter seinem Markennamen <strong>WITEC</strong> auf- und umbaut. <strong>WITEC</strong> -das setzt sich<br />

zusammen aus Willner, Technik und Eckardt, denn <strong>der</strong> Mechanikermeister Thomas Eckardt ist Willners Partner<br />

bei <strong>der</strong> H<strong>erste</strong>llung dieser Motorrä<strong>der</strong>.<br />

Für dieses Motorrad kaum besser vorstellbar:<br />

Solides Kurvenverhalten und erstaunliche<br />

Handlichkeit<br />

Modifiziertes Basic-Cockpit,<br />

Touratech-Instrument<br />

Die Idee, <strong>der</strong> BMW 1100 GS einen beson<strong>der</strong>en<br />

Touch zu geben, ist noch jung. Erst vor kaum mehr als<br />

einem Jahr, wurde <strong>der</strong> Beschluß gefaßt, aus <strong>der</strong> großen<br />

Serien-Enduro einen individuellen Apparat zu bauen -die<br />

eine Variante <strong>für</strong> den kompromißlosen Rallyeeinsatz, die<br />

an<strong>der</strong>e in <strong>erste</strong>r Linie <strong>für</strong> Fernreise-Fans. Rudolf Willner:<br />

„Geplant war vorerst nur ein einziges privates Motorrad.<br />

Aber sowohl in <strong>der</strong> Rallyeszene als auch von Seiten <strong>der</strong><br />

Langstrecken Tourenfahrer war plötzlich ein <strong>der</strong>artiges<br />

Interesse da, daß wir unsere Jobs an den Nagel zu hängen<br />

beschlossen und uns dieser Sache jetzt hauptberuflich<br />

widmen“.<br />

So entstand also das heutige Zweierteam: Thomas<br />

Eckardt, bislang Werkstattleiter bei BMW, damals mit dem<br />

Aufbau <strong>der</strong> sieggewohnten Motoren des einstigen Dakar-<br />

Stars Gaston Rahier beschäftigt und mit <strong>der</strong> Materie bestens<br />

vertraut, und <strong>der</strong> technisch außergewöhnlich begabte<br />

Metzgermeister Rudolf Willner, bei <strong>WITEC</strong> -übrings nicht<br />

weit von München- <strong>der</strong> Fahrpraktiker und Versuchsmann.<br />

Runter mit dem Gewicht, nur soviel aufwendige<br />

Technik wie möglich und längere Fe<strong>der</strong>wege. So lauteten<br />

zunächst die Umbauziele. Knapp 300 Millimeter<br />

Fe<strong>der</strong>ungshub vorn sollten es schon sein, über 250 hinten.<br />

Und weil das mit dem komfortablen Telever System nicht<br />

realisierbar war, blieb nur die traditionelle Telegabel.<br />

Daraus wie<strong>der</strong>um leitete sich die Notwendigkeit eines<br />

Stahlrohrramens ab anstelle <strong>der</strong> Serienmäßigen Verbund-<br />

Konstruktion. Nach wie vor ist allerdings <strong>der</strong> Motor<br />

mittragend, lediglich die Rückgrat-Funktionen werden jetzt<br />

von teils verschweißten, teils verschraubten<br />

Stahlrohrgebilden übernommen. Dazu gehört auch <strong>der</strong><br />

Fußrastenträger, an dem die tiefersitzenden Alpha-Rasten<br />

befestigt sind.


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Die <strong>WITEC</strong>-Vorstellung von einer offroad-tauglichen 1100 GS wir schließlich vervollständigt mit einer<br />

45er Gabel des Typs Mazocchi Magnum und einem Fe<strong>der</strong>bein <strong>der</strong> Marke High-Tech. Verwendet werden die<br />

beson<strong>der</strong>s haltbaren Kreuzspeichenrä<strong>der</strong>, vorn natürlich nicht 19 son<strong>der</strong>n 21 Zoll. Folglich ist also das Vor<strong>der</strong>rad<br />

ein Exemplar aus <strong>der</strong> alten GS-Serie, aus Gewichtsgründen nur mit einer Bremsscheibe von <strong>der</strong> 1100 GS<br />

ausgestattet.<br />

Streift <strong>der</strong> Blick noch über den Motor, dann bleibt er an den 40er Bing-Gleichdruckvergasern hängen.<br />

