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Zweijahresbericht 2004/2005 - Bibliothek - GFZ

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<strong>Zweijahresbericht</strong><br />

GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

in der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort III<br />

Einleitung V<br />

Aus der wissenschaftlichen Arbeit<br />

GITEWS: das Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen Ozean 1<br />

Das Bam-Erdbeben 2003: Präzise Herdparameterbestimmung mit Hilfe der<br />

differentiellen Radar-Interferometrie 11<br />

D-INSAR-Forschung in China: Monitoring und Analyse von Absenkungen und Hangrutschungen 21<br />

Prozesse, die die Anden formten – Zwölf Jahre SFB 267 29<br />

„Inkaba ye Africa“: dem dynamischen System Erde auf der Spur 47<br />

CHAMP und GRACE – erfolgreiche Schwerefeld- und Klimamissionen 53<br />

A Comprehensive View of the Earth's Magnetic Field from Ground and Space Observations 63<br />

CONTINENT – Der Baikalsee, ein aussergewöhnliches kontinentales Klimaarchiv 77<br />

Seismische Vorauserkundung im Tunnelbau mit konvertierten Oberflächenwellen 97<br />

Technologieentwicklung im In situ-Geothermielabor Groß Schönebeck 103<br />

Hochdruck-Mineralphysik mit Synchrotron-Strahlung – ein Zugang zu den Bedingungen<br />

des tiefen Erdinneren 113<br />

Neue experimentelle Entwicklungen an der <strong>GFZ</strong>-Ionensonde zur quantitativen Bestimmung<br />

volatiler Elemente 135<br />

Risikokarten für Deutschland: erste Ergebnisse vom „Center for Disaster Management and<br />

Risk Reduction Technologies“ (CEDIM) 141<br />

Das Industrie-Partnerschaftprogramm (IPP): Internationale Kooperation zur Erforschung<br />

von Kohlenwasserstoffsystemen 153<br />

Die Departments<br />

Dep. 1 Geodäsie und Fernerkundung 165<br />

Dep. 2 Physik der Erde 215<br />

Dep. 3 Geodynamik 271<br />

Dep. 4 Chemie der Erde 299<br />

Dep. 5 Geoengineering 373<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

I


II<br />

Gremien des <strong>GFZ</strong> Potsdam 409<br />

Organisation, Verwaltung, Zentrale Dienste 410<br />

Personal- und Sozialwesen<br />

Haushalt und Finanzen<br />

<strong>Bibliothek</strong> des Wissenschaftsparks „Albert Einstein“<br />

Daten- und Rechenzentrum<br />

ICDP Operational Support Group<br />

Das „Einstein-Jahr“ <strong>2005</strong> in Potsdam<br />

Auszeichnungen und Ehrungen 432<br />

Habilitationen, Promotionen 433<br />

Ausgewählte Publikationen 435<br />

Patente <strong>2004</strong> – <strong>2005</strong> 448<br />

Glossar 449<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Vorwort<br />

Der vorliegende <strong>Zweijahresbericht</strong> über den Zeitraum <strong>2004</strong>/05 wendet sich in erster Linie an die Mitglieder des Kuratoriums<br />

und des Wissenschaftlichen Beirats sowie an die Zuwendungsgeber und die zuständigen parlamentarischen<br />

Gremien. Darüber hinaus soll er aber auch die wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit über das GeoForschungs-<br />

Zentrum Potsdam (<strong>GFZ</strong>), seine Ziele und seine Forschungsaktivitäten informieren.<br />

Mit dem Jahr <strong>2004</strong> wurde die Finanzierung der Helmholtz-Gemeinschaft in den Forschungsbereichen (FB) „Erde und<br />

Umwelt“ sowie „Energie“ auf die Programmorientierte Förderung umgestellt. Das <strong>GFZ</strong> Potsdam hat die Federführung<br />

im Programm 1 Geosystem: Erde im Wandel im FB „Erde und Umwelt“, ist am Programm 2 Atmosphäre und Klima<br />

mit seinen Arbeiten zur GPS-Atmosphärensondierung beteiligt und kooperiert mit dem AWI/GKSS im Programm 3<br />

Polare, Marine und Küstensysteme. Am Programm „Erneuerbare Energien“ im FB „Energie“ beteiligt sich das <strong>GFZ</strong><br />

mit dem Programmthema Geothermische Technologien.<br />

Das zentrale Ereignis im Berichtszeitraum war die Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember <strong>2004</strong>, bei der über eine<br />

Viertelmillion Menschen ihr Leben verloren haben. Unter Federführung des <strong>GFZ</strong> Potsdam hat das Helmholtz-Forschungsnetzwerk<br />

EOS (Integrated Earth Observing System) der vier Helmholtz-Zentren AWI, DLR, <strong>GFZ</strong> und GKSS<br />

zusammen mit dem Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und<br />

Rohstoffe (BGR) sowie weiteren Einrichtungen bereits Anfang Januar <strong>2005</strong> ein Konzept zum Aufbau eines Tsunami-<br />

Frühwarnsystems für den Indischen Ozean vorgelegt. Mit der Umsetzung dieser FuE-Initiative, die mit insgesamt ca.<br />

45 Mio. € aus Mitteln der Bundesregierung für die Tsunami-Hilfe ausgestattet ist, wurde im April <strong>2005</strong> begonnen.<br />

Im November <strong>2005</strong> wurde das vom <strong>GFZ</strong> Potsdam koordinierte und geleitete Internationale Kontinentale Bohrprogramm<br />

ICDP von einem internationalen Expertengremium evaluiert und insgesamt hervorragend bewertet. Größere<br />

Bohrprojekte im Berichtszeitraum mit einer starken <strong>GFZ</strong>-Beteiligung waren u. a. die Erbohrung der San Andreas-Störungszone<br />

bei Parkfield, ein Bohrprojekt im Lake Bosumtwi, einem Meteoriteneinschlagskrater in Ghana, sowie das<br />

Lake Qinghai Drilling Projekt in Tibet, China. Bereits Ende März <strong>2005</strong> konnten auf einer großen internationalen Konferenz<br />

unter dem Titel „Continental Scientific Drilling <strong>2005</strong> – A Decade of Progress and Opportunities“ ein Resümee<br />

der im Rahmen des ICDP durchgeführten Bohrungen gezogen und ein strategisches Konzept für zukünftige wissenschaftliche<br />

Bohrungen erarbeitet werden.<br />

Im Pilotprojekt CO 2SINK haben sich <strong>2004</strong> unter Federführung des <strong>GFZ</strong> Potsdam Partner aus acht europäischen Nationen<br />

zusammengefunden, um die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund umfassend zu erforschen. Dieses europaweit<br />

erste Projekt auf dem Festland wird von der EU über zunächst fünf Jahre gefördert. Seit April <strong>2005</strong> läuft ebenfalls<br />

unter Koordination des <strong>GFZ</strong> das BMBF Verbundprojekt COSMOS – CO 2-Speicherung, Monitoring und Sicherheitstechnologien<br />

– mit Beteiligung der Universitäten Karlsruhe und Freiberg sowie der Industrie.<br />

Das Geothermie-Projekt des <strong>GFZ</strong> in Groß Schönebeck (nordöstlich von Berlin) geht nach erfolgreicher Arbeit in eine<br />

neue Phase. Mit der Übergabe eines Förderungsbescheides im August <strong>2005</strong> wurden Mittel in Höhe von ca. 10 Mio.<br />

Euro durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bereitgestellt, so dass im Frühjahr<br />

2006 die zweite Forschungsbohrung begonnen werden kann.<br />

Die Satellitenmission CHAMP wurde ebenfalls erfolgreich weitergeführt. Mit nunmehr zweimaliger Bahnanhebung wurde<br />

die Lebensdauer des Satelliten erheblich verlängert, so dass derzeit von einer weiteren Funktionsfähigkeit bis 2008 ausgegangen<br />

werden kann. Auch die dritte Satellitenmission mit <strong>GFZ</strong>-Beteiligung, GRACE, ist weiterhin auf Erfolgskurs.<br />

Wir möchten uns bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das große Engagement und die hervorragende Arbeit<br />

in den vergangenen beiden Jahren bedanken. Ein besonderer Dank gilt den Zuwendungsgebern, Bund und Land, den<br />

Mitgliedern unserer Gremien sowie den verschiedenen Fördereinrichtungen, die unsere FuE-Aktivitäten nachhaltig<br />

unterstützt haben.<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Emmermann Dr. Bernhard Raiser<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

III


IV<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Das System Erde –<br />

Forschungsgegenstand des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Das anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung, die dadurch<br />

bedingte immer intensivere Nutzung unseres Planeten<br />

und seiner Ressourcen sowie die zunehmende Anfälligkeit<br />

unserer Gesellschaft gegenüber Naturgefahren<br />

erfordern ein nachhaltiges und international abgestimmtes<br />

Handeln zum Erhalt des Lebensraums Erde, zur Sicherung<br />

unserer Lebensgrundlagen und zum Schutz unserer<br />

Umwelt. Zu diesen zentralen Aufgaben der gesellschaftlichen<br />

Daseinsvorsorge will das <strong>GFZ</strong> Potsdam mit seinen<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (FuE) einen maßgeblichen<br />

Beitrag leisten.<br />

Die Erde ist ein dynamischer Planet, der unter dem Einfluss<br />

endogener und exogener Kräfte und Prozesse einem<br />

ständigen Wandel unterliegt und durch rückgekoppelte<br />

und auf ganz unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Skalen<br />

ablaufende Interaktionen und Austauschvorgänge von<br />

Materie und Energie zwischen Geosphäre, Hydrosphäre,<br />

Atmosphäre und Biosphäre gekennzeichnet ist. Um unseren<br />

Lebensraum – von der regionalen Umwelt bis hin zur<br />

Erde insgesamt – zu verstehen, ist es deshalb notwendig,<br />

die Erde als System zu betrachten und dessen Funktionsweise<br />

global wie regional im Detail zu analysieren. Dabei<br />

gilt es insbesondere zu bewerten, wie sich die Tätigkeit<br />

des Menschen und sein Eingriff in die natürlichen Gleichgewichte<br />

und Prozesse in diesem hochkomplexen, nichtlinearen<br />

System auswirken.<br />

Die Entwicklung immer leistungsfähigerer Instrumente<br />

und höherauflösender Messtechniken sowie die inzwischen<br />

verfügbaren Computertechnologien ermöglichen es<br />

den Geowissenschaften heute, komplexe Strukturen und<br />

Geoprozesse in allen zeitlichen und räumlichen Skalenbereichen<br />

zu erfassen und numerisch zu modellieren. Das<br />

am <strong>GFZ</strong> Potsdam eingesetzte Spektrum an Methoden und<br />

Techniken reicht von Satelliten und flugzeuggestützten<br />

Messsystemen über hochauflösende Verfahren der geophysikalischen<br />

Tiefensondierung und wissenschaftlichen<br />

Bohrungen bis hin zu Laborexperimenten unter simulierten<br />

In-Situ-Bedingungen. Es wird ergänzt durch mathematische<br />

Ansätze zur Systemtheorie und die Modellierung<br />

von Geoprozessen.<br />

Langfristiges Forschungsziel ist es, auf der Grundlage<br />

eines umfassenden Prozess- und Systemverständnisses<br />

Strategien zu entwickeln und Handlungsoptionen aufzuzeigen,<br />

z. B. für die Sicherung und umweltverträgliche<br />

Gewinnung natürlicher Ressourcen, die Vorsorge vor<br />

Naturkatastrophen und die Minderung der Risiken, die<br />

Bewertung der Klima- und Umweltentwicklung und des<br />

anthropogenen Einflusses hierauf sowie die Erkundung,<br />

Nutzung und den Schutz des unterirdischen Raums.<br />

Die FuE-Arbeiten werden in einem fachübergreifenden<br />

Verbund von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren und<br />

in enger Kooperation mit nationalen und internationalen<br />

Partnern realisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Erforschung<br />

und Modellierung relevanter Geo-Prozesse, das<br />

Monitoring von Zustand und Entwicklungstrends im<br />

System Erde, die Definition physikalisch-chemischer Toleranzgrenzen<br />

kritischer Zustände sowie die Langzeiterfassung<br />

globaler wie regionaler Veränderungen.<br />

Hierzu wird eine modulare Erdbeobachtungsinfrastruktur,<br />

bestehend aus Geo-Satelliten, Flugzeugplattformen mit<br />

speziellen Sensoren, globalen Bodennetzwerken von Permanentstationen<br />

und mobilen Messnetzen, in nationaler<br />

und internationaler Kooperation betrieben. Ein wesentliches<br />

Element dieser wissenschaftlichen Infrastruktur ist<br />

die Vorhaltung von Gerätepools, geowissenschaftlichen<br />

Observatorien sowie analytischen Spezialgeräten. Sie stehen<br />

für eine gemeinsame Nutzung in Gemeinschaftsprojekten<br />

mit externen Partnern zur Verfügung und sind der<br />

Beitrag des <strong>GFZ</strong> Potsdam zur Wissenschafts-Infrastruktur<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft.<br />

Forschungsschwerpunkte des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Das FuE-Programm des <strong>GFZ</strong> orientiert sich an langfristig<br />

angelegten Forschungsthemen, die von globaler Bedeutung<br />

sind und international eine zentrale Rolle spielen.<br />

Globale Prozesse und Geomonitoring<br />

Globale Prozesse können den Lebensraum des Menschen<br />

auch innerhalb kurzer Zeiträume verändern. Erdbeben,<br />

Vulkanismus, die gegenwärtige starke Abnahme des Magnetfeldes<br />

und Änderungen im Massenhaushalt polarer<br />

Eisflächen sind unmittelbare Zeugen dieser Dynamik. Ihre<br />

Wirkung wird in der Variabilität des Gravitationsfeldes<br />

und des Magnetfeldes der Erde, der Veränderlichkeit der<br />

Erdrotation und in großräumigen Deformationen des Erdkörpers<br />

sichtbar. Zugrundeliegende Prozesse finden ihren<br />

Ausdruck in der seismologischen Struktur des Erdinnern<br />

und in seiner stofflichen Zusammensetzung. Wesentliche<br />

Voraussetzung zum Verständnis des Systems Erde und seiner<br />

Dynamik ist die Kenntnis dieser Prozesse und Strukturen.<br />

Global gewonnene, lange Zeiträume überdeckende Datenreihen<br />

von diesen Phänomenen sind für eine gesicherte<br />

Prozessmodellierung von ausschlaggebender Bedeutung.<br />

Zielvorgabe für diese Aufgabe ist es, eine die Kontinente,<br />

Ozeane und großen Eisflächen überdeckende integrierte<br />

Geomonitoring-Infrastruktur zu schaffen, diese im Verbund<br />

mit Teilstrukturen von internationalen Partnern und<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

V


VI<br />

Abb. 1: Übergabe der ersten Boje des Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean an Indonesien, Juli <strong>2005</strong> in<br />

Hamburg (Fotos: A. Rudloff, <strong>GFZ</strong>)<br />

Handing over the first buoy of the tsunami early warning system for the Indian Ocean to Indonesia, Hamburg, July <strong>2005</strong>.<br />

Diensten operationell zu betreiben und die damit erfassten<br />

Datenreihen in räumlich-zeitlich hochauflösende Modelle<br />

umzusetzen. Nur auf dieser Basis lassen sich Bezugssysteme<br />

und Modellgrößen mit größtmöglicher Genauigkeit<br />

und zeitlicher Frequenz bestimmen und überwachen.<br />

Die Vision eines „integrierten Geomonitoring“ zur Erfassung<br />

globaler Prozesse beinhaltet deshalb die Entwicklung<br />

und den Betrieb von Satelliten- und Flugzeugplattformen<br />

mit angepassten Sensoren und die systematische<br />

Weiterentwicklung von Verfahren zur Nutzung von GNSS<br />

(GPS/GALILEO)-Signalen in der Geo- und Atmosphärenforschung.<br />

Sie umfasst auch die Entwicklung und den<br />

Betrieb eines national und international vernetzten Kompetenzzentrums<br />

für die Erfassung, Archivierung und Verteilung<br />

globaler Langzeitdatensätze. Insbesondere muss<br />

auch die Weiterentwicklung und der effektive Betrieb von<br />

Prozessoren für die Modellierung von Schwerefeldern,<br />

Magnetfeldern, Deformationsfeldern und deren zeitliche<br />

Veränderungen sowie für die Abbildung von Prozessen im<br />

Erdinnern sichergestellt werden.<br />

Mit dieser national und international vernetzten Infrastruktur,<br />

dem Navigations-Satellitensystem GPS, den<br />

Geoforschungssatelliten CHAMP, GRACE, GOCE und<br />

den Ozean- und Eisüberwachungssatelliten TOPEX, ERS,<br />

JASON und ENVISAT werden neben der mehr grundlagenorientierten<br />

Modellbildung zu Prozessen im Erdkern,<br />

Erdmantel und der Kruste eine Vielzahl praktischer Anwendungen<br />

möglich. Hierzu gehören die laufende Bereitstellung<br />

eines für die Präzisionsvermessung, terrestrische<br />

Navigation und interplanetare Navigation fundamentalen<br />

geozentrischen globalen Bezugssystems mit Millimetergenauigkeit,<br />

die Bereitstellung einer Höhenbezugsfläche<br />

(Geoid) mit Millimetergenauigkeit für die hochgenaue<br />

interkontinentale Höhenübertragung, die Überwachung<br />

des Meeresspiegelanstiegs und die Nutzung von GPS<br />

(zukünftig GALILEO) für das Nivellement mit Satelliten<br />

und die Präzisionszeitübertragung. Daneben werden die<br />

Zirkulation der Ozeane, Tiefenwasserströmungen, Wärmeaustausch<br />

an der Ozeanoberfläche, Veränderungen im<br />

Massenhaushalt der großen Eisflächen, Veränderungen im<br />

globalen Grundwasserhaushalt und die Änderung des mittleren<br />

Meeresspiegels mit hoher Genauigkeit beobachtbar<br />

und überwachbar. Die kontinuierliche Auswertung von<br />

Messungen zum Schwerefeld, Magnetfeld und der Atmosphäre<br />

mit Satelliten liefert wichtige Elemente zur Überwachung<br />

und Kurzfristvorhersage des irdischen Wetters<br />

und des Weltraumwetters und damit wertvolle Beiträge<br />

zum Schutz der Bevölkerung und technischer Systeme.<br />

Geodynamik, Stoffkreisläufe und Resourcen<br />

Tektonische Prozesse und Massenverlagerungen aller Art<br />

in der Erdkruste und dem oberen Erdmantel sind unmittelbarer<br />

Ausdruck der Dynamik unseres Planeten und bestimmend<br />

für den menschlichen Lebensraum. Ziel ist ihre<br />

Analyse mittels eines breiten Methodenspektrums. Der<br />

Schwerpunkt der Forschung liegt auf dem Studium der<br />

Entwicklung von Deformation, Massen- und Stofftransport<br />

in und auf der kontinentalen Lithosphäre.<br />

Seit den 60er-Jahren vollzieht sich in den Geowissenschaften<br />

ein Umbruch von konventionellen, eher beschreibenden<br />

Ansätzen, zu einer quantifizierenden Wissenschaft.<br />

Die wichtigsten Impulse entstammen dabei dem<br />

Konzept der Plattentektonik als vereinheitlichende geowissenschaftliche<br />

Theorie. Begleitet wurde dieser Umbruch<br />

durch die Entwicklung moderner Methoden der<br />

hochauflösenden Analytik auf der atomaren Ebene, Beobachtungen<br />

im Feldmaßstab und mathematischer Modelle<br />

zur Abbildung und Simulation der relevanten Prozesse.<br />

Die damit quantitativ stofflich und physikalisch untersuchten<br />

Phänomene reichen von der Lithosphärendeformation<br />

über die Entwicklung sedimentärer Beckenstrukturen<br />

und Klimaforschung bis hin zu Fragen der Naturgefahren<br />

und Katastrophenvorsorge.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Geodynamische Prozesse sind als räumlich begrenzte<br />

Abläufe Antrieb für Deformationsvorgänge, Erdbeben<br />

und für alle geogenen Stoffkreisläufe, die den Lebensraum<br />

Erde aufrechterhalten. Stoffkreisläufe sind der Motor<br />

für die Entstehung von Ressourcen, wie mineralische<br />

Lagerstätten, Kohlenwasserstoffvorkommen und Grundwasser.<br />

Die Herausforderung besteht darin, Antrieb und Steuerungsmechanismen<br />

von geodynamischen Prozessen und<br />

Stoffkreisläufen einerseits zu identifizieren sowie andererseits<br />

ihre Risiko- und Ressourcenpotentiale besser<br />

abzuschätzen. Hierzu werden integrierte, hochauflösende<br />

geophysikalisch-geodätisch-geologische Messkampagnen<br />

in geodynamischen Schlüsselregionen der Erde – insbesondere<br />

an aktiven und passiven Kontinenträndern –<br />

durchgeführt, die sich auf besonders relevante, sogenannte<br />

‚Natürliche Laboratorien‘ fokussieren. Diese sind vor<br />

allem Südafrika (Projekt Inkaba ye Africa) als Beispiel<br />

eines passiven Kontinentrands, Südamerika mit dem prominentesten<br />

konvergenten Kontinentrand, Israel und die<br />

Türkei für große aktive intrakontinentale Störungszonen<br />

und die Pamir-Tienshan-Region in Zentralasien für intrakontinentale<br />

Deformation.<br />

Parallel dazu werden Laborexperimente durchgeführt<br />

(„Erde im Labor“). Die Experimente simulieren Prozesse<br />

unter Normalbedingungen bis zu extrem hohen Drücken<br />

und Temperaturen und entschlüsseln Materialeigenschaften,<br />

Reaktionen zwischen Mineralen, Schmelzen<br />

und Fluiden sowie die damit verbundenen Transportprozesse<br />

in allen Skalenbereichen bis hinunter in den<br />

atomaren Maßstab. Der Einsatz mikro- und isotopenanalytischer<br />

Methoden erlaubt dabei die Quantifizierung von<br />

Stoffumsätzen und die Bestimmung der Chronologie geodynamischer<br />

Prozesse. Numerische Modellierungen verknüpfen<br />

diese Daten ganz unterschiedlicher Art und<br />

Dimension über verschiedene Skalenlängen. In diesem<br />

Kontext ist auch die Neu- und Weiterentwicklung innovativer<br />

Mess- und Auswertetechnologien<br />

von essentieller Bedeutung.<br />

Ein Schlüssel zum Verständnis des<br />

Systems Erde ist die Kenntnis der physikalischen<br />

Eigenschaften von Geomaterialien<br />

bei extrem hohen Drücken und<br />

Temperaturen. Am <strong>GFZ</strong> Potsdam werden<br />

deshalb Materialeigenschaften von<br />

Gesteinen und Mineralen bei simulierten<br />

Bedingungen des Erdinneren untersucht.<br />

Dabei stehen die für das Prozessverständnis<br />

wichtigen Größen, wie die<br />

Wärmetransporteigenschaften, und die<br />

für die Interpretation der indirekten geophysikalischen<br />

Tiefensondierungen benötigten<br />

Größen, wie elastische Eigenschaften,<br />

Dichte und elektrischer Widerstand,<br />

im Mittelpunkt. Die am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

verfügbaren und zum Teil selbst entwickelten<br />

Apparaturen und experimentellen<br />

Einrichtungen stehen auch exter-<br />

nen Arbeitsgruppen für materialwissenschaftliche Fragestellungen<br />

in Physik, Chemie und bei der Entwicklung<br />

von neuen Materialien zur Verfügung.<br />

Die in den letzen Jahren intensiv untersuchten Aspekte<br />

und Phänomene des Kohlenstoffkreislaufs in der festen<br />

Erde sind u. a. die Umwandlungsraten fossilen Pflanzenmaterials<br />

in Sedimentbecken in gasförmige und flüssige<br />

Kohlenwasserstoffe über geologische Zeiträume, die Entwicklung<br />

von Störungen und porösen Gesteinen, durch<br />

die Erdöl und Erdgas aus großer Tiefe in flachere geologische<br />

Strukturen migrieren oder Mikroorganismen, die<br />

von der Permafrostzone bis in große Tiefen unter extremen<br />

Lebensbedingungen existieren und z. B. Erdölreserven<br />

abbauen oder Methan produzieren.<br />

Die Menge an Kohlenstoff in diesem Kreislauf ist zehntausendmal<br />

größer als die aller lebender Biomasse und<br />

Ressourcen an fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas,<br />

Gashydrate) zusammen. Obwohl äußerst dynamisch,<br />

laufen die Prozesse mit unvorstellbar geringen Geschwindigkeiten<br />

ab, wenn man die menschliche Zeitskala als Vergleich<br />

heranzieht. Der globale Kohlenstoffkreislauf umfasst<br />

den Kreislauf des Lebens in Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Er ist im Wesentlichen für die Entstehung fossiler<br />

Brennstoffe verantwortlich, die den industriellen Energiebedarf<br />

abdecken. Eine Komponente dieses hochaktuellen<br />

Themas sind Gashydrate, die mehr als die Hälfte<br />

der Kohlenwasserstoffreserven der Erde ausmachen und<br />

damit zukünftig eine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung<br />

erlangen könnten. Gleichzeitig stellen sie aber auch<br />

einen erheblichen Einflussfaktor für Klimaänderungen dar.<br />

Die Hälfte der globalen Biomasse lebt unterhalb der Erdoberfläche<br />

und beeinflusst dort maßgeblich den Kohlenstoffhaushalt.<br />

Diese bislang kaum bekannte „Tiefe<br />

Biosphäre“ ist zudem ein einmaliges natürliches Labor,<br />

das die Baupläne für heute noch völlig unbekannte Bakterien<br />

und Enzyme für die Biotechnologie liefern wird.<br />

Abb. 2: In der Hochdruckhalle des GeoForschungsZentrums wurde <strong>2005</strong><br />

eine neuartige rotierende Vielstempelpresse installiert. (Foto: Reiner Schulz,<br />

<strong>GFZ</strong>)<br />

A new Rocking Multi-Anvil Press has been installed in the high-pressure<br />

hall of the <strong>GFZ</strong> Potsdam in <strong>2005</strong>.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

VII


VIII<br />

Die Untersuchung biogeochemisch gesteuerter Stoffkreisläufe<br />

ist daher von grundlegender Bedeutung für<br />

unsere Zivilisation und bildet ein wichtiges zukünftiges<br />

Forschungsthema.<br />

Klimavariabilität und Lebensraum des Menschen<br />

Der steigende Meeresspiegel und rapide Klimazonenverschiebungen<br />

in ariden bis semiariden Räumen werden im<br />

Wesentlichen durch Klimaveränderungen ausgelöst. Dieser<br />

natürliche globale Wandel wird zunehmend durch<br />

Aktivitäten der stark gewachsenen Erdbevölkerung überlagert.<br />

Massive anthropogene Eingriffe auf den Kontinenten<br />

haben bereits zu Veränderungen der Biosphäre und<br />

des menschlichen Lebensraums geführt. Zukünftige Szenarien<br />

sind beispielsweise die zunehmende Versteppung<br />

in Afrika und Eurasien (Veränderungen von Wasserbilanz<br />

und Vegetation) oder verstärkte Meeresvorstöße in Siedlungsräume.<br />

Die an der Erdoberfläche ablaufenden Prozesse sind Ausdruck<br />

einer Koevolution von Biosphäre, Atmosphäre,<br />

Hydrosphäre, Pedosphäre und Lithosphäre. Die Untersuchung<br />

der natürlichen Prozesse liefert Basisdaten über die<br />

Klimavariabilität und nachfolgend Handlungswissen für<br />

eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen Land und Wasser.<br />

Dabei geht es insbesondere darum, Abläufe wie<br />

Bodenerosion, Desertifikation, Wasserverknappung, Umweltverschmutzung<br />

oder Faunen- und Florensterben frühzeitig<br />

zu erkennen und einzudämmen.<br />

Mit Hilfe satellitengeodätischer Verfahren sollen die globalen<br />

Prozesse erfasst und die Vielzahl der Parameter, wie<br />

Abb. 3: Klima-Bohrkampagne CONTINENT des <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam im Baikalsee (Foto: Birgit Heim)<br />

CONTINENT drilling for climate archives in the Baikal-<br />

Lake<br />

z. B. Abschmelzen der polaren Eiskappen, die Erwärmung<br />

der Ozeane, Veränderungen des kontinentalen Wasserhaushalts<br />

sowie rezente Vertikalbewegungen bestimmt<br />

werden. In einem integrativen Ansatz von Beobachtungsdaten<br />

und Prozessmodellen aus Ozeanographie, Glaziologie,<br />

Hydrologie und Geodynamik werden Perspektiven<br />

entwickelt, um Prognosen für zukünftige Szenarien zu<br />

erstellen, die Schlussfolgerungen erlauben z. B. für Meeresspiegeländerungen,<br />

den Salzwasseranstieg in Süßwasseraquiferen,<br />

die Eutrophierung und Erwärmung von Seen<br />

oder Landverluste.<br />

Es ist das Ziel, die räumliche und zeitliche Abfolge der<br />

Klimazustände der letzten Warm-/Kaltzyklen (bis ca.<br />

150.000 Jahre vor heute) mit einer zeitlichen Auflösung<br />

von wenigen Jahren bis Jahrhunderten und einer räumlichen<br />

Auflösung von wenigen 100 Kilometern durch die<br />

systematische Verbindung von paläoklimatischer/paläomagnetischer<br />

Analytik und realitätsnaher Modellierung zu<br />

rekonstruieren. Dieser Datensatz bildet die Basis für die<br />

detaillierte Prüfung von Hypothesen der Klimadynamik,<br />

die Ableitung von erdgeschichtlichen Entwicklungen<br />

sowie für Aussagen über die Vorhersagbarkeit des Klimasystems<br />

auf verschiedenen Skalen. Damit wird die natürliche<br />

Klimavariabilität allgemein, aber auch die Klimavariabilität<br />

synchron auf den Kontinenten und in den Ozeanen<br />

quantifiziert. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Auswirkung<br />

von Klimaänderungen auf die regionale Umwelt.<br />

Naturkatastrophen und Vorsorgestrategien<br />

Ereignisse wie die Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember<br />

<strong>2004</strong> im Indischen Ozean, der Hurrikan Katrina und<br />

das Erdbeben in Pakistan/Indien <strong>2005</strong> haben erneut vor<br />

Augen geführt, dass die Begrenzung der Risiken von<br />

Naturgefahren zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen<br />

unserer Zeit gehören. Im Fall der Tsunami-<br />

Katastrophe hat unter Federführung des <strong>GFZ</strong> das Helmholtz-Forschungsnetzwerk<br />

EOS (Intergriertes Earth<br />

Observing System), bestehend aus den Helmholtz-Zentren<br />

AWI, DLR, <strong>GFZ</strong> und GKSS, sehr schnell reagiert und<br />

bereits Anfang Januar <strong>2005</strong> der Bundesregierung ein Konzept<br />

zum Aufbau eines Frühwarnsystems vorgelegt. Ziel<br />

ist die Implementierung eines wirksamen Tsunami-Frühwarnsystems<br />

für den Indischen Ozean, das später auf den<br />

Mittelmeerraum und den Atlantik ausgedehnt werden soll.<br />

Das Tsunami-Frühwarnsystem ist Teil eines Early-Warning-Systems,<br />

das auch andere Naturkatastrophen wie<br />

z. B. Erdbeben und Vulkanausbrüche erfassen soll. Das<br />

System integriert terrestrische Beobachtungsnetze der<br />

Seismologie und Geodäsie mit marinen Messverfahren und<br />

Satellitenbeobachtungen. Die dazu erforderlichen FuE-<br />

Arbeiten sollen im Rahmen eines Plans realisiert werden,<br />

der einerseits schnell, d. h. innerhalb von 1 bis 3 Jahren,<br />

wirksamen Schutz garantiert und andererseits zulässt, auch<br />

spätere technologische Entwicklungen, für die jetzt noch<br />

Forschungsbedarf besteht, problemlos einzubinden.<br />

Extreme Naturereignisse bedrohen den Menschen und seinen<br />

Lebensraum und führen in Verbindung mit der wachsenden<br />

Verletzbarkeit der Gesellschaft zu immer zerstörerischen<br />

Katastrophen. Beispiele hierfür sind Erdbeben,<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4: Geophysikalisches Observatorium Gunungsitoli<br />

(Nias, Indonesien), Standort der ersten seismischen Station<br />

im Rahmen von GITEWS (Foto: W. Hanka, <strong>GFZ</strong>)<br />

Geophysical observatory Gunungsitoli (Nias, Indonesia),<br />

location of the first seismic station in the GITEWS framework<br />

Vulkanausbrüche, Hochwasser, Massenbewegungen oder<br />

Tsunamis. In zunehmendem Maße gewinnen in unserer<br />

hochtechnisierten Welt auch Gefahren aus dem Weltraum<br />

an Bedeutung, die von Wechselwirkungen einer sich verändernden<br />

Magnetosphäre mit dem Sonnenwind ausgehen<br />

(„Weltraumwetter“).<br />

Eine zentrale Aufgabe geowissenschaftlicher Forschung<br />

wird künftig darin bestehen, Naturgefahren nach dem<br />

aktuellen Stand der Forschung zu analysieren. Dazu sind im<br />

Verbund mit Ingenieuren, Ökonomen und Soziologen mögliche<br />

Katastrophenszenarien realitätsnah zu simulieren, Vulnerabilitäts-<br />

und Gefährdungsabschätzungen sowie Risikobewertungen<br />

vorzunehmen, Frühwarnkapazität zu schaffen<br />

und praxisnahe Schutzkonzepte zu entwickeln. Es sind integrierte<br />

Konzepte zu erarbeiten, die geowissenschaftliche<br />

Informationen mit denen technischer, ökonomischer und<br />

sozialwissenschaftlicher Disziplinen zusammenführen und<br />

in eine nachhaltige Vorsorge einbinden. Dabei sind die verschiedenen<br />

Phasen des Katastrophenmanagements, d. h.<br />

Risikoanalyse, Katastrophenvorbeugung und Katastrophenbewältigung<br />

sowie die Nachsorge zu berücksichtigen.<br />

Langfristig ist es das Ziel, geowissenschaftliches Knowhow<br />

im Management von Naturkatastrophen zu verankern.<br />

Die Vernetzung mit nationalen und internationalen<br />

Partnern aus Wissenschaft und Katastrophenmanagement<br />

soll eine Kultur der Katastrophenvorsorge<br />

fördern, die wissenschaftlich begründet,<br />

technologisch abgesichert und an der<br />

Praxis orientiert ist sowie von der Gesellschaft<br />

akzeptiert wird. Ein Meilenstein ist<br />

die Gründung des Centre for Disaster<br />

Management and Risk Reduction Technology<br />

(CEDIM), das 2003 vom <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam und der Technischen Universität<br />

Karlsruhe gemeinsam ins Leben gerufen<br />

wurde. Das CEDIM wird zusätzlich als<br />

Virtuelles Institut aus dem Impuls- und<br />

Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

finanziert.<br />

Geoengineering<br />

Global beobachtet man beunruhigende Trends, die für die<br />

Gesellschaft gewaltige Herausforderungen mit sich bringen.<br />

Hierzu gehören Urbanisierung, Verkehrskollaps, Verknappung<br />

der Energie-, Wasser- und Rohstoffressourcen<br />

sowie Luft- und Umweltverschmutzung. Stadtplanung<br />

und Verwaltung können mit dem schnellen und unkontrollierten<br />

Wachstum von Megacities in den meisten Fällen<br />

nicht Schritt halten. Daraus resultieren Aufgaben, die<br />

in ihrer Komplexität und ihrem Ausmaß neuartig sind, wie<br />

z. B. die Sicherung der Energie- und Wasserversorgung,<br />

die Nutzung des unterirdischen Raums für die Verkehrsinfrastruktur<br />

sowie der Schutz vor Naturkatastrophen und<br />

technologischen Desastern.<br />

Die immer knapper werdenden fossilen Energierohstoffe<br />

und die zunehmenden Emissionen von klimaschädlichen<br />

Treibhausgasen verlangen nach einem effektiven, ökonomisch<br />

und ökologisch verantwortungsvollen Handeln. In<br />

Kombination mit erneuerbaren Energien bleibt Kohle<br />

auch langfristig der wichtigste Baustein im künftigen<br />

Energiemix der Stromerzeugung. Nachteilig für Klima<br />

und Umwelt sind jedoch die hohen spezifischen CO 2-<br />

Emissionen aus der Kohleverstromung. Zu ihrer Vermeidung<br />

muss man die Wirkungsgrade der Energiewandlung<br />

steigern und verstärkt erneuerbare Energien einsetzen.<br />

Man kann aber auch neue Wege gehen: Die Abtrennung<br />

von CO 2 an den Kraftwerken und Rückführung in den geologischen<br />

Untergrund kann für den Klimaschutz global zu<br />

einer Schlüsseltechnologie werden.<br />

Weltweit befindet sich die Nutzung des unterirdischen<br />

Raums im Aufwind. In stark bevölkerten Gebieten bleibt<br />

als letzter verfügbarer Raum für Infrastrukturen vielfach<br />

nur noch der Untergrund. In den Städten erzwingen<br />

restriktive Randbedingungen infolge Flächenknappheit,<br />

immer stärkeren Lärm- und Umweltschutzauflagen sowie<br />

mangelnder Akzeptanzbereitschaft der Bevölkerung<br />

gegenüber Baubelästigungen, das Ausweichen in die Tiefe<br />

durch den Bau von U-Bahnen, Straßentunneln, Rohrleitungen,<br />

Parkkavernen und sogar ganzen Bahnhöfen.<br />

Auch die Basistunnel der neuen transeuropäischen Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken<br />

durch die Alpen sind<br />

technische Herausforderungen ersten Ranges mit ihren<br />

außergewöhnlichen Längen, hohen Gebirgsüberlagerungen,<br />

hohen mechanischen Spannungen und besonders<br />

Abb. 5: Bild des geplanten Neubaus A19 auf dem <strong>GFZ</strong>-Campus (Foto: Architektenbüro<br />

Becker, Potsdam)<br />

Sketch of the planned new building A19 on the <strong>GFZ</strong> campus<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

IX


X<br />

Abb. 6: Einige Teilnehmer der Konferenz „Continental Scientific Drilling<br />

<strong>2005</strong> – A Decade of Progress and Opportunities for the Future“, Potsdam,<br />

29. 3. bis 1. 4. <strong>2005</strong> (Foto: B. Stöcker, <strong>GFZ</strong>)<br />

Several participants of the conference „Continental Scientific Drilling <strong>2005</strong><br />

– A Decade of Progress and Opportunities for the Future“, Potsdam, 29. 3.<br />

to 1. 4. <strong>2005</strong><br />

komplexen geotechnischen Bauvorgängen. Anforderungen<br />

dieses Umfangs wurden bisher noch nirgendwo auf<br />

der Erde bewältigt und lösen richtungsweisende Impulse<br />

in der Grundlagen- und angewandten Forschung aus wie<br />

z. B. die hochauflösende seismische Vorauserkundung online<br />

während eines Tunnelvortriebs.<br />

Die Geothermie steht als erneuerbare Energie jederzeit zur<br />

Verfügung und ist eine ökologisch beispielhafte Alternative<br />

zu Kernkraft und fossilen Energieträgern. Aus Erdwärme<br />

kann man Energie in Form von technisch nutzbarer<br />

Wärme oder elektrischem Strom bedarfsgerecht herstellen.<br />

Erdwärme ist überall vorhanden, auch in Mitteleuropa.<br />

Jedoch muss man hier bis in Tiefen von 4 bis<br />

5 Kilometern bohren, um ein genügend hohes Temperaturniveau<br />

zu erschließen, um elektrische Generatoren über<br />

Dampfturbinen effizient antreiben zu können. Dieses<br />

Potenzial kann aber erst dann genutzt werden, wenn die<br />

Kosten und Risiken der Erschließung nachhaltig gesenkt<br />

werden.<br />

Mittelfristig wird dem Energieträger Biomasse das größte<br />

Potential unter den regenerativen Energiequellen zugeschrieben.<br />

Voraussetzung für eine energetische Nutzung<br />

von Biomasse sind die Entwicklung und Erschließung<br />

neuer Technologien zur Erhöhung des Wirkungsgrades der<br />

Energiewandlung sowie deren Implementierung hinsichtlich<br />

Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und<br />

Versorgungssicherheit – besonders im ländlichen Raum.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam hat gemeinsam mit einem Industriepartner<br />

die Konzeption einer auf geowissenschaftliche<br />

und geotechnische Fragestellungen und Projekte optimierten<br />

Forschungsbohranlage erarbeitet. Dabei sind<br />

besonders zu nennen die operationelle und wissenschaftliche<br />

Durchführung des Internationalen Kontinentalen<br />

Bohrprogramms ICDP, die Entwicklung und Anwendung<br />

neuer Bohrtechnologien für wissenschaftliche For-<br />

schungsbohrungen, die Entwicklung<br />

neuer Technologien zur Erstellung von<br />

Bohrungen für die CO 2-Speicherung im<br />

Untergrund und die Nutzung geothermischer<br />

Energie. Die Anlage soll kostengünstige<br />

Forschungsbohrungen bis zu<br />

einer Tiefe von etwa 5.000 Metern ermöglichen.<br />

Nationale und Internationale Wissenschaftsinfrastruktur<br />

Zur Erfassung von Schlüsselprozessen im<br />

System Erde ist eine Infrastruktur notwendig,<br />

die die gesamten behandelten<br />

räumlichen und zeitlichen Skalen abdeckt:<br />

von der Ebene physikalischer und<br />

chemischer Untersuchungen im Labor<br />

über Prozesse auf der regionalen Skala in<br />

„natürlichen Laboren“ bis hin zu globalen<br />

Beobachtungsverfahren. Das <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam betreibt dafür eine international<br />

einmalige Wissenschaftsinfrastruktur für<br />

die unterschiedlichsten Aufgaben, die insbesondere auch<br />

Wissenschaftlern von Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen<br />

zur Verfügung steht. Neben eigenen<br />

Satelliten und den entsprechenden Datenportalen<br />

gehören hierzu ein Geophysikalischer Gerätepool und ein<br />

Pool von GPS-Stationen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt<br />

auf dem Betrieb von globalen Messnetzen wie dem globalen<br />

Erdbebenmonitoring System GEOFON, GPS-Permanentstationen<br />

im Internationalen GNSS Service (IGS)<br />

und von geophysikalischen Observatorien (Magnetische<br />

Observatorien in Niemegk und Wingst, Geodynamisches<br />

Observatorium in Sutherland, RSA) die in internationale<br />

Messnetze eingebunden sind und deren Daten der internationalen<br />

Community zur Verfügung gestellt werden. Im<br />

Bereich der Geomaterialforschung betreibt das <strong>GFZ</strong> eine<br />

in Europa einzigartige Anlage zur Untersuchung von<br />

Materialeigenschaften und Prozessparametern unter<br />

hohen Drücken und Temperaturen mit Synchrotronstrahlung<br />

am HASYLAB des DESY sowie weitere analytische<br />

Spezialgeräte wie ein hochauflösendes Transmissions-<br />

Elektronenmikroskop oder eine Ionensonde.<br />

Nationale Kooperationen<br />

Das GeoForschungsZentrum Potsdam ist als nationales<br />

Forschungszentrum für Geowissenschaften Mitglied der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.<br />

Die Zentren erhalten seit 2003 ihre Grundfinanzierung im<br />

Rahmen der Programmorientierten Förderung. Dies bedeutet,<br />

dass die Forschungsaktivitäten für einen Zeitraum<br />

von 5 Jahren in sogenannten Programmen formuliert werden.<br />

Diese werden einer strategischen Begutachtung durch<br />

ein international zusammengesetztes Expertengremium<br />

unterworfen. Zur klaren strategischen Ausrichtung hat die<br />

Helmholtz-Gemeinschaft ihre gesamten Forschungsaktivitäten<br />

in sechs Forschungsbereiche eingeteilt: Energie,<br />

Erde und Umwelt, Gesundheit, Verkehr und Weltraum,<br />

Struktur der Materie sowie Schlüsseltechnologien. Das<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


<strong>GFZ</strong> beteiligt sich maßgeblich im Forschungsbereich<br />

„Erde und Umwelt“ und mit seinen Geothermie-Aktivitäten<br />

im Forschungsbereich „Energie“.<br />

Im Forschungsbereich „Erde und Umwelt“ wurden sechs<br />

Programme etabliert, von denen das <strong>GFZ</strong> Potsdam das<br />

Programm 1 „Geosystem: Erde im Wandel“ koordiniert<br />

und sich beim Programm 2 „Atmosphäre und Klima“ mit<br />

seinen Arbeiten zur GPS-Meteorologie beteiligt. Die Programme<br />

in den Forschungsbereichen „Erde und Umwelt“<br />

sowie „Energie“ starteten zum 1. 1. <strong>2004</strong>.<br />

Neben den programmatischen Aktivitäten haben die<br />

Helmholtz-Zentren Alfred-Wegener-Institut für Polarund<br />

Meeresforschung (AWI), GKSS-Forschungszentrum<br />

Geesthacht, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />

(DLR) und <strong>GFZ</strong> Potsdam gegenwärtig gemeinsam das<br />

Forschungsnetzwerk EOS „Integriertes Erdbeobachtungssystem“<br />

installiert, in dem die wissenschaftlichen<br />

Infrastrukturen zusammengefasst sind. In dem Forschungsnetzwerk<br />

EOS werden drei Themen gemeinsam<br />

bearbeitet: „Eis und Ozean“, „Katastrophenmanagement“<br />

und „Prozesse der Landoberfläche“. Über den Impuls- und<br />

Vernetzungsfond des Helmholtz-Präsidenten konnte ein<br />

Doktorandenprogramm mit insgesamt 18 Stellen initiiert<br />

werden.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam beteiligt sich im Rahmen seiner Zielsetzungen<br />

an einer Reihe von nationalen Programmen und<br />

größeren Forschungsprojekten. Hier sind insbesondere die<br />

Projektförderung des BMBF, des BMWi, des BMU und<br />

Programme der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu<br />

nennen.<br />

Das GeoForschungsZentrum hat sich gemeinsam mit der<br />

FU Berlin, der TU Berlin und der Universität Potsdam<br />

maßgeblich am Sonderforschungsbereich 267 „Deformationsprozesse<br />

in den Anden“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

beteiligt und auch den Sprecher gestellt. Der<br />

SFB hat <strong>2005</strong> nach insgesamt 12 Jahren seine Maximallaufzeit<br />

erreicht und wurde zu einem erfolgreichen<br />

Abschluss gebracht. Das <strong>GFZ</strong> Potsdam ist darüber hinaus<br />

an drei Schwerpunktprogrammen der DFG wesentlich<br />

beteiligt: „ICDP“, „Erdmagnetische Variationen: Perioden<br />

und Prozesse“ sowie „Sedimentbecken“. Weiterhin<br />

beteiligt sich das <strong>GFZ</strong> an dem gemeinsam von BMBF und<br />

DFG finanzierten Programm „Geotechnologien“. An den<br />

Ausschreibungsrunden zu den Themen „Kontinentränder“<br />

und „Informationstechnologie im Erdmanagement“<br />

hat sich das <strong>GFZ</strong> Potsdam erfolgreich beteiligt. Der Themenkomplex<br />

„Beobachtung des Systems Erde aus dem<br />

Weltraum“ wurde bereits zur erstmaligen Verlängerung<br />

ausgeschrieben. Schwerpunkt der erfolgreichen <strong>GFZ</strong>-<br />

Anträge liegt auf der Auswertung und wissenschaftlichen<br />

Bearbeitung von Daten aus dem CHAMP- und GRACE-<br />

Projekt. Im Rahmen des Marktanreizprogramms des<br />

Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit<br />

(BMU) konnten erfolgreich umfangreiche Mittel zur Fortführung<br />

des Geothermieprojekts in Groß Schönebeck eingeworben<br />

werden, womit die Finanzierung der zweiten<br />

Bohrung gesichert wurde.<br />

Abb. 7: Verleihung des Brandenburgischen Verdienstordens<br />

an Prof. Emmermann, Juni <strong>2005</strong>, Foto: Staatskanzlei<br />

des Landes Brandenburg<br />

Award of the Order of Merit of the State of Brandenburg<br />

to Prof. Emmermann, June <strong>2005</strong><br />

Gemeinsam mit dem Zentrum für Internationale Entwicklungs-<br />

und Umweltforschung (ZEU) der Justus-Liebig-<br />

Universität Gießen und der kirgisischen Republik wurde<br />

2003 ein „Zentralasiatisches Institut für Angewandte Geowissenschaften“<br />

in Bishkek gegründet. In den letzten beiden<br />

Jahren wurde ein Gebäude in Bishkek baulich hergerichtet<br />

und mit moderner Infrastruktur ausgestattet, so<br />

dass das Institut nunmehr seinen wissenschaftlichen<br />

Betrieb aufnehmen kann.<br />

Die Zusammenarbeit mit Universitäten wird durch gemeinsame<br />

Berufungen von leitenden Wissenschaftlern<br />

des <strong>GFZ</strong> Potsdam verstärkt, die damit neben ihren Forschungsarbeiten<br />

am <strong>GFZ</strong> eine Lehr- und Ausbildungstätigkeit<br />

an den Universitäten ausüben. Das GeoForschungsZentrum<br />

hat derzeit 18 gemeinsame Berufungen<br />

realisiert: sieben mit der Universität Potsdam, fünf mit der<br />

FU Berlin, drei mit der TU Berlin und je eine mit der Humboldt-Universität<br />

Berlin, der Universität Stuttgart und der<br />

Technischen Universität Braunschweig.<br />

Internationale Kooperationen<br />

Aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-<br />

Gemeinschaft konnten <strong>2005</strong> Mittel für die Einrichtung<br />

eines Virtuellen Instituts „Center for System Analysis of<br />

Geoprocesses“ (CSAG) gemeinsam mit der Universität<br />

Potsdam und der Freien Universität Amsterdam eingeworben<br />

werden.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam ist an einer Reihe von Projekten der<br />

Europäischen Union beteiligt, teilweise in koordinierender<br />

Funktion. Besonders zu nennen sind die Projekte<br />

CO 2SINK, einem EU Demonstrationsprojekt zur CO 2-<br />

Sequestrierung in einen ehemaligen Erdgasspeicher bei<br />

Ketzin, westlich von Berlin, das europäische Netzwerk<br />

ENGINE zur wirtschaftlichen Entwicklung der Geothermienutzung,<br />

ein Projekt zur Entwicklung von Erdbeben-<br />

Frühwarn-Technologie, zugeschnitten auf große Städte in<br />

Europa (SAFER) und das Projekt TRANSFORM zur<br />

Erforschung von Grundlagen für die Tsunami-Frühwarnung.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

XI


XII<br />

Abb. 8: Diskussion zum Wissenschaftsland Brandenburg am Tag der Deutschen<br />

Einheit 2006 in Potsdam (Foto: F. Ossing, <strong>GFZ</strong>)<br />

Discussing science in the state of Brandenburg at the Day of German Unitiy<br />

2006 in Potsdam.<br />

Ende Februar 1996 startete das Internationale Kontinentale<br />

Bohrprogramm ICDP (International Continental<br />

Scientific Drilling Program), dem gegenwärtig neben<br />

Deutschland die USA, China, Japan, Kanada, Norwegen,<br />

die UNESCO, Mexiko, Österreich, Island, die Tschechische<br />

Republik, Polen, Finnland und die Republik Südafrika<br />

als Mitglieder angehören und zu dem weitere Nationen<br />

in Kürze hinzustoßen wollen. Das GeoForschungs-<br />

Zentrum ist die internationale Trägereinrichtung dieses<br />

Großprojekts und hat aufgrund der umfangreichen Erfahrung<br />

aus dem KTB die Aufgabe übernommen, das ICDP<br />

organisatorisch und operativ von Potsdam aus durch eine<br />

Operational Support Group (OSG) zu betreuen. Im ICDP<br />

werden bedeutende geowissenschaftliche Themen von<br />

internationalen Wissenschaftlerteams an<br />

besonders ausgewählten, geologisch<br />

weltweit einmaligen Lokationen (World<br />

Geological Sites) bearbeitet. In den vergangenen<br />

Jahren wurden neben kleineren<br />

Aktivitäten mehrere große Vorhaben wie<br />

eine Bohrung in die San Andreas Erdbebenzone<br />

südlich von San Francisco<br />

begonnen, ein Bohrprojekt in die Flanke<br />

des Unzen Vulkans im Süden Japans<br />

abgeschlossen, eine Bohrung in den<br />

Bosumtwi-Impaktkrater in Ghana abgeteuft<br />

sowie eine Bohrung mit starker<br />

Industriebeteiligung auf Island zur<br />

Erschließung über 400 °C heißen Wassers<br />

für geothermische Zwecke begonnen.<br />

Das GeoForschungsZentrum liefert<br />

wichtige Beiträge zu wissenschaftlichen<br />

Diensten der Internationalen Assoziation<br />

für Geodäsie (IAG) und der Internationalen<br />

Union für Astronomie. Es sind dies<br />

der Internationale Erdrotationsdienst<br />

(IERS), der Internationale GNSS-Dienst (IGS) und der<br />

Internationale Laserdienst (ILS). Die Beiträge umfassen<br />

die Bereitstellung von Beobachtungsstationen in von den<br />

Diensten koordinierten Messnetzen (Laser-, GPS-, GLO-<br />

NASS-Stationen), den Betrieb eines GNSS-Analysezentrums<br />

und die Bereitstellung von geodätischen, geodynamischen<br />

und atmosphärischen Produkten zur Weiteraufbereitung<br />

bzw. Verteilung durch die Dienste an die internationalen<br />

Nutzer. Das <strong>GFZ</strong> Potsdam ist über sein Erdbebenmonitoringsystem<br />

GEOFON im Federal Digital Seismological<br />

Network (FDSN) und in der europäischen Initiative<br />

ORPHEUS sowie mit den beiden magnetischen<br />

Observatorien Niemegk und Wingst in der IASPEI federführend<br />

beteiligt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


GITEWS – German-Indonesian Tsunami<br />

Early-Warning System<br />

Das deutsche Tsunami Frühwarnsystem für den Indischen Ozean<br />

J. Lauterjung, A. Rudloff, R. Emmermann und das GITEWS-Team<br />

Shortly after the Tsunami event on December 26, <strong>2004</strong> in the Indian Ocean Region a consortium of German research<br />

institutions under the leadership of the GeoForschungsZentrum Potsdam (<strong>GFZ</strong>) proposed the installation of a Tsunami<br />

Early-Warning System to the German Government. In March <strong>2005</strong> a Joint Declaration between Indonesia and Germany<br />

about the installation and operation of such a system was signed. The system consists of several components<br />

including sensor networks for seismological monitoring of the Sunda Arc structure, crustal deformation monitoring by<br />

GPS, oceanographic monitoring by ocean bottom pressure measurements and a newly developed GPS-Buoy for seasurface<br />

monitoring and tide gauges. The sensor data are processed and evaluated in a data centre. These data are input<br />

for Tsunami simulations for rapid hazard assessment and hazard prediction. Last but not least several capacity building<br />

activities are included in the project.<br />

Der verheerende Tsunami vom 26. 12. <strong>2004</strong> im Indischen<br />

Ozean wurde vom zweitstärksten Erdbeben der letzten<br />

100 Jahre mit einer Magnitude von 9,3 auf der Richterskala<br />

vor der Küste Nordsumatras ausgelöst. Die ersten<br />

Meldungen über die Lokation und die genäherte Magnitude<br />

dieses verheerenden Erdbebens wurden nach ca.<br />

12 min von verschiedenen Organisationen im Internet veröffentlicht.<br />

Die erste Tsunami-Welle hatte bereits nach weniger als<br />

20 Minuten den Strand von Banda Aceh im Norden Sumatras<br />

erreicht und dort zu verheerenden Verwüstungen<br />

geführt. Aber auch ca. 1,5 Stunden nach dem Erdbeben,<br />

als die erste Welle Thailand erreichte oder ca. 2 Stunden<br />

nach dem Beben, als Sri Lanka getroffen wurde, waren<br />

noch keine verlässlichen Meldungen an die entsprechenden<br />

Stellen weitergeleitet worden, oder die vorliegenden<br />

Meldungen konnten nicht umgesetzt werden, da kein Staat<br />

um den Indischen Ozean auf das Eintreten einer solchen<br />

Katastrophe vorbereitet war. Entsprechende Handlungsoptionen,<br />

Alarmpläne oder Evakuierungspläne waren<br />

nicht vorhanden. Die Katastrophe hat die betroffenen<br />

Regionen völlig unvorbereitet getroffen.<br />

Unmittelbar nach der Tsunami-Katastrophe<br />

im Indischen Ozean vom 26. Dezember<br />

<strong>2004</strong> hat ein Konsortium deutscher<br />

Forschungseinrichtungen unter Federführung<br />

des GeoForschungsZentrums<br />

Potsdam (<strong>GFZ</strong>) der Bundesregierung ein<br />

Konzept zur Einrichtung eines Tsunami-<br />

Frühwarnsystems im Indischen Ozean<br />

vorgelegt. Dieses Konzept wurde von<br />

der damaligen Bundesministerin für<br />

Bildung und Forschung, Frau Edelgard<br />

Bulmahn, bereits Ende Januar <strong>2005</strong> in<br />

Kobe, Japan, der internationalen Öffentlichkeit<br />

vorgestellt und wird seit März<br />

<strong>2005</strong> mit Schwerpunkt in Indonesien<br />

umgesetzt.<br />

Die Ursache<br />

Abb. 1: Globale tektonische Karte<br />

Global tectonic map<br />

Wie ist es zu dem verheerenden Tsunami gekommen? Aus<br />

der Vergangenheit ist bekannt, dass ca. 90 % der großen<br />

Tsunamis durch starke Seebeben verursacht werden, die<br />

an den Kollisionszonen zwischen Ozeanplatten und Kontinenten<br />

entstehen (Abb. 1). Die anderen 10 % entstehen<br />

durch Vulkanausbrüche (z. B. Krakatau 1883) oder untermeerische<br />

Hangrutschungen (z. B. Storega-Rutschung vor<br />

ca. 8000 Jahren vor Norwegen). Die meisten Tsunamis treten<br />

im Pazifik auf, der von seismischen Risikozonen<br />

umgeben ist (Ring of Fire). Aber auch im Indischen Ozean<br />

und im Mittelmeer existieren solche Kollisionszonen. Im<br />

Indischen Ozean (Abb. 2) ist dies vor allem der sogenannte<br />

Sundabogen, an dem die Indisch-Australische Platte mit<br />

einer Geschwindigkeit von 6 bis 7 cm pro Jahr unter der<br />

Eurasischen Platte subduziert wird. Eine andere, allerdings<br />

viel kleinere Zone ist der Golf von Makran im Nordwesten<br />

des Indischen Ozeans am Eingang des Golfs von<br />

Persien.<br />

Doch nicht jedes starke Seebeben löst auch einen Tsunami<br />

aus. Vielmehr muss sich der Erbebenriss bis an die<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

1


2<br />

Abb. 2: Tektonische Karte des Indischen Ozeans<br />

Tectonic map of the Indian Ocean region<br />

Erdoberfläche fortsetzen und zu einer merklichen Vertikalbewegung<br />

des Ozeanbodens führen (Abb. 3). Erst<br />

dadurch wird Energie in die Wassersäule übertragen, die<br />

zu einer Aufwölbung der Ozeanoberfläche führt. Diese<br />

initiale „Welle“ beginnt dann, angetrieben durch die<br />

Schwerkraft, durch den Ozean zu laufen. Charakteristisch<br />

für eine Tsunamiwelle ist dabei, dass es sich nicht um eine<br />

Oberflächenwelle handelt, sondern dass die gesamte Wassersäule<br />

betroffen ist. Die Geschwindigkeit der Welle wird<br />

bestimmt durch die Wassertiefe und beträgt in 6000 m tiefem<br />

Wasser ca. 800 km/h. Dabei hat die Welle im tiefen<br />

Wasser eine sehr große Wellenlänge von etwa 200 km und<br />

nur eine geringe Höhe, die wenige Zentimeter bis Dezi-<br />

Abb. 3: Schematische Darstellung der Tsunami-Anregung durch ein starkes<br />

Erdbeben.<br />

Sketch of Tsunami generation by a strong Earthquake<br />

meter beträgt. Im Falle des Tsunamis im Indischen Ozeans<br />

wurde über Satellitenaltimeter südlich von Sri Lanka<br />

eine maximale Höhe von 60 cm gemessen. Ihre zerstörerische<br />

Kraft entwickelt eine Tsunamiwelle erst im flachen<br />

Wasser und beim Auflaufen auf die Küste, wo sie deutlich<br />

langsamer und höher wird. In Banda Aceh wurden Wellenhöhen<br />

von über 20 m erreicht.<br />

Die Komponenten des GITEWS<br />

Das Frühwarnsystem für den Indischen Ozean besteht aus<br />

mehreren Komponenten, aus deren Daten und Messungen<br />

eine Warnung generiert werden kann. Die Komponenten<br />

sind im Einzelnen:<br />

(1) Erdbebenmonitoring zur schnellen Lokalisierung<br />

eines Bebens. Die Warnung dieses Systems triggert die<br />

weitere Erfassungs- und Aktionskette. Parallel zur Messung<br />

der Erdbeben mit einem Netz von Breitbandseismometern<br />

erfolgt ein Monitoring des Deformationszustands<br />

mit Hilfe eines GPS-Netzes, um möglichst umfangreiche<br />

Informationen zum Herdmechanismus des Bebens zu<br />

erhalten.<br />

(2) Detektion und Quantifizierung eines möglichen Tsunamis<br />

mit ozeanographischen Methoden. Nicht jedes Erdbeben<br />

löst einen Tsunami aus. Um Fehlalarme, die bei bloßer<br />

Berücksichtigung der Erdbeben für eine Warnung<br />

unvermeidlich sind, weitgehend auszuschließen, muss die<br />

Welle ozeanographisch gemessen werden. Dies wird durch<br />

Ozeanboden-Druckpegel und speziell ausgerüstete GPS-<br />

Bojen erreicht, die an strategisch wichtigen Stellen ausgebracht<br />

werden. Unterstützt werden diese Messungen<br />

durch Beobachtungen von Küstenpegeln,<br />

die speziell im Falle Indonesiens auf den<br />

Sumatra und Java vorgelagerten Inseln<br />

installiert werden. Die Küstenpegel liefern<br />

darüber hinaus permanent Daten zur<br />

Verbesserung der Ozeanmodelle, die die<br />

Grundlage für den nächsten Schritt der<br />

Warn-Kette sind.<br />

(3) Modellierung/Simulation eines Tsunamis.<br />

Aus den Simulationen werden<br />

detaillierte Informationen über das<br />

mögliche Schadenspotential des Tsunamis<br />

und auf örtliche Unterschiede in der<br />

Wirkung abgeleitet, um entsprechende<br />

Warnungen in die Warn-Kette einspeisen<br />

zu können. Voraussetzung für eine<br />

erfolgreiche Simulation ist die genaue<br />

Kenntnis der Ozeanbodentopographie<br />

vom Tiefseebereich über den Schelfbereich<br />

bis zur Küstenlinie. Im Bereich des<br />

Indischen Ozeans weisen insbesondere<br />

die Küste vor Indonesien und der<br />

angrenzenden Länder noch erhebliche<br />

Lücken auf. Daher müssen bathymetrische<br />

Verdichtungsmessungen in allen<br />

Tiefenbereichen längs der indonesischen<br />

Küste vorgenommen werden, um<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


die Simulationen auf eine gesicherte Datenbasis stellen<br />

zu können.<br />

(4) Daten- und Frühwarnzentrum. Alle Daten laufen in<br />

nationalen bzw. lokalen Datenzentren zusammen, in<br />

denen die Auswertung, Bewertung und Simulation vorgenommen<br />

wird. Dies muss in nationaler Selbstverantwortung<br />

geschehen. Auf der Basis der einlaufenden Daten und<br />

Simulationsergebnisse ist das Datenzentrum gleichzeitig<br />

auch die die Warnung auslösende Stelle.<br />

(5) Maßnahmen des Capacity Building. Diese umfassen<br />

die Ausbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren<br />

schon während der Aufbauphase durch Integration in die<br />

Arbeitsgruppen und die regelmäßige Durchführung von<br />

Trainingskursen.<br />

Umsetzung<br />

Die Umsetzung des Projekts wird in 5 Jahren realisiert<br />

werden, wobei bis Mitte 2008 die technische Installation<br />

der Sensornetzwerke und der Aufbau des Daten- und Frühwarnzentrums<br />

abgeschlossen sein soll. Parallel zu den<br />

technischen Installationen und der Inbetriebnahme werden<br />

FuE-Arbeiten zur Prüfung der Eignung neuer Erdbeobachtungsmethoden<br />

und zur Entwicklung neuer Technologien<br />

durchgeführt werden. Bis Mitte 2010 sollen<br />

Capacity Building Maßnahmen und ein gemeinsamer<br />

deutsch-indonesischer operativer Betrieb des Systems<br />

durchgeführt werden. Danach ist vorgesehen, das System<br />

an die Partner zu übergeben.<br />

Erdbebenmonitoring<br />

Die erdbebengefährdete Zone, von der die Hauptbedrohung<br />

des Indischen Ozeans mit Tsunamis ausgeht, ist der<br />

Sundabogen, eine Subduktionszone, die sich von Bangladesch<br />

im Norden weitgehend parallel der Küste Indonesiens<br />

bis nach Neu-Guinea hinzieht (Abb. 1, Abb. 2). Die<br />

Positionierung der Seismometer und der Aufbau des Netzwerks<br />

folgen der Forderung, dass ein Erdbeben, egal an<br />

welcher Stelle des Sundabogens es auftritt, innerhalb von<br />

2 Minuten an mindestens drei Stationen des Netzes registriert<br />

wird und somit eine erste Lokalisierung sehr schnell<br />

erfolgen kann. Die Lokalisierung und Magnitudenbestimmung<br />

wird dann im Laufe der folgenden Minuten<br />

durch die Einbeziehung weiterer Stationen immer sicherer<br />

und genauer. Die Realisierung des Erdbebenmonitoring-Systems<br />

in Indonesien erfolgt in enger internationaler<br />

Kooperation. Abb. 4 zeigt die geplante Verteilung von<br />

Breitbandseismometern der indonesischen, japanischen,<br />

chinesischen und deutschen Partner. Die ersten 4 deutschen<br />

Stationen wurden im Jahr <strong>2005</strong> installiert (Abb. 5),<br />

weitere 20 werden bis 2008 folgen. Ebenfalls operativ ist<br />

seit Mitte <strong>2005</strong> ein erstes Erdbebenfrühwarnzentrum in<br />

Jakarta, an das per Satellitenkommunikation ca. 15 internationale<br />

Erdbebenstationen in der Region des Indischen<br />

Ozeans angeschlossen sind. Mit diesem vorläufigen System<br />

konnte die Detektionszeit für Erdbeben bereits auf ca.<br />

8 Minuten gedrückt werden.<br />

Neben einem dichten Seismometernetz in Indonesien<br />

spielt die teleseismische Komponente, d. h. die seismologische<br />

Überwachung des Sundabogens aus großer Entfernung,<br />

eine wichtige Rolle. Nur aus diesen Messungen<br />

lassen sich charakteristische Eigenschaften eines Erdbebens<br />

wie die Magnitude, die Energiefreisetzung oder die<br />

Länge und Ausbreitung des Bebenrisses präzise ableiten.<br />

Diese Parameter werden für die Modellierung des Bruchprozesses<br />

des Erdbebens, d. h. die Anregungsfunktion<br />

eines möglichen Tsunamis benötigt. Bislang vorgesehen<br />

ist der Aufbau von seismischen Arrays zum teleseismischen<br />

Monitoring in Südafrika, Sri Lanka und Australien.<br />

Für diese Zwecke ist im Projekt die Bereitstellung von ca.<br />

15 seismischen Stationen vorgesehen, die noch durch<br />

bereits vorhandene bzw. neu zu installierende Stationen<br />

der jeweiligen Länder ergänzt werden.<br />

Ozeaninstrumentierung<br />

Abb. 4: Geplante Verteilung von Seismometern internationaler Partner in<br />

Indonesien<br />

Planned locations of seismometers of international partners in Indonesia<br />

Nicht jedes Seebeben erzeugt einen Tsunami. Daher muss<br />

die Tsunami-Welle im Ozean selber gemessen werden, um<br />

unnötige Fehlalarme zu vermeiden. Dazu<br />

werden Mess-Systeme eingesetzt, die aus<br />

einer Ozeanbodeneinheit und einer Boje<br />

bestehen. Die Ozeanbodeneinheit (Abb. 6)<br />

ist mit verschiedenen Sensoren ausgestattet.<br />

In der jetzigen Ausführung sind<br />

ein Absolutdrucksensor, ein Sensor zur<br />

präzisen Bestimmung kleiner relativer<br />

Druckänderungen sowie ein Ozeanbodenseismometer<br />

eingebaut. Weiterhin<br />

befinden sich ein Prozessrechner, eine<br />

Datenspeichereinheit sowie ein Kommunikationsmodem<br />

für die akustische Übertragung<br />

der Daten zur Boje auf der Einheit.<br />

Das ganze System wird über eine<br />

Batterie mit elektrischer Energie ver-<br />

sorgt. Die Boje (Abb. 7), die über der Ozeanbodeneinheit<br />

verankert ist, dient einerseits<br />

als Relaisstation zur Übertragung<br />

der Daten über einen Kommunikations-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

3


4<br />

Abb. 5: Seismometerinstallation auf der Insel Nias (Fotos:W. Hanka, <strong>GFZ</strong>)<br />

Installation of a seismometer at the island of Nias<br />

satelliten an ein Datenzentrum. Sie ist aber auch ein eigenständiges<br />

Mess-System. Auf der Boje sind ein GPS-Empfänger,<br />

Sensoren zur Erfassung von meteorologischen<br />

Daten (Luftdruck, Temperatur, Windgeschwindigkeit und<br />

-richtung), Sensoren zur Erfassung der räumlichen Orientierung<br />

der Boje sowie Sensoren zur Messung der Wassertemperatur<br />

und Salinität installiert. Die Boje ist weiterhin<br />

mit einem Empfängermodem für die akustischen Signale<br />

der Ozeanbodeneinheit, einem Bordrechner, einer<br />

Datenspeichereinheit und Satellitenkommunikation ausgerüstet.<br />

Die Energieversorgung erfolgt über Batterien,<br />

Solarzellen sowie einen Windgenerator.<br />

Abb. 6: Ozeanboden-Einheit (OBU, Foto: IfM Geomar )<br />

Ocean-Bottom-Unit (OBU)<br />

Abb. 7: Tsunami-Boje (Foto: A. Rudloff, <strong>GFZ</strong>)<br />

Tsunami buoy<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 8: Verteilung der Tsunami Bojensysteme vor der Küste Indonesiens<br />

Planned distribution of the Tsunami buoy systems off-shore Indonesia<br />

Aufgabe des Bojensystems ist die Erfassung von Tsunamiwellen.<br />

Hierzu wird ausgenutzt, dass solche Wellen<br />

Druckänderungen am Ozeanboden hervorrufen, die sehr<br />

genau gemessen werden können. Der tiefe Ozean wirkt<br />

dabei wie ein Filter, der mögliche Druckänderungen durch<br />

Oberflächenwellen und den normalen Seegang herausfiltert.<br />

Die Boje selbst dient nicht nur als Relaisstation für die<br />

Übertragung der Druckdaten vom Ozeanboden, sondern<br />

kann über genaue GPS-Messungen ihrer vertikalen Position<br />

Seegangsdaten aufnehmen. Im Falle eines Tsunamis<br />

ist die Messgröße, die durch die Boje erfasst wird, eine<br />

Überlagerung des normalen Seegangs und einer Tsunamiwelle.<br />

Der normale Seegang hat deutlich kürzere Wellenlängen<br />

als eine Tsunamiwelle und daher können beide<br />

Effekte durch eine mathematische Filterung voneinander<br />

getrennt werden. Somit erlaubt die Boje eine von der<br />

Druckmessung unabhängige Methode zur Erfassung einer<br />

Tsunamiwelle und erhöht somit die Sicherheit des<br />

Gesamtsystems.<br />

Die ersten beiden Test-Bojensysteme wurden im November<br />

<strong>2005</strong> vor der Küste Sumatras ausgebracht. Insgesamt<br />

sollen 10 solcher Systeme entlang der Küste Indonesiens<br />

ausgebracht werden (Abb. 8).<br />

Weitere ozeanographische Daten werden über Küstenpegel<br />

bestimmt, die an den Westküsten der Sumatra vorge-<br />

lagerten Inseln und auf verschiedenen Inseln im Indischen<br />

Ozean aufgebaut werden.<br />

Modellierung und Simulation<br />

Komplette Modelle für das gesamte Indische Ozeanbecken<br />

lassen sich nicht in hinreichend kurzer Zeit rechnen<br />

(das Eintreffen einer Tsunamiwelle in Indonesien erfolgt<br />

beispielsweise schon nach ca. 15 bis 20 Minuten). Daher<br />

ist die Philosophie des Projekts, bereits im Vorfeld eine<br />

große Anzahl von Modellen und Simulationen zu berechnen,<br />

die unterschiedliche Erdbebenlokationen entlang des<br />

Sundagrabens sowie eine Variation der Bebenstärken und<br />

der Erdbebenrisslängen berücksichtigen. Im Falle eines<br />

durch das Erdbebenmonitoring-System und die ozeanographischen<br />

Messungen festgestellten Tsunamis soll mit<br />

den gemessenen Parametern – Erdbebenlokation, Bebencharakteristik<br />

und Wellenhöhe im tiefen Ozean – die am<br />

besten geeignete Simulation als Basis für eine Warnmeldung<br />

herangezogen werden. Diese Simulation wird dann<br />

in eine Gefährdungskarte für die betreffenden Küstenabschnitte<br />

umgesetzt. Der gesamte Prozess läuft im Datenund<br />

Frühwarnzentrum automatisiert ab.<br />

Die Modellrechnungen sind nicht nur für die Tsunami-<br />

Warnung in Indonesien von Wichtigkeit, sondern die entscheidende<br />

Voraussetzung für Warnmeldungen an anderen<br />

Küsten wie in Thailand, Sri Lanka, Indien, Australien<br />

oder Ostafrika. Im Falle von Indonesien kann eine Modell-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

5


6<br />

rechnung nur eine grobe Abschätzung der maximal zu<br />

erwartenden Wellenhöhen sein, im Falle der weiter entfernten<br />

Gebiete kann aber anhand der ständig verbesserten<br />

Herdparameter auf der Basis seismologischer und geodätischer<br />

Daten sowie der größeren Anzahl ozeanographischer<br />

Daten eine immer bessere Prognose erstellt werden.<br />

Die Modellrechnungen geben Informationen über die spezifischen<br />

Wellenhöhen an einzelnen Küstenabschnitten,<br />

die in Gefährdungskarten umgesetzt werden. Diese Gefährdungskarten<br />

dienen dann als Grundlage für Warnmeldungen.<br />

Voraussetzungen für die Modellierung, speziell im Flachwasserbereich<br />

und für den sogenannten „Run-up“ auf die<br />

Küste sind hinreichend genaue Kenntnisse der Topographie<br />

des Ozeanbodens, des Küstenverlaufs, der Küstentopographie<br />

und der Bebauung oder den Bewuchs der Küstenregion.<br />

Die hierzu vorliegenden Daten in Indonesien, aber<br />

auch in den anderen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans<br />

sind nur sehr lückenhaft bzw. sehr alt. Aus diesem Grund<br />

wird ein erheblicher Teil des Ozeanbodens vor Indonesien,<br />

vom Kontinentalhang bis zum Küstenbereich vermessen<br />

werden müssen. Bereits im Jahr <strong>2005</strong> wurde mit den ersten<br />

Abb. 9: Fahrtrouten des Forschungsschiffes SONNE zur bathymetrischen<br />

Vermessung des Kontinentrandes vor Sumatra im Jahr <strong>2005</strong><br />

Map of the cruises of the Researchvessel SONNE for bathymetric measurements<br />

of the continental margin of Sumatra in <strong>2005</strong><br />

bathymetrischen Vermessungen vor Sumatra begonnen.<br />

Dazu konnten bereits geplante und finanzierte Fahrten des<br />

deutschen Forschungsschiffes SONNE und aus dem Projekt<br />

finanzierte Fahrten der SONNE genutzt werden<br />

(Abb. 9). Für die Zukunft ist vorgesehen, ein indonesisches<br />

Forschungsschiff mit einem entsprechenden Fächerecholot<br />

auszurüsten und die bathymetrischen Vermessungen gemeinsam<br />

mit den indonesischen Kollegen durchzuführen.<br />

Dies bedeutet wegen der erheblich billigeren Schiffszeiten<br />

der indonesischen Schiffe einen erheblichen Zugewinn an<br />

Schiffszeiten und damit bathymetrischen Daten.<br />

Das Daten- und Frühwarnzentrum<br />

Im Datenzentrum laufen die Daten der über Satellitenkommunikation<br />

on-line verfügbaren Seismometer, GPS-<br />

Stationen, Bojensystemen und Küstenpegeln ein. All diese<br />

Daten müssen on-line verarbeitet werden und in einem<br />

speziellen Algorithmus auf mögliche Anzeichen eines<br />

starken Bebens oder das Auftreten einer Anomalie des<br />

Meeresspiegels untersucht werden. Jeder Sensor ist prinzipiell<br />

in der Lage durch eingebaute Intelligenz einen entsprechenden<br />

Trigger zu erzeugen, der das gesamte Messnetz<br />

in Alarmzustand versetzt. Dies bedeutet, dass die entsprechenden<br />

Sensoren mit einer höheren<br />

Messfrequenz arbeiten und auch die Datenübertragung<br />

auf Dauerbetrieb umgestellt<br />

wird. Im Normalzustand arbeiten<br />

insbesondere die ozeanographischen Sensoren<br />

wegen des Stromverbrauchs in<br />

einer Art „Stand-by“-Betrieb, bei dem nur<br />

nach vorher eingestellten Zeitintervallen<br />

Statusdaten übertragen werden. Dies ist<br />

insbesondere bei den Ozeanbodeninstrumenten<br />

von Bedeutung, da ein sparsamer<br />

Stromverbrauch die Verweilzeiten der<br />

Instrumente vor Ort erhöht und damit die<br />

teuren Schiffszeiten zum Wechseln der<br />

Batterien minimiert. Ist das System auf<br />

Alarm gestellt, muss im Warnzentrum die<br />

Entscheidung getroffen werden, ob alarmiert<br />

wird oder nicht. Momentan wird<br />

diskutiert, in welchen verschiedenen Abstufungen<br />

eine Alarmierung welcher Organisationseinheiten<br />

zu erfolgen hat. So<br />

wird sicherlich bereits nach 2 bis 3 Minuten,<br />

wenn ein starkes Seebeben registriert<br />

wurde, ein interner Alarm gegeben werden<br />

und ggf. bestimmte Einheiten (Polizei,<br />

Feuerwehr, Katastrophenschutz) in<br />

Bereitschaft versetzt. Im Laufe der nächsten<br />

Minuten, wenn auch die ozeanographischen<br />

Daten, die Daten aus weiteren<br />

Seismometern und GPS-Stationen verfügbar<br />

und geprüft sind, wird der Alarm<br />

entsprechend weiter intensiviert oder<br />

wieder abgeblasen. Die Warnmeldungen<br />

werden über ein GIS-System mit weiteren<br />

Daten wie z. B. Evakuierungskarten,<br />

Informationen über Bevölkerungsdichten<br />

und kritische Infrastrukturen ver-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 10: Schematischer Aufbau des GITEWS<br />

Sketch of the GITEWS<br />

schnitten. Im Ergebnis erhält man nach einer Zeit von etwa<br />

10 Minuten ein Warndossier, dass als Grundlage für die<br />

Warnmeldung herangezogen wird (Abb. 11).<br />

Capacity Building<br />

Eine weitere Komponente des Projekts ist das Capacity<br />

Building. Um ein Tsunami-Frühwarnsystem erfolgreich<br />

und dauerhaft zu betreiben, müssen die Personen und<br />

Fachexperten ausgebildet werden, die das<br />

System betreiben, funktionsfähig halten<br />

und ausbauen. Ebenso müssen die politischen<br />

Entscheidungsträger, die die Warnmeldungen<br />

und Reaktionen verantworten<br />

sowie die Bevölkerung selbst fortgebildet<br />

bzw. beraten werden. Gerade die Situation<br />

in Indonesien erfordert, neben dem<br />

Ausbau der individuellen wissenschaftlichen<br />

und technischen Fähigkeiten durch<br />

fachlichen Austausch und technischwissenschaftliches<br />

Training, die Stärkung<br />

institutioneller Kapazitäten durch Beratung<br />

auf lokaler, provinzialer und nationaler<br />

Ebene. Die Art der Aus- und Fortbildung<br />

bzw. der Beratung für die verschiedenen<br />

Zielgruppen ist deren Funktionen<br />

innerhalb des Systems und den zu<br />

vermittelnden Inhalten anzupassen.<br />

Im Rahmen einer im September <strong>2005</strong> absolvierten<br />

Fact-Finding-Mission in Indonesien wurden verschiedene,<br />

am Frühwarnsystem direkt und indirekt beteiligte<br />

wissenschaftliche Einrichtungen und Universitäten<br />

besucht. Die Durchführung der Mission zur<br />

Bedarfs- und Potenzialanalyse war erforderlich, um<br />

notwendige Maßnahmen zur Ausbildung und Beratung<br />

der Projektpartner zu evaluieren und den Bedarf im<br />

Bereich Capacity Building in den wissenschaftlichen<br />

Abb. 11: Prinzipieller Aufbau des Daten- und Frühwarnsystems. Aus der Analyse der Sensordaten (links) erfolgt die<br />

Erstellung einer Warnmeldung (rechts) unter Nutzung vorkalkulierter Tsunamisimulationen und der entsprechenden<br />

Gefährdungskarten sowie der Einbindung weiterer Karten wie z. B. der Bevölkerungsdichte oder kritischer Infrastrukturen.<br />

Schematic architecture of the data- and early-warning center. After the analysis of the sensor data (left) the warning dossier<br />

(right) is produced using precalculated Tsunami simulations, the respective vulnerability maps and population density<br />

maps or maps of critical infrastructures.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

7


8<br />

Einrichtungen und Universitäten in Indonesien aufzuzeigen.<br />

Der nachhaltige Betrieb und die Sicherstellung des oben<br />

genannten Ziels des Systems hängen, neben der Etablierung<br />

der technologischen Grundlagen (wie z. B. Erdbebenerkennung,<br />

Ozeaninstrumentierung, Modellierung,<br />

Datenmanagement), ganz wesentlich von den institutionellen<br />

und personellen Kapazitäten zur landesweiten<br />

Umsetzung/Anwendung in Indonesien selbst ab. Die für<br />

den Betrieb notwendigen Kapazitäten umfassen neben den<br />

wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen vor<br />

allem die Fähigkeit wissenschaftliche Daten in klare<br />

Warnmeldungen, Entscheidungsgrundlagen, Entscheidungshilfen<br />

und Handlungsanweisungen zu übersetzen<br />

und diese über die verantwortlichen Stellen bis an die<br />

Bevölkerung in angemessener Zeit weiterzugeben (Warnund<br />

Reaktionskette).<br />

Um diese langfristigen Zielgedanken in Ansätzen umzusetzen,<br />

wird das Arbeitspaket in drei Teilkomponenten<br />

aufgeteilt: Die erste Teilkomponente zielt dabei auf die<br />

Stärkung und Ausbildung der individuellen Fähigkeiten<br />

von Wissenschaftlern und Ingenieuren, die immer im<br />

Zusammenhang mit den jeweiligen Organisationen und<br />

Institutionen zu sehen ist. Diese Ausbildung ist dabei an<br />

den Anforderungen der wissenschaftlichen und technischen<br />

Inhalte des GITEWS-Projekts ausgerichtet und<br />

geht auch auf die Managementkompetenz und die Stärkung<br />

der eigenen Fähigkeit zur Kapazitätsentwicklung<br />

ein.<br />

Die zweite Teilkomponente strebt die Stärkung der operativen<br />

Institutionen und deren Zusammenarbeit und<br />

Organisationsfähigkeit auf der nationalen Ebene an.<br />

Die dritteTeilkomponente zur Stärkung der lokalen Organisationen<br />

zu Warnung und Katastrophenschutz zielt auf<br />

die Entwicklung der notwendigen institutionellen und<br />

organisatorischen Kapazitäten.<br />

Die Situations- und Institutionenanalyse haben gezeigt,<br />

dass die lokalen Akteure, die für die Weitergabe der<br />

Warnmeldungen an die Bevölkerung und die schnelle<br />

Umsetzung von Schutzmaßnahmen verantwortlich<br />

sind, bisher nicht in das geplante Frühwarnsystem<br />

einbezogen sind. Notfallpläne existieren kaum und<br />

Kommunikationsstrukturen zur Weitergabe der Warnmeldung<br />

sind nicht vorhanden. Verantwortlichkeiten zur<br />

Reaktion bei einer Warnmeldung sind unzureichend<br />

geregelt.<br />

Ziel ist es daher, durch intensive Beratungsprozesse vor<br />

Ort in drei Pilotregionen, allgemeingültige Verfahren,<br />

Mechanismen und Funktionsbeschreibungen zur Warnmeldung<br />

und Vorbereitungsplanung (Warn- und Reaktionskette)<br />

auf der lokalen Ebene zu entwickeln und in die<br />

nationalen Überlegungen zu integrieren. Dabei geht es<br />

insbesondere um die Klärung der Warnkette zwischen dem<br />

nationalen Warnzentrum zu den lokalen Behörden und von<br />

dort zur Bevölkerung.<br />

Neue Technologien<br />

Im Rahmen dieses Teilprojekts werden eine Reihe von<br />

Feasability-Studien und Entwicklungsprojekten durchgeführt,<br />

die die Überwachung und Detektion von Tsunamis<br />

mit satellitengestützten Erdbeobachtungsmethoden zum<br />

Ziel haben.<br />

Letztendlich sollen neue Methoden entwickelt werden, die<br />

ein globales Real-Time-Monitoring von dynamischen<br />

Änderungen der Meeresoberfläche zulassen.<br />

Ein vielversprechender Ansatz in dieser Richtung ist die<br />

Nutzung der sogenannten GNSS-Reflektometrie (GNSS<br />

= Global Navigation Satellite System). Dabei wird ausgenutzt,<br />

dass die Signale der Navigationssatelliten (z. Zt.<br />

das amerikanische GPS-System, das russische GLONAS-<br />

System, ab ca. 2010 das europäische GALILEO-System)<br />

von der Wasseroberfläche reflektiert werden. So „sieht“<br />

ein niedrigfliegender Satellit über dem Wasser, der mit<br />

einem entsprechenden GNSS-Empfänger ausgerüstet ist,<br />

nicht nur die direkten Signale der Satelliten sondern auch<br />

mit einer gewissen Verzögerung die von der Ozeanoberfläche<br />

reflektierten Signale. Aus der Laufzeitdifferenz läßt<br />

sich dann die aktuelle Meereshöhe berechnen. Testexperimente<br />

dieser Technik am Merzbachersee in Kirgisien<br />

(vgl. dazu den Beitrag des Dep. 1 in diesem Bericht) haben<br />

die prinzipielle Machbarkeit gezeigt. Ein weiterer Test<br />

fand in der Ostsee statt. Dazu wurde auf der Insel Rügen<br />

eine GPS-Station installiert und die Höhenänderungen der<br />

Ostseeoberfläche vermessen. Für die permanente Überwachung<br />

des äquatorialen Bereichs des Indischen Ozeans,<br />

des Pazifiks und des Atlantiks ist ein „Zug“ von 5 oder<br />

6 Kleinsatelliten, ausgerüstet mit einem GNSS-Empfänger,<br />

einem Auswerterechner und einer Kommunikationseinheit,<br />

denkbar, die mit jeweils gleichem Abstand in einer<br />

Höhe von etwa 400 km längs des Äquators fliegen. Mit<br />

einem solchen Konzept sollte der Indische Ozean immer<br />

im „Blickfeld“ mindestens eines Satelliten sein, der bei<br />

Verfügbarkeit von GALILEO permanent die direkten und<br />

reflektierten Signale von ca. 10 bis 20 Navigationssatelliten<br />

registrieren kann. Somit kann eine sehr dichte Vermessung<br />

und Monitoring der Ozeanoberfläche erreicht<br />

werden.<br />

Organisation und Internationale Einbindung<br />

Der Aufbau des Tsunami-Frühwarnsystems im Indischen<br />

Ozean wird durch ein Konsortium deutscher Forschungseinrichtungen<br />

unter Federführung des <strong>GFZ</strong> Potsdam realisiert.<br />

Im Einzelnen gehören die Helmholtz-Zentren Geo-<br />

ForschungsZentrum Potsdam (<strong>GFZ</strong>), Deutsches Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt (DLR), Alfred-Wegener-Institut<br />

für Polar- und Meeresforschung (AWI), GKSS-Forschungszentrum<br />

Geesthacht, das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften<br />

IfM-Geomar, das Konsortium Deutscher<br />

Meeresforschung (KDM), die United Nations University,<br />

Institute for Environmental and Human Security<br />

(UNU-EHS), die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit<br />

(GTZ) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe (BGR) dem Konsortium an. Die Arbei-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


ten sind in thematischen Gruppen organisiert,<br />

die über ein Projektmanagement<br />

zusammengefasst werden. Das Gesamtprojekt<br />

wird durch einen Lenkungsausschuss<br />

gesteuert, dem ein Beratergremium<br />

aus externen Experten zur Seite<br />

steht (Abb. 12).<br />

Die Arbeiten werden im Zeitraum bis<br />

2010 durch insgesamt 45 Mio € durch das<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) finanziert. Die interne<br />

Organisation des Projekts erfolgt in<br />

6 Arbeitspaketen, die ihrerseits in Unterarbeitspakete<br />

unterteilt sind (Abb. 12).<br />

Das deutsche Frühwarnsystem ist voll in<br />

die koordinierenden Aktivitäten des<br />

Intergovernmental Oceanographic Committees<br />

(IOC) der UNESCO eingebunden. Das IOC hatte<br />

bereits im Januar <strong>2005</strong> von der UN den Auftrag bekommen,<br />

die Frühwarnaktivitäten in den einzelnen Anrainerstaaten<br />

zu koordinieren, um ein wirkungsvolles regionales<br />

Frühwarnsystem für den gesamten Indischen Ozean<br />

aufzubauen. Nach mehreren Sitzungen des IOC wurde<br />

Mitte des Jahres <strong>2005</strong> die sogenannte Intergovernmental<br />

Coordination Group for an Indian Ocean Tsunami Warning<br />

System (ICG-IOTWS) etabliert, in der alle Anrainerstaaten<br />

des Indischen Ozeans vertreten sind. Als Gäste<br />

nehmen darüber hinaus Japan, die USA und Deutschland<br />

sowie einige UN-Organisationen wie die World Meterological<br />

Organization (WMO) oder UNEP teil. Die ICG-<br />

IOTWS hat bereits zweimal getagt und fünf Arbeitsgruppen<br />

gebildet, die organisatorische und inhaltliche Sachverhalte<br />

für verschiedene Themenbereiche klären und zu<br />

verbindlichen Absprachen kommen sollen. Die 5 Arbeitsgruppen<br />

sind: (1) Seismologie, (2) Ozean-Instrumentierung,<br />

(3) Modellierung, (4) Run-up-Modellierung und<br />

Abb. 12: Organisationsstruktur des GITEWS-Projekts<br />

Organizational structure of the GITEWS project<br />

Hazard Assessment sowie (5) Interoperabilität zwischen<br />

Datenzentren. In den ersten beiden Arbeitsgruppen sind<br />

bereits konkrete Abstimmungen über Datenprotokolle,<br />

Schnittstellen sowie Instrumentierung getroffen worden.<br />

Diese Arbeiten sollen bis Mitte 2007 weiter vertieft werden,<br />

um dann zu einem ersten regionalen Frühwarnverbund<br />

im Indischen Ozean zu kommen. Das IOC hat mittlerweile<br />

vergleichbare Intergovernmental Coordination<br />

Groups für den Pazifik, die Karibik und den Mittelmeerraum<br />

eingerichtet, die eine zum ICG-IOTWS Arbeitsgruppenstruktur<br />

besitzen. Es besteht ein intensiver Informationsaustausch<br />

zwischen allen Arbeitsgruppen.<br />

Das GITEWS-Projekt hat mittlerweile neben den gemeinsamen<br />

Aktivitäten mit den Inonesischen Partnern auch<br />

Verhandlungen mit Australien, Sri Lanka, den Malediven<br />

und Südafrika zur Installation von Sensoren, dem Aufbau<br />

von Datenzentren und zur Einbeziehung in die Capacity<br />

Building Massnahmen aufgenommen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Das Bam-Erdbeben 2003:<br />

Präzise Herdparameterbestimmung mit Hilfe<br />

der differentiellen Radar-Interferometrie<br />

R. Wang, Y. Xia, H. Grosser, H.-U. Wetzel, H. Kaufmann & J. Zschau<br />

During the past 10 to 15 years, space geodesy has experienced revolutionary improvements. Especially, since D-InSAR<br />

(Differential Interferometric Synthetic Aperture Radar) and continuous GPS (Global Positioning System) monitoring<br />

became more frequently used, crust deformation due to earthquakes can be measured with millimeter accuracy. In case<br />

of the 2003 Bam earthquake, high-quality D-InSAR interferograms were available for several thousand square kilometres<br />

around the epicentral area. The derived displacement data provided strong constraints on the source parameters. The<br />

right-lateral surface (or near-surface) ruptures could be clearly detected by using a Sobel-Edge-Filter (a kind of highpass)<br />

on the surface displacement data. The rupture trace can be located with an accuracy of about 100 m. The total rupture<br />

length was estimated to be about 24 km. The slip distribution on the rupture plane was derived using a new inversion<br />

method, which is more efficient and stable in comparison with the commonly used least-squares method. The results show<br />

that more than 80 per cent of the seismic energy was released from its southern segment of 12 to 14 km size. The maximum<br />

slip exceeds 200 cm which is unusually large for such small rupture length. In particular, others than initially expected,<br />

the earthquake did not occur at the known Bam fault, but 4 to 5 km west from it, indicating that the 2003 Bam earthquake<br />

ruptured a hidden fault or new fault and that in this rupture process an unusually strong asperity was involved.<br />

Zusammenfassung<br />

In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Satellitengeodäsie<br />

revolutionäre Fortschritte gemacht. Insbesondere dank der<br />

D-InSAR- (Differential-Interferometric-Synthetic-Aperture-Radar)<br />

und der kontinuierlichen GPS-Messtechnik<br />

(Global Positioning System) kann die durch Erdbeben verursachte<br />

Krustendeformation millimetergenau gemessen<br />

werden. Im Fall des Bam-Erdbebens vom Dezember 2003<br />

zum Beispiel standen die D-InSAR-Interferogramme in<br />

sehr hoher Qualität vom gesamten Herdgebiet zur Verfügung.<br />

Die daraus abgeleiteten Bodenverschiebungsdaten<br />

liefern wichtige Information über die Herdparameter des<br />

Bebens. Durch die Sobel-Edge-Filterung (eine Art Hochpass-Filter)<br />

der Verschiebungsdaten konnten rechtslaterale<br />

Verwerfungsspuren an der Oberfläche (oder nahe Oberfläche)<br />

deutlich identifiziert und mit einer Auflösung von<br />

± 100 m lokalisiert werden. Die Gesamtlänge der Verwerfung<br />

wurde mit etwa 24 km abgeschätzt. Die Versatzverteilung<br />

auf der Bruchfläche wurde mit einer neuen<br />

Inversionsmethode abgeleitet, die sich als effizienter und<br />

stabiler als die bisher übliche Methode der kleinsten Quadrate<br />

erweist. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als 80 %<br />

der seismischen Energie aus einem südlichen Verwerfungsstück<br />

mit einer Länge von 12 bis 14 km abgestrahlt<br />

wurde. Der größte Versatz an der Herdfläche erreicht über<br />

200 cm und ist ungewöhnlich hoch für solch eine relativ<br />

kleine Herdfläche. Interessanterweise ereignete sich das<br />

Bam-Erdbeben 2003 nicht, wie erwartet, auf der bekannten<br />

Bam-Verwerfung, die an dem östlichen Stadtrand vorbei<br />

läuft, sondern 4 bis 5 km westlich davon. Daraus folgt,<br />

daß das Bam-Erdbeben eine unbekannte Verwerfung aktiviert<br />

oder eine neue Verwerfung generiert und eine ungewöhnlich<br />

starke Asperity durchbrochen hat.<br />

Abb. 1: Die historische Zitadelle vor und nach dem Erdbeben von Bam, 26. 12. 2003 (Fotos: http://www.mcah.columbia.edu/bam/)<br />

The historical Citadel before and after the Bam earthquake of Dec. 26, 2003<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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12<br />

Einführung<br />

Am 26. Dezember 2003 geschah in der Provinz Kerman<br />

im Südosten Irans ein zerstörerisches Erdbeben der Magnitude<br />

Mw 6,5. Am stärksten war die am Rand des Hochlandes<br />

vom Iran und der Wüste Dasht-e-Lut gelegene Stadt<br />

Bam betroffen. Der historische Stadtteil um die Zitadelle<br />

(Abb. 1), vor etwa 2.000 Jahren aus Lehmziegeln erbaut,<br />

wurde vollständig zerstört. Nach offiziellen Angaben<br />

kamen mehr als 40.000 Menschen ums Leben, etwa 50.000<br />

wurden verletzt und 100.000 obdachlos (Zaré, <strong>2004</strong>).<br />

Bam liegt direkt an einer Störungszone, der auf Abb. 2<br />

dargestellten rechtslateralen Bam-Verwerfung, die aber<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit in den letzten 2.000 Jahren<br />

nicht stark seismisch aktiv war. Als einzige seismisch aktive<br />

Störung in der Bam-Region wurde bisher die Gowk-<br />

Verwerfung betrachtet (Ambraseys & Melville, 1982;<br />

Walker & Jackson, 2002), eine ebenfalls rechtslaterale<br />

Blattverschiebung mit Aufschiebungsanteilen, die etwa<br />

40 km westlich an Bam vorbei läuft (Abb. 2). Die aktive<br />

Sefidabeh-Störung ist mit mehr als 200 km Entfernung<br />

noch weiter entfernt. Das betrachtete Bebengebiet liegt am<br />

südöstlichen Rand des Zagrosgebirges. Dieses Gebirge ist<br />

der südliche Teil des alpinen Gebirgsbildungsprozesses<br />

und dehnt sich von der türkischen Grenze 1.600 km südostwärts<br />

bis zur Wüste Lut aus. Es ist eine der jüngsten<br />

und aktivsten kontinentalen Kollisionszonen, die durch<br />

die Konvergenz der Arabischen und Eurasischen Platten<br />

entstanden ist. Im Zagrosgebirge nahe der Küste zum Persischen<br />

Golf beträgt die Konvergenzrate etwa 4 cm/a, wird<br />

aber nach Nord-Nordost und Ost-Südost geringer (Beberian<br />

et al., 2001). Neuere Messungen z. B. von Vernant et<br />

al. (<strong>2004</strong>) ergeben kleinere Raten von etwa 2 cm/a. Die<br />

Gowk- und die Bam-Störung nehmen differentielle Bewegungen<br />

von etwa 0,8 cm/a (Vernant et al., <strong>2004</strong>) zwischen<br />

dem Zentraliranischen Block mit dem Zagrosgebirge und<br />

dem Lutblock auf. In der Bam-Region lassen die GPS-<br />

Messungen von Nilforoushan et al. (2003) eine Bewegung<br />

von 1,4 cm/a vermuten. Wegen der offensichtlich sehr<br />

geringen Seismizität in der Lut-Wüste wird der Lut-Block<br />

als ein relativ starrer Block angenommen (Ambraseys and<br />

Melville 1982, Berberian et al. 2000).<br />

Analysen von optischen Fernerkundungsaufnahmen<br />

(Abb. 2) zeigen, dass die Bam-Verwerfung nördlich von<br />

Bam keine einzelne Verwerfung ist, sondern ein Störungssystem<br />

von 4 bis 5 km Breite darstellt. Südlich<br />

von Bam ist nur eine scharfe Störung zu erkennen, die<br />

zwischen Bam und Baravat verläuft und nach Süden auf<br />

einer Länge von knapp 150 km verfolgt werden kann.<br />

Das Gebiet unmittelbar südlich von Bam ist bis in eine<br />

Entfernung von etwa 40 km flächig mit Sedimenten<br />

bedeckt, die auch bis in die Stadt und weiter nach Norden<br />

vorgedrungen sind. Nördlich der Stadt reicht aber<br />

das Anstehende an einigen Stellen bis zur Oberfläche,<br />

Abb. 2: Fernerkundungsaufnahme vom Iran (Kleinbild) und eine Perspektivsicht vom Osten auf dem Zentralgebiet des<br />

Bam-Verwerfungssystems. Gestrichelte weiße Linien sind die Hauptspuren der Bam- und Gowk-Verwerfungen (von<br />

Walker & Jackson, 2002; modifiziert). Gelbe Linien sind kleinere Verwerfungszweige im Bam-Gebiet und schwarze<br />

Pfeile zeigen die Richtungen der Blattverschiebung an den Verwerfungen, interpretiert von den vorliegenden optischen<br />

Fernerkundungsdaten. Die Skala ist nur gültig für den Frontbereich.<br />

Remote sensing image of Iran (inset) and a perspective view from east to the central part of Bam fault system. Dashed<br />

white lines are the main traces of Bam and Gowk faults (from Walker & Jackson, 2002; modified). Yellow lines show<br />

small fault branches in the Bam area and black arrows indicate the direction of strike-slip movements on the faults,<br />

interpreted from the present optical remote sensing data. The scale is only valid for the forefront.<br />

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so dass man hier ein komplexeres Störungssystem<br />

erkennen kann.<br />

Die Stadt Bam liegt etwa 1.050 m über NN. Nach Hosseini<br />

et al. (<strong>2004</strong>) bildet quartäres Alluvium die geologische<br />

Hauptformation in der Stadt. Im östlichen Teil gibt<br />

es stellenweise spät-quartäre Ablagerungen (Sandstein<br />

und Siltstein). Nur die Zitadelle befand sich auf einem<br />

Hügel aus Eruptivgestein (Zaré, <strong>2004</strong>). Obwohl der geologische<br />

Untergrund von Bam einen hohen Anteil von<br />

feinkörnigen Sanden und Schluffen aufweist, soll nach<br />

Hosseini et al. (<strong>2004</strong>) die Gefahr der Bodenverflüssigung<br />

wegen des niedrigen Grundwasserspiegels in den meisten<br />

Teilen der Stadt gering sein.<br />

Die seismisch aktivste Störungszone in der betrachteten<br />

Region ist die Gowk-Verwerfung. Seit 1981 fanden dort fünf<br />

starke Erdbeben mit Magnituden von Mw 5,5 bis 7,1 statt,<br />

aber alle in einem Abstand von mehr als 100 km von Bam<br />

entfernt. Im Vergleich zu anderen Störungssystemen in diesem<br />

Gebiet ist die Bam-Störung verhältnismäßig klein. Es<br />

gibt keine Berichte von historischen Erdbeben, die mit der<br />

Bam-Störung in Verbindung stehen könnten. Da aber nur<br />

Daten von starken Erdbeben von größerer Epizentraldistanz<br />

für die Abschätzung der seismischen Gefährdung der Bam-<br />

Region zur Verfügung stehen, sind die zu erwartenden maximalen<br />

seismischen Bodenbeschleunigungen von 2,5 bis<br />

3,0 m/s 2 in einer Wiederholungsperiode von 75 Jahren (Tavakoli<br />

& Ghafrori-Ashtiany, 1999) stark unterschätzt worden.<br />

Während des Bam-Bebens sind im Epizentralgebiet in beiden<br />

horizontalen Achsen und in vertikaler Richtung 7,0 bis<br />

10,0 m/s 2 gemessen worden (Hosseini et al., <strong>2004</strong>).<br />

Als Herdmechanismus für das Bam-Erdbeben wurde vom<br />

US Geological Service (USGS), der Harvard University,<br />

dem International Institute of Earthquake Engineering and<br />

Seismology (IIEES) im Iran fast rechtslaterale Blattverschiebungen<br />

angegeben, aber die berechneten Epizentren<br />

differierten stark. Die genauesten Bestimmungen des Epizentrums<br />

kamen vom USGS und IIEES, beide mit einer<br />

Genauigkeit von etwa 10 km. Tatar et al. (<strong>2004</strong>) lokalisierte<br />

Nachbeben im Ostteil von Bam nahe der bekannten<br />

Bam-Störung in einer Tiefe von 9 bis 20 km. Aus der Nachbebenverteilung<br />

schätzten diese Autoren eine Bruchlänge<br />

des Hauptbebens von ungefähr 18 km ab.<br />

Die differentielle Radar-Interferometrie erlaubt die Berechnung<br />

hochgenauer co-seismischer Deformationen,<br />

die weiterfolgend für eine präzise Bestimmung von Herdparametern<br />

genutzt werden können (s. z. B. Feigl et al.,<br />

1995). Der erste erfolgreiche Versuch der Bestimmung des<br />

Deformationsfeldes nach einem Erdbeben gelang Massonet<br />

et al. (1993) für das Landers-Erdbeben 1992 in Kalifornien,<br />

USA. Seitdem wird diese Technik für weitere dutzende<br />

Beben weltweit mit hervorhangenden Ergebnissen<br />

angewendet (z. B. Wright, 2002). Neben der Herdflächenlösung<br />

gehören die Bruchlänge und insbesondere ihre<br />

Lage zu den wichtigsten Herdparametern eines Erdbebens.<br />

Die letzteren sind zwar sehr wichtig für die Risikoabschätzung<br />

und vor allem das Katastrophenmanagement,<br />

aber meistens durch teleseismische Methode nicht so ge-<br />

nau bestimmbar. Das Problem kann nun im günstigen Fall<br />

durch die D-InSAR-Methode gelöst werden.<br />

Für das Bam-Erdbeben wurde auf der Grundlage der<br />

ENVISAT-ASAR-Interferogramme aus der absteigenden<br />

(descending) Bahn (d. h. Satellit fliegt vom Norden nach<br />

Süden über das Untersuchungsgebiet) von Talebian et al.<br />

(<strong>2004</strong>) ein vorläufiges Herdmodell aufgestellt. Hier werden<br />

Interferogramme sowohl aus der absteigenden als<br />

auch aus der aufsteigenden (ascending) Bahn verwendet<br />

und für die Bestimmung der Herdparameter mit Hilfe einer<br />

neu entwickelten Inversionstechnik genutzt. Die Ergebnisse<br />

wurden vor kurzem veröffentlicht (s. Wang et al.,<br />

<strong>2004</strong>).<br />

Datenaufbereitung für die SAR-Interferometrie<br />

Das Gebiet um Bam ist wegen seines ariden Charakters<br />

weitgehend vegetationsfrei und deshalb sehr gut für die<br />

Anwendung der InSAR-Technik zur Messung der Oberflächendeformation<br />

geeignet. Die Europäische Raumfahrtsgesellschaft<br />

(ESA) stellte uns jeweils drei ab- und<br />

aufsteigende ASAR-Datensätze zu unterschiedlichen Zeitpunkten,<br />

darunter je drei Datensätze vor bzw. nach dem<br />

Beben aufgenommen, zur Verfügung. Durch die kombinierte<br />

Auswertung dieser Datensätze ist es möglich, die<br />

Änderung der Geländehöhen und damit die Oberflächendeformation<br />

durch das Beben zu berechnen. Details über<br />

die SAR-Interferometrie und ihre Anwendungen in Geowissenschaften<br />

sind im Beitrag „D-INSAR-Forschung“<br />

von Xia und Kaufmann in diesem Band zu lesen.<br />

Obwohl das Zeitintervall zwischen den Messungen vor<br />

dem Beben ein halbes Jahr beträgt, ist die Kohärenz um<br />

Bam sehr hoch und die Interferenzringe sind sehr deutlich.<br />

Das Problem bei der Datenaufbereitung ist die Ungenauigkeit<br />

der Bahnparameter vom ENVISAT. Xia et al.<br />

(2003) entwickelten deshalb eine Methode, die Fehler<br />

durch die ungenauen Bahnparameter in den Interferogrammen<br />

abzuschätzen und zu korrigieren.<br />

Die differentiellen SAR-Interferogramme in Abb. 3 zeigen<br />

die statische Bodendeformation des Bam-Erdbebens<br />

in der Sichtachse jeweils zur ab- (3a) und aufsteigenden<br />

Satellitenbahn (3b). Jede Farbperiode entspricht eine Verschiebung<br />

von 2,8 cm (zunehmend in der Reihenfolge<br />

grün-rot-blau). Beide Interferogramme wurden mit einem<br />

digitalen Höhenmodell, abgeleitet aus optischen Fernerkundungsdaten,<br />

geokodiert. Im Falle der absteigenden<br />

Satellitenbahn beträgt die maximale Hebung in Richtung<br />

der Sichtachse etwa 30 cm und befindet sich am Ort<br />

(28,981° N, 58,381° O) ± 100 m. Die maximale Senkung<br />

kann nicht so genau lokalisiert werden. Sie befindet sich<br />

etwa 18 km nördlich von der maximalen Hebung und<br />

beträgt etwa 18 cm.<br />

Bestimmung der Herdparameter aus den D-InSAR<br />

Daten<br />

Der ENVISAT-Satellit flog über das Untersuchungsgebiet<br />

Bam in einer Höhe von etwa 800 km in Richtung S10°W<br />

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14<br />

Abb. 3: Differentielle ENVISAT-ASAR-Interferogramme (geokodiert), generiert<br />

jeweils vom Datenpaar (a) aus der absteigenden Bahn 9192 am<br />

3. Dezember 2003 und 9693 am 7. Januar <strong>2004</strong> und (b) aus der aufsteigenden<br />

Bahn 8956 am 16. November 2003 und 10 459 am 29. Februar <strong>2004</strong>.<br />

Jede Farbperiode repräsentiert 2,8 cm Bodenverschiebung (zunehmend in<br />

der Reihenfolge grün-rot-blau) in der LOS-Richtung (entlang der Sichtachse<br />

zum Satelliten). (c) die Verwerfungsspuren des Bam-Erdbebens, detektiert<br />

aus den Sobel-Edge gefilterten LOS-Verschiebungen zur absteigenden<br />

Bahn, und (d) die vereinfachten Verwerfungssegmente (gestrichelte dicke<br />

gelbe Linie), gezeichnet in das optische Fernerkundungsbild. Der gefüllte<br />

rote Stern markiert die Position (29,052° N, 58,365° O), wo der Versatz möglicherweise<br />

in der Tiefe von 2 bis 4 km das Maximum von mindestens<br />

200 cm erreicht hat. Ungefüllte rote Sterne markieren einige teleseismisch<br />

bestimmte Epizentren.<br />

Differential ENVISAT ASAR interferograms (geo-coded) generated (a) from<br />

the data pair of descending orbit 9192 and 9693, acquired on 2003 December<br />

3 and <strong>2004</strong> January 7, respectively, and (b) from the data pair of ascending<br />

orbit 8956 and 10 459, acquired on 2003 November 16 and <strong>2004</strong> February<br />

29, respectively. Each fringe step represents a ground displacement of<br />

2.8 cm (increasing with the colour sequence green-red-blue) in the LOS (line<br />

of sight) direction to the satellite. (c) the fault trace of the Bam earthquake<br />

detected from the Sobel-Edge filtered descending LOS displacements, and<br />

(d) the simplified fault segments (dotted thick yellow line) drawn on the optical<br />

remote sensing image. Red star is the location at (29.052° N, 58.365° E),<br />

where the slip possibly reached the maximum of at least 200 cm at a depth<br />

of about 2 to 4 km. Unfilled red stars mark a few teleseismic locations of the<br />

epicentre.<br />

bei der absteigenden und N10°W bei der aufsteigenden<br />

Bahn. Seine Radar-Antenne ist mit 23° (67° Elevation)<br />

von der Lotrichtung nach rechts auf die Erdoberfläche<br />

gerichtet. Im lokalen kartesischen Koordinatensystem,<br />

dessen drei Achsen jeweils nach Osten, nach Norden<br />

und nach oben zeigen, hat die Sichtachse (LOS) zum<br />

ENVISAT die Richtungskosinusse (0,38, –0,07, 0,92) und<br />

(–0,38, –0,07, 0,92) während der ab- bzw. aufsteigenden<br />

Bahn.<br />

Abb. 4 erklärt, wie die Bodenverformung<br />

des Bam-Erdbebens vom ENVISAT aus<br />

den zwei unterschiedlichen Flugrichtungen<br />

wahrgenommen wurde. In dieser<br />

Simulation ist die vom USGS anhand<br />

teleseismischer Daten bestimmte Herdflächenlösung,<br />

die die Streich-, die<br />

Neigungs- und die Versatzrichtung der<br />

Bruchfläche angibt, zur Berechnung der<br />

Bodenverformung übernommen worden.<br />

Es ist zu erkennen, daß das simulierte<br />

LOS-Verschiebungsfeld mit dem aus den<br />

D-InSAR-Daten abgeleiteten ungefähr<br />

übereinstimmt und damit die NS gerichtete<br />

rechtslaterale Blattverschiebung als<br />

Herdmechanismus für das Bam-Erdbeben<br />

bestätigt. Aber die Differenzen zwischen<br />

den modellierten und den beobachteten<br />

Daten insbesondere für das<br />

LOS-Verschiebungsfeld aus der aufsteigenden<br />

Bahn sind an vielen Stellen noch<br />

deutlich zu sehen. Eine weitere Interpretation<br />

dieser Differenzen wird zu einem<br />

genaueren Herdmodell führen, als das aus<br />

den teleseismischen Daten stammende.<br />

Katastrophale Erdbeben wie im Fall Bam<br />

haben oft eine geringe Herdtiefe. Bei solchen<br />

Erdbeben ist zu erwarten, dass ihre<br />

Brüche durch Diskontinuitäten oder starke<br />

Gradienten, falls sie im Untergrund<br />

verdeckt sind, im Verschiebungsfeld und<br />

deshalb auch in den D-InSAR-Interferogrammen<br />

zu erkennen sind. Aus diesem<br />

Grund wurden die LOS-Verschiebungsdaten<br />

aus der absteigenden Bahn, die das<br />

ganze Herdgebiet vollständig überdecken<br />

und von sehr hoher Qualität sind, mit<br />

einem Sobel-Edge-Filter (Differenzierungsfilter)<br />

behandelt. Von den gefilterten<br />

Daten sind die Spuren des Bebens an<br />

der Oberfläche deutlich zu identifizieren.<br />

Sie bestehen ungefähr aus drei geraden<br />

Segmenten. Das südliche Segment ist<br />

12 bis 14 km lang und verläuft von<br />

(28,971° N, 58,357° O) bis (29,088° N,<br />

58,351° O); Das nördliche Stück von<br />

(29,126° N, 58,382° O) bis (29,178° N,<br />

58,382° O) ist 5 bis 6 km lang. Das mittlere<br />

Stück scheint unter dem zerstörten<br />

Stadtgebiet zu verlaufen und konnte<br />

wegen zu geringer Kohärenz nicht eindeutig<br />

verfolgt werden. In den folgenden Modellrechnungen<br />

wird angenommen, daß die gesamte Verwerfung<br />

nicht unterbrochen ist. So wird das mittlere Segment durch<br />

eine direkte Verbindungslinie von etwa 5 km Länge zwischen<br />

dem nördlichen und dem südlichen Segment modelliert<br />

(vgl. Abb. 3). Auf dem optischen Fernerkundungsbild<br />

ist klar zu sehen, dass das Hauptsegment der Verwerfung<br />

nicht auf der bekannten Bam-Verwerfung, sondern 4 bis<br />

5 km westlich davon liegt.<br />

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Abb. 4: Berechnete Bodenverformungen für ein vereinfachtes Herdmodell des Bam-Erdbebens. Die verwendete Bruchfläche<br />

ist 12 km x 12 km mit der Oberkante in einer Tiefe von 0,5 km. Ein homogener Versatz von 210 cm wurde angenommen.<br />

Der Herdmechanismus ist von der teleseismischen Lösung des USGS übernommen: Streichen = 174°,<br />

Neigung = 88° und Versatz = 178°. Das Intervall der Konturlinien ist 2,8 cm (grün-blau für negativ und gelb-rot für<br />

positiv).<br />

Different displacement components calculated for a simplified source model of the Bam earthquake. The rupture area<br />

used is 12 km x 12 km with the upper edge at 0.5 km below the surface. A uniform slip of 210 cm is assumed, and the<br />

focal mechanism is adopted from the teleseismic solution provided by USGS: strike = 174°, dip = 88° and rake = 178°.<br />

The contour interval is 2.8 cm (green-blue for negative and yellow-red for positive).<br />

Die Bruchfläche des Erdbebens wurde deshalb durch drei<br />

Rechtecke repräsentiert, die vom Süden nach Norden die<br />

Länge und die Streichrichtung von jeweils (14,0 km,<br />

357°), (4,6 km, 35°) und (7,5 km, 0°) haben. Um die Neigung<br />

der Bruchfläche und ihre untere Grenze in der Tiefe<br />

zu bestimmen, wurde zunächst ein konstanter Versatz an<br />

dem jeweiligen rechteckigen Segment angenommen.<br />

Durch eine Reihe von Vorwärtsmodellierungen (Rastersuche)<br />

mit Hilfe der elastischen Dislokationstheorie fanden<br />

wir, daß sich das südliche und das mittlere Segment<br />

mit 75° bis 80° nach Osten und das nördliche Segment<br />

dagegen mit etwa 55° nach Westen neigen.<br />

Im nächsten Schritt wurde beim Festhalten der Bruchflächengeometrie<br />

die inhomogene Verteilung des Versatzes<br />

aus den beiden ENVISAT-ASAR-Interferogrammen invertiert.<br />

Um den Rechenaufwand zu minimieren, wurden die<br />

D-InSAR-Daten von der ursprünglichen räumlichen Auflösung<br />

von etwa 85 m x 85 m auf 430 m x 430 m gefiltert.<br />

Die gefilterten Daten umfassen insgesamt 8.976 und<br />

5.781 Verschiebungswerte aus der ab- bzw. aufsteigenden<br />

Bahn. Mit einer vergleichbaren Auflösung wurde die<br />

Bruchfläche durch 1.405 diskrete Punktquellen dargestellt.<br />

Jede Punktquelle ist durch einen Versatzvektor defi-<br />

niert, der zwei Komponenten entlang der Streich- bzw.<br />

Neigungsrichtung hat. Es soll diejenige Versatzverteilung<br />

ausgesucht werden, die die beobachteten Daten optimal<br />

reproduziert.<br />

Häufig wird die Methode der kleinsten Quadrate (LS =<br />

Least Square-Methode) zur Inversion der Versatzverteilung<br />

angewendet. In dem vorliegenden Fall ist die LS-<br />

Methode wegen der großen Menge von Daten und Variablen<br />

rechnerisch sehr aufwendig. Außerdem ist bei dieser<br />

Methode nicht garantiert, dass das Ergebnis, also das<br />

quantitative Versatzmodell, nicht nur die Daten reproduziert,<br />

sondern sich auch als physikalisch stabil und plausibel<br />

erweist. Die Ursache liegt darin, daß es schwer ist<br />

vorher abzuschätzen, wie fein sich die Versatzverteilung<br />

in der Tiefe aus den statischen Deformationsdaten auflösen<br />

lässt. In der Regel erhält man ein stabiles Versatzmodell,<br />

wenn die Bruchfläche sehr grob vernetzt wird, d. h.,<br />

nur wenige zu invertierende Punktquellen zulässt. Dadurch<br />

würden aber nicht alle nützlichen Informationen aus den<br />

Daten ausgeschöpft. Umgekehrt führt eine zu hohe Auflösung<br />

der Bruchfläche oft zu einem Versatzmodell, das<br />

zwar die Daten bestmöglich reproduziert, aber unrealistisch<br />

starke kurzwellige Variationen enthält. In der Praxis<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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16<br />

muss eine geeignete Vernetzungsdichte der Bruchfläche<br />

ausprobiert werden. Üblicherweise wird der flachere<br />

Bereich feiner vernetzt als der tiefere. Zusätzlich müssen<br />

häufig empirische Einschränkungen, wie die Begrenzung<br />

des Versatzwertes und der Versatzrichtung sowie die Glättung<br />

der Versatzverteilung in dem Inversionsverfahren<br />

berücksichtigt werden. Das Ergebnis hängt oft von solchen<br />

künstlichen Einschränkungen ab.<br />

Um diese Nachteile zu überwinden, haben wir eine neue<br />

SA-Methode (Successive Approximation) entwickelt. In<br />

dieser Methode wird zuerst eine Empfindlichkeitsverteilung<br />

∆R/∆U berechnet, wobei ∆R den maximal reproduzierbaren<br />

Anteil der beobachteten Oberflächendeformation<br />

durch eine einzelne Punktquelle an der gleichen Stelle<br />

und ∆U den dafür notwendigen Versatzwert der Punktquelle<br />

definiert. Es wird dann angenommen, dass die tatsächliche<br />

Versatzverteilung näherungsweise mit der Empfindlichkeitsverteilung<br />

linear korreliert. Der Korrelationskoeffizient,<br />

der die absolute Versatzmagnitude bestimmt,<br />

wird durch die Anpassung zwischen der berechneten und<br />

der beobachteten Oberflächendeformation nach dem Prinzip<br />

der kleinsten Quadrate bestimmt. Wenn das residuale<br />

Deformationsfeld unter dem zu erwartenden Fehlerniveau<br />

sinkt, wird die Inversion erfolgreich beendet. Ansonsten<br />

wird die gleiche Prozedur an dem residualen<br />

Deformationsfeld wiederholt und das Versatzmodell wird<br />

Schritt für Schritt korrigiert, bis es unter ein Fehlerniveau<br />

sinkt oder sich nicht mehr weiter reduzieren lässt.<br />

Statt tausende diskrete Versatzwerte simultan zu bestimmen,<br />

sind hier in jedem iterativen Anpassungsprozeß nur<br />

ein oder zwei Korrelationskoeffizienten zu berechnen, je<br />

nachdem, ob die Versatzrichtung festgelegt wird. Dadurch<br />

ist die SA-Methode viel schneller als die LS-<br />

Methode. Abb. 5 zeigt, dass ein stabiles Versatzmodell für<br />

das Bam-Erdbeben schon nach drei Iterationen feststeht.<br />

Das endgültige Versatzmodell ist in Abb. 6 gezeigt. Wie<br />

bei der SA-Methode zu erwarten, ist die Versatzverteilung<br />

im flacheren Bereich deutlich besser aufgelöst als<br />

im tieferen Bereich und sie enthält keine künstlichen<br />

Oszillationen, trotz der homogenen und sehr feinen Vernetzung<br />

der Bruchfläche. Damit hat die neue Methode<br />

einen offensichtlichen Vorteil gegenüber der herkömmlichen<br />

LS-Methode: Die Versatzverteilung wird automatisch<br />

so tiefenabhängig aufgelöst, wie es die Daten erlauben.<br />

Zum Beispiel kann die obere Kante der Bruchfläche<br />

deutlich genauer bestimmt werden als die untere. Der<br />

Herdmechanismus des Erdbebens ist, wie erwartet, durch<br />

die rechtslaterale Blattverschiebung dominiert. Der maximale<br />

Versatz erreicht über 200 cm und befindet sich im<br />

Tiefenbereich zwischen 2 und 4 km nahe dem südlichen<br />

Stadtrand von Bam (s. Abb. 3). Die Bruchfläche dehnt<br />

sich bis in eine Tiefe von etwa 12 km aus. Die Momentmagnitude<br />

(Mw) des Erdbebens ist 6,5 x 0,1 und stimmt<br />

mit den teleseismischen Abschätzungen gut überein. Die<br />

gefundene effektive Bruchfläche (ca. 16 km x 12 km) ist<br />

relativ klein für ein Erdbeben dieser Magnitude. Außerdem<br />

nimmt der Versatz nahe der Oberfläche sehr stark ab<br />

und erreichte wahrscheinlich nur an wenigen Stellen die<br />

Erdoberfläche.<br />

In Abb. 7 werden die simulierten mit den beobachteten<br />

differentiellen ENVISAT-ASAR-Interferogrammen verglichen.<br />

Das Quadratmittel der Residuen beträgt 1,0 cm<br />

für das Interferogramm aus der absteigenden Bahn und<br />

1,4 cm für das aus der aufsteigenden Bahn, also unter<br />

einem Interferenzring. Die meisten signifikanten Residuen<br />

befinden sich im Nahfeldbereich. Sie sind durch die<br />

kleinräumigen Unregelmäßigkeiten der Bruchfläche verursacht,<br />

die in dem Inversionsverfahren vernachlässigt<br />

wurden.<br />

Abb. 5: Iterative Bestimmung der Versatzverteilung auf dem südlichen Bruchsegment (14 km x 12 km) vom Bam-Erdbeben<br />

durch die SA-Methode. In der ersten Iteration wird die Versatzverteilung mit der Empfindlichkeit der Punktquellen<br />

auf die beobachteten LOS-Verschiebungen korreliert und der Korrelationskoeffizient durch Anpassung an die<br />

D-InSAR-Daten im Sinne der kleinsten Quadraten bestimmt. Beiträge zu der Versatzverteilung aus den folgenden Iterationen<br />

werden analog durch Anpassung an die Residuen aus den vorherigen Iterationen bestimmt.<br />

Iterative determination of the slip distribution on the south rupture segment (14 km x 12 km) of the Bam earthquake<br />

using the SA method. In the first iteration, the slip distribution is correlated with the sensitivity of the point sources<br />

to the observed LOS displacements, and the correlation coefficient is determined by the least-squares fitting to the<br />

D-InSAR data. Contributions to the slip distribution from the following iterations are obtained in a similar way by fitting<br />

the residual data remaining from the foregoing iterations.<br />

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Diskussion und Schlußfolgerungen<br />

Die differentielle ENVISAT-ASAR-Interferometrie<br />

lieferte hochgenaue Daten<br />

über die Verformung der Erdoberfläche,<br />

die durch das Erbeben am 26. Dezember<br />

in Bam (Südostiran) hervorgerufen wurde.<br />

Die Auswertung der Daten ergab eine<br />

präzise Bestimmung der Herdparameter<br />

des Bebens. Wie für das Bam-Verwerfungssystem<br />

erwartet, handelt es sich um<br />

eine rechtslaterale Blattverschiebung.<br />

Durch die Filterung der Oberflächendeformation<br />

mit Hilfe eines Sobel-Edge-<br />

Filters fanden wir drei Bruchsegmente,<br />

die wir als geometrische Grundlage für<br />

die Inversion von den weiteren Parametern<br />

der Bruchfläche aus den Deformationsdaten<br />

verwendeten. Das Ergebnis<br />

zeigt, dass das südliche verdeckte Segment<br />

mit mehr als 80 % Anteil am seismischen<br />

Moment, etwa 14 km Länge und<br />

bis über 200 cm Versatz das wichtigste<br />

Segment der aktuellen Bruchfläche ist.<br />

Nach Wells & Coppersmith (1994) ist dieser<br />

Wert für ein Erdbeben mit Mw 6,5<br />

ungewöhnlich hoch. Daraus resultiert<br />

auch der hohe Spannungsabfall von etwa<br />

6 MPa auf diesem Bruchsegment. Das<br />

lässt vermuten, dass eine starke Asperity<br />

(d. h. eine harte Stelle, an der sich die tektonische<br />

Spannung vor dem Beben konzentriert<br />

hat) am Bruchprozess beteiligt<br />

war. Außerdem lässt der hohe Spannungsabfall<br />

auf eine hohe seismische<br />

Energieabstrahlung schließen, die in Verbindung<br />

mit den alluvialen Sedimenten zu den starken<br />

Schäden im Stadtgebiet geführt hat.<br />

Die Ortung der Bruchfläche ist auf etwa ±100 m genau.<br />

Ihre NS-Streichrichtung entspricht der Richtung der<br />

bekannten Bam-Verwerfung, differiert aber südlich der<br />

Stadt bezüglich ihrer Lage beträchtlich. Das gefundene<br />

Ergebnis zeigt, daß das Bam-Erdbeben 4 bis 5 km westlich<br />

der bekannten Bam-Verwerfung eine verdeckte Störung<br />

aktiviert oder eine neue erzeugt hat. Die Analyse der<br />

optischen Fernerkundungsdaten der Region nördlich von<br />

Bam weisen darauf hin, daß es eine südliche Verlängerung<br />

des Westteils des Bam-Störungssystems gibt, die mit dem<br />

Beben seismisch aktiv wurde.<br />

Die Existenz der drei Bruchsegmente bedeutet scheinbar<br />

einen Sprung der Bruchfläche unter der Stadt um etwa<br />

4 km nach rechts. Wie man aber aus der Tiefenverteilung<br />

der Dislokation sieht, ist das nördliche Segment nur ganz<br />

flach, etwa bis 1 km durchgebrochen. Wir nehmen an, dass<br />

dieser Bruch sekundär infolge des Bebens entstanden ist<br />

und als aktiver Bruch sehr wenig Energie abgestrahlt hat.<br />

Deshalb ist auch bei der Bestimmung der Herdmechanismen<br />

der Nachbeben (Tartar et al., <strong>2004</strong>) zwischen dem<br />

nördlichen und südlichen Segment kein Abschiebungsme-<br />

Abb. 6: Das Versatzmodell für das 2003 Bam-Erdbeben, abgeleitet aus den<br />

D-InSAR Daten mit der SA-Methode: (a) die rechtslaterale Blattverschiebungskomponente<br />

und (b) die Aufschiebungskomponente. Die Bruchfläche<br />

besteht aus drei vom Süden nach Norden angeordneten rechteckigen Segmenten<br />

von 14,0 km, 4,6 km bzw. 7,5 km Länge. Der maximale Versatz erreicht<br />

über 200 cm und befindet sich zwischen 2 und 4 km unter der Oberfläche bei<br />

(29,052° N, 58,365° O) nahe dem südlichen Stadtrand von Bam.<br />

The slip model for the 2003 Bam earthquake derived from the D-InSAR data<br />

using the SA method: (a) the right-lateral strike-slip component and (b) the<br />

thrust component. The rupture area consists of three rectangular segments<br />

of 14.0 km, 4.6 km and 7.5 km length from south to north, respectively. The<br />

maximum slip exceeds 200 cm and appears 2 to 4 km below the surface at<br />

(29.052° N, 58.365° E) near the southern outskirts of the Bam city.<br />

chanismus gefunden worden, wie er bei dieser Geometrie<br />

zu erwarten gewesen wäre. Auch die präzisen Ortungen<br />

von Tartar et al. (<strong>2004</strong>) zeigen in der Stadt Bam und nördlich<br />

davon eine deutliche Verbreiterung der Nachbebenaktivität<br />

in west-östliche Richtung, was auf eine diffuse<br />

Struktur und/oder Spannungsverteilung andeutet. Das<br />

mittlere Segment war an der Oberfläche nicht klar erkennbar<br />

(Abb. 3c), weist aber in seiner Dislokation und Tiefenerstreckung<br />

(Abb. 6) beträchtliche Werte auf. Im oberflächennahen<br />

Bereich ist die Dislokation jedoch relativ<br />

klein. Je tiefer man kommt, desto größer werden aufgrund<br />

des statischen Verfahrens die Unsicherheiten der Ergebnisse.<br />

Ebenfalls sind für dieses Gebiet die Messdaten durch<br />

die Zerstörungen in der Stadt möglicherweise verfälscht.<br />

Dadurch lässt sich das nördliche Ende des südlichen Segments<br />

„nur“ mit einer Genauigkeit von 1 bis 2 km schätzen.<br />

Eine zusätzliche Einführung eines Aufschiebungssegments<br />

10 km östlich der Hauptbruchfläche durch Talebian<br />

et al. (<strong>2004</strong>) ist für die hier analysierten Interferogramme<br />

nicht notwendig und widerspricht auch der Auswertung<br />

geodätischer Präzisionsmessungen vor und nach<br />

dem Erdbeben (Motagh et al., 2006).<br />

Interessant ist in Abb. 6 auch die sehr scharfe obere<br />

Begrenzung des südlichen Segments der Bruchfläche, die<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

17


18<br />

Abb. 7: Vergleich zwischen den simulierten und beobachteten differentiellen ENVISAT-ASAR-Interferogrammen.<br />

Comparison between the simulated and observed differential ENVISAT ASAR interferograms.<br />

vom Stadtrand von Bam bis zum Segmentende von 0 auf<br />

etwa 1 km abfällt. Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen<br />

ist gerade für diese geringen Tiefen die D-InSAR<br />

Methode sehr genau. Das auffällige Verschiebungsdefizit<br />

an der Oberfläche korreliert wahrscheinlich mit der Mächtigkeit<br />

der Sedimentschicht (Fialko et al., <strong>2005</strong>). Zur Überprüfung<br />

dieses Resultats werden deshalb (1) seismische<br />

Rauschmessungen (die H/V-Methode von Nakamura,<br />

1989) zur Bestimmung der Sedimentmächtigkeit, (2) ein<br />

aktives seismisches Experiment südlich von Bam vorgeschlagen,<br />

und (3) müssen im Bedarfsfall 2 bis 3 Bohrungen<br />

eine abschließende Klärung herbeiführen.<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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20<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


D-INSAR-Forschung in China: Monitoring und<br />

Analyse von Absenkungen und Hangrutschungen<br />

Y. Xia und H. Kaufmann<br />

Leveling and GPS surveying are the traditional methods to monitor and calculate surface subsidence and landslides.<br />

However, just a limited number of discrete points can be exactly measured and the distribution and areal extent of the<br />

affected regions are still unknown. Furthermore, a continuous frequent monitoring of large areas with the help of leveling<br />

and GPS is rather expensive. Alternatively, the application of differential SAR Interferometry (D-InSAR) is a very<br />

useful technique and thus, an important new method for the synoptic detection and monitoring of accurate subsidence<br />

rates over extensive areas. We tested this new technology and our INSAR processing system for the monitoring of<br />

subsidence in the region of Tianjin and the observation of landslides in the Three Gorges area in China.<br />

