Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens - Universität Tübingen
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<strong>Grundlagen</strong><br />
<strong>wissenschaftlichen</strong><br />
<strong>Arbeitens</strong><br />
Andreas Kämper<br />
WS 2009/10<br />
12. Lesen und Lernen 4<br />
Div. for Simulation of Biological Systems<br />
WSI/ZBIT, Eberhard Karls <strong>Universität</strong> <strong>Tübingen</strong><br />
Wiederholung<br />
Lesen und Mitschreiben<br />
• Intensives Lesen<br />
– SQ3R-Methode<br />
• Survey<br />
• Question<br />
• Read<br />
• Recite<br />
• Review<br />
• Aktiv zuhören und<br />
mitschreiben<br />
– Cornell-System<br />
Titel der Vorlesung, Datum<br />
Stichw wörter<br />
Notizen<br />
Mitschrift<br />
Zusammenfassung<br />
1
Lernen durch Wiederholung<br />
Korrekte K<br />
Wiedeergabe<br />
in %<br />
100 %<br />
0 %<br />
Erneutes<br />
Lernen<br />
Zeit in Tagen<br />
Vergessenskurve<br />
Lernkartei<br />
Abbildung links modifiziert nach: http://en.wikipedia.org/wiki/File:ForgettingCurve.svg<br />
(gemeinfrei); Abbildung rechts: Werner Stangl, Lernkartei, http://wiki.zum.de/Bild:Lernkartei.gif<br />
Heutige Stunde im Überblick<br />
• Lerntechniken<br />
– Mnemotechniken<br />
• Anfänge: Simonides von Keos<br />
• Merksätze („Eselsbrücken“)<br />
• Loci-Methode<br />
• Major-System<br />
– 5-10-20 Programm<br />
• Zeitmanagement<br />
Lerntechniken<br />
Zeitmanagement<br />
2
Mnemotechniken – Anfänge<br />
• Simonides von Keos (557/556 v. Chr. –<br />
468/467 v. Chr.)<br />
• Quelle: Cicero, De oratore<br />
– Bei einem Festmahl stürzte das Dach ein und<br />
begrub alle Gäste unter Trümmern.<br />
– Nur Simonides überlebt.<br />
– Leichen so zermalmt, dass sie nicht mehr<br />
erkannt werden konnten.<br />
– Simonides erinnerte sich daran, wer zuvor wo<br />
bei Tisch gesessen hatte und konnte so die<br />
Leichen identifizieren.<br />
Marcus Tullius Cicero, De oratore, liber II (Vom Redner, Zweites Buch), 55 v. Chr.<br />
Merksprüche – Beispiel 1<br />
Abbildung: Dave Bunnell, Foto, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Labeled_speleothems.jpg<br />
(Creative Commons Attribution ShareAlike Lizenz).<br />
Merksprüche – Beispiel 1<br />
Merkspruch:<br />
Stalagmit?<br />
Stalaktit?<br />
Stalagnat?<br />
Titten hängen, Stalaktit<br />
Mieten steigen und Stalagmit<br />
die Naht hält alles zusammen. Stalagnat<br />
3
Merksprüche – Beispiel 1<br />
Stalagnat<br />
Stalaktiten<br />
Stalagmiten<br />
Merksprüche – Beispiel 2<br />
Lee?<br />
Luv?<br />
Abbildung: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/9/90/Luv_und_Lee.png<br />
(unbeschränktes Nutzungsrecht).<br />
Merksprüche – Beispiel 2<br />
Luv<br />
Lee<br />
Merkspruch:<br />
Kotzt du nach Luv,<br />
kommt's wieder ruf,<br />
kotzt du nach Lee,<br />
geht's in die See.<br />
4
Merksprüche – Theorie<br />
• Merksprüche („Eselsbrücken“) sind<br />
Mnemotechniken für Fakten<br />
• Ausnutzung der assoziativen<br />
