Weil Honecker irrte: Mit Leiter und Badehose in den Westen
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Siegfried Wehrhoff: <strong>Mit</strong> <strong>Leiter</strong> <strong>und</strong> <strong>Badehose</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Westen</strong><br />
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„Wer – wir?“ fragte der Mann.<br />
„Me<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> hat es nicht geschafft“, sagte ich.<br />
„Wir machen gleich auf“, hörte ich e<strong>in</strong>e Frauenstimme.<br />
Der H<strong>und</strong> wurde weggezogen <strong>und</strong> die obere Tür g<strong>in</strong>g zu.<br />
Dann murmelte es im Haus, <strong>und</strong> ich stand alle<strong>in</strong> draußen.<br />
E<strong>in</strong> paar M<strong>in</strong>uten verg<strong>in</strong>gen, bis die ganze Tür geöffnet <strong>und</strong><br />
ich von dem Mann h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gebeten wurde. Die Frau sagte: „Wir<br />
haben die Polizei <strong>in</strong>formiert. Die wird bald hier se<strong>in</strong>.“<br />
Sie gab mir e<strong>in</strong>en Pullover <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Hose, dann schickte sie<br />
mich duschen. Im Bad packte ich me<strong>in</strong>e Papiere, <strong>den</strong> Personalausweis,<br />
me<strong>in</strong>en Führersche<strong>in</strong> <strong>und</strong> h<strong>und</strong>ert Mark Ost aus.<br />
Nichts war naß gewor<strong>den</strong>. Ich hatte doch drei Milchtüten <strong>und</strong><br />
<strong>den</strong> Tütenschweißer me<strong>in</strong>er Mutter benutzt, um sie or<strong>den</strong>tlich<br />
zu verpacken. Als ich fertig <strong>und</strong> angezogen war, gab es<br />
Tee. Das tat gut nach diesen spektakulären St<strong>und</strong>en. Die Leute<br />
waren sehr nett. Ich konnte mich nun ausweisen. Sie sahen<br />
mich genau an <strong>und</strong> verglichen mich mit <strong>den</strong> Fotos <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en<br />
Ausweisen. Fragen hatten sie natürlich auch: Warum ich <strong>den</strong>n<br />
geflüchtet sei, was me<strong>in</strong>e Familie mache <strong>und</strong> vieles andere.<br />
Nach e<strong>in</strong>er <strong>Weil</strong>e hörten wir e<strong>in</strong>en Wagen brummen.<br />
„Das muß die Polizei se<strong>in</strong>“, sagte die Frau. Bevor die Polizisten<br />
here<strong>in</strong>kamen, schaute die Frau noch schnell das Herstellerzeichen<br />
me<strong>in</strong>er <strong>Badehose</strong> an, um sich zu vergewissern,<br />
daß ich wirklich aus dem Osten war. Als sie „VEB Bademo<strong>den</strong>“<br />
las, war sie beruhigt. In der Zwischenzeit stan<strong>den</strong> die<br />
Polizisten <strong>in</strong> der Tür. Sie begrüßten mich herzlich als neuen<br />
Bürger <strong>in</strong> der BRD. Mir fiel e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> vom Herzen. Es gab<br />
ke<strong>in</strong> Zurück mehr. Ich hatte es geschafft!<br />
Die Polizisten klärten mich erst e<strong>in</strong>mal darüber auf, daß<br />
ich hier <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Ort Drethem mit vielleicht zwanzig<br />
Häusern sei, der sich etwa zwanzig Kilometer entfernt von<br />
Hitzacker <strong>in</strong> Niedersachsen bef<strong>in</strong>det. Nun mußte ich mich<br />
auch bei <strong>den</strong> Polizisten ausweisen. Ich erzählte, daß da irgendwo<br />
im Niemandsland noch me<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> se<strong>in</strong> mußte. Ob<br />
sie nicht e<strong>in</strong> Boot besorgen könnten, um ihn zu holen?