Einleitung<br />

Bodenabsenkungen, die durch massive Grundwasserentnahme<br />

entstehen, stellen ein akutes Umweltproblem in<br />

China dar. Sie bedrohen die städtische Infrastruktur, Straßen<br />

und Brücken, Bahnhöfe und Flughäfen sowie auch<br />

unterirdische Anlagen, beispielsweise die Kanalisation. In<br />

China haben sich bereits drei große Absenkungszentren<br />

gebildet – Shanghai im Yangtze-Flussdelta, die Su-Xi-<br />

Chang-Region in der Provinz Jiangsu und die Hang-Jia-<br />

Hu-Ebene in der Provinz Zhejiang. Der Absenkungsbereich<br />

im Yangtze-Delta entspricht mit ca. 30.000 km 2 zwar<br />

nur 0,3 % der Fläche Chinas, jedoch werden an dieser Stelle<br />

15,3 % des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet. In<br />

Shanghai werden die Absenkungen bereits seit 1921 beobachtet.<br />

Im Zeitraum von 1921 bis 1965 sank die Stadt um<br />

1,76 m sowie deren Umgebung um fast 2 m relativ zum<br />

Hochwasserniveau des Huangpu-Flusses. Zu dieser Zeit<br />

wurde durch starken Regen oder Springfluten der halbe<br />

städtische Bezirk überschwemmt. Personenschäden, Betriebsschließungen<br />

und Verkehrsstillstand waren die Folge.<br />

Der neue und immer stärker auszubauende Deich entlang<br />

der Flüsse Suzhou und Huangpu gilt als dauerhaftes<br />

Mahnsymbol für durch Oberflächenabsenkungen verursachte<br />

Schäden und Gefahren.<br />

Im Bereich von Nordchina, besonders in der Region der<br />

drittgrößten Stadt Chinas, Tianjin, nehmen die Absenkungen<br />

bereits katastrophale Ausmaße an. So wurde am<br />

1. September 1992 in Folge einer Sturmflut von 5,93 m<br />

über dem Gezeitenniveau der Hafen von Tangku überflutet,<br />

mit einem Schaden von ungefähr 300 Million Yuan<br />

(ca. 30 Million Euro). Nahe Tianjin wurde im Jahre 1965<br />

das Ölfeld Dagang angelegt und seitdem industriell betrieben.<br />

Durch massive Entnahme von juvenilem Grundwasser<br />

für die Landwirtschaft kam es zu massiven Senkungen<br />

von bis zu 80 m im Untergrund. Die beobachteten<br />

Senkungsraten an der Erdoberfläche betragen 0,8 bis<br />

1,7 m und bedrohen somit auch akut die Ölförderung.<br />

Abwässer in Folge von Starkregenereignissen stellen ein<br />

weiteres Problem für die städtischen Bezirke dar. Das fehlende<br />

Gefälle der Abwasserleitungen verhindert ein schnelles<br />

Abfließen und führt zur Versumpfung im Bereich der<br />

Flussgebiete. Meerwasser fließt ins Landesinnere und verschlechtert<br />

dadurch zusätzlich die Trinkwasserqualität in<br />

den betroffenen Gebieten.<br />

Hangrutschungen, besonders im Gebiet der Drei Schluchten<br />

entlang des Yangtze-Flusses, repräsentieren ein weiteres<br />

akutes Umweltproblem in China. Das größte Stauseeprojekt<br />

Chinas, das Drei-Schluchten-Projekt, wurde realisiert,<br />

um den aufkommenden Bedarf an Energie im Norden<br />

des Landes sicherzustellen. Mit einer Gesamtlänge<br />

von über 600 km und einer durchschnittlichen Breite von<br />

1,1 km erreicht die Aufnahmekapazität des Yangtze-Stausees<br />

39,3 Milliarden Kubikmeter Wasser. Die Länge des<br />

Stauseeufers, die Speicherkapazität, die Anzahl der Umsiedlungen<br />

und die ökologischen Veränderungen sind bisher<br />

mit keinem anderen Projekt vergleichbar. Dadurch<br />

ergeben sich jedoch auch erhebliche potentielle Gefahren.<br />

Im Vordergrund stehen viele rezente Erdrutschungen und<br />

Felsstürze, die entlang der Ufer des Flusses verstärkt auftreten.<br />

Mehr als zweitausend großskalige Rutschungsmassen<br />

sind bisher entdeckt worden. Seit 1982 traten mehr<br />

als 70 Erdrutsche, Einstürze und Schlammströme auf, die<br />

eine direkte Bedrohung für die zahlreichen in diesem<br />

Raum lebenden Menschen und das Staudammprojekt darstellen.<br />

Man schätzt, dass die Aufstauung des Flusses auf<br />

geplante 175 m die Instabilität entlang der Uferzonen und<br />

seiner Zuflüsse noch steigern wird. Die Gefahrenüberwachung<br />

und -vorbeugung in der Drei-Schluchten-Region ist<br />

deshalb ein wichtiges Anliegen während der Aufstauungsphase<br />

und der späteren Bewirtschaftung. Gemeinsam<br />

mit chinesischen Partnern soll deshalb ein Konzept zur<br />

Gefahrenüberwachung und deren Vorhersage erarbeitet<br />

und installiert werden, um dieses einzigartige Ökosystem<br />

besser schützen zu können.<br />

Traditionelle Überwachungs- und Messmethoden für Oberflächenabsenkungen<br />

und Hangrutschungen sind geodätische<br />

Verfahren wie Nivellement, Tachymetrie und GPS.<br />

Dabei kann aber nur eine begrenzte Anzahl an diskreten<br />

Punkten hochgenau vermessen werden. Dies hat zur Folge,<br />

dass die eigentliche Verteilung und das Ausmaß der Absenkung<br />

für das gesamte Gebiet weitgehend unbekannt sind und<br />

interpoliert werden müssen. Außerdem scheitert eine konti-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

21


22<br />

nuierliche Überwachung von so großen Gebieten meist an<br />

den hohen Kosten für den notwendigen wiederholten Feldeinsatz.<br />

Als eine effektive und ökonomische Alternative<br />

dazu bietet sich die differentielle SAR-Interferometrie<br />

(D-InSAR) an. Diese Technik hat sich in den letzten Jahren<br />

sehr stark fortentwickelt und erlaubt eine großflächige und<br />

hochgenaue Bestimmung von Absenkungsraten. Mit Hilfe<br />

einer am <strong>GFZ</strong> Potsdam neu entwickelten INSAR-Auswertesoftware<br />

konnte ein Monitoring und eine genaue Analyse<br />

der Landabsenkungen in der Region von Tianjin, wie auch<br />

die Erfassung von Hangrutschungen im Gebiet der Drei<br />

Schluchten erfolgreich durchgeführt werden.<br />

Technik der differentiellen SAR-Interferometrie<br />

Synthetic Aperture Radar (SAR) ermöglicht die wetterund<br />

tageszeitunabhängige Aufzeichnung von bildhaften<br />

Daten der Erdoberfläche vom Flugzeug oder Satelliten<br />

Abb. 1: Aufnahmegeometrie des SAR-Satelliten: jeweils ein Streifen der<br />

Erdoberfläche mit einer Breite von 100 km wird abgebildet.<br />

Acquisition geometry of SAR satellite system: The Earth surface is illuminated<br />

by a 100 km wide image stripe.<br />

aus. Das Abbildungsverfahren ist holographisch und<br />

kohärent, d. h. während Aufnahme und Verarbeitung der<br />

Daten bleibt die Phaseninformation der Radarsignale<br />

erhalten. Bei der SAR-Interferometrie (INSAR) werden<br />

die Phasenwerte jeweils zweier korrespondierender Bildpunkte<br />

aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommener<br />

SAR-Bilder verglichen. Damit ist es möglich,<br />

Entfernungsunterschiede vom Bruchteil einer Wellenlänge<br />

(cm), also im Millimeterbereich zu bestimmen. Diese<br />

Entfernungsunterschiede werden genutzt, um ähnlich wie<br />

bei der optischen Stereophotogrammetrie Geländemodelle<br />

von der Erdoberfläche zu berechnen. Darüber hinaus<br />

können mit Hilfe der differentiellen SAR-Interferometrie<br />

(D-INSAR) zeitliche Lageveränderungen auf der Erdoberfläche<br />

im mm- bis cm-Bereich erfasst werden, was<br />

z. B. bei der Observation von Gletschern, Vulkanen, Hangrutschen,<br />

Erdbeben und Geländeabsenkungen eine wichtige<br />

Rolle spielt. In Abb. 1 wird das Grundprinzip einer<br />

Radaraufnahme dargestellt. Der Radarsatellit<br />

fliegt in einer Höhe von 785 km und<br />

tastet jeden Punkt der Erdoberfläche, mit<br />

Ausnahme der Polkappen, in einem<br />

Zyklus von 35 Tagen ab. Dabei werden<br />

Streifen der Erdoberfläche mit einer Breite<br />

von 100 km abgebildet und zu komplexen<br />

SAR-Bildern mit je 100 km Länge<br />

prozessiert. Diese bilden die Grundlage<br />

für eine Auswertung mit Hilfe der SAR-<br />

Interferometrie.<br />

Monitoring von Bodenabsenkungen<br />

im Gebiet von Tianjin<br />

Tianjin ist einer der vier Stadtbezirke,<br />

der direkt der Zentralverwaltung in China<br />

untersteht und besitzt den nächsten<br />

Seehafen zu Beijing (Abb. 2). Die Stadt<br />

liegt geographisch im Nordosten der<br />

nordchinesischen Ebene (Breite 38° 34' N/<br />

40° 15' N und Länge 116° 43' /118° 04' O)<br />

im Gebiet der Huabei-Ebene und erstreckt<br />

Abb. 2: Die Stadt Tianjin liegt in der Mitte des Bohai-Seewirtschaftsgebiets entlang der Westküste des pazifischen Ozeans,<br />

in der Nähe von Beijing (Foto: Land Subsidence Control Office of Tianjin, China).<br />

The town of Tianjin is located in the center of the Bohai sea rim economical circle along the west coast of the Pacific<br />

Ocean near Beijing.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 3: Auswirkung von Absenkungen: a) vom Boden gelöste Schienenstränge und b) versetzte Brücke (Fotos: Geological<br />

Survey Bureau of Nanjing, China )<br />

Consequence of surface subsidences: a) suspended rails and b) displaced bridge<br />

sich entlang der Westküste des pazifischen Ozeans im<br />

Zentrum des Bohai-Seewirtschaftskreises. Sie repräsentiert<br />

eine der größten Industrie- und Handelsstädte in<br />

China und wird auch als „Diamant des Bohai-Golfs“<br />

bezeichnet. Das Stadtgebiet umfasst einen Bereich von<br />

11.000 km 2 und wird von mehr als 10 Millionen Menschen<br />

bewohnt.<br />

In der Geschichte der Stadt spielte Wassermangel stets<br />

eine große Rolle, da es in dem Gebiet kein oberflächennahes<br />

Süßwasser gibt. Durch langjährige Grundwasserentnahme<br />

aus immer tieferen Schichten zur Deckung der<br />

wachsenden Nachfrage aus Industrie und Landwirtschaft<br />

kommt es zu massiven Oberflächenabsenkungen in der<br />

gesamten Region. Die zerstörerischen Auswirkungen sind<br />

beispielhaft in Abb. 3 und Abb. 4 dargestellt. Abb. 3a zeigt<br />

vom Boden losgelöste Schienenstränge und Abb. 3b eine<br />

partiell versetzte Brücke. Gebäudeschäden sind in Abb. 4a<br />

und b dokumentiert.<br />

Diese Probleme werden in Zukunft vermutlich noch größer,<br />

da die Nachfrage nach Trinkwasser weiter steigen<br />

wird. Umso mehr sind die Kontrolle und Überwachung<br />

der Bodenabsenkungen wichtig für die Stadt. Im Vergleich<br />

zu den konventionellen geodätischen Messverfahren<br />

ermöglicht die differentielle SAR-Interferometrie eine<br />

effektive, ökonomische und hochgenaue Auswertung.<br />

In einer Projekt-Kooporation mit dem chinesischen<br />

„Ministry of Land and Resources'“ konnte am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

eine neue Technik zur Bestimmung der Absenkungsraten<br />

getestet werden.<br />

Dazu wurden von der ESA zehn Szenen ENVISAR ASAR<br />

SLCI-Daten zur Verfügung gestellt, die im Zeitraum vom<br />

Oktober 2003 bis Dezember <strong>2004</strong> aufgezeichnet worden<br />

waren. Im Allgemeinen kann ein Interferogramm aus je<br />

zwei SAR-Bildszenen generiert werden. Dabei müssen die<br />

beiden SAR-Bilder hoch kohärent sein, da sonst die Phaseninformation<br />

der Bilder verloren geht. In der Realität<br />

kann diese Voraussetzung aufgrund kleinster Veränderungen<br />

der Oberflächeneigenschaften wie z. B. durch<br />

Vegetation oft nicht erfüllt werden. Für diesen Fall wurde<br />

ein statistisch basierter Ansatz, die „Permanent Scatterer“-<br />

Technik (PS) entwickelt, bei der jedoch mindestens 30 Radarszenen<br />

zur Prozessierung benötigt werden. Ziel ist es,<br />

statistisch stabil reflektierende Punkte zu identifizieren<br />

und diese in die Analyse zu integrieren. Da für das hier<br />

beschriebene Projekt nur zehn Szenen zur Verfügung ste-<br />

Abb. 4 a, b: Durch Bodenabsenkungen verursachte Gebäudeschäden (Fotos: Geological Survey Bureau of Nanjing,<br />

China).<br />

Building damages caused by surface subsidence.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

23


24<br />

hen, wäre die Nutzung der PS-Technik stark einschränkt.<br />

Aus diesem Grunde wurde am <strong>GFZ</strong> Potsdam eine neue<br />

Methode entwickelt, die auf folgendem mathematischen<br />

Modell zur Analyse von Zeitreihen beruht:<br />

4πTm 4λBm ∆Φijm = _____ ∆Vij + _______ ∆hij + ∆Φijm-noise λ λRsinθ<br />

∆Φ ijm entspricht der Phasedifferenz zwischen Punkt i und<br />

j im Interferogramm m; T m und B m entsprechen der Zeitdifferenz<br />

und Länge der Basislinie von Interferogramm<br />

m; ∆V ij und ∆h ij repräsentieren die Geschwindigkeitsdifferenz<br />

der Absenkung und Ungenauigkeitsdifferenz der<br />

Höhe zwischen Punkt i und j; ∆Φ ijm-noise beschreibt die<br />

weiße Rauschdifferenz zwischen Punkt i<br />

und j; λ, R und θ sind die Radarparameter<br />

Wellenlänge, Radar-Objekt-Distanz<br />

und Einfallswinkel. Weil außer ∆V ij und<br />

∆h ij alle anderen Variablen bekannt sind,<br />

können die beiden unbekannten ∆V ij und<br />

∆h ij durch eine zweidimensionale Spektrumschätzung<br />

mit Hilfe eines Periodogramms<br />

bestimmt werden. Hierzu wurden<br />

15 Datenpaare mit einer Basislinie<br />

unter 300 m ausgewählt (Tab. 1). Von diesen<br />

15 Interferogrammen werden diejenigen<br />

Punkte zur Auswertung benutzt,<br />

deren Kohärenzwert größer als 0,25 ist.<br />

Danach wurde die durchschnittliche<br />

Absenkungsgeschwindigkeit für die vorher<br />

gewählten Punkte bestimmt. Das<br />

Ergebnis, die durchschnittliche Absenkungsgeschwindigkeit<br />

im Jahr <strong>2004</strong>, ist<br />

in Abb. 5 farblich dargestellt. Die jährli-<br />

che Absenkung in der Innenstadt betrug<br />

ca. 2 cm, in Wuqing nördlich von Tianjin<br />

3 cm und in Jinnan südlich von Tianjin<br />

4 bis 5 cm. In der Stadt Langfang im Nordwesten<br />

von Tianjin wurden 5 bis 7 cm<br />

Tab. 1: Überblick zu den verwendeten ENVISAT ASAR-Daten<br />

Overview of used ENVISAT ASAR Data<br />

ermittelt, in Shenfang, einem Dorf westlich von Tianjin,<br />

das bereits in der Provinz Hebei liegt, wurde ein lokales<br />

Absenkungszentrum von sogar 10 cm errechnet.<br />

Der Vergleich mit einer rein geodätisch basierten Auswertung<br />

in Abb. 6 zeigt, dass die Ergebnisse sehr gut übereinstimmen.<br />

Monitoring von Hangrutschungen im Gebiet des<br />

Drei-Schluchten-Damms<br />

Hangrutschungen sind eine weitere ernstzunehmende Gefahr<br />

in China. Die Kontrolle und Überwachung von Hangrutschungen<br />

im Drei-Schluchten-Damm Gebiet besitzen<br />

Abb. 5: Ergebnisse der D-INSAR-Analyse: Bodenabsenkungsgeschwindigkeiten<br />

im Tianjin-Gebiet im Jahr <strong>2004</strong>.<br />

Result of D-INSAR analyses: Velocities of surface subsidences for the area<br />

of Tianjin in <strong>2004</strong><br />

No. master data slave data time interval (days) Baseline (m)<br />

01. 2003.10.17 2003.12.26 -2x35 209<br />

02. 2003.10.17 <strong>2004</strong>.01.30 -3x35 130<br />

03. 2003.10.17 <strong>2004</strong>.04.09 -5x35 -72<br />

04. 2003.12.26 <strong>2004</strong>.01.30 -1x35 -79<br />

05. 2003.12.26 <strong>2004</strong>.04.09 -3x35 -281<br />

06. <strong>2004</strong>.01.30 <strong>2004</strong>.04.09 -2x35 -202<br />

07. <strong>2004</strong>.03.05 <strong>2004</strong>.05.14 -2x35 216<br />

08. <strong>2004</strong>.03.05 <strong>2004</strong>.06.18 -3x35 -208<br />

09. <strong>2004</strong>.03.05 <strong>2004</strong>.08.27 -5x35 -250<br />

10. <strong>2004</strong>.03.05 <strong>2004</strong>.12.10 -8x35 -96<br />

11. <strong>2004</strong>.06.18 <strong>2004</strong>.07.23 -1x35 249<br />

12. <strong>2004</strong>.06.18 <strong>2004</strong>.08.27 -2x35 -42<br />

13. <strong>2004</strong>.06.18 <strong>2004</strong>.12.10 -5x35 112<br />

14. <strong>2004</strong>.07.23 <strong>2004</strong>.08.27 -1x35 -207<br />

15. <strong>2004</strong>.08.27 <strong>2004</strong>.12.10 -3x35 154<br />

eine besondere Bedeutung.<br />

Das Staudammprojekt ist<br />

eines der größten Bauvorhaben,<br />

das es jemals in<br />

China, ja möglicherweise<br />

sogar in der ganzen Welt<br />

gegeben hat. Gemeinsam<br />

mit chinesischen Partnern<br />

wird deshalb ein Konzept<br />

zur Gefahrenüberwachung<br />

und Vorhersage erarbeitet<br />

und installiert, da es sehr<br />

häufig zu Hangrutschungen<br />

in den Uferbereichen kommt<br />

(Abb. 7), die die Sicherheit<br />

der dort lebenden Bevölkerung<br />

stark gefährden<br />

(Abb. 8).<br />

Ein Frühwarnsystem für<br />

Massenbewegungen ist bis-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 6: Mit Nivellement gemessene Absenkungsbeträge von Tianjin im Zeitraum<br />

von 1998 bis <strong>2004</strong>. Das D-INSAR-Gebiet liegt in der unteren Hälfte des<br />

Bildes (Abb.: Land Subsidence Control Office of Tianjin, China).<br />

Surface subsidences of Tianjin measured by nivellement from 1998 and <strong>2004</strong>.<br />

The D-INSAR test site is located in the lower part of the image.<br />

lang nur schwer realisierbar. Dies liegt im Wesentlichen<br />

daran, dass Massenbewegungen in sehr unterschiedlichen<br />

Prozesstypen auftreten (Fallen, Kippen, Gleiten, Driften,<br />

Fließen und in Kombination) und grundsätzlich zwischen<br />

dem erstmaligen Auftreten und der Reaktivierung einer<br />

ehemals bewegten Masse unterschieden werden muss.<br />

Weiterhin muss geklärt werden, ob sich die Konzeption<br />

einer Frühwarnung auf eine einzelne rezent aktive oder<br />

inaktive Rutschmasse bezieht, oder im prognostischen<br />

Sinne für darüber hinaus gehende Raumskalen angedacht<br />

werden kann. Die Grundlage für beide<br />

Ansätze bildet die Registrierung erfolgter<br />

Ereignisse sowie darauf aufbauend die<br />

Gefahrenidentifikation und -analyse. Im<br />

Rahmen dieses Projektes wird versucht,<br />

ein Überwachungssystem mit Hilfe der<br />

D-INSAR-Technik, basierend of Corner-<br />

Reflektoren im Gebiet des Drei-Schluchten-Damms<br />

auf- und auszubauen. Abb. 9<br />

zeigt das Testgebiet, die Xintan Hangrutschung<br />

und einen darauf installierten<br />

Corner-Reflektor.<br />

Die Hangrutschung Xintan liegt im<br />

Bereich Zigui, 24 km entfernt vom<br />

Damm, auf der Nordseite des Yangtze. Sie<br />

hat eine Ausdehnung von 900 m in West-<br />

Ostrichtung und 1.900 m in Nord-Südrichtung.<br />

Der Erdrutsch ereignete sich im<br />

Jahr 1985 und hat sich nun, nach 20 Jahren,<br />

weitgehend stabilisiert. Mit Hilfe von<br />

GPS-Messungen wird der Hang alle drei<br />

Monate überprüft, obwohl diese Methode<br />

aufgrund der ungenaueren vertikalen<br />

Komponente (> 1 cm) sowie aufwändiger<br />

und zeitintensiver Feldarbeit für diese<br />

Anwendung nicht sehr gut geeignet ist.<br />

Ansätze mithilfe der differentiellen<br />

SAR-Interferometrie hingegen sind hier<br />

weit vielversprechender. Die Verwendung<br />

künstlicher Corner-Reflektoren kompensiert<br />

das Vegetationsproblem und stabilisiert<br />

die Phaseninformation im SAR-<br />

Bild, womit sich die Ergebnisse der<br />

INSAR-Auswertung verbessern. Durch<br />

die differentielle INSAR-Messung von<br />

vier in Xintan positionierten Corner-<br />

Reflektoren wird versucht, eine allwettertaugliche,<br />

vollständig automatische<br />

und kostengünstige D-INSAR-Monitormethode<br />

für Hangrutschungen aufzubauen.<br />

Im Jahr 2000, nachdem die Reflektoren<br />

installiert wurden, hat der ERS-2-<br />

Satellit nur sehr wenige verwertbare<br />

Daten geliefert. Seit dem August 2003 hat<br />

der Satellit ENVISAT mehr als 15 Radarbildszenen<br />

für dieses Gebiet aufgezeichnet,<br />

so dass dieses Corner-Reflektor-<br />

Experiment erfolgreich durchgeführt<br />

werden konnte. In Abb. 9 sind die vier<br />

Reflektoren, markiert mit R 1, R 2, R 3 und<br />

R 4, deutlich zu sehen. R 4 liegt auf dem stabilen anstehenden<br />

Gestein im Bereich des Erdrutsches und bildet so<br />

den Bezugspunkt. Abb. 10a, b und c zeigen die Lageänderungen<br />

der anderen drei Reflektoren in der Zeit von<br />

August 2003 bis Februar <strong>2005</strong>. Die durchschnittliche<br />

Geschwindigkeit der Versetzung betrug 1,7 mm/Jahr bei<br />

R 1, 1,9 mm/Jahr bei R 2 und 1,1 mm/Jahr bei R 3 und stimmt<br />

mit dem GPS-Ergebnis überein. Daraus lässt sich ableiten,<br />

dass der Xintan-Hangrutsch noch aktiv, aber relativ<br />

stabil ist.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

25


26<br />

Abb. 7: Entlang des Yangtze-Flusses im Gebiet des Drei Schluchten-Staudamms verteilen sich über 1.000 Hangrutsche<br />

(rote Punkte) unterschiedlichen Ausmaßes, die die Sicherheit der Einwohner beider Ufer und die des Dammes gefährden<br />

(Foto: Aero Geophysical Survey and Remote Sensing Center, China).<br />

More than 1000 landslides of different size are distributed along the Yangtze River in the area of the Three Gorges dam<br />

that threatens the safety of the dam and the people living on the river banks.<br />

Abb. 8: Hangrutsch am Qingganhe, einem Nebenfluss des Yangtze, der den<br />

Fluss blockiert. Dabei starben viele Menschen in ihren zerstörten Häusern<br />

(Foto: Xia Ye, <strong>GFZ</strong> Potsdam).<br />

Landslide at the Qingganhe River, a tributary of the Yangtze River that<br />

blocks the river flow. Many people died in their destroyed houses.<br />

Ausblick<br />

Die Technik der differentiellen SAR-Interferometrie<br />

wurde erfolgreich zum Katastrophenmonitoring<br />

im Absenkungsgebiet<br />

um die Stadt Tianjin und bei Hangrutschungen<br />

im Gebiet des Drei Schluchten-Staudammes<br />

eingesetzt. Tatsächlich<br />

konnten jedoch nicht alle betroffenen<br />

Bereiche in der Tianjin-Region mittels<br />

D-INSAR vermessen werden. Im nächsten<br />

Stadium ist vorgesehen, mehrere Corner-<br />

Reflektoren zum Ausbau der Überwachung<br />

in diesem Gebiet zu stationieren.<br />

Basierend auf den INSAR-Ergebnissen<br />

und Feldmessungen der Grundwasserstände<br />

soll ein mathematisches Modell<br />

für Absenkungsprozesse und -prognosen<br />

Abb. 9: ENVISAT-Radarbild der Xintan-Hangrutschung und ein darauf installierter Corner-Reflektor (Fotos: Xia Ye,<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam)<br />

ENVISAT radar image of the Xintan landslide and one of the installed corner reflectors<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 10a bis c: Durchschnittliche Bewegungsgeschwindigkeit<br />

von Reflektoren R 1, R 2 und R 3.<br />

Mean velocity of corner reflectors R 1, R 2 and R 3.<br />

entwickelt werden. Im Hangrutschungsgebiet der Drei<br />

Schluchten wurden zwei momentan noch instabile Rutschungen<br />

als weitere Testgebiete ausgewählt. Mit deren<br />

Hilfe wird versucht zu zeigen, dass die D-INSAR-Technik<br />

in Kombination mit künstlichen Corner-Reflektoren<br />

eine effektive, ökonomische und automatische Überwachung<br />

der Hangrutschungsgefährdung ermöglicht. Im<br />

Juni 2006 wird mit TerraSAR-X der erste deutsche<br />

INSAR-Satellit starten und weitere Radardaten zur Verfügung<br />

stellen, so dass der Beobachtungsraum auf die<br />

Yangtze Delta-Region und andere Inlandsbereiche erweitert<br />

werden kann.<br />

Literatur<br />

Ferretti, A., Prati, C., and Rocca, F., 2001, Permanent scatteres InSAR interferometry.<br />

IEEE, 39, 8-20.<br />

Reigber, Ch., Xia, Y., Kaufmann, H., Massmann, F.-H., Timmen, L., Bodechtel, J.,<br />

und Frei, M., 1996, Impact of precise orbits on SAR interferometry. Proc. ESA-<br />

Fringe Workshop on Applications of ERS SAR Interferometry, ESA SP-406, Zürich,<br />

Switzerland, el-pub: http://www.geo.unizh.ch/rsl/fringe96/papers/reigber-et-al/<br />

p.223-232.<br />

Xia, Y., Kaufmann, H., and Guo, X.F., 2002, Differential SAR interferometry using<br />

corner reflectors. Proc. IGARSS, Toronto, 24-28 June, 1243-1246.<br />

Xia, Y., Michel, G.W., Reigber, Ch., Klotz, J., and Kaufmann, H., 2003, Seismic<br />

unloading and loading in Northern Central Chile as observed by D-INSAR and<br />

GPS. International Journal of Remote Sensing, 24/22, 4375-4391.<br />

Xia, Y., Kaufmann, H., and Guo, X.F., <strong>2004</strong>, Landslide monitoring in the Three<br />

Georges Area using D-InSAR and corner reflectors. Photogrammetric Engineering<br />

and Remote Sensing, 70/10, 1167-1172.<br />

Xia, Y., <strong>2005</strong>, Bam earthquake: Surface deformation measurement using radar<br />

interferometry. Acta Seismologica Sinica, ID: 1000-9116(<strong>2005</strong>04-0451-09, 18/4,<br />

451-459.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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28<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Prozesse, die die Anden formten –<br />

12 Jahre SFB 267<br />

Onno Oncken und SFB 267-Arbeitsgruppe<br />

Uplift of the Central Andean Cordillera commenced in early Tertiary times and accelerated since the Early Miocene.<br />

Plateau formation and the contribution of different processes (crustal shortening, magmatic addition, mantle delamination<br />

and hydration) are a matter of debate. Deep geophysical data across the Central Andes between 20°S and 24°S<br />

(ANCORP'96 and associated geophysical studies) indicate the widespread presence of partial melts or metamorphic<br />

fluids at mid-crustal level under the plateau between the Cordilleras bounding the latter. From structural balancing<br />

studies, these fluids or melts are associated with decoupling of upper crustal shortening and lower crustal thickening,<br />

hinting at the key role of thermal processes. Isotopic age-dating on syn-tectonic sediments of the Cenozoic intramontane<br />

basin system building the Altiplano as well as seismic-sequence analysis demonstrate that the Southern Altiplano<br />

crust was deformed with a complex partitioning of deformation between various subunits that were partly synchronized.<br />

The general acceleration of shortening rate shows only shows a weak link to plate convergence rates in the early<br />

stages until the Middle Miocene. In contrast, our results show that the differential velocity between upper plate velocity<br />

and oceanic plate slab rollback velocity is crucial in determining amount and rate of shortening as well as their<br />

lateral variability at the leading edge of the upper plate. This first order control is tuned by factors affecting the strength<br />

balance between the upper plate lithosphere and the plate interface of the Nazca and South American plates. These<br />

factors particularly include a stage of reduced slab dip accelerating shortening (33 and 20 Ma) and an earlier phase<br />

of higher trenchward sediment flux reducing plate interface coupling with slowed shortening and enhanced slab rollback<br />

(45 and 33 Ma). The combination of these parameters (in particular differential trench-upper plate velocity evolution,<br />

high plate interface coupling from low trench infill, and the lateral distribution of weak zones in the upper plate<br />

leading edge) was highly uncommon during the Phanerozoic leading to very few plateau style orogens at convergent<br />

margins like the Cenozoic Central Andes in South America or the Laramide North American Cordillera.<br />

Einleitung<br />

Konvergente Plattenränder und Subduktionszonen zählen<br />

zu den Phänomenen erster Ordnung, die die Erde gestalten.<br />

An konvergenten Kontinenträndern ist eine Vielzahl<br />

von Prozessen vereint, die die interne Architektur, den<br />

thermischen und den stofflichen Charakter kontinentaler<br />

Lithosphäre prägen. Hinzu kommt, daß die enge Beziehung<br />

dieser Ränder zu aktiver Deformation und Heraushebung,<br />

Magmatismus und assoziiertem Krustenwachstum,<br />

der Bildung bedeutender mineralischer Lagerstätten,<br />

sowie die Konzentration von mehr als 90 % der globalen<br />

seismischen Energieabstrahlung diese Plattenränder zu<br />

einem herausragenden natürlichen Labor machen, an dem<br />

geologische Massen- und Energieflussraten wie an keinem<br />

anderen Objekt untersucht werden können.<br />

Seit der Integration der Konzepte zur Orogenese in den<br />

plattentektonischen Rahmen gelten die Anden als Typvertreter<br />

für subduktionsbezogene Plattengrenzen im<br />

Gegensatz zum Himalaya als Typvertreter kollisionaler<br />

Plattenränder. Obwohl die grundsätzlichen Unterschiede<br />

zwischen diesen beiden Plattenrandtypen und ihre charakteristischen<br />

Eigenschaften gut bekannt sind, sind die<br />

zugrunde liegenden Steuerprozesse und Mechanismen ein<br />

zentraler Gegenstand der internationalen Diskussion seit<br />

den 70er-Jahren. Seit Ende der 80er-Jahre hat diese Diskussion<br />

an Gewicht zugenommen, parallel zu einer ebenfalls<br />

starken Zunahme von internationalen multidisziplinären<br />

Forschungsprogrammen in beiden Orogenen. Einer<br />

der Höhepunkte dieser Entwicklung ist der Anfang der<br />

90er-Jahre gegründete und <strong>2004</strong> beendete SFB 267<br />

„Deformationsprozesse in den Anden“, der von der Freien<br />

Universität Berlin (Sprecheruniversität), der Technischen<br />

Universität Berlin, der Universität Potsdam und dem Geo-<br />

ForschungsZentrum Potsdam getragen wurde.<br />

Zur Entwicklung der Vorstellungen von Subduktionsprozessen<br />

sind die Anden ein ganz besonders geeignetes<br />

System. Die Anden sind das größte aktive Subduktionsorogen<br />

der Erde mit dem – nach Tibet – zweitgrössten<br />

Hochplateau auf der Erde. Kein anderes Subduktionsorogen<br />

unseres Planeten zeigt eine derart systematische<br />

Änderung sowohl von verschiedenen plattenkinematischen<br />

Randbedingungen als auch von klimatischen<br />

Bedingungen entlang seines Verlaufs. Kein anderes fokussiert<br />

in diesem Umfang natürliche Ressourcen und Naturgefahren<br />

(z. B. 30 % der weltweiten Seismizität). Der andine<br />

Plattenrand stellt damit ein globales natürliches Labor<br />

dar, in dem eine Analyse der Wechselwirkung zwischen<br />

Parametern und Prozessen bei der Subduktion und der<br />

damit zusammenhängenden Oberflächenprozesse untersucht<br />

werden kann. Die Erforschung dieser Prozesse mit<br />

einem integrierten Bündel aus geophysikalischen, geodätischen,<br />

geologischen und petrologischen Verfahren war<br />

das Kernziel des SFB 267. Zwei kontrastierende Zielregionen,<br />

die ariden zentralen Anden und die extrem humiden<br />

Südanden, waren wegen ihrer gänzlich andersartigen<br />

Architektur und Entwicklung ein ideales Objekt zum Testen<br />

der Modelle und Vorstellungen, die für die konver-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

29


30<br />

Abb. 1: Die Karte von Südamerika zeigt die beiden Hauptarbeitsgebiete des<br />

SFB 267 und wichtige assoziierte Projekte (s. Text). Zusätzlich sind angegeben<br />

die Verteilung des Ozeanbodenalters und der Benioff-Seismizität<br />

(weiße Punkte: Erdbeben flacher als 100 km; blaue Punkte: Erdbeben zwischen<br />

100 und 400 km; violette Punkte: Erdbeben > 400 km).<br />

Map showing both principal research areas of the Collaborative reasearch<br />

centre 267 in Northern and Southern Chile depicting also important associated<br />

projects. The topographic map also shows the distribution of ages of<br />

the ocean floor and the seismicity pattern of the Wadati-Benioff zone (white<br />

dots: earthquakes shallower than 100 km; blue dots: earthquakes between<br />

100 and 400 km; violet dots: earthquakes deeper than 400 km).<br />

genten Plattenränder im allgemeinen und die Anden im<br />

besonderen entwickelt wurden (vgl. Abb. 1).<br />

Bereits kurz nach seiner Gründung hat der SFB 267 massiv<br />

von seiner Einbindung in eine große Zahl anderer<br />

nationaler und internationaler Programme mit verwandtem<br />

Thema profitiert. 1995 startete das BMBF-finanzierte<br />

Projekt CINCA (Crustal Investigations off- and onshore<br />

Nazca/Central Andes, koordiniert durch die BGR)<br />

mit einer marinen Erforschung des nordchilenischen Plattenrandes<br />

mit dem Forschungsschiff „Sonne“ vor dem<br />

Hauptarbeitsgebiet des SFB. 1996 folgte in Zusammenarbeit<br />

mit dem Deutschen Kontinentalen Reflexionsseismischen<br />

Programm (DEKORP, koordiniert durch <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam) das gemeinsame Projekt ANCORP (Andean<br />

Continental Research Program), das die erste tiefe refle-<br />

xionsseismische Vermessung der zentralen<br />

Anden lieferte – inzwischen eines der<br />

‚global transects‘ von IGCP (International<br />

Geoscience Correlation Programme).<br />

Im Jahr 2000 fand unter denselben<br />

Bedingungen SPOC (Subduction processes<br />

off Chile), statt. Dieses war ein integriertes<br />

marines Experiment mit dem<br />

Forschungsschiff „Sonne“, koordiniert<br />

von der BGR) vor dem patagonischen<br />

Arbeitsgebiet des SFB. sowie ein landgestütztes<br />

seismisches Experiment im südlichen<br />

SFB-Arbeitsgebiet. Alle diese Vorhaben<br />

wurden vom BMBF getragen sowie<br />

teils vom <strong>GFZ</strong> kofinanziert. Schließlich<br />

findet seit <strong>2004</strong> im Rahmen des neu<br />

gestarteten Programms „Kontinentränder“<br />

(„Geotechnologien“-Programm) das<br />

Projekt TIPTEQ (The Incoming Plate to<br />

megaThrust Earthquakes) mit einer<br />

Reihe hochauflösender geophysikalischer<br />

und anderer Projekte vor dem südchilenischen<br />

Kontinentrand statt (s. u.).<br />

Ein weiteres Schlüsselelement war die<br />

Entwicklung eines engen Netzwerkes mit<br />

Wissenschaftlern und Institutionen der<br />

Gastländer, in diesem Fall Argentinien,<br />

Bolivien und Chile. Durch die Vorgeschichte<br />

des SFB und auch noch während<br />

seiner Laufzeit konnte in diesen Ländern<br />

ein enger Verbund mit Wissenschaftlern<br />

an 12 Universitäten, 8 staatlichen Einrichtungen<br />

(nationale Dienste, Förderagenturen,<br />

etc.) sowie 8 nationalen und<br />

internationalen Firmen (Erdölindustrie<br />

und Kupferindustrie) entwickelt werden.<br />

Die logistische und politische Unterstützung<br />

durch diese Partner, die Bereitstellung<br />

von Daten und der intensive personelle<br />

Austausch waren von unschätzbarem<br />

Wert, ohne die zahlreiche Vorhaben<br />

nicht möglich gewesen wären. Insgesamt<br />

haben im Rahmen des SFB in rund<br />

Abb. 2: Blick vom Salar de Atacama (Längstal) auf die<br />

W-Flanke des Altiplanos mit dem Vulkan Licancabu (Foto:<br />

O. Oncken, <strong>GFZ</strong>)<br />

View from the Salar de Atacama (Longitudinal Valley) on the<br />

western flank of the Altiplano with the volcano Licancabu<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


80 Dissertationsprojekten über 15 junge südamerikanische<br />

Wissenschaftler ihre Promotion in Berlin und Potsdam<br />

abgeschlossen, finanziert durch den SFB und eine<br />

Reihe weiterer Förderagenturen,. Darüber hinaus wurden<br />

ca. 30 Diplomarbeiten mit Unterstützung des SFB und<br />

betreut durch Mitglieder des SFB an chilenischen und<br />

argentinischen Partneruniversitäten durchgeführt.<br />

Die Anden<br />

Die Anden sind mit 7500 km Länge das längste aktive Plattenrandgebirge<br />

der Welt und zugleich der „Typ-Vertreter“<br />

dieser Klasse von Orogenen. Trotz ihrer gemeinsamen<br />

Entwicklungsgeschichte zeichnen sich die verschiedenen<br />

Segmente der andinen Gebirgskette durch extreme Gegensätze<br />

in Bezug auf ihre Breite, Höhe und Klimabedingungen<br />

aus. Dies wird besonders bei einer Gegenüberstellung<br />

der ausladenden Zentralen Anden und der sehr<br />

schmalen Patagonischen Anden deutlich. Die Höhe und<br />

Breite des Orogens ist im zentralen Bereich mit rund 4 bis<br />

6 km bzw. 800 km wesentlich größer als im Süden und<br />

Norden mit etwa 2 bis 4 km bzw. 200 bis 300 km. Trotz<br />

einer inzwischen guten Kenntnis der geologischen und<br />

geophysikalischen Rahmenbedingungen ist bislang unklar,<br />

weshalb solche fundamentalen Unterschiede existieren<br />

und welche Prozeßkombinationen dabei eine entscheidende<br />

Rolle spielen.<br />

Obwohl die Subduktion mindestens seit dem Jura andauert,<br />

und obwohl die Nazca-Platte seit längerem mit hohen<br />

Geschwindigkeiten (gegenwärtig mit ca. 6,6 cm/Jahr,<br />

Auermann et al. 1990) unter Südamerika subduziert wird,<br />

ist die Andenkordillere in ihrer heutigen Form erst im<br />

Känozoikum entstanden (Mpodozis & Ramos 1990,<br />

Dewey & Lamb 1992, Lamb et al. 1997) (s. Abb. 2). In den<br />

Zentralen Anden hat sich seit dem Eozän östlich des Vulkanbogens<br />

unter starker Krustenverkürzung ein breites,<br />

im Mittel 3,8 bis 4,5 km hohes Hochplateau (Altiplano-<br />

Puna) herausgehoben, das nach dem Tibetplateau das<br />

zweitgrößte Hochplateau der Erde ist (Allmendinger et al.<br />

1997, Lamb et al. 1997). Die Krustendicke nahm dabei<br />

vom normalen Ausgangszustand (35 bis 40 km) auf über<br />

70 km Dicke zu (s. Abb. 3). Gesteuert wurde diese Entwicklung<br />

durch eine Verkürzung und Stapelung der kontinentalen<br />

Erdkruste hinter dem Vulkanbogen (= Westkordillere)<br />

um mehr als 250 km, ein Bereich, der in anderen<br />

Subduktionsorogenen nicht von stärkerer Deformation<br />

betroffen ist. Dagegen fehlt, anders als an den meisten<br />

anderen Rändern, eine nennenswerte Deformation<br />

zwischen Vulkanbogen und Tiefseegraben, d. h. dem<br />

Bereich, der wegen der unmittelbaren Nähe zur Subduktionszone<br />

und der seismisch aktiven Zone normalerweise<br />

die meiste Deformation aufnimmt. Hier ist nur geringfügige<br />

Krustendehnung und -absenkung zu beobachten<br />

(Reutter et al. 1994). Diese insgesamt ungewöhnliche Verbindung<br />

von Umständen ist bislang nicht verstanden.<br />

Im Süden, in den Patagonischen Anden, fehlt ein solches<br />

Plateau. Damit geht eine Abnahme der Krustendicke von<br />

70 km unter den Zentralen Anden auf ca. 40 km unter den<br />

Südanden einher, die selbst nur noch eine mittlere Höhe<br />

von 1 bis 2 km erreichen. In den Zentralanden hat sich der<br />

magmatische Bogen (Gipfelhöhe um 6 km) seit dem unteren<br />

Jura um ca. 200 km nach Osten verlagert. Er befindet<br />

sich heute auf dem Westrand des Hochplateaus. Im Gegensatz<br />

hierzu ist der magmatische Bogen im Süden (Gipfelhöhe<br />

um 3 km) weitgehend ortsfest geblieben und befindet<br />

sich in der heutigen Hauptkordillere (Abb. 4). Die<br />

Deformation der Erdkruste konzentriert sich hier, anders<br />

als im Norden, heute eher auf den Bereich vor dem Bogen.<br />

Insgesamt erfolgte aber auch hier, wie in den zentralen<br />

Anden, die Entwicklung zu einem Gebirge erst seit dem<br />

mittleren Tertiär. Die Andersartigkeit im Aufbau der<br />

Anden in den verschiedenen geographischen Breiten, die<br />

unterschiedliche Reaktion der kontinentalen Erdkruste<br />

auf die laufende Subduktion ozeanischer Kruste und die<br />

verschiedenen, damit zusammenhängenden Phänomene<br />

enthalten die entscheidenden Hinweise auf die zugrundeliegenden<br />

Steuerfaktoren.<br />

Highlights und Resultate<br />

In den zwölf Jahren des SFB 267 wurde eine integrierte<br />

Gruppe geophysikalischer und geodätischer Experimente<br />

mit einer weltweit einmaligen Datendichte in den zentralen<br />

Anden durchgeführt. Diese Projekte liefern gegenwärtig<br />

zahlreiche neue Randbedingungen zu den Aspekten<br />

der Akkumulation und Verteilung der Deformation,<br />

sowie zu den fluid-abhängigen Prozessen an einem konvergenten<br />

Plattenrand. Insgesamt bieten diese Daten das<br />

gegenwärtig tiefste und schärfste Abbild einer Subduktionszone.<br />

Geophysikalische Bilder vom Subduktionsprozess<br />

Seit der klassischen Arbeit von Isacks et al. (1968) gilt die<br />

von Wadati und Benioff entdeckte tiefenabhängige Erdbebenverteilung<br />

an den Grenzen der zirkumpazifischen<br />

Kontinente als Ausdruck aktiver Plattentektonik und laufender<br />

Subduktion ozeanischer Kruste unter kontinentale,<br />

z. T. auch unter ozeanische Lithosphäre. Traditionell<br />

wird die sogenannte Wadati-Benioff-Zone dabei als die<br />

eigentliche Plattengrenzfläche betrachtet, an der ein Teil<br />

der kinetischen Energie der Platten in seismische Deformation<br />

umgesetzt wird. Die Seismizität im höheren Teil<br />

der Subduktionszone (oberhalb ca. 50 km Tiefe), der sogenannten<br />

seismogenen Zone, ist ein Effekt der Reibung und<br />

des Zerbrechens von Gesteinen im kalten, spröden Bereich<br />

der Plattengrenze (Tichelaar & Ruff 1991). Die tieferen<br />

Beben, bis zu den tiefsten in ca. 650 km Tiefe, sind wegen<br />

der hohen Temperaturen (T > 400 °C) nicht durch mechanische<br />

Bruchbildung erklärbar. Da ihre Lokalisierung in<br />

bezug auf die Subduktionszone nicht präzise genug<br />

bekannt ist, liegen auch noch keine eindeutigen bzw. eher<br />

konkurrierende Modellvorstellungen vor (Kirby et al.<br />

1996).<br />

Außer zahlreichen seeseitigen Messungen gibt es bislang<br />

kaum Versuche, einen aktiven Kontinentalrand mit reflexionsseismischen<br />

Verfahren, dem geophysikalischen Verfahren<br />

mit dem höchsten Auflösungspotential zur Abbildung<br />

von Aufbau und Strukturen von Erdkruste und Erd-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

31


32<br />

mantel, bis in größere Tiefen abzubilden. Die vorliegenden<br />

Experimente (z. B. Banda-Bogen, Alaska, Alëuten,<br />

Kanadische Kordillere) waren alle nur in der Lage, die<br />

oberen 30 bis 45 km abzubilden. Ein tieferes , vollständiges<br />

und hoch aufgelöstes Abbild einer Subduktionszone,<br />

das die Frage nach der Lokalisierung der Erdbebenaktivität<br />

und der damit möglicherweise im Zusammenhang<br />

stehenden Prozesse beantworten kann, wurde erst durch<br />

die ANCORP Working Group (2003) vorgelegt.<br />

Ein Bündel seismischer Experimente auf Seeseite und auf<br />

Land sollte als gemeinsames Vorhaben mehrerer deutscher<br />

geowissenschaftlicher Einrichtungen und Universitäten<br />

diese Fragen klären (CINCA’95 und ANCORP’96; getragen<br />

von FU Berlin, TU Berlin, Uni Potsdam, <strong>GFZ</strong> Potsdam,<br />

Bundesanstalt für Geowissenschaften, GEOMAR<br />

Kiel; vgl. Abb. 1). Ziel der Experimente war es, eine Abbildung<br />

der Subduktionserosion und der Subduktionszone bis<br />

in möglichst große Tiefen zu erzielen, die Lokalisierung<br />

der Seismizität an der Subduktionszone zu untersuchen<br />

sowie Bildungsort und Aufstiegswege von Schmelzen und<br />

Fluiden aus der Subduktionszone zu identifizieren.<br />

Die aktive seismische Vermessung erfolgte durch regelmäßig<br />

angeordnete Sprengstoffschüsse an Land bzw.<br />

durch Luftpulser auf See. Da das Ziel weniger eine Detailauflösung<br />

in der oberen Kruste, als vielmehr eine möglichst<br />

große Tiefenreichweite war, wurden an Land Bohrlochschüsse<br />

mit 90 kg Sprengladung in gut 6 km Abstand<br />

als Quelle gewählt. Eine Auslage mit Meßapparaturen,<br />

verteilt entlang einer 25 km langen Linie, registrierte die<br />

aus dem Untergrund unter der Auslage reflektierten Signale<br />

dieser Schüsse (Steilwinkelseismik oder Reflexionsseismik).<br />

Für die begleitenden Weitwinkelmessungen<br />

wurden die Sprengungen an neun Schußpunkten etwa im<br />

mittleren Abstand von 50 km mehrfach wiederholt, während<br />

die 25 km lange Meßauslage von der Küste bis auf<br />

den Altiplano „wanderte“. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt<br />

waren entlang derselben Linie auch wiederholt<br />

Schüsse auf See und Land abgetan und sowohl auf See<br />

wie auf Land über mehrere 100 km Länge registriert worden.<br />

Auf diese Weise konnten die Messungen bis weit über<br />

den Tiefseegraben nach Westen fortgesetzt werden. Das<br />

Ergebnis war eine insgesamt fast 800 km lange Linie über<br />

einen vollständigen aktiven Plattenrand. Im Anschluß<br />

Abb. 3: a) Zusammengesetzte Sektion aus den Weitwinkeldaten des CINCA-Experiments und den Steilwinkeldaten des<br />

ANCORP-Experiments mit einem der ersten hochauflösenden Schnitte durch ein Subduktionsorogen. Auffällig sind der<br />

Reflektor, der die abtauchende Nazca-Platte bis in ca. 80 km Tiefe zeigt, und die Gruppe von Reflexionsbündeln, die<br />

in der mittleren Kruste des Plateaus (ca. 20 bis 35 km Tiefe) angeordnet sind (aus: ANCORP Research Group, 2003).<br />

b) Das interpretative Blockbild zeigt die herausragende Rolle von Fluiden und Schmelzen im Bereich des andinen<br />

Plateaus.<br />

a) Composite section showing wide angle-results of the marine CINCA experiment and the reflection line ANCORP’96<br />

from the coast to the eastern rim of the plateau, both is forming one of the first high-resolution images of a convergent<br />

margin system. Note deep image of the subducting Nazca plate and the alignment of reflection patches in the middle<br />

crust beneath the plateau itself. b) Interpretive 3D view of Plateau and crustal architecture depicting the key role of<br />

fluids and melts for the geophysical image.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


wurde mit den gleichen Apparaturen, nun netzförmig über<br />

eine Fläche von 300 x 300 km verteilt, die passive Registrierung<br />

der lokalen Erdbebenaktivität in einem großen<br />

Netz um die seismische Linie herum vorgenommen.<br />

Abb. 3 zeigt die ersten Ergebnisse in besonderer Deutlichkeit.<br />

Es handelt es sich um eine Bearbeitung der reflexionsseismischen<br />

Daten, die einen geometrisch korrekten<br />

Tiefenschnitt vom Tiefseegraben über den chilenischen<br />

Kontinentalrand bis an den Ostrand des Plateaus in Bolivien<br />

wiedergibt. Zusätzlich sind hier auch die lokalisierten<br />

Erdbeben dargestellt. Hier wird zum ersten Mal deutlich,<br />

daß die Wadati-Benioff-Zone (d. h. die Zone der subduktionsbedingten<br />

Erdbeben) im Abschnitt mitteltiefer<br />

Beben (80 bis 200 km) nicht – wie bisher angenommen –<br />

den Verlauf der eigentlichen Plattengrenze wiedergibt. Im<br />

obersten Teil bis 50 km Tiefe, der Zone seismischer Kopplung<br />

zwischen ozeanischer und kontinentaler Platte, ist die<br />

seismische Deformation – d. h. reibungskontrollierte Erdbeben<br />

– auf eine breite Zone um die eigentliche Plattengrenze<br />

verteilt. Nach einem Bereich eher schwacher Seismizität<br />

erscheint eine starke Häufung bei etwa 100 bis<br />

130 km Tiefe. Diese ist versetzt unterhalb der eigentlichen<br />

Plattengrenzfläche in Kruste und Mantel-Lithosphäre der<br />

ozeanischen Platte. Dieser Versatz wird durch die reflexionsseismischen<br />

Daten verdeutlicht: Das Abtauchen der<br />

ozeanischen Kruste zwischen 40 und 80 km Tiefe wird<br />

hier zum ersten Mal klar durch seismische Reflexionen<br />

abgebildet, die im Bereich der Untergrenze der seismischen<br />

Kopplung bei ca. 40 km einsetzen und sich mit<br />

zunehmender Stärke bis in über 80 km Tiefe verfolgen lassen.<br />

Die Reflektoren brechen in etwa 130 km Entfernung<br />

von der Küste in etwas mehr als 80 km Tiefe plötzlich ab.<br />

In der kritischen Tiefe von 80 bis 100 km bei Temperaturen<br />

um 400 bis 500 °C (hier extrapoliert durch Modellierung<br />

aus Temperaturmessungen in Bohrlöchern<br />

an der Oberfläche) im Bereich der<br />

Subduktionszone werden gegenwärtig<br />

eine Reihe von mineralogischen Prozessen<br />

diskutiert, die die Beobachtungen<br />

erklären könnten (Peacock 1993, Kirby et<br />

al. 1996). Insbesondere die Umwandlung<br />

der basaltischen Gesteine (überwiegend<br />

aus Feldspat und Hornblende bestehend)<br />

der ca. 7 km dicken ozeanischen Kruste<br />

zu Eklogit (überwiegend bestehend aus<br />

Granat und Pyroxen) verändert nicht nur<br />

die spezifische Dichte der Kruste (von ca.<br />

2,9 g/cm 3 zu 3,3 g/cm 3 ). Diese Umwandlung<br />

setzt auch das in den Ausgangsmineralen<br />

gebundene Kristallwasser frei,<br />

das – dem hydraulischen Gradienten folgend<br />

– nach oben entweicht. Es ist unklar,<br />

wie dies im einzelnen geschieht. Theoretische<br />

Betrachtungen machen wahrscheinlich,<br />

daß ein großer Teil dieser Fluide<br />

unmittelbar über der ozeanischen<br />

Kruste der abtauchenden Platte im Erdmantel<br />

der darüberliegenden kontinentalen<br />

Platte Südamerikas wieder mineralo-<br />

Abb.4:Blick vom Längstal auf die südchilenische Hauptkordillere<br />

mit dem Vulkan Llaima (Foto: H. Echtler,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

View from the Longitudinal Valley on the Southern Chilean<br />

maincordillera with the Llaima volcano<br />

gisch fixiert wird (Serpentinit-Bildung aus dem Olivin des<br />

Mantels). Dies würde wegen der damit verbundenen Volumenzunahme<br />

die Wegsamkeit nach oben reduzieren, mit<br />

dem Effekt der Ansammlung von Fluiden, die nicht weiter<br />

entweichen können (ANCORP Working Group 2003).<br />

Dieser Effekt wird durch das seismische Experiment sichtbar,<br />

da Fluide die petrophysikalischen Gesteinseigenschaften<br />

besonders stark beeinflussen. Sie sind sehr viel<br />

besser in der Lage, starke Reflexionen zu erzeugen als<br />

bloße Änderungen in der Gesteinszusammensetzung.<br />

Dies geschieht in erster Linie über die Reduktion der Laufzeiten<br />

seismischer Wellen, was über freie Fluide im Porenraum<br />

der Gesteine besonders effizient erfolgt. Das Verschwinden<br />

dieses starken Reflektors in einer Tiefe von<br />

über 80 km bei Temperaturen über 500 °C hängt vermutlich<br />

wiederum mit der oberen Stabilitätsgrenze von Serpentinit<br />

zusammen. Die durch seine Bildung kontrollierte<br />

Fluidfalle wird bei Temperaturen oberhalb ca. 500 bis<br />

Abb. 5: Die Analyse der Dämpfung von P-Wellen von seismischen Ereignissen<br />

aus der Wadati-Benioff-Zone zeigt einen Bereich hoher Dämpfung<br />

unter dem magmatischen Bogen und des Plateaus, der sowohl den Erdmantel<br />

als auch die Kruste erfaßt und stets Nester von Seismizität in der<br />

Unterplatte mit aktiven Vulkanen in den Anden verbindet (aus Schurr et al.,<br />

2006).<br />

Analysis of attenuation of p-waves of seismic events from the Wadati Benioff<br />

Zone indicates a high attenuation anomaly underlying the volcanic arc as<br />

well as the plateau and encompassing the mantle as well as the crust of the<br />

upper plate. The zone mostly connects clusters of Wadati Benioff seismicity<br />

at depth and active volcanoes at surface (from Schurr et al., 2006).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

33


34<br />

600 °C gewissermaßen undicht und gibt ihren Inhalt nach<br />

oben ab.<br />

Der Bereich der unter diesem abbrechenden Reflektor liegenden<br />

Seismizität hängt vermutlich ebenfalls mit fluidgesteuerten<br />

Vorgängen zusammen. In diesem Fall bildet<br />

sie indirekt die oben erwähnte mineralogische Umwandlung<br />

zu Eklogit in der ozeanischen Kruste bzw. die Entwässerung<br />

des ozeanischen Erdmantels ab. Die freigesetzten<br />

Fluide erhöhen den inneren Porendruck im Gestein<br />

bis zur hydraulischen Bruchbildung, die als seismisches<br />

Ereignis registriert wird. Ein Teil der durch diese Vorgänge<br />

freigesetzten Fluide gelangt in den heissen Mantel unter<br />

dem Vulkanbogen, wo er die Bildung von Teilschmelzen<br />

begünstigt, die ihrerseits in die Erdkruste aufsteigen und<br />

den Vulkanismus an der Erdoberfläche kontrollieren. Im<br />

Feldexperiment wurde dies vor allem durch die Dämpfung<br />

seismischer Wellen bei ihrem Durchlaufen unter dem Vulkanbogen<br />

deutlich. Die Verteilung der seismischen Apparaturen<br />

während des passiven seismischen Experimentes<br />

an der Erdoberfläche erlaubte dabei eine direkte Vermessung<br />

dieses Bereichs: Er ist geprägt von Teilschmelzbil-<br />

Abb. 6: Die obere Linie zeigt die Variation des Oberflächenwärmeflusses von der Küste bis quer über das gesamte Plateau.<br />

Der mittlere Schnitt zeigt prozessierte „Receiver Function“-Resultate (konvertierte Wellen von teleseismischen<br />

Ereignissen), um einen korrekten Tiefenschnitt zu liefern. Neben der abtauchenden Nazca-Platte (s. auch Benioff-Seismizität<br />

mit grünen Punkten) und der Basis der Kruste (Moho) unter den Anden zeigt der Schnitt insbesondere eine<br />

bedeutende, das ganze Plateau unterlagernde Anomalie, die die Reflexionsmuster von ANCORP miteinander verbindet<br />

(von Yuan et al., 2000). Der untere Schnitt zeigt die elektrische Leitfähigkeit der Kruste der Anden mit einer bedeutenden<br />

Anomalie unter dem Plateau, deren Oberkante mit den Reflexionen und der aus den Receiver-Function-Daten<br />

ermittelten Altiplano-Niedriggeschwindigkeitszone entspricht (s. Abb. 3b für die Interpretation; aus ANCORP Research<br />

Group, 2003).<br />

The upper line shows variation of surface heat flow data across the Andes. Central section depicts receiver function<br />

results across the Andes as calculated from teleseismic events. Apart from the geometry of the subducting Nazca plate<br />

(see also Wadati Benioff seismicity, green dots) and the Moho of the South American plate the section exhibits an important<br />

anomaly in the middle crust linking the ANCORP reflection patches (Altiplano low velocity zone; from Yuan et al.,<br />

2000). Lower section depicts the electrical conductivity of the plateau which shows a first order anomaly, the top of<br />

which correlates with the reflection patches and the ALVZ of the receiver functions (see Fig. 2b for interpretation; from<br />

ANCORP Research Group, 2003).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


dung, die sich von der seismisch besonders aktiven Zone<br />

der Subduktionszone bis knapp unter die aktiven Vulkane<br />

an der Oberfläche hinzieht und somit den Bildungsort wie<br />

den Pfad der Schmelzen direkt anzeigt (s. Abb. 5).<br />

Ein weiteres prägnantes Phänomen ist der starke Reflektor<br />

unmittelbar westlich der aktiven Vulkanzone in etwa<br />

20 bis 25 km Tiefe, über den oben beschriebenen Phänomenen<br />

in der Subduktionszone. An der Oberfläche korreliert<br />

dieser Reflektor mit dem Westrand des Altiplano-<br />

Hochplateaus, warmen Quellaustritten und mineralisierten<br />

Störungen sowie den größten Kupferlagerstätten der<br />

Erde. Ein Zusammenhang von Fluidanreicherungen mit<br />

der extrem reflektiven Zone ist daher auch hier sehr wahrscheinlich.<br />

Bei den für seine Tiefe modellierten<br />

Temperaturen um 500 °C ist zu<br />

erwarten, daß durch die aufsteigenden,<br />

abkühlenden Fluide in der kontinentalen<br />

Kruste insbesondere Chlorit (ein wasserhaltiges<br />

Mineral, das bei Temperaturen<br />

unterhalb ca. 500 °C stabil ist) gebildet<br />

wird. Auch in diesem Fall ist die Mineralreaktion<br />

mit einer Volumenzunahme<br />

und damit einer Reduktion der Porosität<br />

verknüpft. Der Effekt der Bildung einer<br />

impermeablen Fluidfalle ist derselbe wie<br />

für den tiefen Reflektor beschrieben. Die<br />

laterale Begrenzung ist in diesem Fall<br />

eine tiefreichende aktive Verwerfung im<br />

Westen, an der Oberfläche durch starke<br />

Abb. 7: Die Karte zeigt das Ausmaß, mit<br />

dem an der Altiplano-Niedriggeschwindigkeitszone<br />

(ALVZ) P-Wellen zu S-Wellen<br />

konvertiert wurden, aus den Receiver-<br />

Function-Resultaten sowie die räumliche<br />

Beziehung zum Auftreten von Vulkanismus<br />

(blaue Dreiecke: Andesitvulkane; schwarze<br />

Kreise: Ignimbritcalderen; aus Yuan<br />

et al., 2000). Der untere Schnitt zeigt ein<br />

Modellierungsergebnis, das darauf hinweist,<br />

daß ein konvektiver Wärmetransport<br />

in der Erdkruste mit dem Aufschmelzen<br />

der mittleren Kruste als Ursache<br />

sowohl für die Reflexionsmuster als auch<br />

als Quelle für die Ignimbritschmelzen<br />

herangezogen werden muß (aus Babeyko<br />

et al., 2002).<br />

This map shows the efficiency of conversion<br />

of P-waves into S-waves at Altiplano<br />

low velocity zone as deducted from<br />

receiver function analysis as well as their<br />

spatial relation to volcanism (blue triangles<br />

show andesite volcanoes; black circles<br />

indicate ignimbrite calderas; fom<br />

Yuan et al., 2000). Lower section shows<br />

modelling result which indicates that<br />

convective heat transfer in the crust is responsible<br />

for reflection patches as well as<br />

for the source of ignimbrite melts (from<br />

Babeyko et al., 2002).<br />

Mineralisationen gekennzeichnet, und der aktive Vulkanbogen<br />

im Osten – beides Strukturen, die die Durchlässigkeit<br />

der Kruste für die Fluide wieder herstellen.<br />

Die Daten liefern neben einer Abbildung der Komplexität<br />

der Wadati-Benioff-Zone und ihrer Steuerung durch fluidgetriebene<br />

Prozesse Hinweise darauf, daß die Gabbro-<br />

Eklogittransition zu größeren Tiefen verschoben ist. Das<br />

steht im Einklang mit theoretischen Vorhersagen zu kinetisch<br />

verzögerten Reaktionen. Die meisten geophysikalischen<br />

Phänomene im darüber liegenden Mantel und der<br />

Kruste der Oberplatte werden wahrscheinlich von durch<br />

Fluide und Schmelzen gesteuerten petrologischen Prozessen<br />

im Zusammenhang mit der Subduktion und der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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36<br />

Delamination der Mantellithosphäre kontrolliert. So verweisen<br />

die geophysikalischen Ergebnisse insbesondere<br />

auf die verbreitete Anwesenheit von Schmelzen in der<br />

mittleren Kruste unter dem gesamten Altiplano-Puna-Plateau<br />

(Abb. 6, 7). Diese Beobachtung ist im Einklang mit<br />

der Analyse der mechanischen Rigidität, beruhend auf der<br />

Analyse der Schweremessungen, die ebenfalls auf eine<br />

schwache Lithosphäre verweisen. Die Lithosphäre ist<br />

zudem unter dem zentralen Plateau ausnehmend dünn und<br />

stellt damit eine mechanische Schwächezone erster Ordnung<br />

in der Oberplatte dar. Die Deformation des Altiplano<br />

und der Puna wurzelt in dieser Tiefe, wie Oberflächendaten,<br />

industrieseismische Daten und Bilanzierungsstudien<br />

zeigen – ohne Fortsetzung der Strukturen in die<br />

tiefere Kruste. Tomographische Daten in Verbindung mit<br />

geochemischen Analysen von vulkanischen Gesteinen<br />

suggerieren darüber hinaus, daß Teile der kontinentalen<br />

Mantel-Lithosphäre der Puna rezent delaminiert werden<br />

(Abb. 8).<br />

Somit kann erstmals – gestützt auf diese Beobachtungen –<br />

eine gesamte Konvergenzzone in hoher Auflösung beobachten<br />

werden: die laterale Komplexität in der Fluidfrei-<br />

setzung aus der ozeanischen Platte, ihre Verbindung mit<br />

der Wadati-Benioff-Seismizität (d. h. ein Hinweis auf<br />

Dehydratationsversprödung als wichtigem Mechanismus),<br />

und der Aufstieg der Fluide und Schmelzen zu den vulkanischen<br />

Zentren an der Oberfläche. Die Daten zeigen eine<br />

insgesamt sehr viel höhere Komplexität, als aus Standardmodellvorstellungen<br />

erwartet wird. Obwohl diese Resultate<br />

erhebliche Ähnlichkeiten mit den Eigenschaften des<br />

Tibetplateaus besitzen, betonen sie darüber hinaus insbesondere<br />

die herausragende Rolle, die fluidgesteuerte Vorgänge<br />

bei der Subduktionsorogenese und der Bildung eines<br />

nicht-kollisionalen Plateaus haben. Andererseits haben<br />

demnach die Plateaubildungen in verschiedenen geodynamischen<br />

Randbedingungen zahlreiche gemeinsame Züge,<br />

so den thermischen Zustand der Kruste, den partiellen Verlust<br />

der Mantellithosphäre und eine weiträumige Aufschmelzung<br />

der tieferen bis mittleren Erdkruste.<br />

Deformation und Plateaubildung<br />

Die geophysikalischen Ergebnisse werden von einer zunehmenden<br />

Anzahl quantitativer oberflächenbezogener<br />

Beobachtungen begleitet, die darauf verweisen, daß die<br />

Abb. 8: Die tomographische Untersuchung der zentralen Anden zeigt in einem ausgewählten Schnitt die Fluid- und<br />

Temperaturverteilung im Mantel unter der andinen Kruste. Die Kruste der Anden und der Nazca-Platte enthält nur<br />

die Geschwindigkeitsanomalien der P-Wellen. Die Entwässerung der abtauchenden Nazca-Platte wird außer in den<br />

„nassen“ Bereichen des Mantels in der Isotopensignatur des Elements Bor an der Oberfläche deutlich, das auf eine<br />

Herkunft aus Meereswasser hinweist. Im Temperaturbild zeigt die östliche kalte (und trockene) Zone Hinweise auf<br />

Ablösung der Mantellithosphäre von der überlagernden andinen Kruste (aus Sobolev et al., 2006 und Rosner et al.,<br />

2003).<br />

Tomographic data of Central Andes inverted for fluid-content and temperature. Note that crust of Central Andes and<br />

of Nazca plate only exhibits p-wave velocity anomalies. Dehydration of Nazca plate is imaged by a ,wet‘ zone in the<br />

mantle and by the isotopic composition of boron at the surface that originated from subducted sea water. The temperature<br />

image of the cool (and dry) eastern zone indicates ongoing delamination of mantle lithosphere from the overlying<br />

Andean crust (from Sobolev et al., 2006, and Rosner et al., 2003).<br />

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Abb. 9: Die linke Abbildung zeigt das GPS-Verschiebungsfeld der gesamten Zentralen und Südlichen Anden und seine<br />

Prägung durch den seismischen Zyklus. Der größte Teil des Plattenrandes befindet sich im interseismischen Zyklus und<br />

wird elastisch komprimiert. Das Antofagastabeben von 1995 wird klar durch die elastische Relaxation mit einer coseismischen<br />

Verschiebung von ca. 80 cm nach Westen angezeigt, der Bereich mit dem weltweit stärksten historisch aufgezeichneten<br />

Beben von Valdivia (1960, Magnitude 9.5) dagegen zeigt heute noch postseismische viskoelastische Relaxation.<br />

Die rechte Abbildung zeigt die aktive Verformung nach Abzug der elastischen Deformation und die Geometrie<br />

der Zone seismischer und mechanischer Kopplung zwischen Nazca-Platte und südamerikanischer Platte (aus Klotz et<br />

al., 2001).<br />

The left map shows the GPS-displacement field over the past decade and ist predominance by the seismic cycle. Most<br />

of the plate margin is in the interseismic stage and deformed elastically. The Antofagasta earthquake from 1995 is<br />

obvious from coseismic elastic strain release of some 80 cm to the west, the area of the strongest historically observed<br />

earthquake on Earth from Valdivia (1960, magnitude 9.5) is still in a stage of viscoelastic relaxation. The map on the<br />

right depicts the residual strain after removal of the elastic interseismic component and illustrates the above two rupture<br />

areas as well as the geometry of the underlying seismic and mechanical coupling zones between both plates (from<br />

Klotz et al., 2001).<br />

Deformation des Plateaus und seiner Randbereiche sehr<br />

eng mit z. T. thermisch bestimmten Schwächezonen der<br />

südamerikanischen Platte zusammenhängen. Diese werden<br />

z. B. deutlich durch die Vermessung des aktuellen<br />

Deformationsfeldes mit Hilfe der GPS-Technologie über<br />

ca. 10 Jahre, die nicht nur die Dominanz des seismischen<br />

Zyklus am Plattenrand dokumentiert, sondern auch zeigt,<br />

daß der magmatische Bogen eine Trennung zwischen dem<br />

Vorbogenbereich und dem Rückbogenbereich darstellt.<br />

Während der Vorbogenbereich weitgehend elastisch<br />

deformiert wird,findet am Rückbogenbereich einr langsam-permanente<br />

Deformation statt (Abb. 9). Gleichzeitig<br />

ist der stete Massenfluß in den Rückbogenbereich hinein<br />

ein wesentlicher Steuerfaktor für das laterale Expandieren<br />

des Plateaus (s. Abb. 10).<br />

Aus detaillierten geologischen Felddaten kann darüber<br />

hinaus erstmals eine quantitative Rekonstruktion der<br />

Geschwindigkeiten der Deformation mit hoher zeitlicher<br />

und räumlicher Auflösung für ein gesamtes Orogen hergestellt<br />

werden. Diese erlaubt eine präzise Korrelation mit<br />

Zeitreihen anderer plattentektonischer, stofflicher oder<br />

thermischer Prozesse, um die in der Literatur vielfach kontrovers<br />

diskutierten Steuerfaktoren für die Bildung der<br />

Anden zu identifizieren (s. Abb. 11). Anders als die geophysikalischen<br />

Daten suggerieren, sind thermischer Zu-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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38<br />

Abb. 10: Das Best-fit-Ergebnis der Modellierung des Materialflusses und<br />

der Verteilung der Deformation in den zentralen Anden zeigt die zentrale<br />

Rolle der mechanischen Entkopplung an der Basis und des aus Osten herangeführten<br />

Materials mit einem Wechsel von homogener Verkürzung zu<br />

einer Verlagerung der aktiven Deformationszone an die Ostflanke des Plateaus<br />

(aus Vietor und Oncken, <strong>2005</strong>).<br />

The best-fit result of modelling the material flux and distribution of deformation<br />

in Central Andes underscores the role of mechanical decoupling at<br />

the base of the orogen and of the incoming material from the east with a<br />

change from pervasive shortening of the proto-plateau area to a shift of active<br />

deformation towards the eastern plateau flank (from Vietor and Oncken,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

stand und Schmelz- bzw. Fluidverteilung keine der entscheidenden<br />

Faktoren. Zwar beeinflussen sie die laterale<br />

Verteilung von Deformation, nicht jedoch ihr Einsetzen<br />

oder die zeitliche Entwicklung. Als ähnlich irrelevant<br />

erweist sich die vielfach vorgeschlagene Konvergenzgeschwindigkeit<br />

zwischen den Platten. Das aus GPS-Daten<br />

und 3D-Bilanzierung der Deformation abgeleitete, oberflächennahe<br />

Verschiebungsfeld des gesamten Bereichs<br />

östlich des Vulkanbogens, erscheint seit Heraushebung<br />

der andinen Kordillere erstaunlich gleichförmig mit einer<br />

Beschleunigung der Verkürzungsraten trotz einer Verlangsamung<br />

der Plattenkonvergenz seit dem Miozän.<br />

Dagegen zeigt sich, daß vor allem die absolute Driftgeschwindigkeit<br />

der Oberplatte und die mechanisch begrenzte<br />

Fähigkeit der Unterplatte zum trench/slab-rollback<br />

die kritischen Größen sind, die die Deformation eines<br />

Plattenrandes bestimmen. Feldbeobachtungen belegen<br />

darüber hinaus eine strenge Systematik von lokalisierten,<br />

hohen Deformationsraten und darauf folgendem aktivem<br />

Vulkanismus im Zusammenhang mit krustalem Aufschmelzen.<br />

Das Deformationsmuster der gesamten Krus-<br />

te zeigt zudem, daß die Verdickung der<br />

Kruste nahezu ausschließlich durch tektonische<br />

Verkürzung zustande kommt;<br />

dies ist vermutlich mit einem hohen<br />

Anteil eines weiträumigen orogenparallelen<br />

Massenflusses in der Unterkruste<br />

verbunden. Eine zentrale Ergebnis dieser<br />

Analyse ist demnach, daß das in Gesteinen<br />

gespeicherte Gedächtnis oder ihr<br />

geophysikalisches Abbild nicht die Faktoren<br />

erster Ordnung zu identifizieren<br />

erlaubt, die für die Deformationsgeschichte<br />

verantwortlich waren. Die gespeicherten<br />

oder abgebildeten Informationen<br />

geben uns allenfalls Hinweise<br />

auf die Mechanismen, welche die laterale<br />

Verteilung der Deformation gesteuert<br />

haben.<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die<br />

Niederschlagsverteilung auf der kontinentwärtigen<br />

Ostseite der Anden. Im<br />

Norden findet bei subtropischen Niederschlägen<br />

erhebliche Erosion statt, während<br />

die semi-aride Ostseite im Süden<br />

nur sehr begrenzte Erosion erfährt. Im<br />

Norden ist eine sehr breite Deformations-zone<br />

mit Krustenverkürzung von<br />

über 250 km entstanden, im Süden<br />

beträgt die Verkürzung weniger als<br />

40 km, nicht ausreichend zur Bildung<br />

eines Plateaus (Abb. 12). Im Norden wie<br />

im Süden korrelieren die Bereiche höherer<br />

Niederschläge mit stärkerer Erosion,<br />

die seit dem Oligozän z. T. mehr als 5 km<br />

beträgt.<br />

Diese Zusammenhänge verweisen auf<br />

einen Mechanismus, der in den letzten<br />

Jahren zunehmend in die Diskussion<br />

gerät. Es ist seit langem bekannt, daß Niederschläge in<br />

ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung die erosive Zerstörung<br />

von Gebirgen betreiben (Keller & Pinter 1996).<br />

Gleichzeitig erzeugt jedoch die Bildung einer topographischen<br />

Barriere ein Hindernis, das erheblich auf die<br />

atmosphärische Zirkulation rückwirkt und damit auch zur<br />

Niederschlagsbildung beiträgt. Zusätzlich zeigen neuere<br />

theoretische Betrachtungen, daß aktive Gebirge dazu neigen,<br />

einem stationären Gleichgewicht zuzustreben. D. h.<br />

die niederschlagsabhängige Erosion und der Massenverlust<br />

an der Oberfläche wird wieder ausgeglichen durch<br />

interne Deformation der Erdkruste, durch die wieder<br />

neues Material tektonisch nach oben befördert wird.<br />

Damit wird nicht nur der erosiven Zerstörung entgegengewirkt,<br />

sondern ein Gleichgewicht zwischen Topographie,<br />

atmosphärischer Zirkulation und Niederschlagsverteilung,<br />

niederschlagsabhängiger Erosion und Deformation<br />

hergestellt. Dieser Aspekt ist wahrscheinlich eine<br />

wichtige zusätzliche Erklärung, warum Deformation und<br />

niederschlagsabhängige Erosion an der Oberfläche stets<br />

zusammenzuhängen scheinen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 11: Korrelation verschiedener Zeitreihen zur Analyse<br />

der Steuerfaktoren der Andenbildung für den Zeitraum<br />

des Känozoikums. a) Entwicklung der tektonischen<br />

Verkürzungsgeschwindigkeiten der Anden aus<br />

geologischen Daten. b) Konvergenzgeschwindigkeit der<br />

zwischen Nazca-Platte und südamerikanischer Platte<br />

sowie Entwicklung der Konvergenzschiefe zeigt keine<br />

Korrelation zur Deformation der Anden. c) Sehr gute<br />

Korrelation zwischen Deformation der Anden und absoluter<br />

Westdrift Südamerikas bei (d) nur geringer Fluktuation<br />

der Verlagerung der Subduktionszone. e) Raten<br />

der Subduktionserosion aus den Raten der Verlagerung<br />

des Vulkanbogens. f) Vulkanischer Fluß und Verkürzungsgeschwindigkeit der Anden sind nicht korreliert. g) Die Scheinkorrelation<br />

zwischen globaler Abkühlung und Zunahme der Verkürzungsgeschwindigkeit wird offenbar, wenn die dazu<br />

notwendige Entwicklung der Füllung des Tiefseegrabens rekonstruiert wird (h; aus Oncken et al., 2006).<br />

Correlation of various time series data analyzing the principal factors controlling the deformation of the Central Andes<br />

during the Cenozoic. a) Evolution of shortening rates from geological data. b) Convergence velocities between Nazca<br />

plate and South America as well as obliquity exhibit no correlation with Andean shortening. c) Very good correlation<br />

between Andean shortening rates and (d) absolute drift velocity of South America at nearly stable retreat of subduction<br />

hinge. e) Rates of subduction erosion as inferred from retreat of the volcanic arc through time. f) Volcanic flux, i.e.<br />

thermal state of upper plate, is uncorrelated with shortening velocity. g) Apparent correlation between global cooling<br />

and evolution of shortening rate is obvious from analyzing the evolution of trench fill which shows no relevant trend<br />

(h; from Oncken et al., 2006).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

39


40<br />

Abb. 12: Der Unterschied im geophysikalischen Aufbau, der Topographie und der tektonischen Verkürzungsgeschichte<br />

von zentralen und südlichen Anden hängt mit ihrer Lage in verschiedenen Klimagürteln zusammen, wie der Vergleich<br />

der Receiver-Function-Daten in den beiden Schnitten mit dem Bild der Niederschlagsverteilung (rot: arid; blau: hohe<br />

Niederschläge) als Index für die Effizienz von Erosion und Sedimenttransport in den Tiefseegraben zeigt.<br />

The difference in geophysical architecture, topography, and shortening of Central and Southern Andes is related to<br />

their respective positions in various climate belts. This becomes obvious from correlating the receiver function sections<br />

indicating crustal thickness and architecture with map of precipitation (red: arid; blue: high precipitation rates)<br />

as a proxy for efficiency of erosion and sediment transport towards the trench.<br />

Tektonische Materialumlagerung, Krustenwachstum<br />

und Klimaentwicklung<br />

Das inzwischen dichte Netz meeresgeophysikalischer<br />

Vermessungen der Kontinentalränder hat in den letzten<br />

Jahren eine zentrale Erkenntnis gefördert: Entgegen der<br />

bislang vorherrschenden Vermutung werden nur etwa bei<br />

30 % aller aktiven Plattenränder die Sedimente, die auf<br />

der ozeanischen Kruste und in den Tiefseegräben abgelagert<br />

wurden, durch Abscherung an der Spitze oder unter<br />

den Rand der kontinentalen Erdkruste tektonisch angelagert<br />

(v. Huene & Scholl 1991). Nur im Fall der Anlagerung<br />

wird zusätzlich zur Einlagerung von Magmen aus<br />

dem Erdmantel die kontinentale Kruste langsam wachsen.<br />

Gegenüber diesen sogenannten akkretionären Rändern ist<br />

die Mehrheit nicht nur nicht-akkretionär. Meistens sind<br />

sie sogar durch Subduktionserosion geprägt: ein stetiges<br />

Abraspeln kontinentalen Materials von der Unterseite der<br />

Kontinente durch die in die Tiefe subduzierte ozeanische<br />

Erdkruste führt zu einer langsamen Vernichtung kontinentaler<br />

Kruste mit typischen Raten von etwa 1 bis 4 km<br />

Krustenbreite pro Mill. Jahre. Für die Krustenwachstumsbilanz<br />

während der Erdgeschichte, die chemische<br />

Entwicklung des Erdmantels und für magmatische Pro-<br />

zesse hat dieser letzte Prozeß wahrscheinlich erhebliches<br />

Gewicht. Diese verschiedenen Formen der Materialumlagerung<br />

an aktiven Rändern, die sich in jeweils verschiedenen<br />

Phänomenen äußern, haben darüber hinaus<br />

vermutlich großen Einfluß auf eine Vielzahl von anderen<br />

Prozessen am und im jeweiligen aktiven Kontinentalrand.<br />

Durch Kollision von Kontinenten hervorgegangene Gebirge<br />

(z. B. Himalaya, Alpen) sind vor allem durch tektonische<br />

Anlagerung und Stapelung der kontinentalen Gesteinseinheiten<br />

beider Platten geprägt. Bei durch Subduktion<br />

geprägten aktiven Plattenrändern können sich hingegen<br />

ganz unterschiedliche Muster von Materialumlagerung<br />

zeigen. Gebirge sind damit nicht nur direkte Anzeiger<br />

und auch Spuren von ehemaligen aktiven Plattenrändern<br />

(vor der Kollision), sondern sie enthalten auch<br />

das entscheidende Gedächtnis der Bedingungen, welche<br />

die Materialtransportprozesse an aktiven Plattengrenzen<br />

bestimmen.<br />

Bei den Anden läßt sich exemplarisch zeigen, daß sich<br />

mehrere Bereiche von tektonischer Erosion bis zu tektonischer<br />

Akkretion von Norden nach Süden ablösen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


(vgl. Abb. 13). Die Zentralen Anden gelten inzwischen<br />

als Typvertreter subduktionsgesteuerter Orogene, an<br />

denen tektonische Erosion vor der Akkretion von Sedimenten<br />

und Krustensplittern dominiert (v. Huene &<br />

Scholl 1991). Bei diesem Vorgang sind in den zentralen<br />

Anden seit dem Jura (vor 140 bis 200 Mill. Jahren) über<br />

200 km kontinentale Kruste vernichtet worden, wobei<br />

der Verbleib dieser tektonisch erodierten Krustenanteile<br />

ungeklärt ist. Zur Folge hatte diese Erosion des Kontinentalrandes,<br />

daß der vulkanische Bogen seit dem Jura<br />

um 200 km nach Osten in seine heutige Position wanderte<br />

(Ziegler et al. 1981, Reutter et al. 1994). Das ungewöhnliche<br />

Deformationsverhalten des kontinentalen<br />

Randes westlich des Vulkanbogens (Absenkung unter<br />

Dehnung) ist ebenfalls auf den Einfluß des tektonischen<br />

Abraspelns von Material an der Unterseite der kontinentalen<br />

Erdkruste zurückzuführen.<br />

Experimentelle und theoretische Studien der letzten Jahre<br />

geben einen Hinweis, welche physikalischen Parameter<br />

diese Materialbewegungen steuern. An einer Subduktionszone<br />

wird insbesondere die kinetische Energie der<br />

mit einigen Zentimetern pro Jahr driftenden ozeanischen<br />

Platten über die mechanische Koppelung an der Subduktionszone<br />

auf die kontinentale Platte übertragen; diese reagiert<br />

entsprechend ihrer Eigenschaften (Tichelaar & Ruff<br />

1991). Die Festigkeit der Subduktionszone, d. h. ihre Reibung<br />

bzw. Viskosität, steuert dabei nicht nur die Art<br />

des Akkretionsverhaltens am Plattenrand, sondern wahrscheinlich<br />

auch die Intensität der seismischen Aktivität<br />

und die Effizienz, mit der die Oberplatte deformiert werden<br />

kann. Eine wichtige Rolle hat dabei der Gehalt an<br />

Fluiden (Gase, wässrige Lösungen und Schmelzen) im<br />

Gestein sowie der Wärmehaushalt und die stoffliche<br />

Zusammensetzung der Gesteine, welche die ozeanische<br />

Abb. 13: Experimentelle Resultate aus Analogexperimenten belegen die herausragende Rolle, die die Sedimente im Tiefseegraben<br />

für den tektonischen Massenflußmodus am Plattenrand haben, und zeigen, dass dessen Variation am andinen<br />

Rand in erster Linie von der klimaabhängigen Entwicklung der Tiefseegrabenfüllung seit Vereisung der Südhemisphäre<br />

(seit ca. 6 Mio Jahren) gesteuert wird (aus Lohrmann, 2003, und Kukowski und Oncken, 2006).<br />

Experimental results from analogue simulation studies indicate the dominant role of trench sediment thickness for tectonic<br />

mass flux mode at convergent margins. Observations at the Andean margin clearly demonstrate that climate-controlled<br />

development of trench fill since southern hemisphere glaciation (since c. 6 Myrs) is responsible for spatial and<br />

temporal variations of observed mass flux (from Lohrmann, 2003, and Kukowski and Oncken, 2006).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

41


42<br />

und die kontinentale Kruste aufbauen. Der Schlüssel zum<br />

Verständnis der Vorgänge an aktiven Kontinentalrändern<br />

liegt damit insbesondere im Verständnis der Mechanik der<br />

Plattengrenzfläche selbst und der Faktoren, die hierauf<br />

Einfluß nehmen.<br />

Als Schlüsselfaktor wurde vom SFB 267 das Klima identifiziert.<br />

Das trockene Klima in den Zentralen Anden führt<br />

dazu, daß die Tiefseerinne vor den Zentralen Anden nahezu<br />

sedimentfrei ist (Ziegler et al. 1981, Bangs & Cande<br />

1997). Die Plattengrenzfläche wird hier also nicht mit<br />

mächtigen, wasserhaltigen Sedimenten „geschmiert“, sondern<br />

besitzt eine hohe Reibung. Im Bereich des westlichen<br />

Altiplano und in der von seinem Rand bis zur Küste reichenden<br />

Atacamawüste (Niederschläge < 50 mm/J.) wird<br />

seit langem praktisch kein Material durch Niederschläge<br />

erodiert und in die Tiefsee transportiert. An der Westflanke<br />

der Südanden dagegen, bei Niederschlägen von<br />

> 3000 mm/J., wird sehr viel Material erodiert, in den Tiefseegraben<br />

verfrachtet und teilweise zum Aufbau eines<br />

akkretionären Keils verwendet (Bangs & Cande 1997).<br />

Das subduzierte Material dient zudem zum „Gleiten“ und<br />

zur Schwächung der Plattengrenzfläche.<br />

Der Sedimentkeil im Süden hat allerdings nur die in den<br />

letzten ca. 3 Mill. Jahren im Tiefseegraben abgelagerten<br />

Sedimente aufgenommen (Bangs & Cande 1997). Die<br />

Südanden gelten daher als zumindest zeitweise akkretionärer<br />

Rand. Hier ist der Wechsel zur Akkretion mit der<br />

Vergletscherung der Patagonischen Anden seit etwa 5 bis<br />

Abb. 14: Die Analyse der Verkürzungsgeschwindigkeiten entlang der Anden zeigt eine drastische Abnahme der Raten<br />

und sogar eine Beendigung der Verkürzung seit Beginn der hohen Sedimentschüttung in den Tiefseegraben mit Beginn<br />

der Vereisung der Südanden (aus Vietor und Echtler, 2006).<br />

Analysis of shortening rates along the Andes exhibits a drastic decrease of rates or even termination of shortening following<br />

onset of high sediment flux rates to the trench from glaciation of southern Andes (from Vietor and Echtler, 2006).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


6 Mill. Jahren gesteuert worden. Zugleich hat mit der Füllung<br />

des Tiefseegrabens das Deformationsverhalten der<br />

südamerikanischen Platte eine fundamentale Wandlung in<br />

diesem Bereich erfahren. Die bessere „Schmierung“ der<br />

Plattengrenzfläche durch die wasserreichen Sedimente<br />

führte zur Beendigung der Verkürzung in der Hauptkordillere<br />

und zur Hebung der Küstenkordillere durch das<br />

unterplattete Material. In der Tat konnte also gezeigt werden,<br />

dass der Materialflußmodus im wesentlichen von der<br />

klimaabhängigen Sedimentflußrate in den Tiefseegraben<br />

abhängt, Klimaänderungen mithin einen maßgeblichen<br />

Effekt auf fundamentale geodynamische Vorgänge haben.<br />

Gegenüber bisherigen Vorstellungen, die, wie oben erwähnt,<br />

eine lokale Beziehung zwischen Klima und Tetonik<br />

herstellen, zeigen unsere Resultate, daß eine sehr viel<br />

bedeutendere Beziehung auf indirekte Weise hergestellt<br />

wird: Sowohl der Massenflußmodus am Plattenrand (tektonische<br />

Erosion versus Akkretion) wie das kinematische<br />

Regime in der Oberplatte (Verkürzung versus Dehnung)<br />

werden über den Umweg der klimaabhängigen Sedimentfüllung<br />

des Tiefseegrabens gesteuert. Hierin liegt<br />

vermutlich einer der entscheidenden Gründe, warum sich<br />

Zentrale Anden und Südanden so grundsätzlich voneinander<br />

unterscheiden (Abb. 14).<br />

Zusammenfassung<br />

An einer Subduktionszone greift eine Vielfalt verschiedener<br />

Prozesse und Phänomene ineinander, gesteuert von<br />

wenigen fundamentalen Aspekten. Der rote Faden, so zeigen<br />

die Resultate des SFB 267, sind<br />

immer wieder die mechanische Festigkeit<br />

der Plattengrenzfläche selbst und des<br />

kontinentalen Plattenrandes, die Bewegungsgeschwindigkeiten<br />

der ozeanischen<br />

und der kontinentalen Platte, der tektonische<br />

und klimagesteuerte Massentransfer<br />

und der Einfluß der verschiedenen<br />

Fluide (Abb. 15).<br />

Diese Aspekte sind jeweils nicht unabhängige<br />

Parameter, sondern stets wechselseitig<br />

miteinander in rückgekoppelten<br />

Ursache-Wirkungs-Kreisen verbunden.<br />

So wie unter konstanten äußeren Bedingungen<br />

ein Orogen dabei einem Gleichgewichtszustand<br />

zustrebt, der insbesondere<br />

durch den Masseninput und -output<br />

von außen beeinflußt werden kann, steht<br />

der klimatisch gesteuerte erosive Massentransfer<br />

in Wechselwirkung mit der<br />

Entwicklung der Topographie und der<br />

Deformation der Erdkruste. Schließlich<br />

spielen die Mengen, Raten und Verteilung<br />

der tektonischen Materialakkretion oder<br />

Erosion im Bereich vor und hinter dem<br />

magmatischen Bogen eines Orogens eine<br />

weitere, wesentliche Rolle. Sie beeinflussen<br />

– wie der klimatisch gesteuerte erosive<br />

Massentransfer – vor allem die Geo-<br />

metrie und Massenverteilung des Orogens und kontrollieren<br />

somit sein Deformationsverhalten. Demgegenüber<br />

steuert der Eintrag von Fluiden und Schmelzen von der<br />

ozeanischen Platte in die kontinentale Platte hinein vor<br />

allem direkt das Temperaturfeld in der Lithosphäre und<br />

die mechanischen Schlüsseleigenschaften der Gesteine<br />

und damit die Orogenentwicklung.<br />

Diese Resultate erweitern und modifizieren, vielfach<br />

erheblich, früher vorgebrachte, meist kontrovers diskutierte<br />

Vorstellungen:<br />

a) die enge Verbindung zwischen Initiierung und Stil der<br />

Deformation mit Zeitpunkt und Anwesenheit intrakrustaler<br />

Schmelzen wird nach unserer Ansicht überschätzt;<br />

b) die Beobachtung, daß Klima und Tektonik lokal gekoppelt<br />

sind – nach unserer Ansicht ist die Fernwirkung<br />

über den klimatisch kontrollierten Massenfluß in<br />

den Tiefseegraben bedeutender für die Steuerung<br />

sowohl des tektonischen Massenflußmodus (tektonische<br />

Erosion versus Akkretion) als auch für die Beeinflussung<br />

der Deformationsraten in der Oberplatte;<br />

c) die Vermutung, daß die Plateaubildung fast ausschließlich<br />

durch tektonische Verkürzung in Verbindung mit<br />

partiellem Verlust der Mantellithosphäre kontrolliert<br />

wird;<br />

d) die Rolle des advektiven Wärmetransportes mit einem<br />

sehr komplexen Modus als wesentlichem Steuerfaktor<br />

Abb. 15: Die numerische Modellierung der Deformation des andinen<br />

Plattenrandes unterstützt den geologischen Befund, daß die Westdrift Südamerikas,<br />

die Sedimentfüllung des Tiefseegrabens sowie Delamination<br />

der Mantellithosphäre die zentralen Steuerfaktoren der Orogenentwicklung<br />

an konvergenten Plattenrändern sind (aus Sobolev and Babeyko,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

Numerical modelling of deformation of the Andean margin supports geological<br />

findings that upper plate west drift velocities, trench sediment fill, and<br />

delamination of mantle lithosphere are the key mechanisms driving orogeny<br />

at convergent margins (from Sobbolev and Babeyko, <strong>2005</strong>).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

43


44<br />

für die Bildung eines nicht-kollisionären Plateaus wird<br />

nach unserer Ansicht erheblich überschätzt bis auf<br />

seine Rolle für den Magmatismus (s. o.).<br />

Die ersten vollständigen und intern konsistenten Modelle<br />

(Abb. 15) bestätigen die Feldbeobachtungen zum bislang<br />

gänzlich unterschätzten überragenden Einfluß der<br />

Kinematik von Oberplatte und Trench-Slab-System gegenüber<br />

der bisher vermuteten Konvergenzrate beider<br />

Platten. Damit ist der Deformationsmodus von Plattenrändern<br />

als komplexes Zusammenspiel von Faktoren identifiziert,<br />

unter denen nur eine ganz bestimmte Kombination<br />

zu einem Orogen des zentralen Andentyps führt. In<br />

der jüngeren Erdgeschichte sind nur die kretazischen<br />

Laramiden des westlichen Nordamerikas ein Kandidat für<br />

ein ähnliches Plateau-Orogen.<br />

Ausblick<br />

Ein wesentlicher Langfristauftrag bei Sonderforschungsbereichen<br />

sind profilbildende Maßnahmen an den Trägerstandorten.<br />

Die Zeitspanne des SFB 267 fiel mit einer<br />

wesentlichen Umgestaltung bzw. einem Neuaufbau seiner<br />

Trägereinrichtungen zusammen und hat daher bei allen<br />

z. T. erhebliche Einwirkungen erzielt. An den Berliner<br />

Universitäten sind dies insbesondere die langfristige<br />

Sicherung der Geowissenschaften mit Zusammenführung<br />

und Reorganisation der Institute für Geowissenschaften<br />

und die Entwicklung fachübergreifender, gemeinsamer<br />

Curricula. An der Universität Potsdam hat die Beteiligung<br />

am SFB den abschließenden Aufbau des Institutes befördert,<br />

am <strong>GFZ</strong> Potsdam hat die Entwicklung des Programmtopics<br />

„Geodynamik“ im Programm „Geosystem“<br />

wesentlich vom SFB 267 profitiert. Diese Entwicklung<br />

beförderte nachdrücklich die regionale, aber auch die<br />

nationale Vernetzung der SFB-Trägereinrichtungen in der<br />

Forschung.<br />

Bereits in der Schlußphase des SFB 267 wurden –<br />

wesentlich aus den Erfahrungen des Sonderforschungsbereich<br />

angestoßen – einige der zentralen Folgeaktivitäten<br />

gestartet. Allen gemeinsam ist eine vernetzte Beteiligung<br />

jeweils mehrerer der Trägerinstitutionen des SFB.<br />

Anfang <strong>2004</strong> startete das Vorhaben TIPTEQ, das bis<br />

Mitte 2007 terminiert ist. Das Vorhaben ist eine Komponente<br />

des Teilprogramms „Kontinentränder“ des<br />

BMBF/DFG-Programms „Geotechnologien“. Es hat,<br />

überlappend mit der letzten SFB-Periode, die Forschung<br />

im südlichen SFB-Arbeitsgebiet intensiviert, wird diese<br />

fortsetzen und auf die Prozesse der Steuerung von Starkbeben<br />

und ihrer Auswirkungen auf die Erdoberfläche im<br />

Bereich des Starkbebens von Valdivia (1960) fokussieren.<br />

Es bündelt mit marinen und landgestützten Verfahren<br />

die Expertise von 10 deutschen Einrichtungen (<strong>GFZ</strong><br />

Potsdam, GEOMAR, Universitäten FU Berlin, Potsdam,<br />

Hamburg, Bremen, Freiburg, Kiel, BGR, Bayerische<br />

Akademie der Wissenschaften). Gemeinsam mit den<br />

Universitäten Amsterdam und Potsdam hat das GeoForschungsZentrum<br />

erfolgreich das virtuelle Institut CSAG<br />

aus dem Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

eingeworben. CSAG (Center for System Analyses of<br />

Geoprocesses) startet <strong>2005</strong> für drei Jahre und wird u. a.<br />

in Südamerika Fragen der Kopplung von Prozessen bei<br />

der Steuerung und Entwicklung des Systems Erdoberfläche<br />

angehen.<br />

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Vietor, T. and Echtler, H. 2006. Episodic Neogene southward growth of the Andean<br />

subduction orogen between 30°S and 40°S – plate motions, mantle flow,<br />

climate, and upper-plate structure. In: Deformation of the Andes from top to bottom<br />

(eds: O.Oncken, G. Franz, H.J. Götze, M. Strecker, P. Wigger, P. Giese, V.<br />

Ramos, G. Chong), Frontiers in Earth Sciences, Springer, (submitted)<br />

von Huene, R. & Scholl, D.W. (1991): Observations at convergent margins concerning<br />

sediment subduction, subduction erosion, and the growth of continental<br />

crust. – In: Rev. Geophys., 29, S. 279-316.<br />

Yuan, X., Sobolev, S.V., Kind, R., Oncken, O. and Andes Seismology Group (2000):<br />

New constraints on subduction and collision processes in the Central Andes from<br />

P-to-S converted seismic phases. Nature 408: 958-961.<br />

Ziegler, A.M., Barrett, S.F. & Scotese, C.R. (1981): Paleoclimate, sedimentation and<br />

continental accretion. – In: Philos. Trans. R. Soc. London, Ser. A, 301, S. 253-264.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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46<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


„Inkaba ye Africa“ – dem dynamischen System<br />

Erde auf der Spur<br />

Brian Horsfield 1 , Maarten de Wit 1 sowie weitere Autoren der Inkaba ye Africa Arbeitsgruppe 2<br />

1. Koordinatoren von Inkaba ye Africa: BH – <strong>GFZ</strong> Potsdam, MW – Universität Kapstadt<br />

2. Südafrika: Ludwig Combrinck, John Compton, Alex Kounov, Justine Tinker, Marian Tredoux<br />

Deutschland: Gabriele Uenzelmann-Neben, Sönke Neben, Karsten Gohl, Wilfried Jokat, Rolf Emmermann, Mioara Mandea, Rolando di Primio, Heinz Wilkes, Oliver<br />

Ritter, Ute Weckmann, Michael Weber, Georg Dresen, Jörg Erzinger, Bob Trumbull, Hedi Oberhänsli<br />

In 2003, the German and South African Earth Science communities embarked on a program to survey a cone-shaped<br />

sector of Earth from core to space, enclosing South Africa and the southern oceans at its surface. The vision is to track<br />

the history of its components back over at least the last 200 million years, to understand Earth system processes and<br />

their interaction at different scales and rates, and along the way to closely scrutinize climate, biodiversity, natural<br />

hazards and resources of Africa. South Africa's geology retains one of the longest best-preserved records of tectonic<br />

movements, magmatic events and climatic change extending back 3.500 million years. The projects in Inkaba ye Africa<br />

are divided between three main research themes, namely Heart of Africa, Margins of Africa, and Living Africa, and<br />

a formal Capacity Building and Outreach Programme is integrated into the programme. Heart of Africa is devoted to<br />

studying the energy transfer from core to space. An important theme here is to address why the geomagnetic field of<br />

South Africa is significantly weaker than over the rest of the Earth at equivalent altitudes and to examine the links<br />

between a deep mantle upwelling and the onland uplift history. Margins of Africa seeks to establish the causes, and<br />

some of the consequences of continental break-up of Southern Africa from its Gondwana configuration. Central to this<br />

research theme are a series of onshore-offshore geophysical transects across three different continental margin types<br />

around southern Africa. Living Africa consists of a number of integrated projects tracking the consequences of continental<br />

margin evolution in southern Africa, namely the ensuing surface and subsurface processes. Here, sedimentation<br />

patterns, changing ocean currents, and the cycling of carbon from the surface down to 5 km are under examination<br />

to provide a dynamic insight into petroleum systems and paleoclimate.<br />

Abb. 1: Inkaba ye Africa – Untersuchung eines kegelförmigen Ausschnitts des Systems Erde, vom Erdkern bis in den<br />

Weltraum<br />

Inkaba ye Africa – Earth System studies in a cone-shaped sector of the Earth from the core to space<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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48<br />

Inkaba ist ein Wort in Xhosa, das einen Zustand vollständiger<br />

Verbundenheit beschreibt. Wörtlich bedeutet es<br />

„Nabel“, den zentralen Punkt, von dem aus alle Energie,<br />

Material und Wissen ausströmen und in dem sie wieder<br />

zusammengeführt werden. Die Verbindung mit ye Africa<br />

fügt den regionalen Aspekt hinzu.<br />

Im Jahr 2003 haben deutsche und südafrikanische Geowissenschaftler<br />

ein Forschungsprogramm initiiert, um<br />

einen kegelförmigen Ausschnitt vom Erdkern bis in den<br />

Weltraum zu untersuchen, der an der Oberfläche Südafrika<br />

und die südlichen Ozeane einschließt (Abb. 1).<br />

Ziel ist es, die Entwicklungsgeschichte verschiedener<br />

Komponenten des Systems Erde über die letzten<br />

200 Millionen Jahre hinweg nachzuvollziehen, um<br />

damit verschiedene Prozesse und deren Wechselwirkung<br />

auf unterschiedlichen Skalen zu verstehen und<br />

gleichzeitig Rückschlüsse auf Klima, Biodiversität,<br />

Naturgefahren und Rohstoffe von Afrika zu ziehen.<br />

Inkaba ye Africa ist Bestandteil einer langfristig angelegten<br />

Initiative für die Erforschung kontinentaler und<br />

ozeanischer Strukturen im südlichen Afrika, mit der ein<br />

Tab. 1: Inkaba ye Africa, Projekte und Koordinatoren<br />

Inkaba ye Africa, projects and coordinators<br />

robustes Netzwerk von Observatorien zur Erd- und Ozeanbeobachtung<br />

für die südafrikanischen SADC-Staaten<br />

(Angola, Botswana, Lesotho, Namibia, Swaziland, Südafrika,<br />

Madagaskar, Malawi, Mozambique, Tansania,<br />

Zimbabwe) errichtet werden soll. Dieses Netzwerk ist<br />

Bestandteil des UN-Millennium-Projekts und Afrikas<br />

neu aufgelegtem Programm für wirtschaftliche Entwicklung<br />

(NEPAD).<br />

Warum in Afrika? Südafrika ist eines der besten natürlichen<br />

„Laboratorien“ für das System Erde. In der Geologie<br />

Südafrikas sind einzigartig gut erhaltene Hinweise auf<br />

tektonische Bewegungen, magmatische Ereignisse und<br />

Klimaänderungen der vergangenen 3500 Millionen Jahre<br />

gespeichert. Südafrika steht gegenwärtig im Zentrum<br />

einer dramatischen Veränderung des Erdmagnetfeldes und<br />

ist bekanntermaßen die Wiege der menschlichen Zivilisation.<br />

Die ältesten bekannten kulturellen Hinterlassenschaften<br />

wurden entlang der Küste des indischen Ozeans<br />

in Südafrika gefunden und sind auf siebzigtausend Jahre<br />

vor heute datiert worden. Der südafrikanische Kontinentalrand<br />

ist umgeben von einem komplizierten Netzwerk<br />

Themes Projects Coordination:<br />

Germany South Africa<br />

Inkaba ye Africa Brian Horsfield Maarten de Wit<br />

Coordinators horsf@gfz-potsdam.de maarten@cigces.uct.ac.za<br />

Heart of Africa Earth & Ocean Monitoring Jürgen Neumeyer Ludwig Combrinck<br />

Network across southern neum@gfz-potsdam.de Ludwig@hartrao.ac.za<br />

Africa<br />

Morphology of geomag- Mioara Mandea Peter Sutcliffe<br />

netic field variations in mioara@gfz-potsdam.de psutcliff@hmo.ac.za<br />

southern Africa<br />

Epeirogenic history of Jörg Erzinger Maarten de Wit<br />

southern Africa erz@gfz-potsdam.de maarten@cigces.uct.ac.za<br />

Samuel Niedermann<br />

nied@gfz-potsdam.de<br />

Rock burst and earthquake Georg Dresen Steve Spottiswoode<br />

hazards in deep gold mines dre@gfz-potsdam.de sspottis@csir.co.za<br />

Jörg Erzinger Sue Webb<br />

erz@gfz-potsdam.de webb@geosciences.wits.ac.za<br />

Margins of Africa The Western (Atlantic) Michael Weber Coenie deBeer<br />

Margin mhw@gfz-potsdam.de coenie@geobell.org.za<br />

B. Buttkus<br />

b.buttkus@bgr.de<br />

The Southern Margin – Oliver Ritter Maarten de Wit<br />

the Agulhas-Karoo oritter@gfz-potsdam.de maarten@cigces.uct.ac.za<br />

Geoscience Transect Karsten Gohl<br />

kgohl@awi-bremerhaven.de<br />

The Southeastern Margin Wilfried Jokat Mike Watkeys<br />

(start 2007) wjokat@awi-bremerhaven.de watkeys@nu.ac.za<br />

Dredging of the Walvis Ridge, Wilfried. Jokat Anton le Roex<br />

MeteorRise – Shona Ridge wjokat@awi-bremerhaven.de aleroex@geology@uct.ac.za<br />

(start 2006)<br />

Living Africa Generation, migration and Rolando di Primio George Smith<br />

sequestration of natural gas dipri@gfz-potsdam.de gcsmith@geology.uct.ac.za<br />

Seismic stratigraphy of the Gabriele Uenzelmann-Neben<br />

South African margins uenzel@awi-bremerhaven.de<br />

Neogene-Quaternary John Compton<br />

palaeoceanography compton@geology.uct.ac.za<br />

Past precipitation pattern of Hedi Oberhänsli Tim Partridge<br />

South Africa oberh@gfz-potsdam.de tcp@iafrica.com<br />

Capacity Building and Marian Tredoux<br />

Outreach mtd@geology.uct.ac.za<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


von Meeresströmungen, die klimatische Schwankungen<br />

ausgleichen und sich dadurch positiv auf die Entwicklung<br />

der frühesten Geschichte der Menschheit ausgewirkt<br />

haben könnten.<br />

Das südliche Afrika hat eine einzigartige ozeanographische<br />

Umgebung. Unter dem Einfluss der warmen Agulhas-Strömung<br />

und des kalten Benguelastroms entsteht<br />

eine komplizierte Mischzone (Cape Cauldron), in der warmes<br />

Wasser in den Atlantischen Ozean gelangt. Vermutlich<br />

kommt es durch diesen Mechanismus zu einem bedeutenden<br />

Wärmeaustausch zwischen der südlichen und<br />

nördlichen Hemisphäre, wobei die geologische Vergangenheit<br />

dieses Systems bisher noch wenig verstanden ist.<br />

Das im Bereich des breiten Kontinentalhangs entlang der<br />

Westküste aufwärts strömende Benguela-System ist ein<br />

Gebiet hoher Bio-Produktivität, das erhöhte organische<br />

Ablagerungen hervorruft und durch die erzeugte Dürre für<br />

den Erhalt der umliegenden Wüstengebiete verantwortlich<br />

ist. Südafrikas Tektonik ist einzigartig, was sich auch<br />

durch die ungewöhnliche stark ausgeprägte Hochebene in<br />

großer Entfernung von kompressiven Kontinentalrändern<br />

zeigt. Vermutlich ist dies das weltweit beste Beispiel von<br />

gleichzeitig stattfindender aktiver Epirogenese und innerkontinentaler<br />

Seismizität. Die Ursprünge dieses Phänomens<br />

sind allerdings kaum verstanden.<br />

Inkaba ye Africa besteht aus 12 Projekten, die auf die drei<br />

Hauptuntersuchungsgebiete, Heart of Africa (Im Herzen<br />

Afrikas), Margins of Africa (Die Kontinentränder Afrikas)<br />

und Living Africa, (Lebendiges Afrika) verteilt sind.<br />

Zentraler Bestandteil von Inkaba ye Africa sind die Themen<br />

Bildung und Öffentlichkeitsarbeit (capacity building<br />

and outreach, siehe Tab. 1). Jährliche Arbeitstreffen finden<br />

abwechselnd in beiden Ländern statt. Am letzten<br />

Treffen in Kapstadt im Mai <strong>2005</strong> nahmen 94 Wissenschaftler<br />

von Universitäten, staatlichen Institutionen und<br />

der Industrie teil, darunter 20 Studenten.<br />

Heart of Africa<br />

Im Projekt „Heart of Africa“ wird der Energietransfer<br />

vom Erdkern bis in den Weltraum hinein untersucht. Im<br />

Projekt COMPASS (COmprehensive Magnetic Processes<br />

under the African Southern Sub-continent) wird das Erdmagnetfeld<br />

in dieser Schlüsselregion genau vermessen,<br />

um – unterstützt durch globale Satellitenbeobachtungen<br />

des Erdmagnetfeldes – Säkularvariationen besseres verstehen<br />

und vorhersagen zu können (Hulot et al., 2002;<br />

Dormy and Mandea, <strong>2005</strong>). Satellitendaten zeigen eine<br />

generelle Abnahme des Erdmagnetfeldes, wobei das Magnetfeld<br />

im Bereich der Südatlantikanomalie signifikant<br />

schwächer ist als in vergleichbaren Breiten der Erde. In<br />

dieser Region ist der schützende Abschirmeffekt des Erdmagnetfelds<br />

so stark vermindert, dass hochenergetische<br />

elektromagnetische Teilchen bis in Tiefen von unter 100 km<br />

in die Atmosphäre eindringen können. Kontinuierliche<br />

Beobachtungen des Erdmagnetfeldes durch südafrikanische<br />

Wissenschaftler am magnetischen Observatorium<br />

in Hermanus haben eine Abnahme des Erdmagnetfeldes<br />

um 26 % seit 1920 ergeben. Zudem ändert sich die Aus-<br />

richtung des geomagnetischen Feldes sehr schnell im<br />

südlichen Afrika. Im Nordwesten verschiebt sich die Deklination<br />

weiter ostwärts, während im Südwesten ein Westwertstrend<br />

zu beobachten ist. Durch dieses Verhalten des<br />

Magnetfelds entsteht ein räumlicher Gradient über dem<br />

Subkontinent, der im Laufe der Zeit immer größer wird.<br />

In einem anderen Projekt („Die epirogenetische Geschichte<br />

von Südafrika“) wird untersucht, ob eine Verbindung<br />

zwischen der Hebungsgeschichte des Kontinents und dem<br />

Afrikanischen „Superswell“ besteht, der vermutlich auf<br />

eine regionale Aufwölbung des Erdmantels unter dem südlichen<br />

Afrika und der umliegenden Ozeane zurückzuführen<br />

ist: Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen<br />

diesem klassischen Beispiel für epirogenetische<br />

Hebung, Konvektion im Erdmantel und Anzeichen einer<br />

bevorstehenden Umkehr des Erdmagnetfeldes? Zur Quantifizierung<br />

der Erosions- und Hebungsgeschichte werden<br />

gegenwärtig Fissiontrack-Analysen und Datierungen kosmogen<br />

gebildeter Isotope durchgeführt. Ergebnisse von<br />

der Westküste Südafrikas zeigen, dass es dort vor 160 und<br />

100 Millionen Jahren zu einer schnellen Hebung des Kontinents<br />

gekommen ist. Dagegen gibt es von einem 600 km<br />

langen Profil, das von der Südküste nordwärts verläuft<br />

und auch drei Tiefbohrungen einschließt, klare Hinweise<br />

darauf, dass der Cape Fold Belt vor 250 Mio. Jahren von<br />

Sedimenten bedeckt und anschließend in der Kreide wieder<br />

exhumiert wurde. Bis zu sechs Kilometer mächtige<br />

Sedimente, die einstmals den Cape Fold Belt und das<br />

Karoo-Becken überdeckten, wurden in zwei punktuellen<br />

Episoden erodiert: in der frühen Kreide (120 bis 140 Ma)<br />

und in der mittleren Kreide (80 bis 100 Ma); weniger als<br />

15 % des Materials wurde in den letzten 80 Ma erodiert.<br />

Die beiden Exhumierungsereignisse in der Kreide fanden<br />

dabei zeitgleich mit zwei datierten Kimberlitintrusionen<br />

(Kimberlite 200 und 450) statt. Durch diese Untersuchungen<br />

ist es damit zum ersten Mal gelungen in Südafrika<br />

eine direkte Verbindung zwischen erhöhter Hebungs-<br />

bzw. Erosionsrate und einzelnen Episoden positiven<br />

Mantelauftriebs herzustellen. Um zu verstehen, inwieweit<br />

Topographie und Entwässerungsmuster darauf in<br />

jüngerer Zeit reagiert haben, werden Datierungen an kosmogenen<br />

Isotopen (Alter der Aufschlüsse an der Erdoberfläche)<br />

mittels 12 Ne in Quarz durchgeführt.<br />

Margins of Africa<br />

Ziel von „Margins of Africa“ ist es, Gründe für das Abspalten<br />

des südlichen Afrikas vom Superkontinent Gondwana<br />

und damit im Zusammenhang stehenden Auswirkungen<br />

zu erforschen. Wesentliche Bestandteile dieses Forschungsvorhabens<br />

sind eine Reihe von geophysikalischen<br />

Traversen zu Land und zur See, die über die drei verschiedenen<br />

Typen von Kontinentalrändern des südlichen<br />

Afrikas hinweg durchgeführt werden.<br />

Abb. 2 zeigt, welche der Experimente bisher schon im<br />

Bereich von zwei Kontinentalrändern stattgefunden haben.<br />

1. Der westliche (oder Atlantische) Kontinentalrand von<br />

Südafrika ist ein klassischer vulkanischer passiver<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

49


50<br />

Kontinentalrand mit Grabenbildung, der mit der Entstehung<br />

der ~ 130 Millionen Jahre alten Flutbasalte<br />

der Paraná-Etendeka-Provinz verbunden ist, von<br />

Sequenzen seewärts geneigter Reflektoren geprägt ist<br />

und eine underplated ozeanische Kruste mit hohen<br />

seismischen Geschwindigkeiten aufweist (z. B. Bauer<br />

et al., 2000). Im Jahr 2003 wurden neue amphibische<br />

seismische Experimente über das Orange-Becken hinweg<br />

vermessen. Mit zwei jeweils 500 km langen Land-<br />

Seeprofilen wurde der gesamte Verlauf von den tiefen<br />

ozeanischen Becken bis in den stabilen Kontinent hinein<br />

aufgenommen. Bei den Seemessungen wurden<br />

Reflexions- und Refraktionsseismische Messungen<br />

mit mehr als 2.300 Airgun-Schüssen und sieben Ozeanboden-Hydrophonen<br />

(OBH) durchgeführt. Die<br />

refraktionsseismischen Experimente wurden landseitig<br />

mit jeweils 40 km langen Profilen fortgesetzt,<br />

wobei mit Drei-Komponenten-Seismometern registriert<br />

und an drei Stellen mit Bohrlochsprengungen<br />

angeregt wurde. Vorläufige Geschwindigkeitsmodelle<br />

weisen im Vergleich zu Modellen von Namibia auf<br />

eine deutlich geringer mächtige underplated ozeanische<br />

Kruste und niedrigere seismische Geschwindig-<br />

Abb. 2: Lage von zwei kombinierten Land/See-seismischen Reflexions-<br />

Refraktionsprofilen und MCS-Linien entlang der Westküste, sowie von zwei<br />

Profilen über den südlichen Kontinentalrand Südafrikas. Die Agulhas Karoo<br />

Geo-Traverse ist seeseitig ergänzt durch reflexionsseismische Untersuchungen<br />

im Transkei-Becken. Magnetotellurikdaten wurden entlang von<br />

zwei Landprofilen gewonnen. NNMB: Namaqua Natal Mobile Belt, CFB:<br />

Cape Fold Belt, BMA: Beatti-Magnetikanomalie.<br />

Locations of two onshore/offshore seismic refection/ refraction and MCS<br />

lines across the west coast of South Africa and two lines across the southern<br />

margin of South Africa. The Agulhas Karoo Geoscience Transect in the south<br />

is complemented with offshore seismic reflection investigation in the Transkei<br />

Basin. Magnetotelluric data were collected along two profiles on land.<br />

NNMB: Namaqua Natal Mobile Belt, CFB: Cape Fold Belt, BMA: Beattie<br />

Magnetic Anomaly.<br />

keiten hin. Dies könnte ein Hinweis auf einen verminderten<br />

Einfluss des Tristan/Walfisch-Rücken-Hotspots<br />

im Süden sein, allerdings steht dies im Widerspruch<br />

mit der in den südlichen Profilen gefundenen,<br />

unvermindert häufigen oder sogar größeren Anzahl<br />

von seewärts geneigten Reflektoren. Neue Datierungen<br />

magnetischer Anomalien entlang der Küste lassen<br />

auch darauf schließen, dass die vulkanische Aktivität<br />

im Süden wesentlich älter ist als in Namibia.<br />

2. Die Agulhas Karoo-Traverse über dem südlichen Kontinentalrand<br />

Südafrikas erstreckt sich vom ozeanischen<br />

Agulhas-Plateau, über die Agulhas-Falkland-<br />

Scherzone, die die scharfe Ozean-Kontinentgrenze<br />

dominiert, den Kontinentalhang und von dort über<br />

240 km landeinwärts, hinweg über den Cape Fold Belt<br />

und das Karoo-Becken mit dem darunter liegenden,<br />

eine Milliarde alten granitischen Grundgebirge. Diese<br />

Traverse schließt die Beattie-Magnetikanomalie – eine<br />

der weltweit größten terrestrischen magnetischen<br />

Anomalien – und die rätselhafte elektrische Leitfähigkeitsanomalie<br />

des südlichen Kaps (SCCB) ein. Im<br />

Jahr <strong>2004</strong> wurden in diesem Gebiet hoch auflösende<br />

Magnetotellurikdaten an 82 Stationen im<br />

Frequenzbereich zwischen 1.000 Hz und<br />

0,001 Hz mit einem mittleren Stationsabstand<br />

von zwei Kilometern ge-messen.<br />

Diese neuen Daten zeigen eine Zone stark<br />

erhöhter elektrischer Leitfähigkeit in<br />

einer Tiefe von 5 bis 10 Kilometern, die<br />

mit der Lage der Beattie-Magnetikanomalie<br />

überein zu stimmen scheint (Weckmann<br />

et al., <strong>2005</strong>). Im November <strong>2005</strong><br />

wurde dieses Profil nach Süden hin<br />

verlängert. Komplementäre seismische<br />

Daten, wurden in einem amphibischen<br />

Experiment entlang von zwei Refraktionsprofilen<br />

aufgenommen. Jedes der<br />

Profile war 240 km lang, bestand aus<br />

48 Dreikomponentenseismometern, und<br />

es wurden 13 Bohrlochsprengungen ausgelöst.<br />

Die seeseismischen Daten wurden<br />

in drei Profilen gewonnen, die in ein<br />

existierendes Reflexions-Refraktionsnetz<br />

(Abb. 2 Gohl und Günzelmann-Neben,<br />

2001) eingebunden waren. Für das 400 km<br />

lange Profil im Westen wurden, in Verlängerung<br />

des Landprofils, 20 Ozeanbodenseismometer<br />

(OBS) aufgestellt. Das<br />

östliche Profil war 700 km lang und es<br />

wurde mit 27 OBS registriert. Vorläufige<br />

Ergebnisse bestätigen eine hervorragende<br />

Qualität der Daten, mit der reflektierte<br />

Mantelphasen bis in eine Entfernung<br />

von 200 km aufgelöst werden können.<br />

Living Africa<br />

Living Africa besteht aus einer Reihe von<br />

integrierten Programmen, die darauf<br />

abzielen mit Ablagerungsmodellen die<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Entwicklung der Kontinentalränder des südlichen Afrikas<br />

nachzuverfolgen. Wesentliches Ziel ist es, Verbindungen<br />

herzustellen zwischen Sedimentation, Tektonik, Eustatik,<br />

organischer Reife, Erdölmigration, sowie Klimavariationen<br />

und Ozeanzirkulation. So werden Seesedimente des<br />

fossilen Tswaing-Meteoritenkraters auch unter Zuhilfenahme<br />

anderer Klimaindikatoren, wie etwa Höhlenspeleothemen,<br />

untersucht, um die kontinentale Klimageschichte<br />

in der südlichen Hemisphäre zu rekonstruieren.<br />

Das Projekt „Generierung, Migration und Sequestration<br />

von natürlichen Gasen“ zielt darauf ab, ein ganzheitliches,<br />

dynamisches Model für den Kohlenstoffkreislauf zu entwickeln,<br />

unter Einbeziehung von geodynamischen Änderungen,<br />

Ablagerungsmustern, organischer Sedimentation,<br />

Reifeprozessen, Genese und schließlich Entgasung zurück<br />

in die Atmosphäre und die Biosphäre. Aufbauend auf 3Dseismischen<br />

und Bohrloch-Daten war es möglich, dazu ein<br />

geologisches Model für den atlantischen Kontinentalrand<br />

von der Syn-Rift-Phase bis hin zur gegenwärtigen Kontinentalrandkonfiguration<br />

zu entwickeln. In Verbindung<br />

mit Wärmeflussdaten konnte daraus ein Modell für das<br />

Erdölsystem konstruiert werden, mit dem Genese, Reifung<br />

und Leckagen von Kohlenwasserstoffen vorhergesagt<br />

und getestet werden kann. Die Ergebnisse weisen auf<br />

rezente und fossile Gasleckage, die zum Beispiel durch<br />

tektonostratigraphische Strukturen kontrolliert werden<br />

(Abb. 3).<br />

Zwei komplementäre Projekte thematisieren eine großräumige<br />

Reorganisation von Meeresströmungen in den<br />

südlichen Ozeanen, die mit der Öffnung der Drake-Passage<br />

verbunden ist (Compton et al., <strong>2004</strong>). Chemo-Stratigraphische<br />

Untersuchungen (Projekt Neogene bis Quartäre<br />

Paleo-Ozeanographie) haben ergeben, dass seit dem<br />

späten Oligozän eine signifikante Aufwölbung<br />

entlang des atlantischen Kontinentalrandes<br />

stattgefunden hat, während<br />

seismische Stratigraphie und Sedimentuntersuchungen<br />

auf eine proto-antarktische<br />

Tiefenwasserströmung hinweisen,<br />

die auch im Oligozän aktiv war (Uenzelmann-Neben,<br />

2003). Darüber hinaus<br />

konnte eine westwärts gerichtete Verlagerung<br />

des Benguela-Stroms nachgewiesen<br />

werden (Weigelt and Uenzelmann-<br />

Neben, <strong>2004</strong>). Die Auswertung zehn-<br />

Abb. 3:A. Gasleckagen an tektonostratigraphischen<br />

Strukturen, Orange-<br />

Becken: B. Seismische Eigenschaften die<br />

zum Training eines neuronalen Netzwerks<br />

verwendet wurden: C. das trainierte<br />

neuronale Netzwerk erkennt feinste<br />

Leckagephänomene entlang des gleichen<br />

Profils.<br />

A. Gas seeps at stratigraphic pinch-outs,<br />

Orange Basin: B. seismic attributes used<br />

to train a neural network: C. the trained<br />

neural network recognises subtle seepage<br />

phenomena in the same profile.<br />

bzw. hundertjähriger Datensätze vom Kontinentalhang im<br />

Holozän können mit terrestrischen Mega-Flutereignissen,<br />

die in den Flußterassen des Orange River erhalten sind,<br />

korreliert werden. Im weiteren Verlauf des Projektes sollen<br />

diese Daten auch mit terrestrischen Niederschlagsmustern<br />

des südlichen Afrikas, die vom Monsun/ENSO 1 -<br />

Kreislauf und antarktischen Wasserumwälzungen gesteuert<br />

werden, mit hoch aufgelösten Klimadaten von Bohrlochkernen<br />

aus dem fossilen Tswaing-Meteoritenkratersee<br />

(Projekt: Niederschlagsmuster der Vergangenheit in Südafrika)<br />

verglichen werden. Weiterhin werden Biomarker<br />

benutzt, um ökologische Veränderungen zu modellieren.<br />

Zusammengenommen ergibt dieses Projekt die umfassendste<br />

Übersicht der historischen Klimaänderung in und<br />

um das südliche Afrika.<br />

Bildung und Öffentlichkeitsarbeit (Capacity Building<br />

and Outreach)<br />

Ein ganz wesentliches Ziel von Inkaba ye Africa ist es, die<br />

Schlüsselgebiete Forschung und Entwicklung in Afrika<br />

nachhaltig zu stärken und auszubauen. Die Gemeinschaft<br />

der Geowissenschaftler in Südafrika hat erst kürzlich<br />

demonstriert, dass sich der Stand von F&E in dieser<br />

Region Afrikas gerade durch langfristig angelegte internationale<br />

Kooperationen stark verbessern lässt (Tredoux<br />

and Webb, <strong>2004</strong>). Zusätzlich zu den integrierten Programmen<br />

für Studenten, die eng mit den Aktivitäten der<br />

Wissenschaftler in Inkaba ye Africa verknüpft sind, gibt<br />

es ein besonderes Projekt, in dem die Lehrinhalte speziell<br />

auf die Bedürfnisse der früher benachteiligten Studenten<br />

abgestimmt sind. Weitere Bestandteile dieser Initiative sind<br />

öffentliche Vorträge und spezielle Tage der offenen Tür.<br />

1 Ozeanisch-klimatisches Phänomen: El Nino/Southern Oscillation<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

51


52<br />

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structure dynamics of the geodynamo inferred from Oersted and MAGSAT satellite<br />

data. Nature, 416, 620-623.<br />

Tredoux, M. and S. Webb (<strong>2004</strong>), Research capacity building in Africa as part of<br />

international programmes: experience gained form the Kaapvaal Craton project,<br />

South African Journal of Geology, 107, 7-12.<br />

Uenzelmann-Neben, G. (2003). Contourites on the Agulhas Plateau, SW Indian<br />

Ocean: Indications for the evolutions of currents since Paleogene times, Stow, D.,<br />

Faugeres, J.-C., Howe, J.C., Pudsey, C. & Viana, A. (eds), Deep-water Contourite<br />

Systems: Modern Drifts and Ancient Series, Seismic and Sedimentary Characteristics.<br />

Geological Society,London, Memoir, 22, 271-288.<br />

Weckmann, U., Ritter, O., Jung, A., Branch, T. and de Wit, M., (<strong>2005</strong>). Magnetotelluric<br />

measurements across the Beattie magnetic anomaly and the Southern Cape<br />

Conductive Belt, South Africa, J. Geophys. Research (under review).<br />

Weigelt, E., Uenzelmann-Neben, G. (<strong>2004</strong>). Sediment deposits in the Cape Basin:<br />

Indications for shifting ocean currents? AAPG Bulletin, Vol. 88, No. 6, 765-780.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


CHAMP und GRACE – erfolgreiche Schwerefeldund<br />

Klimamissionen<br />

Frank Flechtner, Roland Schmidt, Markus Rothacher, Jens Wickert, Hermann Lühr<br />

With the CHAMP (Challenging Mini-satellite Payload) and GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) satellite<br />

missions tremendous improvements in gravity field determination, but also in the field of atmospheric sounding<br />

and magnetic field mapping, have been achieved. By their outstanding instrumentation the Earth's gravity field model<br />

could be improved by a factor of 10 and, in the case of GRACE, by almost a factor of 100 compared to the best pre-<br />

CHAMP satellite-only model. GRACE allows for the first time to monitor the time variability of the gravity field on<br />

short time scales. These changes are due to seasonal and secular mass exchange between the oceans, the atmosphere<br />

and the solid Earth. The variations provide valuable knowledge about the dynamic processes in the Earth interior, the<br />

mass redistribution in the oceans or the change in ice coverage at the poles and in Greenland. Therefore, with GRACE,<br />

a detailed monitoring of how much water, ice and material is being moved within the Earth's system has become possible<br />

for the first time.<br />

On the following pages the status of the two missions and some outstanding results will be presented. Additional information<br />

on CHAMP and GRACE can be found in the <strong>GFZ</strong> reports 2000/01 and 2002/03.<br />

Mit den CHAMP- (Challenging Mini-Satellite Payload)<br />

und GRACE- (Gravity Recovery and Climate Experiment)<br />

Satellitenmissionen sind enorme Verbesserungen<br />

bei der Bestimmung des Erdschwerefeldes, aber auch bei<br />

der Sondierung der Atmosphäre sowie der Kartierung des<br />

Magnetfeldes erreicht worden. Durch ihre einzigartigen<br />

instrumentellen Ausstattungen konnte das Schwerefeld im<br />

Vergleich zu dem vor Beginn der CHAMP-Mission<br />

besten, rein aus Satellitendaten bestimmten Modell, um<br />

einen Faktor 10 bzw. im Falle GRACE bisher um das Hundertfache<br />

verbessert werden. Mit GRACE ist es zudem<br />

erstmals möglich geworden, die Variabilität des Schwerefeldes<br />

auf kurzen Zeitskalen zu beobachten. Diese Änderungen<br />

sind bedingt durch den saisonalen und langzeitlichen<br />

Massenaustausch zwischen den Ozeanen, der<br />

Atmosphäre und der festen Erde. Aus diesen zeitlichen<br />

Variationen kann man somit wertvolle Erkenntnisse über<br />

dynamische Vorgänge im Erdinneren, über die Umlagerung<br />

der Wassermassen in den Ozeanen oder die Veränderung<br />

der Eisbedeckung an den Polen oder in Grönland<br />

gewinnen. Somit lässt sich mit der GRACE-Mission erstmals<br />

im Detail beobachten, welche Mengen an Wasser,<br />

Eis und Materie im System Erde in Bewegung sind.<br />

Auf den folgenden Seiten werden der Stand der beiden<br />

Missionen sowie einige herausragende Ergebnisse dargestellt.<br />

Weitere Einzelheiten zu CHAMP und GRACE finden<br />

sich in den <strong>Zweijahresbericht</strong>en 2000/01 bzw. 2002/03<br />

des <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Die CHAMP-Mission<br />

Abb. 1: Die Geo-Satelliten CHAMP (links) und GRACE (rechts, Abb. Astrium)<br />

Geo-Satellites CHAMP (left) and GRACE (right)<br />

Der CHAMP-Satellit ist seit seinem Start am 15. Juli 2000<br />

nunmehr über 5 Jahre auf einer fast polaren Umlaufbahn<br />

im All und hat damit seine nominelle Lebensdauer bereits<br />

überschritten. Dies wurde durch ein zweimaliges Anheben<br />

des Orbits um je etwa 15 km im Jahr 2002 möglich<br />

(Abb. 2). Nach den momentanen Vorhersagen für die weitere<br />

Solaraktivität wird CHAMP, sofern keine weiteren<br />

Bahnkorrekturmanöver vorgenommen werden, etwa im<br />

Frühjahr 2008 in der Erdatmosphäre verglühen.<br />

Die Instrumente zur Schwerefeldbestimmung (GPS-<br />

BlackJack-Empfänger in Verbindung mit einer zenitorientierten<br />

Antenne, STAR-Akzelerometer, ASC Sternensensoren<br />

am Satellitenkörper und am Ausleger, Laser Retroreflektor),<br />

zur globalen Sondierung der vertikalen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