Arbeitsweise des Gedächtnisses<br />
– Zwei isolierte Ideen werden miteinander<br />
verbunden: Ein Assoziationsglied ruft das<br />
andere hervor<br />
– Beispiel 1: Ungewöhnlicher Sachverhalt:<br />
Nutzt das visuelle Gedächtnis<br />
– Beispiel 2: Reime:<br />
Nutzt das akustische Gedächtnis<br />
Loci-Methode – Einleitung (I)<br />
• Von Simonides von Keos erfunden und<br />
von Cicero aufgeschrieben<br />
•In De Oratore beschreibt Cicero, wie er<br />
sich selbst stundenlange Reden merkt<br />
– Er läuft im Geiste durch durch das Forum<br />
Romanum und hat jedem der Orte dort<br />
einen Teil seiner Rede zugeordnet<br />
– Während der Rede folgt er dem Weg und<br />
kann so nach und nach die den Orten<br />
zugeordneten Teile abrufen<br />
– Loci (lat.) = die Orte<br />
Loci-Methode – Einleitung (II)<br />
• Das menschliche Gehirn arbeitet<br />
assoziativ und kann Informationen gut<br />
ortsabhängig abspeichern<br />
• Daher zu jeder Information zusätzlich<br />
einen möglichst gut bekannten oder<br />
eindringlich vorgestellten Ort merken<br />
• Durch Lage der Orte ist auch die<br />
Reihenfolge der gemerkten<br />
Informationen bestimmt<br />
5
Loci-Methode - Beispiel<br />
• Wir wollen uns merken:<br />
– Spaghetti<br />
– Petersilie<br />
– Geldbörse<br />
• Methode 1: Verknüpfen mit einem<br />
bekannten Weg, z.B. zur Arbeit<br />
• Methode 2: Virtuelle Stadt erfinden:<br />
– Italienisches Restaurant, daneben ein<br />
Gemüsegarten und dann eine Bank<br />
Major-System – Geschichte (I)<br />
• Um 1648 publiziert von<br />
Stanislaus Mink von<br />
Wennsshein (Pseudonym<br />
von Johann Just<br />
Winkelmann)<br />
• System, um sich Zahlen<br />
zu merken<br />
• Prinzip: Zahlen werden<br />
durch Laute/Buchstaben<br />
ersetzt<br />
Abbildung: Titelseite der Ausgabe der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel,<br />
http://diglib.hab.de/drucke/202-74-quod-4/start.htm ( Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel).<br />
Major-System – Geschichte (II)<br />
• Verbesserung des<br />
Systems durch Richard<br />
Grey in Memoria<br />
Technica: Or, a New<br />
Method of f Artificial f<br />
Memory (1730)<br />
• Weiterentwickelt von<br />
Gregor von Fainaigle<br />
(Vorlesung 1807 in Paris<br />
und 1811 in London)<br />
Abbildung: Titelseite einer von Google-Books gescannten Ausgabe von 1732,<br />
http://books.google.de/books?id=4_A0AAAAMAAJ ( Google ?).<br />
6
Major-System – Geschichte (III)<br />
• Aimé Paris und Major Beniowski<br />
vereinfachten das System von Fainaigle<br />
Aimé Paris, Principes et Applications diverses de<br />
la Mnémotechnie, ou l`Art d`aider la Mémoire<br />
(1823)<br />
Major Beniowski Beniowski, A Handbook of Phrenotypics for<br />
Teachers and Students (1843)<br />
• Das heute meistverwendete System<br />
(basierend auf Paris & Beniowski) stammt<br />
vom Bestsellerautor Harry Lorayne<br />
H. Lorayne, J. Lucas, The Memory Book: The Classic Guide to Improving Your Memory at Work, at .<br />