Was ist mit <strong>der</strong> Einspritzung? Denn nimmt man dies und die Vor<strong>der</strong>radaufhängung, dann ist die <strong>WITEC</strong>-GS<br />

gerade jener Teile beraubt, die den hohen technischen Standard <strong>der</strong> Vierventil-Boxerreihe markieren. Dazu<br />

Willner: „Wir sind nach dem Grundsatz vorgegangen, so wenig wie möglich aufwendige Technik zu verwenden,<br />

so daß man im Sporteinsatz o<strong>der</strong> in abgelegenen Regionen bei einem Ausfall -aus welchem Grund auch immereher<br />

selbst Hand angelegt werden kann.“<br />

Die Sitzhöhe mit 90 Zentimeter noch recht human, die Beine dank Rallye-Fußrasten weniger stark<br />

abgewinkelt, <strong>der</strong> serienmäßige Einzelsitz hinten etwas tiefer und damit waagrecht - so präsentiert sich die<br />

Fahrerposition auf <strong>der</strong> <strong>WITEC</strong> GS. Dazu gehören allerdings auch die wegen des breiten Tanks schon deutlich<br />

gespreizten Oberschenkel, und <strong>der</strong> Abstand zwischen Sitz und Lenker wäre <strong>kleine</strong>r etwas angenehmer.<br />

Voll ausgestattetes Rallye-Cockpit<br />

Remus-Schalldämpfer mit TÜV, variables<br />

Rahmenheck <strong>für</strong> Gepäck o<strong>der</strong> Sitzplatz<br />

Telelever und Verbundrahmen entfernt,<br />

stattdessen Marzoccgi-Gabel und<br />

Stahlrohrrahmen<br />

Beide Kraftstoffhähne sind geöffnet, die gibt´s im<br />

Gegensatz zur Serie -dann schüttelt sich <strong>der</strong> 1100er<br />

Vierventiler und aus dem Remus-Schalldämpfer dringt <strong>der</strong><br />

typische begeisternde Boxer-Sound, tief und leise, aber so,<br />

daß man hört, woher er kommt. Auf dem Digitalinstrument<br />

von Touratech, das im modifizierten Basic-Cockpit sitzt,<br />

sind allerlei Informationen sichtbar, an<strong>der</strong>e sind per<br />

Knopfdruck abrufbar -auch wenn man sich erst ans Lesen<br />

gewöhnen muß.<br />

Etwas abrupt Gas gegeben beim Losfahren, patsch<br />

-<strong>der</strong> große Zweizylin<strong>der</strong> steht. „Die Vergaser sind noch<br />

nicht definitiv abgestimmt, deshalb gibt es auch bei etwa<br />

5000/min noch ein <strong>kleine</strong>s Leistungsloch.“ Willners<br />

Erklärung trifft die Realität, denn tatsächlich wirkt <strong>der</strong><br />

Boxer bei Tempo 160 etwas müde. Ist dieser Bereich<br />

überwunden, dann setzt wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> gewohnte Schub ein,<br />

mit dem <strong>der</strong> Vierventieler ausgesprochen lebendig weiter<br />

hochdreht. Bei <strong>der</strong>lei Drehfreudigkeit läßt <strong>der</strong> große<br />

Zweizylin<strong>der</strong> natürlich spüren, welch enorme Massen in<br />

ihm hin- und hergehen. Denn an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Original-<br />