53


54<br />

Abb. 2: Aktueller (grün) und vorherberechneter (rot, blau) Verlauf der Bahnhöhe<br />

von CHAMP.<br />

Experienced (green) and predicted (red, blue) orbit decay of CHAMP.<br />

Schichtung der Atmosphäre (GPS-BlackJack-Empfänger<br />

in Verbindung mit einer rückwärtsschauenden Antenne),<br />

zur Bestimmung von Ionendriftgeschwindigkeit, Elektronendichte<br />

und Temperatur entlang der CHAMP-Bahn<br />

(Langmuir-Sonde und Digitales Ionen-Driftmeter DIDM)<br />

sowie zur Berechnung hochaufgelöster Magnetfeldmodelle<br />

(Fluxgate und Overhauser Magnetometer) arbeiten<br />

nach wie vor ohne Probleme und liefern kontinuierlich<br />

hochpräzise Messdaten.<br />

Die Messdaten werden vom Bodensegment (siehe weiter<br />

unten) empfangen und am <strong>GFZ</strong> Potsdam zu höherwertigen<br />

Produkten verarbeitet. Zur Nutzung der Zustandsgrößen<br />

in den Troposphären- und Stratosphärenschichten<br />

wie Temperatur oder Wasserdampfgehalt<br />

im Rahmen der Assimilation in Wettervorhersagemodellen<br />

müssen diese Produkte<br />

innerhalb von maximal 3 Stunden<br />

bereitgestellt werden. Aus diesem Grunde<br />

wurde vom GeoForschungsZentrum in<br />

Zusammenarbeit mit dem DLR eine weitere<br />

Empfangstation in Ny Ålesund auf<br />

Spitzbergen aufgebaut und in Betrieb<br />

genommen. Somit liegen die GPS-Messdaten<br />

zur Atmosphärensondierung spätestens<br />

nach einem Umlauf von CHAMP<br />

um die Erde, d.h. jeweils nach etwa<br />

100 Minuten vor und können in der verbleibenden<br />

Zeit weiter aufbereitet werden.<br />

Einige Beispiele hierzu sowie zur<br />

Magnetfeldbestimmung mit CHAMP-<br />

Beobachtungen finden sich weiter unten<br />

sowie im Beitrag des Department 1 im<br />

vorliegenden Berichtsband. Die sehr<br />

guten Ergebnisse im Rahmen der Schwerefeldbestimmung<br />

werden natürlich in<br />

der Zwischenzeit durch die Nachfolgemission<br />

GRACE in den Schatten<br />

gestellt. Dessen ungeachtet liefert<br />

CHAMP einen wichtigen Anteil bei<br />

der Betstimmung des hochauflösenden<br />

Schwerefeldes und kann auch dazu dienen,<br />

GRACE-Schwerefelder in Zeiten<br />

von Satellitenbahnwiederholungszyklen<br />

zu stützen.<br />

Die GRACE-Mission<br />

GRACE ist eine amerikanisch-deutsche<br />

Satellitenmission zur Beobachtung des<br />

Schwerefeldes und seiner zeitlichen<br />

Änderungen sowie zur Sondierung der<br />

Atmosphäre mit GPS-Radiookkultationsmessungen<br />

über einen Zeitraum von<br />

mindestens 5 Jahren. Dabei umkreisen<br />

zwei baugleiche Satelliten die Erde auf<br />

nahezu polaren Bahnen in niedriger Höhe<br />

und messen ihren gegenseitigen Abstand<br />

und dessen Änderung mit extrem hoher<br />

Genauigkeit. Die daraus abgeleiteten<br />

Schwerefeldvariationen sind ein Maß für<br />

alle Massenänderungen im System Erde. Somit können<br />

Veränderungen in den Oberflächen- und Tiefenströmungen<br />

der Ozeane, Änderungen in der kontinentalen Wasserspeicherung,<br />

der Eismassenhaushalt oder großräumige<br />

Deformationen und Massenbewegungen an der Erdoberfläche<br />

und im Erdinneren erstmals auf globaler Skala<br />

über längere Zeiträume beobachtet werden. Damit liefert<br />

die GRACE-Mission wichtige Ergebnisse zur Erdsystemforschung.<br />

Die von den beteiligten Wissenschaftlern so getauften<br />

Zwillingssatelliten „Tom“ und „Jerry“ wurden am 17. März<br />

2002 vom nord-russischen Weltraumbahnhof Plesetsk mit<br />

einer Rakete vom Typ „ROCKOT“ gestartet. Seither haben<br />

Abb. 3: Abstand der beiden GRACE-Satelliten [m] während des Austauschmanövers<br />

Mitte Dezember <strong>2005</strong> (http://www.csr.utexas.edu/grace/operations).<br />

Distance between the two GRACE satellites [m] during the switch manoeuvre<br />

mid December <strong>2005</strong> (http://www.csr.utexas.edu/grace/operations).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


sie bereits mehr als 21000-mal die Erde umkreist. Die<br />

Anfangsflughöhe von 500 km ist durch nur geringe Sonnenaktivität<br />

bis Ende <strong>2005</strong> auf 473 km abgesunken,<br />

wodurch sich auch die Sensitivität zur Schwerefeldbestimmung<br />

leicht erhöht hat. Um einer Alterung der Antenne<br />

des K-Band-Mikrowellenentfernungsmessgerätes durch<br />

Restmoleküle in der oberen Atmosphäre zu minimieren,<br />

wurden im Dezember <strong>2005</strong> die beiden Satelliten wie<br />

geplant nach etwa der Hälfte der Missionsdauer ausgetauscht.<br />

Dieses gewagte Manöver (Abb. 3) verlief ohne<br />

Zwischenfälle, wobei der kleinste Abstand der Satelliten<br />

am 10. Dezember <strong>2005</strong> lediglich 400 m betrug. Seitdem<br />

fliegt „Jerry“ vorneweg und durch seine Drehung um 180<br />

Grad in Richtung „Tom“ befindet sich nun seine K-Band<br />

Antenne im „Windschatten“.<br />

Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Satelliten<br />

arbeiten ohne Probleme und liefern bislang bis auf<br />

wenige Ausnahmen kontinuierlich Messdaten.<br />

Das zentrale Beobachtungsgerät zur Positionierung der<br />

Satelliten und zur Durchführung der Radiookkultationsmessungen<br />

ist der sich auch bei CHAMP im Einsatz befindende<br />

GPS-BlackJack-Empfänger. Während die Positionsmessungen<br />

seit Beginn der Mission als unbedingt<br />

notwendige Beobachtungen zur Schwerefeldbestimmung<br />

durchgeführt werden, wurden die Radiookkultationsmessungen<br />

bisher nur experimentell für einige Tage, aber sehr<br />

erfolgreich, aktiviert.<br />

Das Instrument, das die extrem genaue Schwerefeldbestimmung<br />

von GRACE erst ermöglicht, ist das von<br />

NASA/JPL bereitgestellte Zweifrequenz-K-band-Entfernungsmesssystem<br />

(HAIRS). Mit diesem Gerät kann man<br />

den Abstand und die Abstandsänderungen der beiden<br />

Satelliten genauer als 10 m bzw. 1 m/s beobachten. Diese<br />

beiden Messgrößen stellen ein Maß für Massenvariationen<br />

und damit Schwereänderungen unterhalb der Flugbahn<br />

der beiden Satelliten dar.<br />

Das SuperSTAR-Akzelerometer, eine Weiterentwicklung<br />

des bei CHAMP bereits erfolgreich eingesetzten elektrostatischen,<br />

dreiachsigen STAR-Akzelerometers, misst<br />

die kontinuierlich auf den Satelliten wirkende, nicht-gravitative<br />

Störbeschleunigung von bis zu 10 -4 m/s 2 mit einer<br />

Auflösung von 10 -10 m/s 2 . Damit ist es um eine Größenordnung<br />

genauer als das STAR-Gerät. Es arbeitet in allen<br />

drei Achsen im Rahmen der Spezifikationen und liefert<br />

damit wichtige Messdaten zur Trennung der nicht-gravitativen<br />

Beschleunigungen von den Gravitationsbeschleunigungen.<br />

Beide Satelliten tragen außerdem jeweils zwei Sternensensoren.<br />

Diese dienen dazu, die Lage der Satelliten in<br />

einem Quasi-Inertialsystem zu bestimmen und über das<br />

bordseitige Lageregelungssystem die Satelliten in einer<br />

definierten Ausrichtung zueinander und zur Erde zu halten.<br />

Diese Information wird einerseits dazu benötigt, um<br />

die K-Band-Beobachtungen optimal, d. h. ohne Leistungsverlust,<br />

zu ermöglichen, andererseits müssen die<br />

Beobachtungen der Beschleunigungsmesser aus dem<br />

Instrumenten- in das Bahnkoordinatensystem transformiert<br />

werden.<br />

Schließlich befindet sich auf beiden Satelliten jeweils ein<br />

vom <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelter und gebauter, sehr kompakter<br />

und aus vier Prismen bestehender Laser-Retro-<br />

Reflektor (LRR). Dieser ist, wie sein baugleicher<br />

CHAMP-LRR, sowohl für Nacht- als auch für Tageslichtbedingungen<br />

geeignet. Das Bodenstationsnetz des<br />

Internationalen Laserdienstes (ILRS) liefert zu beiden<br />

Satelliten etwa 3 bis 4 Passagen täglich. Da die Einzelschussgenauigkeit<br />

einiger Stationen nur wenige mm<br />

beträgt, stellen die SLR-Beobachtungen eine sehr gute<br />

unabhängige Messgröße dar, die regelmäßig zu Validations-<br />

und Kalibrationszwecken im Rahmen der GRACE-<br />

Bahnbestimmung herangezogen werden.<br />

Das CHAMP- und GRACE-Bodensegement<br />

Die CHAMP- und GRACE-Bodensegmente bestehen<br />

prinzipiell aus folgenden Komponenten:<br />

• dem vom Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum des<br />

DLR in Oberpfaffenhofen betriebenen Mission Operation<br />

System (MOS), das für die laufende Überwachung<br />

der Satellitenfunktionen, den Betrieb der<br />

Sende- und Empfangsanlagen in Weilheim und Neustrelitz,<br />

für die Übermittlung von Kommandos, Kontroll-<br />

und Instrumentendaten und den Betrieb des Rohdatenzentrums<br />

zuständig ist,<br />

• einer vom <strong>GFZ</strong> betriebenen zusätzlichen polaren Empfangsstation<br />

in Ny Ålesund auf Spitzbergen, bestehend<br />

aus zwei unabhängigen Antennen und Empfängern, die<br />

den gleichzeitigen Empfang der beiden GRACE- oder<br />

der CHAMP-GRACE-Messdaten bei fast jedem Umlauf<br />

der Satelliten und damit die Auswertung der Okkultationsdaten<br />

in quasi Echtzeit sowie die kontinuierliche<br />

Überwachung der Satelliten ermöglichen (Abb. 4),<br />

• einem von <strong>GFZ</strong>, JPL und dem Internationalen GNSS<br />

Service (IGS) bereitgestellten globalen Netz von GPS-<br />

Stationen mit schneller Verfügbarkeit hochratiger Daten<br />

für die schnelle Bahnbestimmung der GPS-Sendersatelliten<br />

und für die Auswertung der Radiookkultationen,<br />

• einem vom Internationalen Laser Ranging Service<br />

(ILRS) koordinierten Netz von Laserstationen zur<br />

Gewinnung von Präzisionsentfernungsmessungen<br />

zum Laserreflektor für die Bahnbestimmung bzw. zur<br />

unabhängigen Bahnkontrolle,<br />

• einem vom <strong>GFZ</strong> Potsdam allein (CHAMP) und in<br />

einem Gemeinschaftsprojekt (GRACE) zwischen dem<br />

Jet Propulsion Laboratory (JPL), dem Zentrum für<br />

Weltraumforschung der Universität Texas (UTCSR)<br />

und dem <strong>GFZ</strong> entwickelten und betriebenen Wissenschaftsdatensystem<br />

zur Prozessierung der am Datenzentrum<br />

bereitgestellten Rohdaten zu höherwertigen<br />

Instrumentendaten, Schwerefeld- und Okkultationsprodukten<br />

bzw. Magnetfeldinformationen. Diese Produkte<br />

stehen dann über das Information System and<br />

Data Center (ISDC) sowie zusätzlich bei GRACE am<br />

Physical Oceanography Distributed Active Archive<br />

Center (PO.DAAC) den Nutzern zur Verfügung.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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56<br />

Abb. 4: Aufbau der zweiten Antenne der <strong>GFZ</strong>/DLR-Multisatelliten-Empfangsstation<br />

in Ny Ålesund im Herbst<br />

<strong>2005</strong> (Foto C. Falck, <strong>GFZ</strong>).<br />

Set-up of the second antennae of the <strong>GFZ</strong>/DLR multi-satellite<br />

receiving station in Ny Ålesund in autumn <strong>2005</strong>.<br />

Das Schwerefeld der Erde und dessen zeitliche<br />

Variation<br />

Aus den Entfernungsbeobachtungen der CHAMP- und<br />

GRACE-Missionen zu hochfliegenden GPS-Satelliten<br />

und insbesondere durch die Abstandsvariationen zwischen<br />

den beiden GRACE-Zwillingssatelliten wird das<br />

Schwerefeld der Erde mit nie da gewesener Genauigkeit<br />

und erstmals auch dessen zeitliche Variation bestimmt.<br />

Damit hat ein neues Zeitalter der Schwerefeldbestimmung<br />

begonnen, da man jetzt geophysikalische und klimatologisch<br />

angetriebene Massenverlagerungen in der Hydrosphäre,<br />

der Kryosphäre, den Ozeanen und der festen Erde<br />

bilanzieren kann. Dadurch trägt die Schwerefeldkomponente<br />

der beiden Missionen, neben der Sondierung der<br />

Atmosphäre und der Bestimmung des Erdmagnetfeldes,<br />

wesentlich zur globalen Klimaforschung bei.<br />

Globale Schwerefeldmodelle<br />

Die Standards und Korrekturmodelle für die CHAMPund<br />

GRACE-Schwerefeldprozessierung wurden inner-<br />

halb der wissenschaftlichen Prozessierungssysteme<br />

immer wieder verbessert und erweitert. Zu erwähnen<br />

sind die<br />

• Nutzung eines verbesserten Modells zur Berücksichtigung<br />

von Kurzzeitmassenvariationen in der<br />

Atmosphäre und in den Ozeanen. Hier wird nun statt<br />

des vereinfachenden barotropen Modells, das zusätzlich<br />

Lücken an den Polen aufweist, ein globales baroklines<br />

Modell, das durch die TU Dresden bereitgestellt<br />

wird, verwendet;<br />

• verbesserte Bestimmung der Mehrdeutigkeiten der<br />

GPS-Beobachtungen. Dies führt insbesondere zu<br />

genaueren GPS-Bahnen und -Uhrenparametern, die<br />

damit einen verbesserten Referenzrahmen für die Auswertung<br />

der CHAMP- und GRACE-Satelliten darstellen;<br />

• Auswertung der Instrumentendaten in kürzeren Zeitintervallen<br />

(Tageslösungen);<br />

• Verwendung des am <strong>GFZ</strong> Potsdam berechneten<br />

EIGEN-CG03C-Kombinationsschwerefeldes als verbessertes<br />

Näherungsmodell.<br />

Auf dieser Basis wurde fast die komplette GRACE-Mission<br />

neu ausgewertet. Die daraus abgeleitete Schwerefeldserie<br />

EIGEN-GRACE04S in Form von monatlichen<br />

Modellen sowie einem daraus gemittelten statischen<br />

Modell (entwickelt bis Grad und Ordnung 120) zeigt dabei<br />

im kurz- und mittelwelligen Bereich eine etwa 25 – 30 %<br />

bessere Anpassung an externe Vergleichsdaten (Schwereanomalien<br />

oder das aus Altimeterdaten bestimmte ozeanische<br />

Geoid) als die vorherige in <strong>2004</strong> gerechnete Serie<br />

EIGEN-GRACE03S. Unrealistische Signale auf den Ozeanen<br />

(Abb. 5a, b) sind in der neuen Lösung deutlich reduziert<br />

oder nicht mehr vorhanden. Weiterhin kann man nun<br />

alle niederen Grade der Schwerefeldlösungen benutzen,<br />

da diese Terme im Gegensatz zu bisherigen Lösungen nun<br />

sehr realistische Werte annehmen. Dies wird insbesondere<br />

bei dem die Erdabplattung beschreibenden C 20-Koeffizienten<br />

sichtbar (Abb. 6), der unabhängig aus Laser-Entfernungsmessungen<br />

zum hochfliegenden Lageos-Satelliten<br />

abgeleitet wurde.<br />

Abb. 5a, b: Geoidänderung in [mm] zwischen Mai und August 2003, berechnet aus EIGEN-GRACE03S (links) und<br />

EIGEN-GRACE04S (rechts) und dargestellt als räumliche Mittelwerte (Gauss-Filter mit einer Länge des Filterradius<br />

von 500 km). Eingekreist sind bisher unrealistische Signale über den Ozeanen.<br />

Geoid variations [mm] between May and August 2003 calculated from EIGEN-GRACE03C (left) and EIGEN-<br />

GRACE04S (right), shown as spatial mean values calculated with a Gaussian filter with a filter radius length of 500<br />

km. So far unrealistic signals over the oceans are encircled.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 6: C 20-Variation abgeleitet aus monatlichen EIGEN-GRACE04S-<br />

Schwerefeldern und 14-tägigen Werten aus LAGEOS Satellite Laser Ranging-Daten.<br />

C 20 variations derived from monthly EIGEN-GRACE04S gravity fields and<br />

bi-weekly values derived from LAGEOS satellite laser ranging data.<br />

Analog wurden die CHAMP-Schwerefelder mit den<br />

GRACE-Auswertestandards bis zu Grad und Ordnung 60<br />

monatsweise über einen Zeitraum von fünf Jahren neu<br />

berechnet und anschließend jeweils drei Monate als gleitendes<br />

Mittel kombiniert. Die Güte dieser neuen Zeitreihe<br />

EIGEN-CHAMP04S zeigt sich in der hohen Korrelation<br />

vieler Kugelfunktionskoeffizienten mit denen der<br />

GRACE-Lösung. Obwohl mit CHAMP insgesamt nur<br />

eine geringere räumliche und zeitliche Auflösung des zeitvariablen<br />

Schwerefeldes als mit GRACE erreicht werden<br />

kann, dienen die CHAMP-Ergebnisse vor allem zur Verlängerung<br />

der Zeitreihen der GRACE-Mission. Ähnliches<br />

gilt für die Prozessierung des Lageos-Satelliten, dessen<br />

über 20 Jahre ausgedehnte Zeitreihe insbesondere Schwerefeldkoeffizienten<br />

beschreibt, die in einem direkten Zusammenhang<br />

mit der Lage des Massenzentrums und den<br />

Hauptträgheitsachsen der Erde stehen. Ziel der weiteren<br />

Arbeiten wird es daher auch sein, die<br />

Kombination der verschiedenen Satellitenmissionen<br />

zu untersuchen, um mögliche<br />

Synergieeffekte für die Erstellung<br />

möglichst langer konsistenter Zeitreihen<br />

als Grundlage für die geowissenschaftlichen<br />

Anwendungen zu schaffen.<br />

Räumlich hochauflösendes statisches<br />

Schwerefeld<br />

Aus den neuen Schwerefeldlösungen EI-<br />

GEN-CHAMP04S, EIGEN-GRACE04S<br />

und Lageos-SLR-Beobachtungen (Satellite<br />

Laser Ranging) sowie reprozessierten<br />

hochaufgelösten terrestrischen Schwerefeldinformationen<br />

wurde begonnen, ein<br />

neues Kombinationsschwerefeldmodell<br />

EIGEN-CGS04C zu berechnen. Die Oberflächenschweredaten<br />

stammen dabei aus<br />

der Satellitenaltimetrie über den Weltmeeren,<br />

wo das <strong>GFZ</strong> Potsdam ein neues<br />

ozeanisches Geoid (Näheres dazu im<br />

Bericht des Dep. 1 in diesem Band) berechnet<br />

hat, und gravimetrisch bestimmten Schwereinformationen<br />

über Land. Von der Kombination mit dem hochfliegenden<br />

Lageos-Satelliten wird insbesondere eine Stabilisierung<br />

der langwelligen Anteile des Schwerefeldes<br />

erwartet. Aus diesem hochauflösenden Schwerefeld kann<br />

man topographisch-geophysikalische Strukturen wie<br />

Anden, Himalaja, nordatlantischer Rücken (positive<br />

Anomalien) oder Tiefseegräben am Rande des Nordwestpazifiks<br />

oder an der Westküste Südamerikas (negative<br />

Anomalien) bis hinab zu etwa 50 km (halbe Wellenlänge)<br />

gut erkennen (Abb. 8). Da das Schwerefeld an der Erdoberfläche<br />

ein Summensignal der Dichteverteilung über<br />

den gesamten Erdkörper darstellt, sind für eine weitere,<br />

tiefer gehende Interpretation der geophysikalischer Strukturen<br />

und Prozesse dreidimensionale seismologische<br />

Tomografie-Modelle (siehe Detailbericht des Dep. 1)<br />

notwendig.<br />

Abb.7a,b:Korrelationsmatrix für EIGEN-CHAMP04S- und EIGEN-GRACE04S-Kugelfunktionskoeffizienten Cnm ,dargestellt<br />

bis Grad und Ordnung 10 (links) und beispielhaft der Koeffizient C44 (rechts).<br />

Correlation matrix for EIGEN-CHAMP04S and EIGEN-GRACE04S spherical harmonic coefficients Cnm, up to degree<br />

and order 10 (left) and exemplified the coefficient C44 (right).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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58<br />

Abb. 8: Geographische Verteilung der Schwereanomalien (bezogen auf die<br />

ellipsoidische Normalschwere in Einheiten mgal = 10 –5 m/s 2 ~10 –6 g) des<br />

Kombinationsschwerefeldes EIGEN-CG03C (rechts) und des vorläufigen<br />

Kombinationsmodells EIGEN-CG04C (links). Man erkennt im Schwerefeldmodell<br />

bereits die reduzierte Streifigkeit (fehlerhafte Abbildung der Satellitenbahnen)<br />

sowie die erhöhte Auflösung.<br />

Geographic distribution of gravity anomalies (referring to ellipsoidal mean<br />

gravity in mgal = 10 –5 m/s 2 ~10 –6 g) of the EIGEN-CG03C (right) and the<br />

preliminary EIGEN-CG04C (left) combination gravity field. Both the reduced<br />

striping (deficient depiction of satellite orbits) and the increased resolution<br />

are visible in the gravity field model.<br />

Zeitvariabilität des Schwerefeldes<br />

Da die Bodenspuren der GRACE-Satellitenbahnen sich<br />

prinzipiell nicht wiederholen und die Bahnen und der relative<br />

Abstand der Satelliten kontinuierlich mittels K-Band<br />

hochpräzise vermessen werden, ist es erstmals möglich,<br />

Schwerefelder höchster Genauigkeit über einen relativ<br />

kurzen Zeitraum von einem Monat zu bestimmen und<br />

damit die Variabilität des Schwerefeldes zu beobachten.<br />

Diese Änderungen sind bedingt durch den saisonalen oder<br />

langzeitlichen Massenaustausch zwischen den Ozeanen,<br />

der Atmosphäre und der festen Erde. Aus diesen zeitlichen<br />

Variationen kann man somit wertvolle Erkenntnisse über<br />

dynamische Vorgänge im Erdinneren, über die Umlagerung<br />

der Wassermassen in den Ozeanen oder die Veränderung<br />

der Eisbedeckung an den Polen oder in Grönland<br />

gewinnen.<br />

Das Potential der neuen EIGEN-<br />

GRACE04S-Schwerefeldlösungen zur<br />

Beobachtung von Massenvariationen zeigt<br />

sich beispielsweise im Vergleich mit der<br />

aus dem WaterGap Hydrological Model<br />

(WGHM) abgeleiteten Variation des kontinentalen<br />

Wasserhaushalts. Da bei der<br />

Prozessierung bekannte kurzzeitige Variationen<br />

(bedingt durch Ozean- und Erdgezeiten<br />

sowie Massenverlagerungen in<br />

der Atmosphäre und den Ozeanen) bereits<br />

korrigiert wurden, sollte die Differenz<br />

zweier derart bestimmter monatlicher<br />

Schwerefelder mit der Differenz des<br />

hydrologischen Signals in guter Näherung<br />

übereinstimmen. Abbildung 9 a, b zeigt<br />

die Differenzen zwischen zwei monatlichen<br />

GRACE-Schwerefeldern und den<br />

entsprechenden Differenzen des WGHM-<br />

Modells. Man sieht das hohe Maß an<br />

räumlicher Übereinstimmung insbesondere<br />

in den Gebieten mit einem großen<br />

hydrologischen Signal (Amazonas, Kongo,<br />

Ob, etc.). Wertet man die ganzen vorhandenen<br />

Schwerefeld- und WGHM-Zeitreihen<br />

aus, indem man Beckenmittelwerte<br />

für alle großen Wasserreservoirs berechnet, zeigt sich,<br />

dass für die meisten Wasserreservoirs im Jahreszyklus die<br />

Phasen gut übereinstimmen, GRACE dagegen fast immer<br />

größere Amplituden wiedergibt (Abb. 10a, b). Dies könnte<br />

in nicht ausreichend modellierten Anteilen (Grundwasser,<br />

Schneebedeckung, etc.) im WGHM liegen.<br />

Ein weiteres Potential der GRACE-Mission ist, den Ozeanbodendruck<br />

zu bestimmen, der ein Maß für die Tiefseeströmungen<br />

ist. Erste Analysen mit EIGEN-GRACE03S<br />

(Kanzow et al., <strong>2005</strong>) und EIGEN-GRACE04S haben hier<br />

schon eine hohe Korrelation, allerdings bisher nur auf großräumigen<br />

Skalen, festgestellt (Abb. 11). Da das Ozeanbodendrucksignal<br />

im Gegensatz zur kontinentalen Hydrologie<br />

eine nur sehr kleine Amplitude hat, wird dessen Bestimmung<br />

eine der Herausforderungen bei den künftigen<br />

Schwerefeldberechnungen und Auswertungen sein.<br />

Abb. 9a, b: Differenzen zwischen den monatlichen (August 2003 minus Mai 2003) GRACE-Schwerefeldern (links) und<br />

den entsprechenden Differenzen des WGHM-Modells (rechts) in Form von Geoidhöhen in [mm]. Räumliche Mittelung<br />

wie in Abb. 5a, b.<br />

Differences between the monthly (August 2003 minus May 2003) GRACE gravity fields (left) and the corresponding<br />

differences of the WGHM model (right) in terms of geoid heights [mm]. Spatial mean as in Fig.5.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 10a, b: Zeitserie der Beckenmittelwerte für Amazonas (links) und Ganges (rechts) (in Einheiten äquivalenter Wassersäule<br />

in mm).<br />

Time series of mean basin values for Amazon (left) and Ganges (right) (in units of equivalent water column in [mm]).<br />

Abb. 11: Zeitserie des aus EIGEN-GRACE04S abgeleiteten Ozeanbodendrucks<br />

(in mbar), gemittelt für den Nordatlantik und geglättet mit einem<br />

1000 km- sowie 2500 km-Gauss-Filter, sowie das entsprechende Signal aus<br />

dem ECCO-Ozeanmodel.<br />

Time series of ocean bottom pressure derived from EIGEN-GRACE04S data<br />

[mbar], averaged for the North Atlantic and smoothed with a 1000 km and<br />

a 2500 km Gaussian filter, and the corresponding signal derived from the<br />

ECCO ocean model.<br />

Globale und präzise GPS-Atmosphärensondierung<br />

Seit Februar 2001 werden an Bord des CHAMP-Satelliten<br />

GPS-Radiookkultationsmessungen aufgezeichnet.<br />

Mit dieser innovativen Fernerkundungsmethode können<br />

präzise Informationen über die Vertikalstruktur der Erdatmosphäre<br />

(Luftdruck, Temperatur und Wasserdampf) im<br />

globalen Maßstab abgeleitet werden.<br />

Bis Ende <strong>2005</strong> sind nahezu 400.000 Messungen durchgeführt<br />

worden. Dieser in seiner Länge und Qualität weltweit<br />

einzigartiger Datensatz hat wesentlich zur Weiter-<br />

entwicklung der noch relativ jungen GPS-<br />

Fernerkundungsmethode beigetragen.<br />

Weiterhin wurde durch eine Vielzahl<br />

internationaler Forschungsgruppen mit<br />

den vom <strong>GFZ</strong> Potsdam bereitgestellten<br />

Daten Studien zur Verbesserung globaler<br />

Wettervorhersagen, zur Untersuchung<br />

klimatologischer Veränderungen der Erdatmosphäre<br />

und zur Untersuchung unterschiedlichster<br />

atmosphärischer Phänomene<br />

durchgeführt. Als Beispiel zeigt<br />

Abb. 12 die globale Verteilung von Tropopausenparametern,<br />

deren Veränderung<br />

in direktem Zusammenhang mit klimatischen<br />

Veränderungen (Erwärmung, Abkühlung)<br />

steht. Das <strong>GFZ</strong> Potsdam konnte<br />

auch die Bereitstellung der CHAMP-<br />

Daten mit sehr kurzer Zeitverzögerung<br />

(zwei Stunden) zwischen Messung und<br />

Verfügbarkeit der atmosphärischen Parameter<br />

demonstrieren, eine wesentliche<br />

Voraussetzung für die Verbesserung der<br />

Wettervorhersage.<br />

Beide GRACE-Satelliten verfügen, analog<br />

zu CHAMP, über die Voraussetzungen<br />

zur Aufzeichnung von GPS-Radiookkultationsdaten.<br />

Erste Messungen wurden Mitte <strong>2004</strong> auf<br />

GRACE-B durchgeführt (Abb. 13) und wiesen eine mit<br />

CHAMP vergleichbare Qualität auf. Zusammen mit<br />

CHAMP wurden mehr als 300 Vertikalprofile täglich<br />

gemessen. Verbesserte Charakteristika der Satellitenuhr<br />

an Bord von GRACE im Vergleich zu CHAMP führte<br />

weiterhin dazu, dass erstmals eine vereinfachende Methode<br />

(differenzenlose GPS-Prozessierung) zur Auswertung<br />

der GPS-Daten angewendet werden konnte. Durch den<br />

Verzicht auf zusätzliche Daten führt dieses Verfahren zu<br />

einer deutlichen Reduzierung der Anforderungen an Infrastruktur<br />

und Auswertung von GRACE und auch zukünftiger<br />

Satellitenmissionen mit GPS-Radiookkultation.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

59


60<br />

Abb. 12: Mittlere globale Tropopausentemperatur (links) und -höhe (rechts), abgeleitet aus ca. 250.000 CHAMP-Okkultationsmessungen<br />

zwischen Mai 2001 und Dezember <strong>2005</strong>. Zeitliche Veränderungen dieser Tropopausenparameter sind<br />

Indikatoren für Klimaänderungen. Eine globale Erwärmung hat u.a. eine im Mittel größere Tropopausenhöhe (Ausdehnung<br />

der Troposphäre) zur Folge.<br />

Mean global tropopause temperatures (left) and height (right), derived from approximately 250,000 CHAMP occultation<br />

measurements between May 2001 and December <strong>2005</strong>. Temporal variations of these tropopause parameters are<br />

indicators for climate change. Global warming leads, among others, to an (on an average) increased tropopause height<br />

(expansion of tropopause).<br />

Abb. 13: Geografische Verteilung der ersten GPS-Okkultationsmessungen<br />

von GRACE-B (120; rote Punkte) ergänzt<br />

durch die Orte der CHAMP-Messungen (218, schwarze<br />

Kreuze) zwischen dem 28. (06:00 UTC) und 29. Juli (07:00<br />

UTC) <strong>2004</strong>.<br />

Geographic distribution of the first GPS occultation measurements<br />

performed by GRACE-B (120; red dots), supplemented<br />

by the locations of the CHAMP measurements<br />

(218; black crosses) between July 28 (06:00 UTC) and<br />

29 (07:00 UTC) <strong>2004</strong>.<br />

Auf CHAMP-Daten basierende hochaufgelöste<br />

Magnetfeldmodelle<br />

Ein weiteres Missionsziel von CHAMP ist die hochauflösende<br />

Vermessung des geomagnetischen Feldes. Nach<br />

einer kontinuierlichen Messphase von über fünf Jahren<br />

kann diese Aufgabe mit zunehmender Präzision erfüllt<br />

werden. Maßgeblich hierfür ist eine konstruktive Überlagerung<br />

von mehreren günstigen Umständen.<br />

Zum einen haben wir eine kontinuierlich länger werdende<br />

Datenreihe. Diese erlaubt es, die Feldverteilung immer<br />

genauer zu bestimmen. Es nimmt aber nicht nur die Datenmenge<br />

zu, sondern auch ihre Qualität. Dies ist zum ei-<br />

nen bedingt durch die abnehmende Bahnhöhe. CHAMP<br />

nähert sich immer mehr dem Messobjekt Erde und registriert<br />

damit mehr Details. Zum anderen befinden wir uns<br />

zurzeit in der abklingenden Phase des solaren Aktivitätszyklus’.<br />

Damit nehmen auch die Störungen der Magnetfeldmessungen<br />

durch Ströme in der Ionosphäre und Magnetosphäre<br />

ab. Diese positive Entwicklung hat dazu<br />

geführt, dass CHAMP jetzt Magnetfeldmessungen mit<br />

bisher nicht erreichter Auflösung ausführt.<br />

Basierend auf den ausgezeichneten Daten konnten einige<br />

bedeutende Ergebnisse erzielt werden. Vor allem seien hier<br />

die hochauflösenden Modelle des Erdfeldes erwähnt. Spezielle<br />

Anstrengungen wurden in die kontinuierliche<br />

Weiterentwickelung der Modellreihe „POtsdam Magnetic<br />

Model of the Earth“ (POMME) investiert. Die aktuelle<br />

Version des Modells, POMME 2, ist mit einem vergleichsweise<br />

großen Gewicht (50 %) in das von der IAGA<br />

herausgegebene „International Geomagnetic Reference<br />

Field“ (IGRF-<strong>2005</strong>) eingeflossen (Maus et al., <strong>2005</strong>).<br />

Wesentliche Verbesserungen in der Beschreibung des<br />

magnetischen Hauptfeldes waren möglich, nachdem ein<br />

neuer Ansatz für die Charakterisierung der äußeren Magnetfelder<br />

eingeführt wurde. Die wesentliche Änderung<br />

gegenüber früheren Ansätzen besteht darin, dass die parasitären,<br />

äußeren Felder nicht mehr im erdfesten System<br />

betrachtet werden, sondern in einem Koordinatensystem,<br />

das der Geometrie der magnetosphärischen Ströme angepasst<br />

ist. In diesem durch die Wechselwirkung von Sonnenwind<br />

und Erdmagnetfeld festgelegten Rahmen lassen<br />

sich die Effekte der Ströme mit wenigen Koeffizienten viel<br />

genauer beschreiben (Maus und Lühr, <strong>2005</strong>).<br />

Unter Berücksichtigung aller bekannten magnetischen<br />

Störeinflüsse, ionosphärischen Effekte, magnetosphärischen<br />

Ströme, Induktion im Erdinneren, magnetischen<br />

Signaturen der Ozeanströmung, wurde das Modell<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 14: Zwei Ausschnitte aus der Karte der Krustenmagnetisierung von CHAMP. Bei der erzielten Auflösung werden<br />

über die magnetischen Signaturen großräumige geologische Strukturen sichtbar. Im amerikanischen Sektor ist z. B. das<br />

Eisenerzlager von Kentucky (KT) besonders herausragend. Auch der Unterschied zwischen dem magnetisierten Kontinentalschild<br />

und dem strukturlosen Ozeanboden wird deutlich. In der rechten Bildhälfte ist zu erkennen, wie magnetische<br />

Anomalien tektonische Grenzen nachzeichnen. Dies wird besonders deutlich entlang des Java-Grabens. Negative<br />

Abweichungen, Feldabschwächungen, (blaue Flächen) deuten auf erhöhte Temperaturen im Untergrund, rote dagegen<br />

auf eine dicke kühle Kruste (Quelle: Maus et al., 2006, Geophys. J. Int.).<br />

Two detail maps of the crustal magnetisation, as derived from CHAMP. At this resolution the magnetic signatures can<br />

be related to large-scale geological feature. In the American sector the Kentucky iron ore deposit (KT) is particularly<br />

outstanding. Furthermore, here the contrast becomes quite clear between the magnetized continental shield and the<br />

featureless ocean bottom. In the right frame, showing the Indonesian region, we can see how magnetic anomalies mark<br />

the active tectonic zones (green lines). This is particularly evident along the Java trench. Negative deviations (blue patches)<br />

representing a weakening of the field, suggest an enhanced temperature of the crust. Red patches indicate a thick<br />

and cool crust (from Maus et al., <strong>2005</strong>, Geophys. J. Int.).<br />

POMME 2.5 entwickelt. Dieses bietet eine Auflösung bis<br />

zu Kugelfunktionsgraden 90, was einer räumlichen Auflösung<br />

von etwa 220 km (halbe Wellenlänge) entspricht<br />

(Maus et al., 2006). Bei der augenblicklichen Flughöhe<br />

von CHAMP (~350 km) ist eine Steigerung kaum möglich.<br />

Eine Kartierung der magnetischen Signaturen basierend<br />

auf POMME 2.5 zeigt eine Reihe von deutlichen<br />

Strukturen, die sich geologisch/tektonisch interpretieren<br />

lassen. Im rechten Teil der Abb. 14 erkennt man ganz deutlich,<br />

wie magnetische Signaturen die bedeutenden geologischen<br />

Provinzen markieren. Auch der Ozean-Kontinent-<br />

Kontrast wird hier deutlich (wenige Strukturen in den tiefen<br />

Ozeanbecken). Im rechten Teil sind es mehr die tektonisch<br />

aktiven Gebiete in der Umgebung von Indonesien,<br />

die von magnetischen Signaturen markiert werden.<br />

Besonders deutlich ist das Feldstärkedefizit entlang des<br />

Java-Grabens.<br />

Die Darstellung weiterer Forschungsergebnisse, die auf<br />

CHAMP-Magnetfeldmessungen beruhen und sich im<br />

Wesentlichen auf die äußeren Felder und das magnetische<br />

Wetter beziehen, sind im Beitrag des Dep. 2 in diesem<br />

Bericht zu finden. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen<br />

mit CHAMP und der erwarteten Entwicklung der<br />

solaren Aktivität können wir davon ausgehen, dass die<br />

interessantesten Messungen für das Magnetfeld noch vor<br />

uns liegen.<br />

Ausblick<br />

Die bisher berechneten GRACE-Schwerefelder haben<br />

bereits eine bemerkenswert hohe Qualität und werden von<br />

der geowissenschaftlichen Nutzergemeinschaft bereits<br />

intensiv verwendet. Dies zeigt sich insbesondere auch an<br />

der großen Anzahl von Publikationen und Fachvorträgen<br />

auf internationalen Konferenzen. Trotzdem gibt es noch<br />

weiteres Verbesserungspotential, um insbesondere die vor<br />

dem Start vorhergesagte Genauigkeit zu erreichen. Daher<br />

werden weitere Untersuchungen folgen, die teilweise<br />

innerhalb der zweiten Phase des vom BMBF geförderten<br />

Geotechnologien-Programms „Erfassung des Systems<br />

Erde aus dem Weltraum“ bearbeitet werden. Diese werden<br />

sich mit der optimalen Parametrisierung der Instrumentendaten,<br />

der Verbesserung der Modellierung kurzperiodischer<br />

Massenvariationen in Atmosphäre und Ozeanen<br />

oder der Berücksichtigung bisher nicht-modellierter<br />

Effekte wie der post-glazialen Hebung oder täglicher<br />

hydrologischer Signale beschäftigen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

61


62<br />

Der bisher günstige Treibstoffverbrauch, die geringe<br />

Düsenaktivität sowie der Verlauf der Sonnenaktivität<br />

machen einen Weiterbetrieb der GRACE-Mission bis mindestens<br />

2010 sehr wahrscheinlich. Die dabei abnehmende<br />

Bahnhöhe und damit steigende Sensitivität dieser Tandem-Mission<br />

sowie der ab Frühjahr 2006 geplante permanente<br />

Betrieb der Radiookkultationsmessungen auf<br />

beiden Satelliten werden weiter zum Erfolg der Mission<br />

beitragen.<br />

Hingegen wird die CHAMP-Mission, wenn die Bahn nicht<br />

noch einmal angehoben wird, leider im Frühjahr 2008 mit<br />

dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre beendet sein. Bis<br />

dahin sollten aber noch weitere, für die Schwerefeldbestimmung<br />

wichtige Messdaten in niedriger Flughöhe<br />

gewonnen werden. Durch die Abnahme der solaren Aktivität<br />

kann man auch davon ausgehen, dass CHAMP noch<br />

viele interessanteste Messungen zur Bestimmung und<br />

Überwachung des Magnetfeldes liefern wird.<br />

Die herausragenden Ergebnisse insbesondere der GRACE-<br />

Mission waren Anlass für ein Schwerpunktprogramm<br />

„Massenvariationen und Massentransporte im System<br />

Erde“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

bereits bewilligt wurde und das ab Juli 2007 über sechs<br />

Jahre läuft. Hier sollen Wechselbeziehungen und Austauschmechanismen<br />

zwischen Atmosphäre, Ozeanen, Eiskappen,<br />

kontinentalen Wasserspeichern und fester Erde in<br />

einem integrierten, interdisziplinären Lösungsansatz aus<br />

den Schwerefeld- (CHAMP, GRACE, GOCE) und Altimetriemissionen<br />

(Envisat, Jason) gewonnen werden.<br />

Literatur<br />

Beyerle, G., T. Schmidt, G. Michalak, S. Heise, J. Wickert, and Ch. Reigber (<strong>2005</strong>)<br />

GPS radio occultation with GRACE: Atmospheric Profiling utilizing the zero difference<br />

technique, Geophys. Res. Lett., 32, L13806, doi: 10.1029/<strong>2005</strong>GL023109.<br />

Kanzow, T., F. Flechtner, A. Chave, P. Schwintzer, R. Schmidt and U. Send<br />

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Local validation and global patterns, Geophys. Res. Let., 110, C09001, doi:<br />

10.1029/<strong>2004</strong>JC002772.<br />

Maus, S. and H. Lühr (<strong>2005</strong>) Signature of the quiet-time magnetospheric magnetic<br />

field and its electromagnetic induction, Geophys. J. Int., doi:10:1111/j.1365-<br />

246X.<strong>2005</strong>.02691.x.<br />

Maus, S., S. McLean, D. Dater, H. Lühr, M. Rother, W. Mai, and S. Choi (<strong>2005</strong>)<br />

NGDC/<strong>GFZ</strong> candidate models for the 10th generation of IGRF, Earth Planets<br />

Space, 57, 1151-1156.<br />

Maus, S., M. Rother, K. Hemant, C. Stolle, H. Lühr, A. Kuvshinov, and N. Olsen<br />

(2006) Earth's lithospheric magnetic field determined to spherical harmonic degree<br />

90 from CHAMP satellite measurements, Geophys. J. Int., doi: 10.1111/j.1365-<br />

246X.<strong>2005</strong>.02833.x.<br />

Reigber, Ch., Schmidt, R. Flechtner, F., König, R., Meyer, Ul., Neumayer, K.H.,<br />

Schwintzer, P., Zhu, S.Y. (<strong>2005</strong>) An Earth gravity field model complete to degree<br />

and order 150 from GRACE: EIGEN-GRACE02S, J. Geodynamics, 39, 1-10, doi:<br />

10.1016/j.jog.<strong>2004</strong>.07.001.<br />

Schmidt, R., Schwintzer, P., Flechtner, F., Reigber, Ch., Güntner, A., Döll, P., Ramillien,<br />

G., Cazenave, A., Petrovic, S., Jochmann, H., Wünsch, J. (<strong>2005</strong>): GRACE<br />

observations of changes in continental water storage, Global and Planetary<br />

Change (im Druck).<br />

Schmidt, T., S. Heise, J. Wickert, G. Beyerle, and Ch. Reigber (<strong>2005</strong>) GPS radio<br />

occultation with CHAMP and SAC-C: global monitoring of thermal tropopause<br />

parameters, Atmospheric Chemistry and Physics, 5, 1473-1488.<br />

Wickert, J., G. Beyerle, R. König, S. Heise, L. Grunwaldt, G. Michalak, Ch. Reigber,<br />

T. Schmidt (<strong>2005</strong>) GPS radio occultation with CHAMP and GRACE: A first<br />

look at a new and promising satellite configuration for global atmospheric sounding,<br />

Annales Geophysicae, 23, 653-658.<br />

Wickert, J., T. Schmidt, G. Beyerle, R. König, Ch. Reigber, and N. Jakowski (<strong>2004</strong>)<br />

The radio occultation experiment aboard CHAMP: Operational data analysis and<br />

validation of vertical atmospheric profiles, J. Met. Soc. Japan, Special issue ’Application<br />

of GPS Remote Sensing to Meteorology and Related Fields’, 82(1B), 381-<br />

395.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


A comprehensive view of the Earth’s magnetic<br />

field from ground and space observations<br />

Mioara Mandea, Hermann Lühr, Monika Korte, Georgios Balasis, Hans-Joachim Linthe, Kumar Hemant, Eberhard<br />

Pulz, Patricia Ritter, Martin Rother, Claudia Stolle, Erwan Thébault, Ingo Wardinski<br />

Seit einigen Jahren gewinnen eine Reihe von Satelliten Beobachtungsdaten des Erdmagnetfelds in hoher Qualität. Das<br />

GeoForschungsZentrum Potsdam ist zum einen aktiv an dieser Art von Satellitenmissionen beteiligt und unterhält zum<br />

anderen eine wachsende Anzahl geomagnetischer Observatorien am Boden. Wir beschreiben hier die unterschiedlichen<br />

Charakteristika von Observatoriums- und Satellitendaten hinsichtlich Qualität, räumlicher Abdeckung und zeitlicher<br />

Verteilung. Es werden Beispiele präsentiert, wie aus der Kombination von an der Erdoberfläche gewonnenen Daten<br />

und Satellitenmessungen deutlich verbesserte Beschreibungen des Erdmagnetfelds gewonnen werden können. Damit<br />

eröffnen sich neue Möglichkeiten für Studien der Flüssigkeitsbewegung im Erdkern, der Leitfähigkeit des Erdmantels,<br />

der Zusammensetzung der Lithosphäre bis hin zur Dynamik von Stromsystemen in Ionosphäre und Magnetosphäre.<br />

In recent years, high-quality observations have been obtained<br />

from a number of geomagnetic satellites. GeoForschungsZentrum<br />

Potsdam (<strong>GFZ</strong>) is actively involved in<br />

these kinds of satellite missions, but is also involved in<br />

maintaining and extending ground-based geomagnetic<br />

field measurements using a number of observatories. We<br />

discuss the different characteristics of observatory and<br />

satellite data, like quality, spatial coverage and temporal<br />

distribution. Examples are presented about how the combination<br />

of ground-based data and satellite measurements<br />

can provide improved descriptions of the geomagnetic<br />

field, and how they offer new opportunities for studies ranging<br />

from core flow, mantle conductivity and lithospheric<br />

composition to the dynamics of ionospheric and magnetospheric<br />

currents.<br />

Introduction<br />

The Earth's magnetic field is mainly due to a geodynamo<br />

mechanism in the liquid, metallic outer core. The lithospheric<br />

contribution, due to rocks which acquired information<br />

about the magnetic field at the time of their solidification<br />

from the molten state, adds to the dominant core<br />

magnetic field. In addition, external fields represent a third<br />

contribution which is produced primarily by the interaction<br />

of the solar wind with the magnetosphere, and their<br />

intensities vary with the solar wind speed and the orientation<br />

of the embedded magnetic field. The solar wind<br />

modifies current systems in the magnetosphere and ionosphere<br />

surrounding the Earth, producing magnetic variations<br />

on varying time scales from a second to a solar cycle.<br />

Moreover, these highly variable external fields cause<br />

secondary, induced fields in oceans and electrically conductive<br />

regions of the lithosphere and the upper mantle.<br />

To fully describe the geomagnetic field it is necessary to<br />

either measure the intensity and two angles of direction or<br />

three orthogonal components. The angles are declination<br />

(the deviation of the local geomagnetic field lines from<br />

geographic north) and inclination (the angle of intersection<br />

with the Earth’s surface). Orthogonal components are<br />

commonly chosen to be X, Y and Z for the directions<br />

towards geographic north, east and vertically down, respectively.<br />

The unit used to describe the geomagnetic field<br />

is the nanoTesla (nT), with the Tesla in fact being the unit<br />

for magnetic flux density.<br />

When a measurement of the geomagnetic field is taken at<br />

any given point and time, the resulting value contains the<br />

superposition of fields having different origins, as discussed<br />

above and varying in magnitude. These are:<br />

1) the core field, generated in the fluid outer core, which<br />

ranges between 30000 nT at the equator to 65000 nT<br />

at the poles;<br />

2) the lithospheric field, generated by magnetized rocks,<br />

generally having a strength of the order of tens to a few<br />

hundreds of nT, but reaching a few thousand nT over<br />

strong anomalies;<br />

3) the external fields, generated by magnetospheric and<br />

ionospheric currents, and varying from fractions of a<br />

nT up to a few thousand nT during large magnetic<br />

storms;<br />

4) the electromagnetically induced field, generated by<br />

currents induced in the crust and the upper mantle by<br />

the time-varying external field, amounting up to some<br />

tens of nT.<br />

Separating these contributions directly is impossible<br />

(Mandea and Purucker, <strong>2005</strong>). In 1838 Gauss using spherical<br />

harmonic functions developed a method to describe<br />

the geomagnetic field globally, providing a rough separation<br />

between internal and external contributions to the<br />

field. Geomagnetic field models based on spherical harmonics<br />

are still widely used, but due to the multitude of<br />

sources, a strict separation of all contributions is not feasible.<br />

The geomagnetic field is also subject to temporal variations<br />

over a broad range of time scales, including complete<br />

reversals of the whole field on geological times. The<br />

so-called short-term variations are detectable over time<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

63


64<br />

scales spanning fractions of a second to decades. The very<br />

short period variations (seconds to hours) can safely be<br />

attributed to sources external to the Earth, while the longer-period<br />

variations (annual to decades) are due to both<br />

solar cycle variations with its harmonics and core field<br />

variation (known as secular variation). These different<br />

variations are superimposed and while it was previously<br />

thought that their main part is of external origin, recently<br />

the question of the shortest time scales of the core field<br />

observable at the Earth’s surface has again become controversial.<br />

Systematic observations of the geomagnetic field exist for<br />

almost two hundred years, providing information about its<br />

morphology and time-evolution. An example with one of<br />

the longest data series worldwide is the Adolf Schmidt<br />

Geomagnetic Observatory of <strong>GFZ</strong> Potsdam at Niemegk.<br />

Time variations, as shown in Fig. 1, are revealed by continuous<br />

magnetic records, monitored by geomagnetic<br />

observatories where the permanent installation of instruments<br />

ensures reliable measurements of the geomagnetic<br />

field. Additionally, so-called magnetic repeat-station measurements<br />

are regularly made at particular locations and<br />

distinct times to resolve the secular variation in specific<br />

areas as well as to increase the density of available groundbased<br />

magnetic data distribution. In addition, new satellite<br />

measurements, being made continuously since 1999,<br />

are greatly improving our knowledge of the geomagnetic<br />

field all over the globe. <strong>GFZ</strong> contributes to these with its<br />

CHAMP satellite, which is in operation since July 2000<br />

and is expected to continue until 2008. The <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

is unique in combining the expertise of measuring the geomagnetic<br />

field from both ground and space, to investigate<br />

a broad range of internal and external field variations.<br />

Here, we give a tour of the different kinds of measurements,<br />

with special emphasis on how ground and satellite<br />

measurements complement each other. More detailed<br />

scientific results on specific problems about the geomagnetic<br />

field are described in the part concerning Section 2.3<br />

activities of this report.<br />

Measuring the Earth’s Magnetic Field<br />

Magnetic observatories<br />

Historically, the role of magnetic observatories was to<br />

monitor the secular change of the geomagnetic field, and<br />

this remains one of their most important tasks. Some<br />

Fig. 1: Monthly mean values of the geomagnetic field (left) and its secular variation (right) recorded at the Niemegk<br />

observatory (since 1930) and its predecessors at Seddin (1906-1930) and Potsdam (1890-1906). The three components<br />

are in the directions of geographic north (X), east (Y) and vertically down (Z).<br />

Monatsmittelwerte des Erdmagnetfelds (links) und ihre Säkularvariation (rechts), gemessen am Observatorium Niemegk<br />

(seit 1930) und den Vorgängerstationen in Seddin (1906-1930) und Potsdam (1890-1906). Die drei Komponenten<br />

zeigen in Richtung geographisch Nord (X), Ost (Y) und vertikal nach unten (Z).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fig. 2: Participants of the international colloquium celebrating the 75th anniversary of the Adolf Schmidt Geomagnetic<br />

Observatory Niemegk of <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Teilnehmer des internationalen Festkolloquiums aus An-lass des 75-jährigen Bestehens des Adolf-Schmidt-Observatoriums<br />

für Geomagnetismus des GeoForschungsZentrums Potsdam in Niemegk. (Fotos: R. Holme, E. Pulz, <strong>GFZ</strong>, und<br />

H.-D. Scherz)<br />

observatories were installed at the end of 19 th century. One<br />

of them was the Potsdam Magnetic Oservatory, which started<br />

regular operation on January 1, 1890. Today, the old<br />

building on Telegrafenberg hosts the Paleomagnetic Laboratory,<br />

maintained by Section 3.3 of <strong>GFZ</strong> Potsdam. Due<br />

to anthropogenic disturbances of the measurements, caused<br />

mainly by the electrified railway system, the observatory<br />

had to be moved to Seddin in 1906, some 20 km southwest<br />

of Potsdam. It operated there for only 20 years, until<br />

it had to be moved again for similar reasons. On July 30,<br />

1930 a new observatory was opened in Niemegk. The<br />

Adolf Schmidt Geomagnetic Observatory, run by <strong>GFZ</strong><br />

since 1992, celebrated its 75 th anniversary in <strong>2005</strong>, bringing<br />

together geomagnetists from around the world for a<br />

celebratory colloquium (Fig. 2). Today, more than 200 observatories<br />

are in operation worldwide, but not all of them<br />

satisfy the technical standard to participate in the INTER-<br />

MAGNET project, requiring a guaranteed level of data<br />

quality and near real-time data exchange (Fig. 3). To run<br />

a modern magnetic observatory generally involves continuous<br />

variation measurements of three field components<br />

(one-minute or even one-second data sampling) which<br />

are recorded automatically by fluxgate magnetometers.<br />

However, these instruments are subject to drifts arising<br />

from sources both within the instrument (e.g. temperature<br />

effects) and the stability of the instrument mounting.<br />

Moreover, due to the large difference in amplitude between<br />

the very strong, but only slowly varying core field<br />

and the much weaker but fast external variations, the latter<br />

can be determined with much higher accuracy if constant<br />

values are compensated for and only the variations<br />

are measured about a baseline. These measurements do<br />

not provide absolute values and the instruments are<br />

known as variometers. Absolute measurements of the full<br />

vector field, sufficient in number to control the instrumental<br />

drift, are necessary to calibrate the variometer<br />

recordings.<br />

A scalar measurement of the field intensity, obtained commonly<br />

by a proton magnetometer, is considered as absolute:<br />

it depends only on our knowledge of a physical constant<br />

(gyromagnetic ratio) and a measurement of fre-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

65


66<br />

Fig. 3: Global distribution of geomagnetic observatories (top) and amount of available observatory data (bottom).<br />

Only those marked in blue fulfill the INTERMAGNET quality standard with near real-time distribution of minute data.<br />

Some of the observatories marked in red only provide annual mean data. The distribution is highly non-uniform, with<br />

the northern hemisphere better covered than the southern hemisphere. The blue stars mark Niemegk observatory of<br />

<strong>GFZ</strong> and the stations currently run in cooperation with local institutions.<br />

Weltweite Verteilung geomagnetischer Observatorien (oben) und deren verfügbare Daten (unten), Stand 2000. Nur die<br />

blau markieren Observatorien erfüllen den INTERMAGNET-Standard mit Verfügbarkeit von Minutenwerten in quasi<br />

Echtzeit. Einige der rot markierten Stationen liefern nur Jahresmittelwerte. Die Verteilung ist sehr ungleichmäßig, mit<br />

deutlich besserer Abdeckung der Nordhalbkugel. Die blauen Sterne markieren das Observatorium Niemegk des Geo-<br />

ForschungsZentrums und die Observatorien, die zurzeit in Kooperation mit lokalen Instituten betrieben werden.<br />

quency, and it can be achieved with great accuracy. However,<br />

scalar magnetometers determine only the strength of<br />

the magnetic field and provide no information about its<br />

direction. Absolute measurements of the direction of the<br />

geomagnetic field, i.e. the angles of declination and inclination,<br />

are performed with an instrument known as a fluxgate-theodolite<br />

(DI-flux) that requires manual operation<br />

and takes about 30 minutes per measurement. In a landbased<br />

observatory, such absolute measurements are typi-<br />

cally made once to twice a week and are used to monitor<br />

the drift of the fluxgate variometers. So far no instrument<br />

exists to carry out the complete absolute measurements<br />

automatically. In an attempt to change this, the Niemegk<br />

observatory together with the Technical University of<br />

Braunschweig is currently developing an alternative<br />

instrument to carry out automatically the absolute threecomponent<br />

measurements of the magnetic field to calibrate<br />

variometer recordings (Fig. 4).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fig. 4: Orienting a first prototype of an instrument under<br />

development at Niemegk observatory. This instrument<br />

eventually will allow for the automatic absolute determination<br />

of three field components.<br />

Der erste Prototyp eines am Observatorium Niemegk in<br />

Entwicklung befindlichen Messgeräts, das hier ausgerichtet<br />

wird. Dieses Gerät wird nach Fertigstellung die<br />

automatische Absolutmessung von drei Magnetfeldkomponenten<br />

ermöglichen. (Foto: E. Pulz, <strong>GFZ</strong>)<br />

Modern land-based magnetic observatories<br />

all use similar instrumentation to produce<br />

similar data products. The fundamental<br />

measurements recorded are oneminute<br />

values of the vector components<br />

and scalar intensity. The one-mi-nute data<br />

are important for studying variations in the<br />

geomagnetic field external to the Earth, in<br />

particular, the daily variation and magnetic<br />

storms. Data from 13 observatories distributed<br />

worldwide are used to produce the<br />

Kp global magnetic activity index. This<br />

index is the most commonly used parameter<br />

to characterise the level of magnetic<br />

disturbances. It is currently computed<br />

and distributed around the world by Niemegk<br />

observatory. Other indices of special<br />

or regional variations are derived from<br />

different subsets of observatory data.<br />

From the standard one-minute data, hourly,<br />

daily, monthly and annual mean values<br />

are produced. The monthly and annual<br />

mean values are useful to determine the<br />

secular variation originating in the Earth’s<br />

core. The quality of secular-variation estimates<br />

depends critically upon the longterm<br />

stability, i.e. the quality of the absolute<br />

measurements at each observatory.<br />

However, as mentioned earlier, not all<br />

existing magnetic observatories have the<br />

technical standard to achieve the desired<br />

data quality, and the global network of stations<br />

has large spatial gaps. <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

is increasing its efforts to improve the global<br />

data coverage by supporting observatories<br />

worldwide and installing new obser-<br />

vatories in cooperation with local institutions. Our involvement<br />

currently includes, besides Niemegk, the existing<br />

observories Wingst (Northern Germany) and Panagjurishte<br />

(Bulgaria), and the newly installed ones at Villa Remidios<br />

(Bolivia) and Keetmanshoop (Namibia), see Fig. 3.<br />

Magnetic field satellites<br />

Since the 1960s, the Earth’s magnetic field intensity has<br />

been measured intermittently by satellites. Only recently<br />

have there been a few missions dedicated to measuring<br />

the full vector field, using star cameras to establish<br />

precisely the direction of a triaxial fluxgate sensor in<br />

space. High-quality fluxgate sensors onboard spacecraft<br />

are instruments with a very high temporal resolution,<br />

but they suffer from small drifts of the order of some<br />

nT/yr. For a multi-year mission this requires absolute<br />

intensity measurements onboard satellites in order to<br />

calibrate the vector instrument (as well as for ground<br />

observatories). This is achieved by combining the measurements<br />

from all the different orientations a satellite<br />

aquires of the ambient magnetic field over a day. It is<br />

possible to perform a full in-orbit calibration of the fluxgate<br />

instrument at regular intervals (e.g. Olsen et al.,<br />

Fig. 5: The three satellites currently measuring the geomagnetic field from<br />

space: CHAMP (bottom), Ørsted (upper left) and SAC-C (upper right).<br />

Die drei Satelliten, die gegenwärtig das Erdmagnetfeld vektoriell aus dem<br />

Weltraum vermessen: CHAMP (unten), Ørsted (oben links) und SAC-C (oben<br />

rechts).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

67


68<br />

2003). Special attention has to be paid to the magnetic<br />

disturbances coming from the satellite. In order not to<br />

degrade the measurements both magnetic field instruments<br />

are kept remote from the spacecraft body by<br />

mounting them at the end of a few meter long non-magnetic<br />

boom (Fig. 5).<br />

The first satellite mission that provided valuable vector<br />

data for geomagnetic field modeling was MAGSAT (Langel<br />

et al., 1980), which resulted in magnetic measurements<br />

over a six month period between 1979 and 1980. The following<br />

20 years were without high-quality satellite magnetic<br />

field missions. The first satellite to improve the situation<br />

was Ørsted, launched in 1999, and still partially operational<br />

after 7 years. The satellite carries as its primary<br />

scientific instruments a tri-axial fluxgate magnetometer<br />

and a star camera for measuring the vector components of<br />

the geomagnetic field. Its position along the orbit is determined<br />

by using Global Positioning System (GPS) receivers.<br />

The satellite's main body carries the electronics while<br />

an 8-meter boom hosts the magnetic field instruments. It<br />

takes the Ørsted satellite about 100 minutes to orbit the<br />

Earth in its near-polar orbit. The local time of the orbit<br />

plane changes by 0.9 minutes per day, and the data are<br />

from an altitude range of 640 to 850 km. The same fluxgate<br />

and star camera package together with a scalar magnetometer<br />

were mounted on the SAC-C spacecraft, launched<br />

about two years after Ørsted. SAC-C has a circular<br />

orbit at an altitude of 702 km, and a fixed local time (LT),<br />

crossing the equator at 10:24 and 22:24 LT. This experiment<br />

has suffered from a malfunctioning star camera<br />

which has prevented the acquisition of any vector data.<br />

From development to operation, CHAMP (Challenging<br />

Minisatellite Payload) is a <strong>GFZ</strong> project. Launched in July<br />

2000 with its highly precise, multi-functional and complementary<br />

payload elements (magnetometer, accelerometer,<br />

star sensors, GPS receiver, laser retro reflector, iondrift<br />

meter) and its orbital characteristics (near polar, low<br />

altitude, long duration), CHAMP has generated simultaneously<br />

highly-precise gravity and magnetic field measurements<br />

for more than 5 years. CHAMP has a length of<br />

8.33 m (including the boom) and an initial mass of<br />

522 kg. With an orbital period of 93 minutes, and an initial<br />

altitude of 454 km, the satellite moves rapidly through<br />

local time, with a change of 5.45 minutes/day. Attitude stability<br />

relies on magneto-torquers and a cold-gas propulsion<br />

system. Its aerodynamic shape together with tri-axial<br />

attitude control ensures that a stable flight configuration<br />

is achieved in the relatively dense atmosphere at low-altitude.<br />

The two redundant magnetic fluxgate sensors are<br />

mounted together with the star cameras on an optical<br />

bench providing a mechanical stability between these systems<br />

of better than 20 arcsec. The optical bench is located<br />

about 2 meters away from the spacecraft's main body,<br />

and the Overhauser Magnetometer is mounted at the tip<br />

of the 4-meter boom. This configuration is a compromise<br />

between avoidance of magnetic interference from the spacecraft<br />

and cross-talk between the vector and scalar magnetometers.<br />

The almost circular and near-polar (87.3 deg.<br />

inclination) orbit allows for a homogeneous and almost<br />

complete global coverage of the Earth by gravity and magnetic<br />

field measurements.<br />

Magnetic data<br />

Three parameters are important when dealing with magnetic<br />

data: quality, spatial distribution, and temporal coverage.<br />

Data Quality<br />

Many magnetic observatories have operated for decades,<br />

some for more than 100 years. Up until the 1990s many<br />

observatories were still operating in the classical mode,<br />

with analogue recording and, consequently, requiring long<br />

periods for data processing and dissemination, as well as<br />

providing less accurate final data. Developments in technology<br />

since that time have allowed more and more observatories<br />

to change to digital recordings, while at the same<br />

time updated equipment has seen data quality gradually<br />

improve from 10 second sampling at 1 nT resolution to<br />

the current INTERMAGNET standard of 1 second sampling<br />

at 0.1 nT resolution. Data recorded in observatories<br />

in real time are known as variational or preliminary data,<br />

as they lack the absolute calibration and may have a baseline<br />

offset, which itself can have a slow drift. These preliminary<br />

data are useful for investigations concerned with<br />

relatively rapid changes in the magnetic field occurring<br />

over time periods of less than a couple of days, i.e. the<br />

external field contributions. However, for studies involving<br />

longer time scales and in particular, changes of the<br />

core field, absolute data time series are essential. These<br />

definitive data are obtained through data processing, with<br />

adjustments made for baseline drift based on the regularly<br />

performed absolute measurements at each observatory.<br />

These steps for obtaining definitive magnetic data are<br />

necessary to satisfy the minimum requirements of an<br />

INTERMAGNET Magnetic Observatory (IMO): longterm<br />

stability of the order of 5 nT/year and an accuracy of<br />

±10nT for 95 % of reported data and ± 5nT for the definitive<br />

data.<br />

With the launch of three satellites (Ørsted, CHAMP and<br />

SAC-C) since 1999, high-accuracy scalar and vector magnetic<br />

measurements have now become available from<br />

near-Earth orbits. The Ørsted Overhauser proton-precession<br />

magnetometer measures the scalar values of the magnetic<br />

field with an accuracy of < 1nT, while the fluxgate<br />

magnetometer together with the star camera provides vector<br />

data with a precision of < 3-5 nT. The same package is<br />

mounted on the SAC-C spacecraft, but the vector data cannot<br />

be used, as the star camera has given no information<br />

during the course of the mission, possibly because of a<br />

cabling problem on the boom. As a consequence, magnetic-field<br />

measurements from SAC-C are restricted to the<br />

1 Hz values from the scalar magnetometer, with an accuracy<br />

of better than 4 nT. This higher value is partially due<br />

to the uncertainty of the spacecraft fields.<br />

Currently, the best available magnetic satellite data are<br />

those produced by the CHAMP mission. The CHAMP scalar<br />

magnetometer provides an absolute in-flight calibra-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fig. 6: Coverage of the Earth with CHAMP satellite magnetic data after one day (top) and one week (bottom).<br />

Abdeckung der Erdoberfläche durch magnetische Daten des CHAMP-Satelliten nach einem Tag (oben) und einer Woche<br />

(unten).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

69


70<br />

tion capability for the vector magnetic field measurements.<br />

A dedicated program ensuring the magnetic cleanliness<br />

of the spacecraft allows for an absolute accuracy<br />

of < 0.5 nT for the magnitude data. For the fluxgate magnetometers,<br />

the overall noise level is of the order of 50 pT.<br />

The scalar calibration using the absolute Overhauser<br />

observations is run on a daily basis, and the instrument<br />

parameters for the fluxgate data processing are updated<br />

every two weeks. The corrections applied to the data concern<br />

the scaling factors, field offsets, non-orthogonality<br />

and the stray fields from the satellite. A remaining uncertainty<br />

of the vector data is due to thermal bending of the<br />

optical bench. These bending angles have to be determined<br />

in special modelling procedures. Data from both the<br />

vector fluxgate magnetometer and the scalar Overhauser<br />

magnetometer are available to the worldwide community<br />

through the data center, ISDC, at <strong>GFZ</strong>.<br />

Spatial distribution<br />

The distribution of magnetic observatories over the globe<br />

(see Fig. 3) is highly non-uniform, with the northern<br />

hemisphere having better coverage than the southern<br />

hemisphere. The observatory distribution is a key parameter<br />

in determining the secular variation on the global<br />

scale. This is the reason why in some regions, for example<br />

the Pacific, the uncertainty in the secular variation is<br />

of the order of hundreds of nT/yr (Mandea and Macmillan,<br />

2000), while in better-covered regions such as Europe,<br />

it is a few nT/yr. One possibility to counterbalance this<br />

uneven geographical distribution is the use of an adequate<br />

weighting scheme (Langlais and Mandea, 2000). However,<br />

adequate weighting cannot make up for the lack of<br />

information in the regions sparsely covered by data. The<br />

only definitive way to remedy this issue is to establish<br />

additional observatories, in particular, in the southern<br />

hemisphere and to upgrade all existing observatories to<br />

the INTERMAGNET standard.<br />

Another possibility to improve our knowledge of the secular<br />

variation is to have well-distributed global measurements<br />

from satellites. The data provided by each of the<br />

three satellites currently in orbit ensure a good coverage<br />

of the Earth’s surface in a very short period of time. Fig. 6<br />

shows the orbit tracks for one day and for one week, respectively,<br />

for the CHAMP satellite. The coverage over one<br />

week already appears sufficient for a good data distribution.<br />

However, these plots are based on all available measurements,<br />

without considering data quality and selection<br />

criteria with respect to external disturbances. For core field<br />

and secular variation studies a selection of quiet time data<br />

is necessary as long as we do not understand all individual<br />

field sources in sufficient detail to separate them. This<br />

can lead to a drastic reduction in the amount of usable data.<br />

Temporal coverage<br />

Since the installation of the first magnetic observatory in<br />

1832 by Gauss, their number has continuously increased.<br />

However, the number of observatories providing hourly<br />

means or one-minute data (INTERMAGNET observato-<br />

ries) is lower than the total number. Some observatories<br />

only offer annual means as they do not have the modern<br />

equipment to produce high-resolution data (Fig. 3).<br />

The time span covered by satellite missions is quite short<br />

in comparison to observatory time series of the order of<br />

decades to more than a century. The first satellite providing<br />

magnetic vector data was MAGSAT in 1980, which<br />

was in operation for only 6 months. Since 1999/2000, there<br />

are three satellites providing high accuracy magnetic vector<br />

data. However, there is an important difference between<br />

observatory and satellite data: observatories provide<br />

continuous time series from one location, whereas a<br />

satellite records the field values while travelling through<br />

space. The data series thus contain both spatial and temporal<br />

variations, and the purely temporal resolution for a<br />

given location is worse than that of an observatory (at best<br />

1 sample/day).<br />

Joint analysis of observatory and satellite data<br />

The launch of the Danish satellite Ørsted marked the start<br />

of the international initiative Decade of Geopotential Field<br />

Research declared by the IUGG, which highlighted the<br />

importance of gravity and magnetic field measurements<br />

from space. The <strong>GFZ</strong> satellite CHAMP was launched<br />

shortly after Ørsted. Once more, we want to stress that<br />

there are important differences between observatory and<br />

satellite data. The separation of spatial and temporal signals<br />

is a challenging task for satellite data alone. Moreover,<br />

the ground-based and satellite data are taken at different<br />

distances to the various sources. Using the Ørsted<br />

and CHAMP measurements together with magnetic observatory<br />

data yields maximum information. Only the combination<br />

of satellite and ground-based data will improve<br />

our knowledge of the individual sources of the geomagnetic<br />

field enough to allow a highly accurate separation of<br />

sources over multi-year time intervals. However, considerable<br />

difficulties exist in carrying out joint analyses of<br />

ground-based and satellite data due to their different spatial<br />

and temporal information content. In the following, a<br />

few examples of different ways to take advantage of the<br />

combination of these measurements are given.<br />

Core field and secular variation<br />

IGRF models<br />

The best-known global geomagnetic field model is the<br />

International Geomagnetic Reference Field (IGRF). A<br />

new model in this series is produced every 5 years, from<br />

a range of measurements provided by magnetic observatories,<br />

ships, aircraft and satellites. Several candidate<br />

models, including one from the <strong>GFZ</strong> geomagnetism group<br />

(Maus et al., <strong>2005</strong>), are submitted each time to a dedicated<br />

working group of the International Association of Geomagnetism<br />

and Aeronomy (IAGA), which determines a<br />

final reference model. This model series, based on a classical<br />

spherical harmonic analysis of a vast amount of data,<br />

represents the magnetic field generated in the Earth’s core.<br />

Even in the present era of the GPS navigation system, the<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fig. 7: Percentage change of the geomagnetic field intensity from 1980 to<br />

2001, as determined by the MAGSAT and CHAMP satellites<br />

Änderung der Intensität des Magnetfelds von 1980 bis 2001 in Prozent, hergeleitet<br />

aus den Messergebnissen der Satelliten MAGSAT und CHAMP<br />

IGRF models and particularly their description of declination<br />

still play an important role for navigation purposes.<br />

Magnetic compasses are used as backup systems on<br />

ships and aircraft, so the declination has to be known at<br />

all locations and times. IGRF declination information is<br />

even implemented in the GPS system for orientation support.<br />

The IGRF models also play an important role as a<br />

standard to eliminate the core field contributions in aeromagnetic<br />

surveys for geological studies or prospecting.<br />

The quality of models in this series has dramatically increased<br />

over the last two field generations.<br />

Indeed, since the 8 th generation (Mandea<br />

and Macmillan, 2000), the main-field<br />

models are currently defined up to spherical<br />

harmonic degree/order 13 (compared<br />

to degree 10 for all previous generations).<br />

The recent models (9 th and 10 th<br />

generation) represent the fruitful combination<br />

of satellite and observatory data.<br />

The satellite data on the one hand are needed<br />

to ensure a good distribution over the<br />

globe, while on the other, information<br />

about magnetically quiet conditions are<br />

provided by the observatories. Moreover,<br />

the continuous observatory data improve<br />

the secular variation estimates in the<br />

models. The use of both satellite and<br />

ground-based data has dramatically<br />

improved the quality of geomagnetic field<br />

models (Olsen et al., 2006).<br />

Secular variation models<br />

Modelling the secular variation on characteristic<br />

timescales of the order of a few<br />

decades can be significantly improved if<br />

we take advantage of all the available<br />

magnetic satellite data. We can compare<br />

the core field descriptions obtained from<br />

the Ørsted and CHAMP missions over the<br />

last few years to those from the MAGSAT<br />

mission of 1979-1980 (Hulot et al.,<br />

2000). It is obvious that the magnetic field<br />

does not change uniformly over the Earth<br />

(Fig. 7). While the overall strength of the<br />

dipole field is decreasing, there exist a<br />

few regions where the field strength is<br />

increasing. An extremly strong decrease<br />

is seen in two areas, in the South Atlantic<br />

and in the Meso-American region.<br />

More detailed information can be derived<br />

from a time-dependent model of the secular<br />

variation between 1980 and 2000, such<br />

as the one developed by Wardinski (<strong>2005</strong>).<br />

The endpoints of this time interval were<br />

chosen because of the availability of highquality<br />

field models derived from satellite<br />

measurements during these epochs.<br />

Using this a priori field information, the<br />

Gaussian coefficients are expanded in<br />

time from 1980 until 2000 as a function of cubic B-splines.<br />

Between the two endpoints, observatory annual and<br />

monthly mean values are used, as well as repeat station<br />

data. Satellite and ground-based data complement each<br />

other ideally, with the satellite data giving the optimal spatial<br />

resolution at both end-points and the ground-based<br />

data ensuring optimal temporal resolution in between. The<br />

model is used to study the question of shortest observable<br />

time-scales of the core field secular variation and to infer<br />

from it possible scenarios of fluid flow at the boundary<br />

Fig. 8: All available CHAMP data (X, Y, Z component) in a 1° x 1° longitude<br />

and latitude region centered over the Niemegk Observatory.<br />

Alle verfügbaren CHAMP-Daten (X-, Y- und Z-Komponente) für ein Gebiet<br />

von 1° x 1° Länge und Breite über dem Observatorium Niemegk.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

71


72<br />

between Earth’s outer core and mantle in order to gain a<br />

better understanding of the geodynamo process. Some<br />

more detail on these results is given in the part of Section<br />

2.3 in this report.<br />

Geomagnetic jerks<br />

Over a very short time span, a number of abrupt changes<br />

in the secular variation have been noted in the series of<br />

magnetic observatories. The cause of these so-called geomagnetic<br />

jerks is not completely known, but they may<br />

reflect the reconfiguration of hydromagnetic motions in<br />

the outer core over small scales and short time-intervals.<br />

These phenomena are difficult to study, because of their<br />

small amplitudes and the overlap of their frequency range<br />

with the effect of solar-dependent external variations.<br />

Moreover, the highly uneven coverage of the globe by<br />

magnetic observatories makes it difficult to study their<br />

geometry and evolution, and whether they are of a global<br />

nature.<br />

One way to overcome the problem of the uneven spatial<br />

distribution of time series is again to turn to satellite data.<br />

A good global coverage is obtained from satellite data in<br />

a short period of time, but satellite data are not very hel-<br />

Fig.9:Secular variation of the radial magnetic field at the core mantle boundary<br />

for epochs 1900, 1930, 1975 and 1990 using the Jackson et al. (2000)<br />

model. The extreme values (red/blue) are +/– 13 µT/yr.<br />

Säkularvariation des radialen Magnetfelds an der Kern-Mantel-Grenze für<br />

die Jahre 1900, 1930, 1975 und 1990 nach dem Modell von Jackson et al.<br />

(2000). Die Extremwerte (rot/blau) sind +/– 13 µT/a.<br />

pful if our interest is focused on a certain location over a<br />

longer period of time. Fig. 8 shows, as an example, all<br />

available CHAMP data over an area of 1° x 1° centered<br />

on the Niemegk Observatory. It is clear that the temporal<br />

resolution, even for a larger area at a fixed position, is not<br />

comparable with what observatories provide as continuous<br />

data. However, this time series can be used for interpolating<br />

the temporal behaviour of the magnetic field. This<br />

kind of plot will be a useful first step in studying secular<br />

variation, and possibly geomagnetic jerks, at a given position<br />

from satellite data.<br />

However, only the joint analysis of observatory and satellite<br />

data can really be useful for the global study of geomagnetic<br />

jerks. To circumvent the spatial and temporal<br />

distribution difficulties, the use of continuous field models<br />

derived from ground-based and satellite data, such as the<br />

Comprehensive Model by Sabaka et al. (2002, <strong>2004</strong>), is<br />

one possible solution. Chambodut and Mandea (<strong>2005</strong>) studied<br />

the temporal and spatial distribution of jerks detected<br />

in these models over the four last decades. The jerks<br />

around 1971, 1980 and 1991 are characterized by a clear<br />

bimodal behaviour of their occurrence date. So far, no<br />

geomagnetic jerk occured during the lifetime of the magnetic<br />

field satellites. A much better description of a jerk<br />

could be provided if it were to occur<br />

during the time of operation of one or preferably<br />

several satellites.<br />

South Atlantic Anomaly<br />

Another interesting feature of the core<br />

field is the so-called South Atlantic<br />

Anomaly. This is a large area of very low<br />

field intensity (less than 20000 nT) over<br />

South America, the southern Atlantic and<br />

southern Africa. Moreover, from MAG-<br />

SAT and CHAMP data we observed that<br />

the field there has been decreasing by<br />

some 8 % during the past 20 years (see<br />

Fig. 7). Recent studies have identified distinct<br />

patches of reversed magnetic flux at<br />

the poles and below Africa which could<br />

be related to the present day field decrease<br />

and might even be a hint that the geodynamo<br />

is heading towards a reversal<br />

(Hulot et al., 2002). The most prominent<br />

feature in this respect is the growing patch<br />

of reverse magnetic polarity beneath<br />

South Africa. To give an indication of<br />

recent changes, Fig. 9 shows the distribution<br />

and evolution of the radial magnetic<br />

field component at the core-mantle<br />

boundary during the past century. The<br />

model used here (Jackson et al., 2000)<br />

shows a region of reversed field direction<br />

(red area) which propagates north-eastward.<br />

At present this patch is just below<br />

South Africa. Moreover, a large longitudinal<br />

difference in field changes is observed,<br />

again with a maximum variation in<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fig. 10: Two teams from <strong>GFZ</strong> Potsdam and Hermanus Magnetic Observatory<br />

(HMO, South Africa) carrying out magnetic repeat station measurements<br />

on the South Africa, Namibia and Botswana networks (red stars). Blue<br />

dots are the existing observatories Hermanus, Hartebeesthook and Tsumeb.<br />

The star marks the newly constructed observatory Keetmanshoop, a cooperative<br />

project between <strong>GFZ</strong> and HMO.<br />

Zwei Teams von Mitarbeitern des <strong>GFZ</strong> Potsdam und Hermanus Magnetic<br />

Observatory (HMO, Südafrika) führen an Stationen in Südafrika, Namibia<br />

und Botswana (rote Sterne) magnetische Säkularpunktmessungen durch. Die<br />

blauen Punkte markieren die bestehenden Observatorien Hermanus, Hartebeesthook<br />

und Tsumeb, der Stern stellt die Lage des in Kooperation von<br />

<strong>GFZ</strong> und HMO neu errichteten Observatoriums Keetmanshoop dar. (Fotos:<br />

M. Mandea und M. Korte, <strong>GFZ</strong>)<br />

this area. In order to better understand this<br />

behaviour, efforts have been started<br />

recently to re-establish the southern African<br />

repeat station network at a density last<br />

surveyed 7 years ago. In a co-operation<br />

between Hermanus Magnetic Observatory<br />

(South Africa) and <strong>GFZ</strong> Potsdam,<br />

absolute measurements for the three field<br />

components and continuous field variations<br />

were performed at 40 stations in fall<br />

<strong>2005</strong> (Fig. 10). This amount of new data,<br />

still in processing at the time of writing,<br />

will bring us useful information about the<br />

field morphology at the epoch of measurements.<br />

To constrain the core field temporal<br />

variations further, additional measurements<br />

campaigns are planned over<br />

the next years.<br />

The orientation of the geomagnetic field<br />

in southern Africa is also changing rapidly.<br />

In the northwest part of southern Africa<br />

the declination is propagating eastward<br />

(at Tsumeb) and in the south-east part it<br />

is heading westward (at Hermanus and<br />

Hartebeesthoek), as shown in Fig. 11.<br />

This causes a spatial gradient over the<br />

subcontinent which is presently increasing<br />

with time. A greater density of continuous<br />

observations is required in order<br />

to resolve the structure of the field orientation<br />

and its evolution. At the end of<br />

<strong>2005</strong>, again in cooperation with Herma-<br />

Fig. 11: Evolution of the geomagnetic declination at Hermanus, Hartebeesthook and Tsumeb in the southern African<br />

continent.<br />

Änderung der magnetischen Deklination in Hermanus, Hartebeesthook und Tsumeb, alle im südlichen Afrika.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

73


74<br />

Fig. 12: Construction of a measurement hut at the new<br />

geomagnetic observatory Keetmanshoop, Namibia.<br />

Aufbau einer Hütte für magnetische Messungen am neuen<br />

Observatorium Keetmanshoop in Namibia. (Foto: H.-J.<br />

Linthe, <strong>GFZ</strong>)<br />

nus Magnetic Observatory, a new magnetic observatory<br />

was installed in Keetmanshoop (Namibia), which will provide<br />

data from 2006 onward (Fig. 12).<br />

Lithospheric field<br />

Improved lithospheric field models are of great importance<br />

for geodynamics studies, but a high spatial data resolution<br />

is essential in order to develop them. Satellite data<br />

have strongly improved global lithospheric field descriptions<br />

(e.g. the MF4 model by Maus et al., 2006), but contain<br />

only the large-scale part of the lithospheric field due<br />

to the distance of the satellite from the Earth’s surface.<br />

Aeromagnetic surveys provide detailed pictures of magnetic<br />

anomalies, but are generally confined to quite limited<br />

regions, thus lacking the large-scale parts of the lithospheric<br />

field. Moreover, only field intensity but not the<br />

whole vector field information is gained in such surveys.<br />

The available ground vector data, on the other hand, are<br />

not distributed densely enough to provide sufficient<br />

information on the lithospheric field.<br />

It has already been mentioned that the combination of the<br />

different data types is not straightforward. However,<br />

recently a method for analysing magnetic data from different<br />

platforms has been developed and improved by Thé-<br />

Fig. 13: Vector maps of geomagnetic anomalies over Germany<br />

obtained by using ground, aeromagnetic and<br />

CHAMP satellite data. The north (X), east (Y) and vertical<br />

(Z) components of the magnetic field are shown from<br />

top to bottom.<br />

Karten der Magnetfeldanomalien über Deutschland aus<br />

der Kombination von Bodendaten, aeromagnetischen Daten<br />

und CHAMP-Satellitendaten. Es sind, von oben nach<br />

unten, die Nord- (X), Ost- (Y) und Vertikalkomponente (Z)<br />

des Magnetfelds dargestellt.<br />

bault et al. (<strong>2004</strong>). It is based on the solution of the Laplace<br />

equation within a spherical cone, and is referred to as<br />

Revised Spherical Cap Harmonic Analysis. It is designed<br />

for the inclusion of data from different altitudes, i.e. from<br />

ground, aeromagnetic and satellite, for a combined inversion.<br />

The method has already successfully been applied<br />

for regional modeling. The example shown in Fig. 13 is<br />

for Germany. For this area, data from the three German<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


observatories Fürstenfeldbruck, Niemegk and Wingst,<br />

German repeat station data, and the available aeromagnetic<br />

and CHAMP satellite measurements have been considered.<br />

The results are detailed vector maps of the lithospheric<br />

geomagnetic field, with the large-scale information<br />

coming mainly from the satellite data and the smallscale<br />

information mainly from the aeromagnetic, combined<br />

with the observatory and in particular the denser repeat<br />

station measurements, to give the full vector description.<br />

External field<br />

The development of new analysis techniques for data from<br />

satellites and observatories permits an improved separation<br />

of the field sources into those which are internal and<br />

external to the Earth’s surface and also into those above<br />

and below the orbits where the satellite observations are<br />

made. Thus, in theory, the ionospheric sources which are<br />

external to the Earth’s surface but below the satellites'<br />

orbits, can be isolated. Such a separation allows for better<br />

parameterization of both the main geomagnetic field and<br />

the external variations which are modulated by solar activity.<br />

In the following example, both satellite and groundbased<br />

data is used for studying the ionospheric contribution<br />

in magnetic field measurements. The most intense<br />

current system in the ionosphere is that of the horizontally<br />

flowing auroral electrojet in the auroral oval.<br />

The strength and latitudinal position of these current<br />

flows depend on many factors, for example on the solar<br />

zenith angle, solar wind activity, magnetospheric convection<br />

and substorm processes. The characteristics of<br />

the auroral electrojet reflect the dynamics and the processes<br />

at the magnetopause and in the outer magnetosphere.<br />

The electric energy is transported from the magnetosphere<br />

to the ionosphere by currents flowing along<br />

the field lines. Their intensity controls the electric field<br />

and partially the state of ionospheric conductivity, and<br />

with it the strength and location of the auroral electrojet<br />

(Campbell, 1997). As an example, Fig. 14 shows the horizontal<br />

ionospheric current density computed from mag-<br />

netic field measurements taken onboard the CHAMP<br />

satellite (Ritter et al., <strong>2004</strong>) and from the IMAGE<br />

ground-based magnetometer network (Amm and Viljannen,<br />

1999). For this purpose total field data sampled by<br />

the Overhauser Magnetometer on CHAMP and the horizontal<br />

magnetic field measurements of the IMAGE network<br />

were used. The high correlation shown in Fig. 14<br />

demonstrates the capability of ground-based observations<br />

at high latitudes to predict the strength of the electrojet<br />

signatures in the satellite magnetic field scalar<br />

data.<br />

Conclusion and outlook<br />

Fig. 14: The auroral electrojet above Scandinavia obtained from intensity<br />

measurements on the CHAMP satellite and horizontal magnetic field measurements<br />

by the IMAGE network at the Earth’s surface.<br />

Der polare Elektrojet über Skandinavien, hergeleitet aus Messungen der<br />

Magnetfeldintensität des Satelliten CHAMP und Aufzeichnungen der horizontalen<br />

Magnetfeldkomponenten an den Stationen des IMAGE-Netzwerks<br />

am Erdboden.<br />

The Earth’s magnetic field is used for probing the Earth’s<br />

lithosphere and deep interior and understanding solar-terrestrial<br />

relationships; it is also a tool for navigation, directional<br />

drilling, geological studies and mineral exploration.<br />

The geomagnetic field is shielding our habitat from the<br />

direct influences of the solar wind, which becomes apparent<br />

during strong geomagnetic storms when the shield is<br />

pushed Earth-ward under the influence of the high-speed<br />

solar wind. Satellite failures, problems in telecommunication<br />

and radio transmission or even regional power failures<br />

are often encountered as consequences of them. To<br />

map the geomagnetic field and both its spatial and temporal<br />

variations, it is essential to improve our understanding<br />

of the different processes contributing to it and to<br />

increase the predictability of the future field evolution.<br />

Data from ground observatories, special surveys over land<br />

and sea, and from satellites must be jointly used to achieve<br />

these goals.<br />

The data gathered by geomagnetic observatories form the<br />

backbone in tracking continuously the magnetic field variations;<br />

their data are made available in a variety of time<br />

frames ranging from near real-time to 5-year summary<br />

information. <strong>GFZ</strong> is contributing to the worldwide observatory<br />

network with its central observatory in Niemegk,<br />

from where observatories in Wingst (Northern Germany),<br />

Bolivia, Bulgaria and Namibia are operated in cooperation<br />

with local institutions. Further cooperations with the<br />

aim of bringing more observatories to the INTERMAG-<br />

NET standard and filling other gaps in the<br />

global network are planned.<br />

During the last few years, three new<br />

satellites including <strong>GFZ</strong>’s CHAMP were<br />

launched by different agencies to measure<br />

the Earth’s magnetic field from<br />

space. Their data are made available by<br />

each of the mission data centres. For<br />

scientists, the biggest benefit of the highquality<br />

and huge amount of magnetic<br />

measurements, from ground and space,<br />

is a fresh point of view of the hidden interior<br />

of the planet, and its place in the<br />

magnetic solar system.<br />

Our magnetic planet will remain under<br />

observation with ESA’s forthcoming<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

75


76<br />

Fig. 15: Artistic view of the upcoming ESA-mission SWARM that will consist<br />

of a three-satellite constellation measuring the geomagnetic field.<br />

Die kommende ESA-Mission SWARM wird mit einer Konstellation aus drei<br />

Satelliten das Erdmagnetfeld vermessen – modellhafte Darstellung.<br />

Swarm mission (Fig. 15). Three satellites will be launched<br />

in 2009 and are intended to measure the magnetic field<br />

and its variations far more accurately than ever before<br />

(Friis-Christensen et al., <strong>2004</strong>). Based on the expertise gained<br />

from CHAMP, <strong>GFZ</strong> is well prepared to play a leading<br />

role in this ambitious mission.<br />

Acknowledgments<br />

Parts of the work described here have been funded by the<br />

„BMBF/DFG Sonderprogramm GEOTECHNOLOGIEN“,<br />

the DFG „Schwerpunktprogramm Erdmagnetische Variationen“,<br />

or have been carried out within the „INKABA YE<br />

AFRICA“ project. The results presented were possible only<br />

by the data acquisition and processing work of CHAMP<br />

data, Sungchang Choi and Wolfgang Mai, and German<br />

repeat station and observatory data, Martin Fredow, Anneleen<br />

Glodeck, Ingrid Goldschmidt, Jürgen Haseloff, Carsten<br />

Müller, Hannelore Podewski, Stefan Rettig, Jutta<br />

Schulz, Manfred Schüler, and Kathrin Tornow.<br />

All maps were plotted using the GMT software (Wessel<br />

and Smith, 1991).<br />

References<br />

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field continuation from the ground to the ionosphere<br />

using spherical elementary current systems, Earth Planets<br />

Space, 51, 431-440, 1999.<br />

Campbell, W.H., Introduction to geomagnetic fields, Cambridge<br />

University Press, 290 pp., 1997.<br />

Chambodut, A. and M. Mandea, Evidence for geomagnetic<br />

jerks in comprehensive models, Earth Planets Space,<br />

57, 139-149, <strong>2005</strong>.<br />

Friis-Christensen, E., A. De Santis, A. Jackson, G. Hulot, A.<br />

Kuvshinov, H. Lühr, M. Mandea, S. Maus, N. Olsen, M.<br />

Purucker, M. Rother, T. Sabaka, A. Thomson, S. Vennerstrom,<br />

and P. Visser, Swarm. The Earth's Magnetic Field and<br />

Environment Explorers, ESA SP-1279, 6, <strong>2004</strong>.<br />

Hulot, G., C. Eymin, B. Langlais, M. Mandea, and N. Olsen,<br />

Small-scale structure dynamics of the geodynamo inferred<br />

from Ørsted and MAGSAT satellite data, Nature, 416, 620-<br />

623, 2002.<br />

Jackson, A., A. R. T. Jonkers and M. R. Walker, Four centuries<br />

of geomagnetic secular variation from historical<br />

records, Phil. Trans. R. Soc. Lond., A, 358, 975-990.<br />

Langel, R. A., R. H. Estes, G. D. Mead, E. B. Fabiano, and<br />

E. R. Lancaster, Initial geomagnetic field model from<br />

Magsat vector data, Geophys. Res. Lett., 7(10), doi:<br />

10.1029/0GPRLA000007000010000793000001, issn:<br />

0094-8276, 1980.<br />

Langlais, B. and M. Mandea, An IGRF candidate main geomagnetic<br />

field model for epoch 2000 and a secular variation<br />

model for 2000-<strong>2005</strong>, Earth Planets Space, 52pp,<br />

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Mandea, M. and S. Macmillan, International Geomagnetic<br />

Reference Field – the eighth generation, Earth Planets<br />

Space, 52, 1119-1124, 2000.<br />

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3857-x, <strong>2005</strong>.<br />

Maus, S., S. Maxmillan, T. Chernova, S. Choi, D. Dater, V. Golovkov, V. Lesur, F.<br />

Lowes, H. Lühr, W. Mai, S. McLean, N. Olsen, M. Rother, T. Sabaka, A. Thomson<br />

und T. Zvereva, The 10 th Generation International Geomagnetic Reference Field,<br />

Geophys. J. Int., 161, 561-656, <strong>2005</strong>.<br />

Maus, S., M. Rother, K. Hemant, C. Stolle, H. Lühr, A. Kuvshinov, and N. Olsen,<br />

Earth's lithospheric magnetic field determined to spherical harmonic degree 90<br />

from CHAMP satellite measurements, Geophys. J. Int., doi: 10.1111/j.1365-<br />

246X.<strong>2005</strong>.02833.x, 2006.<br />

Olsen, N., H. Lühr, T. Sabaka, M. Mandea, M. Rother, L. Toffner-Clausen, S.<br />

Choi, CHAOS - A Model of Earth’s Magnetic Field derived from CHAMP, Ørsted,<br />

and SAC-C magnetic satellite data, J. Geophys. Int., in review, 2006.<br />

Olsen, N., L. Toffner-Clausen, T. J. Sabaka, P. Brauer, J. G. Merayo, J. L. Jorgensen,<br />

J.-M. Leger, O. V. Nielsen, F. Primdahl, and T. Risbo, Calibration of the Ørsted<br />

vector magnetometer, Earth Planet Space, 55, 11-18, 2003.<br />

Ritter, P., H. Lühr, A. Viljanen, O. Amm, A. Pulkkinen, and I. Sillanpää, Ionospheric<br />

currents estimated simultaneously from CHAMP satellite and IMAGE<br />

ground-based magnetic field measurements: A statistical study at auroral latitudes,<br />

Ann. Geophys., 22, 417-430, <strong>2004</strong>.<br />

Sabaka, T., N. Olsen, and R. A. Langel, A comprehensive model of the quiet-time,<br />

near-Earth magnetic field: phase 3, Geophys. J. Int, 151, 32-68, 2002.<br />

Sabaka, T., N. Olsen, and M.E. Purucker, Extending comprehensive models of the<br />

Earth’s magnetic field with Ørsted and CHAMP data, Geophys. J. Int., 159, 521-<br />

547, <strong>2004</strong>.<br />

Thébault, E., J. J. Schott, M. Mandea, and J. P. Hoffbeck, A new proposal for Spherical<br />

Cap Harmonic modelling, Geophys. J. Int., 159, 83-103, <strong>2004</strong>.<br />

Wardinski, I., Core Surface Flow Models from Decadal and Subdecadal Secular<br />

Variation of the Main Geomagnetic Field, Ph.D., FU Berlin, 132 pp, <strong>2005</strong>.<br />

Wessel, P. and W. H. F. Smith, New, improved version of the Generic Mapping Tools<br />

released, EOS Trans. AGU, 79 579, 1998.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


CONTINENT – Der Baikalsee: ein außergewöhnliches<br />

kontinentales Klimaarchiv<br />

Hedi Oberhänsli, Birgit Heim, François Demory, Jens Klump, Hermann Kaufmann, Norbert Nowaczyk, Ronald Conze<br />

und CONTINENT-Partner<br />

Lake Baikal represents one of the few Eurasian, continental, lacustrine sites with an extremely long, uninterrupted sedimentary<br />

record (spanning potentially 25 million years) that can be exploited for high-resolution palaeoclimate studies.<br />

Baikal is also close to the boundaries of two important weather systems - the Siberian high-pressure zone and the Asian<br />

monsoon zone. Over recent decades, scientists have become increasingly aware that weather systems in one region of<br />

the world can have significant effects on climate elsewhere, many thousands of miles away. By definition, remote influences<br />

such as these are termed teleconnections. Moreover, it is also increasingly apparent that the earth's climate can<br />

change very abruptly in contrast to current predictions that, for example, global warming will occur gradually over<br />

the next 50 to 100 years. It is therefore important that we are fully able to understand the extent and rate of change of<br />

past climate variability. Lake Baikal represents a site remote from oceanic influences, for long time ignored in highresolution<br />

climate studies. By reconstructing climate variability in continental Eurasia, we can contribute to the knowledge<br />

base of, for example, the importance of changes in oceanic circulation to climate in regions remote from oceans<br />

during known periods of instability.<br />

In CONTINENT (High Resolution CONTINENTal Paleoclimate Record in Lake Baikal) we used both biological and<br />

non-biological proxies to reconstruct climate variability in Eurasia during the interglacials known as the Holocene<br />

(10 kiloannum (ka = 1000 years) before present BP) and the Eemian (c. 110 to130 ka BP), and the preceding Terminations<br />

I and II phases. Of interest were also abrupt climatic changes, in particular their timing and extent. However,<br />

in order to do this with confidence we also investigated contemporary processes in the lake that are likely to affect<br />

each of the different climate proxies. Challenges identified include understanding: (i) biological processes in the photic<br />

zones, e.g. life cycle strategies of organisms dependent on ice-cover in the lake; (ii) processes influencing windblown<br />

and riverine input to the lake; (iii) transport of biological and non-biological particles through the water<br />

column, e.g. rates of transport, seasonality; and (iv) processes that affect final incorporation of sediment particles<br />

into the sedimentary record, e.g. grazing, dissolution of diatom tests, bacterial consumption of organic material, typical<br />

processes occurring at the water/sediment interface. In order to address these challenges, climate has been reconstructed<br />

at high resolution: on decadal to centennial scales. Using these results we have learned more about the<br />

influence of climate forcing factors and their feedbacks. CONTINENT provided an improved knowledge on the central<br />

Asian climate history, which helps toward a better understanding of European and Northern Hemisphere climate<br />

systems.<br />

Meteorologische Messreihen belegen, dass auch Zentraleurasien<br />

in den letzten 100 Jahren eine deutliche Erwärmung<br />

erfahren hat, die sich wahrscheinlich in die Zukunft<br />

fortsetzen wird (Todd und Mackay, <strong>2004</strong>). Diese Aussagen<br />

beruhen auf Eisdickenentwicklung am Baikalsee und<br />

dem Beginn des Eisaufbaus und Abschmelzens. Temperaturmessungen<br />

zeigen weiter, dass seit den 1980er Jahren<br />

ansteigende kontinentale Wintertemperaturen über<br />

Eurasien und Nordamerika zu einem großen Teil für die<br />

beobachtete generelle Erwärmung über der Nordhemisphäre<br />

verantwortlich sind, während der Nordatlantik<br />

leicht kühlere Werte zeigt. In Sibirien hat das zu extremen<br />

räumlich und zeitlich gestreuten Temperatur- und Feuchtigkeitsanomalien<br />

geführt.<br />

Weite Permafrostbereiche finden sich bereits klimatisch<br />

im Ungleichgewicht. Bleibt es bei diesem Klimatrend,<br />

würde das bedeuten, dass sich die Grenze des permanenten<br />

Dauerfrostes, die sich derzeit noch am Nordende des<br />

Baikalsees befindet, langsam aber stetig weiter nach Norden<br />

zurückzieht. Dies wird eine Vielzahl von ökologischen<br />

Veränderungen nach sich ziehen. Noch ungeklärt ist,<br />

inwieweit die Auftauprozesse in Permafrostböden, unter<br />

anderem durch einsetzende Kompostierung der organischen<br />

Substanzen, Treibhausgase in noch nicht einschätzbarem<br />

Ausmaß zur Klimaveränderung freisetzen<br />

werden. Dass sie ihre Bedeutung haben, deckt sich mit<br />

Modellen, denn deren Ergebnisse gehen von starken<br />

Zunahmen von Treibhausgas und partikulären Aerosolen<br />

aus. Aus klimatischen Modellierungen wird prognostiziert,<br />

dass in den nächsten Dekaden in Zentralasien die<br />

Wintertemperaturen um 2 bis 8 °C (globale Durchschnittstemperaturen<br />

1,5 bis 4,5 °C) ansteigen und die<br />

Niederschläge um 300 bis 600 mm/Jahr zunehmen könnten<br />

(IPCC, 2001; z. B. Abb. 1). Die für die nächsten 50 bis<br />

150 Jahre vorliegenden Prognosen sind allerdings mit großer<br />

Unsicherheit behaftet, weil Rückkopplungsprozesse<br />

nicht ausreichend bekannt sind. Ebenfalls sind in Zukunft<br />

mehr Extremereignisse zu erwarten. In Zentralsibirien<br />

würde das bedeuten, dass mehr Frühjahrs- und Sommerstürme<br />

auftreten, die zu extremen Sommergewittern führen<br />

und verstärkt massive Staubmassen aus den zentralasiatischen<br />

Wüsten nach Osten bis nach Nordamerika transportieren.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

77


78<br />

Abb. 1: Globale Temperaturänderungen, die in den letzten 150 Jahren gemessen wurden (unten links). Der rote Pfeil<br />

könnte die Richtung in die Zukunft weisen, wenn wir mit einer deutlichen Erwärmung rechnen. Das große Bild zeigt<br />

die Temperaturverteilung, basierend auf einer maximalen vorhergesagten Erwärmung, wie sie in 100 bis 200 Jahren<br />

zu erwarten wäre. Danach wäre im Baikalgebiet mit einer durchschnittlichen Temperaturzunahme von 5 bis 8 °C zu<br />

rechnen (ICPP, 2001).<br />

Global temperature changes as recorded during the last 150 years are shown in the inset to the lower left. The red arrow<br />

points toward increasing values indicating considerable warming during the coming decades though the extent of the<br />

increase is not yet clear. From the least conservative assumption (Scenario A2) global temperature changes have been<br />

proposed. The succession of colour changes makes obvious that major temperature increases are expected to occur in<br />

mid and high latitudes of the N Hemisphere. In the Baikal area, annual average temperature might rise according to<br />

this scenario as much as 5 to 8 °C during the following 200 years (ICPP, 2001).<br />

Unsere kurzen meteorologischen Datenreihen von 100 bis<br />

120 Jahren reichen allerdings nicht aus, um Ereignisse mit<br />

extremen Amplituden zu beleuchten, deren Prozesse auch<br />

zu verstehen und regionale Zusammenhänge aufzudecken.<br />

Daher müssen wir klimatische Studien aus den letzten<br />

Interglazialen (Warmzeiten) nutzen. Aus ihnen lernen<br />

wir, wie wir Extremereignisse einzustufen und deren Auswirkung<br />

und Nachhaltigkeit auf das gesamte Klimasystem<br />

einzuschätzen haben. Extreme Klimaereignisse können<br />

im Kontext der Folgewirkungen verstanden werden,<br />

wenn aus verschiedenen Räumen paläoklimatische Daten<br />

zusammengebracht werden. Zur ausgewogenen Modellvalidierung<br />

sollten ebenfalls Daten aus unterschiedlichsten<br />

Regionen zur Verfügung stehen. Gerade Untersuchungen<br />

der letzten Jahre weisen darauf hin, dass die klimatische<br />

Variabilität im Raum beträchtlich ist. Daten der<br />

letzten 30 Jahre zeigen für Sibirien, dass für die dort aufgetretenen<br />

extremen räumlichen und zeitlichen Temperatur-<br />

und Feuchtigkeitsanomalien die Prozesse bisher nicht<br />

hergeleitet werden können (IPCC, WMO/UNEP, 2001).<br />

Gute Gründe, den zentral in Eurasien gelegenen Baikalsee<br />

als Untersuchungsobjekt auszuwählen, sind die Interaktionen<br />

zwischen verschiedenen atmosphärischen Systemen,<br />

die im Baikalseegebiet studiert werden können<br />

(Abb. 2). Im Winter liegt das Zentrum der Sibirischen<br />

Hochdruckzelle über dem westlichem Baikalgebiet und der<br />

nordwestlichen Mongolei. Als Folge der Druckverteilung<br />

dringt nur wenig Feuchtigkeit aus dem Nordatlantik und<br />

Nordpazifik nach Zentral- und Ost-Sibirien vor, so dass die<br />

Winter in der Regel kalt und trocken sind; dies wird kontrolliert<br />

durch die Stärke der Hochdruckzelle und deren<br />

meridiane Position. Im Sommer dagegen wird die Feuchtigkeitsverteilung<br />

in der Baikalregion über die thermisch<br />

kontrollierte Tiefdruckzelle, mit Zentrum südwestlich des<br />

Tibetischen Plateaus, und über die Polarfront gesteuert.<br />

Deren Positionen und Dynamik kontrollieren den arktischen<br />

Vortex und die Spur der Westwinde, die feuchte Luft<br />

aus dem Nordatlantik bzw. dem Arktischen Meer nach<br />

Zentralsibirien bringen und so im Sommer zu Regen und<br />

zu starker Wolkenbedeckung über dem See führen. Zudem<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


wird das südliche Einzugsgebiet der Selenga, des größten<br />

Zuflusses des Baikalsees, im Sommer auch mit monsunalen<br />

Niederschlägen aus dem Nordwest-Pazifik beliefert.<br />

Entsprechend war diese exponierte klimatische Positionierung<br />

des Baikalsees auch die Motivation, eine der ersten<br />

Bohrungen im Rahmen des vom <strong>GFZ</strong> Potsdam koordinierten<br />

„International Continental Scientific Drilling Program“<br />

(ICDP) im Baikalsee abzuteufen (Abb.3). Zudem<br />

dokumentieren die Sedimente des ältesten Sees der Erde<br />

eine lückenlose Klimageschichte für die letzten 25 bis<br />

35 Millionen Jahre. Die Bohrung erwies sich als sehr<br />

erfolgreich und eröffnete die Möglichkeit, in einem 200 m<br />

langen Sedimentkern die Klimageschichte der letzten<br />

5 Millionen Jahre einschließlich der Nordhemisphärenvergletscherung,<br />

die sich vor ca. 2,7 Mio. Jahren etablierte,<br />

zu studieren (z. B., Williams et al, 1998; Kashiwaya,<br />

2003; Demske et al., 2002). Das CONTINENT-Projekt<br />

(High Resolution CONTINENTal Paleoclimate Record in<br />

Lake Baikal) kann als Weiterführung dieser ersten lakustrinen<br />

ICDP-Bohrung gesehen werden, denn CONTINENT<br />

als Folgeprojekt wird viele komplexe Prozesse, die beim<br />

ersten Anlauf noch nicht verstanden werden konnten, nun<br />

weiter klären (Z. B., Oberhänsli and Mackay, <strong>2005</strong>).<br />

Im EU-geförderten Projekt CONTINENT standen zwei<br />

Fragen im Zentrum:<br />

(i) Wie funktioniert das Ökosystem Baikalsee heute,<br />

und welche Prozesse sind Schlüssel zum Verständnis<br />

des Klimas der Vergangenheit?<br />

• Welche Prozesse sind für die Biologie in der photischen<br />

Zone relevant? Ist z. B. die Überlebensstrategie<br />

der Organismen von der Dauer und der Dicke der Eisbedeckung<br />

abhängig?<br />

• Wie funktioniert der Nährstoffkreislauf?<br />

• Welche Prozesse beeinflussen den allochthonen Eintrag<br />

(Aerosole oder Flussfracht) in den Baikalsee<br />

und welche die räumliche Verteilung der detritischen<br />

Partikel?<br />

• Was passiert während des Transports von biologischen<br />

and abiotischen Partikeln durch die Wassersäule, die<br />

im zentralen Becken bis 1650 m mächtig ist? Wie viel<br />

Material wird biologisch abgebaut, wo finden laterale<br />

Transporte statt?<br />

• Welche Prozesse können die Einbettung der Partikel<br />

an der Wasser-Sediment-Grenzfläche beeinflussen:<br />

Bioturbation und zoologisches Abweiden, bakterieller<br />

Abbau, chemische Lösung und Umwandlung an der<br />

Sediment-/Wassergrenzfläche?<br />

Abb. 2: Druckverteilung während des Winters und Sommers über Eurasien. Hauptmerkmale sind das Sibirische<br />

Hochdruckgebiet und das Tibetische Tiefdruckgebiet. Sie kontrollieren die Feuchtigkeit über Eurasien, die aus dem<br />

Nordatlantik, der Arktis (sommers und winters) und dem NW-Pazifik (hauptsächlich im Sommer) herangeführt werden.<br />

Pressure distributions over Eurasia during winter and summer. The major features are the Siberian High-Pressure Cell<br />

and the Tibetan Low-Pressure Cell, which control on atmospheric moisture distribution over Eurasia originating from<br />

the North Atlantic, and the Arctic Oceans (summer and less pronounced during winter) as well as from the NW Pacific<br />

(mostly during summer).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

79


80<br />

Abb.3:Für das ICDP-Bohrprogramm wurde mit dem Forschungsschiff<br />

„ULAN UDE“ (oben) die Bohrplattform zur<br />

Bohrungsstelle gebracht und mit dem Bohren begonnen,<br />

als der gesamte Bohrkomplex eingefroren war. Die Bohrung<br />

wurde beendet, als das Eis im frühen Sommer aufbrach.<br />

Für das CONTINENT-Programm (http://continent.gfz-potsdam.de)<br />

haben wir das Forschungsschiff<br />

„VERESHAGIN“ (unten) für das Aussetzen der Sedimentfallen,<br />

die biologische, physikalische und chemische<br />

Geländearbeit sowie für die seismischen Aufnahmen und<br />

zum Einholen von Sedimentkernen vom Limnologischen<br />

Institut in Irkutsk angemietet (Fotos: H. Oberhänsli, <strong>GFZ</strong>).<br />

For the ICDP deep drill hole the research vessel (RV)<br />

„ULAN UDE“ (above) was dragging a barge with drilling<br />

tower and equipment to the site. When the lake was<br />

frozen and ship position had stabilized drilling could be<br />

started and continued until the ice cover was breaking up.<br />

For the CONTINENT field studies (http://continent.gfzpotsdam.de),<br />

like deployment of sediment traps, biological,<br />

physical and chemical monitoring, seismic survey<br />

of surface sediment layers, and sediment coring we rented<br />

RV „VERESHAGIN“ (below) from the Limnological<br />

Institute, RAS, Irkutsk during the summer cruises from<br />

2001 to 2003.<br />

(ii) Welche Klimavariationen charakterisieren die letzten<br />

beiden Interglaziale (Warmzeiten) in Zentralsibirien?<br />

• Holozän (0 bis 10 ka BP) und Eem (entspricht der<br />

Kasantzevo-Warmzeit) (117 bis 127 ka BP)<br />

• mit den zugehörigen Übergängen aus den vorangehenden<br />

Glazialen (Terminationen I und II)<br />

Die Klimavariationen sollten in hoher zeitlicher Auflösung,<br />

von Jahrzehnten bis zu einem Jahrhundert, rekon-<br />

struiert werden. Darüber hinaus sollten die gefundenen<br />

Paläoklimavariationen mit Daten aus Westeuropa und<br />

Asien verglichen werden, um im räumlichen Vergleich<br />

Amplituden von kurzen Klimaereignissen und die Ausrichtung<br />

der Änderungen zu evaluieren.<br />

Wir erwarteten, dass sowohl die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen,<br />

wie auch die wechselnden Niederschläge<br />

aus den Sedimentparametern herauszulesen sind.<br />

Wichtig war es uns, für beide Interglaziale Daten in Zeit<br />

und Raum zu bekommen. Deshalb wurden drei Bohrlokationen<br />

geplant und damit auch dem Monitoring der morphologischen<br />

und klimatischen Diversität des Sees Rechnung<br />

getragen (vgl. Abb. 4, 5).<br />

Wie funktioniert das Ökosystem Baikalsee?<br />

Der Baikalsee ist mit einer Tiefe von bis zu 1650 m der<br />

tiefste Süßwassersee der Welt. Der südsibirische See, ca.<br />

650 km lang und maximal 80 km breit, erstreckt sich über<br />

eine Oberfläche von 31.500 Quadratkilometern und hat<br />

eine durchschnittliche Wassertemperatur von 4 °C. Aufgrund<br />

seiner Tiefe ist er zugleich auch der größte Süßwasserkörper<br />

der Welt: er enthält ein Fünftel des Süßwassers<br />

aller Seen der Erde.<br />

Der Baikalsee besteht aus drei morphologisch durch<br />

Unterwasserrücken abgetrennten Becken von unterschiedlicher<br />

Tiefe (maximal: 1650 m, minimal: 910 m).<br />

Im August kann die Oberflächentemperatur 8 bis 10 °C<br />

erreichen, in Ufernähe oder kleinen Buchten sogar 14 bis<br />

18 °C.<br />

Der See ist dimiktisch. Das bedeutet, dass der See zeitweise<br />

geschichtet ist (mit Epilimnion und Hypolimnion).<br />

Der Wasserkörper wird also einmal im Jahr bis zu einer<br />

Tiefe von 250 m windbedingt umgewälzt und friert mindestens<br />

für die Hälfte des Jahres zu. Die Sommerschichtung<br />

dauert nur kurz (Ende Juli-Anfang September), doch<br />

dabei wird das Epilimnion (Deckschicht) bis zu 50 m<br />

mächtig. In Jahren mit langen Wintern und kühlen Sommern<br />

kann im Nordbecken die Schichtung auch ausbleiben<br />

(Kozhova and Izmest’eva, 1998). Der See ist ab Ende<br />

Dezember für die Hälfte des Jahres mit Eis bedeckt. Eisfrei<br />

wird das Südbecken ab Mitte Mai, das Nordbecken<br />

erst ab Mitte Juni (Kozhov 1963). Diese extrem jahreszeitlich<br />

geprägte limnologische Situation hat Auswirkungen<br />

auf die Primärproduktion und damit auf die gesamte<br />

Nahrungskette.<br />

Hier liegt der Schlüssel zur Frage: „Welche biologischen<br />

Seesedimentparameter liefern welche Klimainformationen,<br />

und was bewirkt und beeinflusst diese klimatische<br />

Signalbildung?“, die wir zuerst zu lösen hatten, bevor wir<br />

die Rekonstruktion der Klimavariationen in der Vergangenheit<br />

angehen konnten. Wir hatten ein ausgedehntes<br />

Monitoringprogramm vor Ort mit Expeditionen geplant,<br />

die im März (Insolation nimmt zu: wichtiger Zeitpunkt in<br />

der saisonalen Produktivität) und im Juli/August (Beginn<br />

des Sommerproduktionsmaximums) stattfanden. Nicht<br />

nur die autochthonen (d. h. Vor-Ort-) Prozesse bilden Kli-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


masignale im Sediment ab. Der Baikalsee ist über Flussfrachten<br />

und äolischen Transport das Auffangbecken für<br />

wechselnde allochthone (d. h. außerhalb des Systems<br />

generierte) Einträge, die ebenfalls Klimasignale (Klimaproxies)<br />

mit sich bringen.<br />

Monitoring für biologische, chemische und minerogene<br />

Parameter<br />

Geländedaten<br />

Während der Sommerexpeditionen von 2001 – 2003<br />

wurden biologische, geochemische, sedimentologische<br />

und physikalische Geländeuntersuchungen im Baikalsee<br />

durchgeführt (Abb. 4). Dazu wurden Stationen mit<br />

wechselnder Primärproduktion und terrigenem Eintrag<br />

ausgewählt. Die erfolgreiche Bohrung und Einholung<br />

der drei CONTINENT-Sedimentkerne gelang im Sommer<br />

2001 vom Forschungsschiff VERESHAGIN aus<br />

(Abb. 5).<br />

Die bio-optische Geländedatenaufnahme bestand in spektro-radiometrischen<br />

Messungen (GER Geländespektrometer)<br />

des photischen Bereiches mit gleichzeitiger Wasserprobennahme<br />

aus den entsprechenden Tiefen. Die<br />

Hauptparameter der limnologischen Geländedatenaufnahme<br />

wurden aus der Analyse der lipophilen Phytoplanktonpigmente<br />

(Chlorophylle und Carotinoide mittels<br />

High-Pressure-Liquid-Chromatography (HPLC)), sowie<br />

der Kieselalgenvergesellschaftung (Diatomeen) gewonnen.<br />

Nährstoffe und Schwebstoffgehalt und eine Vielzahl<br />

weiterer Parameter wurden ebenfalls analysiert. Temperatur-<br />

und Dichte-Stationsprofile (CTD-Sonde) bis in<br />

100 m Wassertiefe gaben Aufschluss über die Schichtungsverhältnisse<br />

der Wassersäule. Zusätzlich wurde mit<br />

multispektralen fluorometrischen Messungen (Moldaenke<br />

FluoroProbe) die Tiefenverteilung der verschiedenen<br />

taxonomischen Phytoplanktergruppen erfasst. Nach Kalibrierung<br />

der FluoroProbe auf die Phytoplanktonvergesellschaftung<br />

im Baikalsee (Diatomeen, Cryptomonaden,<br />

Blaualgen, etwas weniger gesichert Grünalgen) bestätigten<br />

die Daten aus den hochauflösenden Fluoreszenzprofilen<br />

die Konzentrationen der Phytoplankter aus dem<br />

regionalen und saisonalen Monitoring, die auf Zählungen<br />

der Phytoplanktergruppen und HPLC-Pigmentanalysen<br />

basierten. Neben Offenwasserstationen wurden gezielt<br />

Transekte, ausgehend von der Barguzin-Mündung und<br />

vom Selenga-Delta, in das Pelagial erstellt. Da auf den<br />

Forschungsfahrten horizontale Fluoreszenztransekte kontinuierlich<br />

gefahren wurden, erhöhte sich die Beobachtungsdichte<br />

signifikant. Der CONTINENT-Geländedatensatz<br />

stellte auch die Grundlage für die Evaluierung der<br />

Satellitendatenprodukte dar.<br />

Optische SeaWiFS-Satellitendaten<br />

Der spektral wirksame Wasserinhaltsstoff der obersten<br />

Gewässerschicht im Pelagial ist das Chlorophyll-a<br />

(Chl-a), ein guter Indikator für die Primärproduktion. Von<br />

radiometrisch hochaufgelösten Ocean-Colour-Satelliten<br />

werden in täglichen Aufnahmezyklen diese spektralen<br />

Signale der Weltmeere global erfasst und dem Nutzer als<br />

Chl-a-Standardprodukte zur Verfügung gestellt. Dieser<br />

nutzt die globalen Chl-a-Daten in den marinen, logistisch<br />

schwer zu erfassenden Gebieten zum Phytoplanktonmonitoring.<br />

Dieses Potential der optischen Gewässerfernerkundung,<br />

bezüglich flächenhafter<br />

hydrodynamischer und quantitativer Prozesse<br />

fehlende Informationen zu liefern,<br />

konnte jedoch bisher für den limnischen<br />

Bereich wenig ausgeschöpft werden.<br />

Daher haben wir in dieser ersten bio-optischen<br />

Satellitendatenanalyse des Baikalsees<br />

Satellitendatenprodukte entwickelt<br />

Abb. 4: Landsat TM-MOSAIK RGB742<br />

(UTM 48), Quelle: Baikal Online-GIS:<br />

http://dc108.gfz-potsdam.de/website/.<br />

Karte der Geländestationen:<br />

„Ground truthing“ 2001 – 2003 (weiße<br />

Punkte), Sedimentfallen (rote Punkte),<br />

Bohrstellen der Sedimentkerne (gelbe<br />

Punkte): Continent Ridge (Norden), Posolsky,<br />

Vydrino Shoulder (Süden).<br />

Landsat TM-MOSAIK RGB742 (UTM 48),<br />

source: Baikal Online-GIS: http://dc108.<br />

gfz-potsdam.de/website/. Sampling<br />

map: „Ground truthing“ 2001 – 2003<br />

(white dots), sediment traps (red dots),<br />

sediment coring sites (yellow dots): Continent<br />

Ridge (north), Posolsky Bank,<br />

Vydrino Shoulder (south).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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82<br />

Abb. 5: Aktivitäten im Gelände 2001 bis 2003: Side-scan-sonar SONIC 3 der Kollegen aus St. Petersburg (oben links),<br />

Geländespektrometer GER (unten links), Bekernung mit modifiziertem Kullenberglot (Prof. Meischner, Universität<br />

Göttingen) (oben rechts). 70 m Sedimentkerne gestapelt im Container (Mitte rechts). Susanne Fietz und Xavier Boes<br />

bei der Kernbeschreibung und Beprobung am <strong>GFZ</strong> Potsdam (unten rechts). In der Bildmitte das russische Forschungsschiff<br />

„Vereshagin“ (Fotos: J. Klump, <strong>GFZ</strong>).<br />

Activities during field trips summer 2001 to 2003: Side- scan-sonar SONIC 3 of the colleagues from St. Petersburg<br />

(upper left), GER spectrometers (lower left), modified Kullenberg corer (Prof. Meischner, University Göttingen; upper<br />

right). To the middle at the right side 70 m cored sediment packed in the container. To the right below Susanne Fietz<br />

and Xavier Boes are describing and sampling cores at <strong>GFZ</strong> Potsdam. In the central part the Russian research vessel<br />

„Vereshagin“.<br />

und evaluiert, und in unsere wissenschaftlichen Fragestellungen<br />

eingesetzt. Unsere Grundlagen waren High<br />

Resolution Picture Transmission (HRPT)-Satellitendaten<br />

des NASA-SeaWiFS-Instrumentes mit insgesamt 8 spektralen<br />

Aufnahmebereichen (Bänder) im Blauen, Grünen,<br />

Roten und Nahinfraroten und 1,3 km 2 räumlicher Auflösung<br />

pro Pixel. Ab Juni 2001 erhielten wir regelmäßig über<br />

18 Monate Rohdaten der HRPT-Empfangsstation in Ulan<br />

Baator (Mongolei). Die digitalen Rohdaten wurden von<br />

uns radiometrisch zu empfangenen Strahldichten am Sensor<br />

konvertiert. Dann musste das Hauptsignal der Atmosphäre<br />

herauskorrigiert und die spektralen wasserverlassenden<br />

Reflektanzen (entspricht der apparenten Gewässerfarbe)<br />

herausgerechnet werden (Heim et al., 2003). Nun<br />

musste noch untersucht werden, inwieweit für den sehr<br />

klaren Baikalsee die spektralen Variationen der Gewässerfarbe<br />

über empirische und globale Algorithmen zu<br />

Chl-a-Konzentrationen konvertiert werden können (Heim<br />

et al., <strong>2005</strong>; Heim <strong>2005</strong>). Des weiteren sollte aus den<br />

atmosphärenkorrigierten Satellitendaten die räumliche<br />

Ausdehnung der Flusseinträge lokalisiert und deren saisonale<br />

Dynamik beobachtet werden. Trotz der halbjährigen<br />

Eisbedeckung und häufiger Wolkenbedeckung, vor<br />

allem im späten Frühjahr und Sommer, konnten aus den<br />

Satellitendaten kurze Zeitserien im Sommerhalbjahr<br />

gewonnen werden.<br />

Sedimentfallen im südlichen und nördlichen Baikalsee<br />

Zur Erfassung der saisonalen Dynamik im Wasserkörper<br />

wurden zwei komplexe Verankerungen mit Sedimentfallen<br />

von März 2001 bis Juli 2003 ausgesetzt. Das in verschiedenen<br />

Wassertiefen aufgefangene partikuläre Material<br />

wird zur Quantifizierung der vertikalen Stoffflüsse für<br />

die verschiedenen Jahreszeiten genutzt. Daraus kann auf<br />

biologische Produktionsraten in der photischen Zone, aber<br />

auch auf biologische Abbauprozesse in tieferen Schichten<br />

des Wasserkörpers geschlossen werden.<br />

Eine Gerätekette wurde im Nordbecken und die andere im<br />

Süd-Zentralbecken verankert (Abb. 6). Sie bestanden aus<br />

9 bzw. 15 integrierenden Fallen, 2 sequenziellen Fallen,<br />

13 bzw. 17 Temperaturloggern, 1 Strömungsmesser und<br />

einem akustischen Auslösersystem. Aussetzen und Einholen<br />

geschah im Winter vom Eis (Südbecken) oder von<br />

dem Forschungsschiff VERESHAGIN. Die Datenaufnahme<br />

in den verschiedenen Wasserstockwerken erfolgte<br />

je nach Gerätebestückung im 60- oder 10-Minutentakt<br />

(Abb. 7). Die Beprobungsdauer in den sequenziellen Fallen<br />

wurde auf die biologische Dynamik abgestimmt und<br />

lag zwischen 10 Tagen und 2 Monaten. Die Verankerungen<br />

wurden jährlich eingeholt, dabei die Daten ausgele-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 6: Ausstattung der Sedimentfalle aus<br />

dem Nordbecken (EAWAG Zürich; Mike<br />

Sturm). Im Nordbecken wurden die Temperaturen<br />

alle 10 Minuten mit dem Brancker<br />

TR-1000 Logger bei 16, 174, 227, 389,<br />

550, 740, 795, und 868 m Wassertiefe registriert.<br />

Strömungsgeschwindigkeit und<br />

Richtung wurden in Bodennähe alle 30 Minuten<br />

mit einem Aanderaa-Strömungsmesser<br />

aufgezeichnet. Im Südbecken (Falle<br />

nicht gezeigt) wurde die Temperatur alle<br />

60 Minuten mit VEMCO-Minilogs bei 16,<br />

41, 75, 100, und 195 m Wassertiefe und alle<br />

10 Minuten mit Brancker TR-1000-Temperaturloggers<br />

bei 303, 350, 397, 455, 540,<br />

825, 1015, 1210, 1305, 1352, und 1396 m<br />

Wassertiefe aufgezeichnet. In Bodennähe<br />

(1398 m) wurden ebenfalls alle 30 Minuten<br />

Strömungsgeschwindigkeit und Richtung<br />

aufgezeichnet. Beide Verankerungen<br />

wurden während der CONTINENT-Sommerexpedition<br />

im Juli 2003 geborgen.<br />

Zusammen mit der PEEPER-Sonde, die<br />

Sauerstoff-, Stickstoff- und Kohlendioxidflüsse<br />

an der Sediment/Wasser-Grenzschicht<br />

aufzeichnet, sind Sauerstoff-Flussdaten<br />

für Frühjahr und Sommer 2001 aufgezeichnet<br />

(Maerki et al., <strong>2005</strong>; Foto: M.<br />

Sturm, EAWAG Zürich).<br />

Sediment trap deployed in the North Basin<br />

(EAWAG, Zurich; Mike Sturm). Temperature<br />

was recorded every 10 minutes using Brancker TR-1000 Loggers at 16, 174, 227, 389, 550, 740, 795, and 868 m<br />

water depth. Current speed and direction were recorded every 30 minutes with an Aanderaa current meter. In the South<br />

Basin (trap not shown), temperatures were recorded with VEMCO Minilogs at 16, 41, 75, 100, and 195 m at 60 minutes<br />

intervals and with Brancker TR-1000 temperature loggers at 303, 350, 397, 455, 540, 825, 1015, 1210, 1305, 1352,<br />

und 1396 m again at 10 minute intervals. Near-bottom (1398 m), current speed and direction were recorded every<br />

30 minutes. The PEEPER instrument registering O, N and CO2 fluxes at the sediment water interface is shown together<br />

with O2 data sequences for spring and summer 2001 (right) (Maerki et al., <strong>2005</strong>).<br />

sen, die Fallen beprobt und dann der gesamte Komplex<br />

erneut mit Probegefäßen bestückt und wiederum ausgesetzt.<br />

Des weitern wurden mittels einer PEEPER-Sonde<br />

die Stoffflüsse (Ammonium, Nitrat, Phosphate, Sauerstoff)<br />

zwischen der Sediment-Wasser-Grenzschicht und<br />

den obersten 5 cm Sediment gemessen, um die Nährstoffflüsse<br />

aus den Fallen zu komplettieren (Abb. 6, Maerki<br />

et al, <strong>2004</strong>).<br />

Biotische und abiotische Dynamik im Baikalsee<br />

Phytoplanktonverteilung im Baikalsee<br />

Für das CONTINENT-Projekt waren die saisonal sich<br />

ändernden Diatomeen- und Pigmentverteilungsmuster,<br />

die im Projektverlauf mit ökologisch gut definierten<br />

Bedingungen verknüpft werden konnten, von besonderem<br />

Interesse. Die schalenbildenden Diatomeen (Bacillariophycea)<br />

sind die häufigsten Phytoplankter im pelagialen<br />

Baikalsee. Sie teilen den photischen Bereich mit weiteren<br />

Mikrophytoplanktern (Eustigmatophycea, Chrysophycea,<br />

Cryptophycea) und autotrophen Picoplanktern (Auto-<br />

trophic Picoplankton APP: Eukaryonten und Cyanobakterien).<br />

Letztere Gruppen tragen keine Schalen und können<br />

demzufolge nicht wie Diatomeen im Sediment direkt<br />

nachgewiesen werden. Sie sind dagegen gut über Pigmente<br />

im Sediment nachzuweisen. Da jede Phytoplanktergruppe<br />

photosynthetische Schlüsselpigmente (Markerpigmente<br />

= MP) besitzt, können die Beiträge der einzelnen<br />

Phytoplanktergruppen auf Grund dieser aus den<br />

Geländedaten festgelegten Anteile zum totalen Chl-a-<br />

Gehalt über lineare Regressionen errechnet werden:<br />

Chl-a = a(MPBacillariophyceae+Chrysophyceae) +<br />

b(MPChlorophyta) + c(MPEustigmatophyceae) +<br />

d(MPCyanobakterielle APP);<br />

Dabei wurden die Schlüsselpigmentkombinationen über<br />

einen iterativen Ansatz bestimmt. Als Kriterien liegen die<br />

Bedeutung der milieuspezifischen Faktoren (a, b, c und d),<br />

die Koeffizienten des Bestimmtheitsgrades (r 2 ) und der<br />

totale Anteil an Chl-a in der beprobten Region zu Grunde.<br />

Dieses Konzept wurde mit mikroskopischen und quantitativen<br />

Bestimmungen des Phytoplanktons unterstützt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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84<br />

Zur Absicherung der Interpretation der Pigmentdaten<br />

wurde die Pigmentzusammensetzung der Gruppen auch<br />

in Zuchtversuchen untersucht und mit Werten aus der Literatur<br />

verglichen (Fietz, <strong>2005</strong>). Über Chlorophylle sowie<br />

die drei Marker-Pigmente (MP) Fucoxanthin, Lutein und<br />

Zeaxanthin konnte daher sehr gut auf die heterogene Phytoplankter-Verteilung<br />

im Baikalsee geschlossen werden<br />

(Abb. 8).<br />

Die Verteilung der verschiedenen Diatomeen-Arten, die<br />

im Baikalsee einen eindeutigen Nord-Süd-Gradienten<br />

zeigt, wird über viele Faktoren - wenn auch in unterschiedlichem<br />

Grad - gesteuert und spiegelt so die Komplexität<br />

des Systems wider (Mackay et al., 2006). Wichtig<br />

sind folgende Faktoren:<br />

• Schneedicke auf dem Eis, Dauer der Eisbedeckung,<br />

Dauer der Bedeckung mit opakem (lichtundurchlässigem)<br />

Eis<br />

• Wassertemperatur im Juli,<br />

• Wassertrübung durch minerogene Suspensionsfracht,<br />

suspendiertes organisches Material<br />

• Zooplanktonkonzentration, Wassertiefe (entscheidend<br />

für Trophiestrukturen).<br />

Abb. 7: Das Temperaturprofil über die<br />

obersten 300 m Wassersäule im Frühjahr/Frühsommer<br />

zeigt deutlich die Advektions-<br />

und Turbulenzereignisse in Abhängigkeit<br />

des Anstiegs der Sonneneinstrahlung<br />

und damit sich erwärmender<br />

Oberflächenwassertemperaturen. (Wüest<br />

et al., <strong>2005</strong>).<br />

Temperature profiles across the topmost<br />

300 m of the surface water layer during<br />

the spring/early summer. Advection and<br />

turbulences are evidenced as a result of<br />

increasing insolation, thus increasing<br />

surface water temperature in late spring/<br />

early summer (Wüest et al., <strong>2005</strong>).<br />

Wie die Faktoren zeigen, sind einerseits<br />

Prozesse, die zu stark wechselnden Lichtverhältnissen<br />

in der photischen Zone führen,<br />

aber auch turbulente Umwälzungen,<br />

die Nährstoffe zur Wiederverwendung<br />

wieder nach oben bringen, ausschlaggebend<br />

für die Prosperität der geologisch<br />

wichtigsten Phytoplanktergruppe der Diatomeen<br />

(z. B. Abb. 9). Lichtverhältnisse im<br />

Winter und zum Teil auch im Sommer werden<br />

über Niederschläge kontrolliert (d. h.<br />

Ausmaß der Schneebedeckung, Ausmaß<br />

der Wolkenbedeckung, die die Intensität<br />

der auftreffenden Globalstrahlung beeinflusst,<br />

u. ä.). Durch ausgedehntes Monitoring<br />

während der letzten 10 Jahre ist weitgehend<br />

bekannt, welche Verhältnisse im<br />

Winter und im Sommer Arten begünstigen<br />

bzw. zurückdrängen (Jewson und Granin,<br />

<strong>2004</strong>, Mackay et al. 2006).<br />

Interessant ist, dass die absolute Wassertemperatur einen<br />

nicht so entscheidenden Faktor darstellt, weil diese in dem<br />

riesigen Wasserreservoir vor allem im Winter wenig<br />

schwankt und zudem immer nahe am Gefrierpunkt liegt.<br />

Auch im Sommer sind die Wassertemperaturen für die<br />

Plankterpopulation nicht im absoluten Wert bedeutend.<br />

Sie sind aber dafür entscheidend, ob und wo sich die spätsommerliche<br />

Schichtung oder die Umwälzungen unter der<br />

Eisschicht im Winter und im Frühjahr entwickeln können.<br />

Temperaturänderungen spielen also eine relative Rolle für<br />

die komplexe Hydrophysik des Baikalseesystems. Ein<br />

steuernder Faktor, der als wichtig identifiziert werden<br />

konnte, ist der Niederschlag, der wiederum von der atmosphärischen<br />

Zirkulation gesteuert wird.<br />

Biologische Faktoren (Nahrungsnetze, Interaktionen zwischen<br />

Populationen, community ecology; Abb. 9) nehmen<br />

zwar eine wichtige Rolle ein, sind aber bis jetzt kaum unter<br />

dem Aspekt der geologischen Anwendung untersucht worden.<br />

In dem Sinne könnten Biomarkerstudien trotz schnellen<br />

bakteriellen Abbaus gute Einblicke in Zooplankterpopulationen<br />

bringen. Derzeit sind im Rahmen von<br />

CONTINENT noch Untersuchungen in Arbeit, die dazu<br />

neue Perspektiven eröffnen werden.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 8: Chlorophyll-a-Konzentration auf die verschiedenen Phytoplanktongruppen aufgeteilt. Die Daten der vier Stationen<br />