School, and at Play, Random House, 1986.<br />
Major-System – Zuordnung (I)<br />
Ziffer Konsonanten Merkhilfe<br />
0 z, s, ß Von Z-ero, s klingt ähnlich<br />
1 t, d t ähnelt 1, d klingt ähnlich<br />
2 n n hat 2 „Beinchen“<br />
3 m m hat 3 „Beinchen“<br />
4 r vie-R<br />
5 l L = römische Ziffer 50<br />
6 ch, sch, j se-CH-s, j wie in Dschungel<br />
7 g, ck, k 7 ist eine G-lü-CK-szahl<br />
8 f, v, ph, w V8-Motor, f, ph, (w) klingen ähnlich<br />
9 p, b Wie gedrehte/gespiegelte 9<br />
H. Lorayne, J. Lucas, The Memory Book: The Classic Guide to Improving Your Memory at Work, at<br />
School, and at Play, Random House, 1986.<br />
Major-System – Beispiele (I)<br />
• Wort: Wolkenbruch<br />
Wolkenbruch<br />
W o L K e N B R u CH<br />
8 5 7 2 9 4 6<br />
7
Major-System – Zuordnung (II)<br />
•Weitere Regeln:<br />
– Wir erinnern uns an das gesprochene Wort,<br />
daher ist Aussprache der Worte entscheidend<br />
– Doppelkonsonanten werden wie<br />
Einzelbuchstaben behandelt<br />
• Rattansessel „Ratansesel“ 412005<br />
– Keine Worte verwenden, die anders<br />
geschrieben als gesprochen werden<br />
• Fuchs sprich: „Fux“ ???<br />
– „tz“ vermeiden: Verwechslung mit „z“<br />
– „ks“, „x“, „q“, „kw“ nicht verwenden<br />
http://www.allesgelingt.de/lernen/merktechniken/majorsystem/regeln.php;<br />
http://got2know.net/2Know/GermanInGerman.htm.<br />
Major-System – Beispiele (II)<br />
• Wir wollen uns die Telefonnummer des<br />
Dozenten merken: 07071 / 29-70459<br />
•Vorwahl:<br />
– 07 07 1 oder 07 071<br />
Sack Socke Socke Tee Saug-Zikade<br />
Saug-Zikade<br />
• <strong>Universität</strong> und Durchwahl:<br />
– 29 7045 9<br />
Neubau Kasserolle Boa<br />
– 2 97 04 59<br />
Ein Pack Zier-Laub!<br />
Major-System – Tabellen<br />
• Für Zahlen bis zu 3 Stellen gibt es<br />
Tabellen im Internet<br />
•Hier eine Auswahl:<br />
– 1 und 2 Stellen:<br />
http://spreadsheets.google.com/pub?<br />
key=pquR4KVeuZLH6RYwKTimzBQ<br />
– 3 Stellen:<br />
http://www.brainboard.eu/phpbb/<br />
viewtopic.php?t=465<br />
• Vorsicht: Es gibt viele Varianten des<br />
Major-Systems, daher Wörter prüfen!<br />
8
5-10-20 Programm<br />
• Lernen von „widerspenstigem“ Stoff<br />
• Programm für 60 Minuten:<br />
– 5 min das wichtigste lernen<br />
5 min Pause<br />
– 5 min wiederholen<br />
10 min Pause<br />
– 5 min wiederholen<br />
20 min Pause<br />
– 5 min wiederholen<br />
Zeitmanagement – Einleitung<br />
Es gibt Diebe, die nicht bestraft<br />
werden und einem doch das<br />
Kostbarste stehlen: die Zeit.<br />
Napoléon I. Bonaparte<br />
1769-1821<br />
• Zeitmanagement umfasst Fähigkeiten,<br />
Techniken und Hilfsmittel, in einer<br />
begrenzten Zeit möglichst viele<br />
Aufgaben, Termine, … zu erledigen.<br />
• Oft ist Zeitmanagement Bestandteil eines<br />
komplexeren Projektmanagements.<br />
Bildquelle: Jacques-Louis David, Napoleon in seinem Arbeitszimmer (Gemälde, Ausschnitt);<br />