GS sind hier die Lenkerenden nicht schwingungsdämpfend<br />

aufgehängt.<br />

Klar, bei Kurvenfahrt fühlt man das gegenüber <strong>der</strong><br />

Serie um rund 20 Kilo verringerte Gewicht ganz deutlich.<br />

Dabei ergibt sich durch die Kehren ein sauberer, exakter<br />

Strich. In Anbetracht <strong>der</strong> großen Gesamtmasse ist dieses<br />

Motorrad durchaus als handlich zu bezeichnen, wobei auch<br />

geradeaus bei höherem Tempo nichts auszusetzen ist. Ab<br />

150 Stundenkilometer wird jediglich eine gewisse<br />

Feinfühligkeit <strong>der</strong> Lenkung festgestellt, die aber nicht<br />

ernsthaft kritisiert zu werden braucht und die zumindest<br />

teilweise mit dem groben Profil <strong>der</strong> Michelin-Desert-<br />

Bereifung zu begründen ist. Dies alles läßt den<br />

umfassenden Schluß zu, daß das Handling gegenüber dem<br />

Original-Fahrzeug geringfügig verbessert ist, ohne das sich<br />

dank überlangem Radstand <strong>der</strong> Geradeauslauf<br />

beeinträchtigt zeigen müßte. Resümee: gut getroffen !


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Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, daß sich die verlängerten Fe<strong>der</strong>wege auf welligem Untergrund positiv bemerkbar<br />

machen. Keine Telegabel vermag zwar das Televersystem an Sensibilität zu übertreffen, aber <strong>der</strong> längere Hub<br />

schafft doch ein größeres Schluckvermögen, wenn mal stärkere Schläge von unten kommen.<br />

Mit 65 Millimeter mehr an Fe<strong>der</strong>weg am Hinterrad als das Serienmodell fühlt sich die <strong>WITEC</strong> GS<br />

natürlich komfortabler an. Aber verschweigen läßt sich die große Masse in Form des Hinterradantriebs und <strong>der</strong><br />

mächtigen Schwinge nicht. Ein Gastfahrer formuliert es so: „Bei rasantem Tempo auf stark holperiger Fahrbahn<br />

trampelt das Hinterrad, vergleichbar etwa mit dem Gefühl in einem Auto mit starrer Achse.“ Dabei läßt sich das<br />

High-Tech-Fe<strong>der</strong>bein in <strong>der</strong> Dämpfung perfekt einstellen.<br />

Original-Hinterradschwinge, verschiedene<br />

Übersetzungen nach Wahl<br />

Durch das verringerte Gewicht zwar gemil<strong>der</strong>t,<br />

aber nicht ausgemerzt ist eine an<strong>der</strong>e Eigenschaft <strong>der</strong> 1100<br />

GS: Die hohe Schwerpunktlage macht sich vor allem beim<br />

Schräglagenwechsel als eine gewisse Trägheit bemerkbarund<br />

natürlich off road. Auf Schotter o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>em losen<br />

Boden läuft die Maschine zwar beachtlich gut und auch<br />

schnell geradeaus, aber das Tempo in Kehren will wohl<br />

überlegt sein. Wer sich mit diesen Brocken einen schnellen,<br />

langgezogenen Drift zutraut, wird den Punkt erleben, wo<br />

das Vor<strong>der</strong>rad urplötzlich schiebt und drückt. Rudolf<br />

Willner: „Das läßt sich nur mit einer eher auf<br />

Unhandlichkeit ausgelegten Lenkgeometrie in den Griff<br />

kriegen wie bei unserer Rallye-Version. Aber dem hohen<br />

Schwerpunkt ist nicht beizukommen, Zylin<strong>der</strong> und<br />

Kurbeltrieb liegen sehr hoch -das ist einfach so.“<br />

Wer als Fernreisen<strong>der</strong> partout mit einer 1100 GS in<br />

den hint<strong>erste</strong>n Winkel <strong>der</strong> Welt reiten möchte, muß damit<br />

rechnen, daß er nicht überall bleifreien Sprit erhält. Darum<br />

wartet das <strong>WITEC</strong> Motorrad auch nicht mit einem Kat auf.<br />

Weniger High-Tech als die Serien-GS, da<strong>für</strong> mehr zweckorientierte traditionelle Technik -so kann man<br />

dieses Motorrad charakterisieren. Und dabei alles handwerklich tadellos ausgeführt. Die Aufnahmeprüfung in<br />

den Kreis <strong>der</strong> <strong>WITEC</strong>-1100-Fahrer besteht allerdings aus einem tiefen Griff in die Tasche: Mit knapp 40000<br />

Mark schlägt die Grundversion zu Buch, während <strong>für</strong> die Ausführung unserer <strong>Test</strong>maschine noch fast zwölf<br />

Tausen<strong>der</strong> hinzugeblättert werden müssen.

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