(S-Becken = Vydrino, Posolsky, Z-Becken, N-Becken = Kontinent-Rücken) zeigen große Variationen über die<br />

drei Sommer 2001 bis 2003 (Fietz et al., <strong>2005</strong>). Links unten sind die Schlüsselpigmentverteilungen und rechts unten<br />

die Konzentrationen der verschiedenen Phytoplankter für die vier Stationen aufgezeichnet. Die Diatomeen stellen die<br />

dominante Gruppe in der Phytoplankterzusammensetzung.<br />

Chlorophyll-a distribution attributed to the different phytoplankton groups calculated with multiple linear regression<br />

techniques across the lake (4 stations: S Basin = Vydrino, Posolsky, C Basin, N Basin = Continent Ridge) during summer<br />

2001 to 2003 (upper panel, Fietz et al., <strong>2005</strong>) is indicating a strong interannual variability. To the left (below) the<br />

distribution of marker pigments and to the right the phytoplankton concentration at the 4 stations during the summer<br />

season. Diatoms are evidently the most abundant group.<br />

Für Phytoplankter, die keine Schalen ausbilden, ist die<br />

Nährstoffverfügbarkeit wichtig. Die Messkampagnen<br />

zeigten allerdings, dass Nährstofflimitierung, anders als<br />

in europäischen und nordamerikanischen Seen, kaum für<br />

Phosphor, sondern höchstens ausnahmsweise für Stickstoff<br />

gilt. Neben Nitrat and Ammonium zeigt z. B. im Sommer<br />

auch der anorganische Stickstoff eine Abreicherung<br />

im Selenga-Delta. Erstere Abnahmen sind der Denitrifizierung<br />

zuzuschreiben. Die N 2-Abnahme erklärt sich<br />

mit den während der Sommersaison vorherrschenden N-<br />

Abb. 9: Wichtigste biotische Prozesse in der photischen<br />

und aphotischen Zone: (i) Primärproduktion mit Nahrungskreislauf,<br />

(ii) Export des organischen Materials aus<br />

der photischen Zone mit wirksamen Abbauprozessen<br />

in der Wassersäule (iii) „New Production“ in der photischen<br />

Zone dank der wiederverwendbaren Nährstoffe<br />

(http://lepo.it.da.ut.ee/~olli/eutr/sedFig3.gif).<br />

Principal biotic processes occurring in the euphotic and<br />

aphotic zones: (i) Primary production and food web, (ii)<br />

Sedimentation through the water column: showing degradation<br />

processes of organic matter settling to the bottom,<br />

and (iii) new production in the photic zone using recycled<br />

nutrients (http://lepo.it.da.ut.ee/~olli/eutr/sedFig3.gif).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

85


86<br />

fixierenden, cyanobakteriellen Picoplanktern. Somit sind<br />

deren Pigmente ein ausgezeichneter Indikator für die<br />

Sommerproduktivität als Folge der Nährstoffsituation.<br />

Gemessen am gesamten Phytoplanktonvolumen sind die<br />

Anteile der cyanobakteriellen und eukaryotischen autotrophen<br />

Picoplankter am höchsten bei der Station Posolsky<br />

in der Nähe des Selenga-Deltas (61 %) und im südlichen<br />

Becken, in dem der Flusseintrag maximal ist, während<br />

sie am niedrigsten im nördlichen Becken (11 %) sind<br />

(Fietz <strong>2005</strong>, Fietz und Nicklisch, <strong>2004</strong>). Diese Unterschiede<br />

in der Häufigkeit bilden den Nährstoffgradienten<br />

für Stickstoff zwischen Süd- und Nordbecken ab und zeigen<br />

somit die unterschiedlichen Trophiestrukturen. Insgesamt<br />

ist die Phytoplankterproduktion im Winter geringer<br />

als während der eisfreien Zeit. Die totale Primärproduktion<br />

erreichte im Juli/August, der Hauptproduktionszeit,<br />

im nördlichen Becken eine über die Wasserkolonne<br />

integrierte Akkumulation von 0,3 g m –2 Tag –1 Kohlenstoff.<br />

Im wärmeren südlichen Becken liegt sie von Juli bis<br />

August bei 0,8 g m –2 Tag –1 Kohlenstoff. Allerdings treten<br />

alle 3 bis 5 Jahre im späten Winter „Melosirablüten“ auf.<br />

Dabei vermehrt sich die Diatome Aulacoseira baicalensis,<br />

früher Melosira genannt, im März-April und erreicht in<br />

1 bis 25 m Wassertiefe Biomassen von 4 bis 6 g/m 3 . Diese<br />

extremen Kieselalgenblüten sind über erhöhte Silizium-<br />

Konzentrationen gesteuert, die sich über komplexe biologische<br />

Interaktionen aus der Vorjahressituation ergeben.<br />

Während der „Melosira-Jahre“ dominiert im Sediment die<br />

Winterproduktion, während in den anderen Jahren größtenteils<br />

die Sommerproduktion für das Sedimentsignal<br />

ausschlaggebend ist (David Jewson; persönl. Mitt. <strong>2005</strong>).<br />

Satellitendaten-Auswertung: In situ Bioproduktion<br />

und Flusseintrag<br />

Die Gewässerfernerkundung kombiniert mit „Ground<br />

Truthing“ bewährte sich als eine ausgezeichnete Methode,<br />

die biologische und allochthone Dynamik im Oberflächenwasser<br />

des Baikalsees in Raum und Zeit nachzuvollziehen.<br />

Der riesige Seekomplex erwies sich als ein biooptisch<br />

vielseitiges Studienobjekt. Aus den morphologischen,<br />

klima- und einzugsgebietbedingten Gegebenheiten<br />

des Baikalsees hatte sich ein regionales Unterwasserlichtfeld<br />

der oberen Wasserschicht entwickelt, das den<br />

Baikalsee von den bio-optischen Rahmenbedingungen<br />

bisheriger Gewässerfernerkundungsstudien des marinen<br />

Bereiches, der Küstenfernerkundung, und der mesotrophen<br />

großen europäischen Seen unterscheidet. Die bio-<br />

Abb. 10: Atmosphärenkorrigierte wasserverlassende Reflektanzen, Baikalsee, 23. 07. 2002, dargestellt als SeaWiFS<br />

,Quasi True Colour‘, ein „Red Green Blue (Bänder:) 642“-Bild. Irradianzreflektanz-Messungen des Unterwasserlichtfeldes,<br />

Juli 2002, sowie die Information zur Phytoplankton-Dominanz* (*S. Fietz, IGB, Berlin) veranschaulichen<br />

die bio-optischen Provinzen (B. Heim, 2006).<br />

Atmospherically corrected water leaving reflectance, Lake Baikal 23/07/2002, presented as SeaWiFS ,Quasi True Colour‘,<br />

a „Red Green Blue (spectra:) 642“-picture. Irradiance reflectance measurements of the under water light field, July<br />

2002, and the phytoplankton dominances * (*S. Fietz, IGB, Berlin) are used to visualise the bio-optical provinces.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


optischen Rahmenbedingungen, die durch<br />

die ausgedehnten Gelände-Messkampagnen<br />

definiert werden konnten, sind die<br />

hohe Transparenz und der oligotrophe<br />

Status in den Beckenbereichen sowie die<br />

Besonderheit von sehr organikreichen<br />

Flusseinträgen aus den Sumpfgebieten<br />

des Hinterlandes.<br />

Die Evaluierung der empirischen globalen<br />

Chl-a-Algorithmen zeigte, dass eine<br />

standarisierte Atmosphärenkorrektur für<br />

den Baikalsee zu bedeutenden Überschätzungen<br />

von Chl-a bis zu Faktor 10<br />

führt. Diese Chl-a-Überschätzung in den<br />

Standard-Chl-a-Satellitenprodukten tritt<br />

in Bezug auf oligotrophe Seen weltweit<br />

auf und behindert die Nutzung dieser<br />

eigentlich frei zur Verfügung stehenden<br />

Daten. Über regionale Recherchen zur<br />

Atmosphärenschicht über dem Baikalsee<br />

konnte eine angepasste Atmosphärenkorrektur-Prozessierung<br />

für das Baikalseegebiet<br />

eingerichtet werden, die eine Korrektur<br />

zu realen spektralen Strahlungswerten<br />

(der wasserverlassenden Reflektanz)<br />

ermöglichte (Abb.10).<br />

Für den Baikalsee als oligotrophes System<br />

mit entsprechend sehr niedrigen Chla-Werten,<br />

die zwischen 0,7 und 2 µg l –1<br />

liegen, funktionierte der SeaWiFS-OC2-<br />

Chl-a-Algorithmus, der aus einem globalen<br />

Datensatz (2853 Messsätze) oligotropher<br />

mariner Gewässer entwickelt wurde (O’Reilly et<br />

al. 1998, 2000) am besten (Heim, <strong>2005</strong>). Die Evaluierung<br />

mit den Geländedatensätzen zeigte eine Ableitungsgenauigkeit<br />

im Rahmen des vorgegebenen NASA- und ESA-<br />

Qualitätsstandards für Chl-a-Ableitung aus optischen Satellitendaten<br />

einer gringeren Abweichung als ± 35 %.<br />

Die SeaWiFS-Chl-a-Daten offenbarten eine relativ<br />

homogene horizontale Verteilung Anfang des Sommers,<br />

die aufgrund der sich entwickelnden thermischen<br />

Schichtung im Juli/August in einer heterogenen Wirbelstruktur<br />

zerbricht. Durch diese in den Satellitendaten<br />

räumlich nachvollziehbare Heterogenität konnten wir<br />

überprüfen, ob die einzelnen Monitoringstationen in<br />

getrennten Produktivitätsprovinzen liegen und inwiefern<br />

die Ergebnisse der einzelnen Stationen miteinander<br />

betrachtet werden können. Gemittelte Konzentrationen<br />

der einzelnen Beckenbereiche aus den Chl-a-Zeitreihen<br />

der Jahre 2001 und 2002 zeigen deutlich einen Anstieg<br />

der Bioproduktion im Juli/August, der über das Zeitfenster<br />

der Geländekampagnen nicht mehr erfasst werden<br />

konnte (Abb. 11).<br />

Auch die Flusseinträge (Parameter Suspended Particulate<br />

Matter, SPM) konnten wir im ersten Jahr der Untersuchungen<br />

auf spektakuläre Weise verfolgen, denn im südlichen<br />

Einzugsgebiet des Baikalsees fand während der<br />

Abb. 11: Ausschnitte aus den aus atmosphärenkorrigierten SeaWiFS-Satellitendaten<br />

berechneten Chl-a-Karten des Baikalsees. Sie zeigen die räumliche<br />

Verteilung der Primärproduktivität. Die berechneten Chl-a-Werte widerspiegeln<br />

auch die Werte außerhalb der Expeditionszeit. Die Kurven im unteren Teil<br />

der Abbildung zeigen die Sommerproduktivität (2002) für verschiedene Gebiete<br />

im Baikalsee; blau: ultraoligotroph im zentralen Nordbecken; orange: oligotroph<br />

im Zentralbecken; grün: Südbecken (B. Heim, 2006).<br />

Chl-a maps of Lake Baikal calculated from atmospherically corrected Sea-<br />

WiFS satellite data provide spatial information on primary productivity. The<br />

calculated Chl-a data also provide information on the seasonal succession of<br />

productivity beyond the expedition time windows (summer 2002, CON02-8).<br />

The graph at the bottom displays summer (2002) productivity of different<br />

regions in Lake Baikal: blue: ultra-oligotrophe central North Basin; oranges:<br />

oligotrophe Central Basin; green: South Basin (B. Heim, 2006).<br />

Feldaufnahmen ein Jahrhundertgewitter statt. Die Belieferung<br />

des Sees mit Huminstoffen und minerogenem<br />

Detritus war demzufolge außergewöhnlich reichlich. Das<br />

optische Signal dieses organikreichen Flusseintrages<br />

bestand in einer deutlich verstärkten Absorption im blaugrünen<br />

Wellenbereich, der in den kurzwelligen SeaWiFS-<br />

Bändern sichtbar wurde und sich noch in einem Zeitraum<br />

von zwei Wochen nach dem katastrophalen Flutereignis<br />

hielt. Über diesen optischen Indikator konnte die Intensität<br />

und die außergewöhnliche räumliche Ausbreitung der<br />

Flusseinträge vor allem in das Südbecken nachvollzogen<br />

werden (Abb. 12). Für die Ableitung des am Baikalsee<br />

anzutreffenden organikreichen Flusseintrages wurde ausgehend<br />

von Schlussfolgerungen aus der Barguzin- und<br />

Selenga-Transektenbeprobung und den Schwebstoffgeländedaten<br />

von Juli 2001 ein empirischer Algorithmus<br />

generiert. Auch in den Zeiten der Schneeschmelze zeigten<br />

die SeaWiFS-Satellitendaten, dass über einen mehrwöchigen<br />

Zeitraum im Mai bedeutende Flusseinträge in<br />

das Südbecken stattfanden (Heim et al., <strong>2005</strong>).<br />

Wie werden die Signale aus der photischen Zone<br />

ins Sediment verbracht?<br />

Damit die Proxies aus den Sedimenten mit realistischen<br />

ökologischen Situationen in Verbindung gebracht und entsprechend<br />

quantifiziert werden können, mussten zuerst<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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88<br />

Abb. 12: Terrigener Eintrag (SPM in mg/L), dargestellt auf der SeaWiFS-Karte für den 19. 07. 2001. Der Eintrag aus<br />

dem Hinterland des Barguzin und der Selenga sowie aus umliegenden Gebirgsbächen ist erhöht, weil zwei Wochen früher<br />

ein Unwetter geherrscht hatte (B. Heim, 2006).<br />

SPM (suspended particulate matter) presented on a SeaWiFS map for 19 /07/2001 (SPM concentrations are in mg/L).<br />

Selenga, and Barguzin Rivers and local mountain rivers bring the terrigenous input. It is intensified due to heavy rainfall-events<br />

that occurred up-stream two weeks earlier (B. Heim, 2006).<br />

geeignete Transfermodelle erstellt werden. An zwei Beispielen<br />

wird gezeigt, warum die Suche nach den Transfermodellen<br />

so wichtig ist: (i) am Abbau der photosynthetischen<br />

Pigmente und (ii) an den Lösungsvorgängen<br />

an Diatomeen, die beide wichtige Proxygruppen darstellen.<br />

Monitoring-Daten zeigten, dass Bakterien im Sommer<br />

und im Winter unabhängig von der Populationsdichte bis<br />

30 % der täglichen Primärproduktion konsumieren. Der<br />

Abbau der photosynthetischen Pigmente in der Wassersäule<br />

wird zusätzlich zur bakteriellen Zersetzung auch<br />

über weitere Prozesse, wie Photooxidation und Zooplanktonabweidung<br />

kontrolliert. In zwei Tiefenprofilen<br />

von Sedimentfallen wurden die Abbauraten über 3 Jahre<br />

quantifiziert (Abb. 13). Der Baikalsee bildet insofern auch<br />

besondere Transfermodelle aus, da folgende Prozesse für<br />

ihn von großer Bedeutung sind: die euphotische Zone<br />

(> 1 % des Oberflächenlichtes) geht bis zu einer Tiefe von<br />

50 m, und bis zum Boden des Sees in über 1000 m Tiefe<br />

ist reichlich Sauerstoff vorhanden. Besonders dominant<br />

scheint die Zooplanktonabweidung zu sein. Das vorherrschende<br />

Zersetzungsprodukt der photosynthetischen Pigmente<br />

sind Phaeopigmente, vor allem das Phaeophorbid-a,<br />

die sich im Verdauungssystem der Meso- und Mikrozooplankter<br />

(Carpenter und Bergquist, 1985) bilden. Da keine<br />

Phaeophorbide in unseren Wasserproben nachgewiesen<br />

werden konnten, verlassen die Phaeopigmente in den relativ<br />

großen Kotpillen der Mesozooplankter rasch den photischen<br />

Bereich der Wassersäule. Dies bestätigen auch frü-<br />

here Beobachtungen am Baikalsee, in denen postuliert<br />

wurde, dass das Abweiden durch Zooplankton große<br />

Bedeutung im Nahrungsnetz hat (Koshov, 1963).<br />

Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Abnahme von<br />

Chl-a und Phaephorbid-a in den obersten Schichten exponentiell,<br />

aber unter 250 m Tiefe deutlich langsamer stattfindet.<br />

Setzt man die Konzentration von Chl-a und Phaephorbid-a<br />

in einer Tiefe von 40 m als 100 %, finden wir<br />

in 100 m Wassertiefe nur noch 57 %, bei 250 m noch<br />

27 %, und in Bodennähe auf 1400 m Tiefe noch 22 % der<br />

ursprünglichen Menge (Fietz et al., <strong>2005</strong>) (Abb. 13). Für<br />

die anderen Chlorophylle und die Carotinoide gelten ähnliche<br />

Abbauraten. Unterschiedliche, größenabhängige<br />

Pigment-Abbauraten wurden vor allem bei den Bacillariophyceae<br />

und Chrysophyceae, der chemotaxonomischen<br />

Gruppe mit den höchsten Anteilen an der Phytoplanktervergesellschaftung,<br />

beobachtet (Fietz et al., <strong>2005</strong>). Die<br />

generell geringeren Abbauraten in größeren Wassertiefen<br />

sind wahrscheinlich über die niedrigen Wassertemperaturen<br />

zu erklären. Alle unsere Geländebeobachtungen weisen<br />

darauf hin, dass die Ablagerung von photosynthetischen<br />

Pigmenten auf der Sedimentoberfläche im Baikalsee<br />

durch diese vielen Faktoren beeinflusst wird. Aber<br />

dank der gefundenen Transfermodelle, die aus den Beobachtungen<br />

abgeleitet wurden, können wir jetzt auf die<br />

ursprüngliche Phytoplanktervergesellschaftung schließen.<br />

Damit können die biotischen Sedimentproxies für<br />

ökologische Informationen und damit zur Rekonstruktion<br />

des Klimas genutzt werden.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 13: Häufigkeit des Chl-a, sowie des Abbauproduktes Pheophorbid-a und Pheophytin a in der Wassersäule (links)<br />

(Fietz, <strong>2005</strong>). Das Abbau-Modell ist in der Mitte dargestellt. Rechts sind die prozentualen Anteile der einzelnen Phytoplankter<br />

am Chl-a abgebildet. Die prozentualen Veränderungen in der Tiefe zwischen 600 und 800 m und 1000 und<br />

1200 m deuten auf horizontale Tiefenströmungen, denn dort befinden sich zum Zeitpunkt der Fallenbeprobung Wassermassen<br />

mit anderen Phytoplankterinhaltsstoffen.<br />

Abundance of Chl-a, the decay product Pheophorbid-a und Pheophytin a in the water column (left) (Fietz, <strong>2005</strong>). In<br />

the middle, the decay model for pigments is shown. Percentage of phytoplankton contributing to Chl-a is shown to the<br />

right. The variations in the abundance between 600 and 800 m, 1000 and 1200 m highlight levels of lateral water transport<br />

containing other phytoplankton assemblages then at the mooring station.<br />

Die Auflösungsprozesse an den Diatomeen sind ein weiterer<br />

entscheidender Prozess, der mit einberechnet werden<br />

muss. Die im Baikalsee beobachteten Auflösungsraten sind<br />

speziesabhängig und damit leicht zu korrigieren. Für<br />

Rekonstruktionen früher lebender Diatomeen-Populationen<br />

wurden Korrekturfaktoren für die einzelnen Diatomeen-Arten<br />

errechnet. Dazu wurde die Zusammensetzung<br />

der lebenden Populationen mit den Vergesellschaftungen<br />

aus verschiedenen Sedimentfallentiefen und dem heutigen<br />

Oberflächensediment verglichen. Am aggressivsten sind<br />

die Lösungsvorgänge allerdings an der Sediment-Wasser-<br />

Grenzfläche (Battarbee et al., <strong>2005</strong>). Obwohl die Lösungsresistenz<br />

selektiv ist und nur ca. 1 % der ursprünglichen<br />

Population erhalten bleibt, werden die meisten ökologisch<br />

informativen Arten im Sediment eingebettet und stehen uns<br />

heute für die Rekonstruktion des Klimas zur Verfügung.<br />

Diese dank langjährigem Monitoring gefundenen Transfermodelle<br />

sind nun Werkzeuge, die uns erlaubten, mit<br />

geringen Fehlern behaftete Rückschlüsse auf ursprüngliche<br />

Populationen zu machen und damit klimatische Veränderungen<br />

in der Vergangenheit zu quantifizieren.<br />

Einige Einblicke in Klimavariationen während<br />

der letzten beiden Warmzeiten<br />

Für die zweite Aufgabe des Projektes CONTINENT, der<br />

Aufdeckung der charakteristischen Klimavariationen,<br />

standen uns Sedimentkerne von drei ausgewählten Sta-<br />

tionen zur Verfügung. Dazu mussten wir geeignete Bohrstationen,<br />

an denen kontinuierliche und ungestörte Kerne<br />

geborgen werden konnten, auswählen. Die Suche nach solcherart<br />

geeigneten Bohrstationen wurde zuerst mit geophysikalischen<br />

Geländeaufnahmen an drei Punkten des<br />

Baikalsees vorangetrieben. Dazu wurde ein Subbottom-<br />

Profiler (3,5 kHz) sowie ein hochfrequenter Sparker (500<br />

bis 1000 Hz) zur Charakterisierung des Untergrundes mit<br />

einer Auflösung von 10 bis 50 cm bis in eine Sedimenttiefe<br />

von mehreren 10 Metern eingesetzt. Diese Aufnahmen<br />

erlaubten ungestörte Seesedimentabfolgen zu lokalisieren<br />

und dadurch tektonikbedingte Versätze und<br />

bodenströmungsbedingte Hiaten (Lücken in Sedimentabfolgen)<br />

zu umgehen. Dann wurde in Kombination mit dem<br />

abbildenden Side-Scan-Sonar (SONIC-3) mit 100 bzw.<br />

300 kHz-Auflösung überprüft, ob an den ausgewählten<br />

Stationen an der Sedimentwassergrenze Sedimentumlagerungen<br />

stattfinden (Abb. 14).<br />

Mit der Kombination dieser drei Methoden konnten im<br />

Nord- und Südbecken und südlich des Selenga-Deltas drei<br />

Kernstationen ausgemacht werden (vgl. gelbe Punkte<br />

Abb. 4), die uns tatsächlich kontinuierliche und minimal<br />

gestörte Abfolgen lieferten. Mit einem Kullenberg-Kolbenlot<br />

(modifiziert durch Prof. Meischner, Göttingen)<br />

wurden vom Forschungsschiff VERESHAGIN an jeder<br />

ausgewählten Station drei Kerne mit 12 cm Durchmesser<br />

und jeweils einem Vorlot gezogen und geborgen (vgl. oben<br />

rechts Abb. 5). Die Kernlänge lag zwischen 9 und 13 m.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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90 Abb. 14: Das seismische Profil, mit einem vergrößerten Ausschnitt aus dem hochauflösenden seismischen Profil, zeigt<br />

die wichtigsten Strukturen und die seismischen Einheiten, welche die wechselnde Sedimentologie am Kontinent-Rücken<br />

nachzeichnet (links). Eine perspektivische Ansicht auf den Kontinent-Rücken wurde auf der Basis der neuen bathymetrischen<br />

Karte (INTAS Project 99-1669, Debatist et al., 2002) konstruiert (rechts). Die gelben Pfeile zeigen Strömungsund<br />

mögliche Sedimenttransportrichtungen an. Die Topographie wurde der öffentlich zugänglichen SRTM-Datenbank<br />

entnommen. Das Bild wurde mit der Software IVS Fledermaus® erstellt (Charlet et al., <strong>2005</strong>).<br />

Seismic profile (to the left) across the Continent Ridge, with a close-up of high-resolution reflection seismic data, clearly<br />

shows the main structural characteristics and the different seismic units making up the sedimentary cover. 3-Dview<br />

on the Continent Ridge coring site (to the right). Bathymetry from INTAS Project 99-1669, Debatist et al., (2002).<br />

The yellow arrows indicate current directions and reflect possible sediment transport tracks. Topography from public<br />

SRTM database. Image created with IVS Fledermaus® (Charlet et al., <strong>2005</strong>).<br />

Abb. 15: Die synthetische Paläointensitätskurve<br />

(Baikal 200), die aus allen<br />

gemessenen Baikalkernen zusammengestellt<br />

wurde (Demory et al., <strong>2005</strong>), ist der<br />

Referenzkurve von ODP Site 984 (Channell,<br />

1999) gegenübergestellt. Für die<br />

Kompilation wurden die Daten vorgängig<br />

geglättet. Einige Korrelationen zwischen<br />

den beiden Kurven sind mit gestrichelten<br />

Linien hervorgehoben. Das Paläointensitätsminimum<br />

fällt wahrscheinlich in das<br />

Blake Event, eine Umpolung um ca. 119 ka<br />

(grau markiert).<br />

Paleointensity variations versus age, a<br />

synthetic curve „Baikal 200“ resulting<br />

from compilation of available curves from<br />

Lake Baikal is compared with the reference<br />

curve from ODP Site 984 (Channell,<br />

1999). For the compilation, data<br />

have been averaged using a sliding window<br />

of 2 ka (the variance is marked by the<br />

grey shadow). Dashed lines show some of<br />

the correlations. The grey lines show the<br />

location of the low paleointensities related to geomagnetic excursions. Note that the lowest paleointensities may fall<br />

into the Blake event at approx. 119 ka (Demory et al., <strong>2005</strong>).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Am <strong>GFZ</strong> Potsdam wurden die Kerne gemeinsam mit den<br />

Projektpartnern geöffnet, beschrieben und in Auflösung<br />

von 0,5 bis 2 cm Sedimentproben entnommen (unten<br />

rechts Abb. 5). Die erste vorläufige Korrelation der Kerne<br />

beruhte auf den Porositäts- und auf magnetischen Suszeptibilitätswerten.<br />

Dann musste eine für die klimatischen Rekonstruktionen<br />

zuverlässig anwendbare absolute Sedimentchronologie<br />

vorgelegt werden. Dieses Altersmodell für die vergangenen<br />

150.000 Jahre erstellten wir mittels radiometrischer<br />

Analysen ( 210 Pb, AMS- 14 C) und paläomagnetischer Messungen.<br />

Besonders geeignet für die Chronologie, die absolute<br />

Altersbestimmung, ist die Intensität der Magnetisierung<br />

der Seesedimente (Abb. 15). Sie hängt von zwei Faktoren<br />

ab:<br />

(i) von der Konzentration der magnetischen Partikel im Sediment.<br />

Diese ist von den Gesteinstypen im Einzugsgebiet,<br />

Verwitterungsprozessen, Transport- und damit verbundenen<br />

Fraktionierungsprozessen sowie den Redox-Verhältnissen<br />

im Ablagerungsmilieu, die über Erhalt oder Auflösung der<br />

magnetischen Partikel entscheiden, abhängig.<br />

(ii) von der Stärke des Erdmagnetfeldes zur Zeit der Ablagerung.<br />

Die magnetischen Partikel richten sich relativ<br />

schnell in der Wassersäule parallel zum aktuellen Magnetfeld<br />

aus und werden während der Ablagerung entsprechend<br />

von der umgebenden Sedimentmatrix fixiert. Der<br />

Ausrichtungsgrad ist dabei von der Größe der Partikel,<br />

d. h. vom Verhältnis magnetischer Moment zur Masse des<br />

Partikels, sowie von der Stärke des Magnetfeldes abhängig.<br />

Somit können im Sediment nicht nur die Lage und<br />

Richtungsänderungen des Erdmagnetfeldes aufgezeichnet<br />

werden, sondern auch seine Intensitätsschwankungen.<br />

Zur Kalibrierung werden meist nur die normierten relativen<br />

Änderungen ausgewertet. Zu einer solchen relativen<br />

Paläointensitätsbestimmung wird die Intensität der natürlichen<br />

Magnetisierung mit der Intensität einer später<br />

künstlich aufgeprägten Magnetisierung normiert. Da zur<br />

Magnetisierung ein Magnetfeld konstanter Richtung und<br />

Stärke verwendet wird, ist die damit produzierte Magnetisierung<br />

nur noch von der Konzentration der magnetischen<br />

Partikel abhängig. Das Intensitäts-Verhältnis von<br />

natürlicher zu künstlicher Magnetisierung spiegelt daher<br />

die relativen Änderungen des Erdmagnetfeldes zur Zeit<br />

der Sedimentation wider. Dieses gilt jedoch nur, wenn die<br />

magnetischen Komponenten nicht bei und/oder nach der<br />

Ablagerung durch chemische Prozesse verändert oder gar<br />

weggelöst wurden. Im Rahmen von Paläointensitätsbestimmungen<br />

werden daher meist umfangreiche Begleitmessungen<br />

durchgeführt, um derartige Fälle auszuschließen.<br />

Paläointensitätsbestimmungen werden seit etwa 10 bis<br />

15 Jahren systematisch durchgeführt.<br />

Mit Hilfe der Radiokarbonmethode (AMS 14 C) oder anderen<br />

Techniken (z. B. Thermo-Lumineszenz oder Optisch-<br />

Stimulierte-Lumineszenz) datierte Datenreihen zeigen<br />

häufig weltweit korrelierbare, vergleichbare Amplituden-<br />

variationen der Paläointensität, mit Perioden in der Größenordung<br />

von tausend bis zehntausend Jahren. Sie können<br />

somit zur Datierung von neu gewonnenen Bohrkernen,<br />

wie im Falle des Baikalsees herangezogen werden.<br />

Ausgeprägte Minima der Paläointensität sind zudem mit<br />

auffälligen Richtungsanomalien des Erdmagnetfeldes<br />

verbunden, die sich im Idealfall meist als kurzfristige, nur<br />

einige wenige tausend Jahre währende Umpolungen des<br />

Erdmagnetfeldes dokumentieren. Solche Ereignisse treten<br />

etwa alle 20.000 bis 50.000 Jahre auf. Sofern diese mit<br />

niedrigen Feldintensitäten verbundenen Richtungsänderungen<br />

im Sediment aufgezeichnet worden sind, können<br />

sie als weitere eindeutige Zeitmarkierung zur Datierung<br />

herangezogen werden. Für die Baikal-Chronologie liegt<br />

die Auflösung mittels charakteristscher Zeitmarken zwischen<br />

2000 und 4000 Jahren.<br />

Welche Klimabedingungen herrschten während der letzten<br />

beiden Interglaziale (Warmzeiten) in Zentralsibirien?<br />

In der Folge soll anhand von zwei Beispielen die Bedeutung<br />

der Temperatur- und der Feuchtigkeitsänderungen im<br />

regionalen klimatischen Umfeld erläutert werden.<br />

Einen tiefen Einblick in das Klimageschehen während historischer<br />

Zeit in Zentralsibirien erhielten wir durch die<br />

gezielte Untersuchung der wechselnden Diatomeenvergesellschaftungen<br />

(Mackay et al., <strong>2005</strong>). Für diese Untersuchung<br />

wurde ein mit Pb 210 und AMS- 14 C datierter Sedimentkurzkern<br />

aus dem Südbecken des Baikalsees verwendet.<br />

Zuerst wurden die Häufigkeiten der Diatomeenarten<br />

entsprechend ihrer Empfindlichkeit auf Lösungsvorgänge<br />

korrigiert. Nachdem die Diatomeenarten mittels<br />

einer Clusteranalyse gruppiert wurden, kristallisierten<br />

sich dabei drei Zeitzonen mit typischen Vergesellschaftungen<br />

heraus, nämlich aus den Zeiträumen 880 bis 1180<br />

Anno Domini (AD) (I), 1180 bis 1840 AD (II), und 1840<br />

bis 1994 AD (III). Das erste Zeitintervall, Zone I, entspricht<br />

der mittelalterlichen Warmzeit, gefolgt von der<br />

Kleinen Eiszeit, Zone II, und dem jüngsten Erwärmungstrend,<br />

Zone III (Abb. 16).<br />

Die Schlüsselarten, die ökologische Bedingungen, wie<br />

unterschiedliche Schneebedeckung der Eisdecke im Winter,<br />

oder sommerliche Schichtung der Wasserkolonne<br />

anzeigen, sind uns aus rezenten Studien bekannt (Abb. 16).<br />

Synedra acus, die häufigste Art in Zone I, ist eine weit verbreitete<br />

Form, die, im Gegensatz zu den endemischen Diatomeenarten,<br />

besonders gut bei hohem Lichtangebot<br />

gedeiht. Dies konnte bei Laborversuchen getestet und<br />

bestätigt werden. Worauf kann also ein bevorzugtes Auftreten<br />

der Diatomee Synedra acus hindeuten? Ein verstärktes<br />

günstiges Lichtangebot konnte vorliegen, wenn<br />

die Wolkenbedeckung im Frühjahr/ Sommer geringer als<br />

z. B. heute und damit die Sonneneinstrahlung beträchtlich<br />

erhöht war. Meteorologisch müsste folgender Kontext erstellt<br />

werden: Aus Studien in Westmonsun-beeinflussten<br />

Gebieten (Indien) ist bekannt, dass in Zeitzone I das Sommertief<br />

über dem Tibetischen Plateau stärker ausgeprägt<br />

war als heute. Das wirkte sich auf die Trajektorien der mit<br />

Feuchtigkeit beladenen Westwinde aus, die sich in der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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92<br />

Abb. 16: Relative Häufigkeit von Diatomeen nach spezies-spezifischer Korrektur und Normierung auf 100 %. Das<br />

Schneeakkumulationsmodell beruht auf Korrekturfaktoren und Trainingsdatensätzen mit fünf korrigierten Arten. Die<br />

Diatomeenverteilungen deuten hin auf eine Erwärmung ab ca. 1750 AD, deutlich früher, als aus vielen Datensätzen<br />

für Europa nachvollzogen werden kann (Mackay et al., <strong>2005</strong>).<br />

Relative percentages of diatoms after correcting for dissolution and recalculated to sum to 100 %. The snow-accumulation<br />

model is based on diatom data using correction factors and training sets with five corrected taxa. From the diatom<br />

abundance pattern it becomes evident that warming starts as early as c. 1750 AD, which is significantly earlier<br />

then reported previously for Europe (Mackay et al., <strong>2005</strong>).<br />

Folge räumlich verschoben; das Baikalseegebiet erhielt<br />

darüber geringere Wolkenbedeckung, aber höhere Sonneneinstrahlung<br />

während der Hauptproduktionszeit der<br />

Phytoplankter.<br />

In Zone II, während der Kleinen Eiszeit, gewann die Diatomee<br />

Cyclotella minuta an Bedeutung. Diese Form ist eine<br />

typische Überlebenskünstlerin, wenn im Herbst und Winter<br />

aufgrund von Schneebedeckung auf der Eisdecke die<br />

Lichtverhältnisse minimal sind. Was bedeutet es also, wenn<br />

diese eher lichtfeindliche Diatomee zu den Klimabedingungen<br />

dieser Zeit ihre ökologisch besten Bedingungen<br />

hatte? In Zone II müsste die winterliche sibirische Hochdruckzelle<br />

sehr ausgeprägt gewesen sein. Wenn die Winddynamik<br />

minimal ist und die Winter sehr lang sind, kann<br />

dies eine erhöhte Schneeakkumulation in der Baikalregion<br />

bedeuten. Die Schneedicke in Abb. 16 wurde über ein<br />

Transfermodell errechnet (Mackay et al., 2003, 2006).<br />

In Zone III treten Phytoplankter bevorzugt auf, die heutzutage<br />

am Baikalsee ihr Maximum an Produktionsaktivität<br />

im Frühjahr haben. Diese Diatomeen sind auch generell<br />

wenig an die lichtabschirmende Schneeschicht auf<br />

dem Eis angepasst. Deshalb zeigt diese Diatomeenvergesellschaftung<br />

an, dass der Eisaufbruch früher beginnt als<br />

in den Zonen I und II und weist über die erhöhte Produktionsaktivität<br />

der Phytoplankter im Frühjahr auf die begin-<br />

nende globale Erwärmung hin. Interessant ist die Beobachtung,<br />

dass diese Erwärmung schon um 1750 und damit<br />

50 bis 100 Jahre früher als in Europa einsetzte.<br />

Welche Klimabedingungen herrschten im vergangenen<br />

Interglazial (der Eem- oder Kasantzevo-Warmzeit) in<br />

Zentralsibirien?<br />

Das vergangene Interglazial, d. h. die Warmzeit zwischen<br />

den letzten beiden Glazialen (Eiszeiten), ist für uns im<br />

Hinblick auf seine Erwärmungsgeschichte sehr interessant.<br />

Es wurde in früheren Arbeiten häufig als Analog für<br />

zukünftige Entwicklungen herangezogen, was sich allerdings<br />

als nicht länger haltbar herausgestellt hat. Pollendaten<br />

belegen Veränderungen im saisonalen Niederschlags-<br />

und Temperaturmuster, denn die Vegetation reagiert<br />

innerhalb von wenigen Dekaden, falls einer der Klimaparameter<br />

oder beide sich ändern. Heute liegen die<br />

mittleren Temperaturen im Baikalseegebiet bei 14 bis 16 °C<br />

im Sommer und bei –22 bis –26 °C im Winter. Mittlere<br />

Niederschlagsraten über dem See sind 160 bis 400 mm/<br />

Jahr, die in den umliegenden Gebirgen auf über 700 mm/<br />

Jahr ansteigen. Das Maximum der Niederschläge konzentriert<br />

sich in unserer Zeit auf die Sommerzeit.<br />

Aus den Pollendaten in den Seesedimentkernen wurden<br />

über Transfermodelle ehemalige Vegetationsbestände<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


(Biome) evaluiert (Prentice et al., 1996; Tarasov et al.,<br />

<strong>2005</strong>) und unter Verwendung der Best Modern Analog-<br />

Methode die klimatischen Faktoren des vorherigen Interglazials<br />

bestimmt (Guiot et al. 1989; Tarasov et al., <strong>2005</strong>).<br />

Die quantitative Rekonstruktion für saisonale Temperaturen<br />

und Niederschläge ist in der Abb. 17 zu sehen. Am<br />

Übergang vom Glazial zum Interglazial (ca. 130 bis<br />

128 ka BP) lagen die Temperaturen des kältesten Monates<br />

noch bei –38 °C, während die Temperaturen des wärmsten<br />

Monats 11 bis 13 °C betrugen. Die jährlichen Niederschläge<br />

wurden mit 300 mm veranschlagt. Diese Bedingungen<br />

waren ideal für Taigabestände. Durch einen Wechsel<br />

zu Tundravegetation manifestiert sich der Übergang<br />

zum Interglazial. Die Niederschläge nahmen deutlich zu<br />

(500 bis 600 mm/Jahr) und die Wintertemperaturen<br />

erreichten Werte wärmer als –22 °C, während die Sommertemperaturen<br />

bei 16 bis 17 °C lagen, wärmer als die<br />

heutigen Temperaturwerte. Dann folgte eine rasche<br />

Abkühlung vor 118.000 Jahren, begleitet durch einen drastischen<br />

Feuchtigkeitsrückgang. In der Folge verschwanden<br />

die Wälder und wurden durch Buschgras-Vergesellschaftungen<br />

ersetzt (118 bis 115 ka BP). Minimale und<br />

maximal Temperaturen waren deutlich zurückgegangen<br />

(Durchschnittstemperaturen im Winter bei –28 bis –30 °C,<br />

im Sommer bei 14 bis 15 °C), ebenso gingen die jährlichen<br />

Niederschläge bis 250 mm zurück.<br />

Zusammen mit der Temperatur- und Niederschlagsentwicklung<br />

ist in Abb. 17 das Profil der globalen Insolation<br />

und der Meerespiegelhöhe, die auf die Änderungen des<br />

Eiskappenvolumens zurückgeht, abgebildet. Der generelle<br />

Verlauf der Sommertemperaturkurve folgt der Insolationskurve<br />

für mittlere Breiten. Erkennbar ist eine parallele<br />

Absenkung des Meeresspiegels und Zunahme des Eisvolumens.<br />

Die Eismasse kontrolliert die klimatische Kontinentalität<br />

in Zentralasien (ein höherer Meeresspiegel<br />

resultierte aus reduzierten Eismassen, die sich in einer<br />

geringeren Kontinentalität auswirken). Nach Schätzungen<br />

von Lambeck und Chappell (2001) lag der Meeresspiegel<br />

vor 126.500 Jahren am höchsten. Zu Zeiten des Meeresspiegelhochstandes<br />

beobachten wir im Baikalsedimentkern<br />

die wärmsten Wintertemperaturen (–20 °C). Vor<br />

126.000 Jahren begannen die Wintertemperaturen wieder<br />

zu sinken und die Korrelation zwischen der Temperaturentwicklung<br />

und der Meerespiegelabsenkung zusammen<br />

mit der parallelen Zunahme des Eisvolumens wird vor<br />

118.000 Jahren besonders deutlich.<br />

Generell können wir aussagen, dass ein reduziertes Poleis-Volumen<br />

ausschlaggebende Folgen auf die atmosphärische<br />

Zirkulation hatte, da zu Zeiten maximaler Meeresspiegelstände<br />

die Winter in Sibirien wärmer als heute<br />

waren. Diese klimatischen Folgen in Sibirien zeigen sich<br />

Abb. 17: Klimatische Parameter (Tcold months, Twarm months, P annual) für den Pollendatensatz vom Continent-Rücken (Granoszewski<br />

et al., <strong>2005</strong>). Diese wurden mit der „Modern Analogue Method“ errechnet für das letzte Interglazial, Termination<br />

II und den Übergang zum frühen Weichselglazial. Mittelwerte (offene Kreise) sind zusammen mit Standardabweichungen<br />

aufgetragen (Tarasov et al., <strong>2005</strong>). Die klimatischen Parameter sind Meeresspiegeländerungen (Lambeck<br />

und Chappell, 2001) und δ 18 O-Werten aus Stalagmiten der Dongge-Höhle (China) (Yuan et al., <strong>2004</strong>) sowie der<br />

Modalkorngröße aus den Sedimenten vom Continent-Rücken zum Vergleich gegenübergestellt.<br />

Climate variables (Tcold months, Twarm months, P annual) reconstructed from Continent Ridge pollen record (Granoszewski<br />

et al., <strong>2005</strong>) using the modern analogue approach for the last Interglacial, Termination II and transition into the cold<br />

interval following Kasantzevo. Mean values (open circles) with standard deviations are shown (Tarasov et al., <strong>2005</strong>).<br />

For comparison we show sea level changes (Lambeck und Chappell, 2001), δ 18 O values from stalagmites of Dongge<br />

cave (China) (Yuan et al., <strong>2004</strong>) and modal grain sizes values from sediments of Continent Ridge.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

93


94<br />

deutlich in der Vegetationsentwicklung. Die sehr niedrige<br />

Winterinsolation, die aufgrund der veränderten Lage der<br />

Erdachse damals in Sibirien sogar niedriger war als heute,<br />

scheint dagegen keine übergeordneten direkten Effekte zu<br />

zeigen. Diese bedeutend wärmeren Winter als heute, die<br />

sich in Zeiten von Meeresspiegelhochständen entwickelten,<br />

können durch eine Kombination von Faktoren erklärt<br />

werden: z. B. durch höhere zyklonische Aktivität entlang<br />

der Polarfront, durch Zunahme des Einflusses der wärmenden<br />

Westwinde, durch generell wärmere atmosphärische<br />

Strömungen.<br />

Wir können annehmen, dass Veränderungen dieser Art,<br />

bedingt durch die Abschwächung der Sibirischen Hochdruckzelle,<br />

die winterliche Winddynamik im Baikalseegebiet<br />

reduzierte. Einsicht in die atmosphärische Dynamik<br />

in der Baikalregion haben wir über die Korngrößenverteilung<br />

der windverfrachteten Partikel im Sediment<br />

erhalten. Ein geeigneter Parameter ist die Modalgröße der<br />

Partikelfraktion zwischen 2 und 63 µm. Vergleicht man<br />

deren Größenverteilung in den Seesedimentkernen mit<br />

den Änderungen des Polareisvolumens, fällt folgendes<br />

auf: Bei Zunahme der Polareismasse steigt der Modalwert<br />

der Korngrößen, bei einer Reduzierung der Polvereisung<br />

liegt parallel ein Rückgang der Korngrößen vor (Abb. 17).<br />

Damit wird offensichtlich, dass während des interglazialen<br />

Wärmeoptimums die atmosphärische Dynamik, nicht<br />

aber unbedingt die Intensität, in der Baikalregion deutlich<br />

geringer war als während der kühleren Intervalle. Dies<br />

kann mit der meridionalen Verlagerung gekoppelt mit der<br />

Abschwächung der Sibirischen Hochdruckzelle erklärt<br />

werden. Wir nehmen an, dass die Korngrößenabnahme<br />

einem Anstieg der distaleren (= weiter entfernten und<br />

daher feineren) Staubkomponente entspricht. Wir können<br />

allerdings nicht ausschließen, dass ein Teil des Staubeintrags<br />

auch auf vermehrten distalen Sommereintrag<br />

zurückzuführen ist, wie das auch Modellberechnungen für<br />

zukünftige Erwärmungen voraussagen. Zeitgleiche Wechsel<br />

zeigen sich auch im Sommer in den Zirkulationsänderungen<br />

im monsunbeeinflussten Südostasien. Isotopenuntersuchungen<br />

an Stalagmiten in China (Dongge-Höhlensignal<br />

(Yuan et al. <strong>2004</strong>); (Abb. 17)) belegen eine δ 18 O-<br />

Zunahme vor 120.000 Jahren, was auf eine Abschwächung<br />

des monsunalen Einflusses deutet.<br />

Ausblick<br />

Nachdem es über viel Monitoring im Projekt gelungen<br />

war, die klimatischen Parameter, die Klimaproxies, für<br />

dieses große lakustrine System mit ozeanähnlichen boundary<br />

conditions zu kalibrieren, stand den ersten Rekonstruktionen<br />

der klimatischen Variationen für Sibirien in<br />

den Warmzeiten nichts mehr im Wege. Es zeigte sich, dass<br />

Feuchtigkeit neben Temperaturänderungen der entscheidende<br />

Faktor für die klimatische Signalbildung im Sediment<br />

ist. Aber noch sind nicht alle Daten ausgewertet. Aus<br />

heutigen Untersuchungen wissen wir, dass das Geschehen<br />

im Nordatlantik über die Nordatlantische Oszillation<br />

(NAO) die Wintertemperaturen der Nordhemisphäre weitestgehend<br />

bestimmt. Unsere Daten, die wir derzeit daraufhin<br />

untersuchen, scheinen auf ähnliche Weise auf Ein-<br />

flüsse aus dem Nordatlantik in der Eem/Kasantzevo-<br />

Warmzeit hinzuweisen. Aber jetzt schon wurde klar, dass<br />

ein Archiv nicht allein aus dem Punkt heraus verstanden<br />

werden kann, seine Geschichte muss auch im Raumbezug<br />

gewertet werden. Dazu werden wir in Zukunft „strategisch<br />

wichtige“ Archive untersuchen, die Aussagen zur longitudinalen<br />

und meridionalen Bewegung von Trajektorien<br />

und Hochdruck- und Tiefdrucksystemen über tausende<br />

Jahre zurück zulassen.<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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96<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Seismische Vorauserkundung im Tunnelbau<br />

mit konvertierten Oberflächenwellen<br />

Stefan Lüth, Rüdiger Giese, Peter Otto, Kay Krüger, Sylvio Mielitz, Günter Borm<br />

For a safe construction and operation of underground excavation it is essential to have access to as many data as possible<br />

about the soil and/or rock properties around the construction. Before the start of the construction, geological and<br />

geophysical investigations are to be performed from the surface above the planned excavation and from boreholes or<br />

smaller exploratory tunnels. Seismic measurements play an increasingly important role in geological prediction during<br />

tunnel construction. All systems currently in use are based on excitation and recording of seismic body waves and their<br />

reflections from structures ahead of the tunnel face which are extracted and used for the detection of heterogeneities.<br />

At the <strong>GFZ</strong> Potsdam, the Integrated Seismic Imaging System (ISIS) has been developed during recent years. The system<br />

consists of a pneumatic hammer as seismic source and three-component receivers implemented at the tips of anchor<br />

rods typically used for underground construction. The system software processes the measured data and is able to image<br />

the results in space together with other geological and geotechnical information. Test measurements in the Piora adit<br />

at the Gotthard base tunnel construction site as well as synthetic modelling have shown that surface waves which are<br />

excited at the tunnel wall and converted at the tunnel face provide the strongest signal for seismic prediction ahead of<br />

the tunnel face. This wave type is called RSSR-reflection. It travels as a surface wave from the source at the tunnel wall<br />

to the tunnel face where it converts to an S-wave. This wave is reflected at a heterogeneity ahead of the tunnel, returns<br />

to the tunnel face and converts back to a surface wave. The use of this wave type allows for a stable seismic prediction<br />

ahead of the tunnel face without much interference with the construction operations since no sources and receivers<br />

need to be placed at the tunnel face.<br />

Einleitung<br />

Eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Bau und<br />

Betrieb von Untertagebauwerken ist eine möglichst genaue<br />

Kenntnis der Boden- bzw. Gesteinseigenschaften in der<br />

Umgebung des Bauwerks. Deshalb werden z. B. vor der<br />

Konstruktion eines Tunnels Erkundungsbohrungen bzw.<br />

Stollen abgeteuft und von der Erdoberfläche aus geologische<br />

und geophysikalische Untersuchungen durchgeführt.<br />

Diese Untersuchungen liefern jedoch nur ein unvollständiges<br />

Bild der geologischen und geotechnischen Bedingungen<br />

im Verlauf der geplanten Trasse, da Bohrungen in<br />

ihrer Zahl begrenzt sind und von der Erdoberfläche her ausgeführte<br />

Untersuchungen eine relativ geringe Auflösung<br />

besitzen. Deshalb sind seit einigen Jahren Erkundungssysteme<br />

in der Entwicklung, die es ermöglichen, mit Hilfe<br />

geophysikalischer Messungen während des Tunnelvortriebs<br />

die Lage von geologischen Gefahrenzonen im Vorfeld<br />

der Tunnelauffahrung zu bestimmen. Die herkömmlichen<br />

Systeme nutzen seismische Verfahren, die auf Grund<br />

der großen Reichweite und hohen Auflösung anderen geophysikalischen<br />

Verfahren überlegen sind. Sie arbeiten nach<br />

folgendem Grundprinzip: Seismische Raumwellen (Poder<br />

S-Wellen) werden entweder nahe der seitlichen Tunnelwand<br />

oder an der Tunnelortsbrust angeregt. Diese werden<br />

an geologischen Heterogenitäten reflektiert oder rückgestreut<br />

und von Empfängern aufgenommen, die um den<br />

Tunnel oder direkt an der Ortsbrust platziert werden. Eine<br />

räumliche Abbildung der Reflektoren erfolgt durch Reflektionstomographie<br />

bzw. Migration.<br />

Seit den frühen 90er Jahren sind weltweit verschiedene<br />

tunnelseismische Vorauserkundungssysteme eingesetzt<br />

worden. Für den Tunnelbau in Lockergesteinen wurde das<br />

sogenannte Sonic Softground Probing (SSP) entwickelt<br />

(Kneib et al., 2000). Dieses System nutzt einen hochfrequenten<br />

P-Wellen-Vibrator und Beschleunigungsaufnehmer,<br />

die beide im Schneidrad einer Tunnelbohrmaschine<br />

befestigt sind. Während des Bohrens werden die seismischen<br />

Messungen durchgeführt. SSP liefert ein reflexionsseismisches<br />

Abbild von P-Wellen-Reflektoren bis<br />

maximal 100 m vor der Tunnelortsbrust. Im Festgestein<br />

wird neben anderen das Tunnel Seismic Prediction (TSP)<br />

-System eingesetzt (Dickmann und Sander, 1996). Dieses<br />

System nutzt bis zu 30 in Bohrlöchern seitlich in der Tunnelwand<br />

platzierte Sprengstoffladungen als Quellen und<br />

zwei bis vier Drei-Komponenten-Beschleunigungsaufnehmer<br />

in Bohrlöchern. Sprengladungen und Empfänger<br />

sind in etwa 20 bis 50 m langen Profilen seitlich an der<br />

Tunnelwand angeordnet. Die Auswertung der Messungen<br />

besteht in der Identifizierung von Reflexionen von Störzonen<br />

vor der Ortsbrust anhand ihrer Laufzeitkurven in<br />

den Registrierungen.<br />

Das Integrierte Seismische Imaging System ISIS, das am<br />

GeoForschungsZentrum Potsdam entwickelt wurde, ist in<br />

den vergangenen Jahren vor allem zur tomographischen<br />

Erkundung des Tunnelumfeldes genutzt worden. Das<br />

Messsystem besteht aus einer nicht-explosiven seismischen<br />

Quelle (Impakthammer oder magnetostriktiver Sonar-Vibrator),<br />

die seitlich an der Tunnelwand angebracht<br />

wird und dort seismische Wellen anregt. Diese werden<br />

dann von Geophonen aufgenommen, die in den Spitzen<br />

von Gebirgsankern befestigt sind (Abb. 1). Für die tomographische<br />

Erkundung des Tunnelumfeldes wurden 10 bis<br />

40 Anker mit Drei-Komponenten-Geophonen auf ausge-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

97


98<br />

wählten Profilen installiert und entlang dieser Profile dann<br />

mit einer Quelle in dichtem Schusspunktabstand angeregt.<br />

Die gemessenen Datensätze wurden zur tomographischen<br />

Bestimmung von P- und S-Wellen-Geschwindigkeiten verwendet<br />

(Giese et al., <strong>2005</strong>), eignen sich aber auch grundsätzlich<br />

für reflexionsseismische Auswertung (Lüth et al.,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

Wellentypen in der Tunnelseismik<br />

Um die bei tunnelseismischen Messungen registrierten<br />

Wellentypen zu verstehen, wurden an der Universität Kiel<br />

Modellrechnungen mit Hilfe einer Finite-Differenzen-<br />

Methode zur Lösung der Wellengleichung durchgeführt.<br />

Für die numerische Simulierung wurde ein Modell erstellt,<br />

das aus einem Tunnel mit einem Durchmesser von 10 m<br />

besteht, der von einem homogenen Festgestein umgeben<br />

ist (Bohlen et al., 2006). Vor der Ortsbrust des Tunnels<br />

befindet sich eine Störungszone, deren Inneres geringere<br />

seismische Geschwindigkeit hat als die Umgebung. Es<br />

wurde ein Schuss an der Tunnelwand simuliert, der von<br />

einer Reihe von Geophonen entlang eines Profils registriert<br />

wurde. An der Schussposition wurde mit einem<br />

Ricker-Wavelet mit einer dominanten Frequenz von 500 Hz<br />

angeregt. Die Auswertung der Simulationen besteht zunächst<br />

in einer Analyse des Wellenfeldes in Abhängigkeit<br />

der Zeit nach der Anregung. Zunächst zeigen sich die bei<br />

einer Anregung einer Punktquelle typischen P- und S-Wellen.<br />

Es wird eine Anregung senkrecht zur Tunnelwand<br />

simuliert, daher breiten sich P-Wellen vor allem senkrecht<br />

zur Tunnelwand aus, während S-Wellen sich vor allem<br />

parallel zur Tunnelachse ausbreiten. Mit der größten<br />

Amplitude lässt sich eine Rayleigh-Welle beobachten, die<br />

sich mit etwa 92 % der S-Wellen-Geschwindigkeit entlang<br />

der Tunnelwand ausbreitet. Erreicht diese Rayleigh-<br />

Welle die Tunnelortsbrust, wird ein großer Teil ihrer Energie<br />

in eine S-Welle umgewandelt, die sich von der Ortsbrust<br />

ausgehend weiter in Vortriebsrichtung ausbreitet.<br />

Ein Teil von ihr wird an der Störungszone vor der Ortsbrust<br />

reflektiert und kehrt als S-Welle zur Tunnelortsbrust<br />

zurück. Hier wird nun ein Teil der reflektierten S-Welle in<br />

eine Rayleigh-Welle zurück konvertiert, die sich dann entlang<br />

der Tunnelwand ausbreitet. In den simulierten Seismogrammen<br />

zeigt sich der hier beschriebene Typ von<br />

Reflexion als deutlicher Einsatz und einer Laufzeitkurve<br />

mit negativer Steigung. Die Laufzeit dieses Einsatzes wird<br />

mit zunehmendem Schuss-Empfänger-Abstand kleiner.<br />

Seinem Laufweg entsprechend wird dieser Wellentyp als<br />

RSSR-Reflexion bezeichnet (Abb. 2).<br />

Messungen im Piora-Sondierstollen des Gotthard-<br />

Basistunnels<br />

Als wichtiger Bestandteil des künftigen Europäischen Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes<br />

wird der Gotthard-Basistunnel<br />

gebaut. Er wird mit seiner Fertigstellung voraussichtlich<br />

im Jahr 2015 eine Länge von 57 km erreichen und<br />

damit der längste Verkehrstunnel der Welt sein. Seine Trasse<br />

schneidet zahlreiche geologische Schwächezonen, die für<br />

den Bau des Tunnels besonders kritisch sind: das Tavetscher<br />

Abb. 1: (a) In der Tunnelwand befestigter Gebirgsanker mit Geophonkabel, (b) Kleinbagger mit Schlaghammer,<br />

(c) Verteilung der Geophon- und Schlagpunkte im Piora-Sondierstollen (von oben). Die Lage der Drei-Komponenten-<br />

Geophone wird durch graue invertierte Dreiecke angezeigt, die Hammerschlagpunkte durch schwarze Rauten. (Fotos:<br />

S. Mielitz, <strong>GFZ</strong>)<br />

(a) Anchor fixed in the tunnel wall with geophone cable, (b) small excavator with pneumatic hammer, de distribution<br />

of geophone and impact locations (top view). Three-component geophones are indicated by grey inverted triangles,<br />

impact locations by black diamonds.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2: Seismogramme der numerischen<br />

Simulation eines tunnelseismischen Experiments.<br />

Es ist die Komponente senkrecht<br />

zur Tunnelwand dargestellt. Deutlich<br />

zu erkennen sind folgende Phasen:<br />

R – direkte Rayleigh-Welle, CR – einmal<br />

um den Tunnel zirkulierende Rayleigh-<br />

Welle, RR1 – Ortsbrustreflexion der<br />

direkten Rayleigh-Welle, RR2 – Ortsbrustreflexion<br />

der zirkulierenden Rayleigh-Welle,<br />

RSSR – Konvertierte und an<br />

einer Störungszone vor der Ortsbrust<br />

reflektierte S-Welle.<br />

Seismograms of a numerical simulation<br />

of tunnel seismic measurements. The<br />

component perpendicular to the tunnel<br />

wall is shown. The following phases can<br />

be identified: R – direct Rayleigh wave,<br />

CR – Rayleigh wave which circulated once around the tunnel, RR1 – tunnel face reflection of the Rayleigh wave, RR2<br />

– tunnel face reflection of the circulating Rayleigh wave, RSSR – converted and reflected S-wave from a fault zone<br />

ahead of the tunnel face.<br />

Zwischenmassiv, die Urseren-Garvera-Zone, sowie die Pioramulde<br />

(Abb. 3). Die Pioramulde liegt im Übergang vom<br />

Gotthardmassiv im Norden und der südlich angrenzenden<br />

Penninischen Gneiszone. Sie besteht aus sedimentären<br />

Ablagerungen mit darin enthaltenem Dolomit. Dieser ist in<br />

Folge einer metamorphen Überprägung während der alpinen<br />

Gebirgsfaltung teilweise zuckerkörnig ausgebildet. Um<br />

die Pioramulde im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung<br />

der Tunnelbaustelle zu untersuchen, wurde vom AlpTran-<br />

sit Konsortium ein Sondierstollen gebohrt, der wenige Meter<br />

vor der Pioramulde endet. Von der Ortsbrust des Stollens<br />

wurden Sondierbohrungen in die Pioramulde abgeteuft,<br />

um die mechanischen Eigenschaften der Gesteine der<br />

Pioramulde zu untersuchen (Schneider, 1997).<br />

An der Ortsbrust dieses Sondierstollens wurden im März<br />

<strong>2005</strong> durch das <strong>GFZ</strong> Potsdam in Zusammenarbeit mit der<br />

Amberg Messtechnik AG seismische Messungen durch-<br />

Abb.3:Geologisches Längenprofil entlang des Gotthard-Basistunnels (GBT, Quelle: http://www.alptransit.ch) (oben),<br />

migrierte seismische Sektion der konvertierten und reflektierten Oberflächenwellen mit Ergebnissen der Sondierung<br />

Bo1.2 (unten). Entlang der Sondierung Bo1.2 ist schematisiert der RQD-Wert (Rock Quality Designation) dargestellt,<br />

der ein Maß für den Zustand des bei der<br />

Sondierung geförderten Kerns darstellt<br />

(aus Schneider, 1997). Hohe Werte deuten<br />

auf festen, ungeklüfteten Fels hin, niedrige<br />

Werte auf stärker geklüfteten Fels.<br />

Folgende Einheiten lassen sich den Farben<br />

zuordnen (beginnend an der Ortsbrust):<br />

rot: Betonzapfen zur Stabilisierung<br />

der Ortsbrust; pink: kakirisierte<br />

Störzone; grün: Pioramulde.<br />

Geological section along the Gotthard<br />

base tunnel (GBT, source: http://www.<br />

alptransit.ch) (top), migrated seismic section<br />

of the converted and reflected surface<br />

waves with RQD (rock quality designation)<br />

values of exploratory well 1.2.<br />

The RQD value is a measure for the stability<br />

of the rock delivered by investigation<br />

of the cores of the well (Schneider, 1997).<br />

High values indicate stable unfaulted<br />

rocks, low values indicate strongly faulted<br />

rocks. The following units can be identified<br />

according to the colours (starting<br />

from the tunnel face): red: concrete cone<br />

stabilising the tunnel face; magenta: cataclastic<br />

fault zone; green: Piora basin.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

99


100<br />

geführt, um die Anwendbarkeit der konvertierten und<br />

reflektierten Oberflächenwellen zur Detektion einer Störungszone<br />

zu untersuchen. Die Messanordnung bestand<br />

aus folgenden Komponenten: zwei Drei-Komponenten-<br />

Geophone in den Spitzen von Gebirgsankern, die ca.<br />

60 m hinter der Ortsbrust seitlich in die Tunnelwand<br />

gesetzt wurden, sowie 76 Schlagpunkte, an denen der<br />

<strong>GFZ</strong>-Impakthammer eingesetzt wurde (vgl. Abb. 1). Von<br />

den 76 Schlagpunkten sind 36 in einem Profil an der in<br />

Vortriebsrichtung linken Tunnelwand angeordnet. Der<br />

mittlere Punktabstand beträgt 1,5 bis 1,6 m. Fünf Punkte<br />

sind an der Ortsbrust, und 35 an der in Vortriebsrichtung<br />

rechten Tunnelwand. An jedem Schlagpunkt wurden<br />

16 Schläge angeregt und vertikal gestapelt. Die Verteilung<br />

von seismischen Empfängern und Hammerschlagpunkten<br />

sowie die unbearbeiteten seismischen Daten sind in<br />

Abb. 4 dargestellt. Die unbearbeiteten Daten werden von<br />

der direkten P- und der direkten Rayleigh-Welle beherrscht.<br />

Eine Rayleigh-Wellen-Reflexion ist innerhalb der<br />

Schlagpunktlinie zwischen Punkt 1 und 10 zu erkennen.<br />

Abb. 4: Messgeometrie des seismischen Experiments an der Ortsbrust des<br />

Piora-Sondierstollens (oben) und Rohdaten der Messungen (unten). Die<br />

Messdaten zeigen die dritte Komponente (senkrecht zur Tunnelwand) von<br />

Empfänger 1 (rotes invertiertes Dreieck). Die Signale von 76 Schlagpunkten<br />

(schwarze Rauten) wurden aufgezeichnet. Die Punkte 1 bis 36 liegen<br />

an der in Vortriebsrichtung linken Tunnelwand, Punkte 37 bis 41 an der<br />

Ortsbrust und Punkte 42 bis 76 an der in Vortriebsrichtung rechten Tunnelwand.<br />

RR0: Rayleigh-Wellen-Reflexion von einer Diskontinuität bei<br />

Schlagpunkt 16.<br />

Source and receiver point distribution of the seismic experiment in the Piora<br />

adit (top) and raw data of the measurements (bottom). The data show the<br />

component perpendicular to the tunnel wall of receiver 1 (red inverted triangle).<br />

The signals of 76 impact points (black diamonds) were recorded. The<br />

points 1 – 36 are on the left tunnel wall (looking towards the tunnel face),<br />

the points 37 – 41 are on the tunnel face, and the points 42 – 76 are on the<br />

right tunnel wall. RR0: Rayleigh wave reflection of a discontinuity near<br />

impact point 16.<br />

Die Datenbearbeitung unterdrückt die großen Amplituden<br />

der direkten P-, S- und Rayleigh-Wellen, verbessert das<br />

Verhältnis von Nutz- und Störsignalen und verstärkt<br />

Amplituden von Einsätzen mit größerer Laufzeit, um Verluste<br />

durch Dämpfung und sphärische Divergenz auszugleichen.<br />

Dazu werden folgende Prozesse durchgeführt:<br />

Median-Filterung, Bandpass-Filterung und zeitproportionale<br />

Skalierung der Amplituden. Das Ergebnis dieser<br />

Bearbeitung für die tunnelwandnormale Komponente des<br />

Empfängers 1 ist in Abb. 5 dargestellt. Die direkten P-, Sund<br />

Rayleigh-Wellen sind weitgehend unterdrückt. Reflektierte<br />

Rayleigh-Wellen von Diskontinuitäten entlang<br />

der Schlagpunktlinie und von der Ortsbrust des Sondierstollens<br />

sind zu erkennen. Nach den Einsätzen der Reflexionen<br />

von der Tunnelbrust treffen mit einer Verzögerung<br />

von etwa 20 ms dazu parallele Einsätze ein, die von RSSR-<br />

Reflexionen vor der Ortsbrust herrühren.<br />

Mit einem an der Kirchhoff-Migration orientierten Abbildungsverfahren<br />

(z. B. Schleicher et al., 1993) lassen<br />

sich die in den Seismogrammen erkennbaren<br />

RSSR-Reflexionen im Raum<br />

abbilden. Wir nennen dieses Verfahren<br />

RSSR-Migration. Hierfür werden im<br />

dreidimensionalen Raum Flächen gleicher<br />

Laufzeit (sog. Isochronen) für<br />

RSSR-Reflektionen berechnet und die in<br />

den Seismogrammen enthaltenen Amplituden<br />

auf diese Isochronen verteilt. Das<br />

Ergebnis ist dann ein räumliches Abbild<br />

von RSSR-Reflektoren. Bei einer stationären<br />

Tunnelbrust verbleibt eine hohe<br />

räumliche Unschärfe, da die ortsfeste<br />

Tunnelortsbrust als sekundäre Quelle<br />

betrachtet wird. Bei einem aktiven Tunnelvortrieb<br />

hingegen überlagern sich<br />

RSSR-Reflexionen von verschiedenen<br />

Ortsbrustpositionen konstruktiv, so dass<br />

eine bessere räumliche Auflösung von<br />

Reflektoren möglich ist (Abb. 6). In<br />

Abb. 7 sind die seismischen Daten mit<br />

den RSSR-Reflexionen und das Ergebnis<br />

der RSSR-Migration gegenüberge-<br />

stellt. Für die Migration wurden die von<br />

Empfänger 1 aufgezeichneten Schüsse<br />

42 bis 76 (Abb. 4) berücksichtigt. Etwa<br />

45 m vor der Ortsbrust liegt ein Reflektor,<br />

der mit dem Einsatz der Phase<br />

RSSR1 korreliert, etwa 20 m weiter in<br />

Vortriebsrichtung liegt ein weiterer Reflektor,<br />

der mit der Phase RSSR2 korreliert.<br />

Im Rahmen der Vorerkundung der Pioramulde<br />

durch das AlpTransit-Konsortium<br />

wurden von der Ortsbrust des Piora-Sondierstollens<br />

Erkundungsbohrungen abgeteuft<br />

und das dabei angetroffene Gestein<br />

charakterisiert. Folgende Einheiten<br />

wurden dabei angetroffen: ein 8 m mächtiger<br />

Betonzapfen, mit dem der Son-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5: Daten nach Bearbeitung (Empfänger 1, tunnelwandnormale Komponente).<br />

R: Direkte Rayleigh-Welle, RR1: Rayleigh-Reflexion der Tunnelortsbrust,<br />

RSSR1: RSSR-Reflexion von Kakirit-Lage, RSSR2: RSSR-Reflexion<br />

vom Übergang der Kakirit-Lage zur Piora-Mulde.<br />

Seismic data after processing (receiver 1, perpendicular to the tunnel wall).<br />

R: direct Rayleigh wave, RR1: Rayleigh wave reflection from the tunnel face,<br />

RSSR1: RSSR reflection of cataclastic layer, RSSR2: RSSR reflection from<br />

the transition of the cataclastic layer to the Piora basin.<br />

dierstollen verfüllt wurde, Lucomagno-Gneise, eine ca.<br />

16 m mächtige kakiritische Störzone, sowie die Piora-<br />

Mulde, die durch einen Wechsel von sehr instabilem zuckerkörnigem<br />

Dolomit und festeren karbonatisch-sulfatischen<br />

Gesteinen geprägt ist (Schneider, 1997). Die Einheiten<br />

sind in Abb. 3 zusammen mit der RSSR-Migration<br />

der Aufzeichnungen von Empfänger 1 dargestellt. Erhöhte<br />

Reflexionsamplituden zeigen sowohl den Übergang<br />

vom Lucomagno-Gneis zum Kakirit als auch vom Kakirit<br />

zur Pioramulde.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Das am <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelte Integrierte<br />

Seismische Imaging System ISIS<br />

besteht den aus Hardware-Komponenten<br />

sowie der Software, die zur Vorauserkundung<br />

im Tunnelbau erforderlich sind.<br />

Dazu zählen seismische Quellen, die<br />

wiederholbare und hochfrequente Signale<br />

anregen und Empfängersysteme, die<br />

zusammen mit im Tunnelbau üblichen<br />

Gebirgsankern verwendet werden können.<br />

Die Software leistet die zur Interpretation<br />

der gemessenen Daten notwendige<br />

Bearbeitung und Visualisierung und<br />

Aufzeichnung weiterer geologischer und<br />

geotechnischer Daten. Bei Messeinsätzen<br />

unter Verwendung dieses Systems<br />

wie auch bei der Auswertung der synthetischen<br />

Modellierung seismischer Wellen<br />

in der Tunnelseismik hat sich gezeigt,<br />

dass an der Tunnelwand entlang laufende<br />

Oberflächenwellen mit der größten Energieangeregt<br />

werden. Modellierungen zeigten auch, dass<br />

diese sich grundsätzlich dazu eignen, Reflektoren vor der<br />

Ortsbrust eines Tunnels zu erkennen. Die Reflexionen<br />

stammen von an der Ortsbrust zu S-Wellen konvertierten<br />

Oberflächenwellen, die nach der Reflexion zur Ortsbrust<br />

zurückkehren und dort wieder zu Oberflächenwellen<br />

konvertieren (RSSR-Reflexionen). Messungen des <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam an der Ortsbrust des Piora-Sondierstollens an der<br />

Baustelle Gotthard-Basistunnels zeigten in den Messdaten<br />

Einsätze, die mit dem Auftreten von RSSR-Reflexio-<br />

Abb. 6: Prinzip der RSSR-Migration für zwei verschiedene Positionen der Tunnelortsbrust. Die seismische Quelle<br />

(schwarze Raute) und der Empfänger (invertiertes Dreieck) können an einer festen Position operieren und liegen mit<br />

der Tunnelachse in einer Ebene. Für die erste Ortsbrustposition (blaue Linie) sind die Strahlwege einer RSSR-Reflexion<br />

skizziert: Schwarze Pfeile zeigen Rayleigh-Wellen, blaue Pfeile zeigen S-Wellen. Die Isochrone einer RSSR-Reflexion<br />

wird durch einen Kreis um die Kante der Ortsbrust auf der Seite von Quelle und Empfänger repräsentiert. Es<br />

besteht eine starke räumliche Mehrdeutigkeit in der Lokalisierung des Reflektors. Wird die Messung nach einem gewissen<br />

Vortrieb wiederholt (rote Linie), wird die Mehrdeutigkeit bereits deutlich reduziert. Eine weitere Verbesserung in<br />

der Lokalisierung des Reflektors kann durch die Anordnung von Schlagpunkten und Empfängern um den Tunnel herum<br />

erreicht werden.<br />

Principle of the RSSR migration assuming two different tunnel face positions. The seismic source (black diamond) and the<br />

receiver (inverted triangle) can operate at<br />

a fixed location. The ray paths for an RSSR<br />

reflection are shown for the first tunnel<br />

face position (blue line): Black arrows<br />

indicate Rayleigh waves, blue arrows indicate<br />

S waves. The isochrone of a RSSR<br />

reflection is represented by a circle around<br />

the edge of the tunnel face on the side of<br />

the source-receiver profile. There is a<br />

strong spatial ambiguity for the location of<br />

the reflector. If the measurements are repeated<br />

after the tunnel has been drilled further<br />

(red line) the spatial ambiguity can be<br />

resolved. Furthermore, if sources and<br />

receivers are distributed at all azimuths<br />

around the tunnel axis the reflector can be<br />

located still more exactly.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

101


102<br />

Abb. 7: Datenbeispiel der tunnelwandnormalen Komponente eines Empfängers (oben) und migrierte Sektion der gezeigten<br />

Daten (unten). RR1: Reflektierte Oberflächenwelle von der Tunnelortsbrust, RSSR1: Konvertierte und reflektierte<br />

Oberflächenwelle vom Beginn der Kakirit-Schicht, RSSR2: Konvertierte und reflektierte Oberflächenwelle von der Pioramulde.<br />

Data example of the component perpendicular to the tunnel wall of receiver 1 (top) and migrated section of the data<br />

(bottom). RR1: reflected surface wave from the tunnel face, RSSR1: converted and reflected surface wave from the cataclastic<br />

layer, RSSR2: converted and reflected surface wave from the Piora basin.<br />

nen erklärt werden können. Es konnten RSSR-Reflexionen<br />

vom Beginn einer kakiritisierten Schicht sowie von<br />

deren Übergang zur Pioramulde nachgewiesen werden.<br />

Ein für die Überprüfung der Praxistauglichkeit des Systems<br />

notwendiger Schritt ist nun die Anwendung bei einem<br />

aktiven Tunnelvortrieb. Die bisher durchgeführten synthetischen<br />

Modellierungen wie auch die Testmessungen<br />

im Piora-Sondierstollen lassen erwarten, dass ein entsprechender<br />

Einsatz eine wesentliche Unterstützung bei<br />

der Detektion von Heterogenitäten vor dem Tunnel bedeutet.<br />

Da das System hinter der Ortsbrust seitlich an der Tunnelwand<br />

installiert wird, stört es nicht den Vortrieb an der<br />

Ortsbrust und kann unabhängig von der Vortriebsart<br />

genutzt werden. Da bei der Anregung an der Tunnelwand<br />

Oberflächenwellen mit größerer Energie angeregt werden<br />

als Raumwellen, kann bei diesem System grundsätzlich<br />

mit einem hohen Verhältnis von Nutz- zu Störsignalenergie<br />

und somit sehr stabilen Messergebnissen gerechnet<br />

werden.<br />

Literatur:<br />

Bohlen, T., Lorang, U., Rabbel, W., Müller, C., Giese, R., Lüth, S., 2006. Seismic<br />

prediction ahead of tunnel construction using Rayleigh to body wave conversion<br />

at the head face. Manuscript in preparation.<br />

Dickmann, T., and Sander, B., 1996. Drivage concurrent tunnel seismic prediction.<br />

Felsbau 14, 406-411.<br />

Giese, R., Klose, C., and Borm, G., <strong>2005</strong>. In-Situ seismic investigations of fault<br />

zones in the Leventina Gneiss Complex of the Swiss Central Alps: Geological<br />

Society Special Publication 240, 15-24.<br />

Kneib, G., Kassel, A., and Lorenz, K., 2000. Automated seismic prediction ahead<br />

of the tunnel boring machine. First Break, 295-302.<br />

Lüth, S., Buske, S., Giese, R., Goertz, A., <strong>2005</strong>. Fresnel volume migration of multicomponent<br />

data. Geophysics 70(6), 121-129.<br />

Schleicher, J., Tygel, M., and Hubral, P., 1993. 3-D true-amplitude finite-offset<br />

migration. Geophysics 67, 1112-1126.<br />

Schneider, T.R., 1997. Gotthard-Basistunnel: Neue geologische Erkenntnisse im<br />

Bereich des Tavetscher Zwischenmassivs und der Piora-Mulde. Schweizerischer<br />

Ingenieur- und Architekten-Verein, Dokumentation D 0143.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Technologieentwicklung im In-Situ-<br />

Geothermielabor Groß Schönebeck<br />

Ernst Huenges, Günter Zimmermann, Andreas Reinicke, Guido Blöcher, Heinz Gerd Holl, Björn Legarth, Ali Saadat,<br />

Inga Möck, Helmuth Winter, Wulf Brandt, Silke Köhler, Angelika Spalek, Mathias Poser, Jörg Schrötter, Rainer Becker<br />

Generation of electricity from geothermal heat is up to now limited to regions characterised by high temperature<br />

(T > 150 °C) at lower depths. Beside the temperature, adequate rock types are required which store and supply hot<br />

water. A reservoir rock with these profitable storage properties is represented by a 265 million years old sandstone<br />

horizon which can be found in North-Germany in 4000 m depth. Hot water in these sandstones possesses a sufficiently<br />

high temperature of 150 °C for electrical power production. To achieve the necessary productivity for economic use,<br />

new surface and subsurface technologies have to be developed. For this purpose <strong>GFZ</strong> Potsdam uses an abandoned well<br />

in Groß Schönebeck as an In-Situ geothermal laboratory. The investigated subsurface technologies include (I) reservoir<br />

stimulation with the generation of artificial fractures to enhance the flow rates and (II) mitigation strategies to<br />

preserve the initial conditions of the reservoir rock. The experiments demonstrated the enhancement of the productivity<br />

by a selective frac design. In a second deep well at this site Groß Schönebeck these results will be applied for the<br />

realisation of a doublet system (with a production well and an injection well) which will be coupled to a power plant<br />

to enable electrical power production.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Erzeugung von Strom aus Erdwärme durch die Nutzung<br />

von Heißwässern beschränkt sich bisher auf Gebiete,<br />

die durch hohe Temperaturen (T > 150 °C) in geringen<br />

Tiefen der Erdkruste charakterisiert sind. Neben der Temperatur<br />

sind aber auch Gesteinstypen notwendig, die<br />

genug Heißwasser speichern und wieder abgeben können.<br />

Ein 265 Mio. Jahre alter Sandsteinhorizont, den man in<br />

Nord-Deutschland in 4.000 m Tiefe antrifft, stellt ein<br />

Reservoirgestein mit günstigen Speichereigenschaften<br />

dar. Die Heißwässer in diesem Sandstein besitzen eine zur<br />

Stromerzeugung ausreichende Temperatur von circa<br />

150 °C. Um die notwendige Produktivität zur wirtschaftlichen<br />

Nutzung zu erreichen, müssen über- und untertage<br />

neue Technologien entwickelt werden. Hierzu nutzt das<br />

GeoForschungZentrum Potsdam seit 2002 eine Altbohrung<br />

in Groß Schönebeck als In-Situ-Geothermielabor. Zu<br />

den erforschten Untertage-Technologien zählen (I) die<br />

Reservoirstimulation durch die Erzeugung künstlicher<br />

Risse, um die Förderraten von Heißwasser zu erhöhen,<br />

und (II) speicherschonende Aufschlussverfahren zur Erhaltung<br />

der initialen Speichereigenschaften der Reservoirgesteine.<br />

Die Experimente haben gezeigt, dass durch gezieltes<br />

Riss-Design die Fördermenge an Heißwasser wesentlich<br />

erhöht werden kann. In einer zweiten neuen Tiefbohrung<br />

am Standort Groß Schönebeck sollen nun diese<br />

Ergebnisse zur Realisierung einer Dublette (bestehend aus<br />

Förderbohrung und Injektionsbohrung) umgesetzt werden,<br />

durch die – gekoppelt an einen Kraftwerkskreislauf<br />

– Stromerzeugung ermöglicht werden soll.<br />

Einleitung<br />

Anspruchsvolle energie- und umweltpolitische Zielsetzungen<br />

stellen die Energieversorgung vor neue Herausforderungen:<br />

Der Energiemix der Zukunft soll ökologisch<br />

verträglich, ressourcensicher, wettbewerbsfähig und vor<br />

allem nachhaltig sein. Die Minderung von Emissionen und<br />

die deutliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien<br />

an der Stromversorgung stehen dabei im Vordergrund.<br />

Aus Erdwärme kann Energie in Form von technisch nutzbarer<br />

Wärme oder elektrischem Strom bedarfsgerecht hergestellt<br />

werden. Die Erde birgt dafür ein hohes, energiewirtschaftlich<br />

interessantes Potenzial. Die geothermische<br />

Fündigkeit ist dabei nicht auf vulkanische Gebiete<br />

beschränkt. Im Prinzip gibt es Erdwärme fast überall, auch<br />

in Mitteleuropa.<br />

Allerdings muss man hier in Tiefen von vier bis fünf Kilometern<br />

bohren, um ein Temperaturniveau zu erschließen,<br />

das hoch genug ist, um über Dampfturbinen effektiv elektrische<br />

Generatoren antreiben zu können. Dieses Potenzial<br />

kann erst dann genutzt werden, wenn die noch hohen<br />

Kosten und Risiken der Erschließung nachhaltig gesenkt<br />

werden. Die Herausforderung liegt in der Entwicklung von<br />

Technologien, die die Ergiebigkeit geothermischer Lagerstätten<br />

steigern und die Risiken bei der Lagerstättenerkundung<br />

senken.<br />

Eine Wärmequelle ist heißes Wasser aus der Erde. Heute<br />

nutzen noch die meisten größeren geothermischen Kraftwerke<br />

der Welt heißes oberflächennahes Wasser aus vulkanisch<br />

erhitzten Gesteinsschichten. Ähnliche hydrothermale<br />

Systeme kommen aber auch in nichtvulkanischen<br />

Regionen vor. Es gibt sie zum Beispiel im süddeutschen<br />

Raum und in der Norddeutschen Tiefebene. Praktisch<br />

überall im Untergrund stößt man ab 4.000 m Tiefe auf über<br />

150 °C heiße Gesteinsformationen. Sie enthalten das bei<br />

weitem größte Reservoir an geothermischer Energie, das<br />

derzeit technisch zugänglich ist. Hydrothermalsysteme<br />

oder trockene Hot-Dry-Rock-Systeme (HDR-Systeme),<br />

wie diese Formationen je nach Wasserführung genannt<br />

werden, stellen deshalb ein großes Zukunftspotenzial für<br />

die Energieversorgung dar. Trocken bedeutet hier, dass<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

103


104<br />

nicht ausreichend natürliches Wasser vorhanden ist, um es<br />

wie bei den hydrothermalen Lagerstätten über einen längeren<br />

Zeitraum an die Oberfläche zu pumpen.<br />

Oft haben diese Felsformationen jedoch zu kleine natürliche<br />

Risse, die einen zu geringen Wasserdurchsatz<br />

und keinen effektiven Wärmeaustausch ermöglichen. Mit<br />

speziellen Stimulationsmethoden müssen dann zusätzliche<br />

künstliche Risse erzeugt und die bestehenden<br />

erweitert werden. Eine solche Methode ist die hydraulische<br />

Stimulation der Klüfte und Risse: Das sogenannte<br />

Hydraulic Fracturing ist in der Erdöl- und Erdgasindustrie<br />

ein gängiges Verfahren (Economides et al., 2002; Entingh,<br />

2000). In den 1940er Jahren entwickelt und ständig<br />

weiter verbessert, wird es dort eingesetzt, um die Produktivität<br />

von Bohrungen gezielt zu erhöhen. Dem<br />

Hydraulic Fracturing kommt zunehmend auch in der Erdwärmenutzung<br />

eine Schlüsselrolle zu. Mit ihm kann die<br />

natürliche Wasserdurchlässigkeit des Reservoirgesteins<br />

so erhöht werden, dass die geothermische Energiepro-<br />

duktion ökonomisch interessant wird. Die Stimulationsmethoden<br />

der Kohlenwasserstoffexploration sind allerdings<br />

für die geothermische Nutzung von Warmwasservorkommen<br />

nur begrenzt anwendbar. Für die Anwendung<br />

in Geothermiebohrungen müssen sie weiterentwickelt und<br />

angepasst werden (Abb. 1).<br />

Die Entwicklung geeigneter Technologien zur Nutzung<br />

der Untergrundwärme bildet daher seit einigen Jahren<br />

einen der Forschungsschwerpunkte am GeoForschungs-<br />

Zentrum Potsdam. Im europäischen Rahmen wird sie auch<br />

im elsässischen Soultz-sous-Forêts zur Entwicklung des<br />

HDR-Verfahrens vorangetrieben. Die Forschungs- und<br />

Entwicklungsarbeiten verbinden interdisziplinäre Grundlagenforschung<br />

zur Charakterisierung potenzieller geothermischer<br />

Lagerstätten mit wirtschaftlichen und verfahrenstechnischen<br />

Betrachtungen des Betriebs geothermischer<br />

Anlagen. Die Forscher des <strong>GFZ</strong> Potsdam können<br />

vor allem bei der Untersuchung geologischer, geochemischer,<br />

geophysikalischer und geomechanischer Aspek-<br />

Abb.1: Prinzipskizze der geplanten geothermischen Stromerzeugung. Aus einer Produktionsbohrung fördert eine Pumpe<br />

heißes Tiefenwasser nach oben. Mit der Wärme wird in einem Verdampfer im Kraftwerkskreislauf eine Turbine zur<br />

Stromgenerierung betrieben. Eine bereits bei niedriger Temperatur siedende organische Flüssigkeit in einem zweiten<br />

Kreislaufsystem (Organic Rankine Cycle) treibt die Turbine an. Das vom zweiten Kreislauf gekühlte Tiefenwasser wird<br />

über eine Injektionsbohrung (blau) wieder in die Tiefe gepresst.<br />

Principle of the planned geothermal power generation. A pump delivers hot water from the depth through a production<br />

well. A circuit working with an organic liquid of low boiling point is heated by the hot water. The gas pressure produced<br />

drives a turbine and a generator (ORC). The cooled off water will be reinjected through a second borehole into<br />

the underground.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2: Geologisches Blockbild der<br />

Umgebung der bestehenden Bohrung<br />

GrSk 3/90 (gelb). Legende: -1: Karbon,<br />

-2: Autun Vulkanit, -3: Eldena (6-1) bis<br />

Havel, -4: Mellin bis Eldena (7), -5:<br />

Werra Anhydrit bis Peckensen, -6: Zechstein<br />

1 bis 4, -7 mittlerer-unterer Buntsandstein,<br />

-8: Oberer Buntsandstein, -9:<br />

Unterer Muschelkalk, -10: Mittlerer<br />

Keuper bis Oberer Muschelkalk, -11:<br />

Oberer Keuper, -12: Lias, -13: Kreide,<br />

-14: Känozoikum<br />

Geological 3D image of the area near the<br />

existing well Groß Schönebeck 3/90<br />

te der Lagerstättenerschließung neueste Forschungsergebnisse<br />

anwenden. Hinzu kommt die Analyse und Bewertung<br />

des Gesamtsystems. Für hydraulische Experimente und<br />

Bohrlochmessungen verfügt das GeoForschungsZentrum<br />

über ein In-Situ-Forschungslabor in einer 4,3 km tiefen<br />

Geothermiebohrung im Nordosten Brandenburgs.<br />

Im November 2003 wurde dort in einem Großexperiment<br />

die Methode des massiven „Wasserfracs“ erstmals in<br />

150 °C heißen sedimentären Tiefengesteinen im Norddeutschen<br />

Becken getestet. Der Test hatte Erfolg: Nach dieser<br />

Riss-Stimulierung stieg die Produktivität der Bohrung in<br />

einen Bereich hinein, der die geothermische Stromerzeugung<br />

im Norddeutschen Becken nicht nur generell möglich,<br />

sondern auch energiewirtschaftlich interessant macht.<br />

Das Geothermielabor Groß Schönebeck<br />

Das <strong>GFZ</strong> entschied sich für Groß Schönebeck als Standort<br />

der Forschungsbohrung auf Basis von geologischen und<br />

bohrtechnischen Datenanalysen. Da eine mehrere Kilometer<br />

tiefe Bohrung sehr teuer ist, kamen nur bereits existierende<br />

Altbohrungen in Frage, die sich wieder öffnen lassen.<br />

Außerdem haben Altbohrungen den Vorteil, dass ihre Bohrakten<br />

bereits detailliert Auskunft über den Untergrund<br />

geben. Diese Akten umfassen Informationen über angetroffene<br />

Schichten, Gesteinsparameter, Zementationsprotokolle,<br />

Bohrberichte und andere wichtige Informationen.<br />

Es wurden die Bohrakten von mehr als fünfzig Altbohrungen<br />

recherchiert, die für die Durchführung von Stimulationsexperimenten<br />

und die angestrebte Nachnutzung<br />

zunächst geeignet schienen. Die Wahl fiel auf die 1990 abgeteufte<br />

Erdgasexplorationsbohrung E GrSk 3/90 in Groß<br />

Schönebeck. Da die Altbohrung wie üblich mit Zement verfüllt<br />

war, musste sie „aufgewältigt“ werden, d. h. dass der<br />

Zement durch Nachbohren entfernt wird. Dabei wurde die<br />

Bohrung um 54 Meter auf 4.294 Meter vertieft. Danach stand<br />

sie als In-Situ-Versuchs- und -Messlabor für die Durchführung<br />

von Bohrlochmessungen und Experimenten bereit.<br />

Die Bohrung erschließt geothermisch interessante Horizonte<br />

des Norddeutschen Beckens in Tiefen zwischen<br />

3.900 und 4.300 Metern bei Temperaturverhältnissen um<br />

150 °C. Bis zur Tiefe von 3.873 Metern ist sie mit nach<br />

unten abnehmenden Durchmessern teleskopartig verrohrt.<br />

An der Erdoberfläche hat sie einen Durchmesser von<br />

24,5 cm und im Bohrlochtiefsten 12,7 cm. Im Oktober<br />

2003 wurde die Bohrung nochmals vertieft, die Endteufe<br />

liegt seitdem bei 4.309 m.<br />

Für den Raum Groß Schönebeck (Umfeld der Bohrung<br />

Groß Schönebeck 3/90) wurde ein geologisches 3D-Modell<br />

entwickelt (Abb. 2), das das Störungsmuster und die geologischen<br />

Horizonte inklusive Zielhorizont des geothermalen<br />

Speichers in 4.000 m Tiefe zeigt.<br />

Für die Modellierung wurden bereits existierende Daten<br />

genutzt, bestehend aus 2D-Seismik- und Tiefbohrungsarchiven.<br />

Die reprozessierten und als Ausdruck vorliegenden<br />

2D-Seismikprofile wurden digitalisiert, die Bohrungsdaten<br />

waren aus vorhergehenden Arbeiten digital<br />

verfügbar. Insgesamt liegen nun 138 km 2D-Seismik und<br />

Informationen aus 15 Tiefbohrungen von je 4.000 m Teufe<br />

digital vor. Diese Daten wurden georeferenziert und<br />

– basierend auf der 2D-Seismik – wurden das Störungsmuster<br />

hergeleitet und nach strukturgeologischen Kriterien<br />

ein 3D-Störungsmodell berechnet. Das Störungsmuster<br />

besteht aus zwei Störungssystemen, die durch das<br />

Zechsteinsalz entkoppelt sind. Die Teufenlage und Oberflächenform<br />

der geologischen Horizonte wurde durch die<br />

Verrechnung der reflexionsseismischen Markerhorizonte<br />

mit den entsprechenden Teufenlagen gemäß der Bohrungen<br />

verrechnet. In dem bisher existierenden 3D-Modell<br />

wurden die Seismikhorizonte auf die Teufenlage aus den<br />

Bohrungen geeicht. Um die Varianz dieser unterschiedlichen<br />

Fehlergrenzen der Basisdaten zueinander statistisch<br />

zu erfassen und in die Berechnung mit einfließen zu<br />

lassen, wird derzeit ein Modell mit einer geostatistischen<br />

Methode entwickelt. Mit neu gewonnenen Daten können<br />

die 3D-Modelle auf ihre Aussagefähigkeit hin überprüft<br />

werden. Darüber hinaus wurde ein strukturelles 3D-Lithofaziesmodell<br />

für den geothermalen Speicher berechnet,<br />

das die störungsgebundene Verteilung von sedimentären<br />

Ablagerungstypen zeigt.<br />

Vor der Durchführung von Stimulationsexperimenten war<br />

es zunächst wichtig, den Ausgangszustand der Bohrung<br />

zu bestimmen. Dazu fanden 2001 hydraulische Tests und<br />

Bohrlochmessungen statt. Außerdem mussten Gesteinsproben<br />

anhand von Laborstudien und Bohrlochmessungen<br />

charakterisiert werden.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

105


106<br />

Stimulation steigert Produktivität<br />

Neben den Mindesttemperaturen von 150 °C ist die stabile<br />

Förderung großer Mengen von Thermalwasser eine<br />

zweite Grundvoraussetzung für die Energiegewinnung,<br />

denn das Wasser transportiert die Wärme zur Bohrung und<br />

schließlich ins Kraftwerk.<br />

Damit das funktioniert, muss der Gesteinskörper gut<br />

durchlässig sein, also einen hohen Anteil hydraulisch verbundener<br />

kleiner Hohlräume und Risse besitzen (Hot<br />

Fractured Rock). Das gewährleistet eine gute Durchströmung<br />

und einen hohen Wasserzufluss zur Bohrung. Wie<br />

schon erwähnt, ist allerdings in Tiefen mit Mindesttemperaturen<br />

um 150 °C die natürliche Permeabilität (Durchlässigkeit)<br />

der Gesteine nur gering. Sie müssen durch Stimulation<br />

künstlich aufgebrochen werden, um eine erhöhte<br />

Wasserzirkulation zu erreichen.<br />

Stimulationsexperimente haben zwei Ziele: Sie sollen im<br />

Tiefengestein ein weitreichendes Risssystem erzeugen,<br />

zugleich sollen sie einen Anschluss an wasserführende<br />

Klüfte herstellen, die von Natur aus vorhanden sind. Dazu<br />

wird in kurzer Zeit und unter hohem Druck ein Fluid, meistens<br />

Wasser, in eine Bohrung verpresst. Der Druck des<br />

hinein gepressten Fluids überschreitet dabei die im Gebirge<br />

vorherrschenden Spannungen. So erweitert er vorhandene<br />

Risse im Gestein, verbindet sie miteinander und<br />

erzeugt neue Klüfte (Hydraulic Fracturing). Im Verlauf<br />

des Experimentes werden die Injektionsraten stufenweise<br />

erhöht und das Fluid gegebenenfalls mit hochviskosen<br />

Zusätzen versetzt. Falls nötig, wird es auch zur Sicherung<br />

der Rissöffnung mit Stützmitteln versetzt. Das sind<br />

zum Beispiel Keramikkugeln von etwa 1 mm Durchmesser:<br />

Sie lagern sich in den hydraulisch erzeugten Rissen<br />

im Gestein ein und halten sie offen, wenn der Druck nachlässt.<br />

Durch die Stimulation entsteht ein weit verzweigtes Kluftsystem,<br />

das dem Thermalwasser neue Fließwege zur Förderbohrung<br />

schafft: Nun funktioniert es als Transportweg<br />

und als untertägiger Wärmetauscher mit großer Kontaktfläche.<br />

Stimulation der Sandsteine<br />

Die ersten – noch relativ sanften – Stimulationsexperimente<br />

in den Sandsteinhorizonten in 4.200 Metern Tiefe<br />

wurden noch weitgehend konventionell durchgeführt<br />

(Legarth et al. <strong>2005</strong>). Darunter versteht man ein Verfahren,<br />

das auf Erfahrungen aus der Erdöl- und Erdgas-Exploration<br />

basiert. Mehrere Hundert Kubikmeter einer hochviskosen<br />

Flüssigkeit, einem Spezialgel, wurden bei einem<br />

Überdruck von 17 Mpa injiziert und Stützmittel eingebracht.<br />

Tatsächlich zeigten Messungen nach der Stimulation<br />

einen erhöhten Zufluss an Grundwasser aus dem<br />

umgebenden Gestein. Ein Produktionstest wies entsprechend<br />

höhere Fließ- und Förderraten nach, ein erstes Indiz<br />

für den Erfolg des Experiments. Es bewies, dass schon<br />

geringe Druckanregungen Risse im Gebirge initiieren<br />

können.<br />

Die Tests waren auch ein operationeller Erfolg. Im offenen<br />

und unverrohrten Bohrlochbereich im tiefsten Abschnitt<br />

gelangen Experimente, die hohe Risiken bergen.<br />

Dazu gehört der erstmalige Einbau eines so genannten<br />

Packers in über 4 km Tiefe: Ein Packer ist ein Abdichtungssystem<br />

für das Injektionsrohr. Wichtig war vor allem<br />

nicht nur das Setzen des Packers: Nach dem Experiment,<br />

bei dem das System unter hoher Belastung stand, musste<br />

dieser wieder aus der Bohrung ausgebaut werden, um sie<br />

nicht für die folgenden Experimente zu verschließen.<br />

Anschließend wurde zur Abschätzung der hydraulischen<br />

Parameter, die durch die Stimulation verändert wurden,<br />

über rund zwei Monate ein Langzeitpumptest mit einem<br />

Fördervolumen von insgesamt 580 m 3 durchgeführt (Reinicke<br />

et al. <strong>2005</strong>). Über einen längeren Zeitraum und unter<br />

moderaten Druckbedingungen wurden die Durchlässigkeit<br />

der unterschiedlichen Gebirgshorizonte, die Ausdehnung<br />

des Reservoirs und die chemische Zusammensetzung des<br />

zu fördernden Tiefenwassers bestimmt. Durch den Vergleich<br />

mit den Daten vor den ersten Stimulationsversuchen<br />

konnte so abgeschätz werden, wie sich die Produktivität<br />

der Sandsteine durch die Stimulation verändert hat.<br />

Allerdings erwies sich die durch die Sandsteinstimulation<br />

erzeugte Produktivität als noch nicht ausreichend für eine<br />

wirtschaftliche Stromerzeugung. Daher wurde entschieden,<br />

die Experimente mit einer massiven Stimulation fortzusetzen.<br />

Massive Stimulationsexperimente<br />

Im Verlauf der nun folgenden massiven Stimulationsexperimente<br />

wurden insgesamt etwa 12.000 m 3 Wasser sukzessive<br />

mit steigender Injektionsrate und damit steigendem<br />

Druck in den Untergrund injiziert (Zimmermann<br />

et al. <strong>2005</strong>). Um hohe Fließraten bis 80 l/s realisieren zu<br />

können, wurden spezielle leistungsfähige Pumpaggregate<br />

bereitgestellt (Abb. 3). Die übertägigen Anlagenteile<br />

mit dem Bohrkopf und den Zuleitungen waren ausgelegt,<br />

Abb. 3: Hochleistungspumpen für den massiven Wasserfrac<br />

in der Geothermie-Forschungsbohrung Groß Schöne-beck<br />

bei Berlin, November 2003 (Foto: E. Huenges,<br />

<strong>GFZ</strong>)<br />

High capacity pumps for the massive water frac in the<br />

geothermal research well Groß Schönebeck near Berlin,<br />

November 2003<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4: Das Abbild der elektrischen Leitfähigkeit der Bohrlochwandungen (360°-FMI-Messung) in der Bohrung Groß<br />

Schönebeck 3/90 zeigt einen 120 m langen Riss nach der ersten massiven Wasserfracbehandlung.<br />

The image of the electrical conductivity of the borehole wall (360 degree FMI-measurements) in the well Groß Schönebeck<br />

3/90 shows a 120 m long fracture after the first massive waterfrac treatment.<br />

einem Druck von 50 MPa standzuhalten. Drei etwa 80 Meter<br />

tiefe Wasserbrunnen stellten die Wassermengen bereit.<br />

Das Wasser wurde in Behältern mit einer Kapazität von<br />

1.500 m 3 zwischengespeichert und chemisch aufbereitet,<br />

um die Verträglichkeit mit dem Tiefengestein und den Tiefenwässern<br />

zu gewährleisten. Dazu gehört eine Ansäuerung<br />

des Wassers, um Eisenhydroxyd-Ausfällungen im<br />

Tiefenreservoir zu vermeiden.<br />

Im ersten Abschnitt des Experimentes wurde ein Stufeninjektionstest<br />

gestartet. Dabei wurde sukzessive die Injektionsrate<br />

erhöht, zunächst bis 24 l/s; der Differenz-Druck<br />

stellte sich bei 17 MPa ein. Folgende Wirkung wurde deutlich<br />

beobachtet: Bereits ab einer Injektionsrate von 8 l/s<br />

verringerte sich mit weiter ansteigender Injektionsrate der<br />

Druckanstieg je Einheit der Injektionsrate. Entsprechend<br />

erhöhte sich die Injektivität. Es wurde also mehr Flüssigkeit<br />

je Druckeinheit im Untergrund verpresst, demnach<br />

öffneten sich dort bereits Risse und Klüfte.<br />

In einem anschließenden Test wurde untersucht, ob die<br />

Injektivitätssteigerung auch mit einer Produktivitätssteigerung<br />

verbunden ist. Während eines fünfstündigen Tests wurden<br />

250 m 3 Wasser aus der Tiefe gefördert. Im Vergleich zu<br />

den im Sommer 2002 durchgeführten Pumptests lag die<br />

Produktivität damit bereits um ein Vielfaches höher. Mit<br />

besonderen physikalischen (elektrischen, seismischen und<br />

passiv Radioaktivität aufzeichnenden) Bohrlochmesssonden<br />

wurden dann struktur- und gesteinbestimmende Messungen<br />

im offenen Bohrlochabschnitt durchgeführt. Als<br />

spezielle Messmethode kam auch ein Formation-Micro-<br />

Imager (FMI) zum Einsatz, der den elektrischen Widerstand<br />

der Bohrlochwand mit einer örtlichen Auflösung im Zentimeterbereich<br />

vermessen kann. Damit ergab sich ein Bild,<br />

das deutlich einen vertikalen Riss von etwa 150 m Länge<br />

im unteren, unverrohrten Abschnitt des Bohrlochs zeigt<br />

(Abb. 4) (Holl et al. <strong>2005</strong>). Weitere Messungen belegen,<br />

dass die Bohrung im tiefsten Abschnitt Gesteinsformationen<br />

des Rotliegend durchteuft hat (vgl. Abb. 2).<br />

Um das Risiko auszuschließen, dass bei weiteren massiven<br />

Stimulationsexperimenten das Bohrloch im noch<br />

unverrohrten Abschnitt im Tiefenbereich von 3.985 m bis<br />

4.300 m einstürzt, wurde ein Schutzstrang aus Rohren<br />

installiert. Dieser ist im so genannten Speicherbereich gelocht,<br />

damit das Wasser durch die Wand der Bohrung fließen<br />

kann. In der gesicherten Bohrung wurde dann das Testprogramm<br />

mit Stimulation, Fördertest und Stufeninjektion<br />

fortgesetzt (Abb. 5). Diese Tests konnten eine beachtliche<br />

Produktivität von etwa 14 m 3 /(h MPa) (beim Riss-<br />

Schließungsdruck) nachweisen (Abb. 6). Sie liegt damit<br />

erstmals in einem Bereich, der geothermische Stromerzeugung<br />

im Norddeutschen Becken nicht nur möglich,<br />

sondern energiewirtschaftlich interessant macht.<br />

Thermische Signatur der Stimulation im Reservoir<br />

Mit der faseroptischen DTS-Temperaturmesstechnik (Distributed<br />

Temperature Sensing) können Temperaturprofile<br />

quasi-kontinuierlich mit hoher zeitlicher Auflösung<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

107


108<br />

Abb. 5: Produktionstest 2003 in Groß Schönebeck (Foto:<br />

A. Saadat, <strong>GFZ</strong>)<br />

Drilling rig, production test 2003, Groß Schönebeck<br />

gemessen werden. Der Einsatz erfolgt entweder mit Bohrlochmesskabeln<br />

(wireline, z. B. Hurtig et al., 1993; Förster<br />

et al., 1997, Büttner and Huenges, 2003) oder indem der<br />

faseroptische Sensor hinter der Verrohrung fest in der Bohrung<br />

installiert wird (Henninges et al., <strong>2005</strong>). Für den Einsatz<br />

in Tiefbohrungen wurde in Kooperation mit der Industrie<br />

ein spezielles Bohrlochmesskabel entwickelt, welches<br />

für eine Einsatztemperatur bis 200 °C spezifiziert ist.<br />

Dieses Kabel kam in der Bohrung Groß Schönebeck 3/90<br />

zum Einsatz und stellte erstmalig DTS-Messdaten eines<br />

Wireline-Systems aus Tiefen bis 4.250 m zur Verfügung.<br />

Dabei wurde die Temperatur der kompletten Bohrlochstrecke<br />

vermessen. Ziel dabei war, den Prototyp des<br />

Kabels für die Charakterisierung der hydraulisch aktiven<br />

Zonen zu verwenden: Der interne Aufbau des stimulier-<br />

Abb. 6: Zunahme der Produktivität der Bohrung Groß Schönebeck durch<br />

hydraulisches Aufbrechen (Frac). Nach jeder Stimulationsbehandlung<br />

wurde die Produktivität getestet und daraus die hier dargestellten Indizes<br />

ermittelt. Der Produktivitätsindex vom Februar 2003 konnte nur als Mindestwert<br />

bestimmt werden. Der Wert vom Dezember 2003 wurde beim Rissschließungsdruck<br />

bestimmt.<br />

Enhancing productivity in Groß Schönebeck during hydraulic fracturing.<br />

The productivity tested after each stimulation treatment was the base for the<br />

shown indices. The productivity index of Febr. 2003 represents only the minimum<br />

value. The value at the Nov./Dec. bar 2003 reflects productivity after<br />

the fractures had closed.<br />

ten Bereiches sollte möglichst erfasst werden. Drei Monate<br />

nach dem zweiten massiven Wasserfrac wurden etwa<br />

100 m 3 kaltes Wasser in die Bohrung gepumpt und<br />

anschließend die Temperaturen mittels DTS-Technik und<br />

zusätzlichen Messfahrten einer p/T-Sonde zur Überprüfung<br />

und Kalibrierung des Prototyps gemessen.<br />

Abb. 7 zeigt das Ergebnis der ersten DTS-Messungen<br />

unmittelbar nach der Kaltwasserinjektion zusammen mit<br />

dem Temperaturprofil einer Bohrlochsondenfahrt zwei<br />

Monate danach. Betrachtet man den stimulierten Bereich<br />

genauer, so kann man neben einer schwachen zeitlichen<br />

Änderung zum ersten Mal deutlich die interne Strukturierung<br />

des stimulierten Bereiches erkennen. Zwei hydraulisch<br />

aktive Zonen (Ia, Ib) existierten bereits vor den massiven<br />

hydraulischen Stimulationen. Nach dem Experiment wurde<br />

eine dritte Zone (II) im Bereich des gelochten Liners nachgewiesen.<br />

Diese dritte Zone wurde durch die Stimulation<br />

innerhalb einer Zone von Konglomeraten und Vulkaniten<br />

erzeugt, die unterhalb der Rotliegend-Sandsteine liegen.<br />

Die hier dargestellten Ergebnisse belegen die Durchführbarkeit<br />

von Wireline-DTS-Messungen in Tiefen über 4 km<br />

und Temperaturen von 143 °C in salinaren Formationsfluiden.<br />

Damit können mit Hilfe dieser Technologie wichtige<br />

Eingangsgrößen für thermo-hydraulische Modellrechnungen<br />

über das aufgeschlossene Reservoir erhalten werden.<br />

Moderate Injektion in das Reservoir nach Stimulation<br />

Im Dezember <strong>2004</strong> wurde in der Forschungsbohrung Groß<br />

Schönebeck ein Injektionsexperiment durchgeführt, bei<br />

dem über 18 Tage konditioniertes Brunnenwasser<br />

mit einem Volumenfluss von<br />

2 l/s injiziert wurde (Abb. 8). Anschließend<br />

wurden die Bohrung eingeschlossen (shutin)<br />

und die Druckentwicklung beobachtet.<br />

Die Einschlussphase dauerte 76 Tage.<br />

Die Auswertungen der Druckkurven zeigen<br />

ein eindeutiges bilineares Fließregime<br />

an (4.Wurzel-t-Gesetz). Dieses Fließverhalten<br />

ist charakteristisch für einen<br />

vertikalen Riss mit einer begrenzten Riss-<br />

Leitfähigkeit. Der vertikale Riss wurde<br />

während der vorangegangenen massiven<br />

Stimulationsexperimente erzeugt und<br />

konnte mit Hilfe von bildgebenden Bohrlochmessverfahren<br />

über eine Mächtigkeit<br />

von ca. 160 m im Reservoir nachgewiesen<br />

werden. Zum Ende der Injektionsphase<br />

beginnt das Fließverhalten in ein<br />

pseudo-radiales Fließen überzugehen<br />

(ln-t-Gesetz) und zeigt das Abströmverhalten<br />

jenseits der horizontalen Ausdehnung<br />

des Risses an. Gleiches gilt für die<br />

Einschlussphase des Experiments.<br />

Die Auswertungen der Druckkurven deuten<br />

auf einen vertikalen Riss mit einer<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Rissleitfähigkeit von 1 Dm hin. Die Risshalblänge liegt<br />

bei etwa 250 m, bei einer angenommenen effektiven Risshöhe<br />

von ca. 43 m. Die zugehörige Transmissibilität liegt<br />

bei 4 x 10 –14 m 3 und kennzeichnet die Durchlässigkeit der<br />

Konglomerate und der Vulkanite. Das eigentliche Fluidreservoir<br />

(Elbe-Hauptsandstein) ist bei diesem moderaten<br />

Differenz-Druck nicht angeschlossen, was sich auch in<br />

dem nach dem Test durchgeführten Temperatur-Log verifizieren<br />

ließ.<br />

Das statische Temperatur-Profil kennzeichnet die Temperaturstörungen,<br />

die durch die massiven Frac-Experimente<br />

hervorgerufen wurden. Das dynamische Temperaturprofil<br />

wurde während der Förderung mit<br />

2 l/s gemessen und charakterisiert die<br />

aktiven Zuflussbereiche bei moderaten<br />

Differenzdrücken.<br />

Nachhaltige Thermalwasserproduktion<br />

– Implikationen aus hydraulischem<br />

Modell<br />

Mit Hilfe gekoppelter thermisch-hydraulischer<br />

Modellierung auf Basis des geologischen<br />

Modells und unter Einbeziehung<br />

der in den verschiedenen Experimenten<br />

erzielten Gesteinsparameter wurden<br />

Szenarien potenzieller nachhaltiger<br />

Thermalwasserproduktion aus dem Reservoir<br />

untersucht. Die thermisch-hydraulischen<br />

Modellierungen haben zum Ziel,<br />

das Reservoir der Bohrung Groß Schönebeck<br />

3/90 zu charakterisieren und ei-<br />

Abb.7:Temperaturmessungen in der Bohrung<br />

nach Kaltwasserinjektionen in stimulierte<br />

Horizonte im Vergleich mit Temperaturmessungen<br />

vor der Stimulation<br />

(Henninges et al., <strong>2005</strong>). Links: Temperatur-Tiefen-Zeit-Verlauf.<br />

Mitte: Temperaturmessungen<br />

zu verschiedenen Zeiten,<br />

A: nach Aufwältigung Oktober 2001,<br />

B:vor der massiven Stimulation 4. November<br />

2003, C: 5. März <strong>2004</strong> nach der massiven<br />

Stimulation und D: 28. April <strong>2004</strong>.<br />

Hydraulisch aktive Zonen sind bezeichnet<br />

als Ia, Ib, II (siehe Text). Rechts: Lithologie<br />

und Gamma Ray.<br />

Temperature measurements in the borehole<br />

after cold-water injection into stimulated<br />

horizons compared to temperature<br />

measurements before stimulation<br />

(Henninges et al., <strong>2005</strong>). Left: temperature-depth<br />

profiles; Centre: Temperature<br />

measurements at different times; A: After<br />

re-opening (Oct. 2001); B: before massive<br />

stimulation (Nov. 4, 2003); C: March 5,<br />

<strong>2004</strong> after massive stimulation; D: April<br />

28, <strong>2004</strong>; Hydraulic active zones are<br />

denoted as Ia, Ib, II (see text); Right:<br />

Lithology and Gamma Ray.<br />

nen nach thermischen und hydraulischen Gesichtspunkten<br />

idealen Standort für die geplante Förderbohrung abzuschätzen.<br />

Basierend auf den Ergebnissen der hydraulischen<br />

Tests (Reinicke et al., <strong>2005</strong>; Zimmermann et al.,<br />

<strong>2005</strong>, Huenges et al., <strong>2004</strong>), der Stimulationsexperimente<br />

(Legarth et al., <strong>2005</strong>) und Kernuntersuchungen (Lotz,<br />

<strong>2004</strong>; Trautwein, <strong>2005</strong>) wurden gekoppelte thermischhydraulische<br />

Modellierungen mit Hilfe des Finite-Elemente-Programms<br />

FeFlow (Diersch, 2002) durchgeführt.<br />

Zielsetzung dieser Modellierungen war es, quantitative<br />

Aussagen über die Produktivität, die Nachhaltigkeit und<br />

das thermische Verhalten des Reservoirs unter den geplanten<br />

Produktions- und Injektionsbedingungen (Dubletten-<br />

Abb. 8: Aufbau des Injektionsexperiments im Winter <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> (Foto:<br />

A. Saadat, bearb. Geothermie-Gruppe <strong>GFZ</strong>)<br />

Installation of the injection experiment in winter <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

109


110<br />

Abb. 9: Thermisch-hydraulische Modellierung eines Thermalwasserkreislaufes<br />

mit einer Rate von 75 m 3 /h (mit paralleler Ausrichtung künstlich<br />

erzeugter Fracs, wie in den Kästchen im linken Diagramm skizziert). Druckentwicklung<br />

(links) in der Injektionsbohrung sowie Temperaturverteilung<br />

einer Dublette mit 250 m Abstand nach 20 Jahren Förderung und Injektion.<br />

Risstransmissibilität im Frac wurde mit 1 Dm und die Transmissibilität im<br />

Fernbereich mit 0,1 Dm angenommen.<br />

Thermal hydraulic model of the thermal water loop (75 m 3 /h) (frac orientation<br />

parallel and perpendicular). Pressure vs. time within injection well (left)<br />

and temperature distribution of a doublet with 250 m distance of injection<br />

point to production point. Assumption for transmissibility of the fracture<br />

1 DM ans transmissibility of environ rocks 0.1 Dm.<br />

betrieb) zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden verschiedene<br />

Szenarien simuliert, insbesondere der Abstand der<br />

beiden Bohrungen variiert, um den nach hydraulischen<br />

und thermischen Gesichtspunkten günstigsten Abstand<br />

der Bohrungen abzuschätzen (Abb. 9). Sind die beiden<br />

Bohrungen so angeordnet, dass die künstlich erzeugten<br />

Fracs in beiden Bohrungen parallel zueinander und senkrecht<br />

zur Verbindungslinie beider Bohrungen stehen, stellen<br />

sie ein ideales thermisch-hydraulisches System dar.<br />

Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass die Bohrungen<br />

hydraulisch miteinander kommunizieren, aber gleichzeitig<br />

thermisch entkoppelt sind, um einen thermischen Kurzschluss<br />

auszuschließen.<br />

In Abb. 9 ist die Temperaturverteilung einer Dublette nach<br />

20 Jahren Förderung und Injektion dargestellt. Die Injektionstemperatur<br />

in das Reservoir beträgt<br />

70 °C. Das Reservoir besitzt eine mittlere<br />

Temperatur von 150 °C. Der Abstand der<br />

künstlich erzeugten Risse in beiden Bohrungen<br />

beträgt 250 m. Dabei stehen die<br />

künstlich erzeugten Fracs in den beiden<br />

Bohrungen parallel zueinander. Eine<br />

serielle Anordnung führt zu einem vorzeitigen<br />

ungewollten Kurzschluss im Thermalwasserkreislauf.<br />

Die parallele Anordnung<br />

stellt ein ideales Anströmverhalten<br />

hinsichtlich der Ausbreitung der Temperaturfront<br />

dar. Für die Reservoireigenschaften<br />

wurde ein poröses Medium ohne natür-<br />

liche Risse und Klüfte vorausgesetzt. Dieses<br />

entspricht dem jetzigen Stand der<br />

Erkenntnis, dass durch die hydraulischen<br />

Experimente keine natürlichen Klüfte<br />

Ausblick<br />

angeschlossen wurden (Zimmermann et<br />

al., <strong>2005</strong>; Legarth et al., <strong>2005</strong>).<br />

Aus dem Temperaturprofil in Abb. 9 ist<br />

ersichtlich, dass die Temperaturstörung der<br />

Injektionsbohrung unter den gegebenen<br />

Modellannahmen erst nach 20 Jahren die<br />

Förderbohrung erreicht hat. Um einen thermischen<br />

Kurzschluss über die Betriebsdauer<br />

von 20 Jahren auszuschließen, wird<br />

man als konservative Abschätzung für den<br />

Abstand beider Risssysteme mindestens<br />

ca. 250 m wählen. In dieser Abschätzung<br />

sind die prognostizierten konduktiven<br />

Trennflächensysteme im Umfeld der Lokation<br />

Groß Schönebeck, die nach den Planungen<br />

mit der zweiten Bohrung angeschlossen<br />

werden sollen, noch nicht berücksichtigt.<br />

Diese stellen bevorzugte<br />

Fließwege dar und beschleunigen die Ausbreitung<br />

der Temperaturstörung. Gleichzeitig<br />

aber erhöhen sie die Produktivität des<br />

Reservoirs, sodass der Thermalwasserkreislauf<br />

bei niedrigeren Injektionsdrücken<br />

als modelliert, d. h. bei moderatem Einsatz<br />

von Hilfsenergie, realisiert werden kann.<br />

Die Stimulation ist nur ein erster Schritt. Jetzt muss<br />

bewiesen werden, dass das Risssystem auch längere Zeit<br />

offen bleibt und den Transport großer Wassermengen<br />

garantiert. Der nächste Schritt zu einer geothermischen<br />

Energieerzeugung ist die erfolgreiche Zirkulation des<br />

Wassers zwischen zwei räumlich getrennten Bohrungen,<br />

die im Bereich des Reservoirs etwa einen halben Kilometer<br />

auseinander liegen. Dazu wird im Frühjahr 2006<br />

in Groß Schönebeck ein zweites Bohrloch abgeteuft<br />

(Abb. 10). Ein mehrere Monate dauerndes Zirkulationsexperiment<br />

soll zeigen, ob sich das erzeugte Risssystem<br />

zum dauerhaften Transport und Wärmeaustausch des im<br />

Untergrund vorhandenen Wassers eignet. Nur langfristig<br />

gesicherte Produktionsraten erlauben die nachhalti-<br />

Abb. 10: November <strong>2005</strong>, Vorbereitung des Bohrplatzes für die zweite Bohrung<br />

(Foto: A. Saadat,<strong>GFZ</strong>)<br />

November <strong>2005</strong>, preparation of the drill site fore the second borehole<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


ge Nutzung eines Heißwasserreservoirs. Erst dann lohnt<br />

sich die Investition in die Stromerzeugung.<br />

In Groß Schönebeck soll die vorhandene Altbohrung als<br />

Injektionsbohrung verwendet werden. Die bisherigen<br />

Experimente zeigen, dass sie sich wegen ihrer Injektivitätswerte<br />

gut dazu eignet. Zudem sprechen geometrische<br />

Gründe dafür, die neu abzuteufende Bohrung zur Förderung<br />

zu nutzen. Sie kann so angelegt werden, dass sie nicht<br />

senkrecht durch den Speicherbereich stößt, sondern darin<br />

abgelenkt wird. Das sorgt für einen längeren Verlauf in<br />

dieser für die Produktion entscheidenden Schicht und<br />

damit für größere Zuflussflächen.<br />

Die vielfältigen Visualisierungsmöglichkeiten der 3D-<br />

Modelle (beliebige Profilschnitte, Abdecken beliebiger<br />

Horizonte, Hervorheben bestimmter Störungsblöcke und<br />

Störungen, Eingabe bestehender und geplanter Bohrungsverläufe)<br />

dienen als Entscheidungshilfe für die geologische<br />

und technische Planung der Richtbohrarbeiten<br />

für die Bohrung Groß Schönebeck 4/05 wie in Abb. 11<br />

wiedergegeben.<br />

Kann eine ausreichende Produktivität nachgewiesen werden,<br />

dann soll in Groß Schönebeck in Kooperation mit Partnern<br />

aus der Industrie eine Strom produzierende Forschungsanlage<br />

errichtet werden. Sie soll vor allem verfahrenstechnische<br />

Fragen klären, dabei steht die Wirtschaftlichkeit<br />

geothermischer Stromerzeugung im Vordergrund.<br />

Die langfristige Zukunft der Geothermie in Mitteleuropa<br />

kann durchaus optimistisch eingeschätzt werden. Die<br />

kürzlich in Neustadt-Glewe in Betrieb genommene geothermische<br />

Kraft-Wärmekopplungsanlage zeigt, dass<br />

Stromerzeugung aus Erdwärme unter hiesigen geologischen<br />

Bedingungen realisierbar ist.<br />

Die Entwicklung der Geothermie in Deutschland kann zu<br />

einem wichtigen Beitrag für den weltweiten Ausbau regenerativer<br />

Energien werden, denn der geologische Untergrund<br />

hier ist typisch für Mitteleuropa und damit repräsentativ<br />

für viele Gebiete. Funktioniert diese Technologie<br />

also in Deutschland erfolgreich, dann kann sie weltweit<br />

auf Gebiete ähnlicher geologischer Struktur übertragen<br />

werden.<br />

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Abb. 11: Räumliche Darstellung des Bohrverlaufs der<br />

bestehenden (hinten) und geplanten Bohrung (vorne) mit<br />

Markierung der geologischen Horizonte. Der vertikale<br />

Maßstab (mit Skala in m) ist gegenüber dem horizontalen<br />

Maßstab um den Faktor 0,2 verkleinert.<br />

3D view of the borehole profiles of the existing (behind)<br />

and the planned boreholes (in front) showing the geological<br />

horizons. The vertical scale (in m) is reduced by factor<br />

0.2 compared to the horizontal scale.<br />

Henninges, J., Schrötter, J., Erbas, K., and Huenges, E., <strong>2005</strong>. Temperature field<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

111


112<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Hochdruck-Mineralphysik mit Synchrotron-<br />

Strahlung – ein Zugang zu den Bedingungen<br />

des tiefen Erdinneren<br />

Hans J. Müller, Frank R. Schilling, Christian Lathe, Jörn Lauterjung<br />

A journey to the interior of the Earth: During the early 80's of the last century geoscientists worldwide discovered synchrotron<br />

radiation as a highly valuable tool for In-Situ investigations of geomaterials, i.e. experiments under simulated<br />

Earth's mantle conditions. MAX80, a single-stage multi-anvil DIA-system at HASYLAB, Hamburg and operated by<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam, was among the high-pressure pioneer apparatusses at a synchrotron beamline. Intensity and brilliance<br />

of synchrotron radiation makes transient X-ray difraction (XRD) possible. The maximum conditions are about 12 GPa /<br />

2000 K. To make Earth’s mantle transition zone conditions accessible, a more powerful double-stage multi-anvil,<br />

MAX200x, was installed at HASYLAB’s HARWI-I beamline. The the first experiments with synchrotron radiation were<br />

performed recently. This device bases on the experience gained with MAX80 and a similar apparatus at SPring-8, the<br />

Japanese third-generation synchrotron radiation facility. Both apparatusses are placed at disposal to the worldwide<br />

scientific user communities by <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

The interpretation of seismic data from the Earth's deep interior requires measurements of physical properties of Earth<br />

materials under experimental simulated mantle conditions. Elastic wave velocity measurements at samples under<br />

In-Situ conditions in high-pressure devices can be performed by ultrasonic interferometry. Whereas the classical sweep<br />

method is very time-consuming, the newly developed ultrasonic data transfer function technique (DTF) is as fast as<br />

XRD, just a few seconds to record the digitized response of the system.<br />

Ultrasonic interferometry requires the exact sample length measurement under In-Situ conditions, because the interference<br />

pattern do not only depend on wave velocity but also on sample length. X-ray imaging using the brilliant synchrotron<br />

radiation, called X-radiography, produces grey-scale images of the sample under In-Situ conditions by converting<br />

the X-ray image to an optical image by the fluorescence of a Ce-YAG-crystal at high P, T. Saving the optical<br />

image by a CCD-camera after redirection by a mirrow also requires only few seconds. To quantify X-radiograpy, the<br />

images are evaluated by image processing. Because X-radiography requires a much larger beam diameter than XRD,<br />

fixed primary slits of MAX80 were exchanged by a 4-blade high precision slit system.<br />

Some recent results on the non-quenchable high-P/low-P clinoenstatite transition, on the quartz-coesite transition,<br />

on the standard-free pressure measurement and on innovative pressure generation techniques are given to demonstrate<br />

the recent and future potentials of high-pressure mineral physics using synchrotron radiation at DESY, Hamburg.<br />

Zusammenfassung<br />

Eine Reise ins Erdinnere: In den frühen 1980er Jahren<br />

erkannten die Geowissenschaftler weltweit die gewaltige<br />

Bedeutung von Synchrotron-Strahlung für In-Situ-Messungen<br />

an Geomaterialien, d. h. für Experimente unter<br />

simulierten Erdmantel-Bedingungen. MAX80, eine vom<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam am HASYLAB Hamburg betriebene, in<br />

Japan konstruierte, einstufige Viel-Stempel-DIA-Apparatur,<br />

ist eine der weltweit ersten an einem Synchrotron<br />

installierten Hochdruck-Apparaturen. Intensität und Brillanz<br />

der Synchrotron-Strahlung ermöglicht auch transiente<br />

Röntgen-Beugung (XRD). Die Maximal-Drücke und<br />

-Temperaturen liegen bei 12 GPa und 2000 K. Um die<br />

Bedingungen an der Übergangszone zwischen oberem<br />

und unterem Mantel im Labor erreichen zu können, wurde<br />

eine leistungsfähige doppelstufige Viel-Stempel Apparatur,<br />

MAX200x, an der HARWI-II-Beamline des HASY-<br />

LAB installiert, aufbauend auf Erfahrungen mit MAX80<br />

und einer ähnlichen Apparatur an der SPring-8, der japanischen<br />

Synchrotron-Strahlungs-Quelle der dritten Generation.<br />

MAX200x absolvierte kürzlich erfolgreich ihre<br />

ersten Experimente mit Synchrotron-Strahlung und steht<br />

wie MAX80 der weltweiten wissenschaftlichen Nutzergemeinschaft<br />

zur Verfügung.<br />

Die Interpretation seismischer Daten aus dem tiefen Erdinneren<br />

erfordert Messungen der physikalischen Eigenschaften<br />

von dafür repräsentativen Materialien unter experimentell<br />

simulierten Bedingungen des Erdmantels. Messungen<br />

der Ausbreitungs-Geschwindigkeiten elastischer<br />

Wellen an Proben unter In-Situ-Bedingungen innerhalb<br />

von Hochdruck-Apparaturen ermöglicht die Ultraschall-<br />

Interferometrie. Im Gegensatz zur sehr zeitraubenden klassischen<br />

sweep-Methode ist die neu entwickelte Ultraschall-<br />

Daten-Transfer-Funktions-Methode (DTF) ebenso schnell<br />

wie die Röntgenbeugung. Einige Sekunden genügen, um<br />

das digitalisierte Meßergebnis abzuspeichern.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

113


114<br />

Die Ultraschall-Interferometrie erfordert eine genaue<br />

Messung der Probenlänge unter In-Situ-Bedingungen,<br />

weil das Interferenz-Muster nicht nur von der Wellengeschwindigkeit<br />

in der Probe, sondern auch von der<br />

Probenlänge abhängt. Ein die brillante Synchrotron-<br />

Strahlung nutzendes Röntgen-Bild-Verfahren, genannt<br />

X-Radiographie, erzeugt, ähnlich wie bei der medizinischen<br />

Röntgendiagnostik, schwarz/weiße Halbtonbilder<br />

der Probe unter In-Situ-Bedingungen durch Umwandlung<br />

eines Röntgenbildes in ein sichtbares optisches Bild mit<br />

Hilfe der Fluoreszenz eines Ce-YAG-Kristalls. Dieses Bild<br />

wird durch einen Spiegel aus der Richtung des Röntgenstrahls<br />

abgelenkt und von einer CCD-Kamera aufgenommen.<br />

Auch dieses Verfahren benötigt nur einige Sekunden.<br />

Um quantitative Informationen aus dem Röntgenbild zu<br />

erlangen, wird es mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung ausgewertet.<br />

Weil die X-Radiographie einen viel größeren<br />

Strahldurchmesser als die Röntgenbeugung erfordert,<br />

wurde die ursprünglich feste Primärblende der MAX80<br />

gegen eine 4-Blatt-Präzisions-Blende ausgetauscht.<br />

Eine Auswahl der neuesten Ergebnisse zum nicht quenchbaren<br />

Hoch-P/Niedrig-P-Klinoenstatit-Phasenübergang,<br />

zum Quarz-Coesit-Phasenübergang, zur standard-freien<br />

Druckmessung und zu innovativen Druck-Erzeugungs-<br />

Methoden werden vorgestellt, um das gegenwärtige und<br />

zukünftige Potential der Hochdruck-Geomaterial-Forschung<br />

mit Synchrotronstrahlung am DESY, Hamburg zu<br />

demonstrieren.<br />

Einleitung<br />

1864 beschrieb Jules Verne in seinem weltberühmten<br />

Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ phantasievoll<br />

eine Reise ins Innere unseres Heimatplaneten. Sie<br />

beginnt mit einem Einstieg in den Krater des isländischen<br />

Vulkans Snaefellsjökull. Nachdem die Reisenden unterirdische<br />

Flüsse und Meere befahren hatten, gelangten sie<br />

unfreiwillig durch eine Sprengung in den Schlot des gerade<br />

ausbrechenden Vulkans auf der Insel Stromboli. So<br />

kehrten sie, weit vom Einstiegsort auf Island entfernt, zur<br />

Oberfläche zurück. Kürzlich war in den Medien eine mehr<br />

technologische Variante einer solchen Reise zu sehen.<br />

Wahrscheinlich vom Bathyscaph Trieste inspiriert, der<br />

1960 mit einer zweiköpfigen Besatzung im Marianengraben<br />

die Rekordtiefe von 10.740 m erreicht hatte, sollte<br />

eine massive Kapsel die Insassen vor Druck und Temperatur<br />

im Erdinneren schützen. Um das Eindringen zu<br />

ermöglichen, sollte das Material um die Kapsel mit Hilfe<br />

starker Laser geschmolzen werden. Beide Varianten sind<br />

anregend, technisch und wissenschaftlich so jedoch nicht<br />

möglich. Dennoch enthalten beide einen Kern von Wahrheit.<br />

Wie wir heute ziemlich sicher wissen, ist Wasser im<br />

Erdmantel in weit größerer Menge als in den Weltmeeren<br />

vorhanden. Aus der seismischen Tomographie und der<br />

Geochemie wissen wir von Transportvorgängen riesigen<br />

Ausmaßes mittels Subduktion zu großen Tiefen bis an die<br />

Kern-Mantel-Grenze, also bis zu 3000 km Tiefe, und entsprechendem<br />

Rücktransport zur Oberfläche, z. B. in Plumes.<br />

Der Mantel ist in seinem Aufbau und in seiner Mineralogie<br />

also keineswegs einfach und homogen, wie lange<br />

angenommen worden war. Es gibt erhebliche stoffliche,<br />

strukturelle und energetische Wechselwirkungen mit der<br />

Kruste und an der Kern-Mantel-Grenze. Die Plattentektonik<br />

ist das Ergebnis dynamischer Prozesse im Erdinneren.<br />

Ohne Verständnis der Dynamik des Mantels, d. h. der<br />

treibenden Kräfte hinter der beobachteten Kinematik,<br />

bleibt Krusten-Forschung zu Teilen nur empirisch und<br />

deskriptiv. Auch in naher Zukunft verfügbaren Tiefendaten<br />

planetarer Nachbarn sind eine weitere Chance und<br />

Herausforderung für die geowissenschaftliche Materialforschung<br />

bei extremen Drücken und Temperaturen. Die<br />

Erforschung des „Systems Erde“ ist undenkbar ohne die<br />

wissenschaftliche Erkundung des Erd-Mantels in seiner<br />

vollen Ausdehnung bis hin zur Kern-Mantel-Grenze.<br />

Welchen Zugang haben wir nun wirklich zum Erdinneren?<br />

Der direkte Zugang mittels Tiefbohrungen endet in<br />

ca. 15 km Tiefe. Diese Grenze ergibt sich in erster Linie<br />

aus der Temperaturzunahme. Die Spülungszirkulation, die<br />

nicht nur die Kühlung sondern auch insbesondere den<br />

Antrieb der Downhole-Motoren bewirkt, stößt an technologische<br />

Grenzen. Wegen zunehmender Torsion des Bohrstranges<br />

ist der Antrieb der Bohrwerkzeuge von der Oberfläche<br />

her nur für geringere Teufen einsetzbar. Die Natur<br />

hilft uns um den Preis einer gewissen Mehrdeutigkeit noch<br />

ein Stück weiter. Natürliche Exhumierung vordem subduzierter<br />

Gesteine ist bis etwa 30 bis 40 km Tiefe nachgewiesen<br />

worden. Neuerdings fand man mikrodiamanthaltige<br />

Gesteine aus wahrscheinlich sogar etwa 200 km<br />

Tiefe. In den zur Gewinnung von Natur-Diamanten abgebauten<br />

Kimberlit-Pipes wurden die Diamanten vermutlich<br />

in wenigen Stunden aus 150 bis 300 km Tiefe mittels Eruption<br />

an die Oberfläche gebracht. Nach Stand des Wissens<br />

gibt es keine kristallinen Proben aus größerer Tiefe. All<br />

unser „tieferreichendes“ Wissen gründet sich weitgehend<br />

auf indirekte Beobachtungen, v.a. seismische Daten, d. h.<br />

Messungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit, Beugung<br />

und Reflexion von elastischen Wellen, die, ausgelöst von<br />

Erdbeben weltweit, den gesamten Erdkörper durchwandern.<br />

Das Ergebnis ist aber konkret nur die Verteilung der<br />

elastischen Eigenschaften in der Erde. Eine direkte strukturell-stoffliche<br />

Aussage ist nicht möglich. Dazu kann man<br />

nur durch die Kombination von experimenteller Simulation<br />

der Bedingungen in großer Tiefe und interdisziplinäre<br />

irdischer und planetarer Beobachtungen kommen. Deshalb<br />

ist es von erstrangiger Bedeutung, unter den experimentell<br />

simulierten In-Situ-Bedingungen (In-Situ bedeutet<br />

am Ursprungsort, d. h. Untersuchungen bei Bedingungen,<br />

die denen der Natur entsprechen) gleichzeitig die<br />

elastischen Eigenschaften und die Strukturdaten zu messen,<br />

um über den Vergleich mit den seismischen Daten aus<br />

großer Tiefe zu einer stofflich-strukturellen Aussage zu<br />

kommen.<br />

Anders als bei der klassischen Quench-Methode, d. h. der<br />

strukturellen Untersuchung von Hochdruck-Proben nach<br />

dem Versuch, außerhalb ihres eigentlichen Stabilitätsbereiches<br />

unter Nutzung der Metastabilität, arbeitet die<br />

moderne Mineralphysik in Echtzeit und unter In-Situ-<br />

Bedingungen. Ultraschall-Interferometrie erlaubt die Messung<br />

der elastischen Eigenschaften von kleinen Proben<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


innerhalb von Druckkammern mit hoher Genauigkeit.<br />

Synchrotronstrahlung – eine extrem intensive Röntgenstrahlung,<br />

die bei der Radial-Beschleunigung von Elektronen<br />

und Positronen in Speicherringen entsteht – gestattet<br />

in Echtzeit die simultane strukturelle Untersuchung der<br />

gleichen Proben. Durch die Kombination dieser drei verschiedenen<br />

Methoden – Seismologie, Ultraschall-Interferometrie,<br />

Röntgen-Phasenanalyse – ist ein leistungsfähiger<br />

virtueller Zugang zum Erdinneren gegeben. Sowohl<br />

transiente Messungen, also die messtechnische Protokollierung<br />

eines Phasenüberganges in Echtzeit, als auch<br />

insbesondere die Untersuchung nicht<br />

quenchbarer Phasen sind nur mit In-Situ-<br />

Verfahren möglich. Auch wenn es heute<br />

noch nicht absehbar ist, wie stark die<br />

experimentellen Möglichkeiten unser<br />

Bild vom Erdinneren und dem der planetaren<br />

Körper verändern werden, wissen<br />

wir doch, dass In-Situ-Experimente bei<br />

hohen Drücken und Temperaturen neue<br />

Einsichten in die Prozesse im Inneren der<br />

Erde und der Planeten liefern und wesentliche<br />

Erkenntnisse zur Lösung heute noch<br />

kontrovers diskutierter Vorgänge im<br />

Erdinneren beitragen werden.<br />

Druckerzeugung und Druckvervielfachung<br />

Eine Probe wird so lange komprimiert,<br />

bis Verdichtungsdruck und Gegendruck<br />

der Probe wieder im Gleichgewicht sind.<br />

Geschieht das in allen Punkten und Richtungen<br />

des Raumes gleichmäßig, ist ein<br />

hydrostatischer Druck gegeben. Plausiblerweise<br />

muss das verdichtende Werkzeug<br />

härter als die Probe sein. Da sich das<br />

Werkzeug zur Verdichtung bewegen<br />

muss, kann es nicht allseitig unterstützt<br />

sein. Somit werden Druck- und Zugspannungen<br />

im Werkzeug erzeugt, die bei<br />

Überschreiten der Maximalwerte zum<br />

Bruch führen. Um diese Grenze möglichst<br />

weit hinauszuschieben, kommt es bei der<br />

Konstruktion von Hochdruck-Zellen neben<br />

der Benutzung hochfester Materialien<br />

insbesondere auf eine konstruktive Begrenzung<br />

dieser Spannungen an.<br />

Abb. 1 zeigt die wahrscheinliche Druck<br />

und Temperaturverteilung im Erdinneren<br />

und die jeweiligen Grenzwerte der verschiedenen<br />

heute üblichen Druck-Kammern.<br />

Von den für die experimentelle<br />

Simulation von Mantelbedingungen in<br />

Frage kommenden fünf Systemen scheiden<br />

Belt- und Piston-Zylinder wegen<br />

ihres konstruktiv schwierigen bis unmöglichen<br />

Zuganges für den Synchrotron-<br />

Strahl weitgehend aus. Es verbleiben<br />

somit drei Möglichkeiten: Toroid-Zelle<br />

(Paris-Edinburgh-Zelle), Vielstempel-Apparatur (Multi-<br />

Anvil) und Diamant-Stempelkammer (DAC). Abb. 2 vergleicht<br />

die Grundprinzipien dieser drei Druckerzeugungs-<br />

Methoden (Mueller et al., 2002a). Trotz aller Verschiedenheit<br />

haben Toroid-Zelle und DAC eines gemeinsam –<br />

in erster Näherung sind beide ein-axiale Druck-Kammern.<br />

Hydrostatischer Druck wird nur durch das Fließverhalten<br />

der Dichtungsmaterialien ermöglicht.<br />

Bei der Toroid-Zelle wird der eigentlich ungehinderte seitliche<br />

Ausfluss des Einbaus durch die spezielle Matrizen-<br />

Abb. 1: Das tiefe Erdinnere (a) und die Hochdruck-Systeme zur experimentellen<br />