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0a/Jacques-Louis_David_017.jpg (gemeinfrei).<br />
Zeitmanagement – Methoden<br />
• Übersicht verschaffen<br />
– Welche Ziele habe ich?<br />
– Was habe ich also zu tun?<br />
• Prioritäten setzen (Priorisieren)<br />
– In welcher Reihenfolge bearbeite ich<br />
Aufgaben?<br />
• Zeit planen<br />
– Was mache ich am Tag?<br />
• Motivation<br />
9
Priorisieren: Pareto-Prinzip<br />
Vilfredo Federico Pareto<br />
1848 – 1923<br />
• 80-20-Regel = Pareto-Prinzip<br />
– 80 % der Aufgaben in 20 % der Zeit<br />
Hohe Priorität<br />
– 20 % der Aufgaben in 80 % der Zeit<br />
Niedrige Priorität<br />
– Statt 100 % von wenigen Aufgaben zu<br />
erfüllen besser je 80 % von mehreren<br />
Aufgaben erfüllen<br />
80 %<br />
20 %<br />
Bildquelle: Vilfredo F. Pareto (Fotografie);<br />
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/99/Vilfredo_Pareto.jpg (GNU FDL).<br />
Priorisieren: ABC-Analyse<br />
• Feinere Abstufung als Pareto-Prinzip<br />
• ABC-Analyse<br />
– Methode zur Planung und<br />
Entscheidungsfindung bei Projekten<br />
– Bei Zeitplanung: Aufgaben kategorisieren<br />
• A: sehr wichtig oder dringlich Hohe Priorität<br />
• B: wichtig oder dringlich Mittlere Priorität<br />
• C: weniger wichtig/dringlich Niedrige Priorität<br />
Priorisieren: Eisenhower-Prinzip<br />
• Aufgaben nach Dwight D. Eisenhower<br />
1890 – 1969<br />
– Wichtigkeit<br />
– Dringlichkeit<br />
in Quadranten sortieren<br />
Wichtigkeit<br />
wichtig<br />
unwichtig<br />
Dringlichkeit<br />
nicht dringend<br />
dringend<br />
- Exakt terminieren<br />
- Selbst erledigen<br />
- Papierkorb<br />
- Sofort erledigen<br />
- Selbst erledigen<br />
- Delegieren<br />
Bildquelle: Weißes Haus, Dwight D. Eisenhower (Fotografie); http://en.wikipedia.org/wiki/File:<br />
Dwight_D._Eisenhower,_official_photo_portrait,_May_29,_1959.jpg (gemeinfrei).<br />
10
Zeit planen: To-Do-Liste<br />
• Zeit sollte schriftlich geplant werden,<br />
damit keine Termine vergessen werden<br />
• To-Do-Liste (Liste offener Punkte)<br />
– Wer hat<br />
–bis wann<br />
– was<br />
–(mit wem) zu tun?<br />
Zeit planen: ALPEN-Methode<br />
• Methode, um Tagesablauf zu planen<br />
– Aufschreiben: Aufgaben und Termine<br />
notieren<br />
– Länge schätzen: Voraussichtlich benötigte<br />
Zeit einschätzen<br />
– Pufferzeiten: Maximal 60 % der Zeit<br />
verplanen, 40 % Puffer<br />
– Entscheidungen: Priorisieren, Delegieren<br />
– Nachkontrolle: Unerledigtes?<br />
L. J. Seiwert, Das neue 1x1 des Zeitmanagement, Gabal Verlag, Offenbach, 1995.<br />
Kritik am Zeitmanagement<br />
• Wenige Studien zum Erfolg von<br />
Zeitmanagement<br />
• Erkenntnisse bisher:<br />
– Angestellte, die Zeitmanagement-Training<br />
absolviert haben, zeigen …<br />
… keine verbesserte Arbeitsleistung<br />
… keine höhere Zufriedenheit am Arbeitsplatz<br />
… gleiche Mengen empfundenen Stress<br />
L. Peter, Wie Zeitsparen Zeit raubt, Bild der Wissenschaft 2008, Heft 1, Seite 62.<br />
11