Simulation der In-Situ-Bedingungen (b) (geändert nach Schilling,<br />

<strong>2005</strong>; Kellogg et al., 1999; Luth, 1993, Mueller et al., 2002)<br />

The Earth’s deep interior (a) and the high-pressure systems for experimental<br />

simulation of In-Situ conditions (b) (modified from Schilling, <strong>2005</strong>; Kellogg<br />

et al., 1999; Luth, 1993, Mueller et al., 2002a)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

115


116<br />

Abb. 2: Druckerzeugungs-Technik in a) Toroid-Kammer<br />

(Paris-Edinburgh-Cell), b) Diamant-Stempel-Kammer<br />

(DAC) und c) Multi-Anvil-Apparatur; rosa – Dichtung, rot<br />

– Probe (geändert nach Mao & Hemley, 1998; Sherman<br />

& Stadtmuller, 1987, Mueller et al., 2002a, 2002b)<br />

Pressure generation techniques in a) toroid- (Paris-Edinburgh-cell)<br />

apparatus, b) diamond anvil cell (DAC), and<br />

c) multi-anvil apparatus; pink - gasket, red - sample (modified<br />

from Mao & Hemley, 1998; Sherman & Stadtmuller,<br />

1987, Mueller et al., 2002a, 2002b)<br />

form und die innere Reibung des mineralischen Druckübertragungsmittels<br />

verhindert. Der größte Vorzug ist der<br />

lateral völlig ungehinderte Zugang für den Synchrotron-<br />

Strahl. Für die hier nicht weiter behandelte Neutronen-<br />

Beugung ist zusätzlich der freie Winkelbereich von 360°<br />

für die Detektoren entscheidend. Dem steht die Hauptbegrenzung<br />

gegenüber, dass eine wesentliche Überschreitung<br />

des nach langer Entwicklung heute erreichten Maximaldrucks<br />

von 12 GPa kaum denkbar erscheint. Im<br />

Gegensatz dazu steht der extreme Druck von bis zu<br />

300 GPa in Verbindung mit der weitgehenden Transparenz<br />

(nahes UV, sichtbares Licht, größter Teil des IR, Röntgen-<br />

Bereich) der Diamant-Stempel-Zellen, d. h. die Probe<br />

kann neben verschiedenen spektroskopischen Messungen<br />

sogar lichtmikroskopisch beobachtet werden, der Hauptvorteil<br />

der DAC. Wegen der geringen Größe des Druckraumes<br />

genügt zur lateralen Unterstützung ein einfacher<br />

Metallring oder neuerdings wegen des lateralen Synchrotron-Strahlungs-Zugangs<br />

auch einer aus einem Kompositwerkstoff.<br />

Die größten Nachteile ergeben sich gleichfalls<br />

aus dem geringen Probenvolumen von 10 –11 bis 10 –14<br />

m 3 und dementsprechend hohen Temperatur- und sekundären<br />

Spannungsgradienten. Die Probe wird mittels Laser<br />

punktuell erhitzt. Die dicht benachbarten Diamanten müssen<br />

kühl gehalten werden. Dementsprechend sind polykristalline<br />

Proben und Prozessuntersuchungen an Mehrkomponenten-Systemen<br />

weitgehend ausgeschlossen. Eine<br />

einfache geometrische Vergrößerung ist nicht möglich<br />

ohne das Grundprinzip aufzugeben.<br />

Im Gegensatz dazu basieren Vielstempel-Apparaturen<br />

(Yagi, 1988; Yagi et al., 1987a, b) prinzipiell auf der weitgehend<br />

allseitigen Unterstützung der Stempel. Sie sind<br />

vom Prinzip her also drei-axial. Somit gibt es keine grundsätzliche<br />

Begrenzung für Druck, Temperatur und Probenvolumen.<br />

Das heute übliche Probenvolumen liegt bei 10 –7<br />

bis 10 –8 m 3 . Es ist also tausendfach bis 10-millionenfach<br />

größer als bei der DAC. Die Hauptnachteile gegenüber der<br />

DAC sind heute noch der weit geringere Maximaldruck<br />

und der fehlende spektroskopische und optische Zugang<br />

Abb. 3: Kawai-Walker-Module in geöffnetem Zustand,<br />

a) <strong>GFZ</strong>, b) APS, Argonne (Fotos: M. Koch-Müller, <strong>GFZ</strong>;<br />

H.J. Mueller, <strong>GFZ</strong>)<br />

Kawai-Walker-modules in opened state, a) <strong>GFZ</strong>, b) APS,<br />

Argonne<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


zur Probe durch intransparente Stempel<br />

und Dichtungen. Einstufige Multi-Anvils<br />

erreichen mit Hartmetall-Stempeln etwa<br />

8 GPa, mit solchen aus kubischem Bornitrid<br />

10 bis 12 GPa. Zweistufige Systeme<br />

mit Kawai-Walker-Modul (Abb. 3)<br />

(jeweils 4 der 8 Zweit-Stufen-Stempel<br />

haben einen gemeinsamen Sitz um eine<br />

Spitze herum) kommen bis etwa 35 GPa.<br />

Wird ein DIA-System (6 Stempel werden<br />

gleichmäßig und rechtwinklig zueinander<br />

auf das Probenzentrum hin voran<br />

geschoben) mit einer dritten Stufe aus<br />

gesintertem Diamant ausgerüstet, sind<br />

etwa 60 GPa und mehr erreichbar. DIA-<br />

Systeme erreichen höhere Maximaldrücke<br />

wegen der gleichmäßigeren Stempelbelastung.<br />

Bei Benutzung einer Deformations-DIA<br />

(D-DIA), bei dem zusätzlich<br />

zur gleichmäßigen Kompression der<br />

DIA in einer Achse geregelt eine zusätzliche<br />

Kraft aufgebracht werden kann,<br />

wurden kürzlich schon in einem nur zweistufigen<br />

System fast 100 GPa erreicht.<br />

Das Grundprinzip der Mehrstufigkeit beruht auf dem<br />

Abbau der Lateralspannung an jeder Stufengrenze und der<br />

Erhöhung der praktischen Druckfestigkeit durch laterale<br />

Stützung. Weiterhin können die Materialien für die jeweilige<br />

Belastung optimiert werden, d. h. außen zäh und geringer<br />

druckfest, innen superhart und spröde. Vereinfacht<br />

ausgedrückt, je geringer die Druckeffizienz des Systems<br />

ist, d. h. je geringer der Innendruck bei gegebener verdichtender<br />

Kraft ist, desto besser werden die Stempel<br />

unterstützt und desto höher wird der ohne Bruch erreichbare<br />

Grenzdruck. Natürlich nimmt dabei der Gesamt-<br />

Kraftbedarf zu. Die Anlage wird also stärker, größer und<br />

schwerer.<br />

Abb. 4: Die Maschinentische von MAX200x werden von Fa. Max Voggenreiter<br />

in der Grube der HARWI-II Halle am DESY/HASYLAB montiert (Foto:<br />

H.J. Mueller, <strong>GFZ</strong>)<br />

The machine tables of MAX200x during assemblage in the pit of the HARWI-<br />

II hall at DESY / HASYLAB by Max Voggenreiter Co.<br />

Das Department 4 „Chemie der Erde“ des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

betreibt am Speicherring DORIS des DESY-HASYLAB,<br />

ebenfalls eine Einrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft,<br />

zwei DIA-Systeme: MAX80, ein System mit einer Stempel-Kantenlänge<br />

von 6 bis 3,5 mm in der ersten Stufe und<br />

einer 2.500 kN Presse, betrieben an einem Ablenkmagneten<br />

des DORIS-Speicherringes, und die neue MAX200x,<br />

ein System mit zur Zeit 70 mm Kantenlänge in der ersten<br />

Stufe und einer 17.500 kN Presse, betrieben am Wiggler<br />

HARWI-II, der zur Zeit im Weltmaßstab stärksten an<br />

einem Synchrotron installierten Presse. Die Aufstellung<br />

am Synchrotron potenziert die wissenschaftlichen Möglichkeiten<br />

für eine Druckerzeugungsanlage, ist jedoch<br />

Abb. 5: MAX80 und MAX200x vor Montage der Strahlenschutz-Umhausung (Fotos: E. Gantz, H.J. Mueller, <strong>GFZ</strong>)<br />

MAX80 and MAX200x still without hutch<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

117


118<br />

Abb. 6: Zweistufiger DIA-Messaufbau zur MAX200x,<br />

a) vor und b) nach dem Hochdruck-Versuch, c) deformierte<br />

Oktaeder und Dichtungen (Fotos: H.J. Mueller, <strong>GFZ</strong>)<br />

Double-stage DIA set-up of MAX200x, a) prior and b)<br />

after the high-pressure run, c) deformed octahedron and<br />

gaskets<br />

technisch weit anspruchsvoller als eine klassische Aufstellung<br />

für Quench-Experimente. Neben den Problemen<br />

des Strahlenschutzes für Bediener und Umwelt muss die<br />

gesamte Anlage nämlich zur Ausrichtung des Synchrotron-Strahles<br />

auf verschiedene Teile der Probe mit einer<br />

Genauigkeit von ≤ 10 µm reproduzierbar im Raum manipuliert<br />

werden können. Das hohe Gewicht – bei MAX200x<br />

sind das immerhin ca. 30 t – macht die Aufgabe schwierig.<br />

Die Anlage steht auf 3 Maschinentischen. Der untere<br />

Rotations-Tisch bewegt die Anlage um ± 15° mit einer<br />

Genauigkeit von 0,01° bei einer Geschwindigkeit von<br />

5°/min . Darauf sitzt der Hubtisch für eine Bewegung von<br />

± 125 mm bei einer Geschwindigkeit von 20 mm/min. Als<br />

letztes unmittelbar unter der Presse kommt der Horizontaltisch<br />

für eine Lateralbewegung von ± 50 mm bei einer<br />

Geschwindigkeit von ebenfalls 20 mm/min. Wegen der<br />

vom Speicherring vorgegebenen Strahlhöhe musste diese<br />

Einrichtung unterflur in einer Grube angeordnet erden<br />

(vgl. Abb. 4).<br />

MAX80, eine der ersten Multi-Anvils an einem Synchrotron,<br />

wird seit mehr als einem Jahrzehnt neben der<br />

Eigennutzung der weltweiten Nutzergemeinde zur Verfügung<br />

gestellt. Die brandneue MAX200x wird im Laufe<br />

des Jahres 2006 diesem erfolgreichen Beispiel folgen,<br />

ebenfalls der wissenschaftlichen Community zur Verfügung<br />

stehen und die wissenschaftliche Ausbeute vervielfachen.<br />

Abb. 5 zeigt beide Anlagen der Anschaulichkeit<br />

halber während der Installation, also noch ohne Strahlenschutz-Umhausung.<br />

Abbildung 6 demonstriert die<br />

verschiedenen Stadien eines zwei-stufigen Versuchs an<br />

der MAX200x.<br />

Röntgenbeugung (XRD)<br />

Der Name MAX für die beiden Multi-Anvils des <strong>GFZ</strong><br />

Potsdsam leitet sich von „Multi Anvil X-ray diffraction“<br />

ab. Wie einleitend bemerkt ist die Röntgenbeugung unter<br />

In-Situ-Bedingungen das primäre Ziel. Nur so kommt man<br />

für strukturelle Untersuchungen von den Einschränkungen<br />

der Quench-Methode frei. Da die üblicherweise verwendeten<br />

Hartmetall-Stempel (Wolframkarbid in Kobalt<br />

gebunden) für Röntgenstrahlen hochabsorbierend sind,<br />

wird der durch die Primärblende auf etwa 0,1 mal 0,1 mm<br />

ausgeschnittene weiße (großer Wellenlängen-Bereich,<br />

analog zu weißem, sichtbarem Licht) Synchrotron-Strahl<br />

durch die von den Gaskets (vgl. Abb. 2) offengehaltenen<br />

Spalte zwischen den Stempeln zur Probe geleitet. Der<br />

ungebeugte Strahl verlässt die Anlage auf der gegenüberliegenden<br />

Seite in gleicher Weise und wird im so genannten<br />

Beam Stop absorbiert. Der Fächer des gebeugten<br />

Strahls verlässt die Anlage ebenfalls durch einen Spalt<br />

zwischen den Stempeln. Zwei in großem Abstand voneinander<br />

angebrachte Detektorblenden werden so justiert,<br />

dass nur die im Probenzentrum gebeugten Strahlen auf<br />

den Germanium-Festkörper-Detektor fallen. Das so gewonnene<br />

Beugungs-Spektrum wird über einen PC ausgelesen.<br />

Wegen der hohen Intensität der Synchrotron-Strahlung<br />

genügen Expositionszeiten von weniger als eine<br />

Minute, mit eingeschränkter Genauigkeit schon einige<br />

Sekunden, um Veränderungen in der Kristall-Struktur zu<br />

detektieren. Transiente Messungen sind also möglich.<br />

Neben der hier beschriebenen energiedispersiven Röntgenbeugung<br />

können auch winkeldispersive Röntgenbeugungs-Experimente<br />

durchgeführt werden. Dazu wird ein<br />

Doppel-Kristall-Monochromator mit Si(311)-Einkristallen<br />

benutzt. Ein CCD-Detektor von 133 mm Durchmesser<br />

fängt die vier Beugungs-Fächer auf, die von den vier<br />

Schlitzen zwischen den Stempeln aus den Beugungs-Ringen<br />

ausgeschnitten werden. Da als Ergebnis der Monochromatisierung<br />

(nur ein ganz schmaler Frequenzbereich<br />

wird benutzt) der größte Teil des weißen Spektrums zurückgehalten<br />

wird, steigt die Expositionszeit am Ablenk-<br />

Magneten in den Stundenbereich. Das Verfahren wird für<br />

die Linien-Verfeinerung bei Präzisions-Untersuchungen<br />

eingesetzt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Druckmessung<br />

Mineralphysikalische Hochdruck-Daten wären ohne Angabe<br />

des Druckes, bei dem gemessen wurde, weitgehend<br />

wertlos. Wegen der o. g. lateralen Stempel-Unterstützung<br />

hilft eine Messung der Kraft und anschließende Berechnung<br />

– Kraft pro Fläche – nicht weiter. Der klassische Weg<br />

für Multi-Anvil-Systeme ist die Kalibrierung mit Hilfe der<br />

Änderung des elektrischen Widerstandes bei verschiedenen<br />

Phasenübergängen (Abbildung 7) bis 33 GPa.<br />

Generell besteht das Problem, dass nur punktuell und nicht<br />

parallel während des eigentlichen Versuchs gemessen wird,<br />

weil die Drücke bei gegebener Kraft zwischen einzelnen<br />

Versuchen erheblich schwanken können, nämlich bis zu<br />

10 %. Am Synchrotron steht die wesentlich leistungsfähigere<br />

Methode der Messung der Kompression der Elementarzelle<br />

von Eichsubstanzen mittels XRD zur Verfügung.<br />

Damit ist eine kontinuierliche Druckmessung während<br />

jedes Druckversuches möglich, weil dazu lediglich eine<br />

kleine Menge des Druckstandards mit in den Messaufbau<br />

eingefügt und der Synchrotron-Strahl darauf fokussiert<br />

werden muss. Wegen seiner geringen Röntgendichte, leichten<br />

Verformbarkeit und einfachen Verfügbarkeit wird meist<br />

NaCl benutzt. Insbesondere bei höheren Temperaturen wird<br />

Au, Pt und MgO bevorzugt. Das Verfahren setzt die genaue<br />

Kenntnis der Zustandsgleichung des benutzten Druck-Standards<br />

voraus (Decker, 1971). Die Abbildungen 8 und 9 zeigen<br />

die Ergebnisse von auf diese Art ausgeführten Druckmessungen.<br />

Bei MAX200x (Abb. 8) wurde ein Standard-<br />

Zwei-Stufen-Einbau 10/5 (10 mm Oktaeder-Einbau-Länge<br />

und 5 mm Stempel-Stirnflächen-Länge) mit 8 Hartmetallwürfeln<br />

von 32 mm Kantenlänge benutzt. Die Probe war<br />

nicht vorverdichtet. Abbildung 9 gestattet einen Vergleich<br />

des mit der MAX80 erreichten Drucks bei einem Standard-<br />

Einstufen-Versuch mit 6 mm Stempeln mit den Daten eines<br />

Zwei-Stufen-Versuchs bei gleicher Kantenlänge der Primärstempel.<br />

Dazu wurde entsprechend Utsumi et al. (1986)<br />

und Wang & Utsumi (<strong>2005</strong>) eine zweite Stufe mit kegel-<br />

Abb. 7: Druck-Kalibrierung mit Hilfe elektrischer Widerstands-Messung<br />

bei Phasenübergängen (geändert nach<br />

Barlog, <strong>2005</strong>)<br />

Pressure calibration using electrical resistance measurement<br />

at phase transitions (modified from Barlog, <strong>2005</strong>)<br />

Abb. 8: Druck-Kalibrierung mit Hilfe von XRD und NaCl-<br />

Zustandsgleichung nach Decker (1971) – MAX200x mit<br />

zwei-stufigem 10/5-Messaufbau in einfachem Bor-Epoxid-<br />

Oktaeder (Mueller et al., 2006)<br />

Pressure calibration using XRD and EoS for NaCl by<br />

Decker (1971) – MAX200x with double-stage 10/5-set-up<br />

in a simple boron epoxy octahedron (Mueller et al., 2006)<br />

Abb. 9: Druck-Verdoppelung durch Sub-Stempel-Konfiguration<br />

(Versuch 125) – Druck-Kalibrierung mit Hilfe<br />

von XRD und NaCl-Zustandsgleichung nach Decker<br />

(1971) – MAX80 (Mueller et al., 2006)<br />

Pressure-doubling by sub-anvil configuration (run 125)<br />

– pressure calibration using XRD and EoS for NaCl by<br />

Decker (1971) – MAX80 (Mueller et al., 2006)<br />

förmigen Stempeln in den würfelförmigen Messaufbau eingefügt.<br />

Im Gegensatz zur Literaturangabe wurde statt der<br />

dort benutzten Stempel aus gesintertem polykristallinen<br />

Diamant nur einfache feinkörnige Hartmetall-Stempel<br />

benutzt. Die Probe war ebenfalls nicht vorverdichtet. Dennoch<br />

erbrachte schon dieser erste, noch nicht optimierte Versuchsaufbau<br />

bereits eine Verdoppelung des erreichten<br />

Maximaldrucks (Mueller et al., 2006). Das verdeutlicht hinlänglich,<br />

welches Potential in der Mehrstufigkeit von Multi-<br />

Anvil-Apparaturen steckt.<br />

Temperatur-Erzeugung und Messung<br />

Die experimentelle Simulation von In-Situ-Bedingungen<br />

des tiefen Erdinneren erfordert neben hohen Drücken auch<br />

hohe Temperaturen. In Multi-Anvil-Anlagen erreicht man<br />

das durch elektrische Widerstandsheizung. Ein rohrför-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

119


120<br />

miger Heizer umgibt dazu die Probe. Wegen geringer<br />

Röntgen-Absorption, geringen elektrischen Widerstandes,<br />

guter Verformbarkeit sowie guter Bearbeitbarkeit ist<br />

Graphit das meistverbreitete Material. Da sich bei höheren<br />

Drücken und Temperaturen Graphit aber in Diamant<br />

umwandelt, werden dann LaCrO 3,verschiedene Karbide<br />

oder Rhenium-Blech verwendet. Für reine XRD-Messungen<br />

genügt die Phasen-Anschnitt-Steuerung der Leistungsquelle.<br />

Für Ultraschall-Interferometrie ist diese Technik<br />

nicht geeignet, weil das Ausschneiden von Teilen des<br />

sinusförmigen Heizstromes breitbandige Störfelder verursacht.<br />

In diesem Sinne ist Gleichstrom-Heizung optimal,<br />

erfordert aber aufwendige Abschirmung und Isolation<br />

des Thermoelementes, um Verfälschungen der Thermospannung<br />

auszuschließen. Die modernste und leistungsfähigste<br />

Methode ist die variable Hochfrequenz-Heizung.<br />

Man benutzt dazu eine Frequenz außerhalb des für<br />

die Messung kritischen Bereiches, z. B. einige Kiloherz.<br />

Diese wird in einem Schwingkreis erzeugt, anschließend<br />

geregelt verstärkt und dann mit einem Transformator dem<br />

Verbraucher elektrisch angepasst. MAX80 ist mit Phasen-<br />

Anschnitt-Steuerung und Gleichstrom-Heizung, MAX200x<br />

mit Gleichstrom- und Hochfrequenz-Heizung ausgestattet.<br />

Die Temperatur-Messung ist nicht besonders synchrotronspezifisch.<br />

Sie erfolgt mit Hilfe des Seebeck-Effektes, d. h.<br />

mittels Thermoelementen, die durch die Gaskets nach<br />

außen geführt werden. Der thermoelektrische Effekt ist<br />

aber druckabhängig (z. B. Li et al., 2002), was bisher meist<br />

vernachlässigt wird. Eine völlig neue Möglichkeit zur<br />

Temperaturmessung (Getting, <strong>2005</strong>) ergibt sich auf der<br />

Basis des Johnson-Rauschens, d. h. ein Widerstand erzeugt<br />

ein Spannungs-Rauschen, dessen Leistung der thermodynamischen<br />

Temperatur proportional ist. Damit zeichnet<br />

sich eine absolute Temperatur-Messung<br />

unter Hochdruckbedingungen ab. Da die<br />

Messung letztlich auf der Wärmeschwingung<br />

der Atome selbst beruht, werden alle<br />

sekundären Beeinflussungen ausgeschlossen.<br />

Daraus ergibt sich eine deutlich größere<br />

Genauigkeit. Die ersten Geräte befinden<br />

sich in Erprobung.<br />

Am Synchrotron ergibt sich für jede Temperatur-Messmethode<br />

der Vorteil, dass mit<br />

Abb. 10: Schematische Darstellung des<br />

Ultraschall-Laufweges bei MAX80 und<br />

die resultierenden Oszillogramme – einfallende<br />

Ultraschall-Welle und reflektierte<br />

Wellen an jeder Trennfläche (Vertikalverschiebung<br />

und 45°-Winkel der<br />

Reflektionen sind unreal und dienen<br />

nur der Demonstration (Mueller et al.,<br />

2002b)<br />

Schematic sketch of ultrasonic travel path<br />

at MAX80 and the resulting oscillogram<br />

– incident ultrasonic wave and reflected<br />

waves at each interface (offset and 45°<br />

angle of the reflections are only for<br />

demonstration) (Mueller et al., 2002b)<br />

Hilfe der Röntgen-Radiographie (siehe unten) unter In-<br />

Situ-Bedingungen die genaue Position der Messstelle auch<br />

bei erheblicher Probenverformung stets kontrolliert werden<br />

kann.<br />

Messung seismischer Geschwindigkeiten in Hochdruck-Apparaturen<br />

mittels Ultraschall-Interferometrie<br />

Die in der Petrophysik für verschiedene Druck-Kammer-<br />

Typen sehr erfolgreichen Laufzeit-Methoden zur Bestimmung<br />

der seismischen Geschwindigkeiten (Kern, 1982;<br />

Mueller, 1995; Mueller & Raab, 1997; Mueller & Massonne,<br />

2001; Ramelow, <strong>2005</strong>) sind für die Hochdruck-<br />

Mineralphysik meist ungeeignet, weil das Verhältnis von<br />

Probenlänge zur Länge der Vorlaufstrecke durch die massive<br />

Druckerzeugungs-Technik zu ungünstig ist. Die so<br />

erreichbare Genauigkeit wäre ungenügend. Die für Gasdruck-Kammern<br />

übliche Unterbringung der Ultraschall-<br />

Schwinger im Druckraum scheidet wegen deren geringer<br />

Festigkeit und des druckbedingten massiven Absinkens<br />

des Konversionsfaktors der Ultraschall-Wandler aus. Sie<br />

werden daher in druckfreien Hohlräumen hinter den Stempeln<br />

untergebracht. Im Gegensatz zur erstgenannten Methode<br />

wertet die Ultraschall-Interferometrie die Überlagerung<br />

von reflektierten elastischen Wellen aus. Eine<br />

Reflexion tritt an einer Grenzfläche immer dann ein, wenn<br />

sich die akustische Impedanz, d.h. das Produkt von Dichte<br />

und Wellengeschwindigkeit, signifikant ändert. Unabhängig<br />

von der Länge der Vorlaufstrecke funktioniert das<br />

Verfahren also so lange mit hoher Genauigkeit, wie am<br />

Empfangs-Schwinger noch eine auswertbare Welle eintrifft.<br />

Das Optimierungsziel ist also, dass die Reflexionen<br />

vor Erreichen der Probe möglichst schwach sein sollten;<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


am Probenende sollte die Energie möglichst vollständig<br />

reflektiert werden. Konkurrierende Erwägungen der Festigkeit,<br />

Wärmeleitung, elektrischen Isolation u. a. setzen<br />

dem praktische Grenzen. Abbildung 10 zeigt schematisch<br />

alle Reflexionen innerhalb eines Mess-Aufbaus der<br />

MAX80.<br />

Grundsätzlich sind Geschwindigkeitsmessungen in jedem<br />

Teilstück möglich. Für die Messung der elastischen Geschwindigkeiten<br />

in der Probe sind die von beiden Probengrenzflächen<br />

reflektierten Wellen wichtig. Diese werden<br />

für jede Frequenz innerhalb des ausgewerteten Frequenzbereiches<br />

separat überlagert und interferieren miteinander.<br />

Da sich die Wellenlänge mit der Frequenz ändert,<br />

kommt es periodisch zur Ausbildung von konstruktiver<br />

(verstärkender) und destruktiver (schwächender) Interferenz.<br />

Das äußert sich in einer periodischen Schwächung<br />

und Überhöhung des resultierenden Signals durch destruktive<br />

und konstruktive Interferenz (Abb. 11). Der<br />

Abstand zwischen diesen Minima und Maxima ∆f ist bei<br />

bekannter Probenlänge l ein Maß für die Wellengeschwindigkeit<br />

v.<br />

v<br />

∆f = (1)<br />

2l<br />

Wegen der großen Periodizität lässt sich dieser Abstand<br />

als Mittelwert sehr genau messen (Abb. 12). Deshalb ist<br />

die Interferometrie um bis zu drei Größenordnungen<br />

genauer als die Bestimmung der seismischen Geschwindigkeiten<br />

mit der Laufzeit-Methode (Birch, 1960, 1961;<br />

Schreiber et al., 1973; Li et al., 1998).<br />

Abb. 11: Konstruktive und destruktive<br />

Interferenz von zwei Wellenzügen (Mueller<br />

et al., 2002c)<br />

Constructive and destructive interference<br />

of two wavelets (Mueller et al., 2002c)<br />

Da die Wellenlänge der elastischen Wellen<br />

zur Vermeidung von Messfehlern<br />

deutlich kleiner als die Probengröße, aber<br />

größer als die Mineral-Körner polykristalliner<br />

Proben sein muss, ergibt sich ein<br />

nutzbarer Ultraschall-Wellenbereich zwischen<br />

10 7 und 10 8 Hz. Erzeugung und<br />

Empfang der Ultraschallwellen basieren<br />

auf dem Piezo-Effekt, d.h. der Eigenschaft<br />

bestimmter polarer Kristalle, sich<br />

bei Anlegen einer elektrischen Spannung<br />

zu verformen bzw. bei Verformung an der<br />

Oberfläche elektrische Spannungen zu<br />

erzeugen. Wegen Konversionseffektivität<br />

und Temperaturbeständigkeit wird in der<br />

Hochdruck-Mineralphysik meist LiNbO 3<br />

verwendet. Zur Sicherung der benötigten<br />

Breitbandigkeit, d. h. Unterdrückung<br />

der Resonanzüberhöhung, werden die<br />

Schwinger stark bedämpft. In der Digitaltechnik<br />

läuft die Messung praktisch so<br />

ab, dass ein durchstimmbarer Sinusgenerator<br />

einen elektrischen Wellenzug der<br />

Frequenz x zum Schwinger schickt. Das<br />

nach Ende der Laufzeit empfangene Signal wird verstärkt,<br />

digitalisiert und auf einer Festplatte abgelegt. Der Generator<br />

wird auf die Frequenz x+1 eingestellt und der Vor-<br />

Abb. 12: Die Laufzeitkurven sind als Funktion der Frequenz<br />

bei 7,7 GPa dargestellt. Die Erfassung aller auftretenden<br />

konstruktiven und destruktiven Interferenzen<br />

gestattet die Bestimmung der Laufzeit in der Probe als<br />

Regressions-Gerade für die horizontale Punkt-Folge zwischen<br />

den Kurven entgegengesetzter Krümmung. (Mueller<br />

et al., <strong>2005</strong>a)<br />

Travel-time curves are plotted as a function of frequency<br />

at 7.7 GPa. Picking all available constructive and destructive<br />

interferences as a function of frequency allows for<br />

the determination of the travel time inside the sample as a<br />

regression result for the horizontal point sequence between<br />

the curves of opposite curvature. (Mueller et al., <strong>2005</strong>a)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

121


122<br />

gang wiederholt sich bis zur oberen Grenzfrequenz. Das<br />

Ergebnis der Messung sind die Antworten der Messstrecke<br />

auf jede der eingestellten monochromatischen Wellenzüge<br />

zwischen oberer und unterer Grenzfrequenz. Das<br />

ist die so genannte Sweep-Methode. Wird, wie z. Zt. an<br />

der MAX80 üblich, zwischen 5 und 65 MHz mit einer Stufung<br />

von 100 kHz gemessen, ergeben sich 601 Wellen-<br />

Dateien. Das Abfahren dieses Bereiches und die Speicherung<br />

der Ergebnisse dauert ca. 30 Minuten, für beide Wellentypen<br />

(v p und v s) also insgesamt ca. eine Stunde. Damit<br />

war die Ultraschall-Interferometrie der zeitlich limitierende<br />

Faktor der Versuche. Die Anlage wurde dabei thermisch<br />

sehr belastet. Die Expositionszeit-Vorteile der<br />

hochintensiven Synchrotron-Strahlung gehen verloren.<br />

Transiente Messungen sind so nur sehr eingeschränkt<br />

möglich.<br />

Eine neue Methode zur transienten Messung von<br />

seismischen Geschwindigkeiten – die Ultraschall-<br />

Daten-Transfer-Funktions-Technik (DTF)<br />

Die Lösung des zeitlichen Problems der Sweep-Methode<br />

wäre, wenn all diese Einzelmessungen parallel zur gleichen<br />

Zeit ausgeführt werden könnten. Das gibt es seit kurzem<br />

tatsächlich. Es ist die DTF-Methode. Eine erste mineralphysikalische<br />

Anwendung dieser Technik wurde von Li<br />

et al. (2002) publiziert. Unabhängig davon wurde eine ähnliche<br />

Methode im Dep. 4 des <strong>GFZ</strong> Potsdam für die Belange<br />

der <strong>GFZ</strong>-Mineralphysik entwickelt (Mueller et al.,<br />

<strong>2005</strong>b). Dazu wird eine Anregungsfunktion berechnet, die<br />

alle Frequenzen im gesamten erforderlichen Bereich<br />

gleichmäßig anregt. Das ist allgemein die Fourier-Transformierte<br />

des Frequenzbereiches im Zeitbereich. Praktisch<br />

wird es komplizierter, weil das Einschwing-Verhalten<br />

des Ultraschall-Wandlers, seine Resonanzkurve und<br />

die Kennwerte des Arbiträrgenerators, der die errechnete<br />

Funktion in ein elektrisches Signal umwandelt, berück-<br />

sichtigt werden müssen. Die Lösung ist eine modifizierte<br />

„raised cosine function“, die mit einem Digital-Filter hergestellt<br />

wird (Abb. 13). Die Antwort der Messstrecke auf<br />

diese Anregung ist die Daten-Transfer-Funktion, die analog<br />

zur Anregung die Antwort auf alle monochromatischen<br />

Wellenzüge zwischen den beiden Grenzfrequenzen enthält<br />

(Abb. 14). Mit deren Abspeicherung, was beim Stand<br />

der Technik je nach Auflösung zwischen 2 und etwa<br />

30 Sekunden erfordert, ist die Messung abgeschlossen.<br />

Werden Triple-Mode-Transducer benutzt, also solche, die<br />

gleichzeitig Kompressions- und Scherwellen erzeugen und<br />

empfangen, besitzt dies in einigen Sekunden aufgezeichnete<br />

Signal den Informationsgehalt von einer Stunde Messung<br />

mit der Sweep-Methode. Zur Reproduktion der Ergebnisse<br />

für jede einzelne Frequenz wird die Daten-Transfer-<br />

Funktion mit den Einzel-Frequenzen gefaltet. Das entspricht<br />

der Multiplikation der Fourier-Transformierten.<br />

f • g ↔ F ⊗ G (2)<br />

Der Zeitaufwand wird also vom Experiment zur mathematischen<br />

Auswertung verlagert. Die weitere Datenverarbeitung<br />

entspricht der der Sweep-Methode. Die DTF-<br />

Technik erfordert eine extreme Auflösung der gespeicherten<br />

DTF. Diese Funktion (DTF) ist die Überlagerung<br />

einer unendlichen Menge von monochromatischen Antworten<br />

zwischen den beiden Grenzfrequenzen. Die Auflösung<br />

muss also so hoch sein, dass auch die schwächste<br />

darin enthaltene Einzel-Frequenz nach der Faltung noch<br />

auflösbar ist. Anderenfalls wird die reproduzierte monochromatische<br />

Antwort verfälscht (Abb. 15). Da die Fourier-Transformation<br />

numerisch mit Hilfe des Algorithmus<br />

der schnellen diskreten Fourier-Transformation (FFT)<br />

abgewickelt wird, muss wegen Abbruch-Effekten im<br />

Randbereich das abgespeicherte Signal auch noch mindestens<br />

mit 3-facher Länge des Auswertungs-Bereiches<br />

Abb. 13: Vergleich der Transfer-Funktion H(ω) des idealen Nyquist-Impulses und des raised-cosinus Impulses<br />

mit verschiedenen Abkling-Faktoren einschließlich ihrer Impuls-Antworten (inverse Fourier-Transformierte von H) im<br />

Zeit-Bereich. Ein raised-cosinus Impulse mit dem Abkling-Faktor α = 0 ist ein idealer Nyquist-Impuls) (Mueller et al.,<br />

<strong>2005</strong>b)<br />

Comparison of transfer function H(ω) of the ideal Nyquist pulse and the raised-cosine pulse with different roll-off factors,<br />

as well as their impulse responses (inverse Fourier transform of H) in spatial domain. A raised-cosine pulse with<br />

roll-off factor α = 0 is an ideal Nyquist pulse (Mueller et al., <strong>2005</strong>b)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 14: Ultraschall-Daten-Transfer-Funktion einer<br />

Klinoenstatit-Probe bei 1 GPa – MAX80 (Mueller et al.,<br />

2003)<br />

Ultrasonic data transfer function of a clinoenstatite sample<br />

at 1 GPa – MAX80 (Mueller et al., 2003)<br />

gespeichert werden. Erst die DTF-Methode macht die<br />

Ultraschall-Interferometrie uneingeschränkt synchrotron-adäquat<br />

und für transiente Messungen tauglich.<br />

Röntgen-Radiographie<br />

Abb.15:Reproduktion eines monochromatischen Ultraschallsignals aus der<br />

Daten-Transfer-Funktion durch Faltung in Abhängigkeit von der Auflösung<br />

der DTF – 65.000 Datenpunkte sind für eine unverfälschte Reproduktion<br />

nicht ausreichend (Mueller et al., 2006)<br />

Reproduction of a monochromatic ultrasonic signal from the data transfer<br />

function by convolution in dependence on DTF-resolution – 65,000 data<br />

points are insufficient for a true reproduction (Mueller et al., 2006)<br />

Ultraschall-Interferometrie erfordert eine sehr genaue Längenmessung<br />

unter In-Situ-Bedingungen, weil der gemessene<br />

kritische Frequenz-Abstand ∆f von Wellengeschwindigkeit<br />

und Probenlänge abhängt. Am Synchrotron ist das möglich<br />

durch Erstellen eines Röntgen-Schattenbildes der Probe<br />

und ihres Umfeldes. Geschieht das mit weißer Synchrotron-<br />

Strahlung, wie an der MAX80, wird dazu als Primärblende<br />

eine schrittmotor-gesteuerte 4-Blatt-Präzisions-Blende benutzt.<br />

Diese wird für die Röntgen-Radiographie (engl.<br />

X-radiography) horizontal bis zur Schlitzweite zwischen den<br />

Hartmetallstempeln und vertikal bis etwas über die Probenlänge<br />

hinaus aufgefahren. Da alle Blenden-Blätter reproduzierbar<br />

und unabhängig voneinander bewegt werden können<br />

ist somit auch eine beliebige Verschiebung des Bestrahlungsfeldes<br />

möglich. Wegen der größeren Strahlungsintensität<br />

am Hard Wiggler wird bei der MAX200x monochromatische<br />

Strahlung für die X-Radiographie benutzt werden.<br />

Nach Passieren der Hochdruck-Zelle wird das Röntgen-<br />

Schatten-Bild durch Fluoreszenz in einem 0,1 mm dicken<br />

Ce:YAG-Kristall (vom Institut für Kristallzüchtung IKZ,<br />

Berlin zur Verfügung gestellt) teilweise in<br />

ein entsprechendes Lichtbild von etwa<br />

540 nm Wellenlänge (hellgrün) umgewandelt.<br />

Eine möglichst geringe Dicke des Kristalls<br />

ist bedeutsam, um die Erwärmung<br />

durch Röntgenabsorption zu begrenzen.<br />

Die Erwärmung erfolgt im Volumen, die<br />

Kühlung neben der Wärmeleitung zur Fassung<br />

durch die Oberfläche zur umgebenden<br />

Luft. Je dünner der Kristall ist, desto<br />

größer ist sein Oberflächen/Volumen-Verhältnis.<br />

Außerdem wird das optische Bild<br />

schärfer, da es ebenfalls im Volumen des<br />

Kristalls entsteht. Ein Al-beschichteter<br />

Spiegel entkoppelt das optische Bild<br />

vom nichtkonvertierten Röntgen-Schatten-<br />

Bild, welches analog zur XRD im Beam-<br />

Stop absorbiert wird. Eine CCD-Kamera<br />

fängt das lichtoptische Bild nach Vergrößerung<br />

durch ein lichtstarkes Makroobjektiv<br />

ein. Es wird dann außerhalb der<br />

Strahlenschutz-Umhausung auf einem<br />

PC gespeichert. Die maximale optische<br />

Auflösung von ca. 1 µm wird bestimmt<br />

durch die Wellenlänge des grünen Lichts<br />

von etwa 0,5 µm und die Apertur des<br />

Objektivs von weniger als 0,5. Der minimale<br />

Objekt-Abstand von ca. 4 cm ist ein<br />

stark limitierender Faktor für die Objektivauswahl.<br />

Alle Bauteile aus optischem<br />

Glas und insbesondere der CCD-chip der<br />

Kamera müssen zur Vermeidung von<br />

Strahlen-Schäden außerhalb des direkten<br />

Strahls gehalten und gegen Streustrahlung<br />

abgeschirmt werden (Mueller<br />

et al., <strong>2005</strong>a, 2006). Abbildung 16 zeigt<br />

ein Schema der X-Radiographie an<br />

den Multi-Anvil-Anlagen MAX80 und<br />

MAX200x.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

123


124<br />

Abb.16:X-Radiographie für Multi-Anvil-Apparaturen (geändert nach Mueller<br />

et al., <strong>2005</strong>a)<br />

X-radiography scheme for multi-anvil cells (modified from Mueller et al.,<br />

<strong>2005</strong>a)<br />

Abb. 17: Proben-Längen-Messung einer Klinoenstatit-Probe unter In-situ-<br />

Bedingungen mittels X-Radiographie und Bildanalyse (Mueller et al., <strong>2005</strong>c,<br />

2006)<br />

In-Situ sample length measurement of a clinoenstatite sample by X-radiography<br />

and image processing (Mueller et al., <strong>2005</strong>c, 2006)<br />

Die abgespeicherten optischen Bilder werden zur Messung<br />

der Probenlänge entlang einer vordefinierten Linie einer<br />

Schwärzungsanalyse mittels digitaler Bildanalyse unterzogen.<br />

Dazu wird das Farbbild zunächst in ein schwarz/weiß<br />

Halbton-Bild umgerechnet. Weil sich die Röntgendichte der<br />

meisten an die Probe grenzenden Bauteile wenig unterscheidet,<br />

werden 5 µm dicke Gold-Folien als Marker<br />

und zugleich Ultraschall-Ankopplungs-Medium benutzt.<br />

Abbildung 17 zeigt das Abbild einer Klinoenstatit-Probe<br />

zwischen der Al 2O 3-Laufstrecke (oben) und dem NaCl-<br />

Reflektor (unten) und das Ergebnis der Bildanalyse. Der<br />

dunkle Bereich innerhalb des NaCl dicht an der Grenzfläche<br />

zur Klinoenstatit-Probe ist das Thermoelement.<br />

Unabhängig von der Längenmessung für die Ultraschall-<br />

Interferometrie hat die Röntgen-Radiograpie entscheidende<br />

Vorteile, z. B. bei der Messung der Probenverformung<br />

in Deformations-Experimenten mit röngenstrahlen-transparenten<br />

Stempeln und<br />

bei der In-Situ-Viskositätsmessung von<br />

Schmelzen mit Hilfe der Kugel-Fall-<br />

Methode.<br />

Standardfreie Druckmessung mit<br />

Ultraschall-Interferometrie<br />

Die Zuverlässigkeit der Druck-Standards<br />

ist eine Schlüsselfrage jeglicher Hochdruck-Forschung.<br />

Schon seit längerer<br />

Zeit gibt es Anzeichen dafür und Diskussionen<br />

darüber, dass alle Standards bei<br />

höheren Drücken eine Unsicherheit von<br />

10 bis 20 % haben könnten. Im Zuge der<br />

sich ständig zu höheren Drücken verlagernden<br />

geowissenschaftlichen Fragestellungen<br />

ist das äußerst unbefriedigend.<br />

Die unabhängige und simultane Messung<br />

der dynamischen Kompressibilität mittels<br />

Ultraschall-Interferometrie und der statischen<br />

Kompressibilität mit Hilfe der<br />

XRD-basierten druckinduzierten Volumenkompression<br />

an einer Probe eröffnet<br />

die Möglichkeit der standardfreien Druck-<br />

Kalibrierung und demzufolge der absoluten<br />

Druckmessung, weil alle dazu benötigten<br />

Parameter auf direktem Wege und<br />

unabhängig voneinander bestimmt werden,<br />

d. h. irgendwelche zusätzlichen<br />

Daten, wie z. B. die Volumenabhängigkeit<br />

des Grüneisen-Parameters u. a., sind<br />

nicht erforderlich. NaCl wurde gleichzeitig<br />

als Druckstandard entsprechend der<br />

Decker-Zustandsgleichung (Decker, 1971)<br />

und als Probe für die Ultraschall-Interferometrie<br />

benutzt. Die nur am Synchrotron<br />

mögliche Röntgen-Radiographie-Längenmessung<br />

hatte dabei entscheidende Bedeutung,<br />

weil Verformungsmodelle, wie<br />

Cook’s Methode (Cook, 1957; Kung et<br />

al., 2001a, b), untauglich sind, da die Probendeformation<br />

stark und vor allem nicht<br />

hydrostatisch, d. h. ungleichmäßig in den Achsen des Raumes,<br />

ist.<br />

1 + αγT P dP<br />

S = 1 + ∫ (3)<br />

3h0 0 ⎧ 1 4 1 ⎫<br />

⎜ – ⎜<br />

⎩ t2 3 t p 2<br />

s ⎭<br />

S: lineare Kompression<br />

α: linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient<br />

γ: thermodynamischer Grüneisen-Parameter<br />

T: absolute Temperatur<br />

P: Druck<br />

ρ 0:Dichte bei Normaldruck<br />

l 0: Probenlänge bei Normaldruck<br />

t p, t s: Ausbreitungsgeschwindigkeiten elastischer Kompressions-<br />

und Scherwellen entlang der Probe<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 18: Elastische Wellengeschwindigkeiten v p and v s von<br />

polykristallinem NaCl unter Hochdruck. Die Versuche 2.2<br />

und 3.10 benutzen einen 8-mm-Einbau für 6 mm Stempel-<br />

Stirnfläche; Versuch 3.27 benutzt einen 5,5-mm-Einbau<br />

für 3,5 mm Stempel-Stirnfläche (Mueller et al., 2003,<br />

<strong>2005</strong>a)<br />

Elastic wave velocities v p and v s of polycrystalline NaCl<br />

at high pressure. Runs 2.2 and 3.10 use 8 mm set-ups for<br />

6 mm anvil truncation; run 3.27 uses a 5.5 mm set-up for<br />

3.5 mm anvil truncation. (Mueller et al., 2003, <strong>2005</strong>a)<br />

Abbildung 18 zeigt die Werte der Ultraschall-Ausbreitungs-Geschwindigkeiten<br />

der verschiedenen Hochdruck-<br />

Experimente.<br />

Daraus wird mit<br />

K S = ρ (v p 2 – 4/3 vs 2 ) (4)<br />

κ = 1/K S<br />

(5)<br />

der adiabatische Kompressionsmodulus K S und die entsprechende<br />

Kompressibilität κ S berechnet. Abbildung 19<br />

vergleicht die daraus mit verschiedenen Dichte-Fit-<br />

Methoden errechnete dynamische Kompressibilität mit<br />

der aus statischen Kompressionsexperimenten (Birch,<br />

1986). Dabei zeigt sich bei etwa 1,2 GPa die erste Überschneidung<br />

als wahrscheinliches Ergebnis nicht-intrinsischer<br />

Kompression (Schließung von Mikro-Rissen) bei<br />

den statischen Kompressionsexperimenten. Danach laufen<br />

die Kurven mit steigendem Druck weitgehend parallel.<br />

Bei 5,3 GPa tritt die zweite und bedeutsamere Über-<br />

Abb. 19: Kompressibilität von NaCl, gemessen mittels<br />

Ultraschall-Interferometrie und statischer Kompression:<br />

Zur Berechnung der Kompressibilität aus den elastischen<br />

Wellengeschwindigkeiten wird die Dichte als Funktion des<br />

Druckes benötigt. Die In-Situ-Dichte wurde aus der Analyse<br />

der Probendeformation (Deformations-Fit) bestimmt,<br />

unter Benutzung von veröffentlichten Zustandsgleichungen<br />

(EoS Fit) und durch sukzessive Approximation. Die<br />

X-Achse bezieht sich auf den Druck-Standard nach Decker<br />

(1971). (Mueller et al., 2003, <strong>2005</strong>a)<br />

Compressibility of NaCl measured by ultrasonic interferometry<br />

and static compression: The calculation of compressibility<br />

from elastic wave velocities require the density<br />

as a function of pressure. The In-situ density was determined<br />

by analyzing the sample deformation (deformation<br />

fit), using published EoS (EoS fit) and successive approximation.<br />

The X-axis is related to the Decker (1971) pressure<br />

scale. (Mueller et al., 2003, <strong>2005</strong>a)<br />

schneidung ein, da die Kurven mit steigendem Druck eine<br />

zunehmende Abweichung zeigen. Beim Maximaldruck<br />

von 7,71 GPa unserer Experimente ist die statische Kompressibilität<br />

6,6 % höher als unser Messwert. Das bestä-<br />

Abb. 20: Mittels Ultraschall-Interferometrie gemessener<br />

Druck im Vergleich mit der Druckskale nach Decker<br />

(1971) bezogen auf die Zustandsgleichung nach Birch<br />

(1986). (Mueller et al., 2003, <strong>2005</strong>a)<br />

Pressure measured by ultrasonic interferometry vs.<br />

Decker (1971) pressure scale related to the EoS by Birch<br />

(1986). (Mueller et al., 2003, <strong>2005</strong>a)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

125


126<br />

tigt die weithin diskutierte Vermutung und deutet auf<br />

beträchtliche Abweichungen bei höheren Drücken hin.<br />

Abbildung 20 vergleicht die Drücke entsprechend Decker<br />

(1971) mit unseren aus Ultraschallmessungen abgeleiteten<br />

Werten. Diese Daten wurden bis zur fünften Potenz<br />

polynominell gefittet:<br />

p us = 0,34611 + 0,6807 p De + 0,01921 pDe 2<br />

p us = + 0,00246 pDe 3 + 8,4777 . 10 –4 pDe 4 (6)<br />

p us = + 5,75971 . 10 –5 pDe 5<br />

wobei p us der aus unseren Ultraschall-Messungen abgeleitete<br />

Druck und pDe der Druck entsprechend Decker<br />

(1971) ist.<br />

Quarz-Coesit-Phasenübergang – transiente Messungen<br />

Die Hochdruckphase Coesit des SiO 2 spielt eine bedeutsame<br />

Rolle bei der Interpretation des Subduktionsprozesses<br />

von Krustenmaterial. Coesit wurde von Chopin, 1984 und<br />

Gillet et al., 1984 in Gesteinen des Dora Meira-Massivs in<br />

den West-Alpen sowie von Schreyer, 1995 u. a. auch in anderen<br />

vorher subduzierten kontinentalen Gesteinen gefunden.<br />

Daher ist der Quarz-Coesit-Phasenübergang von grundsätzlicher<br />

Bedeutung für das Verständnis der Prozesse in<br />

der subduzierenden Kruste. Hinzu kommt, dass die Natur<br />

Abb. 21: v p und v p von Quarz und Coesit – 8 mm und<br />

6 mm Einbauten. (Mueller et al., 2006)<br />

v p and v s for quartz and coesite – 8 mm and 6 mm cubes.<br />

(Mueller et al., 2006)<br />

des Quarz-Coesit-Phasenübergangs kontrovers diskutiert<br />

wird, weil Hochdruck-XRD-Untersuchungen auf eine<br />

Zwischenphase während des Transformations-Prozesses<br />

hindeuten (Zinn et al., 1997). Lathe et al. (<strong>2005</strong>) untersuchten<br />

mit der MAX80 den Einfluss geringer Mengen von<br />

H 2O auf die Reaktionskinetik. Das Ergebnis ist bedeutsam<br />

in Hinblick auf die Ableitung der maximalen Versenkungs-<br />

Tiefe von Gesteinen aus dem Auftreten von Coesit bzw. aus<br />

den Spuren seiner Rückumwandlung zu Quarz.<br />

Als Ausgangsmaterial für die Ultraschall-Hochdruck-<br />

Experimente wurde natürlicher, gleichkörniger Quarzit<br />

mit einem SiO 2-Gehalt von mehr als 99 Gewichts-Prozent<br />

(Schilling, 1999) benutzt. Auf einer Präzisions-Rundschleif-Maschine<br />

wurden daraus entsprechend den standardisierten<br />

Messaufbauten Probenzylinder von 2,4 mm<br />

Durchmesser und 1,6 mm Länge bzw. 2 mm Durchmesser<br />

und 1,2 mm Länge hergestellt. Zur optimalen Ultraschall-Ankopplung<br />

wurden die Stirnflächen poliert. Die<br />

Experimente wurden entsprechend mit den Standard-Einbauten<br />

für 6 mm und 4 mm Stempel-Stirnflächen-Kantenlänge<br />

durchgeführt. Abbildung 21 zeigt die Ergebnisse<br />

für die Wellengeschwindigkeiten.<br />

Ein minimaler Druck von 4,5 GPa erwies sich als notwendig,<br />

um den Phasenübergang von Quarz nach Coesit<br />

zu starten. Die mit Synchrotron-Strahlung aufgenommenen<br />

XRD-Daten zeigten bei 800 °C einen vollständigen<br />

Umsatz in weniger als 2 Minuten. Das war viel zu schnell<br />

für die benutzte Minimum-Sweep-Technik. Deshalb wird<br />

der Frequenz-Bereich minimiert und die Frequenz-Stufung<br />

maximiert um die für den Sweep benötigte Zeit zu<br />

verkürzen, weil die leistungsfähigere DTF-Technik zum<br />

Zeitpunkt der Experimente noch nicht zur Verfügung<br />

stand. Das bedeutet jedoch, dass die Genauigkeit zugunsten<br />

der Geschwindigkeit der Messung eingeschränkt<br />

wird, weil die Periodizität und Mittelung des interferometrischen<br />

Verfahrens eingeschränkt oder geopfert wird.<br />

Die optimale Reaktions-Kinetik wurde bei einer Temperatur<br />

von 720 °C bis 750 °C gefunden. Bei niedrigeren<br />

Temperaturen startete die Reaktion entweder überhaupt<br />

nicht oder stoppte bei etwa 50 % Umsatz zu Coesit. Die<br />

Druckmessung, durchgeführt unter Benutzung des NaCl-<br />

Reflektor als XRD-Druck-Standard, offenbarte die Ursache<br />

dafür. Die temperatur-induzierte Erweichung des Bor-<br />

Epoxid-Harz-Würfels führt zu einem Stress-Abbau im<br />

gesamten Reaktionsraum. Hinzu kommt die mit dem Phasenübergang<br />

verbundene Volumen-Kontraktion der Probe.<br />

Beides führt zu einem dramatischen Druckabbau, der die<br />

Reaktion stoppt. Die Veränderung der Materialeigenschaften<br />

des Bor-Epoxid-Harzes erwies sich als so nachhaltig,<br />

dass selbst eine Erhöhung der Pressenkraft auf<br />

850 kN nicht ausreichte, um einen Druck von 4,5 GPa –<br />

wie vor dem Phasenübergang – zu erreichen.<br />

Um höhere Drücke nach dem Phasenübergang erreichen<br />

zu können, wurde ein Experiment mit 6 mm Bor-Epoxid-<br />

Harz-Würfel für eine Stempel-Stirnflächen-Kantenlänge<br />

von 4 mm und den kleineren Quarz-Proben durchgeführt.<br />

Zusätzlich wurden künstliche Gasket-Leisten aus Komposit-Material<br />

benutzt, sonst nur üblich bei zweistufigen<br />

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Abb. 22: Transiente Messungen am Quarz-Coesit-Phasenübergang<br />

– XRD und vp Laufzeit. (Mueller et al.,<br />

2006)<br />

Transient measurements at the quartz-to-coesite transition<br />

– XRD and vp travel time. (Mueller et al., 2006)<br />

Multi-Anvil-Apparaturen, um der Bor-Epoxid-Harz-<br />

Würfel-Deformation entgegenzuwirken (Mueller et al.,<br />

2003, <strong>2005</strong>a).<br />

Abbildung 21 zeigt die v p- und v s-Daten auch dieser Versuche.<br />

Nun konnten zwar mehr Datenpunkte für Coesit<br />

gemessen werden, aber sogar mit dem kleineren Einbau und<br />

der lateralen Unterstützung konnte kein Maximaldruck von<br />

10 GPa erreicht werden, wie ohne Wärmebehandlung.<br />

Abbildung 22 gestattet den Vergleich der transienten v p-<br />

Daten mit den Ergebnissen der gleichzeitig durchgeführten<br />

XRD-Messungen. Diese erste transiente Ultraschall-Interferometrie-Technik<br />

arbeitete mit einem Frequenz-Sweep<br />

von etwas mehr als 2 MHz und einer Frequenz-Stufung von<br />

300 kHz. Die dabei beobachtete Verschiebung eines Maximums<br />

der konstruktiven Interferenz entspricht einer Zunahme<br />

von vp von etwa 6,5 km/s auf ca. 7,5 km/s mit Hinweisen<br />

auf einen temporären Zwischenzustand. Entsprechende<br />

höherauflösende DTF-Experimente sind in Vorbereitung.<br />

Nicht-quenchbarer Phasenübergang in Klinoenstatit<br />

– Mehr-Phasen-Hochdruck-Experimente<br />

Durch In-Situ-Experimente mit Synchrotron-Strahlung ist<br />

es möglich, auch nicht-quenchbare Phasen zu untersu-<br />

chen. Als erstes System untersuchten wir den Hochdruck-<br />

Klinoenstatit (MgSiO 3, HCEn)/Niederdruck-Klinoenstatit<br />

(LCEn) – Phasenübergang unter Hochdruck-Hochtemperatur-Bedingungen<br />

mit In-Situ-XRD. Pyroxene gehören<br />

zu den häufigsten gesteinsbildenden Mineralen in Kruste<br />

und oberem Mantel. Ausgehend von der Analyse natürlicher<br />

ultramafischer Hochdruck-Gesteine (e. g., Bozhilov<br />

et al., 1999) wurden Pyroxene als die zweitwichtigste<br />

Phase im oberen Mantel eingeschätzt, mit Anteilen von<br />

bis zu 25 Volumen-Prozent (Ringwood, 1975). Woodland<br />

& Angel (1997) vermuteten den orthorhombisch-Hochdruck-Monoklin-Phasenübergang<br />

in Ca-armen Pyroxenen<br />

als Ursache für die „seismische X-Diskontinuität“<br />

(Revenaugh & Jordan, 1991). Das Wissen um die physikalischen<br />

und chemischen Eigenschaften des Mantels ist<br />

eine Vorbedingung für das Verständnis solcher für das<br />

System Erde wesentlicher Prozesse, wie Subduktion und<br />

Schmelze. Man hatte zunächst einen Zusammenhang zwischen<br />

der „X-Diskontinuität“ und der Hydratation des<br />

die subduzierende ozeanische Lithosphäre umgebenden<br />

Mantels vermutet. Das steht jedoch dazu im Widerspruch,<br />

dass man die Diskontinuität unterhalb der subduzierenden<br />

Platte stets deutlicher fand als darüber, wo die Konzentration<br />

von Wasser und anderen Volatilen durch aufwärts<br />

gerichtete Wanderung viel höher ist. Dieser Widerspruch<br />

wird durch die Hochdruck-Ergebnisse aufgelöst, weil der<br />

orthorhombisch→hoch-P-monoklin-Phasenübergang in<br />

Ca-armen Pyroxenen keinerlei Änderung des Chemismus<br />

mehr erfordert (Woodland & Angel, 1997).<br />

Enstatit, das reine Magnesiumsilikat-Endglied mit Pyroxen-<br />

Stöchiometrie, MgSiO 3, existiert mindestens in fünf Phasen<br />

mit Pyroxen-Struktur. Protoenstatit (PEn, Raumgruppe<br />

Pbcn) ist stabil bei Temperaturen oberhalb 1000 °C bei Normaldruck.<br />

In Richtung zu niedrigen Temperaturen transformiert<br />

PEn zu Orthoenstatit (OEn, Raumgruppe Pbca). Der<br />

Übergang von OEn zu Hochdruck-Klinoenstatit (LCEn,<br />

Raumgruppe P2 1/c) wurde zuerst von Turner et al. (1960)<br />

publiziert bei 0,5 GPa and 500 °C. Pacalo & Gasparik<br />

(1990) bewiesen die Stabilität von Hochdruck-Klinoenstatit<br />

(HCEn, Raumgruppe C2/c) bei für den oberen Mantel<br />

charakteristischen Bedingungen 8,0 GPa und 900 °C. Angel<br />

et al. (1992) publizierten auf der Grundlage von Einkristall-<br />

XRD die Klinoenstatit-Transformation von der P2 1/c- zur<br />

C2/c-Struktur bei ca. 5,5 bis 8,0 GPa und Normaltemperatur.<br />

Sie bestimmten auch die Struktur von HCEn und schlussfolgerten<br />

aus ihren Ergebnissen, dass der LCEn-HCEn-<br />

Übergang nicht quenchbar sei, weil er bei Dekompression<br />

bei Normaltemperatur in die P2 1/c-Struktur zurückfällt.<br />

Abbildung 23 zeigt das MgSiO 3-Phasendiagramm im<br />

Druck-Temperatur-Bereich 5 bis 9 GPa und 20 °C bis<br />

1.200 °C. Unsere Experimente starteten mit reinem LCEn-<br />

Pulver. Durch Druckerhöhung auf 6,5 GPa bei Normaltemperatur<br />

wurde reiner HCEn gebildet und der Phasenübergang<br />

mittels In-Situ-XRD nachgewiesen. Die Überführung<br />

zu LCEn wurde durch stufenweise Steigerung der Temperatur<br />

in Schritten von 50 K durchgeführt und ebenfalls mit<br />

Synchrotron-Strahlung detektiert (Abb. 24). Abbildung 25<br />

gibt einen Überblick unserer Experimente und vergleicht<br />

unsere Phasengrenze mit den Daten von Angel & Hugh-<br />

Jones (1994). Unsere Ergebnisse repräsentieren die Mini-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

127


128<br />

Abb. 23: p-T-Diagramm für MgSiO 3 – Zusammenfassung<br />

der experimentellen Daten von Angel et al. (1992), Angel<br />

and Hugh-Jones (1994), Kanzaki (1991), Pacalo and Gasparik<br />

(1990), Ulmer and Stalder (2001), und Mueller et<br />

al. (2002d). (Mueller et al., 2002d)<br />

p-T-diagram for MgSiO 3 showing summary of experimental<br />

data by Angel et al. (1992), Angel and Hugh-Jones<br />

(1994), Kanzaki (1991), Pacalo and Gasparik (1990),<br />

Ulmer and Stalder (2001), and Mueller et al. (2002d).<br />

(Mueller et al., 2002d)<br />

mum-Druck-Bedingungen der HCEn-LCEn-Phasengrenze,<br />

beschrieben durch P (GPa) = 0,0021 (GPa/°C) T (°C) +<br />

6,048 (GPa).<br />

Die Regressionsanalyse (Belsley et al., 1980; Holland &<br />

Redfern, 1997) wurde zur Strukturverfeinerung der energiedispersiven<br />

XRD benutzt. Diese Methode basiert auf<br />

der Minimierung der Differenzen zwischen den gemessenen<br />

d hkl und ihren berechneten Werten und wurde durchgeführt<br />

unter Nutzung des Programms UnitCell vom<br />

Department of Earth Sciences der Cambridge University.<br />

Abbildung 26 vergleicht unsere Elementarzell-Parameter<br />

mit Literaturdaten. Unsere Daten stimmen mit den Ergebnissen<br />

von Shinmei et al. (1999) aus einer ähnlichen Multi-<br />

Anvil-Anlage bei deutlich kleinerer Standardabweichung<br />

unserer Daten sehr gut überein und bei Drücken unterhalb<br />

7 GPa sogar mit denen von Angel & Hugh-Jones (1994)<br />

aus einer DAC bei Benutzung von synthetischen CEn-Einkristallen.<br />

Zur Durchführung von Ultraschall-Messungen wurde bei<br />

Normaldruck synthetisiertes LCEn-Pulver in der MAX80<br />

heiss-isostatisch gepresst (HIP) (Liebermann et al., 1975)<br />

bei 0,4 GPa und 1.400 °C für 2 Stunden um Proben mit<br />

weniger als 0,8 % Porosität zu erhalten. Ohne diese Maßnahme<br />

würde der hochfrequente Ultraschall gestreut und<br />

Geschwindigkeits-Messungen wären unmöglich. Die elastischen<br />

Wellengeschwindigkeiten, v p und v s, der CEn-<br />

Probe wurden unter In-Situ-Bedingungen sowohl mit der<br />

Sweep- als auch mit der DTF-Technik gemessen (Mueller<br />

et al., <strong>2005</strong>b).<br />

Entsprechend der üblichen Methode zur Durchführung<br />

petrologischer Hochdruck-Experimente wurden die ersten<br />

Ultraschall-Experimente ebenfalls prograd durchgeführt,<br />

d. h. Druck und Temperatur nehmen während des Experiments<br />

zu. Kung et al., <strong>2004</strong> beschrieb und<br />

begründete die entgegengesetzte Strategie,<br />

weil anderenfalls bei weitgehend<br />

porenfreien Proben, wie sie bei Ultraschall-Messungen<br />

benutzt werden, die<br />

Gefahr bestünde, das die gemessenen<br />

Phasengrenzen durch unrelaxierten<br />

Stress innerhalb der Proben scheinbar<br />

verschoben werden würden. Deshalb<br />

führten wir auch ein Experiment dieser<br />

Art aus. Abbildung 27 illustriert die p-T-<br />

Pfade unserer Experimente im Phasendia-<br />

Abb.24:XRD-Daten für HCEn und LCEn<br />

bei 6,6 GPa und 250 °C/300 °C. Wegen<br />

ihrer sehr geringen Energie-Verschiebung<br />

haben die stärkeren Peaks nur eine<br />

begrenzte Bedeutung für den Phasennachweis.<br />

Mehrere kleinere Peaks gestatten<br />

die Phasen-Identifikation. (Mueller et<br />

al., 2002d)<br />

XRD-data for HCEn and LCEn at 6.6 GPa<br />

and 250 °C/ 300 °C. The stronger peaks<br />

have a limited significance for phase<br />

detection because the energy shift is very<br />

small. Using several smaller peaks enable<br />

the phase identification. (Mueller et<br />

al., 2002d)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


gramm MgSiO 3 (Angel & Hugh-Jones, 1994; Mueller et<br />

al., <strong>2005</strong>b).<br />

Abbildung 28 zeigt die Messergebnisse für die Ultraschall-Wellengeschwindigkeiten<br />

aus zwei Versuchen.<br />

Nach dem prograden Passieren der Phasengrenze bei<br />

6,4 GPa wurde die Temperatur weiterhin bis 700 °C erhöht,<br />

um das entgegengesetzte Passieren der Phasengrenze zu<br />

HCEn beim anschließenden Druckanstieg auf 7,5 GPa<br />

auszuschließen. Run 3/52 erfasst die Druck-Abhängigkeit<br />

der Geschwindigkeit in LCEn bei konstanter Temperatur<br />

von 700 °C zu 0,8 km/(s GPa) für v p und 0,7 km/(s GPa)<br />

für v s. Die Messungen wurden mit der Sweep-Technik auf<br />

beiden Druck-Niveaus ausgeführt. Die DTF-Technik<br />

Abb. 25: Schema der Experimente zur<br />

Bestimmung der HCEn-LCEn Phasengrenze.<br />

Die Volllinie entspricht den von<br />

Angel und Hugh-Jones (1994) veröffentlichten<br />

Daten. Die punktierte Linie repräsentiert<br />

unsere Ergebnisse der Maximum-<br />

Temperatur-Bedingungen der HCEn-<br />

LCEn Phasengrenze. (Mueller et al.,<br />

2002d, <strong>2005</strong>b)<br />

Scheme of experimental runs to determine<br />

the HCEn-LCEn phase boundary. The<br />

dotted line represents the data published<br />

by Angel and Hugh-Jones (1994). The<br />

solid line represents our results of the<br />

maximum temperature conditions of the<br />

HCEn-LCEn phase boundary. (Mueller<br />

et al., 2002d, <strong>2005</strong>b)<br />

wurde zum Vergleich ebenfalls an diesen Punkten benutzt<br />

und zusätzlich dazwischen. Die Daten belegen die gute<br />

Übereinstimmung der Messergebnisse beider Methoden<br />

(Mueller et al, <strong>2005</strong>b).<br />

Versuch 3/112 ist eine multiphasiges retrogrades Experiment<br />

im HCEn-Stabilitätsfeld. Nach Erhöhung des Druckes<br />

bis 7,2 GPa wird die Temperatur sehr langsam mit<br />

1 K pro Minute gesteigert bis 875 °C. Als Ergebnis der<br />

thermischen Ausdehnung steigt der Druck dabei auf<br />

11,3 GPa. Danach wird die Temperatur genau so langsam<br />

wieder verringert. Die Ultraschall-Messungen werden<br />

wegen der bei vorher höheren Temperatur erfolgten Stress-<br />

Relaxation nur während dieses zweiten Versuchs-Seg-<br />

Abb. 26: Veränderung der HCEn Elementar-Zell-Parameter<br />

mit dem Druck<br />

bei Normaltemperatur und bei hohen<br />

Temperaturen dicht an der HCEn-LCEn-<br />

Phasengrenze. Schema der Experimente<br />

zur Bestimmung der HCEn-LCEn-Phasengrenze.<br />

Die Ergebnisse dieser Arbeit<br />

( ■) werden verglichen mit denen von<br />

Shinmei et al. (1999) ( ■) und Angel und<br />

Hugh-Jones (1994) ( ▲) veröffentlichten<br />

Daten. Die eingezeichneten Geraden<br />

repräsentieren die Ergebnisse der linearen<br />

Regression nach der Methode der<br />

kleinsten Quadrate für unsere Daten und<br />

die der Vergleichsautoren. (Mueller et al.<br />

(<strong>2005</strong>b)<br />

Variation of HCEn unit cell parameters<br />

with pressure at RT and at elevated temperatures<br />

close to the HCEn-LCEn<br />

phase boundary. The results of this study<br />

( ■) are compared with the data published<br />

by Shinmei et al. (1999) ( ■) and Angel<br />

and Hugh-Jones (1994) ( ▲) The lines<br />

represent the least square linear best fit<br />

for the data sets of this study and of<br />

the comparative authors. (Mueller et al.<br />

(<strong>2005</strong>b)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

129


130<br />

Abb. 27: p-T-Pfad für Ultraschall-Messungen mit Klinoenstatit<br />

(MgSiO 3 – Hochdruck HCEn) – Niederdruck-<br />

Klinoenstatit (LCEn). (Mueller et al. (2006)<br />

p-T-paths for ultrasonic measurements with clinoenstatite<br />

(MgSiO 3 – high-pressure HCEn) – low-pressure clinoenstatite<br />

(LCEn). (Mueller et al. (2006)<br />

Abb. 28: Kompressions- und Scherwellen-Geschwindigkeiten v s and v s in<br />

Klinoenstatit bei verschiedenen p- und T-Bedingungen. (Mueller et al.<br />

(2006)<br />

Compressional and shear wave velocities, v p and v s, in clinoenstatite at<br />

various p- and T-conditions (HIP samples). (Mueller et al. (2006)<br />

Abb. 29: Druck-bedingte Verkürzung einer Klinoenstatit-Probe – aufgezeichnet<br />

mittels X-Radiographie unter In-Situ-Bedingungen. (Mueller et al.,<br />

<strong>2005</strong>c, 2006)<br />

Pressure-induced length decrease of a clinoenstatite sample – monitored by<br />

X-radiography under In-Situ conditions. (Mueller et al., <strong>2005</strong>c, 2006)<br />

ments ausgeführt. Die Ergebnisse für v p und v s zeigen die<br />

kombinierte p-T-Abhängigkeit entlang des in Abb. 27<br />

gezeigten Versuchspfades. Nach Erreichen der Normaltemperatur<br />

wird der Druck auf 6,1 GPa verringert. Während<br />

dieses Versuchssegments wurden v p und v s für eine<br />

stress-relaxierte Probe in Abhängigkeit vom Druck bei<br />

Normaltemperatur gemessen. Die Werte der Druckabhängigkeit<br />

für HCEn bei Normaltemperatur wurden<br />

bestimmt mit 0,089 km/(s GPa) für v p und mit 0,02 km/<br />

(s GPa) für v s. Die Ergebnisse stimmen mit den Daten von<br />

Kung et al. (<strong>2004</strong>) überein. Nach diesem Segment wurde<br />

ein erneuter Temperatur-Zyklus mit 2 K pro Minute gestartet.<br />

Die etwas höhere Temperatur-Steigerungs-Rate ist für<br />

alle späteren Versuchszyklen akzeptabel, weil die Probe<br />

nach Durchlaufen des ersten Versuchszyklus bereits<br />

stress-relaxiert ist. Der langsame Druckabfall verursacht<br />

keinen bedeutsamen neuen Stress in der Probe. Run 3/112<br />

wurde bei 320 °C unplanmäßig durch blow out (Austritt<br />

des Druckübertragungsmittels) beendet. Weitere derartige<br />

Experimente sind in der Vorbereitung. Abbildung 29<br />

zeigt die druckinduzierte Probenverkürzung<br />

einer Klinoenstatit-Probe mit X-<br />

Radiographie erfasst.<br />

Der LCEn-HCEn-Phasenübergang ist<br />

eine bedeutsame Reaktion für tiefe<br />

Bereiche kalter, da schnell subduzierter<br />

Platten, wo der Temperaturanstieg verzögert<br />

ist. Unsere vorläufigen Ergebnisse<br />

deuten auf einen Geschwindigkeits-Abfall<br />

von weniger als 0,5 % in<br />

einem kalten, pyrolitischen Mantel.<br />

Während des Phasenüberganges kann es<br />

zu einer Veränderung des rheologischen<br />

Verhaltens durch Deformations-Plastizität<br />

(e. g. Poirier, 1982; Schmidt et al.,<br />

2002) kommen. Daher sollte die reduzierte<br />

Scherfestigkeit beim CEn-Phasenübergang<br />

zu deutlich reduzierter Viskosität<br />

CEn-haltiger Gesteine führen und<br />

damit die Rheologie des lithosphärischen<br />

Mantels von abtauchenden Platten beeinflussen.<br />

Rückschau und Ausblick<br />

Der Aufbau der <strong>GFZ</strong>-Hochdruck-Mineralphysik<br />

mit in Europa einzigartigen<br />

experimentellen Möglichkeiten ist ohne<br />

engste nationale und internationale<br />

Kooperation undenkbar. Die Helmholtz-<br />

Gemeinschaft garantiert engste Zusammenarbeit<br />

zwischen DESY und <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam sowie mit dem Partner-Institut<br />

GKSS in der HARWI-Halle. Auf internationaler<br />

Ebene hat COMPRES (Consortium<br />

for Materials Properties Research<br />

in Earth Sciences) die ausschlaggebende<br />

Bedeutung für unmittelbaren<br />

und unverzüglichen Informations-Austausch,<br />

wissenschaftliche Schwerpunkt-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 30: Weltweite Entwicklung der Leuchtstärke von Röntgen-Strahlungs-Quellen<br />

im 20sten Jahrhundert. (geändert nach DESY Hamburg,<br />

2006)<br />

International brilliance increase of X-ray sources during the 20th century.<br />

(modified from DESY Hamburg, 2006)<br />

Definition, Unterstützung neuer Technologien sowie<br />

effektiven Zugang zu den Strahlungs-Quellen. Die uneigennützige<br />

und freimütige Hilfe der Hochdruck-Mineralphysik-Teams<br />

von SUNY, APS und SPring-8 verhalf<br />

uns zu einem Schnellstart ohne Irr- und Umwege.<br />

Die Hochdruck-Mineralphysik an intensiven Strahlungsquellen<br />

steht vor einer bedeutenden neuen Etappe<br />

ihrer Entwicklung. Es zeichnen sich völlig neue, weit<br />

leistungsfähigere Druckerzeugungs-Anlagen, Strahlungsquellen<br />

mit um Größenordnungen höherer Brillanz<br />

(Abb. 30) und damit in Zusammenhang stehende neuartige<br />

Messmethoden ab. Um nur einige zu nennen: es wird<br />

mehrstufige großvolumige Druckerzeugungs-Anlagen<br />

unter Nutzung binderfreien polykristallinen Diamants<br />

oder großer Einkristalle, abgeschieden aus der Gasphase<br />

sowie verstärkte Nutzung optimierter Komposit-<br />

Werkstoffe geben; die Konstruktion wird zunehmend<br />

rechnergestützt optimiert; Hochbrillanz-Synchrotrons<br />

Literatur:<br />

erlauben das mühelose Durchdringen<br />

von Probenkapseln und damit Experimente<br />

mit volatilen Phasen sowie insbesondere<br />

punktuelles Messen der elastischen<br />

Wellengeschwindigkeiten mit<br />

Hilfe inelastischer Röntgen-Kernstreuung.<br />

Neuartige Druckerzeugungs-Anlagen<br />

und leistungsfähige Spallations-<br />

Quellen werden die Möglichkeiten der<br />

Hochdruck-Mineralphysik an Neutronen-Quellen<br />

qualitativ und quantitativ<br />

potenzieren und damit völlig neue Einblicke<br />

in die Verteilung von Wasser und<br />

anderen Volatilen sowie in die Textur-<br />

Entwicklung unter extremen Hochdruck-Hochtemperatur-Bedingungen<br />

ermöglichen. Die synchrone Anwendung<br />

von ultrakurzen Laser-Impulsen<br />

und ultrakurzen hochintensiven Röntgen-Impulsen<br />

aus neuen Linearbeschleunigern<br />

wird die dynamische Hochdruck-Erzeugung<br />

revolutionieren und<br />

extreme Strahlendosen ohne Proben-<br />

Desintegration oder Degradation erlauben.<br />

Mit PETRA III entsteht am DESY<br />

z. Zt. das weltweit brillanteste Synchrotron,<br />

mit dem Freie-Elektronen-Röntgen-Laser<br />

XFEL die weltweit leistungsfähigste<br />

Impuls-Röntgen-Quelle auf der<br />

Basis eines supraleitenden Linearbeschleunigers.<br />

Die Zusammenarbeit im<br />

Rahmen der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

erlaubt es uns, diese Entwicklungen für<br />

spannende zukunftsorientierte Geomaterial-Forschung<br />

zu nutzen.<br />

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studies of the quartz-coesite phase transition. Phys. Chem. Earth, 22, 105-111.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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134<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Neue experimentelle Entwicklungen an der<br />

<strong>GFZ</strong>-Ionensonde zur quantitativen Bestimmung<br />

volatiler Elemente<br />

Dieter Rhede und Michael Wiedenbeck<br />

The concentration of carbon in silicate samples at the µg/g level represents a key parameter in global element cycling<br />

models. Obtaining accurate data for this element, however, has proven a formidable challenge for analytical geochemistry.<br />

Here we describe a new approach based on secondary ion mass spectrometry (SIMS) which has demonstrated<br />

that the carbon solubility in broad spectrum of mantle minerals is extremely low, i.e. in the low µg/g range or less. Key<br />

to this success was the use of ion implantation, a technology commonly applied in the semi-conductor industry but little<br />

used in the geosciences, for the production of the all-essential calibration samples. Equally challenging for the analysts<br />

is the quantitative determination of hydrogen in nominally anhydrous minerals. SIMS is one of a small number of<br />

analytical techniques which is able to address this topic, but it faces limitations imposed by vacuum quality and instrument<br />

background. Here we describe in-house designed technical improvements to our Cameca ims 6f instrument which<br />

have significantly improved our limit of detection for hydrogen such that the presence of 500 ng/g H 2 can now be detected<br />

with confidence.<br />

Die Sekundärionenmassenspektrometrie (SIMS) ist eine<br />

der wichtigsten Mikromessmethoden in den Geowissenschaften.<br />

Sie wird vor allem für die absolute Bestimmung<br />

von Spurenelementen im Konzentrationsbereich von einigen<br />

10 ng/g bis zu einigen 1000 µg/g im Mikrometerbereich<br />

eingesetzt. Die SIMS ermöglicht die In-Situ-Bestimmung<br />

von Isotopenverhältnissen, wofür es bisher kaum<br />

andere zuverlässigen Messverfahren gibt. Insbesondere<br />

die Isotopie leichter Elemente wie diejenigen von Li, Be<br />

und B, mit deren Hilfe wir Stoffkreislaufprozesse in Erdkruste<br />

und Erdmantel untersuchen, oder die Isotopie schwerer<br />

Elemente wie Uran und Blei zur Altersbestimmung sind<br />

wichtige Einsatzgebiete für die SIMS. Theoretisch besteht<br />

die Möglichkeit, die Konzentration der meisten Elemente<br />

im ng/g-Bereich zu bestimmen, jedoch gibt es bei einigen<br />

Elementen, z. B. Kohlenstoff und Wasserstoff, immer noch<br />

beträchtliche Schwierigkeiten bei der Quantifizierung. Im<br />

Folgenden sollen am Beispiel dieser beiden Elemente die<br />

grundlegenden Probleme und die erfolgreichen Entwicklungsarbeiten<br />

zu deren Überwindung am GeoForschungs-<br />

Zentrum Potsdam dargestellt werden.<br />

Das SIMS-Messverfahren beruht darauf, dass zunächst<br />

Primärionen erzeugt werden, die im Hochvakuum auf eine<br />

Probenoberfläche geschossen werden. Dabei wird von der<br />

Oberfläche Material abgetragen, welches zum Teil ionisiert<br />

wird. Diese Sekundärionen werden anschließend in<br />

einem Sektorfeldmassenspektrometer analysiert.<br />

Auf der Primär-Seite des Geräts (Abb. 1) werden 16 O – bzw.<br />

133 Cs + -Ionen erzeugt und in einem elektrischen Feld auf<br />

hohe Geschwindigkeit (ca. 1.000 km/s) beschleunigt. Mit<br />

einer Ionenoptik wird dieser Primärionenstrahl auf die gut<br />

polierte Oberfläche der Messprobe fokussiert, bei einem<br />

Strahldurchmesser zwischen 5 bis 30 µm. Hier wird die<br />

ganze Energie der Primärionen in den obersten etwa<br />

100 nm an das Probenmaterial abgegeben, was zu einer<br />

gezielten Erosion der Probenoberfläche führt. Einige Prozent<br />

der durch diese Wechselwirkung freigesetzten Atome<br />

in der Probe werden dabei ionisiert und in einem starken<br />

elektrischen Feld beschleunigt. Um die Ionen der relevanten<br />

Elemente von allen anderen entstandenen Ionen<br />

sicher zu trennen, wird dieser Sekundärionenstrahl durch<br />

einen Sektorfeldmagneten geführt, der die einzelnen<br />

Abb. 1: Überblick SIMS-Gerät „Cameca ims 6f“ in Potsdam<br />

(Foto: M. Wiedenbeck, <strong>GFZ</strong> Potsdam).<br />

General view of the Potsdam Cameca ims 6f instrument.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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136<br />

Ionen nach dem Verhältnis von Masse zu Ladung (m/e)<br />

voneinander separiert. Ein hochempfindliches Detektorsystem<br />

übernimmt anschließend die Zählung der Ionen.<br />

Da das ganze Verfahren im Ultrahochvakuum (UHV, d. h.<br />

bei einem Druck von < 10 –7 Pa) durchgeführt wird, müssen<br />

die Proben UHV-beständig sein.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam betreibt seit 1998 ein SIMS-Gerät der<br />

Firma CAMECA von Typ „ims 6f“ und hat sich dabei auf<br />

die Quantifizierung von „schwierigen“ Elementen spezialisiert.<br />

Bestimmung von Kohlenstoff<br />

Die Gesamtkonzentration von Kohlenstoff im oberen Erdmantel<br />

beträgt je nach Modellrechnung zwischen einigen<br />

100 bis über 1.000 µg/g. Obwohl Kohlenstoff damit nur als<br />

Spurenelement im Erdmantel vorkommt, bildet er dennoch<br />

das größte Kohlenstoffreservoir unseres Planeten. Es stellt<br />

sich die Frage, wo und in welcher Form sich Kohlenstoff<br />

im Erdmantel befindet. Ist er als Spurenelement in Silikatund<br />

Oxidmineralen enthalten, die die weitaus häufigste<br />

Komponenten des Mantels bilden oder ist er vorwiegend<br />

in viel selteneren Karbonaten gebunden, die im Prinzip stabile<br />

Mineralphasen im Erdmantel bilden könnten? Die Antwort<br />

auf diese Frage würde z. B. einen direkten Hinweis<br />

auf die CO 2-Entgasungsgeschichte unseres Planeten liefern.<br />

In Zusammenarbeit mit Prof. Hans Keppler (Uni Bayreuth)<br />

und seiner Gruppe beschäftigten wir uns daher mit<br />

der Entwicklung geeigneter Nachweisverfahren für die<br />

Bestimmung von Kohlenstoffspuren in Silikaten.<br />

Der quantitative Nachweis von geringsten Spuren an Kohlenstoff<br />

ist ein schwieriges Unterfangen, da Kohlenstoff<br />

an der Erdoberfläche ein sehr häufiges Element ist. Somit<br />

ist die Herstellung einer „sauberen“ Probenoberfläche<br />

nahezu unmöglich, da CO 2 aus der Atmosphäre sofort zu<br />

einer Belegung, d. h. einer Kontamination der Probenoberfläche<br />

führt. Weiterhin können sich organische Verbindungen<br />

aus dem Restgas der Massenspektrometereinrichtung<br />

auf der Probe niederschlagen. Aufgrund dieses<br />

Kontaminationsproblems müssten alle bisherigen Unter-<br />

Abb. 2: Mikroskopaufnahme synthetischer Olivinkristalle<br />

(Mg 2SiO 4), die in einer 13 C-gesättigten Schmelze<br />

gezüchtet wurden (Foto: H. Keppler, Uni Bayreuth).<br />

Photomicrograph of synthetic olivine crystals produced<br />

from a 13 C saturated melt.<br />

suchungen zu diesem Thema mit größter Vorsicht interpretiert<br />

werden. Eine wesentliche Aufgabe war es sicherzustellen,<br />

dass das gemessene Kohlenstoffsignal wirklich<br />

aus der Probe kommt und nicht durch Kontamination der<br />

Probenoberfläche hervorgerufen wird.<br />

Ein erster Schritt zur Lösung des Problems war der Austausch<br />

aller schmiermittelhaltigen Gerätekomponenten<br />

wie z. B. der Vorvakuumpumpen an unserer SIMS-Anlage<br />

durch den Ersatz ölfreier Bauteile. Damit konnten über<br />

einen längeren Zeitraum hin die noch im Vakuumteil des<br />

Gerätes befindlichen organischen Restkomponenten deutlich<br />

reduziert werden. Aber es waren noch weitere Entwicklungsarbeiten<br />

notwendig. Anstatt mit dem gewöhnlichen<br />

Isotop 12 C, das etwa 99 % des gesamten natürlichen<br />

Kohlenstoffs ausmacht, wurden synthetische Messproben<br />

mit dem selteneren Isotop 13 C angereichert. Die Züchtung<br />

synthetischer, kohlenstoffgesättigter Olivinkristalle bei<br />

hohen, dem Erdmantel entsprechenden Drücken und Temperaturen<br />

erfolgte durch die Arbeitsgruppe in Tübingen in<br />

Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Geoinstitut in Bayreuth<br />

(Abb. 2).<br />

Mithilfe der SIMS-Isotopenmessung konnte man nun<br />

unterscheiden, ob der gemessene Kohlenstoff tatsächlichaus<br />

der Probe ( 13 C) kommt oder von einer Kontaminationsquelle<br />

( 12 C) an deren Oberfläche.<br />

Messungen mit der SIMS stellen im eigentlichen Sinn kein<br />

absolutes Messverfahren dar. Daher müssen zur Quantifizierung<br />

der Konzentrationen Referenzproben mit genau<br />

bekannten Konzentrationen, aber auch ähnlicher chemischer<br />

Zusammensetzung und kristallographischer Struktur,<br />

dagegen gemessen werden. Da es solche Referenzproben<br />

nicht gab, adaptierten wir eine in der Halbleiterindustrie<br />

übliche Methode zur Herstellung solchen Materials.<br />

Dazu nimmt man einen kohlenstofffreien Olivinkristall<br />

und beschießt ihn in einem Teilchenbeschleuniger mit<br />

einer bekannten Dosis an 13 C. Dadurch wird der Kohlenstoff<br />

in die Oberfläche implantiert und man erhält ein<br />

Referenzmaterial mit definiertem Kohlenstoffgehalt und<br />

ansonsten gleicher stofflicher Zusammensetzung und<br />

kristallographischer Struktur wie die unbekannte Probe<br />

(Abb. 3). Damit war es erstmalig möglich, den Kohlenstoffgehalt<br />

eines Olivins quantitativ zu bestimmen und<br />

gleichzeitig zwischen Oberflächen- und Volumenanteil zu<br />

unterscheiden. Damit konnte nachgewiesen werden, dass<br />

die Sättigungskonzentration für Kohlenstoff im Olivin,<br />

dem am häufigsten vorkommenden Silikat im oberen Erdmantel,<br />

bei nur wenigen µg/g oder sogar noch darunter<br />

liegt (Keppler et al., 2003). Geht man von der modellierten<br />

Gesamtkonzentration an Kohlenstoff im Erdmantel<br />

aus, und wäre dieser Kohlenstoff überwiegend in Silikaten<br />

gebunden, dann müssten die Kohlenstoffkonzentrationen<br />

in ihnen um 2 bis 3 Größenordnungen größer sein<br />

als wir gemessen haben. Daraus folgt, dass der Kohlenstoff<br />

im Erdmantel vorwiegend in seltenen, aber sehr<br />

kohlenstoffreichen Mineralphasen wie in Karbonaten<br />

gebunden sein muß. Hochdruckkarbonate wurden bisher<br />

in natürlichen Mantelgesteinen nicht nachgewiesen, sieht<br />

man von karbonatischen Mikroeinschlüssen in Diaman-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 3: Tiefenprofil einer Referenzprobe, die mit einer bekanntem 13 C-Dosis<br />

implantiert wurde. Die Fläche unter der 13 C-Kurve und der 13 C-Fluss des<br />

Partikelbeschleunigers wird für die Kalibrierung von Kohlenstoff in Olivin<br />

verwendet. 12 C wurde bestimmt, um eine Korrektur für die vorhandene Oberflächenkontamination<br />

durchführen zu können.<br />

An example of a SIMS depth profile measured on a reference material<br />

implanted with a known dose of 13 C. The required calibration of the relative<br />

sensitivity factor for carbon in olivine can be calculated from the area<br />

under the 13 C curve and the known dose of 13 C. The 12 C isotope is used to<br />

correct for the presence of surficial carbon contamination on the sample.<br />

ten einmal ab. Tatsächlich haben Untersuchungen an Karbonaten,<br />

die in Höchstdruckapparaturen synthetisiert worden<br />

sind gezeigt, dass diese bei sehr hohen Drucken stabil<br />

sein können, dass sie aber bei Druckentlastung schnell<br />

instabil werden und CO 2 freisetzen können.<br />

Bestimmung von Kristallwasser<br />

Die richtige und reproduzierbare mikroanalytische Bestimmung<br />

von Kristallwasser im Bereich von wenigen µg/g<br />

ist schon seit langem eine große analytische Herausforderung<br />

in den Geowissenschaften, ohne dass bisher allseits<br />

befriedigende Lösungen gefunden wurden (Koga et al,<br />

2003, Kurosawa et al., 1997, Deloule et al, 1995). Sehr<br />

viele Untersuchungen konzentrieren sich auf die infrarotspektroskopische<br />

Bestimmung von Kristallwasser in nominell<br />

wasserfreien Silikaten, um Hinweise zur P-T-Abhängigkeit<br />

und zum Mechanismus des Einbaus von Wasser in<br />

das Kristallgitter zu erhalten. Da SIMS die Möglichkeit der<br />

Bestimmung von geringsten Wasserstoffgehalten bietet,<br />

kann man damit Kristallwasser bzw. OH – -Gruppen im<br />

Mikromaßstab direkt bestimmen. Das Ziel unserer Untersuchungen<br />

bestand darin, einerseits durch Gerätemodifikationen<br />

einen minimalen 1 H-Sekundärionenuntergrund<br />

zu erreichen und andererseits die analytischen Messbedingungen<br />

zu optimieren, um niedrigste Nachweisgrenzen<br />

für H 2O zu erreichen. Gleichzeitig sollten aber auch reproduzierbare,<br />

quantitative Analysen im Bereich < 50 µg/g<br />

routinemäßig möglich sein. In einem ersten Schritt konzentrierten<br />

wir uns dabei auf die Bestimmung der Wasserstoffkonzentration<br />

mittels 16 O – -Primärionen, im Anschluss<br />

daran sollte auch die Anregung mit 133 Cs + -Primärionen<br />

optimiert werden (Rhede und Wiedenbeck, 2006).<br />

Die an der CAMECA ims 6f serienmäßig<br />

vorhandene Probenschleuse besitzt nur<br />

zwei Probenpositionen, so dass während<br />

der Messung ein Probenhalter in der Vorvakuumschleuse<br />

und maximal ein zweiter<br />

in der Messkammer positioniert werden<br />

kann. Da aber in der Regel mehrere<br />

Probenwechsel am Tag erforderlich sind,<br />

können die Proben vor einer Messung nur<br />

eine sehr begrenzte Zeit im Vorvakuum<br />

entgasen, bevor sie in die Messkammer<br />

eingeschleust werden. Das dadurch bedingte<br />

„schlechte“ Vakuum (mit einem<br />

Druck von im Bereich von 10 –5 Pa) in der<br />

Probenschleuse „verschlechtert“ beim<br />

Probenwechsel auch das Vakuum in der<br />

Messkammer erheblich, wodurch der<br />

Signaluntergrund für Wasserstoff stark<br />

ansteigt. Verbesserungen konnten hier<br />

nur durch umfangreiche konstruktive<br />

Änderungen erreicht werden, die wir selber<br />

durchgeführt haben. Dazu war es notwendig,<br />

eine relativ große Probenvorratskammer<br />

zu entwickeln, die ständig<br />

evakuiert bleibt. Der Probenwechsel sollte<br />

über eine kleinere Vorschleuse erfolgen,<br />

die dann sehr rasch auf UHV abgepumpt<br />

werden kann (Abb. 4). Zusätzlich<br />

zur Möglichkeit, mehrere Proben über Tage zu lagern und<br />

zu entgasen, sollten auch häufig verwendete Referenzproben<br />

dauerhaft in der Probenvorratskammer verbleiben<br />

können. Eine solche Kammer mit 12 Probenpositionen<br />

wurde als optimale Größe angesehen und in den <strong>GFZ</strong>-<br />

Werkstätten konstruiert. Sie besteht aus einem 16-Positionenkarussel,<br />

das auf einer UHV-Drehdurchführung<br />

montiert ist, deren Achse parallel zur Probentransportrichtung<br />

zeigt. Das Karussell besteht aus vier identischen<br />

Cu-Blöcken, die jeweils drei Probenhalter aufnehmen<br />

können. Jede vierte Position auf dem Karussell ist nicht<br />

belegt, um mittels einer Transportstange den Probenwechsel<br />

in die Messkammer zu ermöglichen. Zur Reduzierung<br />

der Entwicklungskosten wurde die serienmäßige<br />

vorhandene Transportstange an ihrem ursprünglichen<br />

Platz belassen und die 2-Positionenkammer von CAMECA<br />

als Vorschleuse weiter verwendet. Eine zusätzliche Transportstange<br />

verbindet nun die Vorschleuse mit der Probenvorratskammer.<br />

Des weiteren wurden in der Vorratskammer<br />

und der Vorschleuse IR-Heizlampen und Thermoelemente<br />

integriert, um Proben individuell heizen und deren<br />

Temperatur in-situ messen zu können. Ein speziell entwickelter<br />

Cu-Tank für flüssigen Stickstoff zur Kühlung der<br />

Proben in der Vorratskammer vervollständigt heute den<br />

Geräteumbau.<br />

Der Einsatz eines mit flüssigem Stickstoff gekühlten Probentisches<br />

(Wiedenbeck et al., <strong>2004</strong>) sollte einerseits den<br />

1 H-Sekundärionenuntergrund verringern und andererseits<br />

die Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen ermöglichen.<br />

Außerdem wurde durch die Reduzierung der Probenentgasung<br />

eine Verbesserung der Vakuumbedingungen<br />

in unmittelbarer Nähe der Sekundärionenentstehung<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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138<br />

erwartet, die zu niedrigeren Wasserstoffuntergrundsignalen<br />

führen sollte. Während der Testphase des neuen Probentisches<br />

traten jedoch Probleme auf. Beim Abkühlen<br />

des Tisches mit flüssigem Stickstoff kam es zu Verformungen,<br />

die einen Wechsel der Probe von der Vorschleuse<br />

in die Messkammer verhinderten. Deshalb waren bisher<br />

nur Testmessungen möglich, die jedoch gezeigt haben,<br />

dass unsere Erwartungen bezüglich der Vakuumbedingungen<br />

und der Reduzierung des Wasserstoffuntergrundsignals<br />

erfüllt werden können. Wir werden versuchen, dieses<br />

Problem in Zukunft zu beheben. Eine weitere Reduzierung<br />

der störenden Restgase in unmittelbarer Umgebung<br />

der Messprobe konnte durch den Einsatz einer<br />

Extraktionsplatte (Getter) aus einer Zirkonlegierung erreicht<br />

werden. Bei sehr geringen Konzentrationen (< 20 µg/g<br />

H 2O) verkürzt sich die Messzeit damit um Faktor 5.<br />

Probenpräparation: Zur Entwicklung der Wasserbestimmung<br />

mit SIMS wurden natürliche Granatkristalle in<br />

Edelsteinqualität als Referenzmaterial verwendet. Deren<br />

Wassergehalte liegen zwischen 17 und 870 µg/g, die mit<br />

anderen unabhängigen Methoden bestimmt wurden (Maldener<br />

et al, 2003). Ein synthetischer Olivinkristall mit ca.<br />

8 µg/g H 2O (bestimmt mit FTIR, Koch-Müller, pers. Mitteilung),<br />

der 12 Stunden lang bei 1.100 °C getempert<br />

wurde, diente als zusätzliche Referenzprobe. Alle „unbekannten“<br />

Proben und Referenzmaterialien wurden auf<br />

jeweils einer Quarzglasscheibe unter Verwendung von<br />

möglichst wenig Epoxidharz eingebettet und poliert. Die<br />

Proben wurden anschließend im Ultraschallbad in hochreinem<br />

Ethanol gereinigt, bei 70 °C im Vakuum getrock-<br />

Abb. 4: CAMECA ims 6f mit neuer Probenkammer und<br />

veränderter Vorschleuse (Foto: M. Wiedenbeck, <strong>GFZ</strong>)<br />

View of the ultra-high vacuum storage chamber, which was<br />

developed at the <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

net, danach mit ca. 30 nm Gold beschichtet, dann sofort<br />

in die Probenkammer angebaut und bei Druck < 3 x 10 –7 Pa<br />

mindestens 3 Tage lang entgast. Vor jeder Messperiode<br />

war es notwendig, das gesamte Gerät mindestens 48 h lang<br />

bei ca. 100 °C auszuheizen, um das an den Kammer-innenwänden<br />

adsorbierte H 2O zu entfernen. Mit dem neuen<br />

Schleusensystem und einem speziellen Kühlfinger, der<br />

permanent mit flüssigen Stickstoff gefüllt war (Abb. 1),<br />

wurde immer ein Ultrahochvakuum bei einem Druck von<br />

< 5 x 10 –8 Pa in der Messkammer während der Messungen<br />

erreicht.<br />

Messbedingungen: Ein 50 nA-Strahl von 16 O – -Primärionen<br />

wird auf 22,5 kV beschleunigt und auf der Probenoberfläche<br />

mit einem Durchmesser von 30 µm fokussiert.<br />

Dieser Primärionenstrahl wird dann über einen Bereich<br />

von 80 x 80 µm gerastert. Eine Energiefilterung der Sekundärionen<br />

erfolgt durch –150 V-Probenoffset und ein<br />

100 eV breites Energiefenster. Ein zusätzliches elektronisches<br />

Fenster mit einer Größe von 20 x 20 µm, zentriert<br />

über die Mitte des Rasters, stellt sicher, dass nur aus der<br />

Kratermitte emittierte Ionen gezählt werden. Störende<br />

Einflüsse der Kraterränder können damit eliminiert werden.<br />

Pro Zyklus wird bei 1 H 10 s und bei 30 Si zwei Sekunden<br />

lang gezählt. Die Sputterzeit, die bis zum Erreichen<br />

der Gleichgewichtsbedingungen (d. h. konstantes 1 H+/ 30 Si+)<br />

notwendig ist, hängt vom H 2O-Gehalt der Probe ab (bis<br />

zu 120 min bei geringen Konzentrationen). Zur Erstellung<br />

der Kalibrierkurven werden immer die letzten 50 Zyklen<br />

jeder Messung gemittelt.<br />

Die 133 Cs + -Primärionen werden auf 17,5 kV beschleunigt<br />

und der 2 nA-Strahl zu einem ≈ 10 µm großen Fleck fokussiert<br />

und über eine Fläche von 35 x 35 µm gerastert. Negativ<br />

geladene Sekundärionen werden von der auf –7,5 kV<br />

liegenden Probe extrahiert und die auftretenden positiven<br />

Aufladungen durch einen Elektronenstrahl kompensiert.<br />

Die Messungen wurden mit einer Massenauflösung von<br />

M/∆M ≈ 3000, einem Energiefenster von 50 eV und ohne<br />

Probenoffset durchgeführt. Durch Anwendung einer<br />

100 µm-Feldblende werden nur Sekundärionen aus einem<br />

Bereich mit ≈ 8 µm Durchmesser gezählt.<br />

Die Kalibrierungskurven, die mit 16 O – und 133 Cs + -Primärionen<br />

bei den oben beschriebenen Messbedingungen<br />

erhalten wurden, sind über den gesamten H 2O-Bereich<br />

sehr gut linear (Abb. 5). Bei beiden Verfahren streuten die<br />

einzelnen Punktanalysen für die meisten Proben im<br />

Bereich von ≈ 20 %, wobei nicht eindeutig zwischen der<br />

externen Reproduzierbarkeit der Methode und einer realen<br />

Inhomogenität der Proben im 10 µm-Bereich unterschieden<br />

werden kann. Mehrmalige, unabhängige Messreihen<br />

mit 16 O – -Primärionen zeigten wie sensibel die Rekalibrierung<br />

der relativen Ionenausbeute ist. Trotz identischer<br />

Einstellungen des Geräts und bei gleichen Vakuumbedingungen<br />

wurden Unterschiede in der Steigung der<br />

Kalibrierungsgeraden von bis zu 13 %. Für den synthetischen<br />

Olivin variierte der gemessene H 2O-Gehalt innerhalb<br />

einer Messperiode um 25 %; der absolute H 2O-Wert<br />

für alle Messungen betrug 10 ± 3 µg/g. Im Vergleich dazu<br />

wurde mit 133 Cs + -Primärionen ein H 2O-Gehalt von 7 ±<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


A<br />

B<br />

Abb.5:SIMS-Kalibrierungskurven für H 2O-Gehalte mit verschiedenen Primärionen;<br />

(A) „best-fit“ Kurven für 16 O – -Primärionen von drei unabhängigen<br />

Messreihen und (B) für 133 Cs + -Primärionen. Die Messdaten zeigen eine<br />

lineare Korrelation der Wasserstoffkonzentration über mehrere Größenordnungen.<br />

SIMS calibration curves for H 2O abundances with obtained using different<br />

primary ion beams; (A) for 16 O – primary ions showing best fit curves for<br />

three independent analytical sessions and (B) for 133 Cs + ions. These data are<br />

consistent with a linear calibration over several orders of magnitude in H<br />

concentration.<br />

2 µg/g bestimmt. Diese Daten ermöglichen<br />

eine Abschätzung einer Nachweisgrenze<br />

von 3 bis 4 µg/g H 2O auf einer analysierten<br />

Fläche von wenigen µm Durchmesser,<br />

die mit unserem Gerät erreicht<br />

werden kann.<br />

Für die Bestimmung sehr geringer H 2O-<br />

Gehalte ist ein extrem niedriges Untergrundsignal<br />

für Wasserstoff wichtig. Die<br />

Abb. 6: Abhängigkeit des Gleichgewichtsverhältnisses<br />

1 H + / 30 Si + vom Primärstrom<br />

für zwei Referenzproben (Granate)<br />

mit unterschiedlichen H 2O Gehalten.<br />

Beam-current dependence of the steady<br />

state 1 H + / 30 Si + ratio from two garnet reference<br />

samples with different H 2O contents.<br />

Hauptquellen für den Untergrund sind<br />

Kollisionen der Ionen mit Restgasteilchen<br />

nahe der Probenoberfläche, die Adsorption<br />

von Restgas auf der Probenoberfläche<br />

und die Absputterung von Wasserstoff<br />

von der Extraktionsplatte. An zwei Proben<br />

(170 µg/g H 2O und 17 µg/g H 2O) wurden<br />

die Wechselwirkungen zwischen Restgasdruck<br />

und der 1 H + -Zählrate bei verschiedenen<br />

Primärionenströmen und jeweils<br />

bei Gleichgewichtsbedingungen untersucht.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass bei sehr<br />

geringen Konzentrationen eine Erhöhung<br />

des Primärionenstroms das Untergrundsignal<br />

verringert (Abb. 6). Um den Mechanismus<br />

dieser Restgasadsorption besser<br />

zu verstehen, wurden mit 16 O – - und<br />

133 Cs + -Primärionen zeitabhängige Untersuchungen<br />

durchgeführt. Nach dem Erreichen<br />

einer konstanten Zählrate für 1 H +<br />

und 30 Si + wurde der Sputterprozess unterschiedlich<br />

lang unterbrochen, wodurch<br />

unter anderem auch Wasserstoff an der zu<br />

messenden Oberfläche adsorbiert wurde.<br />

Es zeigte sich, dass die mit 16 O – gesputterten<br />

Oberflächen eine sehr starke Aktivierung<br />

für die Adsorption von Wasserstoff<br />

aufwiesen. Selbst bei einem Druck<br />

von nur 3 x 10 –8 Pa war die Oberfläche<br />

innerhalb von 15 min vollständig mit Wasserstoff<br />

gesättigt (Abb. 7). Beim Einsatz<br />

von 133 Cs + -Primärionen wurde diese starke<br />

Adsorptionseigenschaft der Oberfläche<br />

für Wasserstoff nicht beobachtet, ein<br />

Hinweis darauf, dass eine Aufladung der<br />

Oberfläche bei nicht leitenden Proben<br />

eine große Rolle für die Wasserstoffadsorption<br />

im UHV spielen könnte. Es<br />

darf nicht vergessen werden, dass die 1 H + -<br />

Zählrate gegenüber Variationen der Beschleunigungsspannung<br />

des zur Ladungskompensation<br />

notwendigen Elektronen-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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140<br />

Abb. 7: Ergebnisse der Zeitabhängigkeit der 1 H + -Intensität für Olivin, für<br />

eine ansteigende Adsorptionsdauer (Strahl aus) und dem anschließenden<br />

Abfall der 1 H + -Intensität nach der Restgasadsoption. Die Messung wurde<br />

mit einem 16 O – Primärstrom von 4 nA durchgeführt.<br />

Results from a time series experiment for 1 H + measured on olivine showing<br />

spikes and subsequent decay of the H secondary ion signal associated with<br />

gas adsorption during beam-off („Strahl aus“) periods of increasing duration<br />

given in minutes. This experiment used a 4 nA 16 O – primary beam.<br />

strahls empfindlich reagiert. Daher ist eine sorgfältige<br />

Kalibrierung unumgänglich. Bei unseren Messbedingungen<br />

konnte für den Olivin, bei einer Zählrate von<br />

15 Ionen/s, ein elektroneninduzierter 1 H-Untergrundwert<br />

von 0,4 Ionen/s bestimmt werden.<br />

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methods and applications. Chem. Geol. 125, 19-28.<br />

Maldener, J., Hösch, A., Langer, K. und Rauch, F. (2003)<br />

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the Earth's mantle. Nature 424, 414-416.<br />

Koga, K., Hauri, E., Hirschmann, M. und Bell, D. (2003)<br />

Hydrogen concentration analyses using SIMS and FTIR:<br />

Comparison and calibration for nominally anhydrous minerals.<br />

G3-Geochem. Geophys. Geosys. 4, 1-20.<br />

Kurosawa, M., Yurimoto, H. und Sueno, S.(1997) Patterns<br />

in the hydrogen and trace element compositions of mantle<br />

olivines. Phys. Chem. Minerals 24, 385-395.<br />

Rhede, D. und Wiedenbeck, M. (2006) SIMS quantification<br />

of very low hydrogen contents. App. Surf. Sci. (im<br />

Druck).<br />

Wiedenbeck, M., Rhede, D., Lieckefett, R. und Witzki, H.<br />

(<strong>2004</strong>) Cryogenic SIMS and its applications in the earth<br />

sciences. App. Surf. Sci. 231-232, 888-892.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Risikokarten für Deutschland: erste Ergebnisse<br />

vom „Center for Disaster Management and<br />

Risk Reduction Technologies“ (CEDIM)<br />

Annegret Thieken1 , Heidi Kreibich1 , Petra Köhler1 , Matthias Müller1 , Gottfried Grünthal1 , Patrick Heneka2 , Thomas<br />

Hofherr2 , Rutger Wahlström1 , Lorenz Kleist2 , Bruno Büchele2 , Andres Kron2 , Sergiy Tyagunov2 , Joachim Wächter1 , Bruno<br />

Merz1 , Christoph Kottmeier2 , Bodo Ruck2 , Franz Nestmann2 , Lothar Stempniewski2 , Jochen Zschau1 1 2 GeoForschungsZentrum Potsdam, Universität Karlsruhe<br />

The Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) was founded in 2002 and is a joint<br />

venture between the <strong>GFZ</strong> Potsdam and the Technical University of Karlsruhe. CEDIM aims at understanding hazards<br />

and risks, detecting upcoming hazardous events early and coping with the consequences of disasters at a better level.<br />

In the project „Risk Map Germany“ the objectives are to develop methodologies for mapping different hazards and<br />

risks on a nationwide scale and to quantitatively compare risks due to earthquakes, storms and floods.<br />

The paper outlines the concepts of risk analysis that is used within the project „Risk Map Germany“. Basically, „risk“<br />

is defined as the probability that a given loss will occur and thus encompasses three aspects: hazard, exposure and<br />

vulnerability. Then data processing and management is outlined. First results for the assessment of earthquake, storm<br />

and flood risks are presented. Finally, the „CEDIM Risk Explorer“, a web-based map service that summarises all project<br />

results is presented.<br />

Abb. 1: Teilprojekte im CEDIM-Projekt „Risikokarte Deutschland“<br />

Subprojects of the CEDIM-Project „Risk Map Germany“<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

141


142<br />

CEDIM – Center for Disaster Management and<br />

Risk Reduction Technology<br />

CEDIM wurde im November 2002 gemeinsam vom Geo-<br />

ForschungsZentrum Potsdam und der Universität Karlsruhe<br />

gegründet. An diesem virtuellen Institut sind sechs<br />

Sektionen des <strong>GFZ</strong> und elf Institute der Universität Karlsruhe<br />

beteiligt (http://www.cedim.de).<br />

Wesentliches Ziel der Forschungsarbeiten in CEDIM ist<br />

es, Risiken durch Naturgefahren und mensch-gemachte<br />

Gefahren besser zu verstehen, früher zu erkennen und die<br />

Folgen von Katastrophen besser zu beherrschen. Dazu ist<br />

die Zusammenarbeit verschiedener, in der Katastrophenforschung<br />

tätiger wissenschaftlicher Disziplinen notwendig.<br />

In CEDIM reicht dieser Verbund von den Geowissenschaften<br />

und der Meteorologie über die Ingenieurwissenschaften,<br />

die Regionalplanung und die Informatik bis<br />

hin zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Durch<br />

die gemeinsame Weiterentwicklung der wissenschaftlichen<br />

Grundlagen sowie durch die Entwicklung neuer<br />

Technologien, beispielsweise von Visualisierungstechniken<br />

und Implementierungen von Informationssystemen,<br />

sollen mögliche Schäden infolge von Katastrophen signifikant<br />

reduziert werden.<br />

In einem ersten Projekt werden Methoden und Werkzeuge<br />

zur Risikokartierung in Deutschland erarbeitet, und<br />

zwar für Gefährdungen durch Hochwasser, Stürme, Starkbeben,<br />

Weltraumwetter und „Anthropogene Katastrophen“.<br />

Für keine dieser Gefahren existiert zurzeit eine<br />

deutschlandweite Karte mit quantitativen Risikoangaben.<br />

Alle Teilprojekte des CEDIM-Projektes „Risikokarte<br />

Deutschland“ sind in Abb. 1 zusammengestellt.<br />

In diesem Beitrag wird zunächst das im Projekt „Risikokarte<br />

Deutschland“ verfolgte Konzept der Risikoanalyse<br />

erläutert. Danach werden beispielhaft Eingangsdaten und<br />

Ergebnisse präsentiert. Abschließend wird das Softwaretool<br />

„CEDIM Risk Explorer“ vorgestellt, in dem alle Projektergebnisse<br />

aufbereitet und präsentiert werden können.<br />

Konzept der Risikoanalyse im CEDIM-Projekt<br />

„Risikokarte Deutschland“<br />

Ein Ziel im Projekt „Risikokarte Deutschland“ war es, die<br />

Risiken, die durch die Naturgefahren Sturm, Hochwasser<br />

und Erdbeben entstehen, miteinander vergleichbar darzustellen.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde folgendes<br />

Konzept für die Risikoanalyse erarbeitet, das am Beispiel<br />

der Naturgefahr Hochwasser in Abb. 2 schematisch dargestellt<br />

ist: In den Ingenieurwissenschaften und bei technischen<br />

Risikoanalysen wird der Begriff Risiko häufig als<br />

Wahrscheinlichkeit definiert, mit der ein bestimmter<br />

Schaden eintritt bzw. überschritten wird (z. B. Kaplan and<br />

Garrick, 1981; Crichton, 1999; CEDIM, <strong>2005</strong>; Grünthal<br />

et al., 2006). Diese Definition liegt auch den Arbeiten im<br />

CEDIM-Projekt „Risikokarte Deutschland“ zugrunde. In<br />

diesem Kontext beinhaltet Risiko drei verschiedene<br />

Aspekte: Gefährdung, Vulnerabilität (im Sinne von Schadensanfälligkeit)<br />

und (Vermögens-)Wert der potenziell<br />

betroffenen Objekte (Risikoelemente).<br />

Gefährdungsabschätzungen werden für jede Naturgefahr<br />

getrennt durchgeführt und beinhalten räumliche Szenarien<br />

mit Intensitätsaussagen, zum Beispiel Überflutungstiefen<br />

für Hochwasser, Böenwindgeschwindigkeiten für<br />

Stürme und makroseismische Intensitäten für Erdbeben<br />

(Büchele et al., 2006; Heneka et al., 2006; Tyagunov et al.,<br />

2006). Für quantitative Risikoabschätzungen muss jedem<br />

Szenario außerdem eine Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />

oder Wiederkehrperiode zugeordnet werden (vgl.<br />

Abb. 2).<br />

Das Wiederkehrintervall beschreibt die Zeitdauer, die im<br />

langjährigen statistischen Mittel zwischen Ereignissen<br />

derselben Größenordnung liegt und ist der Reziprokwert<br />

der Überschreitungswahrscheinlichkeit:<br />

1<br />

T = ___ (1)<br />

P ü<br />

mit T: Jährlichkeit oder Wiederkehrintervall und P ü: Überschreitungswahrscheinlichkeit.<br />

Abb. 2: Elemente einer quantitativen Risikoanalyse, dargestellt am Beispiel Hochwasser (Quelle: Merz & Thieken,<br />

<strong>2004</strong>.)<br />

Elements of a quantitative risk analysis, taking flooding as an example (Source: Merz & Thieken, <strong>2004</strong>).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Da die Auswirkungen der meisten Naturkatastrophen in<br />

Deutschland weniger durch eine große Zahl von Opfern<br />

als vielmehr durch Schäden an Vermögenswerten und der<br />

öffentlichen Infrastruktur sowie durch Produktionsausfälle<br />

charakterisiert werden, stehen im Projekt „Risikokarte<br />

Deutschland“ wirtschaftliche Schäden im Vordergrund.<br />

Dabei wird prinzipiell zwischen direkten Kosten (Reparatur-<br />

und Wiederherstellungskosten, Kosten für Hilfeleistungen)<br />

und indirekten Kosten (Kapitalkosten, Umzugskosten,<br />

Einkommensverluste, Mietverluste, Arbeitslosigkeit)<br />

unterschieden, die für verschiedene Sektoren<br />

oder Risikoelemente (Privathaushalte, Unternehmen, Infrastruktur,<br />

Land-/Forstwirtschaft etc.) abgeschätzt werden<br />

können. Für die Risikoanalyse in CEDIM wurden zunächst<br />

direkte ökonomische Schäden an Wohngebäuden –<br />

definiert als Wiederherstellungskosten für das Referenzjahr<br />

2000 – als Risikoindikator ausgewählt. Darüber hinaus<br />

wurden in den Teilprojekten „Infrastruktur“ und „Man-<br />

Made Hazards“ Auswirkungen von extremen Ereignissen<br />

auf kritische Infrastrukturen in Deutschland untersucht.<br />

Um verschiedene Risiken vergleichen zu können, ist es<br />

essentiell, dass alle Schadensabschätzungen auf demselben<br />

Kostenansatz (z. B. Zeitwerte oder Wiederherstellungswerte)<br />

und Werteinventar basieren. Um dies zu gewährleisten,<br />

wurde ein einheitliches Inventar der potentiell gefährdeten<br />

Vermögenswerte entwickelt. Diese Festlegung impliziert,<br />

dass die verwendeten Schadenmodelle nur Schadensgrade<br />

berechnen, d. h. den Schaden als Prozentanteil des Gesamtwertes<br />

des geschädigten Objekts liefern. Der monetäre Schaden<br />

wird danach durch Multiplikation der Schadensgrade<br />

mit dem entsprechenden Vermögensbestand ermittelt.<br />

Risikoaussagen entstehen durch die Berechnung von Schäden<br />

für mehrere Gefährdungsszenarien, denen jeweils eine<br />

Überschreitungswahrscheinlichkeit oder ein Wiederkehrintervall<br />

zugeordnet ist. Diese Risikokurve quantifiziert das<br />

Risiko über die gesamte Bandbreite von denkbaren Ereignissen.<br />

Aufgrund der Unsicherheit der Schadenabschätzung<br />

werden Risikoaussagen im Allgemeinen aggregiert<br />

(z. B. pro Gemeinde). Für Planungen und Risikobewertungen<br />

wird oftmals nicht die gesamte Risikokurve ausgewertet,<br />

sondern es wird stattdessen der Schadenserwartungswert<br />

E(D) berechnet, der z. B. für Hochwasser folgendermaßen<br />

definiert werden kann (s. Merz & Thieken, <strong>2004</strong>):<br />

∞<br />

R = E〈D = ∫ D(q)f(q)dq (2)<br />

qD<br />

wobei q den jährlichen maximalen Abfluss, f(q) die kontinuierliche<br />

Verteilungsfunktion von q und D(q) den zu<br />

erwartenden Schaden beschreibt. q D ist der Abfluss, ab<br />

dem Hochwasserschäden auftreten. Wenn nur wenige Szenarien<br />

betrachtet werden, wird der Schadenerwartungswert<br />

folgendermaßen ermittelt:<br />

∞<br />

R = E〈D = ∑ ∆ PjD j<br />

j = 1<br />

(3)<br />

wobei D j und ∆P j den mittleren Hochwasserschaden und das<br />

Wahrscheinlichkeitsinkrement für das j-te Intervall angeben<br />

und m die Anzahl der Wahrscheinlichkeitsinkremente ist.<br />

Die Berechnung für andere Risiken erfolgt analog.<br />

Extreme Ereignisse tragen aufgrund ihrer Seltenheit nur<br />

wenig zum Schadenerwartungswert bei (Merz & Thieken,<br />

<strong>2004</strong>). Risikobewertungen, die nur auf dem Schadenerwartungswert<br />

basieren, tendieren demnach dazu, extreme<br />

Ereignisse zu vernachlässigen. Es wird daher empfohlen,<br />

die gesamte Risikokurve in die Bewertung einzubeziehen.<br />

Datengrundlagen und Datenbereitstellung<br />

Um die Vergleichbarkeit der Risikoanalysen zu gewährleisten,<br />

wurde eine gemeinsame Datenbasis erstellt. Diese<br />

besteht sowohl aus akquirierten Datensätzen als auch aus<br />

eigenen Berechnungen zu den Vermögenswerten. Die<br />

Bereitstellung der Daten erfolgt über einen internetbasierten<br />

Server, der im Nachfolgenden beschrieben wird.<br />

CEDIM Data Center<br />

Die Projektgruppe „Datenmanagement und GIS“ am<br />

Daten- und Rechenzentrum des <strong>GFZ</strong> Potsdam hat eine<br />

Informationsinfrastruktur für das CEDIM-Projekt „Risikokarte<br />

Deutschland“ aufgebaut. Diese stellt die Basis<br />

eines gemeinsamen Daten- und Informationsmanagements<br />

für die Erarbeitung einer katastrophenübergreifenden,<br />

integrierten digitalen Risikokarte Deutschland dar (Köhler<br />

et al., 2006).<br />

Ein einheitlicher Datenbestand, der von allen Teilprojekten<br />

gleichermaßen verwendet wird, ist Voraussetzung für<br />

die Vergleichbarkeit der abgeschätzten Risiken. Über das<br />

„CEDIM Data Center“, einen internetbasierten Geodatenserver,<br />

werden die Daten den am Projekt „Risikokarte<br />

Deutschland“ beteiligten Mitarbeitern zur Verfügung gestellt.<br />

Im Data Center besteht für die Wissenschaftler die<br />

Möglichkeit, Informationen über vorhandene Daten (Metadaten)<br />

einzusehen, Daten am Bildschirm zu visualisieren<br />

und deren Eignung für die jeweilige Aufgabe zu prüfen.<br />

Exportierte Datensätze können im lokalen GIS weiterverarbeitet<br />

werden.<br />

Die vielfältigen Datenbestände wurden von diversen<br />

öffentlichen und privaten Datenanbietern akquiriert. Die<br />

Daten wurden über aufwändige Harmonisierungs- und<br />

Integrationsprozesse zusammengeführt und werden zentral<br />

verwaltet. Diese Datenbasis umfasst Geobasisdaten<br />

als grundlegende Referenz raumbezogener Sachverhalte<br />

und Beziehungen, relevante Fachdaten z. B. zur Landnutzung<br />

und statistische Daten (INFAS Geodaten, 2001) zur<br />

Demographie, Gebäudecharakteristik, Kaufkraft etc. Sie<br />

sind wesentliche Grundlage für die Arbeiten der einzelnen<br />

Teilprojekte (vgl. Abb. 1).<br />

Abschätzung der Vermögenswerte von Wohngebäuden in<br />

Deutschland<br />

Während Eingangsdaten und Methoden der Gefährdungs-<br />

und Vulnerabilitätsanalysen für die verschiede-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

143


144<br />

nen Naturgefahren variieren, muss für einen konsistenten<br />

Vergleich von Risiken eine einheitliche Datenbasis<br />

über die potenziell exponierten Werte verwendet werden.<br />

Um Vermögenswerte der Wohngebäude in ganz Deutschland<br />

zu ermitteln, wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe<br />

gebildet. Diese entwickelte eine Methode zur<br />

Abschätzung der Wohngebäudewerte auf Basis von Normalherstellungskosten<br />

(NHK), INFAS-Geodaten zur<br />

Anzahl und Art der Gebäude pro Gemeinde und weiteren<br />

statistischen Daten, z. B. den Wohnflächen pro Landkreis.<br />

In einem ersten Berechnungsschritt wurde für die Gebäude<br />

nach Angaben von INFAS die Wohnfläche pro Gebäudetyp<br />

und Gemeinde mit Hilfe von Daten des Bundesamtes<br />

für Bauswesen und Raumordnung (BBR, 2003) und<br />

des Statistischen Bundesamtes (<strong>2004</strong>) berechnet. In einem<br />

zweiten Schritt wurde die Wohnfläche pro INFAS-Gebäudetyp<br />

auf NHK-Gebäudetypen aufgeteilt. Danach wurden<br />

mit Hilfe der Normalherstellungskosten (BMVBW, 2001)<br />

und der Korrekturfaktoren pro Bundesland und Gemeindegröße<br />

monetäre Größen pro Gebäudetyp und Gemeinde<br />

ermittelt (s. Kleist et al., 2006).<br />

Mit diesem Ansatz wurden Berechnungen für ganz Deutschland<br />

durchgeführt, d. h. pro Gemeinde liegt ein Wert für<br />

das Gesamtwohnvermögen und das Pro-Kopf-Wohnvermögen<br />

vor. Abb. 3 zeigt die geographische Verteilung des<br />

Pro-Kopf-Wohnvermögens in Deutschlands Gemeinden<br />

für das Referenzjahr 2000. Das mittlere Pro-Kopf-Wohnvermögen<br />

beträgt 42.820 €, wobei ein deutlicher Nord-<br />

Süd-Unterschied zu erkennen ist.<br />

Da für die meisten Risikoanalysen Aussagen auf<br />

Gemeindeebene für eine Verschneidung mit Gefährdungsszenarien<br />

zu grob sind, wurde außerdem eine Disaggregierung<br />

der Wohngebäudewerte innerhalb der<br />

Gemeindegrenzen auf Basis der CORINE-Landnutzungsdaten<br />

vorgenommen. Mit dem verwendeten Ansatz<br />

von Gallego (2001) kann die Bevölkerung pro Gemeinde<br />

wie folgt auf CORINE-Landnutzungselemente verteilt<br />

werden:<br />

Xm = ∑ ScmYcm c<br />

Y cm = U cW m<br />

Abb. 3: Pro-Kopf-Wohnvermögen auf Gemeindeebene in Deutschland<br />

(Angabe in [€/Einwohner] für das Referenzjahr 2000).<br />

Per-Capita Asset Value of residential buildings at the community level in<br />

Germany (Data are given in [€/Inhabitant] for the reference year 2000).<br />

(4)<br />

(5)<br />

X m: Bevölkerung in Gemeinde m<br />

S cm: Fläche der Landnutzungsklasse c in Gemeinde m<br />

Y cm: Bevölkerungsdichte in Landnutzungsklasse c in<br />

Gemeinde m<br />

U c: Quasi-Median der Bevölkerungsdichte in Landnutzungsklasse<br />

c (iterativ ermittelt)<br />

W m: Korrekturfaktor für Gemeinde m<br />

Die Bevölkerungsdichte U c wurde von Gallego (2001) für<br />

sechs Landnutzungsklassen und drei verschiedene Gemeindetypen<br />

ermittelt. Für die korrekte Wiedergabe der<br />

Gesamtbevölkerung pro Gemeinde ist für<br />

jede Gemeinde der Korrekturfaktor W m<br />

zu bestimmen.<br />

Für die Disaggregierung wurden Gemeindegrenzen<br />

und CORINE-Landnutzungsklassen<br />

verschnitten. Jedem CO-<br />

RINE-Element wurde die entsprechende<br />

Bevölkerungsdichte Y cm zugewiesen.<br />

Durch Multiplikation von Bevölkerungsdichte<br />

und der Fläche des Elementes<br />

konnte die Gesamtbevölkerung in diesem<br />

Element ermittelt werden. Das Wohnvermögen<br />

des Elementes wurde bestimmt,<br />

indem die Bevölkerung mit dem Pro-<br />

Kopf-Wohnvermögen der zugehörigen<br />

Gemeinde multipliziert wurde. Abschließend<br />

wurde ein spezifisches Wohnvermögen<br />

in [€/m 2 ] berechnet, indem das<br />

Wohnvermögen des Elementes durch die<br />

Fläche des Elementes dividiert wurde. Die<br />

resultierende Karte kann schließlich mit<br />

Gefährdungsszenarien verschnitten werden,<br />

um exponierte Werte zu bestimmen.<br />

Abb. 4 zeigt das auf Gemeindeebene<br />

aggregierte bzw. das mit den Landnutzungsdaten<br />

CORINE disaggregierte Einheitswohnvermögen<br />

[€/m 2 ] in Deutschland.<br />

Durch die Disaggregierung kann die<br />

räumliche Verteilung des Wohnvermögens<br />

besser dargestellt werden. Bei einer<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4:A: Choroplethenkarte des auf Gemeindeebene aggregierten Einheitswohnvermögens in Deutschland B: Dasymetrische<br />

Karte des Wohnvermögens, d. h. mit Landnutzungsdaten disaggregiertes Einheitswohnvermögen. Die Werte<br />

sind in €/m 2 angegeben (Referenzjahr: 2000).<br />

A: Choroplethic map of unit assets of residential buildings per community in Germany. B: Dasymetric map of unit<br />

assets of residential buildings by use of CORINE land cover data. Data are given in €/m 2 (Reference year: 2000).<br />

Verschneidung mit Gefährdungsszenarien liefern die<br />

räumlich disaggregierten Werte genauere Ergebnisse<br />

(Thieken et al., 2006). Die Karten in Abb. 3 und Abb. 4<br />

werden als Eingangsdaten für die Risikoanalyse der einzelnen<br />

Naturgefahren verwendet.<br />

Risikoanalysen für verschiedene Naturgefahren<br />

Risikoanalyse Erdbeben<br />

Internationale Erfahrungen, einschließlich tragischer<br />

Lektionen aus den großen Erdbeben der jüngsten Vergangenheit<br />

zeigen, dass sich das seismische Risiko durch<br />

das weltweit zunehmende Wachstum von Ballungsräumen<br />

rapide erhöht. Adäquate Gegenmaßnahmen zur Risikominderung<br />

werden bisher nur in unzureichendem Ausmaß<br />

getroffen. Weitgehend unterschätzt wird das Erdbebenrisiko<br />

in Ländern mit niedriger und mittlerer seismischer<br />

Aktivität, da in Betracht zu ziehen ist, dass das Risiko nicht<br />

nur vom Gefährdungsgrad abhängig ist, sondern insbesondere<br />

auch von der Gesamtsumme der gefährdeten von<br />

Menschen geschaffenen Werte und ihrer Schadensanfälligkeit<br />

gegenüber seismischen Einwirkungen.<br />

In seismisch gefährdeten Gebieten zu leben bedeutet, dass<br />

die seismische Gefährdung unabwendbar ist. Es ist unmöglich,<br />

diese Naturgefährdung zu vermindern. Die Bereitstellung<br />

von verlässlichen seismologischen und ingenieur-seismologischen<br />

Informationen für Planungs- und<br />

Konstruktionszwecke als Ergebnis von Erdbebengefährdungeinschätzungen<br />

stellt einen wichtigen Faktor dar, der<br />

zur Leistungsfähigkeit von Risikomanagementprogrammen<br />

beiträgt. Zur Methodik von Erdbebengefährdungseinschätzungen<br />

hat sich in den letzten Jahren ein grundlegender<br />

Wandel vollzogen, angesichts dessen jegliche<br />

früheren Einschätzungen der Erdbebengefährdung einer<br />

dringenden Revision bedürfen.<br />

Das Teilprojekt „Erdbebenrisiko“ setzt sich zusammen aus<br />

der Gruppe von Mitarbeitern der Sektion 5.3 des Geo-<br />

ForschungsZentrums Potsdam, die schwerpunktmäßig die<br />

Gefährdungsaspekte bearbeitet, und der Gruppe der Universität<br />

Karlsruhe (TH), die in ständigem Dialog mit der<br />

<strong>GFZ</strong>-Gruppe die Bau- und Schadensaspekte analysiert.<br />

Als gemeinsames Produkt beider Teams entsteht eine Erdbeben-Risikokarte<br />

für Deutschland.<br />

Die Erdbebengefährdung wurde auf Basis der existierenden<br />

D-A-CH-Karte für eine Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />

von 90 % in 50 Jahren abgeleitet (Grünthal<br />

et al., 1998). Weiterhin wurden Vulnerabilitätsverteilungsmodelle<br />

für ausgewählte repräsentative Kommunen mit<br />

unterschiedlichen Einwohnerzahlen konstruiert. Dafür<br />

wurden Schadens-Wahrscheinlichkeits-Matrizen sowie<br />

Fragilitäts- und Vulnerabilitätskurven für unterschiedliche<br />

Gebäudetypen entsprechend der Vulnerabilitätsklassifikation<br />

der Europäischen Makroseismischen Skala<br />

EMS-98 erstellt (Grünthal, 1998) und auf die INFAS-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

145


146<br />

Daten zum Gebäudebestand angewendet. Diese Auswertungen<br />

lieferten die Basis für Schadenskurven für Kommunen<br />

unterschiedlicher Größe sowie für Abschätzungen<br />

von potentiellen Schadensverteilungen abhängig vom seismischen<br />

Input.<br />

Mit diesem Ansatz wurden potentielle Schäden am<br />

existierenden Gebäudebestand von Kommunen in ganz<br />

Deutschland analysiert, und die räumliche Verteilung des<br />

Risikopotentials für das Gesamtgebiet Deutschlands<br />

wurde aus der Kombination von seismischer Gefährdung,<br />

Vulnerabilitäten des Gebäudebestands und den Werten der<br />

gefährdeten Gebäude grob abgeschätzt.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse und Karten des Teilprojektes<br />

„Erdbebenrisiko“ sind in Wahlström et al. (<strong>2004</strong>), Tyagunov<br />

et al. (2006) sowie im Teilbericht der Sektion 5.3<br />

in diesem Berichtband ausführlich dargestellt.<br />

Insgesamt wurde in diesem Projekt eine Methodik zur groben<br />

Abschätzung der Erdbebengefährdung sowie der seismischen<br />

Schäden entwickelt. Die gewonnenen Resultate<br />

zeigen die Anwendbarkeit des entwickelten Ansatzes hinsichtlich<br />

der Erdbebenrisikoanalyse im regionalen und<br />

nationalen Maßstab. Mit einigen Modifikationen kann die<br />

Methodik für die Schadens- und Verlustabschätzung für<br />

einzelne seismische Ereignisse und die Entwicklung von<br />

Erdbebenszenarien verwendet werden.<br />

Auf der Grundlage der gesammelten Informationen über<br />

den Gebäudebestand der ausgewählten repräsentativen<br />

Kommunen wurden die Vulnerabilitätsstrukturmodelle<br />

für fünf Bevölkerungsklassen zusammengestellt. Es wird<br />

angenommen, dass diese Modelle repräsentativ und anwendbar<br />

auf alle Kommunen in erdbebengefährdeten<br />

Gebieten Deutschlands sind. Die Ergebnisse der Abstimmung<br />

zeigen, dass die Modelle zur groben Abschätzung<br />

der monetären Verluste bei zukünftigen Erdbeben verwendet<br />

werden können.<br />

Aus den Arbeiten sind folgende Karten entstanden:<br />

• Eine Karte des spezifischen Schadens (mean damage<br />

ratio) für den vorhandenen Gebäudebestand deutscher<br />

Kommunen wurde produziert.<br />

• Eine Karte der Verteilung des Erdbebenrisikopotentials<br />

für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland<br />

wurde als Kombination aus der Erdbebengefährdung<br />

und Vulnerabilität von Bauwerken sowie den<br />

Gebäudewerten erstellt.<br />

Die erzielten Ergebnisse entsprechen dem betrachteten<br />

Erdbebengefährdungsniveau für eine Nichtüberschreitenswahrscheinlichkeit<br />

von 90 % in 50 Jahren. Die Karten<br />

stellen eine erste Näherung zur Abschätzung der Erdbebenrisikoverteilung<br />

in Deutschland dar.<br />

Von Erdbeben betroffene Gebiete nehmen beträchtliche<br />

Teile Deutschlands ein. Die besonders von Erdbeben betroffenen<br />

Gebiete sind teils dicht besiedelt, industrialisiert und<br />

weisen eine hohe Konzentration an Infrastruktur auf mit<br />

besonderer Herausforderung für künftige Katastrophenvorsorgemaßnahmen<br />

und Risikominderungsaktivitäten.<br />

Für Deutschland stellt sich das typische Problem, dass kleine<br />

Eintreffenswahrscheinlichkeiten potentiell schwerwiegende<br />

finanzielle Verluste hervorrufen. Dadurch sind Erdbeben-Risikoanalysen<br />

unentbehrlich für Planer, Versicherer<br />

und Entscheidungsträger zur Vorsorge bei möglichen<br />

künftigen seismischen Ereignissen größeren Ausmaßes,<br />

wie diese in der Historie mehrfach aufgetreten sind. Hinsichtlich<br />

der Karten und weiterer Details zur Erdbebenrisikokartierung<br />

Deutschlands sei auf die Berichterstattung der<br />

Sektion 5.3 in diesem Berichtband verwiesen.<br />

Ermittlung des Sturmschadensrisikos für Wohngebäude<br />

in Deutschland und Erstellung einer hochaufgelösten<br />

Risikokarte<br />

Winterstürme fordern in Deutschland Jahr für Jahr Tote<br />

und Verletzte und verursachen insbesondere an Wohngebäuden<br />

Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe. Laut<br />

Versicherungswirtschaft stellt Sturm in unseren Breitengraden<br />

die teuerste Naturgefahr dar, und es muss in Hinblick<br />

auf den Klimawandel mit intensiveren und häufigeren<br />

Stürmen gerechnet werden.<br />

Die Quantifizierung des Sturmschadensrisikos (Schadenserwartungswerte)<br />

ist für Vorsorge, Anpassungs- und<br />

Bewältigungsmaßnahmen unerlässlich. Im vorliegenden<br />

Vorhaben wird deshalb eine Sturmschadensrisikokarte für<br />

Wohngebäude für ganz Deutschland erstellt. Eine solche<br />

bundesweite Risikokartierung wurde bisher noch nicht<br />

durchgeführt und verlässliche Angaben über das Sturmrisiko<br />

in hoher räumlicher Auflösung fehlen gänzlich.<br />

Das Projekt besteht aus zwei eng miteinander verzahnten<br />

Teilprojekten. Das Teilprojekt am Institut für Meteorologie<br />

und Klimaforschung (Universität Karlsruhe/Forschungszentrum<br />

Karlsruhe) befasst sich mit der Sturmgefährdung;<br />

am Laboratorium für Gebäude- und Umweltaerodynamik<br />

des Instituts für Hydromechanik (Universität<br />

Karlsruhe) werden die Berechnungen zur Vulnerabilität<br />

von Gebäudestrukturen und zum Sturmschadensrisiko<br />

durchgeführt.<br />

Die Ziele des Projekts sind, ein Verfahren zur bundesweiten<br />

Abschätzung des Sturmschadensrisikos in hoher räumlicher<br />

Auflösung zu entwickeln, Sturmgefährdungskarten<br />

für beliebige Überschreitungswahrscheinlichkeiten mit<br />

einer Auflösung von 1 x 1 km 2 zu erstellen sowie die Schadensanfälligkeit<br />

von existierenden Wohngebäuden zu<br />

modellieren.<br />

Im Projekt wurden folgende Arbeiten durchgeführt:<br />

Mit Hilfe von Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes<br />

(DWD) wurden die stärksten Sturmereignisse der letzten<br />

30 Jahre detektiert. Für die räumlich hoch aufgelöste<br />

Starkwindsimulation dieser Sturmereignisse wurde das<br />

numerische Modell KAMM (Karlsruher Atmosphärisches<br />

Mesoscaliges Modell) modifiziert. Die Anfangsfelder<br />

für das Modell wurden mittels eines Tools aus<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


ERA-40 Daten des ECMWF gewonnen. Mit extremwertstatistischen<br />

Methoden wurde dann an jedem Punkt des<br />

1 km x 1 km Rasters eine Verteilungsfunktion (Gumbel)<br />

angepasst, mit der Aussagen über die Auftretenswahrscheinlichkeiten<br />

bestimmter Windgeschwindigkeiten an<br />

einem bestimmten Ort gemacht werden können.<br />

Die Vulnerabilität von privaten Wohngebäuden wurde mit<br />

Schadensfunktionen abgeschätzt. Dazu wurde ein theoretisches<br />

Modell erstellt und mit Schadensdaten vergangener<br />

Sturmereignisse der SV-Gebäudeversicherung Baden-<br />

Württemberg kalibriert und validiert. Dieses Modell ermöglicht<br />

die Berechnung der Anzahl der betroffenen<br />

Gebäude und der Schadenshöhe innerhalb einer Gemeinde<br />

in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeiten und der<br />

Ortslage.<br />

Die Verknüpfung von Sturmgefährdung, Vulnerabilität<br />

und betroffenen Werten resultiert in der Risikoabschätzung.<br />

Dazu wurden mit Hilfe von Monte-Carlo-Methoden<br />

für jede Gemeinde spezifische Schadens-Häufigkeitskurven<br />

(Risikokurven) erstellt. Es lassen sich für jährliche<br />

Überschreitenswahrscheinlichkeiten bis pmin = 0,005<br />

(das entspricht einer mittleren Wiederkehrperiode von<br />

200 Jahren) die zu erwartenden Schäden inklusive einer<br />

Angabe der Unsicherheiten ablesen.<br />

Mit dieser Vorgehensweise konnten folgende Ergebnisse<br />

erzielt werden:<br />

Die Starkwindgefährdungskarte für Baden-Württemberg<br />

(Abb. 5) veranschaulicht die stark von den orographischen<br />

Gegebenheiten geprägte Gefährdung im südwestdeutschen<br />

Raum. Diese führen zu großen räumlichen Unterschieden<br />

in der Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Windgeschwindigkeiten.<br />

Windgeschwindigkeiten von 45 m/s, die<br />

am Feldberg in fast jedem Jahr auftreten, erwartet man in<br />

Freiburg nur alle 200 Jahre. Allgemein liegen die Werte in<br />

dem zu erwartenden Bereich. Während Geschwindigkeitsmaxima<br />

an Flanken, Kanten und Kuppen auftreten, befinden<br />

sich die Minima meist in kleinen und engen Tälern.<br />

Das Schadensrisiko für bestimmte Gebiete innerhalb<br />

Baden-Württembergs ist in Abbildung 6 dargestellt. Die<br />

statistisch am stärksten betroffenen Gebiete liegen entlang<br />

des östlichen Schwarzwaldes und der nord-westlichen<br />

Schwäbischen Alb.<br />

Des Weiteren wurden fiktive Sturmszenarien berechnet.<br />

Bei einem Sturmszenario mit 10 % höheren Windgeschwindigkeiten<br />

als beim Orkan „Lothar“ (26. 12. 1999)<br />

muss für Baden-Württemberg mit der dreifachen Schadenshöhe<br />

und der doppelten Anzahl der betroffenen<br />

Gebäude gerechnet werden.<br />

Methodenentwicklung für eine verbesserte Hochwasserrisikoabschätzung<br />

Trotz der Tatsache, dass Hochwasserereignisse natürliche<br />

Erscheinungen sind, die schon immer aufgetreten sind und<br />

auch zukünftig immer wieder auftreten werden, ist in den<br />

Abb. 5: Starkwindgefährdungskarte für Baden-Württemberg.<br />

Dargestellt ist die Böenwindgeschwindigkeit die mit<br />

einer jährlichen Wahrscheinlichkeit von 2 % erreicht oder<br />

überschritten wird.<br />

Storm hazard map for Baden-Württemberg. The map<br />

shows the wind gust velocity which is equaled or exceeded<br />

with an annual probability of 2 %.<br />

Abb.6:Sturmschadensrisikokarte für Baden-Württemberg.<br />

Dargestellt ist der Schaden, der mit einer jährlichen Wahrscheinlichkeit<br />

von 1 % erreicht oder überschritten wird.<br />

Storm damage risk map for Baden-Württemberg. The<br />

map shows the damage which is equaled or exceeded with<br />

an annual probability of 1 %.<br />

letzten Jahrzehnten ein Anstieg der durch Hochwasser verursachten<br />

Schäden zu verzeichnen. Ein wesentlicher Faktor<br />

ist hierbei die Siedlungsentwicklung der letzten Jahre<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

147


148<br />

Abb. 7a, b: Schäden an der Verkehrsinfrastruktur durch Hochwassereinwirkung (Bulgarien, Juli <strong>2005</strong>, Fotos: A. Thieken,<br />

<strong>GFZ</strong>)<br />

Damage to public infrastructure caused by a severe flood event (Bulgaria, July <strong>2005</strong>)<br />

und Jahrzehnte, die zu einem ständigen Wertezuwachs in<br />

gewässernahen Bereichen geführt hat. In Deutschland verursachten<br />

zum Beispiel die Rheinhochwasser der Jahre<br />

1993 und 1995 insgesamt 810 Mio. €, das 1997er Oderhochwasser<br />

330 Mio. €, das Pfingsthochwasser 1999 an<br />

der Donau 412 Mio. € und das Augusthochwasser 2002<br />

an der Elbe und Donau 11.800 Mio. € Schaden (Kron,<br />

<strong>2004</strong>). Der Bedarf an verbesserten Methoden zur Einschätzung<br />

des Hochwasserrisikos und an räumlichen<br />

Daten, insbesondere an Gefahren- und Risikokarten, für die<br />

Verbesserung des Risikomanagements ist offensichtlich.<br />

Somit lag der Fokus des Teilprojektes „Hochwasserrisiko“<br />

auf der Entwicklung verbesserter Methoden zur Gefahrenund<br />

Vulnerabilitätsabschätzung sowie der Hochwasserrisikokartierung.<br />

Die Methodenentwicklung und ihre Implementierung<br />

in operationelle Werkzeuge wurden in ausgewählten<br />

Testgebieten durchgeführt. Die entwickelten Methoden<br />

sind auf andere Flüsse übertragbar (Abb. 7a,b).<br />

Entsprechend dem Konzept der Risikoanalyse (vgl. Abb. 2)<br />

wird der Bereich Hochwasser in den Teilprojekten „Hydrologie“,<br />

„Hydraulik“, „mikroskalige Schadenabschätzung“<br />

(Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik der Universität<br />

Karlsruhe) und „mesoskalige Schadenabschät-<br />

zung“ (Sektion Ingenieurhydrologie am GeoForschungs-<br />

Zentrum Potsdam) bearbeitet.<br />

In der Hydrologie wurde das Regionalisierungsmodell für<br />

Hochwasserabfluss-Kennwerte in Baden-Württemberg<br />

(LfU, 1999; 2001) für den Extrembereich, das heißt für<br />

Wiederkehrintervalle zwischen 200 und 10.000 Jahren,<br />

erweitert. Die Validierung erfolgte durch den Vergleich der<br />

berechneten Hochwasserabfluss-Kennwerte mit den Ergebnissen<br />

extremwertstatistischer Analysen an verfügbaren<br />

Pegelstellen und mit den Ergebnissen einer Niederschlags-Abflussmodellierung<br />

im Einzugsgebiet der Fils.<br />

Im hydraulischen Teil des Projektes wurde als Referenzszenario<br />

für Extremereignisse das Hochwasser im Jahr<br />

1824 am Neckar modelliert, und das Hochwassersimulationsmodell<br />

Neckar für Extremsituationen erweitert. Die<br />

Unsicherheiten in der Berechnung der Wasserstände und<br />

als Folge auch die Auswirkungen auf die berechneten<br />

Hochwasserschäden wurden analysiert.<br />

Für die mikroskalige Schadenabschätzung wurde auf<br />

Basis des Hochwassersimulationsmodells für den Neckar<br />

eine spezifische Modellkomponente zur Schadenabschät-<br />

Abb. 8: Mittlere Schadensätze für Wohngebäude und Hausrat für verschiedene Teildatensätze<br />

Mean damage ratios of buildings and contents for different sub-samples<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 9: Mittlere Wohngebäudezusammensetzung in Deutschland<br />

Mean residential building structure in Germany<br />

zung entwickelt, so dass ein praktisches, GIS-basiertes<br />

Tool zur Hochwasserschadenanalyse bereitgestellt werden<br />

konnte. Da Voruntersuchungen gezeigt hatten, dass<br />

die Variabilität in den Schadendaten und somit die Unsicherheit<br />

bei der Schadenabschätzung um so geringer wird,<br />

je mehr spezifizierende Einflussfaktoren berücksichtigt<br />

werden, wurde für die mesoskalige Schadenabschätzung<br />

ein multifaktorielles regelbasiertes Schadenabschätzungsmodell<br />

entwickelt.<br />

Um die Zusammenhänge zwischen den Ereignisfaktoren<br />

und dem resultierenden Schaden besser zu verstehen, und<br />

daraus ein multifaktorielles Schadensmodell für private<br />

Haushalte zu entwickeln, wurden zunächst<br />

Schadendaten nach dem Hochwasser<br />

2002 analysiert, die wichtigsten<br />

schadenbeeinflussenden Faktoren identifiziert<br />

und Indikatoren, z. B. für Hochwasservorsorge<br />

und Kontamination gebildet.<br />

Als wichtige Faktoren wurden der<br />

Wasserstand, der Gebäudetyp, die Gebäudequalität,<br />

Vorsorge und Kontamination<br />

identifiziert. Die 1697 Einzelschäden wurden<br />

zunächst in Teildatensätze eingeteilt,<br />

entsprechend den Faktoren Wasserstand<br />

(bis 20 cm, 21 bis 60 cm, 61 bis 100 cm,<br />

101 bis 150 cm, über 150 cm), Gebäudetyp<br />

(Einfamilienhaus, Reihen-/Doppelhaus,<br />

Mehrfamilienhaus) und Gebäudequalität<br />

(mittel, sehr gut). Da nicht alle<br />

Teildatensätze für „sehr gute Gebäude-<br />

qualität“ besetzt waren, wurden die statistischen<br />

Kenngrößen für die mittlere Gebäudequalität<br />

berechnet, und für die sehr<br />

gute Gebäudequalität wurden durchschnittliche<br />

„Aufschläge“ (Skalierungsfaktoren)<br />

abgeschätzt (Abb. 8). Entsprechend<br />

wurden auch Zu- und Abschläge<br />

(Skalierungsfaktoren) für die Fälle<br />

„keine Kontamination – keine Vorsorge“,<br />

bis „keine Kontamination – sehr gute Vorsorge“<br />

und „starke Kontamination – keine<br />

Vorsorge“ berechnet. Um diese auf einzelne<br />

Gebäude bezogenen Werte auf<br />

die Mesoskala zu übertragen, wurde die<br />

Wohngebäudestruktur mit Hilfe der<br />

INFAS-GEOdaten (2001) analysiert und<br />

in fünf Typen unterteilt (Abb. 9). Für jede<br />

Kombination von Einflussfaktoren in den<br />

fünf Gebäudestrukturtypen werden mittlere<br />

Schadenssätze berechnet, was die<br />

deutschlandweite Anwendung des Schadenmodells<br />

ermöglicht.<br />

Zusammenführung der Ergebnisse<br />

im CEDIM Risk Explorer<br />

Um alle Projektergebnisse einheitlich<br />

aufzubereiten und in einem System zu<br />

veröffentlichen, wurde ein Konzept für<br />

einen internetbasierten Kartenservice<br />

erarbeitet. Dafür wurde zunächst die vorhandene Client-<br />

Server-Struktur des CEDIM Data Center (s. o.) genutzt<br />

und parallel zum bestehenden Geodatenservice ein neuer<br />

Kartenservice „CEDIM Risk Explorer“ aufgesetzt, der<br />

ebenfalls auf dem Internet Map Service ArcIMS von ESRI<br />

beruht (Abb. 10). Für den Kartenservice wurde eine der<br />

neuen Bestimmung angepasste grafische Oberfläche<br />

erzeugt. Außerdem wurden die Funktionalitäten angepasst<br />

und z. B. um eine Druckfunktion ergänzt.<br />

Die in CEDIM erarbeiteten Karten werden im CEDIM<br />

Risk Explorer nach Gefahren-, Vulnerabilitäts- und Risikokarten<br />

sowie nach den Katastrophentypen eingeteilt.<br />

Abb. 10: Client-Server-Struktur des digitalen Risikoatlas (Prototyp)<br />

Client-Server-Structure of the digital risk atlas (Prototype)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

149


150<br />

Abb. 11: Gestaltung des „CEDIM Risk Explorer“ Inhaltsverzeichnis, Kartenfenster, Werkzeugleiste<br />

Layout of the CEDIM Risk Explorer – table of contents, map window, toolbar<br />

Einzelne Karten können für die Visualisierung ausgewählt<br />

und miteinander kombiniert werden. Die Abb. 11 zeigt ein<br />

Beispiel. Durch das Software Tool „CEDIM Risk Explorer“<br />

wurde ein nutzerorientiertes Werkzeug geschaffen,<br />

mit dem zukünftige Daten und Ergebnisse verschiedener<br />

CEDIM-Projekte konsequent aufgenommen und dargestellt<br />

werden können.<br />

Ausblick<br />

Im CEDIM-Projekt „Risikokarte Deutschland“ wurden<br />

neue Methoden zur großskaligen Abschätzung von Risiken<br />

durch die Naturgefahren Erdbeben, Sturm und Hochwasser<br />

entwickelt. Diese erlauben es, regionale Gefahrenund<br />

Risikokarten zu erstellen. Während die Arbeiten im<br />

Teilprojekt „Erdbebenrisiko“ weitgehend abgeschlossen<br />

sind, wird im Teilprojekt „Sturmrisiko“ das Verfahren, das<br />

für Baden-Württemberg entwickelt wurde, weiter vereinfacht,<br />

damit es auf ganz Deutschland angewendet werden<br />

kann. Für die Abschätzung des Hochwasserrisikos liegt<br />

ein mesoskaliges Schadenmodell vor, dass es erlaubt,<br />

großräumige Schadenabschätzungen durchzuführen. Aufgrund<br />

der Komplexität der Prozesse und der erforderlichen<br />

Genauigkeit ist die Erstellung großräumiger Hochwasserszenarien<br />

eine zukünftige Aufgabe dieses Teilprojektes.<br />

Wenn für alle Naturgefahren großräumige Abschätzungen<br />

vorliegen, kann ein quantitativer Vergleich der drei<br />

Naturgefahren für Deutschland durchgeführt werden.<br />

Literatur:<br />

BBR (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung): INKAR 2003 – Indikatoren<br />

und Karten zur Raumentwicklung 2003, CD-ROM, Bonn, 2003.<br />

BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen): Normalherstellungskosten<br />

2000 (NHK 2000), Berlin, 2001.<br />

Büchele, B., Kreibich, H., Kron, A., Thieken, A.H., Ihringer, J., Oberle, P., Merz,<br />

B., Nestmann, F.: Flood-risk mapping: contributions towards an enhanced assessment<br />

of extreme events and associated risks. – Submitted to NHESS, 2006.<br />

CEDIM: Glossary: Terms and definitions in risk science. http://www.rz.uni-karlsruhe.de/~gd202/www.cedim/english/seite_16.php,<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Crichton, D.: The Risk Triangle. In: Ingleton, J. (ed.): Natural Disaster Management.<br />

Tudor Rose, London, pp. 102-103, 1999.<br />

Gallego, J.: Using land cover information to map population density, Statistical<br />

Commission and Economic Commission for Europe. Conference of European Statisticians,<br />

Tallinn, Estonia, Working Paper No. 21, 1-10, 2001.<br />

Grünthal, G. (Editor): 1998, European Macroseismic Scale 1998 (EMS-98),<br />

Cahiers du Centre Européen de Géodynamique et de Séismologie, Volume 15,<br />

99 pp., Luxembourg.<br />

Grünthal, G., Mayer-Rosa, D. and Lenhardt, W. A.: 1998, Abschätzung der Erdbebengefährdung<br />

für die D-A-CH-Staaten – Deutschland, Österreich, Schweiz,<br />

Bautechnik 75, 10, 753-767.<br />

Grünthal, G., Thieken, A.H., Schwarz, J., Radtke, K., Smolka, A., Merz, B.: Comparative<br />

risk assessment for the city of Cologne, Germany – storms, floods, earthquakes.<br />

– Natural Hazards, 38(1-2): 21-44, DOI: DO00018598, 2006.<br />

Heneka, P., Hofherr, T., Ruck, B., Kottmeier, Ch : Development of a striom damage<br />

risk assessment method nad application to the German state of Baden-Württemberg.<br />

– Submitted to NHESS, 2006.<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Kaplan, S., Garrick, B. J.: On the quantitative definition of risk, Risk Analysis, 1(1),<br />

11-27, 1981.<br />

Kleist L., Thieken A., Köhler P., Müller, M., Seifert I., Borst D., Werner U.: Estimation<br />

of the regional stock of residential buildings as a basis for comparative risk<br />

assessment for Germany, Submitted to NHESS, 2006.<br />

Köhler, P., Müller, M., Sanders, M., Wächter, J.: Data management and GIS in<br />

CEDIM: From integrated spatial data to the mapping of risk. – Submitted to<br />

NHESS, 2006.<br />

Kron, W.: Zunehmende Überschwemmungsschäden: Eine Gefahr für die Versicherungswirtschaft?<br />

ATV-DVWK: Bundestagung 15.-16.09.<strong>2004</strong> in Würzburg,<br />

DCM, Meckenheim, 47-63, <strong>2004</strong>.<br />

LfU (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg): Hochwasserabfluss-<br />

Wahrscheinlichkeiten in Baden-Württemberg. Oberirdische Gewässer/Gewässerökologie<br />

54, Karlsruhe, 1999.<br />

LfU (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg): Hochwasserabfluss-<br />

Wahrscheinlichkeiten in Baden-Württemberg – CD. Oberirdische Gewässer/<br />

Gewässerökologie 69, Karlsruhe, 2001.<br />

Merz, B., A.H. Thieken: Flood risk analysis: Concepts and challenges. – Österreichische<br />

Wasser- und Abfallwirtschaft, 56(3-4): 27-34, <strong>2004</strong>.<br />

Statistisches Bundesamt: GENESIS online. 3. Wohnen, Umwelt. https://www.<br />

genesis.destatis.de, Wiesbaden, 2003.<br />

Thieken, A.H., M. Müller, L. Kleist, I. Seifert, D. Borst, U. Werner: Regionalisation<br />

of asset values for risk analyses. – Accepted at NHESS, 2006 (in press).<br />

Tjagunov, S., G. Grünthal, R. Wahlström, L. Stempniewski, J. Zschau: Seismic risk<br />

mapping for Germany. – Submitted to NHESS, 2006.<br />

Wahlström, R., S. Tjagunov, G. Grünthal, L. Stempniewski, J. Zschau, M. Müller<br />

(<strong>2004</strong>): Seismic risk anaylsis for Germany : Methodology and preliminary results.<br />

In : Malzahn, D. & T. Plapp (Hrsg.): Disasters and Society – from Hazard Assessment<br />

to risk calculation, Logos-Verlag, Berlin, S. 83-90.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

151


152<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Das Industrie-Partnerschaftprogramm (IPP):<br />

Internationale Kooperation zur Erforschung<br />

von Kohlenwasserstoffsystemen<br />

Brian Horsfield, Volker Dieckmann, Rolando di Primio, Heinz Wilkes, Andrea Vieth<br />

Global energy requirements are growing rapidly driven mainly by the industrialisation of third world countries. The<br />

increasing energy demand is still being largely covered by fossil fuels, although it is evident that new energy sources<br />

will be required in the future. Improving petroleum exploration efficiency and recovery rates are, hence, of critical<br />

importance in ensuring the supply of fossil fuels. Additionally, growing environmental concerns and energy saving policies<br />

require a focus on clean energy sources. With that perspective in mind, finding high quality petroleum and especially<br />

natural gas is of major interest, as evident from the European Union programme supporting research on the formation<br />

and production of conventional and non-conventional gas reservoirs.<br />

The Industry Partnership Programme (IPP) at <strong>GFZ</strong> Potsdam offers the petroleum industry the possibility to work towards<br />

achieving these goals by actively participating in our research programme. The main principle here is not to offer research<br />

on demand, but to co-operatively define areas of scientific collaboration. Such an industry involvement in research<br />

is of special interest for the field Fluid Dynamics and Basin Evolution, which is one of the three main research<br />

themes of our group. Our IPP projects focus on furthering the understanding of the processes controlling the generation,<br />

distribution and degradation of petroleum and are, hence, of direct relevance for the main goals of petroleum<br />

exploration. 12 companies are currently taking part in one or more projects. Participation in our IPP programme allows<br />

the petroleum industry to be actively involved in the forefront of research. Current ongoing projects include investigations<br />

on the prediction of petroleum phase and composition, the use of petroleum asphaltenes as a representative of<br />

source rock organic matter, the early generation of natural gas, and petroleum biodegradation in reservoirs.<br />

Energie und Umwelt<br />

Der globale Energiebedarf wächst kontinuierlich infolge<br />

zunehmender Industrialisierung in der Dritten Welt und<br />

der weltweiten Verbesserung des Lebensstandards. Dabei<br />

wird die Nachfrage auch weiterhin überwiegend durch<br />

fossile Energieträger gedeckt. In Deutschland werden<br />

80 % der benötigten Energie durch die Verbrennung von<br />

Erdgas, Erdöl und Kohle und nur 20 % durch Wasserkraft,<br />

Atom-, Wind-, Sonnen- und geothermische Energie bereitgestellt.<br />

Man geht davon aus, dass die Weltwirtschaft<br />

mindestens in den nächsten 50, wahrscheinlicher aber<br />

100 Jahren stark auf fossile Energieträger angewiesen sein<br />

wird. Nichtsdestoweniger wird immer klarer, dass etwa<br />

bis zum Jahre 2020 neue Energiequellen erschlossen werden<br />

müssen, da zu diesem Zeitpunkt die Nachfrage das<br />

abnehmende Angebot fossiler Energiequellen übersteigen<br />

wird. Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen<br />

wegen seiner Pläne zum Ausstieg aus der Atomenergie<br />

müssen daher die Verfügbarkeit fossiler Energieträger<br />

sicherstellen, bis andere Energiequellen eine wettbewerbsfähige<br />

Alternative bieten. In der nahen Zukunft<br />

wird es darauf ankommen, die Explorations- und Produktionseffizienz<br />

insbesondere in Nicht-OPEC Ländern<br />

zu erhöhen. Weitere Informationen zu diesem Thema findet<br />

der Leser in einem kürzlich erschienenen Übersichtsartikel<br />

(Welte, <strong>2004</strong>).<br />

Neben dem Ziel, den industriellen Energiebedarf abzudecken,<br />

muss die moderne Kohlenwasserstoffexploration<br />

und -produktion in besonderer Weise die Bedürfnisse des<br />

Umweltschutzes und der nachhaltigen Nutzung von<br />

Ressourcen berücksichtigen. Aus dieser Perspektive ist<br />

der Fund stark schwefelhaltigen Öls im Gegensatz zu<br />

schwefelarmem Öl oder der Fund von Erdöl anstatt von<br />

Erdgas sehr unterschiedlich zu bewerten. Besonders zu<br />

erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass Erdgas als<br />

die saubere Energiequelle für das Europa des 21. Jahrhunderts<br />

angesehen wird, da es bei gleichem Energieinhalt<br />

im Vergleich zur Verbrennung von Kohle nur die Hälfte<br />

und im Vergleich zur Verbrennung von Erdöl nur zwei Drittel<br />

des Treibhausgases CO 2 freisetzt. Deshalb wurde die<br />

Forschungsförderung der Europäischen Union auf die<br />

Erforschung der Entstehung und Ausbeutung konventioneller<br />

und unkonventioneller Gaslagerstätten ausgerichtet.<br />

Partnerschaft mit der Industrie<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam beschäftigt sich mit gekoppelten Energie-<br />

und Umweltaspekten in seinem Industrie-Partnerschafts-Programm,<br />

kurz IPP, das durch die Unternehmen<br />

Wintershall und RWE-DEA aus Deutschland, ExxonMobil,<br />

Chevron und ConocoPhillips aus den USA, Petrobras<br />

Brasilien, BG Großbritannien, ENI-Agip Italien, Hydro<br />

und Statoil aus Norwegen, Shell Niederlande und Total<br />

Frankreich finanziert wird. Das seit drei Jahren laufende<br />

Programm ist weltweit eines der größten seiner Art.<br />

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich weltweit verschiedene<br />

Formen von Industriekooperationen entwi-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

153


154<br />

ckelt. In den meisten Fällen werden dabei<br />

Forschungsziele ausschließlich an den<br />

Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtet<br />

oder direkt von den Unternehmen<br />

vorgegeben. Dem breiten Spektrum an<br />

wissenschaftlichen Themen und dem<br />

Zusammenspiel verschiedener Disziplinen<br />

werden solche Kooperationen aber<br />

nicht gerecht, da oft nur einzelne, häufig<br />

tagesaktuelle Fragestellungen bearbeitet<br />

werden und keine langfristigen Strategien<br />

verfolgt werden können.<br />

Das IPP des <strong>GFZ</strong> Potsdam gründet sich<br />

hingegen auf einer partnerschaftlichen<br />

Zusammenarbeit. Die verschiedenen Forschungsprojekte<br />

sind in das Forschungsprogramm<br />

des <strong>GFZ</strong> eingebettet und sind<br />

somit Bestandteile unseres vordefinierten<br />

Gesamtforschungskonzepts. Die Ergebnisse<br />

sind nicht nur für die Unternehmen<br />

nutzbar, sondern führen oft zu entscheidenden<br />

Fortschritten in unserem<br />

Forschungsschwerpunkt „Fluidentwicklung<br />

und Dynamik sedimentärer Becken“.<br />

In Hinblick auf die Erdölindustrie wird<br />

Exploration mehr und mehr in Regionen<br />

betrieben, wo es zunehmend schwieriger<br />

wird, Erdöl und -gas zu finden. Gerade<br />

deshalb müssen alle chemischen, physikalischen<br />

und biologischen Prozesse, die<br />

die Entstehung, Migration, Lagerstättenbildung<br />

und den Abbau des Erdöls kontrollieren,<br />

äußerst präzise verstanden<br />

werden. Unsere IPP-Projekte werden vor<br />

allem deshalb in erheblichem Umfang<br />

durch die Industrie unterstützt, weil sie sich all diesen<br />

Themen unter Nutzung der aktuellsten und modernsten<br />

Forschungsansätze und Vorgehensweisen widmen.<br />

Forschung mit der (und nicht für die) Industrie ist eine entscheidende<br />

Komponente zum Erreichen unserer wissenschaftlichen<br />

Ziele. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Erstens<br />

eröffnet uns das IPP den Zugang zu wertvollem Probenmaterial<br />

und geologischer Information für unsere Forschung,<br />

die uns sonst nicht zur Verfügung stünden. Zweitens<br />

ermöglichen die finanziellen Mittel, die durch das<br />

IPP bereitstehen, jungen Wissenschaftlern, ihre Forschung<br />

als Postdocs fortzusetzen oder eine Doktorarbeit durchzuführen<br />

und sich so weiterzubilden. Und nicht zuletzt<br />

erhalten unsere jungen Wissenschaftler die nötigen Kontakte,<br />

um eine Karriere in der Industrie zu beginnen.<br />

Ein zweites wichtiges Element unserer IPP Aktivitäten ist<br />

neben der Forschung die Ausbildung. <strong>GFZ</strong>-Schulen, die<br />

unter der Schirmherrschaft des Marie-Curie-Centre of<br />

Excellence Eurobasin durchgeführt werden, beinhalten<br />

Lehrangebote, die Mitarbeiter aus der Industrie, der akademischen<br />

Forschung und Studenten auf den neuesten<br />

Stand bringen und als Ergänzung der Forschungsakti-<br />

Abb. 1: Die Deckung des Energiebedarfs wird zunehmend schwieriger. Um<br />

die Erfolgsaussichten zu verbessern, oder, in anderen Worten, um das Explorationsrisiko<br />

zu minimieren, ist die Erdölindustrie bestrebt, über konzeptionelle<br />

und technische Fortschritte auf dem Laufenden zu bleiben und neue<br />

Schlüsseltechnologien in die tägliche Praxis zu implementieren. „Den<br />

aktuellen Kenntnisstand erreichen“, „das neue Knowhow innerhalb der<br />

Firma anwenden“ und „auf dem Stand bleiben“ sind die drei wesentlichen<br />

Entwicklungsstufen, an denen das <strong>GFZ</strong> Potsdam und seine Kooperationpartner<br />

beteiligt sind. Das Industrie Partnerschaft Programm (IPP) ist das<br />

Forschungsportal des <strong>GFZ</strong>, das hochaktuelle Ansätze in die Industrie vermittelt.<br />

Replenishing energy reserves is becoming more and more difficult. In order<br />

to enhance the chance of success, in other words to minimize the exploration<br />

risk, the petroleum industry seeks to keep abreast of emerging conceptual<br />

and technical advances, and implement key elements into its business<br />

practice. „Getting up to date“, „Applying knowledge within the company“<br />

and „Staying up to date“ are the three stages of development. <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

and its cooperation partners are involved in all three. The Industry Partnership<br />

Program (IPP) is <strong>GFZ</strong> Potsdam's research portal, bringing cutting<br />

edge ideas into the industry.<br />

vitäten des IPP anzusehen sind („Stay up to Date“) (Abb. 1).<br />

Kurse zum Thema Petroleum System Evaluation: Fluid<br />

Compositional Prediction wurden bereits in Berlin<br />

und Perth (Australien) durchgeführt und sind für die<br />

Zukunft in Südamerika und China geplant. Außerdem<br />

werden allgemein zugängliche Informationsbriefe für die<br />

Industrie herausgegeben (http://www.gfz-potsdam.de/<br />

pb4/pg3/index.html).<br />

Die Grundlagen<br />

Bei der Suche nach Erdöl und Erdgas in einem Explorationsgebiet<br />

sind im Wesentlichen drei Fragestellungen von<br />

größter Bedeutung (Abb. 2):<br />

• Gibt es ein Kohlenwasserstoffmuttergestein?<br />

• Gibt es ein Trägergestein, welches die Migration von<br />

Kohlenwasserstoffen erlaubt?<br />

• Gibt es eine Lagerstättenstruktur, welche die Akkumulation<br />

von Kohlenwasserstoffen erlaubt?<br />

Die erfolgreiche Auffindung von Lagerstätten hängt ganz<br />

entscheidend von der genauen Kenntnis der Entstehung,<br />

der Verteilung, den Eigenschaften und den Veränderungen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2: Vier grundlegende Elemente müssen<br />

vorhanden sein, damit es zur Entstehung<br />

von Öl- und Gaslagerstätten kommen<br />

kann: ein Muttergestein, in dem Erdöl<br />

und/oder Erdgas gebildet wird, ein Träger-<br />

bzw. Reservoirgestein, durch das Öl<br />

und Gas aufgrund von Auftriebskräften<br />

migrieren, ein undurchlässiges Deckgestein,<br />

das den Verbleib der Kohlenwasserstoffe<br />

in der Lagerstätte gewährleistet,<br />

sowie eine geologische Falle, in der Erdöl<br />

und Erdgas akkumulieren können. Die<br />

Geschwindigkeit der Kohlenwasserstoffbildung,<br />

die Trennung von Öl und Gas<br />

während der Migration und der biologische<br />

Abbau von Erdöl in Lagerstätten werden<br />

in IPP Projekten untersucht.<br />

Petroleum formation requires four fundamental elements to be present or fulfilled: a source rock in which oil is generated<br />

and from which it is expelled, a carrier/reservoir rock into which the petroleum flows, and through which its<br />

migrates under the action of buoyancy, a seal to retain the oil within the reservoir and a geological trap in which the<br />

petroleum can accumulate. The speed of generation, segregation of oil and gas during migration, and the biological<br />

alteration of oil in traps are being addressed in IPP research projects.<br />

der entsprechenden Sedimente im Zuge der geologischen<br />

Entwicklung eines Sedimentbeckens ab. Darüber hinaus<br />

müssen bestimmte Druck- und Temperaturbedingungen im<br />

Untergrund erfüllt sein, damit Kohlenwasserstoffe entstehen,<br />

migrieren und akkumulieren können (Abb. 2). Die<br />

Rolle der Temperatur im Untergrund muss<br />

dabei hervorgehoben werden. Ihr Einfluss<br />

auf Sedimente ist der Antrieb für die verschiedensten<br />

thermischen und mikrobiellen<br />

Umwandlungsprozesse im sedimentären<br />

organischen Material in Muttergesteinen<br />

oder Lagerstätten.<br />

Genese<br />

Allgemein kann man zwischen thermischen<br />

und biochemischen Prozessen, die<br />

zur Bildung von Erdöl und Erdgas führen,<br />

unterscheiden. Erdöl und Erdgas werden<br />

aus organischer Substanz überwiegend<br />

pflanzlichen Ursprungs (Landpflanzen/<br />

Algen) gebildet. Dieses Material ist nach<br />

dem Absterben der verschiedenen Lebensformen<br />

durch sauerstoffarme Bedingungen<br />

in feinkörnigen Tonsteinen nicht verwittert,<br />

sondern in gewissen Grenzen erhalten<br />

geblieben. Erdöl und Erdgas sind dabei<br />

nichts anderes als Kohlenwasserstoffe,<br />

welche durch mikrobielle oder thermische<br />

Prozesse aus dem sedimentären organischen<br />

Material freigesetzt worden sind.<br />

Die thermische Umwandlung von festem<br />

organischem Material zu flüssigen oder<br />

gasförmigen Kohlenwasserstoffen setzt<br />

bei etwa 70 bis 120 °C ein. Der Beginn der<br />

Kohlenwasserstoffbildung wird von den<br />

Eigenschaften des ursprünglich eingela-<br />

gerten organischen Materials, insbesondere seiner Stabilität,<br />

kontrolliert. Wichtige Kenngrößen sind der Ursprung<br />

des organischen Materials aus Pflanzen und/oder Algen, die<br />

Umweltbedingungen während der Ablagerung sowie das<br />

Ausmaß der Absenkung in Bereiche höherer Temperaturen.<br />

Abb. 3: Die Kohlenwasserstoffbildung wird im Labor durch Aufheizexperimente<br />

mit unreifen Muttergesteinen simuliert. Die Ergebnisse werden zur<br />

Berechnung von Aktivierungsenergien (E a) und Frequenzfaktoren (A) benutzt,<br />

die im Prinzip die Stärke der chemischen Bindungen widerspiegeln,<br />

die im Verlauf der Kohlenwasserstoffbildung gebrochen werden müssen. Die<br />

Anwendung dieser Parameter auf die Aufheizgeschichte von Sedimentbecken<br />

ermöglicht die Ermittlung der Erdöl- und Erdgasbildungsraten. Das<br />

Foto zeigt die Vorbereitung eines solchen Experiments in unserem Pyrolyselabor<br />

(Foto: K. Günter, <strong>GFZ</strong>).<br />

Petroleum generation is simulated via the heating of immature source rock<br />

samples in the laboratory. The results are used to calculate activation energies<br />

(E a) and frequency factors (A) which essentially define the strengths of<br />

the chemical bonds that have to be broken in order for generation to proceed.<br />

These parameters, when applied to the heating history of source rocks in sedimentary<br />

basins, allow rates of generation to be calculated. The picture shows<br />

the preparation of such an experiment in our pyrolysis laboratory.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

155


156<br />

Erdöl und Erdgas werden durch die Spaltung chemischer<br />

Bindungen im sedimentären organischen Material<br />

während der Absenkung des Sediments gebildet.<br />

Diese Prozesse können in Laborexperimenten – so<br />

genannten Pyrolyseexperimenten – simuliert werden<br />

und durch die Anwendung chemisch-physikalischer<br />

Gesetzmäßigkeiten – den Gesetzen der Reaktionskinetik<br />

– für natürliche Ablagerungsräume rekonstruiert<br />

werden (Abb. 3).<br />

Migration<br />

Sobald Kohlenwasserstoffe in einem Muttergestein in<br />

hinreichender Menge gebildet worden sind, setzen sie<br />

sich aufgrund des hohen Drucks und der Auftriebskräfte<br />

in Bewegung. Bei diesem als Migration bezeichneten Prozess<br />

wandern die verschiedenartigen Kohlenwasserstoffgemische<br />

durch poröse und permeable Trägersteine entlang<br />

der Deckgesteine in flachere Regionen. Die Migrationswege<br />

werden im Wesentlichen von der Struktur des<br />

auflagernden dichten Deckgesteins kontrolliert. Die<br />

Erdöl- und Erdgasgemische wandern dabei aus dem<br />

Hochtemperatur-Hochdruck-Bereich der Muttergesteine<br />

in Zonen mit relativ niedrigen Temperaturen und Drü-<br />

cken. Die konstante Abnahme von Temperatur und Druck<br />

während der Migration der Öl- oder Gasphasen hat einen<br />

entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung und<br />

den Phasenzustand. So kann sich ein einphasiges Fluid<br />

(Gas oder Öl) in eine flüssige und eine gasförmige Phase<br />

trennen; der umgekehrte Vorgang ist ebenfalls möglich.<br />

Wann und wo diese Separationsprozesse stattfinden, ist<br />

im Wesentlichen von der Zusammensetzung des ursprünglich<br />

gebildeten Erdöls/Erdgases und den regionalen<br />

Druck- und Temperaturbedingungen abhängig (Abb. 4).<br />

Akkumulation<br />

Abb. 4: Einphasige Kohlenwasserstofffluide können sich in eine flüssige und<br />

eine gasförmige Phase trennen, wenn der Migrationsweg in Bereiche niedrigen<br />

Drucks und niedriger Temperatur führt. Ob jeweils ein Ein- oder Zweiphasensystem<br />

vorliegt, hängt auch von der Zusammensetzung des Fluids ab.<br />

Gas (rot) und Öl (grün) können gegebenenfalls in getrennten Fallen akkumulieren,<br />

wie das hier dargestellte Ergebnis einer Beckenmodellierung<br />

zeigt. Pfeile zeigen migrierende Fluide an.<br />

Petroleums may segregate into fluid and gaseous phases if their migration<br />

pathways lead into low pressure and low temperature levels. Whether a single<br />

or two-phase system exists is also dependent on the composition of the<br />

petroleum. Gases (red) and oils (green) may eventually accumulate separately,<br />

as shown in this output from a petroleum system model. Arrows indicate<br />

migrating fluids.<br />

Die Lagerstätten von Erdöl und Erdgas sind an Fallenstrukturen<br />

gebunden, welche eine weitere Migration der<br />

Kohlenwasserstoffe stoppen. Es kann sich dabei um tektonische<br />

Faltungen und Störungszonen oder aber auch<br />

durch Faziesänderungen entstandene poröse Sedimentlinsen<br />

und -kanäle handeln. Weil die Kohlenwasserstoffe diesen<br />

Strukturen nur schlecht entweichen können, werden sie<br />

hier oft nachhaltig verändert. Im Zuge der weiteren geologischen<br />

Entwicklung können Lagerstätten z. B. in größere<br />

Teufen abgesenkt oder in flachere Zonen angehoben werden.<br />

Dadurch können nach der Akkumulation der Kohlenwasserstoffe<br />

in der Lagerstätte Umwandlungen<br />

von Öl zu Gas oder auch mikrobielle<br />

Abbauprozesse stattfinden.<br />

Im Folgenden werden die Hauptprojekte<br />

dargestellt.<br />

Vorhersage der Erdöl- und Erdgaszusammensetzung<br />

Hintergrund<br />

Die Bildung und Zusammensetzung von<br />

Erdöl und Erdgas in der Natur wird durch<br />

eine Reihe von Prozessen gesteuert. Aus<br />

der Kenntnis der Art des eingelagerten<br />

organischen Materials können die Muttergesteine<br />

grob klassifiziert und erste Einschätzungen<br />

bezüglich der zu erwartenden<br />

Erdöle und Erdgase gemacht werden<br />

(Abb. 5). Während konventionelle Klassifizierungen<br />

sich im wesentlichen nach der<br />

Menge der generierten Kohlenwasserstoffe<br />

richten, wurde im <strong>GFZ</strong> Potsdam und in<br />

den IPP-Projekten eine Klassifizierung<br />

nach Organofaziestypen etabliert, die direkten<br />

Bezug auf die Zusammensetzung<br />

der entsprechenden Produkte nimmt. In<br />

Zusammenhang damit steht die Vorhersage<br />

des Phasenverhaltens und somit der<br />

Veränderung der Kohlenwasserstoffzusammensetzung<br />

während der Migration.<br />

Von entscheidender Bedeutung sowohl für<br />

Zeitpunkt und Ort dieser Prozesse als auch<br />

für die Produkte der Phasenseparierung<br />

ist die ursprüngliche Zusammensetzung<br />

der Gemische. Neben den Druck- und<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5: Die Analyse von Muttergesteinen aus unterschiedlichen Explorationsgebieten in aller Welt zeigt, dass<br />

deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der gebildeten Kohlenwasserstoffe zu erwarten sind. Die chemische<br />

Zusammensetzung des organischen Materials im Muttergestein, die weitgehend von der Art der Pflanzen<br />

und Algen im Ablagerungsgebiet abhängt, bestimmt ihrerseits die Art des Erdöls oder Erdgases, das gebildet<br />

wird. Das Dreieck belegt, dass unterschiedliche Öl- und Gastypen durch Pyrolyseexperimente erkannt werden<br />

können. Das zweite Diagramm, das die Ergebnisse anderer Aufheizexperimente und Zustandsgleichungen verwendet,<br />

zeigt die Reaktion unterschiedlicher Erdöl- und Erdgastypen auf Veränderungen von Druck und Temperatur.<br />

Analysis of source rocks from different exploration areas from all over the world shows that significant differences in<br />

the composition of the newly formed hydrocarbons are to be expected. The organic chemical composition of the organic<br />

matter in the source rock, governed largely by the types of plants and algae living in and around the site of deposition,<br />

determine the types of petroleum that source rock may generate during deep burial. The triangle shows that different<br />

basic petroleum types can be recognised by laboratory heating experiments. The second diagram, constructed<br />

from other laboratory heating experiments and petroleum engineering equations of state, shows how the different types<br />

of petroleum respond to changing pressure and temperature.<br />

Temperaturbedingungen in einem Sedimentbecken spielt<br />

die Gaszusammensetzung eine übergeordnete Rolle.<br />

Wichtigster Gradmesser ist der Methananteil in der Gasfraktion<br />

und der Gasanteil in dem Produktgemisch.<br />

Obwohl in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Vorhersage<br />

der Erdölzusammensetzung große Fortschritte<br />

gemacht wurden, ist es nur sehr eingeschränkt gelungen,<br />

die Gaszusammensetzung in geologischen Systemen korrekt<br />

vorherzusagen, da eklatante Unterschiede zwischen<br />

Laboruntersuchungen und der Natur zu beobachten sind.<br />

Ziel<br />

In diesem Projekt sollen die Kohlenwasserstoffgenese aus<br />

unterschiedlichsten Muttergesteinstypen untersucht und<br />

erste Modelle zur genauen Vorhersage des Phasenverhaltens<br />

und der Qualität von Erdöl und Erdgas in Lagerstätten<br />

entwickelt werden.<br />

Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

Es wurden in diesem Projekt erstmals Muttergesteine<br />

unterschiedlichster geographischer Herkunft (Brasilien,<br />

Norwegen, Italien, Westafrika) unter dem Gesichtspunkt<br />

des Phasenverhaltens untersucht. Hierauf aufbauend<br />

wurde ein global gültiges Konzept zur Vorhersage der<br />

Erdöl- und Erdgaszusammensetzung entwickelt. Die geologischen<br />

Rahmenbedingungen reichen dabei von passiven<br />

Kontinentalrändern über deltaische Gebiete bis hin zu<br />

Riftbecken. Der Bogen spannt sich von Muttergesteinen<br />

lakustriner und mariner Ablagerungsräume bis hin zu<br />

Sedimenten terrestrischen Ursprungs<br />

Die Ergebnisse der Untersuchungen dokumentieren<br />

einen systematischen Zusammenhang zwischen dem<br />

Gas-zu-Öl-Verhältnis (GOR) und dem Methananteil<br />

in der Gasfraktion unter natürlichen und künstlichen<br />

Randbedingungen beobachtet, obwohl insbesondere<br />

der Methananteil in den Produkten aus den Laborexperimenten<br />

deutlich niedriger war. Durch die Anwendung<br />

von neuronalen Netzwerken ist es gelungen, die<br />

Ergebnisse der künstlichen Reifungsexperimente so zu<br />

korrigieren, dass daraus prädiktive kompositionelle<br />

Modelle der Erdölentstehung formuliert werden konnten,<br />

die in numerische Beckensimulationen implementiert<br />

werden können. Die gute Übereinstimmung zwischen<br />

den Vorhersagen und den natürlichen Erdölei-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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158<br />

Abb. 6: Ergebnisse von Phasenvorhersagen. Für dieses Untersuchungsgebiet<br />

zeigt ein Vergleich die gute Übereinstimmung der Vorhersagen mit den<br />

Eigenschaften, die für natürliche Proben ermittelt wurden. Die Vorhersage<br />

des Gas-Öl-Verhältnisses (gas-oil ratio GOR) ist in den meisten Fällen gut.<br />

Darüber hinaus ist die Vorhersage von API-Dichte und Sättigungsdruck als<br />

wichtigen Qualitätsindikatoren ausgezeichnet.<br />

Results of phase predictions. For the study area the predictions are compared<br />

with properties determined on natural samples, and the correlation is<br />

generally very good. The prediction of GOR (gas-oil ratio) is good in most<br />

cases and, in addition, predictions of API densities and saturation pressures<br />

as important quality parameters are excellent.<br />

genschaften in verschiedenen Untersuchungsgebieten<br />

belegen die globale Gültigkeit der Forschungsergebnisse<br />

(Abb. 6).<br />

Asphaltene als geochemische Marker<br />

Hintergrund<br />

Das Hauptinteresse unserer Forschung<br />

liegt auf den Asphaltenen, die mit den<br />

gesättigten und aromatischen Kohlenwasserstoffen<br />

die Hauptbestandteile von<br />

Erdöl darstellen. Sie repräsentieren die<br />

makromolekulare Fraktion der Erdöle<br />

und scheinen besonders geeignet, strukturelle<br />

Merkmale der Muttergesteine zu<br />

archivieren und zu transportieren. Diese<br />

Ähnlichkeiten mit den Muttergesteinen<br />

zu untersuchen ist von großer Bedeutung,<br />

da mit zunehmender Exploration in Gebieten<br />

mit extremen klimatischen Bedingungen<br />

und insbesondere in Offshore-<br />

Gebieten mit Wassertiefen von mehr als<br />

1.000 m die Anzahl der Bohrungen aus<br />

wirtschaftlichen Gründen reduziert wird<br />

und somit die Muttergesteine, die in den<br />

meisten Fällen unterhalb der Lagerstätten<br />

liegen, nicht mehr erbohrt werden. Ohne<br />

Proben aus dem Muttergestein und weitere<br />

Informationen über die Muttergesteine<br />

ist die konventionelle Vorhersage<br />

der Kohlenwasserstoffbildung nicht mög-<br />

lich, was das wirtschaftliche Risiko<br />

zusätzlich erhöht. Die Forschung in diesen<br />

extremen Explorationsgebieten hat<br />

sich deshalb auf die erbohrten Erdöl- und<br />

Erdgaslagerstätten konzentriert, da auch<br />

diese wichtige Informationen über das<br />

Ablagerungsmilieu und die Qualität der<br />

Muttergesteine enthalten können (Abb. 7).<br />

Ziel<br />

In diesem Projekt sollen durch die Untersuchung<br />

von Erdölen und ihren Asphaltenfraktionen<br />

Modelle entwickelt werden,<br />

die auf die Organofazies und die<br />

Umwandlungseigenschaften tiefer Muttergesteine<br />

schließen lassen und eine<br />

numerische Beschreibung in Beckenmodellen<br />

ermöglichen.<br />

Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

Von den beteiligten Erdölfirmen wurden<br />

ausgesuchte Proben- und Datensätze so<br />

genannter natürlicher Laboratorien zu Verfügung<br />

gestellt, in denen der geologische<br />

und geochemische Kenntnisstand sehr<br />

hoch ist. Die verschiedenen Elemente<br />

eines Erdölsystems sind in diesen Gebieten sehr gut<br />

erforscht und können somit in einen guten Bezug zueinander<br />

gebracht werden. Verschiedene Offshoregebiete wur-<br />

Abb. 7: Asphaltene sind außerordentlich komplexe Erdölbestandteile, die<br />

Informationen über das organische Material enthalten, aus dem das Öl<br />

gebildet wurde. Daher kann das Verhältnis von Öl und Gas während der<br />

Kohlenwasserstoffbildung aus einem Muttergestein durch die Pyrolyse von<br />

Asphaltenen abgeschätzt werden.<br />

Asphaltenes are extremely complex components of the petroleum carrying<br />

information about the parent organic matter from which the whole<br />

petroleum was generated. Thus, the ratio of gas to oil generated by the<br />

kerogen in a source rock can be estimated from the pyrolysis of asphaltenes.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


den als Untersuchungsgebiet ausgewählt und Proben unterschiedlichster<br />

geographischer Herkunft und aus verschiedenen<br />

Ablagerungsräumen konnten für das Forschungsprojekt<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Unsere Arbeiten haben zu einem Durchbruch in der Beurteilung<br />

heterogener Muttergesteine geführt. Es konnten<br />

verlässliche Modelle entwickelt werden, welche den<br />

natürlichen Organofaziesvariationen und somit den unterschiedlichen<br />

Eigenschaften des gebildeten Erdöls und<br />

Erdgases Rechnung tragen. Dies erlaubt eine wesentlich<br />

bessere Beschreibung der Fenster der Kohlenwasserstoffgenese<br />

in numerischen Beckenmodellen. Für die Nordsee<br />

wurde darüber hinaus gezeigt, dass das Ölfenster in deutlich<br />

größere Teufen reicht und deutlich breiter ist, als bisher<br />

angenommen. In Simulationsexperimenten, in denen<br />

außerdem die Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe,<br />

die aus den Asphaltenen gebildet wurden, detektiert<br />

wurde, zeigte sich eine außergewöhnlich gute Übereinstimmung<br />

mit der molekularen Zusammensetzung natürlicher<br />

Erdöle. Das Verhältnis von aromatischen zu gesättigten<br />

Kohlenwasserstoffen in unseren Experimenten entspricht<br />

nahezu dem in der Natur. Diese Übereinstimmung<br />

von Pyrolyseprodukten aus Muttergesteinskerogen und<br />

den natürlichen Ölen konnte bisher nicht gezeigt werden.<br />

Somit kann mit der Untersuchung der Asphaltene eines<br />

Erdöls die Qualität der Vorhersagen, auch ohne Untersuchung<br />

des Muttergesteins, stark verbessert werden. Eine<br />

Konsequenz dieser Arbeiten ist die verbesserte Vorhersage<br />

der so genannten API-Dichte eines Öles, des internationalen<br />

Maßstabs für die Qualität und den Wert eines produzierten<br />

Öls (Abb. 8).<br />

Frühe Gasbildung<br />

Hintergrund<br />

Konventionelle Untersuchungen zur Bildung von Kohlenwasserstoffen<br />

konzentrieren sich im Wesentlichen auf<br />

sedimentäres organisches Material, welches in großen<br />

Teufen von über 2.500 m in den Sedimenten eingelagert<br />

ist. Nur hier, so die konventionelle Annahme, sind die<br />

Bedingungen vorhanden, die zu einer ökonomisch ausreichenden<br />

Bildung von Kohlenwasserstoffen aus sedimentärem<br />

organischem Material führen können. Da die<br />

Reaktionen in den Muttergesteinen vor allem durch hohe<br />

Temperaturen angetrieben werden, werden reaktionskinetische<br />

Modelle angewendet, um die Umwandlung von<br />

Kohlenwasserstoffen in Raum und Zeit nachzuzeichnen.<br />

Ein weiteres Phänomen stellen mikrobielle Prozesse dar,<br />

durch die sedimentäres organisches Material in Methan<br />

Abb.8:Profil des Tampen Spur-Gebiets in der norwegischen Nordsee. Erdöleigenschaften wurden auf der Basis sowohl<br />

der konventionellen Muttergesteinskinetik als auch der Asphaltenkinetik berechnet. Die Vorhersage der API-Dichte<br />

auf der Basis der Asphaltenkinetik führt zu Werten, die den in diesem Explorationsgebiet gemessenen sehr ähnlich<br />

sind.<br />

Profile through the Tampen Spur area in the Norwegian North Sea. Petroleum properties were calculated using both<br />

conventional source rock kinetics and that from petroleum asphaltenes. Predictions of density (API Gravity) based on<br />

asphaltene kinetics closely resemble those of the petroleums in the area.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

159


160<br />

Abb. 9: Nach konventionellen Konzepten ist die mikrobielle Gasbildung auf frühdiagenetische und die thermische Gasbildung<br />

auf frühkatagenetische Prozesse in Sedimentbecken beschränkt. Zwischen den Zonen, in denen diese Prozesse<br />

stattfinden, gibt es eine weitgehend unerforschte Zone – die „graue Zone“ – für die mikrobielle und thermische Prozesse<br />

bislang ausgeschlossen wurden. Im IPP-Projekt „Shallow Gas“ untersuchen wir genau diese Zone, weil neue<br />

Forschungsergebnisse gezeigt haben, dass gerade hier thermische und mikrobielle Prozesse überlappend stattfinden<br />

können.<br />

Conventional concept of microbial and thermal gas generation in nature. According to this concept, microbial gas generation<br />

is limited to early diagenetic processes in shallow parts of sedimentary basins while thermal gas forms only<br />

during early catagenesis in deeper parts sedimentary basins. Between these two zones lies a largely unexplored zone<br />

– the so called grey zone – in which neither thermal nor microbial alterations are supposed to be active. With the IPP<br />

– Shallow Gas project we study precisely this zone because recent research results have shown that thermal and microbial<br />

processes can overlap.<br />

umgewandelt werden kann. Diese Prozesse laufen, nach<br />

konventionellen Vorstellungen, nur bei niedrigen Temperaturen<br />

und in geringen Teufen ab, da mit der Zunahme der<br />

Temperatur in größeren Teufen lebensfeindliche Bedingungen<br />

für Mikroorganismen herrschen und weiterhin wichtige<br />

Substrate für den mikrobiellen Metabolismus fehlen.<br />

Zwischen diesen Zonen der abiotischen und biotischen<br />

Umwandlung des organischen Materials befindet sich ein<br />

großer Bereich, der hinsichtlich seines Potentials zur Bildung<br />

von Kohlenwasserstoffen weitgehend unerforscht ist<br />

(Abb. 9). Diese Zone, die bis zu mehrere Kilometer mächtig<br />

sein kann, ist in das Blickfeld der Forschung gerückt,<br />

da auch hier enorme Mengen organischen Materials enthalten<br />

sind und erhalten wurden.<br />

Sowohl der Vergleich numerischer Vorhersagen als auch<br />

die Existenz thermischer Gase in Sedimenten aus dieser<br />

Zone und der Nachweis intensiver mikrobieller Aktivitäten<br />

in großen Teufen haben deutlich gezeigt, dass die<br />

konventionellen Annahmen und Modelle unzureichend<br />

sind.<br />

Ziel<br />

In diesem Projekt sollen geochemische Prozesse identifiziert,<br />

untersucht und numerisch beschrieben werden, die<br />

zur frühen thermischen Umwandlung oberhalb des konventionellen<br />

thermischen und/oder zur späten mikrobiellen<br />

Umwandlung von sedimentärem organischem Material<br />

unterhalb des konventionellen mikrobiellen Gasfensters<br />

führen können.<br />

Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

Die Umwandlung organischen Materials in Sedimenten<br />

führt zur Bildung von Kohlenwasserstoffen – also Erdöl<br />

und Erdgas – und zur Freisetzung von anorganischen<br />

Gasen wie Kohlendioxid und Wasserstoff. Eine mathematische<br />

Beschreibung dieser Prozesse erfolgt mit reak-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


tionskinetischen Modellen, welche es erlauben, aus den<br />

Ergebnissen von Pyrolyseexperimenten kinetische Parameter<br />

abzuleiten. Diese kinetischen Modelle beschreiben<br />

mittels Aktivierungsenergie und Frequenzfaktor die Spaltung<br />

chemischer Bindungen im makromolekularen organischen<br />

Material. Obwohl theoretisch jede einzelne chemische<br />

Verbindung durch ein individuelles Aktivierungsenergie-Frequenzfaktor-Paar<br />

beschrieben werden sollte,<br />

hat es sich seit nunmehr 20 Jahren durchgesetzt, kinetische<br />

Modelle zu entwickeln, die eine deutliche Vereinfachung<br />

der tatsächlichen Prozesse darstellen. Auf die Vorhersage<br />

der Gasbildung aus marinen und lakustrinen Muttergesteinen<br />

scheinen diese Vereinfachungen keinen nennenswerten<br />

Einfluss zu haben. In terrestrischen Ablagerungsräumen<br />

hingegen schlägt der Vergleich zwischen<br />

natürlichen Gasvorkommen und den konventionellen Vorhersagen<br />

oft fehl, da natürliche Kohlenwasserstoffe in<br />

wesentlich flacheren Sedimenten auftreten als durch numerische<br />

Modelle vorhergesagt (Abb. 10). Aus diesem<br />

Grund wurde ein neues reaktionskinetisches Modell entwickelt,<br />

welches insbesondere Reaktionen mathematisch<br />

erfasst, die nicht in der Hauptphase, sondern in der frühen<br />

Phase der Umwandlung organischen Materials ablaufen.<br />

Die Anwendung dieses Modells in einem natürlichen System<br />

und der Abgleich der Vorhersagen mit natürlichen<br />

Kohlenwasserstoffvorkommen zeigen, dass die thermische<br />

Umwandlung organischen Materials viel früher einsetzt<br />

als bisher angenommen. Da die Umwandlung des<br />

Kerogens bereits bei Temperaturen von unter 80 °C einsetzte,<br />

ergeben sich auch neue Perspektiven im Hinblick<br />

auf die Verfügbarkeit von Substraten für die mikrobielle<br />

Gasbildung. In den ermittelten Temperaturbereichen können<br />

Mikroorganismen aktiv sein und beispielsweise<br />

Methan produzieren, was durch die thermische Bildung<br />

von z. B. Kohlendioxid und Wasserstoff in relativ großen<br />

Teufen von weit über 1.000 m begünstigt wird.<br />

Die Ergebnisse dieses Projektes verdeutlichen, dass eine<br />

wesentlich größere Menge organischen Materials in Sedimentbecken<br />

an der Bildung von Kohlenwasserstoffen<br />

beteiligt ist als ursprünglich angenommen. Somit kann<br />

von einer wesentlich größeren Menge freier Kohlenwasserstoffe<br />

ausgegangen werden, was sowohl unter explorationsgeologischen<br />

Gesichtspunkten als auch für die Erforschung<br />

des weltweiten Kohlenstoffkreislaufs von essentieller<br />

Bedeutung ist.<br />

Abb. 10: (a) Abhängigkeit der Gaszusammensetzung von der thermischen Reife und (b) Vorhersage der thermischen<br />

Gasbildung auf der Basis konventioneller Modelle. In natürlichen Systemen tritt thermisches Gas bereits bei niedriger<br />

Reife auf, während konventionelle Modelle die Bildung thermischen Gases erst bei höherer Reife vorhersagen. Vorhersagen<br />

auf der Basis der von uns weiterentwi-ckelten Modelle stimmen deutlich besser mit den natürlichen Gegebenheiten<br />

überein.<br />

(a) Dependence of gas composition on thermal maturity and (b) predictions of thermal gas generation based on conventional<br />

models. In nature, thermal gas seems to become evident at relatively low maturity levels, while predictions<br />

indicate gas generation only at elevated maturities. Our improved models provide a better match with nature.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

161


162<br />

Biodegradation<br />

Hintergrund<br />

Viele geologische Prozesse werden durch die Einwirkung<br />

oder Präsenz von Mikroorganismen beeinflusst, zum Beispiel<br />

die Verwitterung von Gesteinen oder die Umwandlung<br />

organischen Materials in Sedimenten. Eine außerordentlich<br />

negative Rolle im Hinblick auf die Exploration<br />

und Förderung hochwertiger Erdöle und Erdgase haben<br />

Mikroorganismen in Lagerstätten. Hier bauen sie qualitativ<br />

wichtige Erdöl- und Erdgasbestandteile ab und führen<br />

zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Qualität und Fördereigenschaften,<br />

aber auch der ursprünglich akkumulierten<br />

Volumina. Insbesondere die API-Dichte, als internationaler<br />

Maßstab für die Qualität und den Wert eines<br />

produzierten Öls, sinkt mit zunehmendem Einfluss der<br />

mikrobiellen Aktivität. Dieses Phänomen, welches man<br />

als Biodegradation bezeichnet, betrifft etwa 80 % der<br />

weltweit bekannten Erdöllagerstätten. Im Wesentlichen<br />

sind flach liegende, also generell logistisch attraktive<br />

Lagerstätten betroffen, da die Biodegradation nur bei Temperaturen<br />

bis 80 °C stattfinden kann. Da es genau diese<br />

flachen Lagerstätten sind, die eine immer größere wirtschaftliche<br />

Rolle spielen, ist die Vorhersage des Ausmaßes<br />

der Biodegradationsprozesse in einer Lagerstätte<br />

unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Explorationsaktivitäten.<br />

Ziel<br />

In diesem Projekt sollen die Effekte der mikrobiellen Aktivitäten<br />

an Erdölen unterschiedlicher Herkunft untersucht<br />

und regional gültige Reaktionsmechanismen zur besseren<br />

Qualitätsvorhersage beschrieben werden.<br />

Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen, dass es entgegen<br />

konventionellen Annahmen keine allgemein gültigen Muster<br />

für die progressive Biodegradation in Erdölsystemen<br />

gibt. Die Biodegradation läuft scheinbar nicht stufenweise<br />

ab, sondern wird vielmehr über den gleichzeitigen, aber<br />

unterschiedlich schnellen Abbau verschiedener Kohlenwasserstoffe<br />

kontrolliert. Da unterschiedliche Mikroorganismen<br />

im Hinblick auf die von ihnen abgebauten Erdölbestandteile<br />

ausgesprochene Spezialisten sind, kann davon<br />

ausgegangen werden, dass die Mikroflora einer Lagerstätte<br />

entscheidenden Anteil an den qualitativen Veränderungen<br />

der Erdöle hat. Weil Mikroorganismen unabdingbar<br />

einen wässrigen Lebensraum benötigen, ist der so<br />

genannte Öl-Wasserkontakt, der sich an der Basis der<br />

Ölsäule befindet, eine bevorzugte Zone für die Biodegradation.<br />

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen belegen,<br />

dass die unterschiedliche Bioverfügbarkeit verschiedener<br />

Erdölbestandteile im Wasser eine wichtige Rolle bei der<br />

Biodegradation von Kohlenwasserstoffen in Lagerstätten<br />

spielt. Die Erkenntnis, dass unterschiedliche Erdölbestandteile<br />

gleichzeitig, aber mit unterschiedlichen Raten<br />

abgebaut werden, hat die Entwicklung neuer molekularer<br />

Parameter zur Beschreibung der Abbauvorgänge ermöglicht.<br />

Dadurch ist es auch möglich geworden, die Erdölqualität<br />

in Abhängigkeit vom Ausmaß der Biodegradation<br />

besser vorherzusagen.<br />

Literatur:<br />

Welte, D.H. (<strong>2004</strong>) Fossile Kohlenwasserstoffe – Wirklichkeit und Wahrnehmung<br />

heute und morgen. Nova Acta Leopoldina NF 91, Nr. 339, 265-285.<br />

Publikationen mit Industrierelevanz:<br />

Dieckmann, V. (<strong>2005</strong>). Modelling petroleum formation from heterogeneous<br />

source rocks: The influence of frequency factors on activation energy distribution<br />

and geological prediction. Marine and Petroleum Geology, 22, 375-390.<br />

Haberer, R.M., Mangelsdorf, K., Dieckmann, V., Fuhrmann, A., Wilkes, H. and Horsfield,<br />

B., <strong>2005</strong>: Characterization of the organic matter in lignites of the Kugmallit<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

163


164<br />

Schutz gegen Wind und Schnee: Die neue <strong>GFZ</strong>-Satellitenempfangsantenne in Ny Ålesund auf Spitzbergen bekommt<br />

eine Antennenkuppel (Foto: C. Falck, <strong>GFZ</strong>).<br />

Protection from wind and snow: The new <strong>GFZ</strong> satellite receiving antenna at Ny Ålesund on Spitsbergen gets a radome.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Department 1<br />

Geodäsie und Fernerkundung<br />

Globale Prozesse können den Lebensraum des Menschen<br />

auch innerhalb kurzer Zeiträume verändern. Ereignisse<br />

wie der Tsunami im Indischen Ozean vom 26.12.<strong>2004</strong><br />

oder die Überschwemmungen in New Orleans vom August<br />

<strong>2005</strong>, Erdbeben, Vulkanismus, die gegenwärtige starke<br />

Abnahme des Magnetfeldes, Tageslängenänderungen,<br />

Grundwasserverschiebungen und Änderungen im Massenhaushalt<br />

polarer Eisflächen sind unmittelbarer Ausdruck<br />

dieser Dynamik und zeigen direkt auch ihre gesellschaftliche<br />

Relevanz. Ihre Wirkung wird in der Variabilität<br />

des Gravitationsfeldes und des Magnetfeldes der<br />

Erde, der Veränderlichkeit der Erdrotation und in großräumigen<br />

Deformationen des Erdkörpers sichtbar. Permanente<br />

Überwachung und Erfassung von großen, aber<br />

auch von sehr kleinen Veränderungen erfordern ein umfassendes<br />

globales Erdbeobachtungssystem, das sowohl<br />

Ereignisse von sehr kurzer Dauer (Erdbeben, Vulkanausbrüche,<br />

Hangrutschungen, etc.) als auch Prozesse, die sich<br />

über Jahrhunderte oder gar Jahrmillionen erstrecken<br />

(postglaziale Landhebung, Plattenverschiebungen, etc.),<br />

erkennen kann. Die zugrundeliegenden Prozesse finden<br />

ihren Ausdruck in der seismologischen Struktur des Erdinnern<br />

und seiner stofflichen Zusammensetzung. Wesentliche<br />

Voraussetzung zum Verständnis des Systems Erde und<br />

seiner Dynamik ist die Kenntnis dieser Prozesse und<br />

Strukturen. Zu einem solchen System kann die Geodäsie<br />

und Fernerkundung einen ganz bedeutenden Beitrag liefern,<br />

denn die geodätischen Weltraumverfahren, die Satellitenmissionen<br />

und terrestrischen Beobachtungsmethoden<br />

ermöglichen es heute, das System Erde mit einer noch<br />

nie erreichten Genauigkeit zu erfassen.<br />

Global gewonnene, lange Zeiträume überdeckende Datenreihen<br />

von diesen Phänomenen sind von ausschlaggebender<br />

Bedeutung für eine gesicherte Prozessmodellierung<br />

(Geomonitoring). Zielvorgabe für diese Aufgabe ist es,<br />

eine die Kontinente, Ozeane und großen Eisflächen überdeckende<br />

integrierte Geomonitoring-<br />

Infrastruktur zu schaffen, diese im Verbund<br />

mit Teilstrukturen von internationalen<br />

Partnern und Diensten operationell zu<br />

betreiben und die damit erfassten Datenreihen<br />

in räumlich-zeitlich hochauflösende<br />

Modelle umzusetzen. Nur auf dieser<br />

Basis lassen sich Bezugssysteme und<br />

Modellgrößen mit größtmöglicher<br />

Genauigkeit und zeitlicher Frequenz<br />

bestimmen und überwachen.<br />

Die Vision eines solchen geodätischen<br />

Erdbeobachtungssystems, d. h. eines<br />

Global Geodetic Observing Systems<br />

(GGOS: Projekt der International Association<br />

of Geodesy (IAG)) zur Erfassung<br />

globaler Prozesse und Veränderungen umfasst daher als<br />

Erstes eine globale Beobachtungsinfrastruktur (Abb. 1.1).<br />

Sie muss aus drei unterschiedlichen Komponenten bestehen:<br />

(1) aus einem globalen, Kontinente überdeckenden<br />

Netz von integrierten geodätisch-geophysikalischen Permanentstationen<br />

mit Beobachtungstechniken wie VLBI<br />

(Very Long Baseline Interferometry), SLR/LLR (Satellite<br />

and Lunar Laser Ranging), DORIS (Doppler Orbitography<br />

and Radiopositioning Integrated by Satellite) und<br />

insbesondere GNSS (Global Navigation Satellite Systems:<br />

GPS, GLONASS und in Zukunft GALILEO) sowie<br />

gravimetrischen, seismischen, meteorologischen und<br />

anderen Sensoren, (2) aus Satellitenmissionen und ganzen<br />

Satellitenkonstellationen mit geeigneten Sensoren für<br />

das Monitoring des Schwere- und Magnetfeldes, der Meeres-<br />

und Eisoberflächen und der Deformation der Erdoberfläche<br />

und schließlich (3) aus einer Verdichtung dieser<br />

satellitengestützten Datensätze mit terrestrischen, flugzeug-<br />

und schiffgestützten Instrumenten. Diese integrierte<br />

Geomonitoring-Infrastruktur kann nur in einer engen<br />

Kooperation vieler internationaler Partner und Dienste<br />

operationell betrieben und weiter verbessert werden.<br />

Schließlich müssen als Teil dieser Vision die von einem<br />

GGOS gesammelten, ständig wachsenden Datenmengen<br />

mit neuesten Informationstechnologien erfasst, archiviert<br />

und immer näher an Echtzeit an die Nutzer verteilt werden.<br />

Äußerst effiziente Programmsysteme und Prozessierungseinheiten<br />

sind dann für die Modellierung und Interpretation<br />

der Schwerefelder, Magnetfelder, Deformationsfelder,<br />

Erdrotationsparameter und deren zeitliche<br />

Veränderungen erforderlich.<br />

Mit dieser national und international vernetzten Infrastruktur,<br />

den GNSS und anderen geodätischen Weltraumtechniken,<br />

den Schwerefeld- und Magnetfeldmissionen<br />

CHAMP, GRACE, GOCE, SWARM, den Ozean- und Eis-<br />

Abb. 1.1: Monitoring und Modellierung der Prozesse im System Erde.<br />

Monitoring and modelling of the processes in the Earth system.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

165


166<br />

überwachungssatelliten ERS-2, JASON-1, ENVISAT,<br />

ICESAT, CRYOSAT-2 und den SAR/InSAR/optischen<br />

Satelliten TerraSAR-X, TanDEM-X und EnMAP werden<br />

neben der mehr grundlagenorientierten Modellbildung zu<br />

Prozessen im Erdkern, Erdmantel und der Kruste auch<br />

eine Vielzahl praktischer Anwendungen ermöglicht. Hierzu<br />

gehören die laufende Bereitstellung eines für die Präzisionsvermessung,<br />

die terrestrische und interplanetare<br />

Navigation essentiellen fundamentalen globalen Bezugssystems<br />

mit Millimetergenauigkeit, einer Höhenbezugsfläche<br />

(Geoid) ebenfalls mit Millimetergenauigkeit für die<br />

hochgenaue interkontinentale Höhenübertragung, die<br />

Überwachung des Meeresspiegelanstiegs und die Nutzung<br />

von GPS und GALILEO für das Nivellement mit Satelliten<br />

und die Präzisionszeitübertragung. Daneben können<br />

die Zirkulation der Ozeane, Tiefenströmungen, Wärmeaustausch<br />

an der Ozeanoberfläche und in großen Feuchtgebieten,<br />

Veränderungen im Massenhaushalt der großen<br />

Eisflächen, Veränderungen im globalen Grundwasserhaushalt<br />

und die Änderung des mittleren Meeresspiegels<br />

mit hoher Genauigkeit beobachtet und überwacht werden.<br />

Die kontinuierliche Auswertung von Satellitenmessungen<br />

zum Schwerefeld, Magnetfeld, zur Deformation der Erde<br />

und zur Atmosphäre liefert wichtige Elemente zur Überwachung<br />

und kurzfristigen Vorhersage des irdischen Wetters,<br />

des Weltraumwetters und zu Frühwarnsystemen und<br />

trägt damit wesentlich zum Schutz von Menschenleben<br />

und von technischen Systemen bei.<br />

Die im Folgenden beschriebenen Arbeiten zeigen, dass das<br />

Department 1 des <strong>GFZ</strong> Potsdam mit einer breiten Palette<br />

von nationalen, europäischen und internationalen Aktivitäten<br />

zu den Zielen eines „Global Geodetic Observing<br />

System“ (GGOS) beiträgt. Diese Aktivitäten reichen von<br />

der Beobachtungsinfrastruktur (globale Beobachtungsnetze,<br />

Satellitenmissionen) über die effiziente und hochgenaue<br />

Analyse dieser Beobachtungen und deren Kombination<br />

bis hin zur Modellierung und Interpretation.<br />

Internationale Dienste, GPS-/GALILEO-Technologien<br />

<strong>GFZ</strong>-Beiträge zum International GNSS Service<br />

Das Department 1 trägt maßgeblich zur Infrastruktur des<br />

Internationalen GNSS Service (IGS) bei (GNSS = Global<br />

Navigation Satellite System). Dies beinhaltet u. a. die Analysekoordination<br />

und Kombination der IGS-Kernprodukte,<br />

die Leitung des „Tide Gauge Benchmark Project for<br />

Sea Level Monitoring“ (TIGA), die Bereitstellung und<br />

Betreuung von 17 Permanentstationen im IGS-Netz, den<br />

Betrieb eines operationellen Datenzentrums und schließlich<br />

den Betrieb eines IGS-Analysezentrums.<br />

Abb. 1.2a: Die Qualität der <strong>GFZ</strong>-Satellitenbahnvorhersagen<br />

konnte durch Fixierung der Phasenmehrdeutigkeiten<br />

von 10 auf 5 cm verbessert werden.<br />

Quality of <strong>GFZ</strong> orbit predictions was improved from<br />

10 cm to 5 cm by ambiguity-fixing.<br />

Abb. 1.2b: Stationsgeschwindigkeiten, abgeleitet aus 12 Jahren globaler GPS-Daten (1993-<strong>2005</strong>). Zum Vergleich sind<br />

die Geschwindigkeiten des internationalen Referenzsystems ITRF2000 und des aus geophysikalischen Daten gewonnenen<br />

Modells NUVEL-1A angegeben.<br />

Site velocities from 12 years of global GPS data (1993-<strong>2005</strong>). For comparison the velocities from the international<br />

reference frame ITRF2000 and from the geophysically derived model NUVEL-1A are given.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Die am <strong>GFZ</strong>-Analysezentrum erzeugten Produkte beinhalten<br />

hochgenaue Bahnen der GPS-Satelliten, Satellitenund<br />

Stationsuhren, Stationspositionen, Polkoordinaten<br />

und Erdrotationsschwankungen sowie Troposphärenparameter.<br />

Diese Produkte gehen in die IGS-Kombinationslösungen<br />

ein, die von einem großen Nutzerkreis beispielsweise<br />

für Positionierung und Zeitsynchronisation verwendet<br />

werden. Durch die Implementierung einer effektiveren<br />

und robusteren Strategie können jetzt mehr als<br />

95 % der Phasenmehrdeutigkeiten im globalen Stationsnetz<br />

fixiert werden, was zu Verbesserungen in den Produkten,<br />

u. a. bei den Satellitenbahnvorhersagen (Abb. 1.2a)<br />

für Echtzeitanwendungen führt.<br />

Für die Überwachung des Internationalen Terrestrischen<br />

Referenzsystems wurde die Anzahl der Stationen weiter<br />

erhöht. Das Ausgleichen aller globalen GPS-Daten der<br />

letzten 12 Jahre liefert Stationsbewegungen (Abb. 1.2b)<br />

mit hoher Genauigkeit und damit tektonische Plattenbewegungen,<br />

die sehr gut mit geophysikalischen Modellen<br />

für die stabilen Plattenbereiche übereinstimmen und die<br />

zu Modellverbesserungen an Plattenrändern beitragen<br />

können.<br />

Um präzise (< 1 mm/Jahr) vertikale Bewegungsgenauigkeiten,<br />

wie sie für Meeresspiegelüberwachungen benötigt<br />

werden, aus GPS-Zeitreihen ableiten zu können, ist die<br />

Maßstabsstabilität des terrestrischen Referenzsystems<br />

entscheidend. Es konnte nachgewiesen werden, dass<br />

Maßstabsänderungen, die mit Veränderungen in der Satellitenkonstellation<br />

einhergehen, auf fehlerhafte Parameter<br />

der Satellitenantennen zurückzuführen sind. Mit den am<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam neu bestimmten Antennenparametern<br />

konnte die Maßstabsbestimmung wesentlich stabilisiert<br />

werden (Abb. 1.3). Die vom <strong>GFZ</strong> abgeleiteten Antennenmodelle<br />

sind gemeinsam mit denen der Technischen Universität<br />

München zu einem neuen Modell des IGS<br />

zusammengeführt worden.<br />

Abb. 1.3: Differenzen im Maßstab des globalen GPS-<br />

Stationsnetzes relativ zum System ITRF2000 unter Nutzung<br />

von Antennenparametern des IGS sowie der <strong>GFZ</strong>-<br />

Lösung mit verbesserten satellitenspezifischen Antennenparametern<br />

(<strong>GFZ</strong>S). Die plötzliche Maßstabsänderung<br />

im Jahr 2000 tritt bei Verwendung von <strong>GFZ</strong>S nicht<br />

mehr auf.<br />

Scale differences of global GPS networks relative to<br />

ITRF2000 for solutions with the standard IGS antenna<br />

parameters and with the improved satellite-specific antenna<br />

parameters from <strong>GFZ</strong> (<strong>GFZ</strong>S). A sudden scale change<br />

during the year 2000 is not present anymore in the new<br />

solution.<br />

Globales GPS-Netz<br />

Das globale GPS-Bodennetz wurde vom <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

eingerichtet, um internationale geodynamische Dienste<br />

und eigene Großprojekte zu unterstützen. Die erste Station<br />

wurde 1994 in Kitab (Usbekistan) in Betrieb genommen<br />

und fungiert bis heute als IGS „Core-Station“. In den<br />

darauf folgenden Jahren wurden weitere Permanentstationen<br />

in Zentralasien, Südamerika und Südostasien eingerichtet.<br />

Diese Erweiterung fand im Rahmen von <strong>GFZ</strong>-<br />

Projekten in der Tienshan-Pamir-Region, des Sonderforschungsbereichs<br />

„Deformationsprozesse in den Anden“<br />

und des GPS-Deformationsnetzes GEODYSSEA statt.<br />

Gegenwärtig besteht das globale GPS-Bodennetz des<br />

GeoForschungsZentrums aus 31 kontinuierlich arbeitenden<br />

Stationen (Abb.1.4), deren Daten in zahlreichen wissenschaftlichen<br />

Vorhaben genutzt werden.<br />

Anfänglich wurden die dekodierten Beobachtungen an die<br />

IGS-Zentren innerhalb von 48 Stunden geliefert. Um die<br />

Satellitenmissionen CHAMP und GRACE zu unterstützen<br />

und die Sondierung der Atmosphäre in Nahezu-Echtzeit<br />

zu ermöglichen, müssen Daten schon nach etwa<br />

20 bis 40 Minuten den Nutzern zur Verfügung stehen.<br />

Aus diesem Anlass wurde in Kooperation mit dem Jet Propulsion<br />

Laboratory (JPL) der NASA ein sogenanntes<br />

High-Rate/Low-Latency (HR/LL) GPS-Bodennetz für die<br />

CHAMP- und GRACE-Satellitenmissionen eingerichtet.<br />

Gegenwärtig erfordern einige Projekte die Bereitstellung<br />

der Daten mit maximalen Verzögerungen von nur fünf<br />

Minuten (Metop/GRAS) und eine Datenverfügbarkeit von<br />

weit über 90 %. Das Frühwarnsystem GITEWS (German-<br />

Indian Ocean Tsunami Early Warning System) stellt noch<br />

strengere Anforderungen – geplant ist Data-Streaming in<br />

Echtzeit. Daher lagen in den letzten zwei Jahren die<br />

Schwerpunkte der Entwicklungsarbeiten auf Real-Time-<br />

Systemkomponenten und sehr zuverlässigen autonomen<br />

modularen Feldsystemen. Ein Prototyp-Netz aus elf der<br />

globalen <strong>GFZ</strong>-Stationen für GPS-Data-Streaming in Echtzeit<br />

wurde auf Basis des HR/LL-Netzes eingerichtet. Die<br />

Real-Time-Daten können im jeweiligen Empfänger-Format<br />

zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Betrieb dieses<br />

Prototyp-Netzes leistet das <strong>GFZ</strong> einen bedeutenden<br />

Beitrag zum Real-Time-Pilotprojekt des IGS.<br />

GPS Antennenphasenzentrumsvariationen und -offsets<br />

GPS-Messungen beziehen sich jeweils auf das elektromagnetische<br />

Phasenzentrum der Empfangs- bzw. Sendeantenne.<br />

Dieses fällt jedoch in der Regel nicht mit dem<br />

mechanischen Referenzpunkt (z. B. Zentrum der Antennenunterkante<br />

im Falle der Empfangsantenne, Massenzentrum<br />

im Falle des Satelliten) zusammen. Der Abstand<br />

zwischen dem mechanischen Referenzpunkt und dem<br />

mittleren elektromagnetischen Referenzpunkt wird als<br />

Antennenoffset bezeichnet (siehe Abb. 1.5). Zusätzlich zu<br />

diesem mittleren Offset hängt die Lage des elektromagnetischen<br />

Referenzpunktes noch von der Richtung des<br />

empfangenen Signals ab. Diese Abhängigkeit ist die sogenannte<br />

Antennenphasenzentrumsvariation (Phase Center<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

167


168<br />

Abb. 1.4: Das globale GPS-Bodennetz des <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam’s global GPS network.<br />

Variation, PCV). PCV und Offsets für Empfängerantennen<br />

relativ zu einer Referenzantenne können aus GPS-<br />

Beobachtungen zweier Stationen mit geringem Abstand<br />

(etwa 10 Meter) bestimmt werden.<br />

Absolute Kalibrierwerte werden einerseits durch Labormessungen<br />

in einer anechoischen Kammer, andererseits<br />

durch Feldmessungen mit einer auf einem Messroboter<br />

befestigten Antenne gewonnen. Dieses Verfahren wurde<br />

Abb. 1.5: Geometrie einer GPS-Empfangsantenne; als<br />

Antennenoffset wird der Abstand zwischen dem mechanischen<br />

Referenzpunkt und dem mittleren Phasenzentrum<br />

bezeichnet. Phasenzentrumsvariationen beschreiben die<br />

Lage des Phasenzentrums in Abhängigkeit der Richtung<br />

des empfangenen Signals. Entsprechendes gilt für die Sendeantenne<br />

des Satelliten.<br />

Geometry of a GPS receiver antenna, the antenna offset<br />

is defined by the distance between the antenna reference<br />

point and the mean phase center. Phase center variations<br />

describe the location of the antenna phase center in dependence<br />

of the received signal. The geometry for the satellite<br />

transmitter antenna is analog.<br />

von der Universität Hannover und der Firma Geo++ entwickelt.<br />

Werden diese absoluten PCV für die Empfängerantennen<br />

in der Auswertung eines globalen Netzes verwendet,<br />

so können PCV und Offsets für die Satellitenantennen<br />

als zusätzliche Parameter geschätzt werden.<br />

In Kooperation mit der Technischen Universität München<br />

(TUM) hat das <strong>GFZ</strong> Potsdam aus reprozessierten GPS-<br />

Daten der letzten elf Jahre Satellitenantennen-PCV für die<br />

verschiedenen Satellitentypen (Block-I, BlockII/IIA,<br />

Block IIR-A und Block IIR-B) sowie vertikale Antennenoffsets<br />

für jeden individuellen Satelliten bestimmt. Die<br />

jeweiligen Mittelwerte der beiden Analysezentren sind in<br />

Abb. 1.6 dargestellt. Obwohl für die Parameterschätzung<br />

unterschiedliche Beobachtungsnetze, Softwarepakete und<br />

Auswertestrategien verwendet wurden, ist die Übereinstimmung<br />

der von <strong>GFZ</strong> und TUM bestimmten Parameter<br />

hervorragend. Insbesondere zeigen die neuesten GPS-<br />

Satelliten des Blocks IIR-B die größten Phasenzentrumsvariationen,<br />

deren Vernachlässigung systematische Fehler<br />

in den entsprechenden Auswertungen verursachen würde.<br />

Die Variationen der vertikalen Antennenoffsets innerhalb<br />

eines Satellitentyps wiederum zeigen, dass sich die einzelnen<br />

Satelliten signifikant voneinander unterscheiden<br />

und diese Unterschiede für hochgenaue Analysen berücksichtigt<br />

werden müssen.<br />

Werden diese absoluten PCV und Offsets für globale GPS-<br />

Lösungen verwendet, so ergeben sich deutliche Verbesserungen<br />

gegenüber dem relativen Modell. So wird beispielsweise<br />

die interne Konsistenz der Satellitenbahnen<br />

verbessert und die Maßstabsänderung gegenüber dem<br />

Referenzsystem ITRF2000 um mehr als die Hälfte verringert.<br />

Inzwischen hat sich der IGS (International GPS<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.6: Mittelwerte der von <strong>GFZ</strong> und TUM bestimmten Satellitenantennen-Phasenzentrumsvariationen und -offsets:<br />

(a) blockspezifische Phasenzentrumsvariationen, (b) satellitenspezifische vertikale Offsets.<br />

Mean values of the satellite antenna phase center variations and offsets estimated by <strong>GFZ</strong> and TUM: (a) block-specific<br />

phase center variations, (b) satellite-specific vertical offsets.<br />

Service for Geodynamics) ebenfalls dazu entschieden,<br />

von einer relativen Antennenkalibrierung (lediglich für<br />

Empfängerantennen) zu einem absoluten Modell (Empfänger-<br />

und Satellitenantennen) zu wechseln. Der Übergang<br />

auf das von <strong>GFZ</strong> und TUM bestimmte Modell ist für<br />

Mitte 2006 geplant.<br />

Globale GPS-Reprozessierung<br />

Seit mehr als zehn Jahren werden GPS-Beobachtungen<br />

des IGS-Stationsnetzes jeweils zeitnah von den IGS-Analysezentren<br />

ausgewertet. Im Lauf der vergangenen Jahre<br />

gab es zahlreiche Weiterentwicklungen und Verbesserungen<br />

der hierfür verwendeten Modelle und Auswertestrategien.<br />

Besonders die Modellierung der Satellitenbahnen<br />

ist deutlich vorangeschritten. Die aus diesen GPS-Auswertungen<br />

resultierenden Parameterzeitreihen (z. B. Satellitenbahnen,<br />

Erdrotationsparameter, Stationskoordinaten,<br />

Troposphärenparameter) sind inhomogen und eine geophysikalische<br />

Interpretation schwierig. Abhilfe schafft<br />

hier eine komplette Neuverarbeitung, die jedoch aufgrund<br />

Abb. 1.7: Stationsnetz für GPS-Reprozessierung, Stationen des IGS Referenzrahmens<br />

sind in rot dargestellt.<br />

Tracking network used for the GPS reprocessing, IGS reference frame stations<br />

are indicated by red dots.<br />

des großen Datenvolumens und des enormen Rechenaufwands<br />

bisher nur von wenigen Einrichtungen in Angriff<br />

genommen wurde.<br />

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetare Geodäsie<br />

der Technischen Universität Dresden und der Forschungseinrichtung<br />

Satellitengeodäsie der Technischen<br />

Universität München wurden im Rahmen eines von der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts<br />

in den letzten drei Jahren die Voraussetzungen für eine<br />

derartige Reprozessierung geschaffen. Hierfür wurde die<br />

am Astronomischen Institut der Universität Bern entwickelte<br />

Bernese GPS Software 5.0 verwendet. Die komplette<br />

Verarbeitung des aus etwa 200 Stationen bestehenden<br />

Netzes (siehe Abb. 1.7) für einen Beobachtungszeitraum<br />

von 12 Jahren nahm ca. zwei Monate Rechenzeit in<br />

Anspruch (LINUX-Cluster).<br />

In Abb. 1.8 sind die Koordinatenwiederholbarkeiten der<br />

wöchentlichen Koordinatenlösungen des CODE-Analysezentrums<br />

und der neu verarbeiteten Lösung dargestellt.<br />

Die CODE-Zeitreihe zeigt Anfang 1998<br />

einen deutlichen Genauigkeitsgewinn<br />

durch Verwendung eines verbesserten<br />

Referenzrahmens. Anfang 2002 führte<br />

eine verfeinerte Strategie zur Lösung der<br />

Phasenmehrdeutigkeiten zu einer weiteren,<br />

deutlich sichtbaren Verbesserung.<br />

Die reprozessierte Zeitreihe weist hingegen<br />

ein homogenes Genauigkeitsniveau<br />

auf, da die verbesserten Auswertemodelle<br />

für den gesamten Zeitraum verwendet<br />

wurden. Ähnliche Genauigkeitsverbesserungen<br />

zeigen sich auch bei den Satellitenbahnen.<br />

In Abb. 1.9 ist die interne Konsistenz<br />

der Satellitenbahnen in Form der<br />

wöchentlichen mittleren Bahngenauigkeit<br />

dargestellt. Besonders deutlich ist die<br />

Verbesserung für Block IIR-A-Satelliten<br />

im Jahr 1998. Der vertikale Antennenoffset<br />

dieses Satellitentyps war zunächst<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

169


170<br />

Abb. 1.8: Koordinatenwiederholbarkeit der Wochenlösungen des CODE-<br />

Analysezentrums und der reprozessierten Zeitreihe. Wichtige Änderungen<br />

in der CODE-Verarbeitungsstrategie sind durch senkrechte Linien markiert.<br />

Coordinate repeatability of the weekly solutions from the CODE analysis<br />

center and the reprocessed time series. Important changes in the CODE processing<br />

scheme are indicated by vertical lines.<br />

unbekannt und wurde daher dem der Block II/IIA-Satelliten<br />

gleichgesetzt. Ab Anfang 1999 wurde ein neu<br />

bestimmter Wert verwendet, der zu einer deutlichen Verbesserung<br />

in der Bahnqualität führte. Die reprozessierten<br />

Satellitenbahnen sind von diesem Effekt nicht betroffen,<br />

hier zeigt sich lediglich zu Beginn der Block IIR-A-Zeitreihe<br />

eine etwas schlechtere Qualität, da die Signale des<br />

entsprechenden Satelliten anfänglich noch nicht von allen<br />

Beobachtungsstationen erfasst wurden. Innerhalb des IGS<br />

wurde die Wichtigkeit derartiger GPS-Reprozessierungen<br />

durch die Gründung einer entsprechenden Arbeitsgruppe<br />

gewürdigt. Der Beginn einer vom IGS koordinierten<br />

Reprozessierung, an der auch das <strong>GFZ</strong><br />

mit zwei verschiedenen Lösungen teilnehmen<br />

wird (hier beschriebene Lösung<br />

sowie Lösung des <strong>GFZ</strong>-IGS-Analysezentrums),<br />

ist für 2006 geplant.<br />

Analysedienst für den International<br />

Laser Ranging Service<br />

Seit November 2003 läuft das Pilotprojekt<br />

„Positioning & Earth Orientation“<br />

des International Laser Ranging Service<br />

(ILRS). Die sechs Analysezentren, die<br />

Agenzia Spaziale Italiana (ASI), das Bundesamt<br />

für Kartographie und Geodäsie<br />

(BKG), das Deutsche Geodätische Forschungsinstitut<br />

(DGFI), das <strong>GFZ</strong>, das<br />

Joint Center for Earth Systems Technologies<br />

(JCET) und der National Environment<br />

Research Council Space Geodesy<br />

Facility (NSGF), berechnen jeden Dienstag<br />

Stationskoordinaten und Erdorientierungsparameter<br />

aus Satellite Laser Ranging (SLR)-Beobachtungen<br />

zu den Satelliten LAGEOS-1 und -2 und ETA-<br />

LON-1 und -2. Die individuellen Lösungen werden von<br />

den zwei Kombinationszentren des ILRS zusammengeführt<br />

und offiziell am Mittwoch bereitgestellt. Mittlerweile<br />

wurden mehr als 100 Lösungen abgeliefert. Lediglich<br />

eine Lösung konnte aufgrund einer Stromabschaltung<br />

nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Dies entspricht einer<br />

Zuverlässigkeit unseres Dienstes von mehr als 99 Prozent.<br />

Auch die Qualität der Lösungen ist gut. In Tab. 1.1 sind<br />

die Abstände der individuellen Beiträge zur kombinierten<br />

Abb. 1.9: Mittlere wöchentliche Bahngenauigkeit der verschiedenen GPS Satellitentypen: (a) jeweils zeitnah mit den<br />

momentan aktuellen Modellen verarbeitete Zeitreihe des CODE-Analysezentrums, (b) reprozessierte Zeitreihe.<br />

Mean weekly orbit accuracy of the different types of GPS satellites: (a) near real-time time series of the CODE analysis<br />

center processed with the latest models available at that date, (b) reprocessed time series.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Tabelle 1.1:Residuen zur kombinierten Lösung des Wochenprodukts 050611 als Weighted Root Mean Squares (WRMS).<br />

Residuals for the combined weekly solution 050611 as weighted root mean squares (WRMS).<br />

Institut Position X-Pol Y-Pol Tageslänge<br />

(mm) (10 –6 ") (10 –6 ") (10 –6 s)<br />

ASI 6,7 148 173 35<br />

BKG 5,7 66 262 31<br />

DGFI 10,8 466 441 126<br />

<strong>GFZ</strong> 5,5 229 272 53<br />

JCET 8,6 207 288 30<br />

NSGF 13,1 283 309 –<br />

Abb. 1.10: Qualität der Bahnanpassung und Anzahl der Beobachtungen der<br />

historischen Lösungen.<br />

Orbital fits and number of observations of the historical solutions.<br />

Lösung einer zufällig herausgegriffenen Woche zusammengestellt.<br />

Einige der Analysezentren werteten <strong>2005</strong> historische<br />

SLR-Beobachtungen bis zurück zum Jahr 1993, also kurz<br />

nach dem Start von LAGEOS-2 aus. Ziel war die Bereitstellung<br />

einer kombinierten Lösung der SLR-Technik als<br />

Beitrag zur Berechnung des neuen International Terrestrial<br />

Reference Frame <strong>2004</strong> (ITRF<strong>2004</strong>). Die Qualität der<br />

<strong>GFZ</strong>-Lösungen zeigt Abb. 1.10, in der die Güte der Bahnanpassungen<br />

und die Anzahl der Beobachtungen für alle<br />

Wochenlösungen dargestellt sind. Im Mittel liegt die<br />

Modellierungsgenauigkeit bei ca. 1 cm über den gesamten<br />

Analysezeitraum. Die Anzahl der Beobachtungen ist<br />

ständig gewachsen und sorgt damit für stabile Wochenlösungen.<br />

Die SLR-Technik trägt wesentlich zur Maßstabsbestimmung<br />

des terrestrischen Referenzrahmens bei<br />

(z. B. ITRF<strong>2004</strong>).<br />

ICGEM – International Centre for Global Earth Models<br />

Das vom Department 1 eingerichtete ICGEM ist eines von<br />

sechs Zentren des International Gravity Field Service<br />

(IGFS) der International Association of Geodesy (IAG).<br />

Der IGFS ist ein neuer zentraler Dienst der IAG. Er besteht<br />

aus den folgenden sechs Zentren: International Gravity<br />

Bureau (BGI), International Geoid Service (IGeS), Inter-<br />

national Center for Earth Tides (ICET),<br />

International Centre for Global Earth<br />

Models (ICGEM), International DEM<br />

Service (IDEMS) und dem IGFS Technical<br />

Centre.<br />

Zu den Aufgaben des ICGEM gehören<br />

insbesondere das Sammeln und Bereitstellen<br />

globaler Schwerefeldmodelle.<br />

Gegenwärtig stehen 94 Schwerefeldmodelle<br />

einschließlich einer Liste der zugehörigen<br />

Publikationen zur Verfügung.<br />

Die Modelle und alle notwendigen Hindergrundinformationen<br />

werden in einem<br />

einheitlichen Format vorgehalten, das<br />

selbsterklärend und offen für zukünftige<br />

Anforderungen, wie z. B. Zeitreihen von<br />

Koeffizienten ist. Eine automatisierte<br />

Evaluierungsprozedur für diese globalen<br />

Schwerefeldmodelle wird für die Bewertung<br />

der im Department 1 berechneten Schwerefeldmodelle<br />

genutzt. Der Zugang zu diesen Prozeduren soll auch<br />

für andere Nutzer geöffnet werden. Die interaktive Visu-<br />

Abb.1.11:Die interaktive Visualisierung (Modell: EIGEN-<br />

CG03C).<br />

The interactive visualisation (model: EIGEN-CG03C).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

171


172<br />

alisierung von Schwerefeldfunktionalen der Modelle und<br />

Differenzen von Modellen steht bereits online zur Verfügung<br />

(http://icgem.gfz-potsdam.de/ICGEM/ICGEM.<br />

html). Geoidundulationen können farblich codiert und<br />

illuminiert auf eine frei interaktiv drehbare oder um die<br />

Polachse rotierende Kugel projiziert werden (Abb. 1.11).<br />

Über ein Web-Interface können auch verschiedene Funktionale<br />

der Schwerefeldmodelle auf wählbaren Gitterpunkten<br />

berechnet werden. Das berechnete Gitter steht<br />

nach wenigen Sekunden zum Download zur Verfügung.<br />

GPS-Reflektionsmessungen mit dem OpenGPS-Empfänger<br />

GNSS-Signale im Frequenzbereich des L-Bandes (1,2 und<br />

1,6 GHz) weisen eine hohe Reflektivität an Wasser-, Eisund<br />

Schneeoberflächen auf, so dass ein Teil der einfallenden<br />

Satellitensignale wieder abgestrahlt wird. Diese an<br />

vielen Orten der Erde frei verfügbaren reflektierten Signale<br />

lassen sich trotz der zum Teil geringen Signalpegel<br />

für altimetrische Zwecke nutzen. Mit einem am <strong>GFZ</strong><br />

modifizierten GPS-Empfänger konnten in einer Messkampagne<br />

vom 21. bis 24. 09. <strong>2004</strong> vom Königsstuhl auf<br />

der Insel Rügen aus einer Höhe von 118 m Höhenmessungen<br />

der vorgelagerten Ostseeoberfläche gewonnen<br />

werden. Im Gegensatz zu einem konventionellen Gezeitenpegel<br />

können die Ozeanhöhendaten mit einem boden-<br />

Abb. 1.12: Minütlich modellierte Verteilung von GPS-Reflexionspunkten<br />

(grau) für einen Zeitraum von 8 Stunden (oben) und Ausschnitt eines mit 50<br />

Werten pro Sekunde gemessenen Höhenprofils (unten).<br />

Top: Distribution of GPS reflection events, predicted in a 1-min-sampling<br />

within a 8-hour timespan (grey). Bottom: Extract of a measured height profil<br />

with 50 data samples per second.<br />

basierten GPS-Reflektometrieempfänger von einem Standort<br />

gemessen werden, der vor Wellen und Stürmen geschützt<br />

ist. So sind ungestörte Langzeitbeobachtungen<br />

möglich. Weil eine Vielzahl von GPS-Satelliten zur Messung<br />

parallel genutzt werden können, decken die Reflektionspunkte<br />

einen großen Bereich ab (Abb. 1.12). Relative<br />

Höhenschwankungen können mit einer Genauigkeit<br />

von wenigen Zentimetern und einer zeitlichen Auflösung<br />

von 50 Hz erfasst werden. Im Gegensatz zu konventionellen<br />

Pegeldaten weisen die GPS-Reflektometriedaten<br />

eine einheitliche Bezugshöhe/Höhenreferenz auf (z. B.<br />

ITRF2000).<br />

Wie gewinnt man diese altimetrischen Höheninformationen?<br />

Einfache geometrische Überlegungen zeigen, dass<br />

der Weg, den das reflektierte GPS-Signal zur Empfängerantenne<br />

zurücklegt, länger ist, als der Weg des direkt empfangenen<br />

GPS-Signals. Diese Wegverlängerung ist abhängig<br />

von der GPS-Empfängerhöhe und der Position des<br />

beobachteten GPS-Satelliten. Da sich die Position des<br />

GPS-Satelliten kontinuierlich ändert, ändert sich auch<br />

ständig der Wegunterschied zwischen dem direkten und<br />

reflektierten Signal. An der Empfängerantenne kommt es<br />

dann zu Interferenzen zwischen dem direkten und reflektierten<br />

GPS-Signal, die periodische Amplitudenschwankungen<br />

verursachen. Bei der GPS-Reflektometrie können<br />

aus den gemessenen Amplitudenschwankungen und der<br />

bekannten Geometrie von GPS-Empfänger<br />

und GPS-Satellit relative Höhenschwankungen<br />

der Wasseroberfläche am<br />

Ort der Reflexion abgeleitet werden. Der<br />

OpenGPS-L1-Empfänger, der auf einer<br />

open-source Empfängersoftware, handelsüblicher<br />

PC-Hardware und einem<br />

modifizierten kommerziell erhältlichen<br />

Einfrequenz-GPS-Modul basiert, kann<br />

diese Amplitudenschwankungen mit<br />

hoher zeitlicher Auflösung von 50 Messungen<br />

pro Sekunde aufzeichnen und<br />

so mit Hilfe der Trägerphasenänderung<br />

die gezeigten Höhenprofile mit wenigen<br />

Zentimetern Genauigkeit gewinnen<br />

(Abb. 1.13). Obwohl in der Regel die signifikanten<br />

Wellenhöhen der Ostsee die<br />

Wellenlänge des GPS-Signals deutlich<br />

überstiegen, konnten unter flachen Beobachtungswinkeln<br />

von weniger als 8° aufgrund<br />

des Rayleigh-Kriteriums kohärente<br />

Reflexionen beobachtet und relative<br />

Höhenänderungen erfolgreich abgeleitet<br />

werden.<br />

Unter Federführung des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

fand vom 22. 07. bis 13. 08. <strong>2005</strong> eine<br />

internationale, multidiszipinär ausgerichtete<br />

Expedition in die Tienshan-Gebirgsketten<br />

Kirgisistans zum Inylshik-Gletschersystem<br />

statt. Dort wurden erste<br />

Monitoring-Aufgaben mit Hilfe des<br />

OpenGPS-Empfängers durchgeführt. Die<br />

seit zwei Jahrzehnten beobachtete Re-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


gression der Vergletscherung in dieser Region verändert<br />

die Dynamik der Gletscher. Eine Zunahme von Schlammlawinen<br />

und Dammbrüchen ist die Folge. Untersuchungsschwerpunkt<br />

war der vom Süd-Inylshik aufgestau-<br />

Abb. 1.13: (A) Mit dem OpenGPS-Empfänger<br />

gemessene ungefilterte Korrelationswerte,<br />

(B) daraus abgeleitete Phasenwerte<br />

φ. (C) Höhenänderungen am<br />

Reflektionspunkt, aus der bekannten<br />

Geometrie von Empfänger, Satellit,<br />

Reflektionspunkt und den Phasenwerten<br />

berechnet.<br />

(A) Unfiltered correlation data measured<br />

by the OpenGPS receiver, (B) derived<br />

phase values φ. (C) Relative height change<br />

at the reflection point, derived from the<br />

varying phase data and from the known<br />

geometry of receiver, satellite and reflection<br />

point.<br />

te und vom Nord-Inylshik gespeiste Merzbacherssee<br />

(Abb. 1.14). In den Sommermonaten<br />

haben Dammbrüche dort in den<br />

vergangenen Jahren regelmäßig massive<br />

Schäden an der Infrastruktur unterhalb<br />

des Gletscherausflusses hervorgerufen.<br />

Kurz vor der Expedition ist der Damm<br />

erneut gebrochen, aufgrund des heißen<br />

Sommers früher als gewöhnlich. Die verschiedenen<br />

früheren Füllhöhen des mittlerweile<br />

wieder teilgefüllten Sees kann<br />

man im oberen Bild von Abb. 1.15 anhand<br />

der verschiedenen Uferlinien erkennen.<br />

Der OpenGPS-Empfänger konnte am<br />

Ostufer des Merzbachersees in einer Höhe von 3.271 m<br />

auf anstehendem Gestein, 43 m oberhalb der eisbedeckten<br />

Seeoberfläche, installiert werden (Abb. 1.16). Mit<br />

einer um 45° Richtung Westen verkippten GPS-Antenne<br />

Abb. 1.14: Karte des Nord- und Süd-Inylshik-Gletschersystems, dem größten Gletschersystem der Tienshan-Region in<br />

Kirgisistan, Zentralasien, mit einer Gesamtlänge von mehr als 65 km und einer Fläche von mehr als 815 km 2 .<br />

The North- and the South-Inylshik glacier system, the largest glacier system of the Tienshan region in Kyrgyzstan, Central<br />

Asia, has a total length of more than 65 km and comprises an area of more than 815 km 2 .<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

173


174<br />

Abb. 1.15: Ostufer des Merzbachersees am 24.07.<strong>2005</strong>,<br />

aufgenommen während des Transporthubschrauberanflugs<br />

(oben) und gleiche Lokation am 26.07.<strong>2005</strong>, aufgenommen<br />

auf dem Weg zur OpenGPS-Messlokation mit<br />

Blick nach Süden Richtung Eisbarriere des Süd-Inylshiks<br />

(unten) (Fotos: A. Helm, <strong>GFZ</strong>).<br />

Top: East shoreline of the Merzbacher lake on July 24,<br />

<strong>2005</strong>. The aerial view was taken during the transfer with<br />

the helicopter. Bottom: Same location on July 26, photo<br />

taken on the way to the OpenGPS measurement location.<br />

The ice dam of the South-Inylshik can be seen in south<br />

direction.<br />

konnten im Zeitraum vom 27.07. bis 10.08. täglich mehrere<br />

Höhenprofile gewonnen werden. Ein zweiter Dammbruch<br />

konnte am 01.08. beobachtet werden, woraufhin der<br />

Seespiegel erneut um mehr als 20 m bis auf den Seegrund<br />

gefallen ist. Erste Auswertungen der Reflektometriedaten<br />

erfassen nicht nur den absoluten Höhenabfall, sondern lassen<br />

auch die veränderte Topographie der reflektierenden<br />

Seeoberfläche erkennen (Abb. 1.17). Bis zum Ende des<br />

Experiments konnte kein erneutes Wiederauffüllen beobachtet<br />

werden.<br />

Die Methode der GPS-Reflektometrie bietet damit die<br />

Möglichkeit, im ufer- und küstennahen Bereich See- und<br />

Meeresspiegeländerungen – wichtige klimarelevante Faktoren<br />

– zu überwachen. Durch den kommenden Aus- und<br />

Aufbau der russischen und europäischen GNSS-Systeme<br />

GLONASS und GALILEO wird die Zahl der zur Verfügung<br />

stehenden GNSS-Signale weiter erhöht. Die Methode<br />

lässt sich aber nicht nur für bodengestützte Fernerkun-<br />

Abb. 1.16: Während der Kalibrationsmessung im Norduferbereich<br />

des Merzbachersees mit einem Trimble 4000<br />

GPS-Empfänger stieg der Wasserspiegel am 30.07.<strong>2005</strong><br />

um 4 cm/Std. an (oben). Bei der Wiederholungsmessung<br />

am 01.08. fiel der Wasserspiegel um 5 cm/Std. Eine dritte<br />

Wiederholungsmessung am 3. August <strong>2005</strong> konnte nicht<br />

mehr durchgeführt werden, da der Wasserspiegel bereits<br />

um mehrere Meter gefallen war und der aktuelle Uferbereich<br />

nicht mehr zugänglich war (unten) (Fotos: A. Helm,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

Top: During the calibration measurement with a Trimble<br />

4000 GPS receiver at the northern shoreline of the Merzbacher<br />

lake the water level rised on July 30, <strong>2005</strong> with a<br />

rate of 4 cm/h. During a second calibration measurement<br />

on August 1 at the same location the water level dropped<br />

with a rate of 5 cm/h. Bottom: On August 3 the water level<br />

already dropped several meter. Thus, a third measurement<br />

could not be conducted anymore and access to the new<br />

shoreline was not possible anymore without risc.<br />

dung einsetzen, sondern wird zurzeit auch für eine weltraumgestützte<br />

globale Überwachung des Meeresspiegels<br />

weiterentwickelt.<br />

Das TOR-Experiment auf TerraSAR-X<br />

Für die Erdfernerkundung gewinnen heute satellitengestützte<br />

Radarverfahren an Bedeutung. Der deutsche Satellit<br />

TerraSAR-X repräsentiert dabei eine neue Generation<br />

von Flugkörpern. Die Abkürzung SAR steht für „Synthetic<br />

Aperture Radar“ – Radar mit synthetischer Apertur.<br />

Mittels relativ kleiner Radarantennen wird eine hohe Auf-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb 1.17: Aus den am 30.07. (oben) und<br />

03.08.<strong>2005</strong> (unten) berührungslos gemessenen<br />

GPS-Reflexionsdaten lassen sich<br />

die gezeigten Höhenprofile des Merzbachersees<br />

ableiten. Aus den absoluten Höhen<br />

beider Profile lässt sich das Absinken<br />

des Wasserspiegels in diesem Zeitraum<br />

mit 14 m abschätzen.<br />

From the remotely measured GPS reflection<br />

data on July 30 (top) and August 3,<br />

<strong>2005</strong> (bottom) the shown height profiles<br />

of lake Merzbacher can be calculated.<br />

From the absolute heights of both profils<br />

a water level drop of 14 m can be estimated<br />

within the observed time interval.<br />

lösung erzielt, die sonst nur mit wesentlich<br />

größeren Durchmessern (Aperturen)<br />

erreichbar ist. Der „Trick“ des SAR-Verfahrens<br />

besteht darin, die Momentaufnahme<br />

einer großen stationären Antenne durch viele, mit<br />

Hilfe einer kleinen, phasengesteuerten Antenne gewonnene<br />

Aufnahmen zu ersetzen. Dabei wird jedes Objekt im<br />

Sendestrahl im Verlauf der Aufnahme unter verschiedenen<br />

Blickwinkeln angestrahlt. Bei genauer Kenntnis der<br />

Bahn des Radarsenders kann anschließend aus den<br />

gewonnenen Intensitäten und Phasenlagen ein Bild synthetisiert<br />

werden, das dem einer großen Antenne entspricht.<br />

TerraSAR-X trägt als Hauptnutzlast ein Radar-Phasenarray,<br />

das bei einer Frequenz von 9,65 GHz, d. h. im sogenannten<br />

X-Band arbeitet. Testflüge mit X-Band Radaranlagen<br />

an Bord des Space Shuttle (X-SAR 1994, SRTM<br />

2000) waren bisher auf wenige Tage begrenzt, so dass die<br />

wiederholte Aufnahme eines Gebiets über längere Zeiträume<br />

hinweg unmöglich war. Im Gegensatz dazu soll<br />

TerraSAR-X eine Missionsdauer von fünf Jahren erreichen<br />

und aufgrund seiner hohen Bahnneigung von 97,4°<br />

nahezu alle Gebiete der Erde erfassen. Der Satellit wird<br />

im Rahmen einer Public Private Partnership zwischen dem<br />

Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)<br />

und der EADS Astrium GmbH realisiert und soll 2006<br />

vom Startplatz Baikonur in seine Erdumlaufbahn gebracht<br />

werden.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam betreibt auf TerraSAR-X das TOR-<br />

Experiment als Sekundärnutzlast, welches zur Verbesse-<br />

Abb. 1.18: Oben: Wasserspiegel des Merzbachersees am<br />

30.07.<strong>2005</strong>, gesehen vom GPS-Empfängerstandort.<br />

Mitte: Am 05.08.<strong>2005</strong> ist der Wasserspiegel des Merzbachersees<br />

fast bis zum Seegrund gefallen. Unten: Am<br />

10.08.<strong>2005</strong> hat der stetige Wasserzulauf des Nordinylshik-<br />

Gletschers ein voll ausgebildetes Flussbett geschaffen<br />

(Fotos: A. Helm, <strong>GFZ</strong>).<br />

Top:Water level of lake Merzbacher on July 30, <strong>2005</strong>, seen<br />

from the OpenGPS receiver location. Middle: On August 5,<br />

<strong>2005</strong> the water level already dropped to the lake bottom.<br />

Bottom:On August 10 the steady water inflow of the North-<br />

Inylshik glacier created a fully developed river channel.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

175


176<br />

Abb. 1.19: Der Satellit TerraSAR-X in Flugkonfiguration<br />

mit ausgeklapptem X-Band Downlink-Ausleger. Die flache<br />

Radarantenne befindet sich an der Unterseite des<br />

Raumflugkörpers und zeigt zur Erdoberfläche (Quelle:<br />

DLR).<br />

The TerraSAR-X spacecraft in flight configuration with the<br />

X-band downlink boom deployed. The flat radar antenna<br />

at the lower part of the satellite body is facing towards the<br />

Earth surface.<br />

rung der wissenschaftlichen Nutzung der SAR-Daten<br />

sowie zur Sondierung der Erdatmosphäre dienen soll. Das<br />

Hauptziel besteht dabei in einer auf wenige Zentimeter<br />

genauen Bahnbestimmung des Satelliten. TOR (Tracking,<br />

Occultation and Ranging) enthält einen Zweifrequenz-<br />

GPS-Empfänger mit insgesamt vier Antennen sowie einen<br />

Laserretroreflektor. Der von der US-Firma BroadReach<br />

Engineering Inc. hergestellte GPS-Empfänger ist im Wesentlichen<br />

identisch mit dem auf CHAMP eingesetzten<br />

„BlackJack“ Instrument, das vom Jet Propulsion Laboratory<br />

in Pasadena entwickelt wurde und das seit dem Start<br />

von CHAMP Juli 2000 ausgezeichnete Daten liefert.<br />

Abb. 1.21: Links: Laserretroreflektor für TerraSAR-X,<br />

rechts: Signalverteilung im Fernfeld, Skala: 2 Bogensekunden<br />

pro Unterteilung (Foto: L. Grunwaldt, <strong>GFZ</strong>).<br />

Left side:Laser retroreflector for TerraSAR-X, right side:farfield<br />

signal distribution, scale is 2 arcseconds per division.<br />

Abb. 1.20: Die GPS-Navigationsantennen zur präzisen<br />

Bahnbestimmung auf Choke-Ringen montiert (Foto:<br />

EADS Astrium).<br />

The GPS navigation antennas for precise orbit determination<br />

mounted on choke rings.<br />

Damit eine Bahngenauigkeit von wenigen Zentimetern<br />

erreicht werden kann, dürfen die GPS-Signale die Navigationsantennen<br />

nur auf direktem Weg erreichen. Reflexionen<br />

an Teilen des Satellitenkörpers würden die Messwerte<br />

verfälschen und zu Ungenauigkeiten führen. Daher<br />

fertigte und qualifizierte das GeoForschungsZentrum für<br />

TerraSAR-X spezielle Antennenaufbauten. Diese sogenannten<br />

Choke-Ringe sollen störende GPS-Signalreflexionen<br />

weitgehend unterdrücken (Abb. 1.20).<br />

Zwei weitere TOR-Antennen werden zur vertikalen Sondierung<br />

der Erdatmosphäre genutzt und empfangen die<br />

Signale von GPS-Satelliten, welche für TerraSAR-X gerade<br />

am Horizont auf- bzw. untergehen. Die Verzögerung<br />

des Radiosignals beim Durchstrahlen der Troposphäre<br />

wird zur Ableitung von weltweiten Temperatur- und Feuchteprofilen<br />

genutzt. Dieses Radiookkultationsverfahren<br />

funktioniert auf CHAMP seit 2001 sehr erfolgreich.<br />

Der Laserretroreflektor ist an der Unterseite des Satelliten<br />

angebracht und dient zur externen Kalibrierung bzw.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Validierung der mittels GPS vermessenen Bahn. Die im<br />

weltweiten Netz des International Laser Ranging Service<br />

arbeitenden Laserbodenstationen vermessen dabei Teilstücke<br />

der Satellitenbahn zentimetergenau durch Laufzeitmessung<br />

ultrakurzer Lichtimpulse und bieten somit<br />

eine vom GPS unabhängige hochgenaue Referenz zur<br />

Qualitätsanalyse der GPS-Bahnen. Der am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

entwickelte und bereits auf den Missionen CHAMP sowie<br />

GRACE-A und -B erfolgreich eingesetzte Reflektor ist<br />

nur ca. 10 cm groß (Abb. 1.21). Die Besonderheiten des<br />

Reflektors bestehen zum einen in der geringen Anzahl der<br />

eingesetzten Prismen, wodurch das reflektierte Signal sehr<br />

„scharf“ wird, zum anderen in einem speziellen Verfahren<br />

zur Kompensation des Einflusses der Satellitengeschwindigkeit<br />

auf die Richtung des Rückkehrsignals. Durch spezielle<br />

Formgebung der Reflexprismen wird das am Reflektor<br />

auf TerraSAR-X reflektierte Licht im Fernfeld dort<br />

konzentriert, wo sich die Laserstation befindet. Ohne diesen<br />

Kunstgriff würde ein großer Teil des Signals für die<br />

Messung verlorengehen.<br />

Das GeoForschungsZentrum besitzt aus seinen Arbeiten<br />

zur präzisen Bahnbestimmung der Missionen CHAMP<br />

und GRACE eine jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet<br />

der GPS-gestützten Bahnen, die extern durch Lasermessungen<br />

validiert werden. Zusammen mit dem TOR-Experiment<br />

auf TerraSAR-X sollen die so verbesserten Radardaten<br />

zur Registrierung von Landsenkungen, bei der Überwachung<br />

und der Modellierung lokaler geologischer<br />

Gefährdungen, wie Hangrutschungen und Felsstürzen,<br />

sowie zur Erforschung der Eisdynamik eingesetzt werden.<br />

Das Schwerefeld der Erde<br />

Entwicklung der räumlichen Auflösung auf Basis moderner<br />

Schwerefeldmodelle<br />

Ein wesentlicher Aspekt der Missionen CHAMP und<br />

GRACE ist die Verbesserung der räumlichen Auflösung<br />

des statischen Schwerefeldes, die gegenüber der Zeit vor<br />

CHAMP deutlich um bis zu zwei Größenordnungen<br />

gesteigert werden konnte. Abb. 1.22 zeigt hierzu beispielhaft<br />

Schwereanomalien (Abweichungen vom Normalschwerefeld)<br />

über Europa aus dem Schwerefeldmodell<br />

GRIM5-S1, einer Kombination aus Satellitendaten<br />

der Zeit vor CHAMP, aus einem rein aus CHAMP-Beobachtungen<br />

abgeleiteten Modell (EIGEN-CHAMP03S),<br />

einem gegenüber CHAMP höher auflösenden GRACE-<br />

Abb. 1.22: Verbesserung der räumlichen Auflösung globaler Erdschwerefeldmodelle bestimmt aus Daten verschiedener<br />

geodätischer Satelliten (GRIM5-S1 Modell), nur aus CHAMP-Beobachtungen (EIGEN-CHAMP03S), nur aus<br />

GRACE-Daten (EIGEN-GRACE03S) und die mit GOCE erwartete Auflösung. Dargestellt sind Abweichungen der<br />

Schwere gegenüber mittleren Werten (Schwereanomalien) in mGal, wobei 1 mGal = 10 –5 m/s 2 .<br />

Improvement of the spatial resolution of static global gravity field models from geodetic satellite data (GRIM5-S1<br />

model), from CHAMP-only (EIGEN-CHAMP03S), from GRACE-only data and the to-be expected resolution from<br />

GOCE. Displayed are the deviations of gravity with respect to mean values (gravity anomalies) in mGal, where 1 mGal<br />

= 10 –5 m/s 2 .<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

177


178<br />

Produkt (EIGEN-GRACE03S) sowie einer Projektion,<br />

wie sie aus der Analyse der GOCE-Missionsdaten in 2007<br />

erwartet wird. Gegenüber der Zeit vor CHAMP werden<br />

auf Basis von CHAMP- und insbesondere GRACE-Daten<br />

deutlich kleinere Schwerefeldstrukturen aufgelöst, wie sie<br />

beispielsweise durch Gebirge hervorgerufen werden<br />

(Ural, Atlas, Alpen). Mit GRACE-Daten lassen sich Strukturen<br />

mit einem Durchmesser größer als 150 km erfassen,<br />

die GOCE-Mission soll Strukturen bis 80 km Durchmesser<br />

auflösen.<br />

Hochauflösende Schwerefeldmodelle aus der Kombination<br />

von Satelliten- und Oberflächendaten<br />

Eine höhere räumliche Auflösung globaler Modelle allein<br />

aus Satellitendaten, d. h. kleiner als 150 km (GRACE)<br />

bzw. kleiner als 80 km (GOCE), ist derzeit nicht erreichbar.<br />

Dagegen liefern Oberflächenmessverfahren wie Gravimetrie<br />

und Satellitenaltimetrie regionale Schwerefeldmodelle<br />

sehr hoher Auflösung im räumlich kurzwelligen<br />

Bereich unterhalb ca. 200 km. Zur Berechnung maximal<br />

auflösender Schwerefeldmodelle werden Satelliten- und<br />

Oberflächenschweredaten kombiniert, um Schwerefeldmodelle<br />

zu generieren, die sowohl im lang- als auch im<br />

kurzwelligen Spektralbereich eine hohe Genauigkeit besitzen.<br />

Abb. 1.23 verdeutlicht, wie die Auflösung von satellitenbasierten<br />

Schwerefeldmodellen durch eine Kombi-<br />

Abb. 1.23: Geoidundulationen (links) und Schwereanomalien (rechts) globaler<br />

Schwerefeldmodelle.<br />

Geoid undulations (left) and gravity anomalies (right) of global gravity field<br />

models.<br />

nation mit Oberflächendaten gesteigert wird. Derartige<br />

Kombinationsmodelle werden am <strong>GFZ</strong> Potsdam seit zehn<br />

Jahren berechnet, wobei mit den verfügbaren CHAMPund<br />

GRACE-Daten jedoch neue Herausforderungen im<br />

Hinblick auf eine optimale Kombination der verschiedenen<br />

Datentypen entstanden sind. Dies liegt einmal an der<br />

wesentlich höheren räumlichen Auflösung der neuen<br />

Satellitendaten, die wegen ihrer Sensitivität im Wesentlichen<br />

den langwelligen Anteil des Schwerefeldmodells<br />

bestimmen. Hier ist der optimale Übergangsbereich zu<br />

bestimmen, ab dem die Oberflächendaten die homogenen<br />

Satellitendaten ergänzen. Andererseits erlaubt die Verfügbarkeit<br />

neuer langwelliger Schwerefeldmodelle allein<br />

aus CHAMP- und GRACE-Daten eine verbesserte Aufbereitung<br />

und auch Homogenisierung der verschiedenen<br />

terrestrischen Datensätze bzw. macht diese notwendig.<br />

Ein Aspekt hierbei ist die Aufdeckung systematischer Einflüsse<br />

in den Oberflächendaten, die mit den neuartigen<br />

Satellitenmodellen viel klarer sichtbar werden und korrigiert<br />

werden müssen.<br />

Ein kürzlich am <strong>GFZ</strong> berechnetes Kombinationsmodell<br />

EIGEN-CG03C setzt sich zusammen aus GRACE-Daten<br />

(376 Tage; Februar bis Mai 2003, Juli bis Dezember 2003<br />

und Februar bis Juli <strong>2004</strong>), CHAMP-Daten (860 Tage; Oktober<br />

2000 bis Juni 2003) sowie aus Geoidundulationen<br />

und Schwereanomalien an der Erdoberfläche. Abb. 1.24<br />

zeigt die geografische Verteilung der verschiedenen<br />

für EIGEN-CG03C benutzten<br />

Oberflächendatensätze, die beispielsweise<br />

von der National Imagery and Mapping<br />

Agency (NIMA) und dem Alfred-Wegener-Institut<br />

veröffentlicht wurden und<br />

von den Herkunftsinstitutionen jeweils<br />

aus einer Vielzahl von Einzelmesskampagnen<br />

(Altimetrie und Gravimetrie)<br />

aufbereitet wurden.<br />

Das Schwerefeldmodell EIGEN-CG03C<br />

wurde in einem aus mehreren Schritten<br />

bestehenden Verfahren berechnet, das auf<br />

der Kombination von Normalgleichungen<br />

für die Kugelfunktionskoeffizienten<br />

beruht. Das Zusammenfügen der Teillösungen<br />

ergab das endgültige Modell<br />

EIGEN-CG03C, das aus Kugelfunktionskoeffizienten<br />

bis Grad und Ordnung<br />

360 besteht (Abb. 1.25). Es besitzt damit<br />

eine räumliche Auflösung von ca. 50 km<br />

auf der Erdoberfläche. Dies entspricht in<br />

etwa der dreifachen Auflösung der<br />

aktuellen CHAMP- und GRACE-Modelle.<br />

Die Genauigkeit von EIGEN-CG03C<br />

beträgt 3 cm bzw. 0,4 mGal bei einer<br />

Auflösung von 200 km und 30 cm bzw.<br />

8 mGal in der vollen Auflösung. Die Koeffizienten<br />

und weitere Informationen können<br />

von den Internetseiten des GRACE-<br />

Projekts (http://www.gfz-potsdam.de/<br />

pb1/op/grace/results) heruntergeladen<br />

werden.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.24: Die geografische Verteilung der in das Kombinationsmodell<br />

EIGEN-CG03C eingegangenen Oberflächendatensätze (1: Schwereanomalien<br />

im Nordpolarbereich, 2: Schwereanomalien für Nordamerika, 3: Schwereanomalien<br />

in der Antarktis, 4: Schwereanomalien auf den Ozeanen und<br />

im Küstenbereich, 5: Geoidundulationen über den Ozeanen und 6: Schwereanomalien<br />

auf dem Festland).<br />

The geographical distribution of the surface data sets as used for the combined<br />

model EIGEN-CG03C (1: gravity anomalies in the Arctic, 2: North<br />

America, 3: the Antarctic, 4: oceans and coastal zones, 5: geoid heights<br />

above oceans, 6: gravity anomalies above continents).<br />

Abb. 1.25: Schwereanomalien (mGal) des Kombinationsmodells EIGEN-<br />

CG03C.<br />

Gravity anomalies (mGal) of the combination model EIGEN-CG03C.<br />

Abb. 1.26: Der GOCE-Satellit (Quelle: ESA).<br />

The GOCE satellite.<br />

Die ESA-Satellitenmission GOCE<br />

Die Satellitenmission GOCE („Gravity<br />

Field and Steady-State Ocean Circulation<br />

Explorer“) ist die erste „Earth Explorer<br />

Core Mission“ der ESA im Rahmen<br />

des „Living Planet Programme“. Gleichzeitig<br />

ist GOCE (Abb. 1.26) nach<br />

CHAMP und GRACE der dritte speziell<br />

zur globalen und hochgenauen<br />

Erfassung des Erdschwerefeldes konzipierte<br />

Satellit.<br />

Bislang können Informationen über die<br />

globale Struktur des Erdschwerefeldes<br />

nur durch die Analyse von Störungen der<br />

Satellitenbahnkurven abgeleitet werden,<br />

z. B. aus GPS-Messungen (CHAMP)<br />

oder aus gegenseitigen Distanzmessungen<br />

zwischen zwei hintereinander fliegenden<br />

Satelliten (GRACE). Bei der<br />

GOCE-Mission wird nun erstmals die<br />

Aufzeichnung von direkten Messsignalen<br />

des Erdschwerefeldes auf einem<br />

Satelliten realisiert: Weil sich alle Satelliten<br />

bzw. ihre Massenzentren im Orbit im<br />

Zustand der Schwerelosigkeit befinden,<br />

ist Schwerkraft, die einen Satelliten auf<br />

seiner Bahn hält, an Bord nicht messbar.<br />

Möglich ist jedoch die Messung der<br />

Schwerkraftdifferenzen zwischen dem<br />

Massenzentrum und wenige Dezimeter<br />

davon entfernten Messpunkten. Dies wird<br />

auf GOCE mit hochgenauen, elektrostatischen<br />

Beschleunigungsmessern, sogenannten<br />

Akzelerometern realisiert, Weiterentwicklungen<br />

der in CHAMP und<br />

GRACE verwendeten Beschleunigungsmesser.<br />

Im Satelliten GOCE bilden die<br />

drei senkrecht zueinander stehenden<br />

Paare von dreiachsigen Akzelerometern<br />

das sogenannte Satellitengradiometer<br />

(Satellite Gravity Gradiometer – SGG),<br />

dessen Schwerpunkt im Massenzentrum<br />

liegt (siehe Abb. 1.27).<br />

Abb. 1.27: Das Herzstück des GOCE-Gradiometers bei<br />

der Montage: Die drei Akzelerometer-Paare (Foto: ESA).<br />

The core of the GOCE gradiometer – the three accelerometer<br />

pairs.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

179


180<br />

Die Messungen der Schwerefeldgradienten dieses Satellitengradiometers,<br />

zusammen mit klassischen Bahnstörungsanalysen<br />

auf der Basis der gleichzeitig durchgeführten GPS-<br />

Messungen, gestatten eine bisher unerreichte Genauigkeit<br />

bei der Bestimmung des globalen Schwerefeldes. Das Ziel<br />

der GOCE-Mission ist die Bestimmung des Geoids (Äquipotentialfläche<br />

des Erdschwerefeldes) mit einer Genauigkeit<br />

von ein bis zwei Zentimetern und die Erfassung der<br />

Anomalien des Erdschwerefeldes mit einer Genauigkeit von<br />

1 mGal (1 mGal = 10 –5 m/s 2 ) bei einer räumlichen Auflösung<br />

besser als 100 km. GOCE wird voraussichtlich Anfang 2007<br />

vom russischen Kosmodrom Plesetsk gestartet. Die von der<br />

GOCE-Mission erwarteten hochgenauen Informationen<br />

über das Schwerefeld werden zu einem besseren Verständnis<br />

von geophysikalischen Prozessen im Erdinneren beitragen,<br />

wie z. B. die mit Vulkanismus und Erdbeben verbundenen<br />

physikalischen Vorgänge. Außerdem werden von<br />

GOCE Beiträge zur Erforschung der Ozeanzirkulationen,<br />

der postglazialen Landhebungen, von Eismassenbilanzen<br />

und von Meerespiegeländerungen erwartet.<br />

Im Rahmen des GOCE-Projekts haben zehn europäische<br />

geowissenschaftliche und geodätische Forschungseinrichtungen<br />

das „European GOCE Gravity Consortium“ (EGG-<br />

C) gegründet. Unter der Leitung dieses Konsortiums wird<br />

seit einigen Jahren die „GOCE High-Level Processing<br />

Facility“ (GOCE-HPF) aufgebaut, ein über ganz Europa<br />

verteiltes Datenverarbeitungssystem zur Schwerefeldbestimmung.<br />

Nach dem Start des Satelliten wird die HPF im<br />

Auftrag der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA die Prozessierung<br />

der GOCE-Messdaten durchführen. Dabei ist<br />

vorgesehen, die GOCE-Messungen gleichzeitig nach verschiedenen<br />

Algorithmen auszuwerten. Das <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

bildet einen Teil des EGG-C und ist innerhalb der HPF in<br />

Zusammenarbeit mit dem Centre National d’Etudes Spatiales<br />

(CNES) in Toulouse, Frankreich für die Bestimmung<br />

des Erdschwerefelds direkt aus den GOCE-Messungen<br />

(„direct method“) zuständig. Dazu sind vom GeoForschungsZentrum<br />

Techniken für die Verarbeitung der Gradiometer-<br />

und GPS-Messungen sowie deren Filterung und<br />

Gewichtung entwickelt worden. Außerdem wurden die bei<br />

CHAMP und GRACE erfolgreich angewandten Techniken<br />

der Schwerefeldbestimmung aus Bahnstörungen auf der<br />

Basis von GPS-Messungen an die erwarteten Bedingungen<br />

der GOCE-Mission angepasst.<br />

Ein wichtiger Meilenstein beim Aufbau der HPF war der<br />

erfolgreiche „Acceptance Review 1 Test“ im Sommer <strong>2005</strong><br />

– ein vollständiger Leistungstest aller Datenübertragungs-,<br />

Archivierungs- und Prozessierungssysteme unter den<br />

zeitlich realistischen Anforderungen des späteren Missionsbetriebs.<br />

Da es noch keine realen Messungen eines<br />

Satellitengradiometers gibt, wurde dieser Test mit simulierten<br />

Messdaten durchgeführt – ein in der Satellitengeodäsie<br />

bewährtes Verfahren zum Testen komplexer Softwaresysteme.<br />

Dafür standen 30 Tage mit dem Erdschwerefeldmodell<br />

EGM96 simulierte GOCE-Messdaten von der<br />

ESA zur Verfügung. Die Schwerefeldbestimmung an diesen<br />

Daten ergab das in die Simulation hineingesteckte<br />

Schwerefeldmodell mit einer Genauigkeit, die dem Missionsziel<br />

von GOCE entspricht.<br />

Beobachtungen mit Supraleitgravimetern – Station<br />

Sutherland in Südafrika<br />

Das Supraleitgravimeter (SG) an der vom <strong>GFZ</strong> betriebenen<br />

Station Sutherland (SAGOS) in Südafrika registriert<br />

seit 2000 kontinuierlich Schwerevariationen in hoher Qualität.<br />

Die Station ist Bestandteil des Global Geodynamic<br />

Project (GGP), das weltweit 20 SG-Stationen umfasst. Die<br />

Daten werden sowohl im <strong>GFZ</strong> Potsdam als auch von internationalen<br />

Institutionen ausgewertet. Aus den am <strong>GFZ</strong><br />

durchgeführten Datenanalysen sollen zwei Ergebnisse vorgestellt<br />

werden.<br />

Abb. 1.28: „Dual Sphere“ Supraleitgravimeter-Installation<br />

an der Station Sutherland, (Foto: Neumeyer,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

„Dual Sphere“ Superconducting Gravimeter installation<br />

at station Sutherland.<br />

Abb. 1.29: Eingang des „South African Geodynamic<br />

Observatory Sutherland“, SAGOS (Foto: Neumeyer, <strong>GFZ</strong>).<br />

Entrance of „South African Geodynamic Observatory<br />

Sutherland“, SAGOS.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Vergleich der zeitlichen Variationen des Erdschwerefeldes<br />

abgeleitet aus SG-Registrierungen, GRACE-Beobachtungen<br />

und globalen hydrologischen Modellen<br />

Die zeitlichen Variationen des Erdschwerefelds, die aus<br />

GRACE-Beobachtungen gewonnen werden, haben eine<br />

Schwereauflösung von ca. 1 µGal bei einer räumlichen<br />

Abb.1.30:Blick vom SAGOS zu den astronomischen<br />

Beobachtungskuppeln des<br />

„South African Astronomical Observatory“<br />

(SAAO) in Sutherland (Foto: Neumeyer,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

View from SAGOS to astronomical observation<br />

domes at „South African Astronomical<br />

Observatory“ (SAAO) Sutherland.<br />

Auflösung (λ/2) von 1.330 km (l max = 15)<br />

sowie eine zeitliche Auflösung von einem<br />

Monat. Für eine Kombination dieser aus<br />

GRACE abgeleiteten zeitlichen Variationen<br />

des Schwerefeldes mit Bodenmessungen<br />

sind nur Supraleitgravimeter geeignet, da diese<br />

die geforderte Langzeitstabilität (korrigierbare lineare<br />

Drift von wenigen µGal pro Jahr) und Schwereauflösung<br />

(~ 0,1µGal im Zeitbereich) besitzen.<br />

Damit Schwerevariationen, die aus GRACE-Beobachtungen<br />

abgeleitet wurden, mit den Supraleitgravimeter-Mes-<br />

Abb. 1.31: Schwerevariationen (δgm), die aus SG- und<br />

GRACE-Beobachtungen sowie dem globalen hydrologischen<br />

Model H96 an den SG-Stationen MO, WE, ME, SU,<br />

WU und MA abgeleitet wurden.<br />

Gravity variations (δgm) derived from SG, GRACE and<br />

H96-model at SG sites MO, WE, ME, SU, WU and MA.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

181


182<br />

sungen verglichen werden können, werden aus beiden Zeitreihen<br />

die gleichen bekannten Schwerevariationen herausgerechnet.<br />

Deshalb sind Erd- und Ozeangezeiten, Polgezeiten<br />

sowie Auflasten der Atmosphäre und des Ozeans<br />

in beiden Vergleichsdatensätzen nicht enthalten. Als Ursache<br />

für die verbleibenden Schwerevariationen werden vornehmlich<br />

hydrologische Einflüsse angenommen. Deshalb<br />

wurden zusätzlich Schwerevariationen aus dem globalen<br />

hydrologischen Modell H96 (NOAA Climate Prediction<br />

Center) ermittelt und verglichen. Für den Vergleich wurden<br />

sechs Supraleitgravimeter-Stationen Sutherland, Südafrika<br />

(SU), Moxa, Deutschland (MO), Wettzell, Deutschland<br />

(WE), Metsahovi, Finnland (ME), Matsushiro, Japan<br />

(MA) und Wuhan, China (WU) ausgewählt (Abb. 1.31).<br />

Neben den GRACE-Lösungen des <strong>GFZ</strong> wurden die Lösungen<br />

der University of Texas, Center for Space Research<br />

(UTCSR) mit den räumlichen Auflösungen λ/2 =<br />

2.000 km ((l max = 10), λ/2 = 1.330 km ((l max = 15) und λ/2<br />

= 1.000 km ((l max = 20) verglichen. Der Vergleich zeigt<br />

eine Übereinstimmung der Schwerevariationen, die aus<br />

SG (δgm SG), GRACE (δgm G-<strong>GFZ</strong> und δgm G-UTCSR) und dem<br />

hydrologischen Modell H6 (δgm H96) abgeleitet wurden. Es<br />

konnte gezeigt werden, dass aus SG-Messungen abgeleitete<br />

Schwerevariationen, die auf Punktmessungen beruhen,<br />

dann für ein großes Gebiet repräsentativ sind, wenn<br />

die lokalen Effekte (vornehmlich hydrologische) reduziert<br />

werden. Um dies zu verdeutlichen, wurden die SG-Schwerevariationen<br />

auch ohne Reduktion des lokalen Grundwassereinflusses<br />

für die Stationen MO, ME und WE dargestellt<br />

(δgm SG-gwl).<br />

Translatorische Schwingung des inneren Erdkerns (Slichter-Triplett)<br />

Nach der Theorie von Slichter (1961) werden Moden der<br />

freien Oszillation der Erde durch translatorische Schwingungen<br />

des inneren Erdkerns hervorgerufen. Beim Slich-<br />

Abb. 1.32: Detektion des Slichter-Triplett.<br />

Detection of the Slichter-Triplet.<br />

ter-Triplett (den drei Slichter-Moden) handelt es sich um<br />

solche vornehmlich durch die Erdrotation aufgespalteten<br />

Moden, die durch eine translatorische Schwingung des<br />

innern Erdkerns verursacht werden. Seit der ersten Vermutung<br />

dieser Schwingung wurden zahlreiche Schweremessungen<br />

von unterschiedlichen Gravimetern untersucht,<br />

leider bisher ohne anerkanntes positives Ergebnis.<br />

Die durchgeführte Analyse ist ein Beitrag zur signifikanten<br />

Detektion dieses Tripplets. Für die Analyse wurden<br />

Daten der GGP-Stationen verwendet und einer einheitlichen<br />

Bearbeitung unterzogen. Zunächst wurden die<br />

Daten auf eine Abtastrate von fünf Minuten gefiltert und<br />

reduziert sowie ein aus Modellparametern berechnetes<br />

Schweregezeitensignal subtrahiert. Anschließend wurden<br />

die Schwereeinflüsse der Polbewegung (mit den C04-Daten<br />

des IERS) und der Ozeanauflast (Verwendung der<br />

Kataloge NAO99b und FES99) subtrahiert. Die Korrektur<br />

des Schwereeinflusses des Luftdrucks erfolgte mit<br />

Hilfe der frequenzabhängigen Admittanz zwischen Luftdruck<br />

und Schweresignal. Eine abschließend durchgeführte<br />

Erdgezeitenanalyse bestimmte aus den verbleibenden<br />

Residuen die lokalen Erdgezeitenparameter, um die<br />

oben erwähnten Modellparameter an die Station anzupassen.<br />

Für die Signalanalyse zur Detektion der Moden wurden<br />

die Residuen auf den interessanten Frequenzbereich von<br />

2,5 cpd (cycles per day) bis 8,5 cpd bandpassgefiltert. Eine<br />

Multistationslösung (Courtier 2000) wurde verwendet,<br />

um die Residuen der sieben am weitesten verteilten Stationen<br />

(Boulder, Colorado; Canberra, Australien; Matsushiro,<br />

Japan; Membach, Belgien; Metsahovi, Finnland;<br />

Sutherland, Südafrika und Wien, Österreich) zusammenzuführen.<br />

Die eigentliche Frequenzanalyse wurde mit dem<br />

Goertzel-Algorithmus (eine Erweiterung der Fast Fourier<br />

Transform, die eine höhere Frequenzauflösung ermöglicht)<br />

durchgeführt. Ein Vergleich der als<br />

signifikant erkannten Amplituden (Signifikanzschwelle<br />

von etwa 70 % im Testverfahren)<br />

mit einem theoretischen Aufspaltungsverhältnis<br />

ergab als Ergebnis<br />

das in Abb. 1.32 dargestellte Triplett.<br />

Atmosphärensondierung<br />

Boden- und satellitengestützte Fernerkundung<br />

der Erdatmosphäre mit GPS-<br />

Signalen<br />

Parallel zur Etablierung des U.S.-amerikanischen<br />

Satellitennavigationssystems<br />

GPS (Global Positioning System) für präzise<br />

Navigation mit verschiedensten<br />

Anwendungen in Wirtschaft, Militärwesen<br />

und Wissenschaft, entwickelten sich<br />

GPS-basierte Methoden zur Atmosphärenfernerkundung.<br />

Grundprinzip dieser<br />

Techniken ist die Ableitung atmosphärischer<br />

Parameter (z. B. Brechungsvermögen,<br />

Luftdruck, Temperatur, Wasser-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.33: Globale und regional verdichtete GPS-/GALILEO-Bodennetzwerke bilden zusammen mit einer Konstellation<br />

niedrigfliegender Satelliten (ausgerüstet mit GPS-/GALILEO-Empfängern) und den Navigationssatelliten ein geodätisch-basiertes<br />

System zur globalen Sondierung der elektrisch neutralen und ionisierten Erdatmosphäre.<br />

Global and regionally densified GPS/GALILEO ground networks constitute, together with a constellation of low Earth<br />

orbiting satellites (equipped with GPS/GALILEO receivers) and the navigation satellites, a geodetically based system<br />

for global sounding of the electrically neutral and ionized Earth atmosphere.<br />

dampf und Elektronendichte) aus Veränderungen der<br />

GPS-Signale beim Durchgang durch die elektrisch neutralen<br />

und ionisierten Erdatmosphärenschichten. Wesentliche<br />

Eigenschaften sind: Wetterunabhängigkeit, hohe<br />

Genauigkeit bei hoher vertikaler Auflösung, Kalibrierungsfreiheit<br />

und vergleichsweise kostengünstige Umsetzung.<br />

Bodengestützte Techniken erlauben eine regional<br />

hoch aufgelöste Ableitung des gasförmigen atmosphärischen<br />

Wassergehalts, der Gesamtanzahl der freien<br />

Elektronen (vertikal integrierte Säulen) sowie entsprechender<br />

3D-Verteilungen mit hoher zeitlicher Auflösung.<br />

Die weltraumgestützte GPS-Radiookkultationsmethode<br />

wird zur Vertikalsondierung atmosphärischer und ionosphärischer<br />

Parameter im globalen Maßstab an Bord<br />

niedrigfliegender Satelliten, wie z. B. CHAMP und GRACE<br />

eingesetzt. Daher sind boden- und weltraumgestützte Techniken<br />

komplementär bezüglich der räumlichen und zeitlichen<br />

Auflösung. Die Eigenschaften der GPS-Fernerkundungsmethoden<br />

erlauben vielfältige Anwendungen in<br />

der Atmosphären-/Ionosphärenforschung und haben ein<br />

großes Potential zur Verbesserung regionaler und globaler<br />

numerischer Wettervorhersagen, zur Beobachtung von<br />

Weltraumwettereffekten und zur Beobachtung von klimatisch<br />

bedingten Änderungen der Erdatmosphäre. Gegenstand<br />

gegenwärtiger Forschung ist weiterhin die Auswertung<br />

von an Meeres- oder Eisoberflächen reflektierten<br />

GPS-Signalen zur Ableitung charakteristischer Eigenschaften<br />

der reflektierenden Oberflächen, wie z. B. Meeresspiegelschwankungen,<br />

Wellenhöhen und -richtungen<br />

oder Eisbedeckung. Bei zukünftiger Nutzung aus dem<br />

Weltraum ergibt sich eine völlig neue Methode zur Beobachtung<br />

der Ozeane und Polargebiete im globalen Maßstab.<br />

In naher Zukunft wird das GPS-System durch das<br />

europäische GALILEO-Satellitennavigationssystem ergänzt.<br />

Damit wird sich die Zahl der Signalquellen für die<br />

Atmosphärensondierung etwa verdoppeln. Abb. 1.33 zeigt<br />

eine mögliche zukünftige Konstellation der Verfahren zur<br />

GPS-/GALILEO-basierten Atmosphärenfernerkundung.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam nutzt seit 1997 GPS-Bodenmessungen<br />

des sich ständig erweiternden globalen Bodennetzes<br />

des IGS (International GNSS Service, gegenwärtig ca.<br />

300 Stationen, davon 180 am <strong>GFZ</strong> ausgewertet) zur Ableitung<br />

des vertikal integrierten Wasserdampfgehaltes der<br />

Atmosphäre (Wasserdampfsäule). Zusätzlich werden seit<br />

2000 die Daten eines regional verdichteten GPS-Netzes,<br />

gegenwärtig ca. 280 Stationen, in die Auswertung einbezogen.<br />

Für 220 dieser Stationen erfolgen die Analysen<br />

kontinuierlich und die Ergebnisse werden mit geringer<br />

zeitlicher Verzögerung in Nahezu-Echtzeit zur Verfügung<br />

gestellt. Erste Untersuchungen zur Auswirkung von GPS-<br />

Daten auf regionale numerische Wettervorhersagen wurden<br />

vom Deutschen Wetterdienst durchgeführt und zeigten<br />

z. B. etwa 2 % Verbesserung für die 12h-Vorhersage<br />

der relativen Feuchte. Der Einfluss auf die Niederschlagsvorhersage<br />

ist nicht eindeutig nachweisbar. Für<br />

einige Fallstudien, z. B. das Elbehochwasser, konnten<br />

jedoch signifikante Verbesserungen mit GPS-Daten demonstriert<br />

werden (Abb. 1.34).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

183


184<br />

Abb 1.34: Tatsächliche Niederschlagsverteilung über<br />

Deutschland (synop, oben), abgeleitet aus Wetterradardaten<br />

während des Elbehochwassers (08. 08. 2002, 18:00<br />

UTC). Zugehörige 12h-Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes<br />

ohne GPS-Bodendaten (opr, Mitte) und mit<br />

GPS-Daten von ca. 100 Stationen (gps, unten). Eine Verbesserung<br />

der Lage und der Intensität der Niederschlagszelle<br />

im Bereich des Erzgebirges konnte durch<br />

zusätzliche Verwendung von GPS-Daten erreicht werden.<br />

Actual precipitation distribution over Germany (synop,<br />

top), derived from weather radar data during the Elbe<br />

flood (August 8, 2002, 18:00 UTC). Corresponding 12-h<br />

forecast of the German Weather Service without GPS<br />

ground data (opr, centre) and with GPS data of approximately<br />

100 stations (gps, bottom). An improvement of<br />

location and intensity of rain segments in the region of the<br />

Erz Mountains is possible by adding GPS data.<br />

Bereits seit 2001 wird die GPS-Radiookkultationsmethode<br />

an Bord von CHAMP kontinuierlich angewendet. Mit<br />

bisher über 400.000 Okkultationsmessungen ist der von<br />

CHAMP bereitgestellte Datensatz weltweit einzigartig. Er<br />

wird von zahlreichen internationalen Forschungsgruppen<br />

genutzt. Weiterhin bildet er die Grundlage zur Vorbereitung<br />

neuer operationeller GPS-Okkultationsmissionen,<br />

deren Start für das Frühjahr 2006 vorgesehen ist, wie die<br />

U.S./taiwanesische Satellitenmission COSMIC und die<br />

polumlaufende Komponente des europäischen Wettersatellitensystems<br />

METOP, auf der sich ebenfalls GPS-Empfänger<br />

zur Atmosphärensondierung befinden.<br />

Erste Okkultationsmessungen von GRACE wurden Mitte<br />

<strong>2004</strong> aufgezeichnet und Ende September <strong>2005</strong> folgte erstmals<br />

eine größere Anzahl von Messungen. Zusammen mit<br />

CHAMP konnte die täglich verfügbare Zahl global verteilter<br />

Okkultationsmessungen somit etwa verdoppelt<br />

werden. Die Daueraktivierung der GRACE-Okkultationen<br />

wird für Anfang 2006 erwartet. Die Datenqualität von<br />

GRACE ist mit der von CHAMP vergleichbar (siehe<br />

Abb. 1.35).<br />

Die CHAMP-Daten werden routinemäßig ausgewertet<br />

und entsprechende Datenprodukte (global verteilte Vertikalprofile<br />

des atmosphärischen Brechungsvermögens,<br />

der Temperatur, des Wasserdampfs und der Elektronendichte)<br />

über das <strong>GFZ</strong>-Datenzentrum bereitgestellt<br />

(Abb. 1.36). Die Qualität der Atmosphärendaten wird<br />

durch ständige Vergleiche mit globalen Wetteranalysen<br />

und Messungen des globalen Netzes von Radiosondenstationen<br />

(Wetterballone) gewährleistet.<br />

Herzstück der operationellen <strong>GFZ</strong>-Bodeninfrastruktur für<br />

den Datenempfang ist eine polare Satellitenempfangsantenne.<br />

Diese ist Voraussetzung für die weltweit erstmals am<br />

<strong>GFZ</strong> mit CHAMP demonstrierte kontinuierliche Bereitstellung<br />

von Nahezu-Echtzeit-GPS-Okkultationsdaten für<br />

globale Wettervorhersagezentren. Ziel eines national<br />

geförderten Forschungsprojekts (GEOTECHNOLOGIEN)<br />

wird die weitere Verringerung der Bereitstellungsverzögerung<br />

und die Verbesserung von globalen Wettervorhersagen<br />

mit CHAMP- und auch GRACE-Daten sein.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.35: Vergleich von GPS-Okkultationsmessungen<br />

von CHAMP und GRACE<br />

mit meteorologischen Analysen des Europäischen<br />

Zentrums für Mittelfristvorhersage<br />

(ECMWF) für den 23. bis 30.09.<strong>2005</strong>.<br />

Dargestellt sind mittlere prozentuale Abweichung<br />

zwischen CHAMP bzw. GRACE<br />

und ECMWF (blau) und die entsprechende<br />

Standardabweichung (rot) für mehr als<br />

1.000 Messungen beider Satelliten. Verglichen<br />

wurde das atmosphärische Brechnungsvermögen<br />

(Refraktivität N), eine<br />

Größe, die von den Wetterdiensten für die<br />

Datenassimilation genutzt wird. Aus den<br />

Abweichungen kann auf Schwachstellen<br />

der Analysen geschlossen werden.<br />

Comparison of CHAMP and GRACE GPS<br />

occultation measurements with meteorological<br />

analysis of the European Centre<br />

for Medium-Range Weather Forecasts<br />

(ECMWF) for September 23-30, <strong>2005</strong>.<br />

The mean deviation in percent between<br />

CHAMP, respectively GRACE, and the<br />

ECMWF (blue) and the corresponding<br />

standard deviation (red) for more than<br />

1,000 measurements of both satellites are illustrated. The atmospheric bending capacity (refractivity N), a parameter<br />

being used by weather services for data assimilation, was compared. From these deviations, weak spots of the analysis<br />

can be concluded.<br />

Am Europäischen Zentrum für Mittelfristvorhersage<br />

(ECMWF) konnten mit CHAMP-Daten erste Verbesserungen<br />

der globalen Wettervorhersage, vor allem für die<br />

Vorhersage auf der Südhalbkugel demonstriert werden.<br />

Bemerkenswert ist dabei, dass bei Verwendung einer relativ<br />

kleinen Anzahl von CHAMP-Messungen (12.500 im<br />

Vergleich zu ca. 2,5 Millionen anderer Daten) bereits eine<br />

signifikante Verbesserung bei der Vorhersage erreicht<br />

werden konnte.<br />

Am <strong>GFZ</strong> selbst erfolgen klimatologische Untersuchungen<br />

mit den CHAMP-Daten zu Veränderungen von Tropopauseneigenschaften<br />

und zu atmosphärischen Wellenphänomenen<br />

(Schwerewellen, Abb. 1.37), die sich in das<br />

DFG-Schwerpunktprogramm im Rahmen des internationalen<br />

CAWSES-Atmosphärenforschungsprogramms einordnen<br />

(Climate and Weather of the Sun-Earth-System).<br />

Gegenwärtig wird beispielsweise untersucht, ob es einen<br />

solaren Einfluss auf die Häufigkeit der Wellenphänome-<br />

Abb. 1.36: Globale Verteilung der mittleren spezifischen Feuchte in einer Höhe von ca. 4 km (600 hPa Druckniveau)<br />

für den Nordsommer <strong>2004</strong> (01.06. bis 31.08.), abgeleitet aus ca. 11.200 CHAMP-Okkultationsmessungen.<br />

Global distribution of mean specific humidity in an altitude of approximately 4 km (600 hPa pressure level) for the northern<br />

summer <strong>2004</strong> (June 1 to August 31, <strong>2004</strong>), derived from approximately 11,200 CHAMP occultation measurements.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

185


186<br />

ne und somit auf Wetter und Klima gibt. Die nach wie vor<br />

schwierige globale Charakterisierung derartiger Phänomene<br />

ist für die Klima- und Wettermodellierung bzw.<br />

-vorhersage von erheblicher Bedeutung. Die GPS-Radiookkultation<br />

kann hier aufgrund der hohe vertikalen Auflösung<br />

und des globalen Charakters der Messungen einen<br />

wertvollen Beitrag leisten.<br />

Hervorzuheben sind weiterhin <strong>GFZ</strong>-Untersuchungen zur<br />

globalen Erfassung von Tropopausenparametern (z. B.<br />

Druck, Höhe, Temperatur). Auch hierfür sind GPS-Okkultationsmessungen<br />

besonders geeignet (siehe Artikel<br />

„CHAMP und GRACE – erfolgreiche Schwerefeld- und<br />

Klimamissionen“ in diesem Bericht). Die globale Erwärmung<br />

ist mit einer Ausdehnung der Erdatmosphäre verbunden,<br />

die auch zu einer globalen Anhebung der Tropopause<br />

führt und mit CHAMP sichtbar gemacht werden<br />

kann. Aktuelle Studien zeigen, dass diese Tropopausenerhöhung<br />

neben Beobachtungen auf der<br />

Erdoberfläche als zusätzlicher Indikator<br />

für Klimaänderungen dienen kann. Teilweise<br />

kann sogar ein deutlich klareres und<br />

signifikanteres Klimasignal erhalten<br />

werden als aus Änderungen der Erdoberflächentemperatur.<br />

Statistisch signifikante<br />

Aussagen sind jedoch erst nach der<br />

Analyse von Datensätzen, die sich über<br />

klimatologisch relevante Zeiträume<br />

erstrecken, zu erwarten.<br />

Beobachtung des Meeresspiegels<br />

TIGA – Prozessierung von GPS-Daten an<br />

Pegelstationen<br />

Gezeitenpegel, wie sie in vielen Häfen<br />

und Küstenabschnitten betrieben werden,<br />

haben eine überragende Bedeutung für<br />

die Beobachtung langfristiger Änderungen<br />

des Meeresspiegels, da hiermit z. B.<br />

klimatisch bedingte Änderungen verfolgt<br />

Abb. 1.37: Globale Verteilung der mittleren<br />

(2001 bis <strong>2005</strong>) Energie von atmosphärischen<br />

Schwerewellen von Dezember<br />

bis Februar (Südsommer), abgeleitet aus<br />

CHAMP-Messungen im Rahmen des<br />

CAWSES-Projektes (siehe Text). Die<br />

Parametrisierung der Schwerewellenaktivität<br />

für die globale Wetter- und Klimamodellierung<br />

ist derzeit eine Herausforderung<br />

in der Atmosphärenforschung.<br />

Global distribution of mean (2001-<strong>2005</strong>)<br />

energy of atmospheric gravity waves from<br />

December until February (southern summer),<br />

derived from CHAMP measurements<br />

within the framework of the CAW-<br />

SES project. The parametrization of gravity<br />

wave activity for global weather and<br />

climate modelling is a challenge for<br />

atmosphere research.<br />

werden können. Während über viele Jahrzehnte hydrographische<br />

Dienste und Behörden die Pegelstationen<br />

unterhalten haben, werden sie heute häufig von wissenschaftlichen<br />

Einrichtungen und internationalen Initiativen<br />

betrieben (z. B. GEO/GEOSS, WMO, GGOS, UNES-<br />

CO/GLOSS). Für die wissenschaftliche Nutzung der<br />

Pegelmessungen ist eine unabhängige und kontinuierliche<br />

Überwachung des Höhenbezugs der Messungen notwendig,<br />

um vertikale Höhenänderungen der Pegelstation zu<br />

korrigieren. Mit GPS-Messungen können neben den langfristigen<br />

auch kleinskalige zeitliche Änderungen, z. B.<br />

durch wechselnde Auflastdeformationen hervorgerufen,<br />

erfasst werden.<br />

Aus GPS abgeleitete Koordinaten werden heute in hoher<br />

Qualität und Kontinuität vom International GNSS Service<br />

(IGS), zu dem auch das <strong>GFZ</strong> seit 1991 beiträgt, zur Verfügung<br />

gestellt. Wöchentliche Lösungen mit bis zu 280<br />

Abb. 1.38: Verteilung der am TIGA-Projekt teilnehmenden (grün) und in<br />

Kürze zu installierenden (rot) Stationen.<br />

Distribution of stations participating in TIGA (green) and soon to be installed<br />

(red).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


weltweit verteilten Stationen werden mit nur geringer zeitlicher<br />

Verzögerung aus den Teillösungen von mehreren<br />

Analysezentren kombiniert. Untersuchungen am <strong>GFZ</strong> und<br />

anderen Forschungseinrichtungen haben aber gezeigt,<br />

dass diese Produkte nur eingeschränkt für die Kombination<br />

mit Pegelmessungen nutzbar sind.<br />

Vom IGS wurde 2001 die Einrichtung eines Pilotprojekts<br />

„Tide Gauge Benchmark Monitoring Pilot Project“ (TIGA)<br />

beschlossen, das sich dieser Thematik widmet. Dieses<br />

Pilotprojekt unter der Leitung des <strong>GFZ</strong> Potsdam hat sich<br />

seit dieser Zeit erfolgreich entwickelt. Aktuell stellen<br />

über 100 Stationen die GPS-Daten, Pegeldaten und die<br />

notwendigen Verbindungsmessungen zur Verfügung<br />

(http://op.gfz-potsdam.de/tiga/). Das Hauptziel von<br />

TIGA ist die Prozessierung und Neuprozessierung von<br />

GPS-Daten an Pegelstationen, allerdings mit einer hohen<br />

zeitlichen Verzögerung. So wird sichergestellt, dass eine<br />

möglichst große Anzahl von Stationen ausgewertet werden<br />

kann und dass im Rahmen der Neuprozessierung auch<br />

Inhomogenitäten in den bisher vom IGS verbreiteten Zeitserien<br />

vermieden werden können. Insgesamt tragen zu<br />

dem Pilotprojekt sechs Analysezentren bei. Im Hinblick<br />

auf eine bestmögliche Konsistenz aller Koordinaten der<br />

GPS-Stationen und daran angeschlossenen Pegel ist eine<br />

Kombination der Lösungen aller Analysezentren nötig.<br />

Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass die abgeleiteten<br />

Zeitreihen der Stationskoordinaten für alle Stationen<br />

in einem einheitlichen globalen Referenzsystem<br />

gegeben, untereinander konsistent und vergleichbar sind.<br />

Bisher stand im Rahmen des TIGA-Projekts keine derartige<br />

Kombination zur Verfügung sondern lediglich die<br />

individuellen Lösungen der einzelnen Analysezentren.<br />

Deshalb wurde am <strong>GFZ</strong> Ende <strong>2005</strong> damit begonnen, die<br />

Einzellösungen der Analysezentren auf einer wöchentlichen<br />

Basis zu kombinieren. Die ersten Tests beschränkten<br />

sich auf Daten eines Jahres (23.12.2001 bis 28.12.2002).<br />

Von den sechs Analysezentren wurden zunächst nur vier<br />

in die Kombination einbezogen. Die beiden anderen Lösungen<br />

weisen einige Besonderheiten auf, die im Hinblick<br />

auf etwaige negative Auswirkungen auf das Kombinationsergebnis<br />

noch näher untersucht werden müssen. Die<br />

berücksichtigten Analysezentren sind das <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

mit einer globalen Stationsüberdeckung, eine Lösung für<br />

die Region Australien-Pazifik-Antarktis der GeoScience<br />

Australia (AUSLIG), eine Atlantik-Lösung des Deutschen<br />

Geodätischen Forschungsinstituts (DGFI) und das Bundesamt<br />

für Kartographie und Geodäsie (BKG) mit einer<br />

Lösung europäischer Stationen. Die Qualität einer individuellen<br />

Lösung lässt sich sehr gut anhand der Wiederholbarkeiten<br />

der Stationskoordinaten beurteilen. Diese drücken<br />

aus, wie gut das zugrunde liegende Referenzsystem<br />

von Woche zu Woche realisiert wurde und wie stabil diese<br />

Realisierung über den gesamten Zeitraum ist (Abb. 1.39).<br />

Insgesamt zeigt sich, dass die Lage mit einer Genauigkeit<br />

von 2 bis 3 mm realisiert werden kann, während für die<br />

Höhe nur etwa eine Genauigkeit von 7 mm erreicht wird.<br />

Die Wiederholbarkeit der Höhe ist für GPS-Lösungen<br />

typischerweise etwa um einen Faktor drei schlechter als<br />

Abb. 1.39: Vergleich der Wiederholbarkeiten der Stationskoordinaten<br />

für die einzelnen Analysezentren und die<br />

wöchentliche Kombination (aufgeteilt in die drei Komponenten<br />

Nord, Ost und Höhe).<br />

Repeatabilities of station coordinates for the different analysis<br />

centers and the combined solution with the three components<br />

north, east and height.<br />

die Lage. Allerdings stellen die unterschiedlichen Skalenfaktoren<br />

in den einzelnen GPS-Lösungen ein Problem<br />

dar (Abb. 1.40). Sie resultieren aus den unterschiedlichen<br />

Verarbeitungsstrategien und -modellen und hängen auch<br />

von der Netzgröße ab. Diese Skalierungsdifferenzen führen<br />

dazu, dass die Kombination keine optimalen Höhenkomponenten<br />

liefert. Daher soll zukünftig der Maßstab<br />

des kombinierten globalen Netzes durch lediglich eine<br />

Einzellösung (idealerweise einer globalen Lösung, z. B.<br />

<strong>GFZ</strong>) definiert werden, während für alle anderen Einzellösungen<br />

ein Skalierungsfaktor geschätzt wird. Durch die-<br />

Abb. 1.40: Skalierungsfaktoren der einzelnen Analysezentren<br />

gegenüber der jeweiligen wöchentlichen Kombinationslösung<br />

aller Analysezentren. 1 ppb entspricht dabei<br />

einer Höhenänderung von ca. 6 mm auf der Erdoberfläche.<br />

Scaling between the networks of the individual analysis<br />

centres and the combined solution for each week. 1 ppb<br />

corresponds to about 6 mm difference in height at the Earth's<br />

surface.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

187


188<br />

ses Vorgehen wird garantiert, dass der Maßstab der Kombinationslösung<br />

nicht als Mischung verschiedener, sich<br />

widersprechender Realisierungen entsteht und dadurch<br />

die Stabilität der Höhenkomponente leidet.<br />

GPS-Bojen<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam betreibt seit 2002 ein Messnetz von<br />

Bojen und Bodendrucksensoren im Bereich der Nordsee.<br />

Hauptziel ist die Überwachung und die Kalibration von<br />

Radaraltimetern. Über das auf der zentralen Boje befindliche<br />

GPS wird die Höhe der Meeresoberfläche mit Zentimetergenauigkeit<br />

in dem gleichen Referenzsystem<br />

bestimmt, in dem auch die Messungen der Altimetersatelliten<br />

erfolgen. Eine zeitgleich mit der Boje messende<br />

GPS-Referenzstation befindet sich in ca. 45 km Entfernung<br />

in List auf Sylt. Dadurch ist ein annahmefreier Vergleich<br />

der aus Altimetrie- und GPS-Daten berechneten<br />

Meereshöhe möglich. Die 10 Hz GPS-Messungen werden<br />

über Bojenneigung und Eintauchtiefe auf die Wasseroberfläche<br />

reduziert. Die auf diese Weise errechneten<br />

Daten repräsentieren den Verlauf der Wellen, aus dem<br />

durch geeignete Filterung die Meeresspiegelhöhe und die<br />

signifikante Wellenhöhe abgeleitet werden können. Weiterhin<br />

wurden für die Auswertung wichtige meteorologische<br />

Datenreihen gesammelt (Windgeschwindigkeit, Luftdruck,<br />

Luft- und Wassertemperatur, Salzgehalt etc.).<br />

Abb. 1.41: Im Dezember <strong>2005</strong> im Indischen Ozean ausgebrachte<br />

GPS-Boje für das Tsunami-Frühwarnsystem<br />

(Foto: T. Schöne, <strong>GFZ</strong>).<br />

GPS buoy deployed in the Indian ocean for the tsunami<br />

early warning system in December <strong>2005</strong>.<br />

Abb. 1.42: Blick ins Innere der GPS-Boje (Foto: T. Schöne,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

View into the GPS buoy.<br />

Auf dem Meeresboden unter der GPS-Boje und an drei<br />

weiteren Stellen in der näheren Umgebung wurden Druckpegel<br />

verankert, die zusätzliche Informationen über die<br />

Meeresspiegeloberfläche und ihre Neigung liefern. Diese<br />

relativen Pegelmessungen ermöglichen eine Höhenkorrektur<br />

für Satellitenüberflüge, die nicht exakt über der<br />

Bojenposition erfolgen.<br />

Auch im Rahmen des Aufbaus eines Tsunami-Frühwarnsystems<br />

im Indischen Ozean wird diese Technologie eingesetzt.<br />

Gemeinsam mit Bodendrucksensoren und Ozeanbodenseismometern<br />

bilden sie ein System, mit dem<br />

effektiv und hochgenau kleinste Änderungen des Meeresspiegels<br />

detektiert werden können. Über ein Warnzentrum<br />

werden die Daten später allgemein zur Verfügung<br />

gestellt und dienen der Überwachung des Indischen Ozeans.<br />

Insgesamt sollen bis zu zehn Systeme gebaut und im<br />

Indischen Ozean ausgebracht werden.<br />

Satellitenaltimetrie – hochgenaue Bestimmung<br />

mittlerer Meeresspiegelhöhen<br />

Änderungen des Meeresspiegels sind in der Erdgeschichte<br />

auf verschiedenen Zeitskalen zu beobachten. Sie sind<br />

einerseits ein hoch sensibler Indikator für Klimaänderungen,<br />

andererseits beeinflussen sie die Bewohner und Ökosysteme<br />

der Küstenbereiche. Daher besteht unabhängig<br />

davon, ob es sich bei den derzeitigen Änderungen um<br />

natürliche oder anthropogene Prozesse handelt, ein besonderes<br />

Interesse, den mittleren Meeresspiegel mit hoher<br />

Genauigkeit zu bestimmen und die möglichen Ursachen<br />

für seine Variation zu untersuchen.<br />

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Satellitenaltimetrie<br />

bei der Bestimmung von Meeresspielgeländerungen<br />

eine zunehmend wichtige Rolle eingenommen. Von Satelliten<br />

aus kann z. B. eine starke regionale Variabilität beobachtet<br />

werden, die auch dekadische Zeitskalen aufweist.<br />

Dabei haben sich die Genauigkeiten der Messungen über<br />

die Jahre deutlich verbessert. Während in den ersten Jahren<br />

die radialen Bahnfehler und das Messrauschen Fehler<br />

in der Meereshöhe im Dezimeterbereich verursachten,<br />

weisen die heutigen Missionen nur noch Fehler im Zentimeterbereich<br />

auf. Trotz dieser enormen technischen Ent-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


wicklung divergieren die Abschätzungen<br />

des globalen Meeresspiegeltrends aus<br />

Altimeterdaten je nach verwendeten<br />

Kalibrierungen und Korrekturalgorithmen<br />

noch signifikant. Eines unserer Ziele<br />

ist es daher, die besten Kalibrations- und<br />

Korrekturalgorithmen auszuwählen und<br />

sie gegebenenfalls zu optimieren. Optimierte<br />

Altimeterdaten erlauben die hochgenaue<br />

Bestimmung von mittleren Meeresspiegelhöhen<br />

und deren zeitliche Variabilität.<br />

Durch die Verknüpfung mit den<br />

neuen und hochgenauen Schwerefeldern<br />

der GRACE-Mission ergibt sich zudem<br />

die Möglichkeit zu unterscheiden, ob<br />

Änderungen des Meeresspiegels in der<br />

Massen- und/oder der Dichtebilanz des<br />

Ozeans ihren Ursprung haben.<br />

Optimierung der Altimeterdaten<br />

Sowohl für Untersuchungen des globalen<br />

Meeresspiegelanstiegs, insbesondere der<br />

Massenänderungen im Ozean, als auch<br />

der mittleren Meerestopographie werden<br />

sehr hohe Anforderung an die Genauigkeit<br />

der Altimeterdaten gestellt. Vorhandene<br />

Kalibrations- und Korrekturalgorithmen<br />

wurden daher für die verschiedenen<br />

Missionen mit statistischen<br />

Methoden systematisch untersucht,<br />

wobei fortwährend neu entwickelte Algorithmen<br />

integriert wurden. Speziell aus<br />

dem Vergleich verschiedener zeitlich überlappender Missionen<br />

(TOPEX, ERS-2, Jason-1) konnten Inkonsistenzen<br />

in den bisher verwendeten Korrekturalgorithmen festgestellt<br />

werden. Aus diesen Ergebnissen resultierten beispielsweise<br />

Verbesserungen in der Ionosphärenkorrektur<br />

für die ERS-2-Daten und im „sea state bias“ für die<br />

TOPEX-Daten. Deutliche Verbesserungen in den Altimetrie-Resultaten<br />

konnten durch eine vereinheitlichte Neuberechnung<br />

der Satellitenbahnen von ERS-1, ERS-2 und<br />

TOPEX auf Grundlage der GRACE-Schwerefelder<br />

erreicht werden. Erste Untersuchungen der ebenfalls neu<br />

berechneten GEOSAT-Satellitenbahnen zeigen auch für<br />

diese relativ alten Daten deutliche Verbesserungen.<br />

Ein großes Verbesserungspotential besteht noch für Daten<br />

aus Gebieten mit Meereisbedeckung. Das von der Meeresoberfläche<br />

zum Satelliten reflektierte Signal wird<br />

durch das Eis verformt, wodurch die mittels Standardalgorithmen<br />

ermittelten Meereshöhen einen relativ großen<br />

Fehler aufweisen können (Abb. 1.43). Zur Verbesserung<br />

solcher Daten aus gerade für die Klimaforschung interessanten<br />

Gebieten wurde ein sogenannter Waveform-Simulator<br />

für Eis und Schnee entwickelt. Mithilfe dieses Simulators<br />

sollen in Zukunft die Prozessierungsalgorithmen an<br />

solche speziellen Situationen angepasst und die vorhandenen<br />

Daten reprozessiert werden. Ein weiteres aussichtsreiches<br />

Anwendungsgebiet des Waveform-Simulators<br />

liegt in der GPS-Altimetrie.<br />

Abb. 1.43: Zeitlicher Verlauf der Intensität des vom Satelliten empfangenen<br />

Signals nach Reflektion an verschiedenen Oberflächen (Wasser, Eis und Wasser<br />

mit Meereis) simuliert mit dem am <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelten Waveform-Simulator.<br />

Radar signal power as a function of time received by the satellite after reflection<br />

from different surfaces (water, ice and water covered by ice floes) as<br />

simulated by <strong>GFZ</strong> Potsdam's waveform simulator.<br />

Mittlere Meeresspiegelhöhen und Ozeantopographie<br />

Aus den optimierten Altimeterdaten wurde ein konsistentes<br />

Modell des mittleren Meeresspiegels (Mean Sea Surface<br />

Height) sowie seiner Fehler abgeleitet. Solche Modelle<br />

des mittleren Meeresspiegels sind eine wesentliche Voraussetzung<br />

für die Schätzung von räumlich hoch aufgelösten<br />

kombinierten Schwerefeldmodellen. Diese zusätzliche<br />

Information stellt damit für viele geowissenschaftliche<br />

Anwendungen eine wesentliche Ergänzung zu den<br />

Daten der CHAMP- und GRACE-Missionen dar.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten am GeoForschungsZentrum<br />

liegt auf der Kombination der Radaraltimetrie<br />

mit den aus GRACE-Daten abgeleiteten Schwerefeldmodellen.<br />

Das Resultat dieser Kombination, die dynamische<br />

Ozeantopographie kann einerseits durch den<br />

Vergleich mit in situ gemessenen Ozeantemperaturen und<br />

-salzgehalten sowie mit den Ergebnissen von Ozeanzirkulationsmodellen<br />

zur Validierung der verwendeten Schwerefeldmodelle<br />

herangezogen werden. Zum anderen ist die<br />

Kenntnis der mittleren dynamischen Ozeantopographie<br />

selbst grundlegend für verschiedene Untersuchungen in<br />

der Meeres- und Klimaforschung. So ermöglicht eine Verbesserung<br />

der mittleren dynamischen Ozeantopographie<br />

eine genauere Bestimmung ozeanischer Massen- und<br />

Wärmetransporte. Zusätzlich ist sie eine wichtige Eingangsgröße<br />

für numerische Ozeanzirkulationsmodelle.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

189


190<br />

a) b)<br />

Abb. 1.44: Dynamische Ozeantopographie a) aus Radaraltimetrie und EIGEN-GRACE03S und b) abgeleitet aus In-<br />

Situ-Messungen (WOCE-Klimatologie, Koltermann und Gouretski, <strong>2004</strong>).<br />

Ocean dynamic topography derived a) from radar altimetry and EIGEN-GRACE03S and b) from in-situ measurements<br />

(WOCE-climatology, Koltermann und Gouretski, <strong>2004</strong>).<br />

Für die Kombination der räumlich höher aufgelösten Altimeterdaten<br />

mit den Schwerefeldmodellen wurden unterschiedliche<br />

räumliche Filter mit verschiedenen Filterweiten<br />

getestet. Um die Qualität der Satellitenlösung zu beurteilen,<br />

wurde sie mit einer dynamischen Topographie, die im Rahmen<br />

des internationalen World Ocean Circulation Experiment<br />

(WOCE) erstellte wurde, verglichen. Der Vergleich der<br />

Datensätze zeigt, dass die neuen, am <strong>GFZ</strong> Potsdam geschätzten<br />

GRACE-Schwerefeldmodelle (EIGEN-GRACE_03S)<br />

räumliche Skalen größer als 400 km auflösen können – ein<br />

gewaltiger Fortschritt gegenüber allen vorherigen Lösungen,<br />

die auf Satellitendaten basieren. Dies kann sowohl für die<br />

Ozeantopographie als auch für die geostrophische Zirkulation<br />

in den oberen Ozeanschichten (Abb. 1.44 und 1.45)<br />

gezeigt werden. Die zonal ausgerichteten Oberflächenströ-<br />

a) b)<br />

mungen lassen sich sogar für kleinere räumliche Skalen<br />

bestimmen. Vergleiche mit einer aus In-Situ-Daten berechneten<br />

dynamischen Ozeantopographie erlauben die Eingrenzung<br />

von Problemzonen (z. B. Hawai), geben aber auch<br />

Hinweise auf barotrope Strömungen, die aus den In-Situ-<br />

Daten allein nicht abgeleitet werden können.<br />

Änderungen des Meeresspiegels – Masse oder Temperatur?<br />

Damit eine qualifizierte Aussage über die zukünftigen<br />

Änderungen des Meeresspiegels möglich wird, müssen<br />

die Ursachen für die beobachteten Phänomene untersucht<br />

und verstanden werden. Der Meeresspiegelanstieg hat im<br />

Wesentlichen zwei Ursachen: (1) Änderungen der Dichte<br />

des Meerwassers, die überwiegend auf die Änderungen<br />

Abb. 1.45: Geostrophische Oberflächenströmung im Nordatlantik a) aus Radaraltimetrie und EIGEN-GRACE03S und<br />

b) In-Situ-Messungen (WOCE-Klimatologie).<br />

Geostrophic surface circulation in the North Atlantic Ocean calculated a) from radar altimetry and EIGEN-GRACE03S<br />

and b) from in-situ measurements (WOCE climatology).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


im Wärmehaushalt zurückgeführt werden können und (2)<br />

den Eintrag von Wassermassen z. B. durch das Schmelzen<br />

von Gletschern und polaren Eismassen. Der Verlauf<br />

dieser beiden Faktoren, ihre Wechselwirkungen und ihre<br />

regionalen Auswirkungen sind nur unzureichend geklärt.<br />

Die Untersuchung der zeitvariablen Schwerefelddaten aus<br />

GRACE zusammen mit den absoluten Änderungen des<br />

Meeresspiegels eröffnet erstmalig die Möglichkeit, die<br />

typischen räumlich-zeitlichen Skalen der beiden Komponenten<br />

zu untersuchen.<br />

Bei den aus GRACE abgeleiteten Massenschwankungen<br />

über dem Ozean handelt es sich um einen neuartigen<br />

Datensatz, der sich nur sehr eingeschränkt mit unabhängigen<br />

Messungen validieren lässt. Ein Vergleichsdatensatz<br />

lässt sich aus Zeitreihen des absoluten und des dichteabhängigen<br />

Meeresspiegels erstellen. Ersterer kann aus<br />

Altimetermessungen, zweiterer aus vertikalen Temperatur-<br />

und Salzgehaltsprofilen bestimmt werden. Um zeitlich<br />

und räumlich gut aufgelöste Informationen über die<br />

Dichteverteilung im Weltozean zu erhalten, wird seit 2000<br />

an dem internationalen ARGO-Projekt (Array for Real<br />

time Geostrophic Oceanography) gearbeitet. Es besteht<br />

aus einer Flotte von autonomen Driftern, die sich überwiegend<br />

auf einer Tiefe von 2.000 m aufhalten und alle<br />

zehn Tage an die Oberfläche steigen, um von dort ihre<br />

Daten an einen Satelliten zu senden. Für den Atlantischen<br />

Ozean liegen bereits für 2003 und <strong>2004</strong> genügend Daten<br />

vor, um den Anteil von Änderungen der Dichte an denen<br />

des Meeresspiegels monatlich bestimmen zu können.<br />

Erste Vergleiche der drei Datensätze zeigen eine qualitative<br />

Übereinstimmung zwischen den einerseits aus<br />

GRACE-Daten und andererseits aus Altimeter- und In-<br />

Situ-Daten abgeleiteten Massenvariationen im Atlantik.<br />

Erdrotation<br />

Prozesse im Erdkern und Erdrotationsvariationen<br />

Die Kenntnis des geomagnetischen Felds in der Kern-<br />

Mantel-Übergangszone ist Voraussetzung für eine Model-<br />

lierung des Einflusses von Prozessen im Erdkern auf die<br />

Erdrotation. Eine direkte Bestimmung von kurzperiodischen<br />

bis dekadischen Feldvariationen mit Dynamomodellen<br />

ist momentan nicht möglich. Mit Hilfe einer im<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelten Methode der strengen Inversion<br />

globaler geomagnetischer Daten („nichtharmonische<br />

Feldfortsetzung“) gelingt es aber, das geomagnetische<br />

Feld nahe der Kern-Mantel-Grenze (KMG) aus dem beobachteten<br />

Feld auch unter der Annahme zu bestimmen, dass<br />

zwischen der Erdoberfläche und dem Zielort der Feldfortsetzung<br />

elektrisch leitfähige Schichten liegen, die die<br />

Feldvariationen beeinflussen. Die entsprechenden Untersuchungen<br />

wurden mit neuen satellitengestützten und<br />

zeitlich höher als bisher aufgelösten Felddaten (Monatsmittel)<br />

fortgesetzt. Abbildung 1.46 zeigt ein Beispiel einer<br />

Feldfortsetzung mit neuen Daten.<br />

Während in früheren Untersuchungen vorwiegend die<br />

Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der Methode in<br />

Abhängigkeit von verschiedenen Leitfähigkeitsmodellen<br />

bestimmt wurden, liegen nun die Schwerpunkte auf der<br />

Bestimmung physikalischer Größen und dem Studium des<br />

Zeitverhaltens des Magnetfeldes an der KMG. Die dazu<br />

notwendigen Untersuchungen wurden in Kooperation mit<br />

den Sektionen 2.3 und 5.3 des GeoForschungsZentrums<br />

durchgeführt.<br />

Durch Inversion einer Näherung der Induktionsgleichung,<br />

der sogenannten frozen-flux Gleichung, wurde<br />

das Geschwindigkeitsfeld des flüssigen Kerns an dessen<br />

Oberfläche im Zeitraum von 1980 bis 2000 berechnet.<br />

Früher wurden die dazu notwendigen Magnetfelder<br />

an der KMG durch eine harmonische Feldfortsetzung<br />

bestimmt, die nur in Nichtleitern anwendbar ist. Die<br />

Ergebnisse mit der neuen Methode wurden nach zwei<br />

Aspekten untersucht. Es war von Interesse, ob sich die<br />

neue Feldfortsetzungsmethode auf die Bestimmung der<br />

Kerngeschwindigkeit auswirkt und welche Bewegungsstrukturen<br />

auf der Kernoberfläche erkennbar sind.<br />

Abb. 1.47 zeigt ein Beispiel des Geschwindigkeitsfeldes<br />

für das Jahr 1991.<br />

Abb. 1.46: Zwei Bilder der Radialkomponente Br des geomagnetischen Feldes als Beispiel für die Feldfortsetzungsmethode<br />

mit neuen Daten des <strong>GFZ</strong> Potsdam. Die detaillierten Strukturen an der KMG entstehen, weil höhere Grade<br />

der Kugelfunktionsentwicklung bei der Fortsetzung mehr verstärkt werden als niedrige.<br />

Two maps of the radial component Br of the geomagnetic field as an example for the field continuation with new data<br />

of <strong>GFZ</strong> Potsdam. The more detailed structures at the core-mantle boundary (CMG) are produced because higher degrees<br />

of the spherical harmonic expansion are stronger amplified than lower ones.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

191


Abb. 1.47: Geschwindigkeitsfelder an der KMG für das Jahr 1991 für verschiedene Grade (n) der Kugelfunktionsentwicklung<br />

des geomagnetischen Feldes, aus dem sie berechnet wurden. Linke Säule: Geschwindigkeitsfelder aus dem<br />

Magnetfeld, das durch nichtharmonische Fortsetzung zur KMG bestimmt wurde. Rechte Säule: Differenzen der<br />

Geschwindigkeitsfelder aus den Magnetfeldern, die durch nichtharmonische bzw. harmonische Fortsetzung zur KMG<br />

berechnet wurden.<br />

CMB velocity fields for the epoch 1991 for different degrees (n) of the geomagnetic field, from which they are inferred.<br />

Left column: Velocity field based on the geomagnetic field determined by non-harmonic downward continuation to the<br />

CMB. Right column: Difference of velocity fields derived from the geomagnetic fields calculated by non-harmonic and<br />

harmonic downward continuation to the CMB, respectively.<br />

192 Anhand des Beispiels sind einige wichtige Ergebnisse<br />

erkennbar. Die Differenzen zwischen den Geschwindigkeitsfeldern<br />

aus beiden Fortsetzungsmethoden sind<br />

global unterschiedlich verteilt und nicht einfach durch<br />

einen konstanten Betrag oder Faktor beschreibbar. Sie<br />

ändern sich außerdem mit der Zeit. Das Resultat der<br />

Inversion hängt erwartungsgemäß auch vom Grad n der<br />

benutzten Kugelfunktionsentwicklung des Magnetfeldes<br />

ab. Eine umfangreiche Analyse dieses Einflusses<br />

anhand aller Ergebnisse hat gezeigt, dass die Frage der<br />

Abgrenzung des internen Hauptfeldes vom Krustenfeld<br />

durch die Zuordnung zu den Graden der Feldentwicklungen<br />

möglicherweise nicht allein durch Strukturuntersuchungen<br />

mit dem Oberflächenfeld geklärt werden<br />

kann. Schließlich sind auch bestimmte Strukturen<br />

der Erdkernbewegung erkennbar, wie eine äquatoriale<br />

Westdrift und eine Wirbelstruktur in der nördlichen<br />

Hemisphäre, deren Zuordnung zu bestimmten dynamischen<br />

Vorgängen im Erdkern Gegenstand zukünftiger<br />

Untersuchungen sein kann.<br />

Mit Hilfe der Geschwindigkeitsfelder wurde der Relativdrehimpuls<br />

des Erdkerns und aus diesem dann die Tageslängenvariationen<br />

(∆LOD) bestimmt, die von den Erdkernbewegungen<br />

erzeugt werden. Die dahinter stehende<br />

Physik ist das Drehimpulsgleichgewicht zwischen Erdkern<br />

und -mantel für eine kräftefreie Erde. Für die Berechnung<br />

des Relativdrehimpulses wurde die Kernbewegung<br />

durch starre Rotation (unendlich) dünner axialer Zylinderringe<br />

approximiert, deren Rotationsgeschwindigkeit<br />

dem zonalen Anteil des Kernoberflächengeschwindigkeitsfeldes<br />

gleichgesetzt wird. Abgesehen von dieser<br />

Annahme benutzt das verwendete Standardmodell weitere<br />

grobe Vereinfachungen: Die Dichte des Kerns wird als<br />

konstant angenommen, der Innenkern existiert in diesem<br />

Standardmodell nicht und die Benutzung des zonalen<br />

Oberflächengeschwindigkeitsfeldes ist nur möglich,<br />

wenn dieses äquatorsymmetrisch ist.<br />

In unseren Untersuchungen wurde für den Zeitraum 1980<br />

bis 2000 die Abhängigkeit der ∆LOD von der Feldfortset-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


zungsmethode und dem Grad der Kugelfunktionsentwicklung<br />

des Magnetfeldes untersucht, aus dem das Geschwindigkeitsfeld<br />

berechnet wurde. Die Ergebnisse und die<br />

beobachteten Variationen sind in Abb. 1.48 dargestellt.<br />

Das Resultat ließ eine erste Schlussfolgerung zu: die<br />

∆LOD-Kurven sind im Allgemeinen glatter für die nichtharmonische<br />

Feldfortsetzung und ein im Vergleich zu den<br />

IERS-Werten optimaler Verlauf wird mit dem Grad 12 der<br />

Magnetfeldentwicklung erreicht.<br />

Abb. 1.48: Geglättete tägliche ∆LOD<br />

(IERS) im Vergleich zu den ∆LOD, die<br />

vom Geschwindigkeitsfeld an der KMG<br />

abgeleitet wurden. Es wurden Kugelfunktionsentwicklungen<br />

unterschiedlichen<br />

Grades und verschiedene Methoden der<br />

Fortsetzung des Magnetfeldes benutzt.<br />

Smoothed daily ∆LOD data (IERS) compared<br />

with ∆LOD derived from CMB<br />

velocity field: Spherical-harmonic<br />

expansions of different degree and different<br />

methods of downward continuation<br />

of the geomagnetic field are applied (nonharmonic,<br />

harmonic).<br />

Mit der Abb. 1.49 kann man schließlich überprüfen, ob<br />

die für die Theorie notwendige Voraussetzung der Äquatorsymmetrie<br />

erfüllt ist. Die Abbildung zeigt, dass die<br />

Annahme nur annähernd gilt und die ∆LOD daher nur eine<br />

entsprechende Näherung darstellen.<br />

Noch nicht geklärt sind die internen Ursachen der dekadischen<br />

Polbewegungsvariationen. Hierbei scheint eine<br />

Polbewegung des Innenkerns relativ zum Mantel eine<br />

Rolle zu spielen. In den letzten zwei Jahren wurde die<br />

Abb. 1.49: u φ-Komponente des zonalen toroidalen Geschwindigkeitsfeldes an der KMG in Abhängigkeit von der Zeit<br />

und der Ko-Breite (Poldistanz) zwecks Überprüfung der Annahme zur Äquatorsymmetrie von u φ.<br />

u φ component of the zonal toroidal velocity field at the CMB in dependence on the time and the co-latitude (polar distance)<br />

for checking the assumption of equatorial symmetry.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

193


194<br />

Nachweisbarkeit einer Eigenschwingung des Pols des<br />

Innenkerns (free wobble) mit einer Periode zwischen fünf<br />

und sechs Jahren untersucht. Diese Bewegung wirkt sich<br />

zwar theoretisch auf die Polbewegung und das Schwerefeld<br />

aus, die Untersuchungen lieferten wegen der kleinen<br />

Signale jedoch ein Negativresultat.<br />

Erdmodellierung<br />

Ein neues globales Dichtemodell der Kruste und des oberen<br />

Mantels<br />

Die Ableitung eines neuen globalen Dichtemodells der<br />

Kruste und des oberen Mantels ist eine der wichtigsten<br />

Aufgaben des Forschungsprogramms „Erde im Wandel“.<br />

Die Kenntnis dieser Strukturen ist nicht nur entscheidend<br />

für das Verständnis der nahen Oberfläche, sondern auch<br />

für die Erforschung der tieferen Gebiete, weil deren<br />

Auswirkungen zum großen Teil von den Einflüssen der<br />

Lithosphäre und der Manteldynamik überdeckt werden.<br />

Das Schwerefeld der Erde ist sehr sensibel bezüglich der<br />

Struktur der Erde und der dynamischen Prozesse in ihrem<br />

Innern, deshalb wird es als grundlegende Randbedingung<br />

in diesen Untersuchungen genutzt. Die Daten des Schwe-<br />

a)<br />

b)<br />

Abb. 1.50: Die Hauptkrustenschichten: (A) Sedimentdicke (obere Grenzschicht);<br />

(B) Tiefe der Kruste-Mantelgrenze (untere Grenzschicht).<br />

Global image of the main crustal layers: (A) thickness of sediments; (B)<br />

depth to the bottom of the crust.<br />

refeldmodells müssen allerdings zusätzlich mit seismischer<br />

und geologischer Information kombiniert werden.<br />

Das erste Ziel der Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet<br />

ist die Ableitung eines neuen globalen Modells der Kruste.<br />

Der Umfang des zur Verfügung stehenden seismischen<br />

Datenmaterials ist während der letzten zehn Jahre enorm<br />

gewachsen. Auf der Grundlage dieser Daten haben wir ein<br />

globales Krustenmodell abgeleitet, welches im Gegensatz<br />

zu bereits existierenden globalen Modellen niedriger Auflösung<br />

wie CRUST2.0 auf Originaldaten basiert. Abbildung<br />

1.50 zeigt zwei Hauptgrenzflächen der Kruste (Sedimente/feste<br />

Kruste und Kruste/Mantel). Am stärksten wirken<br />

sich die Verbesserungen des aktuellen Modells in<br />

Nordamerika und Eurasien aus. Hier betragen die Differenzen<br />

zu CRUST5.1 und CRUST2.0 in der Tiefe der<br />

Mohorovičić-Diskontinuität ±15 km.<br />

Das Schwerefeld der Kruste wurde berechnet und vom<br />

gemessenen Feld subtrahiert, so dass man die verbleibenden<br />

Mantel-Schwereanomalien erhält (Abb. 1.51a). Auf<br />

die gleiche Art und Weise wurde die Resttopografie<br />

berechnet, d. h. der Teil der Topografie, der durch die Inhomogenitäten<br />

in der Krustendichte einschließlich der Variation<br />

der Krustendicke nicht oder überkompensiert ist.<br />

Aus diesen beiden Größen wurde im nächsten Schritt<br />

zusammen mit Daten der seismischen<br />

Tomografie ein Dichtemodell für den<br />

Mantel abgeleitet. Die mittlere Dichteverteilung<br />

innerhalb des oberen Mantels<br />

wurde durch gemeinsame Inversion dieser<br />

Daten berechnet und ist in Abb. 1.51b<br />

dargestellt.<br />

Im nächsten Modellierungsschritt wurde<br />

der Einfluss verschiedener Faktoren wie<br />

Temperatur und Variationen in der stofflichen<br />

Zusammensetzung untersucht.<br />

Gestützt auf die Verteilung der seismischen<br />

Geschwindigkeit und unter<br />

Berücksichtigung der entsprechenden<br />

Mineralphysik, können die Temperaturvariationen<br />

im oberen Mantel geschätzt<br />

werden. Die zuverlässigsten Ergebnisse<br />

erhält man für Nordamerika, wo die seismische<br />

Tomografie und das Temperaturmodell<br />

von Goes und Van der Lee (2002)<br />

verwendet wurden. Die durch Temperaturvariationen<br />

erzeugte Schwere im oberen<br />

Mantel wurde bestimmt und vom<br />

Gesamtfeld des Mantels abgezogen. Die<br />

resultierenden Anomalien auf Basis der<br />

Mantelzusammensetzung sind in Abb.<br />

1.52 dargestellt. Die residuale dynamische<br />

Topografie wurde auf der Grundlage<br />

der gleichen Krustendaten berechnet.<br />

Die resultierende Dichtestruktur nach gemeinsamer<br />

Inversion aller Daten ist in<br />

Abb. 1.53 dargestellt.<br />

Die Anomalie A entspricht der alten kontinentalen<br />

Wurzel (kanadischer Schild).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


a)<br />

b)<br />

Die Zone der niedrigen Dichte ergibt sich nach Abzug des<br />

thermischen Effekts und steht mit dem Material des abgereicherten<br />

Mantels (depleted mantle) im Zusammenhang.<br />

a)<br />

Abb. 1.51: (A) Mantel-Schwereanomalien<br />

(gemessene Schwere minus Krusteneffekt).<br />

(B) Dichteanomalien im oberen<br />

Mantel (gemittelt von 10 bis 100 km) – ein<br />

Ergebnis der gemeinsamen Inversion von<br />

Restschwere (siehe A), Resttopografie<br />

und seismischen Daten.<br />

(A) Residual mantle gravity anomalies<br />

obtained after removal of the crustal<br />

effect from the observed gravity. (B) Density<br />

anomalies in the upper mantle (averaged<br />

for 50-100 km depths) – a result of<br />

the joint inversion of the residual gravity<br />

(see A), residual topography and seismological<br />

data.<br />

Die horizontale Verschiebung der Wurzel<br />

könnte ein Ergebnis des „basal drag“ sein,<br />

der durch die Mantelkonvektion hervorgerufen<br />

wird. Die ausgedehnte positive<br />

Anomalie B-C-D ist deutlich in zwei Teile<br />

unterteilt. Die Anomalie B befindet sich<br />

hauptsächlich unter dem Golf von Mexiko,<br />

direkt unter der Kruste. Sie resultiert<br />

im Wesentlichen aus der Schweremodellierung<br />

und ist in den seismischen Daten<br />

fast unsichtbar. Sie ist möglicherweise<br />

verantwortlich für eine schnelle Subduktion<br />

dieses jungen Sedimentbeckens. Die<br />

Anomalien C und D liegen in größeren<br />

Tiefen (100 bis 200 km) und haben wahrscheinlich<br />

einen unterschiedlichen Ursprung.<br />

Die Anomalie D könnte einen<br />

Überrest der ostwärts gerichteten Subduktion der Farallon-Platte<br />

(Van der Lee und Nolet, 1997; Zhao, <strong>2004</strong>)<br />

widerspiegeln.<br />

Abb. 1.52: Mantel-Schwereanomalien für Nordamerika. (A) Gesamtschwerefeld; (B) Schwereanomalien verursacht durch<br />

Variationen der stofflichen Zusammensetzung (Schwerefeld A minus Schwereanomalien verursacht durch Temperaturvariationen<br />

im oberen Mantel). Die Linien 1 und 2 zeigen den Verlauf der Querschnitte in Abb. 1.53.<br />

Residual mantle anomalies for North America. (A) „total“ field; (B) „compositional“ gravity anomalies obtained after<br />

removal of the effect of temperature variations in the upper mantle from the field A. Lines 1 and 2 show the location of<br />

sections with mantle density anomalies in Fig. 1.53.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

b)<br />

195


196<br />

a)<br />

b)<br />

Abb. 1.53: Dichtestruktur der Lithosphäre und des oberen Mantels unter<br />

Nordamerika. (A) Gesamte Dichteanomalien. (B) Dichteanomalien aus<br />

der stofflichen Zusammensetzung nach Reduktion des thermischen Einflusses,<br />

geschätzt aus Daten der seismischen Tomografie. Die Lage der<br />

Querschnitte 1 und 2 und der größten Anomalien (A-D) sind in Abb. 1.52<br />

dargestellt.<br />

Density structure of the lithosphere and upper mantle under North America.<br />

(A) total density anomaly. (B) compositional density anomaly after removing<br />

of the thermal effect estimated from seismic tomography data. Position<br />

of the sections 1 and 2 and location of the main anomalies (A-D) are shown<br />

in Fig. 1.52.<br />

Nachdem die Modelle für die Kruste und den oberen Mantel<br />

vorliegen, können wir mit der Modellierung der gesamten<br />

Mantelstruktur beginnen. Die neuen Lithosphärenmodelle<br />

sind hierbei besonders in kontinentalen Gebieten<br />

wichtig, wo sie erstmals eine zuverlässige Schätzung der<br />

dynamischen Topografie ermöglichen, eine der wichtigsten<br />

Randbedingungen bei der Modellierung der Mantelkonvektion.<br />

Abbildung 1.54 zeigt ein erstes Dichtemodell<br />

des gesamten Mantels, das auf der Grundlage<br />

einer gemeinsamen Inversion von<br />

Schweredaten und seismischen Daten berechnet<br />

wurde. Anhand dieses Modells<br />

wurden die Mantelflussgeschwindigkeiten<br />

geschätzt. Wichtig ist dabei, dass die<br />

horizontalen Variationen der Viskosität,<br />

welche aus Mantelflussgeschwindigkeiten<br />

und den Gleichungen der Mineralphysik<br />

bestimmt wurden, berücksichtigt<br />

wurden. Die nächste Aufgabe besteht<br />

darin, die Modellparameter auszugleichen,<br />

sodass die Modelle bestmöglich mit<br />

den beobachteten GPS-Plattengeschwindigkeiten<br />

und dem gemessenen Geopotential<br />

(Schwere und Geoid) in Übereinstimmung<br />

gebracht werden.<br />

Struktur und Dynamik des Tienschan<br />

Der Tienschan in Zentralasien ist der<br />

größte und aktivste interkontinentale Gebirgsgürtel<br />

der Erde. Die hohe heute gemessene<br />

und aus der Geschichte bekannte<br />

seismische Aktivität lässt eine rasante<br />

Krustendeformation in diesem Gebiet<br />

erwarten. Dies ist eine Folge der hohen<br />

Geschwindigkeit, mit der sich Indien<br />

und Eurasien auf einander zu bewegen<br />

(Abb. 1.55), wobei der Tienschan mindestens<br />

die Hälfte davon absorbiert.<br />

Diese Situation ist absolut einzigartig für<br />

interkontinentale Gebirgsgürtel. Der Mechanismus,<br />

der die Verkürzung der Kruste<br />

in diesem Gebiet steuert, ist bis heute<br />

unklar. Die Diskrepanz zwischen den Verkürzungsraten<br />

von ca. 20 mm/Jahr (aus<br />

GPS-Messungen) und ca. 10 mm/Jahr (aus<br />

seismischen Momenten großer Krustenbeben<br />

abgeleitet) ist beachtlich. Um die<br />

Struktur der Kruste und des oberen Mantels<br />

zu modellieren und Typ und Intensität<br />

der tektonischen Prozesse, welche für die<br />

starke Krustendeformation in dieser Region<br />

verantwortlich sind, genau zu bestimmen,<br />

haben wir Schweredaten der<br />

neuen Satelliten-Missionen CHAMP und<br />

GRACE, regionale GPS-Beobachtungen<br />

und neue seismische Daten analysiert.<br />

Die Dynamik der Erde wird maßgeblich<br />

von Dichteanomalien bestimmt. Gleichzeitig<br />

erzeugen alle tektonischen Prozesse<br />

Dichtestörungen (wie die Topografie), die jeweils spezifisch<br />

sind. Als wichtigste Randbedingung bei der Konstruktion<br />

eines dynamischen Modells in dieser Region<br />

kann deshalb das Schwerefeld genutzt werden. Zentralasien<br />

ist eine der Regionen, in denen die älteren Schwerefeldmodelle<br />

(z. B. EGM96) große Fehler aufweisen.<br />

Wegen der politischen Grenzen müssen Geodäten und<br />

Geophysiker zudem verschiedene Datensätze, die extrem<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


a) b)<br />

Abb. 1.54: (A) Ein erstes Dichtemodell des gesamten Mantels, berechnet auf der Grundlage einer gemeinsamen Inversion<br />

von Schweredaten und seismischen Daten (Querschnitt 105° West bis 75° Ost). Die Pfeile zeigen die Mantelflussgeschwindigkeiten.<br />

(B) Das abgeleitete nichtisostatische Geoid, berechnet anhand von Dichteanomalien und dynamischen<br />

Deformationen der Oberfläche.<br />

(A) Initial density model of the whole mantle which is based on a joint inversion of the gravity and seismological data<br />

(cross-section 105 W-75 E). Arrows show mantle flow velocities. (B) calculated non-isostatic geoid, which is produced<br />

by the density anomalies and dynamic deformations of the surface.<br />

inhomogen sind, vereinigen. Die neuen CHAMP- und<br />

GRACE-Missionen liefern erstmalig homogene und qualitativ<br />

hochwertige Schweredaten, welche die gesamte<br />

Erde gleichmäßig überdecken. Das neue Schwerefeldmodell,<br />

das unter Einbeziehung aller verfügbaren terrestrischen<br />

und satellitengestützten Daten berechnet wurde, ist<br />

in Abb. 1.56 dargestellt. Die Differenzen zwischen dem<br />

neuen und alten Schweremodell (EGM96) betragen bis zu<br />

±100 mGal. Unter der Annahme, dass diese Differenzen<br />

hauptsächlich auf Fehler im alten Modell zurückzuführen<br />

sind, war das alte Modell als Randbedingung für die<br />

Modellierung des Tienschan-Gebiets nicht geeignet. Obwohl<br />

sich die Dichteinhomogenitäten, die durch Anomalien<br />

in der Temperatur und der stofflichen Zusammenset-<br />

zung hervorgerufen werden, direkt im gemessenen Schwerefeld<br />

abbilden, ist ihre Bestimmung ohne zusätzliche<br />

Information über die Lithosphärenstruktur unmöglich.<br />

Seismische Daten liefern solche Randbedingungen. Um<br />

ein Abbild der tiefen Strukturen des Tienschan zu erhalten,<br />

haben wir – in Zusammenarbeit mit dem IPE, Moskau<br />

(Vinnik et al., <strong>2004</strong>) – P- und S-Receiver-Functions<br />

für nahezu 40 lokale seismologische Breitbandstationen<br />

gemeinsam invertiert (Abb. 1.55). Diese Methode erfasst<br />

zwar Änderungen der Geschwindigkeit mit der Tiefe<br />

innerhalb der Kruste und im obersten Mantel, aber die<br />

absoluten Werte der Geschwindigkeit werden ungenügend<br />

bestimmt. Um diesen Nachteil zu umgehen, haben wir die<br />

Abb. 1.55: Die Topografie Asiens und die Lage des untersuchten Gebiets im zentralen Tienschan (links). Schwarze Pfeile:<br />

GPS-Plattengeschwindigkeiten; rote Sterne: Epizentren von starken Erdbeben (M > 5); schwarze Kreuze: Lage der<br />

seismischen Stationen (rechts).<br />

Topography of Asia and location of the study area Central Tien Shan (left). Black arrows: GPS plate velocities; red<br />

stars: epicentres of strong earthquakes (M > 5); black crosses: location of seismic stations (right).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

197


198<br />

Abb. 1.56: Neues Schwerefeldmodell basierend auf neuen Satellitendaten (CHAMP und GRACE) und existierenden<br />

terrestrischen Daten (links). Differenz zwischen dem neuen und dem alten (EGM96) Schwerefeldmodell in mGal<br />

(rechts).<br />

New gravity model based on the new satellite missions (CHAMP and GRACE) and existing terrestrial data (left). Difference<br />

between the new and old (EGM 96) gravity model in mGal (right).<br />

P- und S-Receiver-Functions gemeinsam mit den Residuen<br />

von teleseismischen P- und S-Laufzeitgeschwindigkeiten<br />

invertiert. Durch diese Vorgehensweise war es möglich, ein<br />

zuverlässiges dreidimensionales P- und S-Geschwindigkeitsmodell<br />

für die Kruste und den obersten Mantel zu<br />

bestimmen. Abb. 1.57 zeigt die mittleren seismischen<br />

Geschwindigkeiten V s in der mittleren und unteren Kruste.<br />

Das Gebiet niedriger Geschwindigkeiten (Low-Velocity-<br />

Zone, LVZ) in Abb. 1.57 (links) steht deutlich in Beziehung<br />

zur Verteilung der seismischen Aktivität: starke Erdbeben<br />

treten nur außerhalb dieses Gebiets oder an seinen Grenzen<br />

auf. Das Fehlen starker Erdbeben zusammen mit dem<br />

ungewöhnlich niedrigen Schermodul weist darauf hin, dass<br />

(1) die mittlere Kruste von entscheidender Bedeutung für<br />

die Entstehung starker Erdbeben ist und (2) die mittlere<br />

Kruste der Low-Velocity-Zone des Tienschan zu schwach<br />

ist, um genug Energie für starke Erdbeben aufnehmen zu<br />

können. Die Low-Velocity-Zone im obersten Mantel stimmt<br />

gut mit den basaltischen Aufschlüssen (ca. 50 Ma alt) überein.<br />

Diese Zone könnte also im Zusammenhang mit heißem<br />

Mantelmaterial stehen, das als Folge der magmatischen<br />

Intrusion (oder sogar eines Mantel-Plumes) entsteht.<br />

Das neue Schwerefeldmodell und die neuen seismischen<br />

Messungen wurden gemeinsam ausgewertet, um ein Dich-<br />

Abb. 1.57: Mittlere seismische Geschwindigkeiten (V s) in der mittleren Kruste (10 bis 35 km). Rote Sterne markieren<br />

die Epizentren starker Erdbeben (M > 5), Dreiecke die Lage der seismischen Stationen (links). Mittlere Geschwindigkeiten<br />

in der Unterkruste (75 bis 90 km). Schattierte Gebiete zeigen Gebiete mit basaltischen Aufschlüssen (rechts).<br />

Average seismic velocities (V s) in the mid-crust (10 to 35 km). Red stars show epicentres of strong earthquakes (M > 5),<br />

triangles the positions of the seismic stations (left). Average velocities in the subcrustal layer (75 to 90 km). Shaded<br />

areas show positions of basaltic outcrops (right).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.58: Alternative geodynamische Modelle. Oben:<br />

Einfache Verkürzung der Kruste. Unten: Partielle Subduktion<br />

der Tarim-Lithosphäre unter den Tienschan.<br />

Alternative geodynamic models. Top:Simple crustal shortening.<br />

Bottom: Partial subduction of the Tarim lithosphere<br />

under Tien Shan.<br />

temodell des oberen Mantels zu berechnen. Dieses Modell<br />

wurde verwendet, um Abweichungen der Lithosphäre vom<br />

isostatischen Gleichgewicht zu schätzen, die wichtig sind<br />

für das Verständnis des Mechanismus der Krustenverkürzung.<br />

Die Kruste ist deutlich dicker am südlichen Rand des<br />

Tienschan und außergewöhnlich dünn im zentralen Teil.<br />

Dies spricht offensichtlich für das geodynamische<br />

Modell, welches eine Unterkruste (oder sogar partielle<br />

Subduktion) der Tarim-Lithosphäre unter dem Tienschan<br />

(Abb. 1.58) einbezieht. Die gleiche Schlussfolgerung<br />

lässt sich aus den isostatischen Anomalien aus<br />

Abb. 1.59 (links) ziehen. Das Muster der isostatischen<br />

Anomalien stimmt gut mit der Verteilung der Seismizität<br />

überein.<br />

Die Mantel-Schwereanomalien, die nach Subtraktion des<br />

Krusteneffektes verbleiben (Abb. 1.59, rechts), stützen die<br />

Idee eines heißen Mantels niedriger Dichte unter dem zentralen<br />

Teil von Tienschan. Einige Diskrepanzen mit den<br />

seismischen Geschwindigkeiten im obersten Mantel<br />

(Abb. 1.57, rechts) deuten darauf hin, dass dieses Material<br />

geringerer Dichte wesentlich tiefer, d. h. unterhalb<br />

90 km liegt.<br />

Zusammenfassend haben wir eine sehr starke Abweichung<br />

der Tienschan-Lithosphäre vom isostatischen<br />

Gleichgewicht festgestellt. Das Modell der einfachen<br />

Krustenverkürzung funktioniert nicht im untersuchten<br />

Gebiet. Die beste Anpassung erhält man für ein Modell,<br />

bei dem sich die Tarim-Platte teilweise unter den Tienschan<br />

schiebt. Man muss also eine partielle Aufspaltung<br />

der Lithosphäre annehmen, wenn die gegenwärtige Bewegungsrate<br />

über die gesamte Zeit der Tienschan-<br />

Geschichte die gleiche geblieben ist. Es wurden zudem<br />

große Dichte-Geschwindigkeits-Anomalien im oberen<br />

Mantel des zentralen Teils des untersuchten Gebiets<br />

gefunden. Diese Anomalien könnten das Ergebnis eines<br />

magmatischen „Underplating“ im Frühstadium der tektonischen<br />

Entwicklung sein. Die schwache Lithosphäre,<br />

die ein Ergebnis der magmatischen Intrusion ist, könnte<br />

das Aufsteigen des Gebirges nach der Kollision von<br />

Indien und Eurasien bewirkt haben.<br />

Abb. 1.59: Isostatische Anomalien des Schwerefeldes. Kreise zeigen die Epizentren der Erdbeben (alle, starke und<br />

schwache) (links). Verbleibende Mantel-Schwereanomalien nach Subtraktion des Krusten-Effektes vom gemessenen<br />

Schwerefeld (rechts).<br />

Isostatic anomalies of the gravity field. Circles show epicentres of earthquakes (all, strong and weak) (left). Residual<br />

mantle anomalies obtained after removing of the crustal effect from the observed gravity field (right).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

199


200<br />

Glaziale Isostasie, Meeresspiegeländerung und<br />

Mantelviskosität<br />

Postglaziale Meeresspiegelindikatoren<br />

Die Rekonstruktion der Meeresspiegelhöhe für die letzen<br />

18.000 Jahre ist ein wichtiges Hilfsmittel, um die postglaziale<br />

Relaxation der Erde nach dem Abtauen der letzten<br />

pleistozänen Eisschilde auf der Nordhemisphäre zu<br />

bestimmen. Zur Rekonstruktion dienen fossile Fundstücke,<br />

die nahe den ehemaligen Küstenlinien sedimentiert<br />

wurden. Nach Höhen- und Altersbestimmung bilden sie<br />

Meeresspiegelindikatoren (sea-level indicators bzw. SLI),<br />

die zunächst zur Rekonstruktion der Relaxationskurve für<br />

eine bestimmte Region verwendet und ggf. weiter hinsichtlich<br />

der Viskositätsverteilung im Erdmantel oder der<br />

pleistozänen Vereisungsgeschichte invertiert werden können.<br />

Die zur Archivierung der SLI dienende Datenbank wurde<br />

in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert und enthält<br />

derzeit Angaben zu ca. 14.000 SLI (Abb. 1.60). Neben den<br />

geographischen Koordinaten, der Höhe über dem heutigen<br />

Meeresspiegel und dem Alter enthält die Datenbank<br />

entsprechend den Originalpublikationen u. a. auch Angaben<br />

zum Material und den Sedimentationsbedingungen<br />

der SLI, die gezielt mit Hilfe der Fuzzy-Logik analysiert<br />

werden können. Diese Analysemethode macht es möglich,<br />

SLI anhand der in der Datenbank gespeicherten Angaben<br />

individuell zu gewichten und damit die postglaziale Relaxation<br />

der Erde genauer zu bestimmen. Mit dieser Methode<br />

kann auch unterschieden werden, ob es sich bei einem<br />

SLI um muschelähnliches Material handelt, was auf eine<br />

untere Schranke des früheren Meeresspiegels hinweist,<br />

oder um einen treibholzähnlichen Fund, was ein Indikator<br />

für eine obere Schranke des früheren Meeresspiegels<br />

ist. (Abb. 1.61).<br />

Modellierung globaler Meeresspiegeländerungen<br />

Die Kombination eines globalen Modells der pleistozänen<br />

Eisbedeckung mit einem Modell der Viskositätsverteilung<br />

kann u. a. dazu verwendet werden, die zeitlichen<br />

Änderungen der Paläotopographie nach der letzten Verei-<br />

Abb.1.60:Globale Verteilung der in einer<br />

Datenbank am <strong>GFZ</strong> Potsdam gespeicherten<br />

Meeresspiegelindikatoren. Die<br />

Farben bezeichnen die unterschiedenen<br />

Regionen: Fennoskandien (dunkelblau),<br />

Britannien (hellblau), Barentssee (dunkelgrün),<br />

Nordamerika (hellgrün), Äquatorialregion<br />

(gelb), Antarktis und Patagonien<br />

(rosa).<br />

Global distribution of sea-level indicators<br />

stored in the <strong>GFZ</strong> data bank. The colours<br />

indicate the regions distinguished: Fennoscandia<br />

(dark blue), Britain (light<br />

blue), Barents Sea (dark green), North<br />

America (light green), equatorial region<br />

(yellow), Antarctica and Patagonia (pink).<br />

Abb. 1.61: Höhe des Meeresspiegelindikators bezüglich<br />

des heutigen Meeresspiegels als Funktion seines kalibrierten<br />

Alters für die Region Churchill (Hudson Bay).<br />

Blaue Symbole bezeichnen muschelähnliche Funde, was<br />

auf eine untere Schranke des früheren Meeresspiegels hinweist.<br />

Rote Symbole bezeichnen treibholzähnliche Funde,<br />

was auf eine obere Schranke des früheren Meeresspiegels<br />

hinweist. Die durchgezogene Linie ist die mit Hilfe der<br />

Fuzzy-Logik bestimmte optimale postglaziale Relaxationskurve<br />

(Exponentialfunktion). Das orange Band zeigt<br />

den Bereich möglicher Exponentialfunktionen innerhalb<br />

einer vorgegebenen Abweichung.<br />

Height of sea-level indicator with respect to present-day<br />

sea level as a function of its calibrated age for the region<br />

Churchill (Hudson Bay). Blue symbols denote samples like<br />

shell, which indicates a lower bound for the former sea<br />

level. Red symbols denote samples like driftwood, which<br />

indicates an upper bound for the former sea level. The<br />

solid line is the best-fitting post-glacial relaxation curve<br />

(exponential function) determined using fuzzy logic. The<br />

orange band shows the range of possible exponential functions<br />

within a predefined misfit.<br />

sung zu modellien (Abb. 1.62). Eine wichtige Anwendung<br />

ist die Berechnung des glazial-isostatisch induzierten<br />

Anteils in den gegenwärtigen Meeresspiegeländerungen.<br />

Dazu wurde zunächst eine globale Verteilung ungestörter<br />

Pegelstationen festgelegt. Es wurden Stationen ausgewählt,<br />

die weitgehend frei von tektonisch oder antropogen<br />

bedingten Vertikalbewegungen, Luftdruckschwan-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


kungen und hydrologischen Effekten sind. Zur Erleichterung<br />

der Auswahl wurde hierzu das Trendanalyse-Diagramm<br />

entwickelt, was eine schnelle Identifizierung von<br />

zeitlichen Variationen des Trends gestattet. Für die Pegel-<br />

Abb. 1.62: Rekonstruktion der Paläotopographie<br />

für Fennoskandien und den<br />

Zeitpunkt 10.000 Jahre vor heute basierend<br />

auf einem optimierten Viskositätsund<br />

Eismodell.<br />

Reconstruction of the palaeotopography<br />

for Fennoscandia and the time epoch<br />

10,000 years before present based on an<br />

optimized viscosity and ice model.<br />

station Churchill (Hudson Bay) sind beispielsweise<br />

starke Trendänderungen um<br />

1970 und 1990 zu erkennen (Abb. 1.63),<br />

die auf Störungen unbekannter Ursache<br />

hinweisen. Für die 121 ungestörten Stationen<br />

wurden dann aus den entsprechenden<br />

Zeitreihen zunächst die beobachteten<br />

linearen Trends der Meeresspiegeländerungen<br />

bestimmt. Nach Reduktion<br />

hinsichtlich des glazial-isostatisch<br />

induzierten Anteils ergab sich daraus ein<br />

mittlerer globaler Meeresspiegelanstieg<br />

von 1,46 ±0,20 mm/a. Für Fennoskandien,<br />

wo die Stationsdichte hoch und der glazial-isostatisch<br />

induzierte Anteil dominant ist, ergab sich nach<br />

der Reduktion ein etwas niedrigerer Wert von 1,23<br />

±0,68 mm/a.<br />

Mantelviskosität unter Island<br />

Island ist aufgrund seiner besonderen<br />

Lage auf dem Mittelatlantischen Rücken<br />

für geodynamische Studien eine attraktive<br />

Region. Wegen der erhöhten Untergrundtemperatur<br />

ist unter der Insel eine<br />

niedrige Viskosität des Erdmantels zu<br />

erwarten. Charakteristisch für Island sind<br />

rezente Eiskappen, von denen der Vatnajökull<br />

mit einem mittleren Radius von ca.<br />

Abb. 1.63: Trendanalyse-Diagramm für<br />

Monatsmittel der Meeresspiegelhöhe in<br />

Churchill (Hudson Bay). Das obere Feld<br />

zeigt den ursprünglichen Datensatz. Das<br />

untere Feld zeigt Konturen der mittleren<br />

Änderungsrate der Meeresspiegelhöhe als<br />

Funktion des Mittelpunktes und der Länge<br />

des berücksichtigten Zeitintervalls. Durch<br />

Pfeile hervorgehobene Werte weisen auf<br />

zurückliegende Abschätzungen der mittleren<br />

Änderungsrate hin.<br />

Trend-analysis diagram for monthly<br />

means of the sea-level height at Churchill<br />

(Hudson Bay). The top panel shows the<br />

original data set. The bottom panel shows<br />

contours of the mean rate of change of<br />

sea-level height as a function of the midepoch<br />

and length of the time interval considered.<br />

Values highlighted by arrows<br />

indicate previous estimates of the mean<br />

rate of change.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

201


202<br />

50 km am größten ist. Als Folge des seit ca. 1900 andauernden<br />

Eisrückgangs sowie der erniedrigten Mantelviskosität<br />

ist in der Umgebung des Vatnajökull eine Landhebung<br />

zu erwarten, die hinsichtlich der Viskositätsverteilung<br />

im Erdmantel invertiert werden kann. Zur Bestimmung<br />

der Hebungsrate wurden seit 1991 unter der Leitung<br />

von L. Sjöberg (Royal Institute of Technology, Stockholm)<br />

südöstlich der Eiskappe an einer Reihe von Stationen<br />

(Abb. 1.64) bis zu vier GPS-Kampagnen durchgeführt.<br />

Zur Inversion der beobachteten Hebungsraten<br />

wurde ein kreisförmiges Eismodell vorausgesetzt, sowie<br />

Abb.1.65:Beobachtete (rote Kreise mit Fehlerbalken) und<br />

vorhergesagte Hebungsraten (farbige Linien) als Funktionen<br />

des Abstandes vom Eiszentrum für das kreisförmige<br />

Eismodell und eine Lastgeschichte, die einen Eisverlust<br />

von ca. 2 km 3 pro Jahr während der vergangenen<br />

100 Jahre simuliert. Die Bereiche der Werte für die Lithosphärenmächtigkeit,<br />

H L, die Asthenosphärenmächtigkeit,<br />

H A, und die Asthenosphärenviskosität, ηA, die zu ähnlich<br />

guten Anpassungen führen, weisen auf die Mehrdeutigkeit<br />

der Inversion hin.<br />

Observed (red circles with error bars) and predicted uplift<br />

rates (coloured lines) as functions of the distance from the<br />

ice centre for the circular ice model and a loading history<br />

simulating an ice loss of about 2 km 3 per year during<br />

the past 100 years. The ranges of values for the lithosphere<br />

thickness, H L, the asthenosphere thickness, H A, and the<br />

asthenosphere viscosity, ηA, resulting in similarly close<br />

fits indicate the ambiguity of the inversion.<br />

eine Lastgeschichte, die einen Eisverlust<br />

von 2 km 3 pro Jahr während der vergangenen<br />

100 Jahre simuliert. Als Viskosität<br />

des oberen und unteren Mantels wurde<br />

1 . 10 20 Pa s bzw. 1 . 10 22 Pa s angenommen.<br />

Freie Parameter sind die Lithosphärenmächtigkeit,<br />

die Asthenosphärenmächtigkeit<br />

und die Asthenosphärenviskosität. Nahezu gleich<br />

gute Anpassungen ergeben sich für 16 bis 46 km und 129<br />

bis 384 km für die Lithosphären- bzw. Asthenosphärenmächtigkeit<br />

und 1 . 10 18 bis 1 . 10 19 Pa s für die Asthenosphärenviskosität<br />

(Abb. 1.65), was auf die Mehrdeutigkeit<br />

der Inversion hinweist.<br />

Geoidmodellierung<br />

Abb. 1.64: Lagen der GPS-Stationen<br />

südöstlich der Vatnajökull-Eiskappe<br />

(Island) und Umriss des für die Inversion<br />

verwendeten kreisförmigen Eismodells.<br />

Locations of GPS stations south-east of<br />

the Vatnajökull ice cap (Iceland) and outline<br />

of the circular ice model used for the<br />

inversion.<br />

Eismassenänderung und Glazialisostasie<br />

Mit dem Satellitenpaar GRACE können zum ersten Mal<br />

globale zeitliche Variationen des Schwerefelds untersucht<br />

werden. Nach und nach lassen sich aus der Zeitreihe der<br />

monatlichen Schwerefelder immer verlässlichere lineare<br />

Trends berechnen, die z. B. Rückschlüsse auf die langzeitlichen<br />

Massenänderungen der großen Eisschilde<br />

ermöglichen.<br />

Über der Antarktis und über Grönland wird die heutige<br />

Geoidänderung im Wesentlichen durch zwei Prozesse verursacht.<br />

Einmal durch ein Ungleichgewicht zwischen dem<br />

Schneefall auf dem Kontinent und dem Abfluss durch<br />

Gletscher und Eisströme, und andererseits durch die glazialisostatische<br />

Ausgleichsbewegung der Erde und dem<br />

damit verbundenen Zufluss von Mantelmaterial in die<br />

Gebiete früherer Eislasten. Der Einfluss einer unausgeglichenen<br />

Eismassenbilanz auf das Geoid lässt sich relativ<br />

einfach berechen. Die Bestimmung der Erdantwort auf<br />

eine vergangene Eisbedeckung erfordert dagegen ein<br />

komplexes visko-elastisches Erdmodell. Zusätzlich müssen<br />

Annahmen über die Viskositätsstruktur des Mantels<br />

und die Enteisungsgeschichte getroffen werden, die nicht<br />

ausreichend bekannt sind.<br />

Die Zeitreihe aus den GRACE-Monatslösungen wurde<br />

verschiedenen statistischen Verfahren und Filtermethoden<br />

unterworfen (Abb. 1.66). Abbildungen 1.67 und 1.68<br />

zeigen Vergleiche der modellierten und beobachteten<br />

Geoidänderung über Grönland und über der Antarktis.<br />

Vor allem in der Westantarktis lassen sich erste Übereinstimmungen<br />

zwischen den GRACE-Beobachtungen<br />

und den Vorhersagen erkennen. Dort verursacht das<br />

beschleunigte Zurückweichen von Gletschern und Eis-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


strömen mit dem Abfluss in die Amundsen-See einen<br />

Massenverlust, der bereits im Trend der Schwerefelder<br />

sichtbar ist.<br />

Abb. 1.66: Statistische Prüfung von Trend<br />

und jährlicher Periode in den sphärischharmonischen<br />

Koeffizienten zweier<br />

GRACE-Lösungen: CSR (Center for Space<br />

Research) und <strong>GFZ</strong> Potsdam (Beobachtungszeitraum:<br />

~ 2 Jahre). Rot kennzeichnet<br />

signifikante Bereiche.<br />

Statistical test of trend and annual period<br />

in the spherical harmonic coefficients<br />

of two GRACE solutions: CSR (Center for<br />

Space Reseach) and <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

(observation period: ~ 2 years). In red are<br />

significant domains.<br />

Konvektion im Erdmantel<br />

Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis<br />

der Dynamik des Erdinnern wird durch<br />

die Modellierung des statischen Geoids<br />

geleistet. Das Geoid wird im Rahmen der<br />

CHAMP-, GRACE- und, in Zukunft,<br />

auch der GOCE-Mission mit zunehmender<br />

Genauigkeit vermessen. Ein Vergleich<br />

mit Modellierungen erlaubt es<br />

unter anderem, die Viskositätsverteilung<br />

im Erdmantel genauer abzuschätzen.<br />

Das statische Geoid wird durch die Topographie<br />

und die Lithosphärenstruktur,<br />

aber auch zu großen Teilen durch den<br />

Konvektionsprozess im Erdmantel verursacht.<br />

Das am GeoForschungsZentrum<br />

entwickelte Modell der Mantelkonvektion<br />

beschreibt und löst die zugrunde liegenden<br />

Gleichungen mit Hilfe spektraler<br />

Finite-Elemente. Diese Repräsentation<br />

erlaubt es auch sehr große laterale Viskositätsvariationen<br />

in das Erdmodell zu<br />

integrieren. So können hochviskose (elastische) Lithosphärenstrukturen,<br />

wie z. B. Kratone, in den viskosen Erdmantel<br />

eingebettet werden. Für die Beschreibung der Erde<br />

können durch seismische Tomographie<br />

bestimmte Dichteanomalien in das<br />

Modell integriert werden. Damit kann der<br />

Einfluss realistischer Strukturen auf die<br />

Fließgeschwindigkeit im Erdmantel und<br />

das statische Geoid untersucht werden.<br />

Ein erstes numerisches Experiment für<br />

eine zweidimensionale Erdstruktur zeigt<br />

Abb. 1.69.<br />

Abb. 1.67: Geoidänderung in mm/a für<br />

Grönland. (a) Vorhergesagter Beitrag, der<br />

durch heutige Massenänderungen und die<br />

glazialisostatische Ausgleichsbewegung<br />

hervorgerufen wird. (b) GRACE-Beobachtung<br />

(<strong>GFZ</strong>, Release 3).<br />

Geoid change in mm/a for Greenland. (a)<br />

Predicted contribution of present time mass<br />

changes and glacial-isostatic adjustment.<br />

(b) GRACE observation (<strong>GFZ</strong>, release 3).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

203


204<br />

a) b)<br />

Abb. 1.68: Geoidänderung in mm/a für die Antarktis. (a) Vorhergesagter Anteil, der durch heutige Massenänderung<br />

und die glazialisostatische Ausgleichsbewegung hervorgerufen wird. (b) GRACE-Beobachtung (CSR, Release 1 constrained).<br />

Geoid change in mm/a for Antarctica. (a) Predicted contribution due to present-day mass changes and glacial-isostatic<br />

adjustment. (b) GRACE observation (CSR, release 1 constrained).<br />

a) b)<br />

Abb. 1.69: (a) Erdmodell mit zweidimensionaler axialsymmetrischer Viskositätsstruktur. Dunkelgrau kennzeichnet sind<br />

kratonische Strukturen. Rot und blau stellen eine langwellige positive bzw. negative Dichteanomalie im unteren Mantel<br />

dar. (b) Mantelfluss aufgrund der Dichteanomalie aus (a). Die Farbskala zeigt die normalisierte vertikale Flussgeschwindigkeit<br />

an. Der Mantelfluss ist auf die Gebiete außerhalb des hochviskosen Kratons beschränkt.<br />

(a) Earth model with two-dimensional axisymmetric viscosity structure. Dark grey indicates cratonic structures. Red<br />

and blue represent a positive and negative long-wavelength mass anomaly in the lower mantle, respectively. (b) Mantle<br />

flow due to the mass anomaly shown in (a). The colour scale represents the normalized vertical flow velocity. The<br />

mantle flow is confined to the outside of the craton due to its high viscosity.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Fernerkundung<br />

Die Fernerkundung stellt eine Schlüsseltechnologie für<br />

die Erdbeobachtung dar. Sie trägt entscheidend dazu bei,<br />

den Kostenaufwand für die flächenhafte und multitemporale<br />

Datengewinnung zu minimieren. Sie schafft eine flächenbezogene<br />

Datenbasis für vielfältige Zwecke, die z. B.<br />

in Geoinformationssystemen genutzt werden kann. Am<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam werden dazu neue Konzepte und Algorithmen<br />

entwickelt, die den raumbezogenen und spektralen<br />

Informationsgehalt unterschiedlicher Satelliten- und Flugzeugsensoren<br />

analysieren. Die methodischen Entwicklungen<br />

orientieren sich im Wesentlichen an den beiden<br />

Schwerpunktthemen Umwelt und Naturgefahren. Die Ergebnisse<br />

finden Eingang in die Arbeiten verschiedener<br />

Großprojekte am GeoForschungsZentrum sowie innerhalb<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft und unterstreichen<br />

damit den interdisziplinären Charakter und Nutzen der<br />

Fernerkundung. Neben diesen methodischen Arbeiten bilden<br />

die Machbarkeitsstudie des Hyperspektralsatelliten<br />

EnMAP und zukünftige Einsatzmöglichkeiten dieses Satelliten<br />

einen weiteren Schwerpunkt.<br />

Landdegradation<br />

Rund siebzig Prozent aller Trockengebiete außerhalb der<br />

vollariden Wüsten sind vom Rückgang der Boden- und<br />

Pflanzenbedeckung und damit von einer zunehmenden<br />

Degradation des Landes betroffen. Klimaschwankungen<br />

und nicht nachhaltige menschliche Aktivitäten wie Übernutzung,<br />

Überweidung und Abholzung sind wesentliche<br />

Ursachen für die komplexen Desertifikationsprozesse. In<br />

der 1996 in Kraft getretenen UN-Konvention zur Bekämpfung<br />

der Wüstenbildung (UN Convention to Combat<br />

Desertification UNCCD) wird daher die Notwendigkeit<br />

betont, verstärkt die Prozesse der Landdegradation und<br />

Desertifikation zu erforschen.<br />

Eine Voraussetzung für die Bekämpfung der Desertifikation<br />

ist die genaue Kenntnis über das Ausmaß der degradierten<br />

Gebiete und neuer, potentiell gefährdeter Gebiete.<br />

Die Fernerkundung bietet die Möglichkeit, entsprechendes<br />

thematisches Kartenmaterial im globalen, regionalen<br />

und lokalen Maßstab flächenhaft und kostengünstig<br />

zu liefern. Untersucht wird insbesondere das Potential der<br />

abbildenden Spektroskopie für die Bestimmung von<br />

boden- und vegetationsspezifischen Parametern, die mit<br />

Landdegradationsprozessen verknüpft sind. Derartig<br />

abgeleitete quantitative Parameter können vielfältig, beispielsweise<br />

als Eingangsgrößen für Erosions- und Desertifikationsmodelle<br />

zur Überwachung von Landdegradationsprozessen<br />

eingesetzt werden. Ihre Integration in global<br />

anwendbare Landdegradationsindizes ermöglicht die<br />

Bestimmung des Ausmaßes der Degradation. Daneben<br />

fließen sie in die Gewinnung von Indikatoren für die Charakterisierung<br />

spezifischer Oberflächeneigenschaften in<br />

Bezug auf Wasserzyklus, Erosionsprozesse und die Pflanzenproduktion<br />

in Trockengebieten ein.<br />

Im Rahmen von verschiedenen laufenden Projekten<br />

wurden in zwei Regionen Testgebiete eingerichtet, im<br />

Tagebaugebiet Welzow-Süd bei Cottbus und im Naturpark<br />

Cabo de Gata-Níjar in der Provinz Almeria, Spanien.<br />

Erfassung physikalischer und geochemischer Bodenparameter<br />

Im Rahmen des Projekts „Quantifizierung oberflächennaher<br />

Prozesse zur Charakterisierung von trockenheitsinduzierten<br />

Veränderungen von Bodeneigenschaften, Erosion,<br />

und Wasserhaushalt“ konnte durch die Kombination<br />

von Feld- und Laborexperimenten, Fernerkundungsmethoden<br />

und Modellierungsarbeiten das Prozessverständnis<br />

verbessert und Prognosemethoden weiterentwickelt<br />

werden. Es wurde ein interdisziplinärer Ansatz mit Hilfe<br />

von drei Fachgebieten entwickelt: Fernerkundung, Bodenkunde<br />

(Brandenburg Technische Universität, BTU Cottbus)<br />

und Hydrologiemodellierung (Ingenieurhydrologie,<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam). Die Methoden sind in einem Areal der<br />

Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft erprobt worden.<br />

Das Studiengebiet umfasst eine 2002 errichtete Rekultivierungsfläche<br />

im Tagebaugebiet Welzow-Süd. Die Fläche<br />

ist vor anthropogenen Einflüssen weitgehend geschützt<br />

und bietet ideale Voraussetzungen für die Untersuchung<br />

von Bodeneigenschaften und Erosionserscheinungen. Die<br />

Fläche von insgesamt 16 ha weist eine deutliche Neigung<br />

in südlicher Richtung auf. Im Wesentlichen befinden sich<br />

drei verschiedene Substrate in dem Gebiet: Tertiärsand im<br />

Norden (sauer, keine Vegetation), Quartärsand im südlichen<br />

Bereich sowie zwei aufgeschüttete Tonhügel mit<br />

ausgeprägtem Vegetationsbestand. Gerade in den Sanden<br />

ergeben sich durch das Fehlen der Vegetation gute Bedingungen,<br />

um Reflektanzmessungen mit Bodenparametern<br />

in Beziehung zu setzen.<br />

Bei Untersuchungen zur Erosion, einem wichtigen Prozess<br />

bei der Entstehung von degradierten Böden, spielt die<br />

Bodenfeuchte, insbesondere deren räumliche Variabilität<br />

eine entscheidende Rolle. Um die Bodenfeuchte für größere<br />

Einzugsgebiete zu messen, bietet sich die Fernerkundung<br />

als Messverfahren an. Mit Feldspektrometern<br />

wurden ausgewählte Bodenparzellen im Untersuchungs-<br />

Abb. 1.70: Reflektanzspektren einer Tertiärsandprobe von<br />

der Rekultivierungsfläche im Tagebau Welzow-Süd. Die<br />

angegebenen Bodenfeuchtewerte wurden gravimetrisch<br />

bestimmt.<br />

Reflectance spectra of tertiary sand samples of the recultivation<br />

zone in the lignite mine Welzow-Süd. The stated<br />

soil moisture values were determined gravimetrically.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

205


206<br />

Abb. 1.71: Oberflächennahe Bodenfeuchte vom 30.07.<strong>2004</strong>, ermittelt aus (a)<br />

Hydrologie-Feldmessungen mit FDR-Sonde (Frequenz-Domain-Reflektometrie)<br />

und (b) HyMap-basierter Auswertung auf Grundlage des Ratio-Merkmals<br />

(1288 vs. 1515 nm). Die Regression basiert auf Quartärsand, dessen<br />

Vorkommen durch die gestrichelte Linie markiert ist.<br />

Surface soil moisture from July 30th <strong>2004</strong> determined from (a) Hydrology<br />

field measurements with FDR sensor and (b) HyMap-based ratio calculation<br />

(1288 vs. 1515 nm) based on the regression function for quaternary<br />

sand. The dashed line shows the part of the area being covered with quaternary<br />

sand.<br />

gebiet gemessen und zusätzlich Proben davon aufbereitet<br />

und untersucht. Die gravimetrisch erfassten Bodenfeuchtewerte<br />

wurden anschließend mit den spektralen Eigenschaften<br />

der Reflektanzmessungen verglichen und normiert.<br />

(Abb. 1.70).<br />

In den Sommern 2003 bis <strong>2005</strong> fanden jeweils hyperspektrale<br />

Befliegungen des Testgebiets mit dem HyMap-<br />

Sensor statt. Die aus den Labor- und Feldarbeiten<br />

ermittelten Methoden zur Quantifizierung der Bodenfeuchte<br />

wurden auf die spektrale Auflösung des Sensors<br />

angepasst und erzielten durch Kalibrierung auf<br />

einzelne Substrate gute Ergebnisse. In der Studie konnte<br />

gezeigt werden, dass die Erfassung der Bodenfeuchte<br />

in ariden Gebieten mit optischen spektral hochauflösenden<br />

Fernerkundungsdaten ein großes Potential besitzt<br />

(Abb. 1.71).<br />

Spektrale Überwachung eines semiariden<br />

mediterranen Ökosystems<br />

Der Naturpark Cabo de Gata-Níjar in der<br />

Provinz Almeria in Südost-Spanien ist<br />

Untersuchungsgegenstand des in Kooperation<br />

mit der Universität Almeria<br />

durchgeführten Monitoring-Programms<br />

INCAMAR. Das Gebiet gehört seit 1997<br />

zu den UNESCO-Biosphärenreservaten<br />

und beinhaltet eine hohe Biodiversität.<br />

Viele endemische Tier- und Pflanzenarten<br />

sind von Umweltveränderungen bedroht.<br />

In dem Park werden daher detaillierte<br />

Untersuchungen zur Vegetationsdynamik<br />

und Krustenbildung, sowie zum Wasserzyklus<br />

und zu Erosionsprozessen durchgeführt.<br />

Für das Monitoringprogramm<br />

wurden im Sommer 2003 typische Parzellen<br />

definiert, die verschiedene Stufen<br />

der Bodenentwicklung und der biologischen<br />

Aktivität beinhalten (Abb. 1.72).<br />

Diese werden regelmäßig mit Hilfe von<br />

Feldmessungen und Bildanalysen auf<br />

Veränderungen hin untersucht. Bei der<br />

Ursachenforschung wird im Hinblick auf spektrale Abweichungen<br />

zwischen einjährigen (Trocken- und Regenzeit)<br />

und mehrjährigen Ereignissen unterschieden.<br />

Ein weiteres Ziel der Arbeit ist die Entwicklung von Desertifikations-Indikatoren,<br />

die auf Fernerkundungsdaten basieren<br />

und speziell für trockene Gebiete geeignet sind. So<br />

repräsentiert die aktuelle Vegetationsbedeckung einen der<br />

wichtigsten Parameter zur Bestimmung der Erosion und<br />

Landdegradation. Als Beispiel ist in Abb. 1.73 die Vegetationsbedeckung<br />

für Juli 2003 und Mai <strong>2004</strong> im Landwirtschaftsgebiet<br />

des Parks dargestellt, die mit Hilfe des<br />

NDVI (Normalised Difference Vegetation Index) berechnet<br />

wurde. Vergleicht man dieses Ergebnis mit Feldbeobachtungen,<br />

so fällt auf, dass der Vegetationsanteil meist<br />

unterschätzt wird. Dies liegt an den spektralen Charakteristika<br />

der mediterranen Vegetation, die sich von heimi-<br />

Abb. 1.72: Links: Parzelle F, ursprüngliches Gebiet, wenig degeneriert, vulkanischer Boden (Foto: Univ. Almeria).<br />

Rechts: Parzelle B, landwirtschaftliches Gebiet, degeneriert, vulkanischer Boden.<br />

Left: Parcel F, natural area, little degraded, volcanic soils. Right: Parcel B, agricultural area, degraded, volcanic soils.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


schen Arten deutlich im Sichtbaren und Nahen Infrarot<br />

Bereich (VNIR) unterscheidet. Deshalb wird derzeit ein<br />

Programm zur automatischen Erkennung und Identifizierung<br />

mediterraner Vegetation entwickelt. Verwendet werden<br />

dazu spektrale Vegetationsmerkmale aus dem Kurzwelligen<br />

Infrarot (SWIR-2) Bereich (2,05 µm bis<br />

2,45 µm), der u. a. durch Absorptionen von Zellulose und<br />

Lignin geprägt ist.<br />

EU Projekt DeSurvey<br />

April <strong>2005</strong> startete das integrierte EU-Projekt DeSurvey<br />

(A Surveillance System for Assessing and Monitoring of<br />

Desertification) mit dem Ziel, ein System zur Bewertung<br />

und Überwachung von Landdegradations- und Desertifikationsprozessen<br />

zu entwickeln. Der Beitrag des <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam innerhalb des aus 39 internationalen Partnern<br />

bestehenden Konsortiums beinhaltet die Entwicklung und<br />

Anwendung von neuen Methoden zur Quantifizierung<br />

von Bodenparametern aus Hyperspektraldaten, wie z. B.<br />

Bodeneisengehalt und organische Bodensubstanz, die für<br />

die Landdegradation relevant sind. Charakteristische Reflexionsmerkmale<br />

der zu untersuchenden Bodeninhaltsstoffe<br />

werden dazu mit Ergebnissen physikalischer und<br />

chemischer Laboranalysen korreliert. Aus den so gewonnenen<br />

Daten sollen Methoden entwickelt werden, die auch<br />

bei Fernerkundungsdatensätzen unterschiedlicher Bodenauflösung<br />

anwendbar sind.<br />

Abb. 1.74 zeigt die Arbeitsschritte zur Bestimmung des<br />

Bodeneisengehalts und präsentiert das vorläufige und<br />

noch nicht verifizierte Ergebnis für das Untersuchungsgebiet<br />

Cabo de Gata in Südost-Spanien. Als Grundlage<br />

dienten hyperspektrale HyMap-Daten vom 11. 07. 2003,<br />

die hier in Echtfarben dargestellt sind (Abb. 1.74a). Während<br />

der Geländekampagne 2003 wurden von einem Feld<br />

mit ausgeprägtem Wechsel von kalkreichem zu eisenreichem<br />

Boden Proben genommen. Die Probenentnahmepunkte<br />

wurden anhand der GPS-Koordinaten in den Bilddaten<br />

lokalisiert (Abb. 1.74b) und die dazugehörigen Bildspektren<br />

extrahiert. Für die Korrelationsanalyse zwischen<br />

diesen Bildspektren der Punkte A bis H und den Ergebnissen<br />

der Laboranalyse (Abb. 1.74c) wurde die aufge-<br />

spannte Fläche zwischen dem 2. und 14. Spektralband der<br />

HyMap-Daten (Abb. 1.74d) verwendet. Eine konkave<br />

Krümmung der Spektralkurve in diesem Spektralbereich<br />

wird durch die Absorption von Fe 2+ - und Fe 3+ -Ionen hervorgerufen<br />

und korreliert mit dem Eisengehalt im Boden.<br />

Über die so bestimmte Korrelationsgleichung kann für<br />

jedes Bildpixel der Eisengehalt berechnet und graphisch<br />

in Form einer Karte dargestellt werden (Abb. 1.74e). Die<br />

Validation der Ergebnisse ist noch nicht abgeschlossen,<br />

die berechneten Wertebereiche für den Eisengehalt stimmen<br />

jedoch weitgehend mit den Feldbeobachtungen überein.<br />

Im Sommer <strong>2005</strong> fanden erste Feldversuche in drei Testgebieten<br />

in der Nähe von Almeria statt (Abb. 1.75b). Hier<br />

wurden jeweils Bodenreflexionsspektren gemessen, Bodenproben<br />

gesammelt und ein neu entwickeltes Skalierungsexperiment<br />

durchgeführt. In den Untersuchungsgebieten<br />

wurde dazu jeweils ein 1 m x 1 m großes Messfeld<br />

abgesteckt und in vier Messhöhen mit unterschiedlicher<br />

Bodenauflösung gemessen (Abb. 1.75a und c). Da diese<br />

gemessenen Spektren immer eine Mischung der verschiedenen<br />

Bodenmaterialien widerspiegeln, wurden zusätzlich<br />

auch die reinen Materialien unabhängig von einer<br />

vorgegebenen Bodenauflösung gemessen. So können aus<br />

den Mischspektren die Mischungsverhältnisse bestimmt<br />

werden. Die Skalierungsebenen des Experiments sollen<br />

zeigen, ob die entwickelten Modelle zur Bestimmung verschiedener<br />

Bodenparameter bei Fernerkundungsdaten unterschiedlicher<br />

Bodenauflösung anwendbar sind.<br />

Klassifizierung der Fruchtartenverteilung aus Fernerkundungsdaten<br />

Die Landnutzung im Einzugsgebiet eines Gewässers spielt<br />

eine wesentliche Rolle bei der Modellierung der Gewässergüte<br />

in Flusseinzugsgebieten im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie,<br />

insbesondere bei der Erfassung der<br />

chemischen Qualitätsparameter. Im Haveleinzugsgebiet<br />

stammen die wichtigsten diffusen Nährstoffeinträge aus<br />

der Landwirtschaft. Sie nimmt im Gebiet große Flächenanteile<br />

ein. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer<br />

Analyse der Landnutzung in großer räumlicher Differen-<br />

Abb. 1.73: Photosynthetisch aktive Vegetationsbedeckung berechnet auf Basis des NDVI (Normalised Difference Vegetation<br />

Index) aus hyperspektralen HyMap-Daten.<br />

Photosynthetic vegetation cover determined on the basis of NDVI from hyperspectral HyMap data.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

207


208<br />

Abb. 1.74: Bestimmung des Bodeneisengehalts; a) Untersuchungsgebiete in Cabo de Gata-Nijar Naturpark (HyMap<br />

Daten vom 11.07.2003, Echtfarbendarstellung), b) Bodenprobenentnahmepunkte, c) Laboranalyse der Bodenproben,<br />

d) Spektren der Bodenproben A und G mit gekennzeichnetem Flächenmerkmal (pos. und neg.), das für die Korrelation<br />

genutzt wird, e) vorläufige Bodeneisenkarte.<br />

Determination of the soil iron content: a) Test site in Cabo de Gata-Nijar Natural Parc (HyMap data from 11.07.2003,<br />

real color composite), b) soil sampling points, c) Laboratory analysis of the soil samples, d) Spectra of soil sample A<br />

and G with indicated area feature (pos. and neg.) that is used for the correlation, e) preliminary soil iron map.<br />

ziertheit und hoher zeitlicher Auflösung. Die Fernerkundung<br />

hat mit der wiederholten zeitlichen Abbildung großer<br />

Landschaftsausschnitte in hoher räumlicher Auflösung<br />

beträchtliche Potentiale zur Lösung dieser Aufgabe.<br />

Jede Verwendung von Fernerkundungsdaten und der Einsatz<br />

von Fernerkundungsmethoden ist an einen bestimmten<br />

Arbeitsalgorithmus geknüpft. Dabei spielt das Erstellen<br />

einer Klassifikationsvorschrift zur Bildclusterung eine<br />

zentrale Rolle. In der Regel ist diese gegenwärtig nicht<br />

nur an einen Klassifizierungsalgorithmus gebunden, sondern<br />

in hohem Maß auch an den verwendeten Datensatz.<br />

Die Übertragung eines einmal erstellten Klassifikators auf<br />

andere Datensätze scheitert fast immer an der Charakteristik<br />

der ursprünglich verwendeten Daten. Bei Fruchtartenklassifikationen<br />

in der Landwirtschaft ist das entscheidende<br />

Hindernis die ungenügende Objektivität der<br />

Klassen bezüglich des phänologischen Zustands der in den<br />

verwendeten Aufnahmen abgebildeten Pflanzenbestände.<br />

Während dieser Effekt in kleinräumigen Betrachtungen<br />

keine Rolle spielt (Witterung) oder durch die Verwendung<br />

von mehreren Beispielsflächen unterschiedlicher Bodenausstattung<br />

ausgeglichen wird, führt die von veränderten<br />

Boden- und Witterungsbedingungen modifizierte spektrale<br />

Charakteristik der Kultur in anderen Anbaugebieten<br />

als dem Erstellungsraum zu Fehlklassifizierungen.<br />

Dieses Problem stellt den Ansatzpunkt für die jetzt entwickelte<br />

Methode dar. Es wurde mit multitemporalen Daten<br />

ein universeller, übertragungsfähiger Klassifikator erstellt,<br />

der den Monitoringcharakter des multitemporalen Ansatzes<br />

verstärken wird. Grundidee für diesen Klassifikator ist<br />

die Erstellung spektraler Normkurven der Pflanzenentwicklung<br />

von Kulturen (Abb. 1.76). Steht eine große<br />

Anzahl von Satellitenszenen zur Verfügung, die das gleiche<br />

Gebiet über einen langen Zeitraum zu verschiedenen<br />

Phasen der phänologischen Entwicklung abbildet, erlaubt<br />

dies anhand der Anbauinformation von Beispielbetrieben<br />

die Analyse des Spektralverhaltens von Ackerkulturen in<br />

jedem phänologischen Zustand. Die so gewonnenen<br />

Wachstumskurven verknüpfen jeden phänologischen<br />

Zustand im Lauf des Wachstums- und Reifeprozesses mit<br />

der für diesen Zustand typischen Spektralinformation. Sie<br />

erlauben eine Klassifikation von Ackerkulturen unabhängig<br />

von der sonst üblichen Abgrenzung von Beispielsflächen<br />

im zu klassifizierenden Satellitenbild.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.75: Skalierungsexperiment: a) schematische Skizze des Experiments, b) Lage der drei Untersuchungsgebiete in<br />

der Umgebung von Almeria, c) El Cautivo: Zur Messung der Spektren aus 2,50 m Höhe wurde eine Leiter genutzt<br />

(~ 100 cm Bodenauflösung GSD, Foto: <strong>GFZ</strong>).<br />

Upscaling experiment: a) schematic scheme of the experiment, b) location of the three investigation area in vicinity of<br />

Almeria, c) a ladder is used to acquire spectra from 2.5 m height (~ 100 cm GSD).<br />

Routinemäßig werden Fernerkundungsdaten hinsichtlich<br />

ihrer spektralen, radiometrischen und geometrischen Auflösung<br />

korrigiert. Die das eigentliche Potential der Daten<br />

bestimmende zeitliche Auflösung bleibt jedoch in der<br />

Regel unbeachtet. Witterungsbedingte Bewertungen werden<br />

meist in die Interpretation verlagert. Dieses Manko<br />

wird in dem hier entwickelten Ansatz behoben und witterungsspezifische<br />

Korrekturen in die Datenaufbereitung<br />

integriert. Schon vor der Klassifizierung muss der eigentliche<br />

Aufnahmezeitpunkt der zu klassifizierenden Daten<br />

– unter Hinzuziehung agrarmeteorologischer Informatio-<br />

nen sowie von Kenntnissen über die Abläufe der Normjahre<br />

der Phänologie für die einzelnen Kulturen – in das<br />

jeweils kulturspezifische phänologische Normjahr eingepasst<br />

werden. Aus den Normkurven der Kulturen werden<br />

die dem abgebildeten phänologischen Zustand entsprechenden<br />

Spektraleigenschaften der Kultur entnommen<br />

und damit ohne Hinzuziehung von zusätzlichen Testflächen<br />

aus dem Bild die Anbausituation klassifiziert.<br />

Ein Beispiel für die auf diesem Weg erreichte Zuordnungsgenauigkeit<br />

der Früchte im Vergleich zu den tatsächlich<br />

angebauten zeigt die Abb. 1.77<br />

für 1995. In diesem Jahr stehen vier Aufnahmetermine<br />

zur Klassifizierung zur<br />

Verfügung, die auch in ihrer zeitlichen<br />

Abb. 1.76: Aus Anbauinformationen von<br />

Beispielbetrieben und Satellitendaten<br />

gewonnene Spektralinformation für Winterweizen<br />

und daraus abgeleitete Normkurve<br />

der phänologischen Entwicklung<br />

der Kultur.<br />

Spectral information of winter wheat,<br />

acquired from satellite images based on<br />

cultivation information of typical agrarian<br />

companies, and standard curve of phenological<br />

development of this crop type.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

209


210<br />

Abb. 1.77: Vergleich der Klassenzuweisung und der Anbaudaten für die Ackerflächen der Agrargenossenschaft Hohennauen<br />

im Jahr 1995.<br />

Comparison of classification result and cultivation information of agrarian company Hohennauen in 1995.<br />

Verteilung günstig liegen. Deshalb entsprechen fast alle<br />

Flächen in ihrer Zuordnung der Realität. Die Anzahl der<br />

Szenen pro Jahr für den auszuwertenden Zeitraum von<br />

1994 bis 2000 schwankt allerdings zwischen zwei (1998)<br />

und fünf (1996). Es sind also oft zu wenige und in Bezug<br />

auf die Aufnahmezeitpunkte oftmals Szenen mit redundanter<br />

Information. Demzufolge müssen die Ergebniserwartungen<br />

für die einzelnen Jahre unterschiedlich ausfallen.<br />

Die Trennung in Dauer-, Winter- und Sommerkulturen<br />

führt meist zu guten Ergebnissen, lediglich Zwischenfrüchte<br />

erzeugen Fehlzuweisungen. Fehler treten auch bei<br />

der Trennung von einigen Winter- und Sommerkulturen<br />

untereinander auf. Die Ähnlichkeit der je nach Bildkombination<br />

im Jahr nutzbaren Spektralinformation lässt sich<br />

als Problem an der Trennbarkeit von Zuckerrüben, Mais<br />

und Kartoffeln erkennen. Um diese Trennung zu erreichen,<br />

wäre ein Bild von Ende September notwendig, wenn<br />

der Erntebeginn die bis dahin gleiche Entwicklung der drei<br />

Kulturen beendet. Diese notwendige Bedingung wird in<br />

den meisten betrachteten Jahren nicht erfüllt. Für Winterfrüchte<br />

treten ähnliche Probleme in anderen Jahren auf,<br />

insbesondere in Jahren, in denen Trockenheit im Mai und<br />

Juni zu einer vorschnellen Abreifung des Wintergetreides<br />

auf sandigen Böden führt.<br />

Das Verfahren stellt einen wesentlichen Fortschritt zum<br />

bisherigen Vorgehen auf Trainingsflächenbasis dar. Es ist<br />

zumindest im Havelgebiet immer wieder ohne weitere<br />

Kenntnis von Anbauinformationen anwendbar, lediglich<br />

die exakte phänologische Datierung der dann verwendeten<br />

Aufnahmen ist erforderlich. Gegenüber der normalerweise<br />

in die Modellierungen eingehenden Zufallsverteilung<br />

von Kulturen oder Gleichbesetzung aller Flächen<br />

mit einer Kultur erlaubt die im Ergebnis dieser Klassifizierung<br />

entstehende realitätsnahe Raum- und Zeitverteilung<br />

der Kulturen eine erheblich exaktere Bilanzierung<br />

von Stoffströmen. Für andere Gebiete mit abweichenden<br />

Niederschlags- und Bodenbedingungen ist die Anpassung<br />

der phänologischen Datierung der Kurven erforderlich,<br />

wobei die Kurvenform weiter verwendbar sein sollte.<br />

Die Einbeziehung von Fuzzyinformationen wie den<br />

Zusammenhang von Bodengüte und Frucht (Anbaueignung<br />

eines Bodens für eine Frucht), die Wasserverfügbarkeit<br />

am Standort (in Abhängigkeit von Speicherver-<br />

mögen des Bodens, Grundwasseranschluss und Niederschlag)<br />

und die Summe der Niederschläge bis zum Aufnahmezeitpunkt<br />

(Trockenheitsindikator) in die Klassifizierung<br />

erscheint sinnvoll. Als optimal zur Trennung<br />

aller Kulturen hat sich im Ergebnis der Untersuchungen<br />

die Bildkombination „Anfang/Mitte April – Mitte<br />

Mai – Anfang Juli – Mitte August – Mitte September“<br />

erwiesen.<br />

Urbane Räume<br />

Die Berücksichtigung ökologischer Belange bei stadtplanerischen<br />

Bauvorhaben und Planungen gewinnt zunehmend<br />

an Bedeutung. Das Erfassen der dazu notwendigen<br />

aktuellen Datengrundlagen ist mit einem hohen Zeit- und<br />

Kostenaufwand verbunden. Daher nimmt die Entwicklung<br />

neuer automatischer Erfassungsmethoden einen<br />

hohen Stellenwert ein. Am <strong>GFZ</strong> Potsdam werden derzeit<br />

Konzepte zur Nutzung hyperspektraler Flugzeugscannerdaten<br />

für die Modellierung städtischer Biotope entwickelt,<br />

mit dem Ziel, flächendeckend und automatisch die Art und<br />

Verteilung sowie den Zustand städtischer Biotope in verschiedenen<br />

Testgebieten (Dresden, Potsdam und Berlin)<br />

zu erfassen und quantitativ zu beschreiben. Da Biotope<br />

eine definierte Mischung aus unterschiedlichen Einzelelementen,<br />

wie Häuser, Parks und Straßen darstellen, ist<br />

die materialspezifische Identifikation von städtischen<br />

Oberflächenmaterialien eine wesentliche Voraussetzung.<br />

Die Materialdiagnostik ist auf Basis der Hyperspektraltechnik<br />

möglich. Die Ergebnisse wurden bereits in einem<br />

vorangegangenen <strong>Zweijahresbericht</strong> vorgestellt und diskutiert.<br />

Die Materialdiagnostik stellt den arbeits- und zeitintensivsten<br />

Teil der Prozessierungskette dar. Dazu müssen alle<br />

spektralen Varianten der im Bild vorkommenden Materialien<br />

(Endmember) definiert werden. Problematisch<br />

erweist sich hierbei, dass in urbanen Gebieten aufgrund<br />

von Alterungsprozessen, unterschiedlichen Dachformen<br />

und Beleuchtungsverhältnissen eine sehr hohe Anzahl an<br />

spektralen Variationen existiert. Abb. 1.78 zeigt einige<br />

Variationen für das Material Dachziegel. Dennoch wurde<br />

der Versuch unternommen, diesen Prozessierungsschritt<br />

weitgehend zu automatisieren.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 1.78: Spektrale Varianten von Dachziegeln bedingt<br />

durch Alter und Beleuchtung.<br />

Spectral variations of tiles due to illumination and age.<br />

Grundlage bilden Hyperspektraldaten des flugzeuggetragenen<br />

HyMap-Sensors. Auf der Basis von sechs unterschiedlichen<br />

Bildszenen wurden mehrere zehntausend<br />

Beispielspektren gewonnen, die einen repräsentativen<br />

Querschnitt der spektralen Variationen von 43 verschiedenen<br />

urbanen Oberflächenmaterialien darstellen. Zur<br />

Identifizierung ist es zunächst notwenig, repräsentative<br />

Merkmale für die einzelnen Materialklassen zu definieren.<br />

Da dies von Hand kaum noch zu bewerkstelligen ist,<br />

werden die Spektren einer neu entwickelten computergestützten<br />

Analyse unterzogen. Dazu werden für jedes Einzelspektrum<br />

etwa 130.000 Merkmale (Formparameter)<br />

bestimmt, die eventuell zur Differenzierung der Klassen<br />

sinnvoll sind. Jedes Merkmal wird anschließend einzeln<br />

bewertet in wie weit es zwei Klassen trennt, wobei die<br />

besten zehn pro Merkmalstyp vermerkt werden. Gesucht<br />

Abb. 1.79: HyMap-Bildszene (Dresden) und automatisch identifizierte Dachmaterialien.<br />

HyMap image (Dresden) and automatically identified roof materials.<br />

werden jedoch die Merkmale, die eine optimale Trennung<br />

aller Materialien erlauben. Dazu werden in einer abschließenden<br />

Optimierung die 1.000 besten Merkmale bestimmt.<br />

Mit Hilfe eines ebenfalls neu entwickelten Klassifizierungssystems,<br />

dass die Verwendung einer unbegrenzten<br />

Merkmalsanzahl erlaubt, werden die verschiedenen Materialien<br />

in einem Bild identifiziert. Da Mischpixel eine<br />

spektrale Verwechslung durchaus noch möglich machen,<br />

werden die identifizierten Objekte einer räumlichen<br />

Formbewertung unterzogen.<br />

Abb. 1.79 zeigt das Ergebnis der automatischen Identifizierung<br />

verschiedener Dachmaterialien am Beispiel der<br />

Stadt Dresden. Eine abschließende spektrale Clusteranalyse<br />

der extrahierten Objektpixel liefert letztendlich die<br />

für die weitere Datenprozessierung notwendigen repräsentativen<br />

Endmember in Form der Clusterschwerpunkte.<br />

Mit diesem neuen Ansatz lassen sich nach ersten Tests<br />

mehr als 80 % der im Bild vorkommenden bedeutenden<br />

Endmember automatisch bestimmen. Mit dem Einsatz<br />

von Thermaldaten (ARES-Sensor) und der Integration von<br />

3D-Stadtmodellen sollen die Ergebnisse in Zukunft weiter<br />

verbessert werden.<br />

EnMAP – Environmental Monitoring and Analysis Program<br />

Der technische Fortschritt gestattet es heute, optische<br />

Satelliten mit einer großen Anzahl von Spektralkanälen<br />

zu realisieren. Diese so genannten „Hyperspektralsensoren“<br />

stehen für eine neue Ära in der satellitengestützten<br />

Erdbeobachtung und liefern ortsaufgelöste Signaturen der<br />

Erdoberfläche vom sichtbaren bis zum infraroten Spektralbereich.<br />

So lassen sich bisher unzugängliche Ökosys-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

211


212<br />

temparameter und biophysikalische, biochemische und<br />

geochemische Variablen regelmäßig und mit hoher Genauigkeit<br />

bestimmen. Aufbauend auf diesen Datensätzen werden<br />

qualitativ hochwertige Datenprodukte zur Erstellung<br />

verbesserter Modelle und zum erweiterten Verständnis<br />

weltweiter biosphärischer und geosphärischer Prozesse<br />

gewonnen und in operativen Dienstleistungen angeboten.<br />

2003 erging vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />

(DLR) der Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen<br />

für eine nationale Satellitenmission in der Erderkundung.<br />

Von den neun eingereichten Missionsvorschlägen wurden<br />

der Hyperspektralsatellit EnMAP (Environmental Map-<br />

Abb. 1.80: Der Hyperspektralsatellit EnMAP (Quelle:<br />

Kayser-Threde GmbH).<br />

Hyperspectral Imager EnMAP – Environmental Mapping<br />

and Analysis Program.<br />

ping and Analysis Program, Abb. 1.80) und das SAR-Interferometer<br />

TanDEM-X (TerraSAR Add-on for Digital Elevation<br />

Measurements) ausgewählt. Unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung des <strong>GFZ</strong> Potsdam, mit Unterstützung<br />

der industriellen Partner Kayser-Threde, der GAF AG und<br />

VISTA, wurde eine Machbarkeitsstudie (Phase A) für<br />

EnMAP durchgeführt, deren Ergebnisse international evaluiert<br />

worden sind. In Kürze soll nun entschieden werden,<br />

welche nationale Erdbeobachtungsmission nach Terra-<br />

SAR-X ausgewählt wird.<br />

Die definierten Sensorparameter, insbesondere die spektrale<br />

Auslegung, basieren auf den Anforderungen verschiedener<br />

Nutzergruppen. Sie sind durch eine Reihe aufwändiger<br />

Simulationsrechnungen ermittelt worden, mit<br />

dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Systems bzw. die<br />

gegenseitig abhängigen Sensorparameter im Rahmen der<br />

technischen Machbarkeit zu optimieren. Dazu wurde ein<br />

Simulationswerkzeug geschaffen, mit dessen Hilfe verschiedene<br />

Sensoreinstellungen anwendungsorientiert analysiert<br />

und bewertet werden können.<br />

In einem ersten Schritt wurden dazu Feldspektren mit<br />

Hilfe eines Atmosphärenmodells in Strahldichtewerte<br />

transformiert. Als Eingabe dienten verschiedene Gasparameter<br />

sowie die Koordinaten des Sensors im Verhältnis<br />

zur Erdoberfläche. Anschließend wurden die Spektren mit<br />

sensorspezifischen Responsefunktionen gefiltert, wobei<br />

Position und Breite der Spektralbänder variierten. Die<br />

Abb. 1.81: Vergleich des Informationsgewinns bei kontinuierlich spektraler Aufzeichnung (hyperspektral) gegenüber<br />

der Datenaufzeichnung mit wenigen spektralen Bändern (multispektral).<br />

Comparison of information return using contiguous bands (hyperspectral) versus the detection based on few distinct<br />

bands (multispectral).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


endgültigen Simulationsspektren ergaben sich nach einer<br />

weiteren Faltung mit unterschiedlichen, vordefinierten<br />

Signal-Rauschverhältnissen (SNR). Zur optimalen Auslegung<br />

der Detektoren wurden dabei Spektren von Mineralen,<br />

die typischerweise auf der Erdoberfläche auftreten,<br />

wie auch Spektren von Pigmenten und Wasserinhaltsstoffen<br />

verwendet und deren Trennbarkeit über einen automatischen<br />

Klassifizierungsansatz ermittelt.<br />

Die Parameter von EnMAP sind so ausgelegt, dass die von<br />

der Erdoberfläche reflektierte Strahlung vom Sichtbaren<br />

bis Kurzwelligen Infrarot (420 nm bis 2.450 nm) mit einer<br />

spektralen Auflösung von 10 nm und einem hohem Signal/Rausch-Verhältnis<br />

in über 200 Spektralkanälen aufgezeichnet<br />

wird (Abb. 1.81). Bei einer Bodenauflösung<br />

von 30 m x 30 m Pixelgröße wird die Streifenbreite eines<br />

Bildes 30 km betragen. Der Bordspeicher des Instruments<br />

erlaubt die kontinuierliche Aufnahme von 1.000 km Bildlänge<br />

und die Aufzeichnung von 5.000 km/Tag. Durch die<br />

seitliche Schwenkbarkeit des Satelliten von ±30° kann<br />

jedes Bodenelement im Rhythmus von vier Tagen abgetastet<br />

werden. Damit wird EnMAP der erste Satellitensensor<br />

sein, der global diagnostische Daten für unterschiedliche<br />

Bereiche wie die Geosphäre (Abb. 1.82) und<br />

die Biosphäre zur Verfügung stellt.<br />

Abb. 1.82: Mineralidentifikation und Kartierung direkt<br />

aus Hyperspektraldaten.<br />

Mineral identification and mapping based on hyperspectral<br />

data.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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214<br />

<strong>GFZ</strong>-Wissenschaftlerin vor dem Seismogramm des Nias-Bebens vom 29. März <strong>2005</strong>. Mit einer Magnitude von M W = 8,7<br />

war es das bisher schwerste Folgebeben des Sumatra-Tsunamibebens vom Dezember <strong>2004</strong> (Foto: Matzerath, ddp).<br />

<strong>GFZ</strong> scientist explaining the seismogram of the Nias earthquake of March 29, <strong>2005</strong>. With a magnitude of M W = 8.7,<br />

this was the strongest follow-up event of the Sumatra tsunami quake of December <strong>2004</strong>.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Department 2<br />

Physik der Erde<br />

Die Brennpunkte der Forschungsarbeiten im Department 2<br />

„Physik der Erde“ sind geodynamische Prozesse und ihre<br />

Bedeutung für die Entwicklung des Systems Erde. Zu diesen<br />

Prozessen gehören u. a. die Entstehung von aktiven<br />

und passiven Kontinentalrändern, die Bildung großer<br />

Scherzonen, Mantel-Plumes, Hotspot-Aktivitäten und Vulkanismus,<br />

Gebirgsbildung und Erdbeben sowie Veränderungen<br />

im Magnetfeld der Erde. In enger Verbindung mit<br />

anderen Disziplinen entwickelt und setzt das Department 2<br />

geophysikalische Methoden ein, um einerseits solche Prozesse<br />

hochauflösend abzubilden, andererseits ihre Einwirkungen<br />

auf den menschlichen Lebensraum im Hinblick<br />

auf deren wachsende Vulnerabilität zu analysieren.<br />

Da geodynamische Prozesse nicht isoliert existieren, sondern<br />

in enger Wechselwirkung mit anderen Prozessen stehen,<br />

z. T. im Erdinneren, im Ozean, in der Atmosphäre, in<br />

der Ionosphäre und/oder auch im anthropogenen Bereich,<br />

ist deren integrative Bearbeitung mit intensiver Kooperation<br />

über die Sektionsgrenzen hinweg eine zentrale Aufgabe.<br />

Das Department hat daher seit vielen Jahren an großen<br />

interdisziplinären Gemeinschaftsprojekten teil. Zu<br />

diesen gehört u. a. das Department übergreifende Satellitenprojekt<br />

CHAMP, in dem die Sektion 2.3 für die Messung<br />

des Magnetfeldes und dessen Modellierung verantwortlich<br />

ist, das vom <strong>GFZ</strong> Potsdam geleitete und <strong>2004</strong><br />

abgeschlossene Projekt „Deutsches Forschungsnetz Naturkatastrophen“<br />

(DFNK) und das im September 2002<br />

gemeinsam vom <strong>GFZ</strong> Potsdam und der Universität Karlsruhe<br />

eingerichtete „Center for Disaster Management and<br />

Risk Reduction Technology“ (CEDIM), in dem sechs Sektionen<br />

des GeoForschungsZentrums gemeinsam das Ziel<br />

verfolgen, Risiken durch Naturgefahren und vom Menschen<br />

verursachte Gefahren besser zu verstehen, sie früher<br />

zu erkennen und die Folgen von Katastrophen besser<br />

zu beherrschen.<br />

Ereignisse wie die Tsunami-Katastrophe vom Dezember<br />

<strong>2004</strong> im Indischen Ozean, der Hurrikan Katrina oder<br />

das Erdbeben in Pakistan/Indien <strong>2005</strong> haben erneut vor<br />

Augen geführt, dass die Begrenzung und Reduzierung von<br />

Naturrisiken zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen<br />

unserer Zeit gehören. Im Falle der Tsunami-<br />

Katastrophe haben das <strong>GFZ</strong> Potsdam und ein Konsortium<br />

weiterer deutscher Forschungseinrichtungen sehr schnell<br />

reagiert und bereits Anfang Januar <strong>2005</strong> der Bundesregierung<br />

ein Konzept zum Aufbau eines Frühwarnsystems<br />

vorgelegt. Ziel ist die Implementierung eines wirksamen<br />

Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean, das<br />

später auf den Mittelmeerraum und den Atlantik ausgedehnt<br />

werden kann. Das Tsunami-Frühwarnsystem ist Teil<br />

eines Early-Warning-Systems, das auch andere Naturkatastrophen<br />

wie z. B. Erdbeben und Vulkanausbrüche erfassen<br />

soll.<br />

Auch der inzwischen abgeschlossene SFB Anden gehört<br />

zu den großen Gemeinschaftsprojekten, an denen das<br />

Department maßgeblich beteiligt war. Hier stand eine<br />

prominente Subduktion ozeanischer unter kontinentaler<br />

Lithosphäre auf dem Prüfstein. Dem Department 2 ist es<br />

in diesem Rahmen u. a. gelungen, die Kombination aktiver<br />

Seismik mit passiver Seismik und Magnetotellurik zu<br />

einem Instrument der hochauflösenden Tiefensondierung<br />

zu entwickeln, das wegen seiner Effektivität in Zukunft<br />

mehr und mehr eingesetzt werden wird. Die besondere<br />

Effektivität dieses Instruments leitet sich ab aus dem<br />

Zusammenwirken neuer hochauflösender seismischer<br />

Verfahren mit der in der Sektion 2.4 weiterentwickelten<br />

„Receiver-Function“-Methode und einem Sondierungsverfahren,<br />

das zur Seismik komplementäre Informationen<br />

liefert, nämlich die elektrische Leitfähigkeit.<br />

Die Sektionen<br />

Zentrales Anliegen der Sektion 2.1 ist es, die im Zusammenhang<br />

mit Erdbeben- und Vulkankatastrophen stehenden<br />

Wirkungsketten vom jeweiligen Extremereignis bis<br />

hin zur Wirkung auf den Menschen und seine Infrastruktur<br />

umfassend zu analysieren und daraus verbesserte Möglichkeiten<br />

der Katastrophenminderung abzuleiten. Gemeinsam<br />

mit der Sektion 1.4 wurde beispielsweise nach<br />

dem verheerenden Erdbeben vom 26.12.2003 in Bam, im<br />

Südosten Irans, mit der D-InSAR-Messtechnik (Differential-Interferometric-Synthetic-Aperture-Radar)<br />

und der<br />

kontinuierlichen GPS-Messtechnik (Global Positioning<br />

System) die durch das Erdbeben verursachte Krustendeformation<br />

im Detail analysiert. Daraus abgeleitete Bodenverschiebungsdaten<br />

konnten wichtige Information über<br />

die Herdparameter des Bebens liefern.<br />

Forschungsschwerpunkte in der Sektion 2.2 sind das Studium<br />

tektonischer und geodynamischer Prozesse mit seismischen/seismologischen<br />

Methoden sowie deren integrative<br />

Interpretation und Modellierung. Ein wichtiger Aspekt<br />

ist hierbei, durch ein entsprechendes Experiment-Design<br />

Strukturen und Prozesse von plattentektonischen Skalenlängen<br />

bis in den Zehner-Meterbereich aufzulösen. Dabei<br />

stehen Prozesse an aktiven und passiven Plattengrenzen,<br />

große Scherzonen, sowie Plumes und Hotspots im Vordergrund.<br />

Die Arbeiten in der Sektion 2.3 sind auf zwei Ziele ausgerichtet:<br />

(1) auf geologisch orientierte methodische Entwicklungen<br />

zur Abbildung von vertikalen Scherzonen der<br />

Lithosphäre. Hierbei kommt es vor allem auf die Bestimmung<br />

der Tiefenerstreckung, der Geometrie und der „Füllung“<br />

dieser Scherzonen an. Als Methode wird in diesem<br />

Zusammenhang die elektromagnetische Tiefensondierung<br />

weiterentwickelt und (2) auf das Magnetfeld der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

215


216<br />

Erde, seine räumliche und zeitliche Änderung, seine Aufteilung<br />

in das Haupt- oder Kernfeld, das Krustenfeld und<br />

seine externen Anteile aus der Ionosphäre und Magnetosphäre.<br />

Dies sind Forschungsgegenstände sowohl der geomagnetischen<br />

Observatorien Niemegk und Wingst als<br />

auch der kontinuierlichen Messungen des <strong>GFZ</strong>-Satelliten<br />

CHAMP.<br />

In der Sektion 2.4 werden aus Erdbebenregistrierungen<br />

Informationen über den Erdbebenherd und Strukturen im<br />

Erdinneren erhalten. Dazu werden ein globales Netz moderner<br />

Erdbebenstationen (GEOFON) betrieben und zusätzlich<br />

temporäre passive (d. h. natürliche Erdbeben aufzeichnende)<br />

Experimente mit den Stationen des <strong>GFZ</strong><br />

Gerätepools durchgeführt. Im Datenarchiv von GEOFON<br />

stehen alle Originaldaten der permanenten Stationen im<br />

Internet zur Verfügung. Ebenso werden die Originaldaten<br />

der temporären Experimente im Internet<br />

nach der Auswertung der Öffentlichkeit<br />

angeboten.<br />

Ein allen Sektionen des Departments gemeinsames<br />

Ziel ist es, den Erdbeben-<br />

Deformationsprozess im Detail zu untersuchen.<br />

Thematisch stehen dabei die geophysikalische<br />

Abbildung von Scherzonen,<br />

detaillierte Untersuchungen des Erdbeben-Herdvorgangs<br />

sowie die Mechanismen<br />

und Auswirkungen des Spannungstransfers<br />

in der Lithosphäre im<br />

Vordergrund.<br />

Task Force für Erdbeben<br />

Am frühen Morgen des 05.12.<strong>2004</strong> gegen<br />

2:52 Uhr Ortszeit erschütterte ein Erdbeben<br />

der Stärke M L = 5,4 Baden-Württemberg,<br />

das Elsass und die Nordschweiz.<br />

Der Landeserdbebendienst Baden-Württemberg<br />

(LED) am Landesamt für Geologie,<br />

Rohstoffe und Bergbau Baden-<br />

Württemberg (LGRB) ermittelte das<br />

Hypozentrum bei Waldkirch (48° 05´ N,<br />

8° 02' E) in einer Teufe von ca. 10 km<br />

(Abb. 2.1). Menschen kamen nicht zu<br />

Schaden, Gebäudeschäden waren nach<br />

Brüstle (pers. Mitt. <strong>2005</strong>) wegen der vorwiegend<br />

festen geologischen Untergrundbedingungen<br />

(Granite, Gneise, Buntsandstein),<br />

der gediegenen Bauweise im<br />

Schwarzwald (Abb. 2.2) und des hochfrequenten<br />

Charakters des Bebens meist<br />

nur gering. Es war das stärkste Beben in<br />

Baden-Württemberg seit dem 80 km entfernten<br />

Albstadt-Erdbeben (M L = 5,7) auf<br />

der Schwäbischen Alb am 03. 09. 1978<br />

(Scherbaum & Stoll, 1983).<br />

Als Herdmechanismus ergibt sich nach<br />

Stammler & Klinge (2006) eine Blattverschiebung<br />

mit schwachem Abschiebungs-<br />

anteil. Ob die Elztalstörung oder eine etwa senkrecht dazu<br />

verlaufende Querstörung (Franzke et al., 2003) das Beben<br />

verursachte, wird sich nach der weitergehenden Analyse<br />

der Nachbeben erweisen.<br />

Entsprechend einer vertraglichen Regelung zwischen dem<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam und dem LGRB wurde unmittelbar nach<br />

dem Beben das seismische Stationsnetz des LED durch<br />

12 kurzperiodische Stationen der Deutschen Task Force<br />

(TF) für Erdbeben im Zeitraum vom 06.12.<strong>2004</strong> bis<br />

14.01.<strong>2005</strong> lokal verdichtet. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften<br />

und Rohstoffe ergänzte dieses Netz durch<br />

zwei Breitbandstationen (Abb. 2.3) im gleichen Zeitraum.<br />

Die von der TF registrierten Daten wurden dem LED zur<br />

Auswertung zur Verfügung gestellt. Insgesamt sind viele<br />

hundert Nachbeben registriert worden, davon sind 160<br />

seismologisch auswertbar (M L > 0,5). Für spezielle Ana-<br />

Abb. 2.1: Tektonische Karte, abgeleitet aus Fernerkundungsdaten mit dem<br />

Beben vom 5. Dezember <strong>2004</strong>. Die Herdflächenlösung von Stammler & Klinge<br />

(2006) zeigt eine Blattverschiebung als Herdmechanismus.<br />

Tectonic map derived from optical remote sensing data, the epicentre of the<br />

<strong>2004</strong> Waldkirch-earthquake. The fault-plane solution given by Stammler &<br />

Klinge (2006) shows that the focal mechanism is of strike-slip type.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.2: Temporäre Station Disselhof in einem typischen Bauernhof im<br />

Schwarzwald (Foto: <strong>GFZ</strong> Grosser).<br />

Temporary station Disselhof, a typical farm house in the Black Forest region.<br />

lysen im Rahmen einer Diplomarbeit zum Waldkirch-<br />

Beben und seinen Nachbeben sind 80 Ereignisse ausgewählt<br />

worden (Brüstle, pers. Mitt. 2006). Ein Teil des<br />

Datensatzes ging an das Geophysikalische Institut der<br />

Universität Stuttgart und dient nach Joswig (pers. Mitt.<br />

<strong>2005</strong>) zum Test von Verfahren und Programmen zur Ereignisidentifikation.<br />

Zeitabhängige Krustendeformation nach starken<br />

Erdbeben<br />

Während der letzten Jahre hat die Modellierungsgruppe<br />

der Sektion 2.1 einen neuen Ansatz zur numerischen<br />

Bearbeitung von ko- und postseismischer Deformation<br />

entwickelt. Wang (1999) stellte die grundlegenden Strukturen<br />

der Methodik zu stabiler und effizienter<br />

numerischer Verarbeitung der<br />

Greenschen Funktionen im mehrschichtigen<br />

Halbraum dar. Wangs Ansatz ist<br />

später zur Lösung elastischer (Wang et<br />

al., 2003), poroelastischer (Wang and<br />

Kümpel, 2003) und viskoelastischer<br />

(Wang et al., 2006) Probleme verwendet<br />

worden. Außerdem wurde in zwei jüngeren<br />

Veröffentlichungen (Wang, <strong>2005</strong>a,<br />

<strong>2005</strong>b) ein neuer konsistenter Ansatz<br />

Abb. 2.3: Lokales seismisches Netz zur<br />

Registrierung der Nachbeben des Waldkirch-Erdbebens<br />

installiert vom GeoForschungsZentrum<br />

Potsdam, dem Landesamt<br />

für Geologie, Rohstoffe und Bergbau<br />

Baden-Württemberg und der Bundesanstalt<br />

für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

Hannover.<br />

Local seismic network for the registration<br />

of the aftershocks of the Waldkirch-earthquake.<br />

It was installed by the GeoForschungsZentrum<br />

Potsdam, the Landesamt<br />

für Geologie, Rohstoffe und Bergbau<br />

Baden-Württemberg, and the Federal<br />

Institute for Geosciences and Natural<br />

Resources in Hannover.<br />

vorgestellt, der gravitative Effekte mit<br />

der Approximation einer flachen Erde<br />

einbezieht.<br />

Den Programmen zur Kalkulation koseismischer<br />

Deformationen einer mehrschichtigen<br />

elastischen Kruste EDGRN/<br />

EDCMP, veröffentlicht im Jahr 2003 und<br />

innerhalb der internationalen wissenschaftlichen<br />

Gemeinschaft breit genutzt<br />

(z. B. Fialko et al., <strong>2005</strong>; Hearn & Bürgmann,<br />

<strong>2005</strong>), folgte PSGRN/PSCMP<br />

(Wang et al., 2006), ein sehr leistungsfähiges<br />

Werkzeug zur Kalkulation ko- und<br />

postseismischer Deformation in einem<br />

mehrschichtigen viskoelastisch-gravitativen<br />

Halbraum. Es bietet eine Kombination<br />

von Schnelligkeit, Genauigkeit und<br />

Flexibilität, die von kaum einem anderen Programm<br />

erreicht wird.<br />

In mehreren Projekten wurden die neu entwickelten Programme<br />

auf Deformationsdaten angewandt. Eine Studie<br />

untersucht die Evolution des Coulomb-Spannungsfeldes<br />

entlang der Nordanatolischen Verwerfungszone (NAV).<br />

Dazu wurden die Effekte von zehn Erdbeben mit einer<br />

Magnitude Ms > 6,5, die dort im Zeitraum von 1939 bis<br />

heute stattfanden (Lorenzo-Martín et al., 2006b) betrachtet.<br />

Die Auslösung dieser Ereignisse durch Spannungsübertragung<br />

wurden mit einem optimierten Verfahren<br />

geprüft: Es wurde eine Erdbebenserie (kumulative Triggerung)<br />

anstelle von einzelnen Ereignispaaren betrachtet,<br />

ein horizontal geschichtetes Medium benutzt und vor<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

217


218<br />

allem die zeitabhängigen Effekte viskoelastischer Spannungsumlagerung<br />

mit einbezogen. Die gegenwärtige<br />

Situation ist in Abb. 2.4a dargestellt. Der größte Teil der<br />

Region weist hohe Spannungswerte auf. Die lokale Seismizität<br />

(M > 2) zwischen 0 und 17 km Tiefe (KOERI,<br />

<strong>2005</strong>) entspricht in großen Bereichen der berechneten<br />

Coulomb-Spannungsänderung, d. h. die hohe Aktivität<br />

korreliert mit Gebieten hoher Spannung (0,3 MPa) westlich<br />

des 1999er-I . zmit-Bruchs und ist im allgemeinen größer<br />

in Gebieten mit Spannungen > 0,1 MPa. Der Effekt<br />

regionaler tektonischer Spannungen (Abb. 2.4b, für zehn<br />

Jahre) ist gering gegenüber dem Effekt von Spannungsänderungen<br />

durch postseismische Spannungsumlagerung.<br />

(Abb. 2.4c und d). Unsere Ergebnisse demonstrieren,<br />

dass die gegenwärtige Spannungsverteilung in der<br />

Marmara-Region nicht durch tektonische Aufladung, sondern<br />

durch viskoelastische Spannungsumlagerung dominiert<br />

wird.<br />

Die Möglichkeit der Triggerung des Düzce- durch das<br />

I . zmit-Beben durch Spannungsumlagerung wurde ebenfalls<br />

untersucht. Im Allgemeinen wird eine positive Coulomb-Spannung<br />

als Kriterium zur Auslösung angesehen.<br />

Da die Herdflächenlösungen beider Ereignisse sehr ver-<br />

schieden sind, wurde eine 3D-Analyse der Spannungsverhältnisse<br />

auf der Bruchfläche des Düzce-Bebens erstellt.<br />

Dazu wurden die Herdparameter des I . zmit-Bebens variiert:<br />

die räumliche Lage um ±5 km, der Herdmechanismus<br />

um ±10°. Es zeigte sich, dass die Größe des Bereichs positiver<br />

Coulomb-Spannung nur in etwa 50 % der 729 Modelle<br />

einen nennenswerten Anteil der Bruchfläche erfasst.<br />

Das heißt, dass zum einen unter diesen komplizierten Verhältnissen<br />

eine 3D-Analyse mit der Tensor-Transformation<br />

der Spannungen unerlässlich ist, dass zum anderen<br />

die Auslösung des Düzce-Bebens durch das Izmit-Beben<br />

nicht sicher ist und dass im Umkehrschluss eine solche<br />

Analyse genutzt werden kann, um die Herdparameter<br />

eines Bebens stärker einzugrenzen.<br />

Erdbebengefährdung in Städten<br />

Die Abschätzung der möglichen Bodenbewegung im Falle<br />

eines Erdbebens ist besonders für dicht besiedelte Gegenden<br />

(Megastädte) von enormer Wichtigkeit. Dabei hängt<br />

die maximal zu erwartende Bodenbewegung nicht nur von<br />

der Stärke des Bebens, sondern auch von den Untergrundbedingungen<br />

entlang des Laufwegs der Erdbebenwellen<br />

ab. Besonders aufmerksam sollten die Untergrund-<br />

Abb. 2.4: Änderung der Coulombspannung in 10 km Tiefe auf optimal orientierten Verwerfungsflächen (Farbskala, 10 MPa<br />

uni-axiale Kompression, N120° E orientiertes regionales Spannungsfeld) und auf gegebenen Verwerfungen (gefüllte Kreise).<br />

Das gesamte Spannungsfeld ist in (a) dargestellt; (b) zeigt die Änderung der Coulombspannung durch stetige zehnjährige<br />

tektonische Aufladung; (c) und (d) zeigen den kumulativen Effekt viscoelastischer Spannungsumlagerung gegenwärtig<br />

und im Jahr 2010. Das westliche Ende der 1999 I . zmit Erdbeben wird durch eine Doppellinie dargestellt. Kleine<br />

Kreise in (a) stellen die lokale M > 2 Seismizität von 2000 bis <strong>2004</strong> zwischen 0 und 17 km Tiefe dar. Grüne Vierecke zeigen<br />

die seismische Stationen des Kandilli Observatory and Earthquake Research Institute (KOERI).<br />

Coulomb stress change at 10 km depth on optimally oriented fault planes (colour field, 10 MPa uniaxial compression,<br />

N120° E oriented regional stress field), and on given faults (filled circles). The total stress field is displayed in (a); (b)<br />

shows the change in Coulomb stresses due to 10 years of steady tectonic loading; (c) and (d) show the cumulative effect<br />

of viscoelastic relaxation, for the present time and in 2010, respectively. The double line displays the western end of<br />

the 1999 I . zmit rupture. Small white dots in (a) show the local M ≥ 2 seismicity for the period 2000-<strong>2004</strong> at depths between<br />

0 and 17 km. Green squares display the location of the Kandilli Observatory and Earthquake Research Institute<br />

(KOERI) seismic stations.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


strukturen im direkten Umfeld des Gebietes daraufhin<br />

untersucht werden, ob Erdbebenwellen möglicherweise<br />

verstärkt werden und wenn ja, in welchen Frequenzbereichen.<br />

Falls die Eigenfrequenzen von Gebäuden in diese<br />

Bereiche fallen, muss mit größeren Schäden gerechnet<br />

werden.<br />

Abb. 2.5: Scherwellengeschwindigkeitsverlauf mit der<br />

Tiefe in der Nähe von Pulheim (Deutschland). Aus einer<br />

Vielzahl von möglichen Modellen (dünne graue Linien)<br />

findet die Inversionsmethode das Modell (gestrichelt), das<br />

an beide Ausgangsdaten (oben rechts: Dispersionskurve;<br />

darunter: HVSRN) gleich gut angepasst werden kann (gepunktete<br />

Linien in den beiden Teilbildern; der graue Bereich<br />

gibt die Streuung der Messdaten wieder). Zusätzlich<br />

werden gezeigt: Messergebnisse nach Budny, 1984 (dünne<br />

schwarze Linie); frühere Ergebnisse nach Parolai et al.,<br />

2006b (dicke graue Linie), wobei nur die Dispersionskurve<br />

invertiert wurde, was zu einer größeren Unsicherheit<br />

in der Gesamtmächtigkeit der Sedimente führte. Oben<br />

rechts: Dispersionskurve der Fundamentalschwingung<br />

(grau).<br />

Shear wave velocity-depth profile close to Pulheim (Germany).<br />

From a multitude of models (thin grey lines) the<br />

inversion method finds the one (dashed) best fitting both<br />

data sets (top inset: dispersion curve, below: HVSRN;<br />

dotted lines are related to the best-fitting model, grey area<br />

reflects the standard deviation). In addition are shown:<br />

data after Budny, 1984 (thin dark line); previous inversion<br />

results after Parolai et al., 2006b (thick grey line),<br />

in which only the dispersion curve was used leading to<br />

larger uncertainties in the estimate of the total thickness<br />

of the sediments. Top right: Fundamental mode dispersion<br />

curve.<br />

Unser Augenmerk liegt in der Verbesserung bzw. Entwicklung<br />

von Analysemethoden zur Abschätzung solcher<br />

Standorteffekte. Im Rahmen verschiedener Projekte (z. B.<br />

Deutsches Forschungsnetz Naturkatastrophen, DFNK:<br />

Parolai et al. <strong>2005</strong>a, Richwalski et al., 2006, Fäcke et al.,<br />

2006) haben wir diese Methoden erfolgreich angewendet<br />

und führen nun die Arbeiten weiter (z. B. CEDIM: Megacity<br />

Istanbul; INGV-DPC<strong>2004</strong>-2006: Potenza, Italien).<br />

Die von uns bevorzugte Analysemethode beruht auf dem<br />

spektralen Verhältnis der horizontalen zu vertikalen Fourierspektren,<br />

die aus Erdbebendaten (HVSRE, Horizontal-to-Vertical<br />

Spectral Ratio Earthquake) oder dem seismischen<br />

Hintergrundrauschen (HVSRN, Horizontal-to-<br />

Vertical Spectral Ratio Noise) berechnet werden. Da die<br />

theoretischen Grundlagen dieser Methode noch debattiert<br />

werden, sind empirische und numerische Studien von<br />

großer Wichtigkeit. Die Auswertung von Nachbeben des<br />

Izmit-Bebens von 1999 zeigte zum Beispiel, dass HVSRE<br />

die Bodenverstärkung bei Frequenzen oberhalb der Fundamentalfrequenz<br />

des Bodens unterschätzt (Parolai et al.,<br />

<strong>2004</strong>a). Wir konnten mit Modellrechnungen zeigen, dass<br />

dies dem Einfluss von Wellen zuzuschreiben ist, die an der<br />

Grenzfläche zwischen Festgestein und Lockersedimenten<br />

konvertiert werden (Parolai und Richwalski, <strong>2004</strong>).<br />

Darüber hinaus haben wir Standards festgelegt, wie die<br />

Größe zur Beschreibung der Dämpfung der Bodenbewegung<br />

durch Lockersedimente (k-Faktor) mit größerer Genauigkeit<br />

bestimmt werden kann (Parolai und Bindi,<br />

<strong>2004</strong>). Je nach Begrenztheit des untersuchten Frequenzbandes<br />

und der Lage der Eigenresonanzen der Sedimente<br />

wird k nämlich über- oder unterschätzt, was dann zu<br />

fehlerhaften Vorhersagen der maximalen Bodenbeschleunigung<br />

führen kann.<br />

Durch die Entwicklung eines innovativen Inversionsverfahrens<br />

können wir nun mit Hilfe sogenannter Microarrays<br />

(8 bis 12 Seismometer verteilt im Zielgebiet) den Verlauf<br />

der Scherwellengeschwindigkeit mit der Tiefe bestimmen<br />

(Parolai et al., <strong>2005</strong>b; Picozzi et al., <strong>2005</strong>). Als Ausgangsdatenmaterial<br />

dient das Hintergrundrauschen, das<br />

aus dispersiven Oberfächenwellen besteht. Durch gleichzeitige<br />

Inversion der Dispersionskurve, die auch den Einfluss<br />

höherer Moden enthält, und der HVSRN-Kurve<br />

erhält man ein Profil wie in Abb. 2.5 gezeigt. Benötigt man<br />

Informationen aus einem größeren Gebiet und liegen<br />

bestimmte Daten bereits vor, z. B. eine Schätzung der<br />

Gesamtmächtigkeit der Sedimente, kann sogar das in<br />

Abb. 2.6 gezeigte 3D-Geschwindigkeitsfeld aus Einzelmessungen<br />

abgeleitet werden. Diese Daten bilden außerdem<br />

die Grundlage für eine 3D Finite Differenzen Modellierung<br />

der möglichen Bodenbewegung im Falle eines<br />

Bebens.<br />

Zurzeit wird die Erdbebengefährdung in Istanbul (Türkei),<br />

Köln, Potenza und Gubbio (Italien) untersucht – Gebiete,<br />

die sich durch dichte Besiedlung auszeichnen, bzw. wegen<br />

Vorarbeiten als Testgebiete ideal sind. Für die Nordwest-<br />

Türkei konnte mit Hilfe von Nachbebendaten des Izmit-<br />

Bebens von 1999 die Dämpfungseigenschaft der Kruste<br />

untersucht werden (Bindi et al., 2006a; 2006b). Abb. 2.7<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

219


220<br />

Abb. 2.6: 3D-Modell der Scherwellengeschwindigkeit für den Raum Köln<br />

und den Erftsprung.<br />

3D model of shear wave velocity for the area of Cologne and the Erft fault<br />

system.<br />

zeigt, dass die Kruste Zonen höherer und niedrigerer<br />

Dämpfung aufweist, deren Größe und Lage frequenzabhängig<br />

ist. In Istanbul selbst wurden bereits an über<br />

30 Standorten des Rapid Response Systems Messungen<br />

des Hintergrundrauschens durchgeführt, in Kooperation<br />

mit dem Kandilli Observatorium und der Bogazici Universität.<br />

Diese Messungen werden zur Charakterisierung<br />

der Standorteffekte an den Stationen dienen und sollen auf<br />

das gesamte Beschleunigungsmessnetz der Stadt ausgeweitet<br />

werden. Ebenso wurden Microarray-Messungen<br />

Abb. 2.7: Räumliche Verteilung der Dämpfung in der West-Türkei.<br />

Spatial distribution of attenuation in western Turkey.<br />

(Abb. 2.8) durchgeführt. In verschiedenen<br />

Tiefen werden Beschleunigungsaufnehmer<br />

installiert, die helfen sollen,<br />

nicht-lineare Effekte beim Durchlauf der<br />

Erdbebenwellen zu entdecken und auszuwerten.<br />

Die weitere Auswertung der im Rahmen<br />

des DFNK gewonnen Daten für den Raum<br />

Köln führte zu einer Validierung der<br />

HVSRN mit Hilfe von Erdbebendaten<br />

(Parolai et al., <strong>2004</strong>b). Dadurch ist es nun<br />

möglich, diese Ergebnisse innovativ in die<br />

probabilistische Gefährdungsanalyse einfließen<br />

zu lassen (Parolai et al., 2006a).<br />

Die Stadt Potenza (Italien) ist ein weiterer<br />

Forschungsschwerpunkt. Dort wird<br />

ein temporäres seismisches Netzwerk<br />

installiert und das Hintergrundrauschen<br />

(auch innerhalb von Gebäuden) in<br />

Kooperation mit der Universität Basilicata gemessen.<br />

Mikroarray-Messungen und Messungen in einem Bohrloch<br />

ergänzen die gewonnenen Daten zur Mikrozonierung.<br />

Gubbio (Italien) zeichnet sich durch Sedimente aus,<br />

die die Schwingungsdauer der Erdbebenwellen bei<br />

bestimmten Frequenzen extrem verlängern. Es wurde<br />

bereits ein seismisches Netzwerk installiert (Pacor et al.,<br />

2006), ergänzt durch Messungen des Hintergrundrauschens<br />

mit Mikroarrays. Die Arbeiten werden in Kooperation<br />

mit verschiedenen italienischen Universitäten und<br />

dem Instituto Nazionale di Geofisica e<br />

Vulcanologia (INGV) durchgeführt.<br />

Erdbeben und Geothermalfelder<br />

Fluide spielen bei der Entstehung von<br />

Erdbeben eine wichtige Rolle. Es gibt<br />

viele Modelle, aber nur wenige Feldbeobachtungen.<br />

In verschiedenen Gebieten<br />

(Landers, Marmara-Gebiet, verschiedene<br />

Schwarmbebengebiete) wurde eine auffällige<br />

Korrelation zwischen Erdbeben-Clustern<br />

und der Lage von Geothermalfeldern<br />

beobachtet. Durch gezielte Experimente an<br />

solchen Beben-Clustern soll untersucht<br />

werden, ob es einen physikalischen Zusammenhang<br />

zwischen räumlichen und zeitlichen<br />

Variationen der Porendruckverteilung<br />

in den Geothermalfeldern und der<br />

Mikroseismizität gibt. Hierzu sollen zur<br />

Charakterisierung der Erdbeben-Cluster<br />

jeweils temporäre seismische Netze installiert<br />

werden. Zeitgleich soll versucht werden,<br />

den Druck in dem dazugehörigen Geothermalsystem<br />

zu überwachen.<br />

Geothermalsystem Bursa, Türkei<br />

Erste Testmessungen wurden im Zeitraum<br />

November 2003 bis April <strong>2004</strong> an dem<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.8: Microarray-Messungen in Istanbul (Foto: <strong>GFZ</strong><br />

Parolai).<br />

Micro array measurements in Istanbul.<br />

Geothermalsystem Bursa durchgeführt. An einem 400 m<br />

und einem 700 m tiefen Bohrloch wurden jeweils Drucksensoren<br />

am Bohrkopf installiert (Abb. 2.9). Die Druckregistrierungen<br />

in der 700 m Bohrung sind von regelmäßigen<br />

Einbrüchen des Kopfdruckes von 8 auf 4 bar gekennzeichnet.<br />

Da diese jedoch nur tagsüber und nicht an Wochenenden<br />

auftraten, wurde das Signal als ein Hinweis auf einen<br />

bislang unbekannten Nutzer des Thermalwassers interpretiert.<br />

Die 400 m tiefe Bohrung erwies sich – obwohl mitten<br />

in einer Millionenstadt gelegen – als die Lokation mit dem<br />

besten Signal-Rausch-Verhältnis aller in den letzten Jahren<br />

untersuchten Thermalquellen. Die außerordentlich hohe<br />

Datenqualität wird auch durch die Existenz der selten in<br />

Grundwasserzeitreihen nachzuweisenden Erdgezeitenbänder<br />

Q 1 und N 2 dokumentiert (siehe Abb. 2.10).<br />

Geothermalsystem Armutlu-Halbinsel,<br />

Türkei<br />

Derzeit wird ein Experiment zur simultanen<br />

Erfassung der Mikroseismizität und<br />

des Fluiddrucks in Geothermalsystemen<br />

auf der Armutlu-Halbinsel (südlich von<br />

Istanbul) durchgeführt (Abb. 2.11). Dieses<br />

Gebiet ist wesentlich durch drei Merkmale<br />

gekennzeichnet: 1. Das westliche<br />

Ende der Bruchfläche des 1999er Izmit-<br />

Bebens befindet sich wahrscheinlich<br />

nahe Yalova (Delouis et al. 2002; Cakir<br />

et al., 2003). Dort gab es bereits vor diesem<br />

Beben ein deutliches Beben-Cluster,<br />

welches während der Nachbebenzeit noch<br />

stärker ausgeprägt war und auch gegenwärtig<br />

noch aktiv ist (Baris et al., 2002;<br />

Karabulut et al., 2002). 2. In unmittelbarer<br />

Nähe befindet sich das seit der Antike<br />

genutzte Thermalfeld Yalova Termal<br />

südwestlich von Yalova (Abb. 2.12). Neben<br />

Blattverschiebungen gibt es in dieser<br />

Region auch Erdbeben mit Abschiebungscharakter<br />

(Bohnhof u. a. 2006), was auch<br />

durch Geländebefunde bestätigt wurde<br />

Abb. 2.9: Fluid-Druck-Messung am Bohrkopf einer 700 m<br />

tiefen Geothermiebohrung im Stadtgebiet von Bursa, NW<br />

Türkei. Der Relativdruck beträgt ca. 8 bar (Foto: <strong>GFZ</strong><br />

Woith).<br />

Fluid-pressure-monitoring at the well-head of a 700 m<br />

deep borehole in the city of Bursa, NW Turkey. The wellhead<br />

pressure is about 8 bar.<br />

(Eisenlohr, 1995). 3. Das Bruchsystem ist in<br />

diesem Gebiet geprägt durch die Aufspaltung der<br />

Nord-Anatolischen Verwerfung (NAV) in mindestens<br />

drei Hauptzweige, einem nördlichen Zweig, der südlich<br />

vorbei an den Prinzen-Inseln und Istanbul in die<br />

Ganos-Verwerfung mündet, einen mittleren Zweig, der<br />

die Halbinsel Armutlu vom Golf von Izmit trennt und<br />

durch die Dardanellen verlängert wird und einem<br />

südlichen Zweig, der Iznik-Mekecze-Verwerfung, die<br />

nahe Akyazi von der NAV abzweigt, das südliche Ufer<br />

des Iznik-Sees tangiert und in den Golf von Gemlik<br />

mündet.<br />

Abb. 2.10: Erdgezeiten (man beachte insbesondere die Gezeitenbänder Q 1<br />

und N 2) in den Druckregistrierungen am Bohrkopf einer 400 m tiefen Bohrung<br />

in Bursa. Dieser natürliche Spannungssensor ist extrem empfindlich<br />

und sollte daher gut geeignet sein, tektonisch induzierte Spannungsänderungen<br />

zu erkennen.<br />

Earth tides (note the tidal bands Q 1 and N 2) in the fluid pressure monitored<br />

at the well-head of a 400 m deep borehole in Bursa qualify the site as extremely<br />

sensitive to detect tectonically induced strain changes.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

221


222<br />

Abb. 2.11: Armutlu-Halbinsel mit Blick nach Norden auf<br />

das Marmarameer. Die rote Linie zeigt das westliche<br />

Bruchende des 1999er Izmit-Erdbebens (Foto: <strong>GFZ</strong><br />

Grosser).<br />

Armutlu peninsula (view to the north). The red line<br />

depicts the westernmost end of the 1999 Izmit earthquake<br />

rupture.<br />

Diese drei Hauptstörungen sind die Ursache vergangener<br />

wie zukünftiger Erdbeben, die Istanbul bedrohen. Neben<br />

dem Thermalfeld Yalova gibt es in diesem Gebiet noch<br />

warme/heiße Quellen bei Armutlu, Gemlik, Keramet am<br />

Iznik-See, Orhangazi und Soguzak (Eisenlohr, 1995; Woith<br />

et al., 2000) mit Austrittstemperaturen zwischen 25 bis<br />

75 °C. Wegen der Existenz von Pull-Apart-Becken in der<br />

Marmara-See, im Golf von Izmit und Gemlik aber auch<br />

östlich davon und den relativ heißen Thermalquellen muss<br />

eine Dehnungstektonik postuliert werden. Diese Hypothese<br />

soll durch GPS-Wiederholungsmessungen an einem<br />

Teil der 1999 von Bürgmann et al. (2002) besetzten GPS-<br />

Punkte beginnend im Jahr 2006 überprüft werden.<br />

Im Zeitraum September/November <strong>2005</strong> wurde ein temporäres<br />

seismisches Netz (12 kurzperiodische Seismo-<br />

Abb. 2.12: Quellfassung der Hauptquelle von Yalova Termal<br />

(Foto: <strong>GFZ</strong> Woith). Die Wassertemperatur liegt bei ca.<br />

62 °C und wird zusammen mit dem Wasserstand kontinuierlich<br />

erfasst.<br />

Main spring of the Yalova termal area (photo: <strong>GFZ</strong> Woith).<br />

Water temperature (ca. 62 °C) and water level are monitored<br />

continuously.<br />

meter des <strong>GFZ</strong> und 10 Breitbandseismometer der Kocaeli-Universität)<br />

auf der Armutlu-Halbinsel, am südlichen<br />

Ufer des Golfes von Gemlik und nördlich des Golfes von<br />

Izmit installiert (Abb. 2.13). Einige seismologische Stationen<br />

des Kandilli Observatoriums der Bosporus Universität<br />

Istanbul sind integriert. Das Land-Seismometer-<br />

Netz wird durch 10 Ozeanboden-Seismometer (OBS)<br />

seit Mitte November <strong>2005</strong> ergänzt. Dieses OBS-Netz<br />

schließt an japanischen OBS-Registrierungen an, die im<br />

Jahre 2000 südlich von Istanbul gemacht worden sind<br />

(Sato et al. <strong>2004</strong>) und soll zunächst für zwei Monate<br />

registrieren. Mit dem jetzt installierten Netz kann die<br />

Mikroseismizität auf den genannten Verwerfungen bzw.<br />

in den Erdbeben-Clustern präziser als bisher möglich<br />

bestimmt werden. Darüber hinaus kann der Anteil der<br />

seismisch aktiven Normalverwerfungen, Riedelbrüche<br />

und Blockrotationen in diesem durch<br />

große Blattverschiebungen geprägten<br />

Gebiet ermittelt werden. An den Thermalfeldern<br />

Armutlu, Gemlik und Yalova<br />

wurden Druck- und Temperatursensoren<br />

angebracht. Die tektonischen Ergebnisse<br />

von Eisenlohr (1995) sollen durch<br />

Analysen von Fernerkundungsdaten erweitert<br />

und präzisiert werden (Wetzel,<br />

pers. Mitt. <strong>2005</strong>).<br />

Abb. 2.13: Temporäres seismisches und<br />

hydrogeologisches Netzwerk auf der<br />

Armutlu-Halbinsel und angrenzender<br />

Gebiete. Dreiecke zeigen permanente<br />

seismische Stationen; blaue Kreise die<br />

Lage von Thermalquellen.<br />

Temporary seismic and hydrogeological<br />

network installed on the Armutlu peninsula<br />

and adjacent areas. Triangles depict<br />

permanent seismic stations; blue circles<br />

show thermal springs.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Vulkanismus und Erdbeben<br />

Einer mittlerweile allgemein akzeptierten Theorie zufolge<br />

bewirken Erdbeben eine Umlagerung der Spannungen in<br />

der Kruste und können somit weitere Erdbeben fördern<br />

bzw. verhindern. Obwohl zahlreiche Fachbereiche der Erdbebenforschung<br />

durch diese Theorie der Spannungs-Umlagerung<br />

regelrecht revolutioniert wurden, sind derartige<br />

Prozesse in der Vulkanologie noch neu und weitgehend<br />

unerforscht.<br />

Die Hinweise mehren sich jedoch, dass auch Vulkane über<br />

ähnliche Prozesse mit Erdbeben kommunizieren. Beispielsweise<br />

ereigneten sich die plinianischen Eruptionen<br />

des Santa Maria in Guatemala sowie des Mt. Pelée auf<br />

Martinique im Jahre 1902 nur kurz nach mehreren Erdbeben<br />

der Magnitude M > 8 in Mittelamerika (Abb. 2.14).<br />

Einen Monat nach dem großen Erdbeben von 1907 in<br />

Japan mit geschätzter Magnitude M = 8,2 eruptierte der<br />

Mount Fiji. Eruptionen am Vesuv in Italien korrelieren<br />

zeitlich mit Erdbeben im südlichen Apennin. Die Eruption<br />

des Ätna (Italien) 2002/2003 war ein komplexes Wechselspiel<br />

von Erdbeben, aseismischen Störungsversätzen<br />

und Eruptionen. Auch nach den großen Erdbeben an der<br />

Sumatra-Andaman-Subduktionszone (M = 9,3 am 26.12.<br />

<strong>2004</strong> und M = 8,7 am 28.03.<strong>2005</strong>) lebten einige Vulkane<br />

erneut auf. So eruptierte beispielsweise der Talang Vulkan<br />

am 12.04.<strong>2005</strong>, und Barren Island am 28.05.<strong>2005</strong>. Ein<br />

Erdbebencluster deutet möglicherweise auf eine weitere<br />

Eruption Ende Januar an einem submarinen Vulkan bei<br />

den Nicobaren (8° N, 94° E) hin. Die gewaltige Eruption<br />

am Pinatubo in Indonesien folgte einem M = 7,7 Erdbe-<br />

Abb.2.14:Auf mehrere starke Erdbeben folgten besonders<br />

explosive vulkanische Aktivitäten. Das Foto zeigt die Stadt<br />

St. Pierre auf der Karibikinsel Martinique, die infolge der<br />

1902er-Eruption zerstört wurde. Von 20.000 Einwohnern<br />

überlebten nur zwei (aus: Heilprin 1908, The eruption of<br />

Mt. Pelee).<br />

A number of large earthquakes were followed by highly<br />

explosive volcanic activity. This photo shows the city of St.<br />

Pierre on Martinique, completely destroyed by the 1902<br />

eruption. Only 2 out of 20 000 inhabitants survived.<br />

ben an der nahegelegenen Luzon Verwerfung, und die<br />

Doppeleruption von Karymsky und Akademia Nauk im<br />

südlichen Kamtschatka folgte nur drei Tage nach einem<br />

M = 7,1 Erdbeben ca. 20 km entfernt. In Chile zeigten Vulkane,<br />

die man bis dahin als inaktiv glaubte, eine deutliche<br />

Aktivität als Reaktion auf Subduktionserdbeben.<br />

Da in einigen Beispielen Vulkaneruptionen größeren Erdbeben<br />

folgen, und anderswo Erdbeben Vulkaneruptionen<br />

folgen, scheint die Interaktion zwischen Vulkanen und<br />

Erdbeben beidseitig zu wirken. So ereigneten sich in<br />

Island die beiden letzten großen M > 6 Erdbeben (17.06.<br />

und 21.06.2000) kurz nach der Hekla-Eruption (28.02.<br />

2000). Die Analyse der Kataloge für Erdbeben und Vulkaneruptionen<br />

bestätigte vielfach, dass die zeitliche Korrelation<br />

zwischen Vulkanen und tektonischen Erdbeben<br />

statistisch von Bedeutung sind.<br />

Laborvulkane auf Hawaii<br />

Voruntersuchungen fanden in internationaler Kooperation<br />

mit den Universitäten Miami und Stanford (USA) an den<br />

Laborvulkanen Hawaiis statt und zeigen nicht nur eine<br />

Kopplung zwischen Erdbeben und Eruptionen, sondern<br />

auch eine direkte Korrelation zwischen der Spannungsänderung<br />

infolge eines Erdbebens und der Richtung späterer<br />

Eruptionen und Intrusionen. Die voluminösesten<br />

Eruptionsphasen wurden nach großen Erdbeben verzeichnet,<br />

wie beispielsweise nach dem M = 7,9 Pahala Erdbeben<br />

von 1868, oder dem M = 7,5 Kalapana Erdbeben von<br />

1975. Für Hawaii lassen diese Spannungsuntersuchungen<br />

detaillierte Prognosen zu, wo nach welchem Erdbeben eine<br />

Eruption wahrscheinlich ist und umgekehrt (Abb. 2.15).<br />

Sind diese Erkenntnisse und Mechanismen auf andere Vulkane<br />

übertragbar und im Rahmen der Gefahrenabschätzung<br />

anzuwenden?<br />

Die zentralen Fragen, wie und welche Spannungsumlagerungen<br />

zu Eruptionen führen, sind noch nicht geklärt.<br />

So ist unklar, ob das Magma infolge kompressiver Spannungen<br />

ausgequetscht wird oder ob die tektonische Dekompression<br />

bewirkt, dass gasreiche Phasen in magmatischen<br />

und hydrothermalen Feldern aufsteigen und zu einer<br />

Druckerhöhung führen. Dynamische Spannungen sind<br />

direkt an die seismischen Wellen (Oberflächenwellen und<br />

Raumwellen) gekoppelt. Beispielsweise wurde nach dem<br />

Magnitude M = 7,4 Landers Erdbeben (Kalifornien, USA)<br />

von 1992 nachgewiesen, dass dynamische Spannungsveränderungen,<br />

die mit den seismischen Wellen selbst<br />

assoziiert waren, sowohl Erdbeben, als auch vulkanische<br />

Aktivität in der Long Valley Caldera triggerten. Die<br />

genaue Wirkungsweise ist jedoch unklar. Möglicherweise<br />

lösen die seismischen Wellen kleine Gasblasen im Magma,<br />

was bei deren Aufstieg einen deutlichen Druckanstieg<br />

erzeugen würde. Statische Spannungsveränderungen durchlaufen<br />

die elastische Kruste in einem Zeitintervall zwischen<br />

kurz vor dem Erdbeben und kurz nach dem Passieren<br />

der seismischen Wellen. Die Spannungsveränderungen<br />

in der elastischen Kruste werden zudem durch eine<br />

langsame, viskose Erholungsphase (Relaxation) von fließfähigen<br />

Materialien beeinflusst. Viskoelastische Eigen-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

223


224<br />

Abb. 2.15: Beispieluntersuchungen für den Mauna Loa Vulkan, Hawaii. Durch Radar-Satellitendaten werden Oberflächendeformationen<br />

gemessen. Diese werden invertiert (hier durch eine Gangintrusion), womit schließlich die Coulomb-Spannungsänderung<br />

berechenbar ist. Die Spannungen werden hauptsächlich an der Vulkan-Südostflanke aufgebaut.<br />

Tatsächlich finden die meisten neuen Beben hier statt.<br />

Case scenario Mauna Loa volcano, Hawaii. Surface deformation is measured by space geodetic measurements. The<br />

deformation signal is inverted and the best fit solution (here: dike intrusion) is used as input parameter in forward<br />

models of Coulomb stress field changes. The predicted stress changes are maximum at the volcano's southeast flank.<br />

Indeed, most new earthquakes occur at the southeast flank.<br />

schaften werden u. a. in der unteren Kruste, im oberen<br />

Mantel, oder in thermisch aufgeheizten Bereichen in Vulkanen<br />

vermutet – Prozesse die in Zukunft gezielt untersucht<br />

werden und im Rahmen einer prognostischen Studie<br />

helfen sollen, Vulkangefahren nach starken Erdbeben<br />

einzuschätzen.<br />

MERAMEX – Geophysikalische Untersuchungen der<br />

Sunda-Subduktionszone in Indonesien<br />

Das interdisziplinäre Verbundprojekt SUNDAARC, das<br />

im Rahmen des BMBF/DFG-Sonderprogramms „Geotechnologien<br />

– Kontinentränder: Brennpunkte im Nutzungs-<br />

Abb. 2.16: Lage des SUNDAARC-Untersuchungsgebietes mit der Sunda-Straße, Zentraljava und den Vulkanen Krakatau,<br />

Merapi und Kelut.<br />

Map of the SUNDAARC investigation area with Sunda Strait, Centraljava and the volcanoes Krakatau, Merapi and Kelut.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


und Gefährdungspotenzial der Erde“ angelegt wurde, verfolgt<br />

das Ziel, den Vulkanismus und seine Einbindung in<br />

den Subduktionsprozess entlang eines Teils des aktiven<br />

Kontinentrandes des Sunda-Inselbogens in Indonesien zu<br />

untersuchen sowie die internen Prozesse und externen<br />

Einflüsse auf die vulkanische Aktivität und seine Beziehungen<br />

zum regionalen Stressfeld besser zu verstehen<br />

(Abb. 2.16).<br />

Partner des SUNDAARC-Projekts auf indonesischer Seite<br />

sind:<br />

• Directorate General of Geology and Mineral Resources<br />

(DGGMR – co-ordination), Jakarta; Directorate<br />

of Volcanology and Geological Hazard Mitigation<br />

(DVGHM, Bandung; Geological Research and Development<br />

Center (GRDC), Bandung;<br />

• Marine Geology Institute (MGI), Bandung; Research<br />

Center of Geotechnology (LIPI), Bandung; Agency for<br />

the Assessment and Application of Technology (BPPT),<br />

Jakarta; Meteorological and Geophysical Agency<br />

(BMG), Jakarta;<br />

• National Coordination Agency for Surveys and Mapping<br />

(BAKOSURTANAL), Cibinong;<br />

• Gadjah Mada University (UGM), Yogyakarta;<br />

• Bandung Institute of Technology (ITB), Bandung;<br />

• University of Diponegoro (UNDIP), Semarang;<br />

• University of Lampung (UNILA); Lampung<br />

• Mines and Energy Services, Serang, Province of Banten.<br />

SUNDAARC unterteilt sich in die Teilprojekte: i) KRAK-<br />

MON (Krakatau-Vulkankomplex Monitoring; BGR); ii)<br />

DEVACOM (Regionale Entwicklung von Hochrisikovulkanen<br />

an aktiven Kontinenträndern; LMU München) und<br />

iii) MERAMEX (Merapi Amphibisches Experiment; <strong>GFZ</strong><br />

(Sekt. 2.1, 2.4), IFM-GEOMAR, Univ. Kiel).<br />

In Subduktionszonen findet ein komplexes Zusammenspiel<br />

von tektonischen Prozessen in Raum und Zeit statt,<br />

die die gesamte Lithosphäre beeinflussen und verändern.<br />

Dabei spielen Fluide und Schmelzen eine entscheidende<br />

Rolle. Eine genauere Kenntnis der Subduktionsprozesse<br />

und des damit verbundenen Vulkanismus im Sundabogen<br />

wird zu einer besseren Gefährdungs- und damit Risikoeinschätzung<br />

von Naturgefahren führen.<br />

Um ein detailliertes Geschwindigkeitsstrukturmodell für<br />

den Unterbau des Merapi zu bekommen, wurde in einem<br />

inzwischen abgeschlossenen Projekt mittels teleseismischer<br />

Erdbebenwellen eine Strukturanalyse des tieferen<br />

Untergrundes bis hinab in den Erdmantel versucht. Die<br />

hierbei eingesetzte Methode der Receiver-Function, basierend<br />

auf der Analyse von P zu S konvertierten Scherwellen,<br />

ließ aufgrund der Kleinräumigkeit des seismischen<br />

Netzwerkes, sowie der geometrischen Einflüsse des<br />

Vulkangebäudes auf Signale mit Frequenzen > 0,2 Hz nur<br />

wenige Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des tieferen<br />

Untergrundes bis hinab zu der unter dem Merapi abtauchenden<br />

Lithosphärenplatte zu und ergaben somit keine<br />

detaillierte Auflösung der Tiefenstruktur.<br />

Das Teilprojekt MERAMEX knüpft an diese Fragestellung<br />

an. Es konzentriert sich auf die Wechselbeziehungen<br />

zwischen den Subduktionszonen-Prozessen und dem<br />

Bogenvulkanismus, wie er etwa anhand des aktiven Stratovulkans<br />

Merapi auf Zentraljava zu beobachten ist. Die<br />

Aktivitäten unterteilen sich in einen „aktiv-seismischen“<br />

Part, bei dem see- und landseitig die Signale eines Luftpulser<br />

Arrays registriert wurden und einen passiven seismologischen<br />

Part. Die Offshore-Aktivitäten wurden im<br />

Rahmen der Fahrten SO176 und SO179 des Forschungsschiffs<br />

SONNE durchgeführt. Im „passiv-seismischen“<br />

Part wurde die regionale seismische Aktivität im Raum<br />

von Zentraljava und den Karimun Jawa Inseln, Java-See,<br />

landseitig mit einem seismischen Netz aus 120 seismischen<br />

Stationen aus dem Gerätepool des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

bzw. von der Universität Kiel über einen Zeitraum von<br />

fünf Monaten erfasst. Parallel registrierten seeseitig 14 OBS/<br />

Abb. 2.17: Seismometer Stationsnetz des MERAMEX Projekts.<br />

Registriert wurde im Zeitraum Mai bis Oktober<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Seismometer station network of the MERAMEX Project.<br />

Running time of the stations was in the time between May<br />

until October <strong>2004</strong>.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

225


226<br />

OBH Geräte vom IFM-GEOMAR. Das temporäre seismologische<br />

Netz (Abb. 2.17) deckte ein Gebiet von<br />

150 km x 200 km ab, bei einem mittleren Stationsabstand<br />

von 20 km (landseitig) und 40 km bis 90 km (seeseitig).<br />

Zurzeit wird die registrierte Seismizität in einem Bebenkatalog<br />

zusammengefasst. Dieser lässt erkennen, dass für<br />

eine tomographische Modellierung mindestens drei bis<br />

vier lokale Beben pro Tag genutzt werden können. Außerdem<br />

stehen eine Anzahl regionaler und teleseismischer<br />

Ereignisse für die Analyse zur Verfügung. Die lokalen<br />

Beben kommen dabei überwiegend aus der Kopplungszone.<br />

Als Besonderheit konnten zwei Beben aus ca.<br />

600 km Tiefe registriert werden.<br />

Ein Hauptmerkmal des Untersuchungsgebietes ist eine<br />

ca. 100 km breite Zone geringer seismischer Aktivität<br />

um 110° Ost, an deren westlichen und östlichen Übergängen<br />

wiederum eine Häufung von Hypozentren zu<br />

beobachten ist. Diese so genannte ‚seismische Lücke‘<br />

korreliert mit einem abrupten Wechsel in den vorderen<br />

Inselbogenstrukturen. Ein durchgehend ausgebildeter<br />

Akkretionskeil bzw. äußeres Hoch und Forearc-Becken,<br />

wie sie weiter westlich vor Sumatra und West-Java zu<br />

erkennen sind, haben sich vor Zentraljava nicht entwickelt.<br />

Markante Anzeichen weisen auf eine Änderung der<br />

Tektonik und einen Übergang von einem akkretionären<br />

(vor West-Java) zu einem nicht-akkretionären/erosiven<br />

System (vor Zentral- und Ostjava) hin. Eines der Ziele<br />

der marinen Untersuchungen der Fahrten SO176 und<br />

SO179 ist die Analyse dieses Übergangs und der damit<br />

einhergehenden tektonischen Mechanismen. Seismische<br />

und tomographische Analysen der neu gewonnenen Erdbeben-<br />

und Refraktionsdaten sollen die Geometrie des<br />

Subduktionssystems modellieren und mögliche Variationen<br />

in der Neigung der abtauchenden Platte aufdecken.<br />

Da die Airgun-Schüsse der Offshore-Refraktionsprofile<br />

gleichzeitig auch von den Landstationen registriert<br />

wurden, soll diese amphibische Studie zu einem<br />

dreidimensionalen Modell der Vorderbogenstruktur und<br />

des Untergrundes unter dem Merapi bis hin zur abtauchenden<br />

Platte führen. Dies wird zu einem besseren<br />

Verständnis der Subduktionsdynamik und möglicher<br />

Zusammenhänge zwischen der Subduktion von ozeanischen<br />

Plateaus, Subduktionserosion und vulkanischen<br />

Prozessen führen.<br />

Das Monitoring der natürlichen Seismizität und deren Verteilung<br />

im Subduktionsbereich erlaubt die dreidimensionale<br />

Auflösung der gesamten Lithosphäre oberhalb der<br />

Benioff-Fläche mit Hilfe tomographischer Verfahren und<br />

damit auch des gesamten Aufstiegspfadbereichs der Fluide<br />

und Schmelzen von ihrer Entstehung beim Austritt aus<br />

Abb. 2.18: Ergebnis der tomographischen Untersuchung für P- und S-Wellen. Für die Analyse wurden mehr als 13.000<br />

P und S Laufzeiten von mehr als 292 Ereignissen verwendet. Die Farbangaben in den Karten und Tiefenschnitten beziehen<br />

sich auf Prozentwerte.<br />

Results of the tomography analysis for P and S waves. In total more than 13 000 P and S arrival times from 292 events<br />

were used for this study. The colours in the maps and cross sections show values in percent.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.19: Modell des Aufstiegs von Fluiden und partiellen Schmelzen von<br />

der abtauchenden Platte in über 100 km Tiefe bis an die Oberfläche. Schwarze<br />

Punkte stellen lokalisierte Erdbeben dar.<br />

Model of ascent of fluids and partial melts coming from the down going slab<br />

beneath 100 km depth up to the surface. Located earthquakes are marked<br />

with black dots.<br />

der abtauchenden ozeanischen Platte bis in die obersten<br />

Krustenstockwerke. Die Methode der Dämpfungstomographie<br />

(Qp), die in den letzten Jahren mit Datensätzen<br />

des SFB 267 aus den zentralen Anden entwickelt worden<br />

ist, eignet sich hervorragend, diese Subduktionsprozesse<br />

dreidimensional abzubilden. Erste vorläufige Analysen<br />

sind sehr viel versprechend. So zeigen die lokalisierten<br />

Beben den Verlauf der Benioff-Zone als ca. 30 km dicke<br />

Doppelschicht im Tiefenbereich von 80 bis 150 km. Die<br />

abtauchende ozeanische Platte verläuft nahezu horizontal<br />

bis zu einer Entfernung von 150 km vom Trench. Zwischen<br />

150 und 250 km Entfernung beträgt der Subduktionswinkel<br />

etwa 45°. Dahinter lässt sich mit ISC-Daten<br />

ein steiles Einfallen nach Norden mit einem Winkel<br />

um 70° für den Bereich bis 600 km Tiefe abschätzen. Erste<br />

laufzeittomographische Untersuchungen (Abb. 2.18)<br />

ergeben eine ausgeprägte Zone erniedrigter Geschwindigkeit<br />

(bis –15 % vom Referenzmodell AK 135) in der<br />

Kruste zwischen dem Merapi und dem Vulkan Lawu an<br />

der Grenze zu Ostjava, die bis in den oberen Mantel reicht.<br />

An seismische Stationen oberhalb dieser anomalen Zone<br />

(MLA) lassen sich insbesondere bei den registrierten<br />

Scherwellensignalen starke Dämpfungseffekte beobachten,<br />

was ein Hinweis sein kann für Fluide bzw. partielle<br />

Schmelzen in diesem Krustenbereich. Die Lage der Anomalie<br />

korreliert sehr gut mit einer negativen Bouguer-<br />

Anomalie in diesem Bereich in der Schwerekarte für Java,<br />

was für ein Dichtedefizit in der Kruste spricht. Die beiden<br />

Vulkane Merapi und Lawu liegen offensichtlich direkt<br />

über dem vorderen Randbereich der tomographischen<br />

Anomalie und nicht über dem Zentralbereich. Dies<br />

ließe sich erklären durch einen massiven Aufstieg von<br />

Fluiden entlang der Grenze zwischen dem rigiden Forearc-Bereich,<br />

der sich durch hohe seismische Geschwindigkeiten<br />

auszeichnet und dem Backarc-Bereich mit<br />

niedrigen Geschwindigkeiten (Abb. 2.19). Mehr Klarheit<br />

wird in Zukunft die Nutzung des umfangreicheren Bebenkataloges<br />

und insbesondere die Anwendung der Methode<br />

der Dämpfungstomographie (Qp), sowie eine gemeinsame<br />

Interpretation aller Teilergebnisse des Projektes ergeben.<br />

Katastrophenvorbeugung in Afghanistan<br />

Naturkatastrophen stellen eine besondere<br />

Bedrohung für Menschen in ärmeren<br />

Regionen der Welt dar und verhindern<br />

oftmals eine gesicherte Entwicklung<br />

in den betroffenen Ländern. Afghanistan,<br />

schon mehrfach durch seine<br />

exponierte geopolitische Lage in der<br />

Vergangenheit von Konflikten betroffen,<br />

ist besonders anfällig für Naturkatastrophen<br />

wie Dürren, Überflutungen,<br />

Hangrutschungen, Sandstürme und insbesondere<br />

Erdbeben, die allein in den<br />

vergangenen 15 Jahren mehr als 9.000<br />

Menschenleben kosteten. Die meisten<br />

Erdbeben finden im Hindukush-Gebirge<br />

im Nord Osten des Landes statt. Erdbeben<br />

der Stärke M = 4 treten fast<br />

wöchentlich auf, Beben der Stärke M = 8 sind historisch<br />

belegt.<br />

Kabul gehört momentan zu den am schnellsten, leider<br />

aber unkontrolliert, wachsenden Großstädten mit einer<br />

geschätzten Bevölkerung von mehr als drei Millionen<br />

Menschen. Gleichzeitig besteht eine hohe seismische<br />

Gefährdung, die aus historischen Erdbeben abgeleitet<br />

werden kann. Neben einer als unsicher einzuschätzenden<br />

traditionellen Bauweise entstehen in der jüngsten Zeit<br />

Hochhäuser, die keiner internationalen Baunorm entsprechen<br />

und deren Standort nicht die lokalen Untergrundbedingungen<br />

berücksichtigt. Ein großer Teil der<br />

Gebäude von Kabul werden in ein Sedimentbecken<br />

gebaut (Abb. 2.20), d. h. bei Starkbeben muss mit erheblichen<br />

Standorteffekten gerechnet werden, wie auch Erdbeben<br />

im Jahr 2002 gezeigt haben. Obwohl das M = 7,4<br />

Nahrin-Erdbeben vom 03.03.2002 ca. 250 km von Kabul<br />

entfernt war und in einer Tiefe von mehr als 200 km stattfand,<br />

starben mindestens 13 Personen in Kabul, was aufgrund<br />

der Entfernung und der Tiefe des Erdbebens nicht<br />

hätte passieren dürfen.<br />

Nach einer Evaluierungs-Mission in 2003 und einer<br />

umfangreichen Bedarfserhebung in enger Absprache mit<br />

afghanischen Instituten wurde von mehreren Einrichtungen<br />

aus Deutschland das Projekt „Disaster Prevention and<br />

Preparedness in Afghanistan“ beim Auswärtigen Amt<br />

beantragt und nach Bewilligung durchgeführt. Projektpartner<br />

waren:<br />

• GeoForschungsZentrum Potsdam: Einschätzung der<br />

Erdbebengefährdung<br />

• Universität Bonn: Geographische Methoden in der<br />

Katastrophenvorbeugung<br />

• Universität Braunschweig: Hydrologie und Klimatologie<br />

• Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

Hannover: Hydrogeologie<br />

• InWEnt Berlin (Internationale Weiterbildung und Entwicklung):<br />

Projektleitung<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

227


228<br />

Abb. 2.20: Kabul ist in einem Sedimentbecken gewachsen,<br />

an dem an machen Orten festes Gestein ansteht. Die Mächtigkeit<br />

der Sedimente kann räumlich stark variieren und<br />

mit lokalen Standorteffekten und Verstärkungen der Bodenbewegung<br />

im Erdbebenfall muss gerechnet werden<br />

(Foto: <strong>GFZ</strong> Milkereit).<br />

Kabul is located inside a sedimentary basin surrounded<br />

by mountains composed by pre-tertiary metamorphic and<br />

sedimentary rocks. The thickness of the sedimentary cover<br />

was estimated to reach hundred of meters but is generally<br />

unknown. Outcroping hard rock indicates the variability<br />

of the sedimentary cover and the morphology of the bedrock<br />

which may cause site effects during an earthquake.<br />

Projektpartner aus Afghanistan waren die Universität<br />

Kabul und das Polytechnische Institut Kabul. Im Rahmen<br />

des Projektes wurde vom <strong>GFZ</strong> und dem CEDIM Institut<br />

der Universität Karlsruhe ein Lehrmodul mit umfangreichen<br />

gedruckten und elektronischen Unterlagen entwickelt,<br />

Vorlesungen und Übungen in Kabul durchgeführt<br />

und Projekte in Kabul zur Mikrozonierung des Kabulbeckens<br />

und zur Seismologie initiiert. Zusätzlich wurden<br />

vier Wissenschaftler aus Kabul zu dem internationalen<br />

Trainingskurs „Seismologie und seismische Gefährdungseinschätzung,<br />

<strong>2004</strong>“ nach Potsdam eingeladen.<br />

Zur Einschätzung der Erdbebengefährdung wurden vier<br />

Kurse entwickelt:<br />

1. Erdbebeninformation aus dem Internet<br />

Im Fall eines Starkbebens in Afghanistan könnte von<br />

afghanischer Seite keine schnelle Aussage über Ort und<br />

Stärke des Erdbebens getroffen werden, da Afghanistan<br />

zurzeit über kein eigenes seismologisches Netz verfügt.<br />

Entsprechende Daten sind aber z. T. im Internet vorhanden<br />

(z. B. GEOFON Webseite des <strong>GFZ</strong>), wo Informationen<br />

über aktuelle Erdbeben bereitstehen oder aber Informationen<br />

über vergangene Erdbeben oder die seismische<br />

Gefährdung (GSHAP Webseite des <strong>GFZ</strong>) abgefragt werden<br />

und in Lehrprogramme der Universitäten integriert<br />

werden können. Das Rechenzentrum der Universität<br />

Kabul ist mit finanzieller Hilfe des DAAD, der TU Berlin<br />

und der NATO (Silkroad project) an das Internet angeschlossen,<br />

im Rahmen unseres Projektes wurde der<br />

Anschluss des Instituts für Geowissenschaften an das<br />

Rechenzentrum über WLAN realisiert, so dass aktuelle<br />

Daten und Informationen den Wissenschaftlern zur Verfügung<br />

stehen.<br />

2. Mikrozonierung<br />

Kabul ist in einem Sedimentbecken aus tertiären-quartären<br />

Ablagerungen gewachsen, das von älteren metamorphen<br />

Gebirgen umgeben ist. Die Mächtigkeit der Sedimente<br />

kann auf einige hundert Meter abgeschätzt werden.<br />

Es konnte ein mobiles seismologisches Gerät für die<br />

instrumentelle Mikrozonierung beschafft werden, das den<br />

Universitäten in Kabul für Lehre und Forschung überlassen<br />

wurde. Erste Messungen der natürlichen seismischen<br />

Bodenunruhe wurden auf dem Gelände der Universität<br />

Kabul durchgeführt und ausgewertet (Abb. 2.21). Die nach<br />

der H/V-Methode bestimmte tiefste Resonanzfrequenz der<br />

Sedimente am Messort und die Größe des spektralen Verhältnisses<br />

der horizontalen und vertikalen Amplitude bilden<br />

wichtige Eckparameter für eine detaillierte Mikrozonierung<br />

von Kabul. In den nächsten Jahren sollen entsprechende<br />

Messungen von afghanischen Wissenschaftlern<br />

im Kabulbecken mit einem Raster von ca. 1 km x 1 km<br />

durchgeführt und in Zusammenarbeit mit dem <strong>GFZ</strong> ausgewertet<br />

werden.<br />

3. Praxis der seismologischen Erdbebenbeobachtung<br />

Die ehemals vorhandene seismologische Station der Universität<br />

Kabul ist in den Kriegswirren vergangener Jahre<br />

zerstört worden. Als Wiederbeginn der Seismologie in<br />

Afghanistan konnte mit Projektgeldern eine seismologische<br />

Breitbandstation beschafft und installiert werden. Die<br />

Station mit der international reservierten Kennung KBU<br />

gehört zum GEOFON Messnetz und ist über die Satellitenverbindung<br />

des Rechenzentrums der Universität Kabul<br />

an das Internet und damit auch an das <strong>GFZ</strong> angeschlossen.<br />

Das Seismometer vom Typ STS2 wurde entgegen<br />

üblicher Praxis aus Sicherheitsüberlegungen nicht an<br />

Abb. 2.21: Die Bestimmung der Grundresonanzfrequenz<br />

der Sedimente auf dem Gelände der Universität Kabul mit<br />

der H/V-Methode nach Nakamura aus Messungen der<br />

natürlichen Bodenunruhe.<br />

Estimation of the fundamental frequency of the sedimentary<br />

cover with the H/V-method following Nakamura, here<br />

for one measurement point of transient noise on the campus<br />

of the Kabul university.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.22: Das Seismometer der Station KBU ist auf dem<br />

Gelände der Kabul Universität installiert. Es befindet sich<br />

in vier Meter Tiefe in einer speziellen Kammer außerhalb<br />

des Instituts für Geowissenschaften. Die Versorgungs- und<br />

Computerleitungen verlaufen unterirdisch zum Datenerfassungsrechner<br />

im Institut. Die Verbindung zum Rechenzentrum<br />

der Universität Kabul wird über eine WLAN<br />

Funkstrecke realisiert, von dort aus erfolgt die Anbindung<br />

an das Internet (Foto: <strong>GFZ</strong> Milkereit).<br />

The seismometer of the station KBU is installed on the<br />

campus area of the Kabul University. In a vault the seismometer<br />

is installed in 4 meter depth in order to protect<br />

it from environmental influence, power supply and computer<br />

lines are beneath the ground. For the connection<br />

with the computing center of the Kabul University a WLAN<br />

connection has been set up.<br />

einem Ort geringer Bodenunruhe außerhalb<br />

der Stadt, sondern auf dem Gelände<br />

der Universität Kabul in der Nähe des<br />

Instituts für Geowissenschaften installiert<br />

(Abb. 2.22). Es befindet sich in vier<br />

Meter Tiefe und ist somit gegen direkte<br />

Noise-Quellen und Umwelteinflüsse<br />

geschützt.<br />

Die erste Bewährungsprobe der eingesetzten<br />

Technik hat die Station bestanden.<br />

In der Nacht vom 12. auf den 13.12.<strong>2005</strong><br />

wurden die Bewohner von Kabul von<br />

einem Erdbeben der Stärke M = 6,4 geweckt<br />

(Abb. 2.23). Die Universität Kabul<br />

konnte aufgrund der eigenen Daten und<br />

zusätzlicher Informationen aus dem<br />

Internet die Medien und das zuständige<br />

Ministerium über den Ort und die Stärke<br />

des Erdbebens informieren. Da die Aussagen<br />

einer seismologischen Auswertung<br />

mit nur einer Station beschränkt sind,<br />

können die Seismologen aus Afghanistan<br />

auf Daten von seismologischen Stationen<br />

in einem weiteren Umkreis zugreifen<br />

(Abb. 2.24). Es wird erwartet, dass mit<br />

diesem virtuellen Messnetz alle Erdbeben<br />

der Stärke M > 4 auf dem Territorium<br />

von Afghanistan erfasst und geortet werden<br />

können. In der Zukunft sollte der Auf-<br />

Abb. 2.23: Seismogramm von der Station Kabul (KBU)<br />

vom 12.12.<strong>2005</strong>.<br />

Seismogram of the station Kabul from 12.12.<strong>2005</strong>. A M 6.4<br />

earthquake happened some 250 km north of Kabul estimated<br />

by the time difference between P- and S-waves.<br />

bau eines regionalen Messnetzes in Afghanistan vorangetrieben<br />

werden, bis dahin kann aber die jetzt vorhandene<br />

Infrastruktur für Forschung und Lehre genutzt werden.<br />

4. Einschätzung der Vulnerabilität<br />

Die Einschätzung der Vulnerabilität erfordert zum einen<br />

Kenntnisse über die seismische Gefährdung und zum<br />

anderen die Bewertung der Gebäude gegenüber einer<br />

Belastung im Erdbebenfall. Den Wissenschaftlern aus<br />

Abb. 2.24: Verteilung der Nachbarstationen der Station KBU, auf die Wissenschaftler<br />

der Universität Kabul im Moment routinemäßig zugreifen können.<br />

Distribution of broadband seismological stations near Afghanistan with<br />

online availability of the data. Stations of the GEOFON network are indicated<br />

as red, stations from other organisations are in white.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

229


230<br />

Afghanistan wurde die Arbeitsweise zur Erfassung der<br />

Vulnerabilität im Rahmen des Projektes vermittelt. Aufgrund<br />

der Sicherheitslage in Kabul wurde während des<br />

Projektes davon Abstand genommen, extensive Begehungen<br />

des Stadtgebietes durchzuführen.<br />

Trainingskurse „Seismologie und seismische Gefährdungseinschätzung“<br />

<strong>2004</strong> und <strong>2005</strong> organisierte das Department 2 wieder<br />

jeweils einen 5-wöchigen Trainingskurs zur Seismologie<br />

und seismischen Gefährdungseinschätzung. Die Kurse<br />

vermitteln sowohl eine theoretische Grundausbildung als<br />

auch praktisches Training, insbesondere für Geowissenschaftler<br />

und Techniker aus Entwicklungsländern. Die<br />

vom <strong>GFZ</strong> Potsdam organisierten und teilfinanzierten Kurse<br />

wurden durch Zuwendungen des Auswärtigen Amtes, des<br />

Büros der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe (OCHA)<br />

in Genf, der UNESCO in Paris, InWEnt Berlin und des<br />

DPPI (Disaster Preparedness and Prevention Initiative) in<br />

Brüssel unterstützt. Weitere Zuwendungen erfolgten für<br />

den Kurs <strong>2005</strong> durch das deutsche Tsunami-Frühwarnsystem,<br />

damit kurzfristig sechs Wissenschaftler aus Indonesien<br />

an dem Kurs teilnehmen konnten.<br />

Normalerweise finden die Kurse abwechselnd in Potsdam,<br />

im darauf folgenden Jahr in einem anderen Land statt. Vor-<br />

gesehen war, den Kurs <strong>2005</strong> in Kirgisien am ZAIAG (Zentralasiatisches<br />

Institut für Angewandte Geowissenschaften)<br />

in Bishkek durchzuführen. Aufgrund der politischen<br />

Veränderungen zu Beginn des Jahres <strong>2005</strong> in Kirgisien<br />

wurde kurzfristig beschlossen, einen zweiten Kurs in Potsdam<br />

folgen zu lassen. Der Kurs in Kirgisien wird jetzt für<br />

2006 geplant.<br />

Beide Trainingskurse in Potsdam umfassten sowohl Einführungsvorlesungen<br />

in die Ursachen und Auswirkungen<br />

von Erdbeben sowie deren systematische Überwachung<br />

und Analyse, als auch umfangreiche praktische Übungen.<br />

Ziel ist die Vermittlung der Arbeitsmethoden für eine verbesserte<br />

Gefährdungseinschätzung in den Ländern der<br />

Teilnehmer. Zum Ende beider Kurse wurde den Teilnehmern<br />

die Möglichkeit zu einem Spezialisierungstraining<br />

eröffnet. Jeweils die Hälfte der Teilnehmer nahm in Potsdam<br />

am Kurs zur Einschätzung der lokalen Erdbebengefährdung<br />

(Mikrozonierung), bzw. in Erlangen am Kurs<br />

zum Betrieb seismischer Stationsnetze und deren routinemäßige<br />

Auswertung teil.<br />

Der Kurs <strong>2004</strong> (Abb. 2.25) fand in der Zeit vom 19. September<br />

bis zum 24. Oktober in Potsdam/Michendorf statt.<br />

Die 30 Teilnehmer kamen aus 25 Ländern (Afghanistan (4),<br />

Algerien, Aserbeidschan, Bosnien (2), Kolumbien, Kuba,<br />

Ägypten, Fiji Inseln, Georgien, Guatemala, Ungarn, Indo-<br />

Abb. 2.25: Szenen aus dem Potsdamer Internationalen Trainingskurs, <strong>2004</strong> zum Thema „Seismologie und seismische<br />

Gefährdungseinschätzung“ (Fotos: <strong>GFZ</strong>).<br />

Scenes from the Potsdam International Training Course of the year <strong>2004</strong> on the topic „Seismology, Seismic Data Analysis,<br />

Hazard Assessment and Risk Mitigation“.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.26: Im Berichtszeitraum fand auch der Internationale Trainingskurs <strong>2005</strong> in Potsdam statt, zum ersten Mal aber<br />

fast ausschließlich in Räumlichkeiten auf dem Telegrafenberg (Fotos: <strong>GFZ</strong>).<br />

Scenes from the Potsdam International Training Course of the year <strong>2005</strong> on the topic „Seismology, Seismic Data Analysis,<br />

Hazard Assessment and Risk Mitigation“.<br />

nesien, Iran, Mazedonien, Madagaskar, Moldawien, Montenegro,<br />

Marokko, Nepal, Philippinen, Serbien, Syrien,<br />

Türkei (2), Usbekistan und Sambia). Die Teilnehmer waren<br />

unter 96 Bewerbern aus 56 Ländern ausgewählt worden.<br />

Insgesamt gab es 20 Lektoren (davon neun vom <strong>GFZ</strong>) aus<br />

fünf Ländern.<br />

Der Kurs <strong>2005</strong> (Abb. 2.26) in Deutschland wurde in der<br />

Zeit vom 28. August bis zum 1. Oktober in Potsdam<br />

durchgeführt. Im Gegensatz zu den vorherigen Kursen<br />

fanden die Vorlesungen und Übungen zum überwiegenden<br />

Teil direkt in Räumlichkeiten des <strong>GFZ</strong> auf dem Telegrafenberg<br />

statt. Es waren 25 Teilnehmer aus 16 Ländern<br />

(Albanien, Bangladesch, Bulgarien, Kuba, Ghana, Indien,<br />

Indonesien (6), Iran (2), Kenia, Mazedonien, Rumänien,<br />

Sri Lanka, Syrien, Thailand, Trinidad, Türkei (3)<br />

und Venezuela). Unter 61 Bewerbungen aus 36 Ländern<br />

wurden die Teilnehmer ausgewählt. In diesem Jahr wurde<br />

wegen der Aktualität ein Schwerpunkt auf die Anrainerstaaten<br />

des Indischen Ozeans gelegt. Insgesamt haben<br />

28 Lektoren aus fünf Ländern, davon 16 vom <strong>GFZ</strong>, die<br />

Vorlesungen und Übungen durchgeführt. An den beiden<br />

letzten Tagen des Kurses gab es für die Teilnehmer die<br />

Möglichkeit im Rahmen eines speziellen Workshops das<br />

deutsche Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen<br />

Ozean kennen zu lernen und mit den Experten direkt zu<br />

diskutieren.<br />

Die Teilnehmer beider Trainingskurse erhielten neben kostenloser<br />

Software für die Auswertung digitaler Erdbebenaufzeichnungen,<br />

die Kalibrierung von Seismographen, die<br />

Quantifizierung lokaler Standorteffekte und die Abschätzung<br />

der Erdbebengefährdung auch die derzeit modernsten<br />

Lehrbücher und Praxisanleitungen zu den Themenkreisen<br />

des Kurses. Dazu gehört auch das vom <strong>GFZ</strong> herausgegebene<br />

zweibändige IASPEI „New Manual of Seismological<br />

Observatory Practice“.<br />

DEPAS – Deutscher Pool für amphibische Seismologie<br />

Im Rahmen der Evaluierung des Forschungsbereiches<br />

„Erde und Umwelt“ der Helmholtz-Gemeinschaft wurde<br />

angeregt, dass das AWI Bremerhaven und das <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

enger auf dem Gebiet der onshore-offshore Forschung<br />

kooperieren sollten. Hier liegt in der Zukunft ein<br />

immenses Forschungspotenzial. Beide Einrichtungen stellten<br />

Mitte <strong>2004</strong> an das GEOTECHNOLOGIE-Programm<br />

(Kontinentränder) einen gemeinsamen Antrag auf Förderung<br />

eines kombinierten seismologischen Instrumentenpools,<br />

der künftig von beiden Institutionen als ein Werkzeug<br />

für die gesamte deutsche „Geo-community“ vorgehalten<br />

werden sollte. Nach positiver Begutachtung des<br />

Antrages wurden für die Antragsteller Mittel bereitgestellt,<br />

die die Beschaffung von 35 Ozeanbodenseismome-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

231


232<br />

Abb. 2.27: DEPAS Landstation. Links: Datenlogger<br />

(Earthdata), rechts: Seismometer (GURALP 60s).<br />

DEPAS land-station. Left:Data-logger (Earthdata), right:<br />

Seismometer (GURALP 60s).<br />

tern (OBS) am AWI und 65 Landstationen<br />

am <strong>GFZ</strong> ermöglichten – die Landkomponente<br />

von DEPAS soll im Endausbau<br />

100 Stationen umfassen. Am <strong>GFZ</strong> ist<br />

die Landkomponente von DEPAS technisch<br />

und logistisch in den geophysikalischen<br />

Gerätepool (GIPP) integriert. Im<br />

September <strong>2005</strong> erfolgte bereits der erste<br />

Einsatz von 45 Einheiten für ein amphibisches<br />

Projekt in der Ägäis. Für das Jahr<br />

2006 liegen bereits mehrere Anträge vor,<br />

so dass DEPAS bereits unmittelbar nach<br />

seiner Verfügbarkeit auf große Resonanz<br />

stößt.<br />

INKABA ye AFRICA<br />

Im Rahmen des INKABA ye AFRICA Programms<br />

wurden <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> umfangreiche<br />

geophysikalische Untersuchungen im Gebiet<br />

des Agulhas-Karoo Plateaus durchgeführt.<br />

Mit aktiven seismischen und magnetotellurischen<br />

Messungen werden detaillierte<br />

Informationen über die tektonischen<br />

Prozesse der letzten 3,5 Milliarden Jahre,<br />

insbesondere bezüglich des Akkretionsprozesses<br />

sowie des Aufbrechens des<br />

Superkontinents Gondwana gesammelt.<br />

So sind in mehreren Phasen im Laufe der<br />

Erdgeschichte Kontinentalmassen mit dem<br />

alten Kontinentalkern des Kaapvaal Kraton<br />

kollidiert und heute als Faltengürtel<br />

(Namaqua-Natal Mobile Belt und Cape<br />

Fold Belt) fest mit dem afrikanischen Kontinent<br />

verschweißt. Entlang einer solchen<br />

Kollisionszone befinden sich zwei geophysikalische<br />

Anomalien, die Beattie Magnetikanomalie<br />

(BMA) und der Southern<br />

Cape Conductive Belt (SCCB). Sie zählen<br />

mit über 1.000 km zu den längsten der Erde<br />

und setzen sich vermutlich sogar in Südamerika<br />

und in der Antarktis fort.<br />

Magnetotellurische Messungen<br />

Die BMA wurde schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts<br />

von Beattie (1909) entdeckt. Mehr als ein halbes<br />

Jahrhundert später schlossen van Zijl, de Beer und Gough<br />

(1982) aus Magnetometer-Arraymessungen auf die Existenz<br />

eines ca. 100 km breiten Leitfähigkeitsgürtels, der<br />

SCCB. Als Ursache für beide Anomalien wurde aufgrund<br />

der räumlichen Korrelation ein 30 km breiter und bis in<br />

den Erdmantel reichender Block serpentinisierter ozeanischer<br />

Kruste postuliert. Diese Interpretation findet sich in<br />

verschiedenen geologischen Querschnitten und in tektonischen<br />

Rekonstruktionen Gondwanas. Aus heutiger Sicht<br />

scheint diese Auslegung der Daten aber wenig gesichert,<br />

da die geringe Stationsdichte keine detaillierten strukturellen<br />

Aussagen zulässt und das Karoo-Becken mit seiner<br />

dicken Sedimentüberdeckung keine direkten geologischen<br />

Beobachtungen ermöglicht.<br />

Abb. 2.28: Lagekarte der 82 magnetotellurischen Messstationen (weiße<br />

Kreuze). Das 150 km lange Profil reicht von Prince Albert bis nach Fraserburg.<br />

Map of 82 magnetotelluric sites (white crosses) along a 150 km long profile<br />

from Prince Albert in the South to Fraserburg in the North. BMA: Beattie<br />

Magnetic Anomaly, SCCB: Southern Cape Conductive Belt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.29: Verteilung des elektrischen Widerstandes in der Erdkruste im<br />

Bereich der BMA und des SCCB. Rot/gelb: Zonen erhöhter Leitfähigkeit (niedrige<br />

Widerstände). Ein oberflächennahes hoch leitfähiges Band lässt sich<br />

in den ersten 2 bis 5 km entlang des gesamten Profils erkennen. Aufgrund<br />

von nahe gelegenen Bohrungen, die auf das Profil projiziert wurden (graue<br />

Dreiecke), können diese Anomalien der Whitehill-Formation mit ihren kohlenstoffreichen<br />

Schwarzschiefern (schwarze Sterne) zugeordnet werden. Die<br />

BMA scheint mit einer Zone erhöhter Leitfähigkeit in 5 bis 12 km Tiefe zu<br />

korrelieren (B). Weiter im Norden befinden sich unter dem Great Escarpment<br />

zwei weitere tiefe (8 bis 20 km) Leitfähigkeitsanomalien.<br />

An image of the electrical resistivity distribution of the Earth's crust across<br />

the BMA and SCCB. Red/ yellow: Zones of high conductivity. A shallow subhorizontal<br />

conductivity band is shown in the upper 5 km across the entire<br />

profile. Stratigraphic information from boreholes which were projected onto<br />

the profile (grey triangles) reveals black carbonaceous shales of the Whitehill<br />

Formation in 2-5 km depth. This layer correlates with the sub-horizontal<br />

conductivity band (black asterisks). The BMA seems to be associated with<br />

a zone of high conductivity in 5-12 km depth (B). Further to the North we<br />

observe two deep conductivity anomalies (8-20 km) beneath the onset of the<br />

Great Escarpment (C).<br />

Im Frühjahr <strong>2004</strong> wurden entlang eines 150 km langen<br />

Profils von Prince Albert bis Fraserburg neue magnetotellurische<br />

Messungen vom <strong>GFZ</strong> an 82 Stationen durchgeführt<br />

(Abb. 2.28). Das Profil, das in etwa senkrecht zu<br />

den beiden geophysikalischen Anomalien verläuft, wurde<br />

mit einem Stationsabstand von ~ 2 km vermessen. Reflexions-<br />

und refraktionsseismische sowie steilwinkelseismische<br />

Messungen fanden ebenfalls entlang dieses Profils<br />

im Frühjahr und Herbst <strong>2005</strong> statt (Abb. 2.30). Das<br />

Leitfähigkeitsmodell, das aus einer zweidimensionalen<br />

Inversionsrechnung der Messdaten entlang des Profils<br />

bestimmt wurde, ist in Abb. 2.29 dargestellt (Weckmann<br />

et al, 2006). Rote und gelbe Farben entsprechen geringen<br />

elektrischen Widerständen (hohe Leitfähigkeiten), während<br />

blaue Farben Regionen mit hohen elektrischen Widerständen<br />

(geringe Leitfähigkeiten) kennzeichnen. Markiert<br />

sind außerdem die Lage des Maximums der BMA<br />

und des SCCB sowie die Projektionen von nahe gelegenen<br />

Tiefbohrungen auf das Profil (graue Dreiecke).<br />

Auffallend ist zunächst, dass das Leitfähigkeitsmodell<br />

wesentlich mehr Strukturen aufweist, als dies aufgrund<br />

der alten Daten und darauf basierender geologischer Querschnitte<br />

anzunehmen war. Oberflächennah ist eine hoch<br />

leitfähige sub-horizontale Schicht in 2 bis 5 km Tiefe<br />

(Abb. 2.29 A) erkennbar. Mit der Lage der BMA scheint<br />

eine weitere sub-vertikale Zone hoher Leitfähigkeiten zu<br />

korrelieren, die von 5 bis 12 km Tiefe reicht und nach<br />

Süden einfällt (B). Zusätzlich sind weiter im Norden zwei<br />

tief reichende (8 bis 20 km) leitfähige Strukturen zu erken-<br />

nen, die sich unterhalb des Great Escarpments<br />

befinden (C). Zur Interpretation<br />

der oberflächennahen Anomalie (A) können<br />

Informationen aus tiefen Bohrungen<br />

hinzugezogen werden. In vier nahe gelegenen<br />

Bohrungen wurden in verschiedenen<br />

Tiefen (2 bis 5 km) die sog. Whitehill<br />

Formation angetroffen, die aus kohlenstoffreichen<br />

Schwarzschiefern besteht.<br />

Eine Projektion dieser Bohrungen (graue<br />

Dreiecke in Abb. 2.29) und die Lage der<br />

Schwarzschieferfunde (schwarze Sterne)<br />

auf das Profil zeigt, dass diese Schicht gut<br />

mit dem geringmächtigen, oberflächennahen<br />

leitfähigen Band des Modells in Abb.<br />

2.29 korreliert. Die Deutung der tiefer<br />

gelegenen Anomalien gestaltet sich<br />

schwieriger, da hier keine direkten Beobachtungen<br />

möglich sind. Vermutlich handelt<br />

es sich um große Scherzonen in der<br />

Kruste. Diese Interpretation wird gestützt<br />

von weiter im Osten (Natal-Sektor) kartierten<br />

großen Scherzonen, die vier tektonische<br />

Einheiten voneinander trennen<br />

und vermutlich großen Einfluss auf die<br />

Akkretionsprozesse des Superkontinents<br />

Gondwana hatten. Weiter westlich, im<br />

Bereich unseres Untersuchungsgebiets,<br />

sind diese Scherzonen von den dicken<br />

Karoo-Sedimenten überdeckt. Für die<br />

Leitfähigkeitsanomalien im nördlichen<br />

Abschnitt unsers Modells ist es ebenfalls denkbar, dass sie<br />

große mineralisierte Synformen abbilden, wie sie weiter<br />

nordwestlich im Namaqualand angetroffen werden.<br />

Seismische Messungen<br />

Ziel der seismischen Messungen war es, ein Modell der<br />

tieferen krustalen Strukturen abzuleiten. So wurde der<br />

Ozean-Kontinentübergang im Bereich des Cape Fold<br />

Belts-Agulhas Plateaus untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt<br />

der landseitigen seismischen Messungen war die<br />

Untersuchung der BMA und des SCCB. Im April <strong>2005</strong><br />

wurden auf zwei, diese Anomalien überquerenden Profilen<br />

(deckungsgleich mit denen der magnetotellurischen<br />

Messungen, siehe Abb. 2.28) seismische Messungen<br />

durchgeführt (Abb. 2.30). Auf jedem Profil wurden 50 seismische<br />

Landstationen und 25 seismische Ozeanbodenstationen<br />

in Kooperation mit dem AWI aufgestellt. Auf<br />

den ca. 200 bis 250 km langen Abschnitten an Land wurden<br />

an 13 Schusspunkten seismische Wellen angeregt, die<br />

land- und seeseitig an allen Stationen registriert wurden.<br />

Seeseitig wurden Airguns als seismische Quellen verwendet,<br />

die wiederum von allen Stationen (land- und seeseitig)<br />

aufgezeichnet wurden. Somit entstand ein Datensatz,<br />

dessen Auswertung die Erstellung eines großräumigen<br />

Strukturmodells der Erdkruste und des obersten Erdmantels<br />

entlang beider Profile erlaubt.<br />

Für die Auswertung der Landschüsse, registriert mit den<br />

Landstationen wurden die Wellenlaufzeiten von der seis-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

233


234<br />

Abb. 2.30: Lagekarte mit den Profilen Frazerburg (links) und Graaf-Reinet (rechts, onshore Teil). Schwarze Symbole:<br />

seismische Stationen; rote Symbole: Schusspunkte.<br />

Map of the location of the two seismic profiles Frazerburg (left) and Graaf-Reinet (right, onshore part) in the Agulhas-<br />

Karoo region. Black stars: seismic stations; red stars: shot points.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.31: Beispiel eines tomographischen P-Wellengeschwindigkeitsmodells (links Süden, rechts Norden), abgeleitet<br />

aus den Laufzeiten der direkten P-Wellen entlang des Frazerburg Profils. Der obere Bereich (einige km) zeigt geringe<br />

Geschwindigkeiten, die durch Sedimente erklärt werden können. Der mittlere Krustenbereich ist komplex aufgebaut,<br />

die Moho wurde bei ca. 40 km Tiefe gefunden. Die BMA (bei ca. 100 km) konnte nicht klar abgebildet werden. Hellere<br />

Bereiche stellen Regionen dar, die nicht aufgelöst werden konnten.<br />

Example of the tomographic P-wave velocity model (left South, right North), derived from travel times of refracted<br />

waves of the Frazerburg line. The uppermost few kilometres have low velocities and represent sediments. The middle<br />

crust is characterized by complex velocity structures. The Moho is at around 40 km depth. The Beattie anomaly<br />

(~ 100 km model) is not clearly imaged. Pale colours indicate regions with poor or no ray coverage.<br />

mischen Quelle zu der jeweiligen seismischen Station<br />

bestimmt. Mit Hilfe dieser Daten konnte unter Verwendung<br />

von tomographischen Verfahren ein P-Wellen Geschwindigkeitsmodell<br />

der Erdkruste abgeleitet werden<br />

(Abb. 2.31). Dieses vorläufige Modell ist durch ausgeprägte,<br />

oberflächennahe Schichten mit geringeren Geschwindigkeiten<br />

(Sedimente) und komplexeren Strukturen<br />

im Mittel- und Unterkrustenbereich gekennzeichnet.<br />

Durch die geplante gemeinsame Auswertung mit den<br />

seeseitigen Daten wird die Abbildung der Strukturen<br />

im Übergangsbereich zum Ozean und des oberen Mantels<br />

möglich sein. Die Feldexperimente wurden vom<br />

<strong>GFZ</strong> finanziert; die Messgeräte wurden vom Geophysikalischen<br />

Instrumentenpool des <strong>GFZ</strong> Potsdam bereitgestellt.<br />

Erweiterte thermomechanische Modellierung<br />

Die Deformation und der Fluss von Gasen und Flüssigkeiten<br />

in der Lithosphäre werden durch mechanische Prozesse<br />

bestimmt. Zentrale mechanische Eigenschaften hängen<br />

wiederum stark u. a. von Temperatur und chemischer<br />

Zusammensetzung ab. Das resultierende komplizierte System<br />

stark gekoppelter nichtlinearer thermischer, mechanischer,<br />

chemischer und physikalischer Prozesse formt die<br />

Struktur der Lithosphäre und bestimmt deren geologische<br />

Entwicklung. Aufgrund jüngerer Fortschritte in der Physik<br />

und der Chemie und mit der Hilfe moderner Hochleistungsrechner<br />

ist die Modellierung dieses Systems heutzutage<br />

möglich geworden. Diese so genannte „erweiterte<br />

thermomechanische Modellierung“ war in den letzten<br />

Jahren verstärkt Forschungsgegenstand am <strong>GFZ</strong>.<br />

Sedimentation und Deformation der Lithosphäre an Pullappart<br />

Becken<br />

Eine Transform-Störung ist eine Plattengrenze, an der<br />

zwei Lithosphärenplatten horizontal aneinander vorbei-<br />

gleiten. Die dabei auftretende dreidimensionale Verformung<br />

macht eine numerische Modellierung sehr aufwändig.<br />

Bisherige Simulationen waren daher auf unrealistische<br />

Modelle mit vereinfachter Rheologie beschränkt. Die<br />

erste thermomechanische Studie einer kontinentalen<br />

Transform-Störung mit Berücksichtigung einer realistischen<br />

Rheologie (Sobolev et al., <strong>2005</strong>a) konzentrierte sich<br />

auf die Modellierung des Dead Sea Transform (DST) im<br />

mittleren Osten. Wir stellen einige Resultate der Arbeit<br />

vor, welche diese Studie erweitert und sich mit fundamentalen<br />

Fragen nach dem Ursprung von tiefen Sedimentbecken<br />

im Zusammenhang mit kontinentalen Transform-Störungen,<br />

sogenannte Pull-appart Becken, beschäftigt.<br />

Diese Pull-appart Becken sind Senken, die als Ergebnis<br />

einer Extension der Kruste entstehen, und zwar in solchen<br />

Gebieten, in denen die Richtung des Fault overstepping<br />

mit der Bewegungsrichtung an der Scherzone übereinstimmt<br />

(Abb. 2.32a). Das herausragende klassische<br />

Beispiel für ein Pull-appart Becken ist das 150 km lange<br />

Dead Sea Becken an der DST. Hier hat sich in den letzten<br />

15 bis 17 Millionen Jahren mehr als acht Kilometer Sedimentbedeckung<br />

angesammelt. Es war bisher unklar,<br />

wodurch die Länge eines Pull-appart Beckens sowie die<br />

Dicke seiner Sedimente bestimmt werden und wie sich die<br />

dazugehörende Verformung unterhalb des Beckens verteilt.<br />

Mittels eines 3-D- (plus Zeit) thermomechanischen Modells<br />

(Abb. 2.32b, 2.33) eines Pull-appart Beckens, welches<br />

an einem Overstepping einer aktiven Transformstörung<br />

gebildet wurde, wurden diese Fragen angegangen<br />

(Petrunin and Sobolev, 2006). Die Modellierung zeigte,<br />

dass für eine gegebene Verschiebung und Reibung in den<br />

Verwerfungen die Dicke der spröden Schicht der bedeutendste<br />

Parameter für die Beckenlänge, Dicke der Sedimente<br />

und das Deformationsmuster unter dem Becken<br />

darstellt, und diese wiederum durch die Temperatur und<br />

Zusammensetzung der Lithosphäre bestimmt wird. Die<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

235


236<br />

ungewöhnlich große Länge und Sedimentdicke des Dead<br />

Sea Beckens kann mit 100 km Strike-slip Bewegung und<br />

einem dicken (20 bis 22 km, lokal bis 27 km) spröden Teil<br />

der kalten Lithosphäre unter dem Becken erklärt werden.<br />

Die Modellierung zeigt weiterhin eine Hebung der Moho<br />

von nicht mehr als 3 km unter schmalen (10 bis 15 km)<br />

Pull-appart Becken, wie dem Dead Sea Becken, welche<br />

in kalter Lithosphäre gebildet wurden. Es wurde ebenfalls<br />

gefolgert, dass sich ein Pull-appart Becken nur bilden<br />

kann, wenn eine mehrere Kilometer dicke Entkopplungszone<br />

zwischen der spröden Kruste und dem oberen Mantel<br />

existiert (siehe Abb. 2.33). Die Modellierung zeigt, dass<br />

dies für das Dead Sea Becken nicht der Fall sein würde,<br />

falls der Wärmefluss an der Oberfläche tatsächlich nur<br />

40 mW/m 2 beträgt. Dies könnte ein Hinweis darauf sein,<br />

dass der Oberflächenwärmefluss signifikant unterschätzt<br />

wurde (um 10 bis 20 mW/m 2 ), in Übereinstimmung mit<br />

kürzlich überarbeiteten Messungen in Jordanien (Förster<br />

et al, <strong>2004</strong>).<br />

Abb. 2.32: (a) Konzeptionelles Modell<br />

eines Pull-appart Beckens, das an einem<br />

Overstepping einer Transformstörung<br />

entsteht. (b) Modell Setup.<br />

(a) Conceptual model of a pull-apart<br />

basin formed at an overstepping of a<br />

transform fault. (b) Model setup.<br />

Das allgemeine Modell für ein Pullappart<br />

Becken (Abb. 2.32a, 2.33) wurde<br />

kürzlich für die DST angepasst (Petrunin<br />

und Sobolev, in Vorbereitung). In diesem<br />

vereinfachten 3-D Modell (Abb. 2.34)<br />

haben wir eine 2-D Struktur der Kruste<br />

und Temperatur in Konsistenz mit Resultaten<br />

aus dem DESERT Projekt (siehe<br />

Bericht 2002/<strong>2004</strong>) und ähnlich derjenigen<br />

in der Modellierungsstudie zum DST<br />

(Sobolev et al., <strong>2005</strong>a) angenommen. Zusätzlich<br />

nahmen wir an, dass sich an der<br />

nördlichen Modellgrenze eine Schwächezone<br />

befindet, deren Lage nicht mit<br />

der Spur jener Transformstörung übereinstimmt,<br />

welche im Modell ohne diese<br />

Zone erzeugt wird. Das Vorhandensein<br />

dieser schwachen Grenzzone zwingt die<br />

Verwerfung, nach links zu springen, mit<br />

der Konsequenz einer Strike-slip Verschiebung<br />

von 105 km, wie in Abb. 2.34<br />

dargestellt. Außer dieser implementierten<br />

Heterogenität am Rand der Modellbox<br />

wurden keine weiteren lokalisierten Heterogenitäten<br />

oder Verwerfungen vorgegeben.<br />

Abb. 2.34 zeigt, dass zwei Systeme von<br />

sich überlappenden Verwerfungen subparallel<br />

zur Strike-slip Richtung in der<br />

Modell-Lithosphäre entstehen. Eine Verwerfung<br />

zeichnet die Region mit minimaler<br />

Stärke der Lithosphäre nach (ohne<br />

vorgegebene schwache Grenzzone), und<br />

die andere führt die schwache Grenzzone innerhalb der<br />

Modellbox fort. Wo sich diese beiden größeren Verwerfungen<br />

überlappen, findet eine starke verwerfungs-parallele<br />

Extension statt, was zu einem Absenken der Kruste<br />

führt. Diese modellierte Struktur ist ähnlich derjenigen<br />

des Dead Sea Beckens, es ist jedoch klar, dass eine sehr<br />

viel höhere Auflösung im 3-D Modell erforderlich ist, um<br />

so wichtige Eigenschaften der Dead Sea Tektonik, wie beispielsweise<br />

transversale Verwerfungen innerhalb des Pullappart<br />

Beckens zu reproduzieren.<br />

Eine neue Sicht auf einen Hawaii Plume<br />

Die hawaiianischen Inseln sind das Ergebnis des produktivsten<br />

aktiven Mantel-Plumes – d. h. eines Aufstrombereichs<br />

heißen Magmas aus dem Tiefen Erdmantel – der<br />

bekannt ist. Sein Magmafluss wurde kürzlich auf etwa<br />

0,3 Kubikkilometer pro Jahr geschätzt. Eine so enorme<br />

Produktivität kann nicht ausschließlich durch erhöhte<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.33: (a) bis (c) Wachsendes Pull-apart Sedimentbecken (braun) mit der Verteilung der transform-parallelen Extension<br />

an verschiedenen Querschnitten. (d) Maximale Dicke der Sedimentfüllung nach 100 km Strike-slip Verschiebung<br />

gegenüber der Dicke der spröden Kruste. Jeder Punkt stellt ein bestimmtes Modell dar (Petrunin and Sobolev, 2006).<br />

Die Kästchen zeigen die plausibelsten Bedingungen für das Dead Sea Becken und das Golf von Aqaba Becken, basierend<br />

auf beobachteten Tiefen der maximalen Seismizität. Die durchgezogenen Linien entsprechen dem vereinfachten<br />

analytischen Modell, schattierte Gebiete zeigen die charakteristische Abweichung der numerischen Lösung vom analytischen<br />

Modell.<br />

(a)-(c) Growing pull-apart sedimentary basin (brown) together with distribution of transform parallel extensional strain<br />

shown at a number of cross-sections. (d) Maximum thickness of sediment fill after 100 km of strike-slip displacement<br />

versus thickness of the brittle layer. Each point indicates a particular model (Petrunin and Sobolev, 2006). Boxes show<br />

the most plausible conditions for the Dead Sea basin and Gulf of Aqaba basin based on observed depths of the maximum<br />

seismicity. Solid line corresponds to the simplified analytical model and the shaded domain indicates characteristic<br />

deviation of numerical solutions from the analytical model.<br />

Plume-Temperatur (ungefähr 300 °C höher als gewöhnliche<br />

Manteltemperatur) erklärt werden, wie in früheren<br />

Studien behauptet wurde. Eine neue Erklärung wird durch<br />

eine kombinierte geochemisch-geophysikalische Studie<br />

geliefert, welche kürzlich in Nature publiziert wurde (Sobolev<br />

et al., <strong>2005</strong>b). Geochemiker vom Max-Planck-Institut<br />

in Mainz haben gezeigt, dass die ungewöhnlich hohen<br />

Nickel- und Silikatanteile in den meisten hawaiianischen<br />

Magmen darauf hindeuten, dass mehr als die Hälfte der<br />

Schmelzen aus einer Quelle stammen, die von sogenannter<br />

„reziklierter“ ozeanischer Kruste dominiert wird. Dies<br />

ist ozeanische Kruste, welche in den Mantel subduziert,<br />

vor langer Zeit in Eklogit umgewandelt und dann von dem<br />

aufsteigenden Mantel-Plume mitgerissen und wieder aufgeschmolzen<br />

wurde.<br />

Die physikalischen Folgen dieses Modells wurden am<br />

<strong>GFZ</strong> analysiert. Es wurde gezeigt, dass ein Plume mit die-<br />

ser ozeanischen Kruste einen um den Faktor 2,5 höheren<br />

Magmafluss hervorbringt, als ein Hochtemperatur-<br />

Plume, der keine ozeanische Kruste enthält. Das neue<br />

Modell (Abb. 2.35) erklärt die aktuelle hohe magmatische<br />

Produktivität des hawaiianischen Plume bestens und<br />

ist auch konsistent mit der anomalen Topographie des<br />

Meeresbodens, dem Hawaiian Swell. Darüber hinaus<br />

erklärt der vorausgesagte hohe Anteil an partieller<br />

Schmelze in der ozeanischen Kruste in 130 bis 170 km<br />

Tiefe innerhalb des hawaiianischen Plume bemerkenswert<br />

gut die seismische Niedergeschwindigkeitszone, die<br />

in diesen Tiefen unterhalb des südlichen Teils der hawaiianischen<br />

Inseln vom <strong>GFZ</strong> Forschungsteam beobachtet<br />

wurde (Li et al., 2000). Die Modellierung zeigt auch, dass<br />

bei Abwesenheit von ozeanischer Kruste in dem hawaiianischen<br />

Plume nur ein geringer Teil (falls überhaupt) der<br />

hawaiianischen Inseln oberhalb des Meeresspiegels verbleiben<br />

würde.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

237


238<br />

Abb. 2.34: (a) Setup des 3-D Dead Sea Modells (niedrige Auflösung) gemäß Petrunin und Sobolev (in Vorbereitung).<br />

(b) Berechnete Verteilung der Shear strain rate (logarithmische Skala) nach 105 km linksseitiger Strike-slip Bewegung<br />

während 17 Millionen Jahren. (c) Berechnete Topographie des Grundes. Sowohl die berechnete Verteilung der Gräben<br />

als auch die Sedimentfüllung stimmen gut mit den Beobachtungen überein, (d) trotz grober Auflösung entlang des Versatzes<br />

für dieses Modell.<br />

(a) Setup of the 3-D Dead Sea (low-resolution) model after Petrunin and Sobolev (in preparation). (b) Calculated distribution<br />

of the shear strain rate (in logarithmic scale) after 105 km of left-lateral strike-slip motion during 17 Myr. (c)<br />

Calculated topography of the basement. The load of sediments was considered in the calculation. Both calculated distribution<br />

of faults and sediment fill matches well the observations (d), despite of rather poor along-strike resolution of<br />

this model.<br />

Magnetotellurische Messungen an der San Andreas<br />

Verwerfung<br />

Zum Verständnis geodynamischer Prozesse an großen<br />

Scherzonen wie der San Andreas Verwerfung in Kalifornien<br />

kann die Magnetotellurik (MT) als eine Methode der<br />

geophysikalischen Tiefensondierung einen wichtigen Beitrag<br />

leisten. Denn nur mit Hilfe der MT lassen sich Abbil-<br />

der von der elektrischen Leitfähigkeitsverteilung auf einem<br />

Tiefenmaßstab, der die gesamten Erdkruste und den oberen<br />

Mantel einschließt, gewinnen. Aus der Geometrie von<br />

Leitfähigkeitsanomalien lassen sich anschließend strukturelle<br />

Aussagen ableiten. Anomal hohe Leitfähigkeiten<br />

können z. B. von salinaren Fluiden im Porenraum der<br />

Gesteine, Graphitisierungen entlang von Scherbahnen oder<br />

auch von partiellen Schmelzen herrühren.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.35: Illustration des neuen Modells für den Hawaii<br />

Plume.<br />

Cartoon illustrating new model of the Hawaii plume by<br />

Sobolev et al., <strong>2005</strong>b.<br />

Im Frühjahr <strong>2005</strong> wurden an der San Andreas Verwerfung<br />

neue magnetotellurische Messungen vom <strong>GFZ</strong> und der<br />

University of California, Riverside, an 86 Punkten durchgeführt<br />

(blaue Sterne und rote Kreise in Abb. 2.36). Der<br />

Großteil der Stationen wurde entlang eines 50 km langen<br />

Profils senkrecht zum Verlauf der durch aktive Seismizität<br />

gekennzeichneten Störungslinie (rote Punkte in Abb. 2.36)<br />

errichtet. Auf diesem Profil wurden auch reflexions- und<br />

refraktionsseismische Messungen durchgeführt. Im Zentrum<br />

des Messgebietes befindet sich außerdem das San<br />

Andreas Fault Observatory at Depth (SAFOD, gelber<br />

Stern in Abb. 2.36), wo eine abgelenkte Kernbohrung<br />

abgeteuft wird, die im August <strong>2005</strong> die San Andreas Verwerfung<br />

in einer Tiefe von etwa 3 km durchschnitt. Von<br />

den Ergebnissen der Bohrung und begleitenden Bohrlochmessungen<br />

sowie Bohrkernen erwartet man Erkenntnisse<br />

über die In-Situ-Bedingungen an einer interkontinentalen<br />

Plattengrenze.<br />

Erkenntnisse über größere Tiefen erlangt man durch indirekte<br />

Methoden, wie die Magnetotellurik. Ein vorläufiges<br />

Leitfähigkeitsmodell, das aus einer zweidimensionalen<br />

Inversionsrechnung der Messdaten entlang des Profils<br />

bestimmt wurde, ist in Abb. 2.37 dargestellt. Rote Farben<br />

entsprechen hohen elektrischen Leitfähigkeiten, blaue Farben<br />

kennzeichnen Regionen mit hohen elektrischen Widerständen.<br />

Markiert sind außerdem die Lage der SAFOD<br />

Hauptbohrung, die Lage der San Andreas Verwerfung an<br />

der Erdoberfläche (SAF), sowie die östlich gelegene Coast<br />

Range Fault (CRF), welche den Übergang von der Coast<br />

Range Province in die Sedimente der Great Valley Sequenz<br />

kennzeichnet.<br />

Die schwarzen Punkte unterhalb der SAF (Abb. 2.37)<br />

kennzeichnen die Hypozentren von Mikrobeben, welche<br />

die aktive Verwerfung markieren und offensichtlich in<br />

räumlicher Beziehung zu einem schlecht leitfähigen Körper<br />

westlich der Störung stehen, bei dem es sich vermutlich<br />

um einen Granitkörper (Salinian Granite) handelt. Die<br />

meisten Mikrobeben treten in dem Tiefenbereich von ca.<br />

2 bis 10 km auf. Die schon von früheren magnetotellurischen<br />

Untersuchungen bekannte erhöhte Leitfähigkeit im<br />

Bereich der Störung (Fault Zone Conductor, FZC), die für<br />

die obersten 2 km der Kruste westlich der SAF charakteristisch<br />

ist, scheint dagegen ein Gebiet einzunehmen, in<br />

Abb. 2.36: Lagekarte magnetotellurischer<br />

Messstationen. Das Arbeitsgebiet<br />

befindet sich in der Nähe von Parkfield,<br />

Kalifornien. Blaue Sterne kennzeichnen<br />

langperiodische (LMT) und rote<br />

Kreise Breitband-Registrierungen (BMT).<br />

Grüne Punkte zeigen frühere MT Messungen<br />

von Unsworth et al. Die Seismizität<br />

entlang der San Andreas Verwerfung<br />

ist durch rote Punkte gekennzeichnet.<br />

SAFOD bezeichnet Lage der Forschungsbohrung<br />

des San Andreas Fault Observatory<br />

at Depth.<br />

Map of magnetotelluric sites in the vicinity<br />

of Parkfield, CA. Blue asterisks and red<br />

circles indicate locations of long-period<br />

and broadband magnetotelluric stations.<br />

Green dots indicate MT sites of Unsworth<br />

et al. The Seismicity at the San Andreas Fault zone is indicated by red dots. SAFOD indicates the location of the borehole<br />

of the San Andreas Fault Observatory at Depth.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

239


240<br />

Abb. 2.37: Verteilung des elektrischen<br />

Widerstandes im Bereich der San Andreas<br />

Verwerfung. Zonen erhöhter Leitfähigkeit<br />

(niedrige Widerstände) sind im<br />

Modell mit roten und gelben Farben<br />

gekennzeichnet. Im Bereich der oberen<br />

Kruste an den beiden Modellrändern<br />

werden diese vermutlich durch die sedimentäre<br />

Überdeckung des Grundgebirges<br />

hervorgerufen, während der Scherzonenleiter<br />

(FZC) im Bereich der San<br />

Andreas Störung (SAF) als Anreicherung<br />

von Fluiden im Porenraum zerrütteter<br />

Gesteine interpretiert wird. Schlecht leitfähige<br />

Strukturen (blau) westlich der<br />

SAF dürften auf einen Granitkörper<br />

(Salinian Granite) zurückzuführen sein.<br />

Im Bereich der Mittel- und Unterkruste<br />

findet man eine 20 km breite Zone erhöhter<br />

Leitfähigkeiten, wobei die höchsten Leitfähigkeiten direkt unterhalb der SAF auftreten.<br />

An image of the electrical resistivity distribution beneath the San Andreas Fault zone. Zones of high conductivity are<br />

shown in red and yellow colours. Such regions at both sides of the model in the upper crust probably correspond to<br />

sedimentary sequences. The Fault Zone Conductor (FZC) in the vicinity of the SAF is interpreted in terms of saline fluids<br />

within the increased pore space of fractured rocks. Resistive structures west of the SAF are likely related to a block<br />

of Salinian Granite. A 20 km wide region in the middle and lower crust is imaged as conductive, the highest conductivities<br />

are found directly beneath the surface trace of the SAF. SAF San Andreas Fault; CRF Coast Range Fault; SAFOD<br />

San Andreas Fault Observatory at depth; FZC Fault zone conductor. Red dots indicate seismicity.<br />

dem keine Beben auftreten. Es ist unklar, ob das Fehlen<br />

von Beben mit dem Vorkommen von Fluiden im Porenraum<br />

der zerrütteten Gesteine, welche für die hohen elektrischen<br />

Leitfähigkeiten ursächlich sind, kausal korreliert<br />

oder ob die Beben an einen lithologischen Kontrast gebunden<br />

sind.<br />

In größeren Tiefen unterhalb von 10 km weist die Kruste<br />

eine 20 km breite Zone mit niedrigen elektrischen Widerständen<br />

auf. Außerdem gibt es Anzeichen für die Existenz<br />

eines tieferen (lower) Fault Zone Leiters mit Widerständen<br />

von unter 10 Ωm. Es ist allerdings schwierig, die Geometrie<br />

und den elektrischen Widerstand dieser Anomalie<br />

eindeutig zu fassen, da der Effekt des darin induzierten<br />

Stromsystems an der Erdoberfläche im Bereich der Messgenauigkeit<br />

und damit an der Grenze der Auflösbarkeit<br />

liegt.<br />

Das hier gezeigte Modell ist Ausgangspunkt weitergehender<br />

Modellierungs- und Inversionsrechnungen, wobei<br />

wir uns insbesondere auf das Auflösen von Strukturen in<br />

der Unterkruste konzentrieren wollen. Weiterhin ist die<br />

Ableitung eines 3D-Leitfähigkeitsmodells aus dem flächenhaft<br />

gemessenen Datensatz geplant sowie die Integration<br />

des Leitfähigkeitsmodells mit anderen physikalischen<br />

Parametern wie dem seismischen Geschwindigkeitsmodell<br />

entlang der gemeinsamen Profillinie. Mit<br />

Hilfe eines neuen, viel versprechenden Ansatzes soll versucht<br />

werden, durch eine gemeinsame Interpretation der<br />

komplementären Parameter, elektrische Leitfähigkeit und<br />

seismische Geschwindigkeit, eine eindeutigere lithologische<br />

Klassifizierung der abgebildeten Strukturen zu<br />

erreichen.<br />

Die neuen magnetotellurischen Experimente wurden von<br />

der deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des<br />

Schwerpunktprogramms „International Continental Drilling<br />

Programme“ (ICDP) gefördert. Die Messgeräte wurden<br />

vom Geophysikalischen Instrumentenpool des <strong>GFZ</strong><br />

bereitgestellt.<br />

Die Kollision der afrikanischen und der eurasischen<br />

Lithosphärenplatten im Gebiet der Ägäis<br />

Das Ägäische Meer ist eines der tektonisch kompliziertesten<br />

Gebiete der Erde. Es ist deshalb auch das Gebiet in<br />

Europa mit der größten Erdbebebhäufigkeit. Neben verheerenden<br />

Erdbeben fanden dort über die Jahrtausende<br />

immer wieder Vulkanausbrüche und Tsunamis statt. Wegen<br />

seiner Lage im Backarc-Bereich der aktiven Subduktion<br />

der afrikanischen Platte unter die eurasische Platte<br />

(Abb. 2.38) und wegen des Auftretens zweier aufeinander<br />

folgender Extensionsstadien im Ägäischen Meer seit dem<br />

Oligozän, gehört es zu einem der interessantesten Gebiete<br />

für die Erforschung der Plattentektonik. Wir haben eine<br />

gemeinsame seismische P und S Receiver Funktion Analyse<br />

durchgeführt, um die Struktur der Kruste und des oberen<br />

Mantels unterhalb des gesamten Ägäischen Meeres,<br />

des griechischen Festlandes und von Kreta abzubilden.<br />

Daraus kann abgelesen werden, wie sich die beiden Platten<br />

bei der Kollision deformieren. Zu diesem Zweck wurden<br />

P und S Receiver Funktionen von teleseismischen<br />

Ereignissen berechnet, die an 65 temporären bzw. permanenten<br />

seismischen Stationen unterschiedlicher Netzwerke<br />

(GEOFON, Nationalobservatorium Athen, Cyclades<br />

network, Mediterranean network und Seisfaultgreece Experiment)<br />

aufgezeichnet worden sind (Abb. 2.38). Mit der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Methode der Receiver Funktionen ist es möglich, seismische<br />

Diskontinuitäten bis in mehrere hundert Kilometer<br />

Tiefe zu kartieren.<br />

Die gemeinsamen Daten von P und S Receiver<br />

Funktionen weisen eine dichte<br />

Überdeckung im südlichen und zentralen<br />

Ägäischen Meer auf, während von den<br />

P Receiver Funktionen allein hier keine<br />

flächendeckende Informationen ohne<br />

Meeresboden-Stationen (OBS) gewonnen<br />

werden können. Die gemeinsame<br />

Betrachtung von P und S Receiver Funk-<br />

Abb. 2.39: Tiefenkarte der eurasischen<br />

Moho ermittelt aus P und S Receiver<br />

Funktionen. Die Moho-Tiefen in der Türkei<br />

sind von Saundres et al. (1998) übernommen.<br />

Unter dem griechischen Festland<br />

und der Nordägäis ist die Moho<br />

mächtiger als unter der Südägäis, wo die<br />

Krustenmächtigkeit durch Dehnungsvorgänge<br />

reduziert ist.<br />

Depth map of the Eurasian Moho obtained<br />

from P and S receiver functions. The<br />

Moho depths in Turkey are from Saundres<br />

et al. (1998). The crust is thicker beneath<br />

mainland Greece and the northern Aegean<br />

than beneath the southern Aegean<br />

because of stretching there.<br />

Abb. 2.38: Die wichtigsten tektonischen<br />

Elemente der Ägäis. Die Pfeile zeigen die<br />

Richtung der Plattenbewegung relativ zu<br />

Eurasien an (McClusky et al. 2000). Die<br />

seismischen Stationen, die in dieser Studie<br />

benutzt wurden, sind durch Sterne<br />

dargestellt.<br />

Main tectonic features in the Aegean area.<br />

The arrows indicate the direction of the<br />

motion relative to Eurasia (McClusky et<br />

al. 2000). The seismic stations used in this<br />

study are represented by stars.<br />

tionen führte unter anderem zu detaillierten<br />

Informationen über die starken Variationen<br />

der Krustenmächtigkeit im Untersuchungsgebiet<br />

(Abb. 2.39). Eine normale<br />

Krustenmächtigkeit von ungefähr<br />

28 bis 30 Kilometer wird unter dem östlichen<br />

Teil des griechischen Festlandes<br />

beobachtet, während die Kruste unterhalb<br />

Nord- und Westgriechenlands auf bis zu<br />

40 km zunimmt. Im nördlichen Ägäischen<br />

Meer variiert die Krustenmächtigkeit<br />

zwischen 25 bis 28 km. Diese Krustenverdünnung<br />

entspricht einem Ausdehnungsfaktor<br />

von 20 bis 25 %. Eine sehr<br />

geringe Krustenmächtigkeit von ca. 20 km<br />

bzw. ein Ausdehnungsfaktor von 40 bis<br />

45 % im kretischen Meer zeigt, dass der<br />

südliche Teil der Ägäis offenbar am stärksten<br />

von der Ausdehnungstektonik betroffen ist. Die Tiefenlage<br />

der Ägäischen Moho unterhalb Kretas ändert sich<br />

von 25 km im Osten auf 33 km im Westen und ist ein<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

241


242<br />

Abb. 2.40: Angenäherter Verlauf der eurasischen Moho und der darunter liegenden afrikanischen Moho entlang dreier<br />

Profile A, B und C, beobachtet mit Hilfe von S Receiver Funktionen.<br />

Approximate depth distribution of the Eurasian Moho and underlying African Moho along three profiles derived from<br />

S receiver functions.<br />

Beweis dafür, dass verschiedene Teile Kretas unterschiedlich<br />

auf die Ausdehnung reagiert haben. Anhand<br />

der S Receiver Funktionen kann die subduzierte afrikanische<br />

Lithosphäre bis unter das nördliche Griechenland<br />

verfolgt werden (Abb. 2.40), wo die abtauchende Platte<br />

jedoch nicht mehr durch lokale Seismizität abgebildet<br />

wird. Diese Ergebnisse führen zu einer durchschnitt-<br />

lichen Mohotiefe von 40 km für die subduzierte ozeanische<br />

Platte unterhalb Südkretas, des Westpeloponnes<br />

und des Südostens von Rhodos, die bis auf 160 km unterhalb<br />

des vulkanischen Bogens zunimmt (Abb. 2.41). Die<br />

ozeanische Moho kann bis in eine Tiefe von 220 km unterhalb<br />

des nördlichen Griechenland zuverlässig beobachtet<br />

werden.<br />

Die mittels der S Receiver Funktion<br />

Methode gewonnenen neuen Informationen<br />

über die ozeanische und kontinentale<br />

Lithosphäre zeigen die Lithosphären-<br />

Asthenosphärengrenze (LAB) für das<br />

gesamte Untersuchungsgebiet und erlauben<br />

dabei Beobachtungen mit einer Auflösung,<br />

wie sie bisher nur für die Moho<br />

erreicht wurde (Abb. 2.42). Unterhalb des<br />

Abb. 2.41: Karte der Tiefe der afrikanischen<br />

Moho abgeleitet aus P und S Receiver<br />

Funktionen. Die Mohotiefen direkt an<br />

den Stationen (Dreiecke) wurden aus<br />

P Receiver Funktionen berechnet. Die Mohotiefen<br />

dazwischen wurden aus S Receiver<br />

Funktionen ermittelt. In den weißen<br />

Bereichen waren nicht genügend Daten<br />

vorhanden.<br />

Depth map of the African Moho derived<br />

from P and S receiver functions. Moho<br />

depths directly at the stations (triangles)<br />

have been derived from P receiver functions.<br />

Moho depths in between have been<br />

derived from S receiver functions. White<br />

regions have insufficient data.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.42: Untergrenze der afrikanischen und eurasischen Lithosphärenplatten (LAB) entlang zweier Profile durch die<br />

Ägäis aus summierten S Receiver Funktionen. Negative Amplituden (schwarz) zeigen eine Abnahme der Geschwindigkeit<br />

mit der Tiefe. Unter dem griechischen Festland ist die eurasische LAB flacher als die afrikanische LAB. Die<br />

beobachtete afrikanische Moho ist mit dünn gestrichelter Linie markiert.<br />

Lithosphere-asthenosphere boundary (LAB) estimated by stacked S receiver functions along two profiles. Negative<br />

amplitudes of S receiver functions (in black) show a velocity decreases with depth. Under continental Greece, this<br />

negative phase is at a shallower depth than the African LAB. The observed African Moho is shown with thin dashed<br />

line.<br />

Abb.2.43:Die LAB-Tiefenkarte der Ägäis<br />

ermittelt aus der S Receiverfunktion Analyse.<br />

Die dicke rote Linie stellt die Grenze<br />

zwischen der beobachteten kontinentalen<br />

eurasischen Lithosphäre und der<br />

ozeanischen afrikanischen Lithosphäre<br />

dar.<br />

The LAB depth map obtained from S<br />

receiver function analysis in the Aegean.<br />

The heavy red line is a boundary separating<br />

the observed continental Eurasian<br />

Lithosphere from the oceanic African<br />

Lithosphere.<br />

griechischen Festlandes beträgt die Tiefe<br />

der eurasischen LAB etwa 150 km<br />

(Abb. 2.43). Unterhalb von Südkreta<br />

beträgt die Mächtigkeit der afrikanischen<br />

Lithosphäre 100 km. Sie nimmt Richtung<br />

Norden bis auf 225 km unterhalb des vulkanischen<br />

Bogens zu. Die starke Dehnung der südlichen<br />

Ägäis, die eine wesentliche Antriebskraft für die Tektonik<br />

in dem gesamten Gebiet ist, kann eventuell auf ein ‚Roll<br />

Back‘ der afrikanischen subduzierten Platte bis ca. 100 km<br />

Tiefe zurückgeführt werden. In größeren Tiefen wird diese<br />

Platte flach und ist bis unter das griechische Festland zu<br />

verfolgen.<br />

Abb. 2.44: Das Amphitheater von Milet. In der Antike lag<br />

es an der Küste; heute ist das Meer dort verschwunden –<br />

ein Beweis für die andauernde Dynamik der Ägäis (Foto:<br />

U. Kind).<br />

The Amphitheater of Milet. It was located at the coast in<br />

the antiquity; today the sea is gone – an indication of the<br />

ongoing dynamics of the Aegean.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

243


244<br />

Seismische Überwachung des massiven Thuringikum-Injektionsexperiments<br />

an der Kontinentalen<br />

Tiefbohrung<br />

Die Kontinentale Tiefbohrung (KTB) bei Windischeschenbach<br />

im Südosten Deutschlands liegt nahe der westlichen<br />

Grenze der Böhmischen Masse an der Kontaktzone zwischen<br />

Saxo-Thuringikum und Moldanubikum. Zwischen<br />

1987 und 1994 wurden hier eine 9,1 km tiefe Haupt- und<br />

eine 4 km tiefe Vorbohrung abgeteuft, die an der Oberfläche<br />

lediglich einen Abstand von 200 m aufweisen. Diese<br />

Konfiguration stellt ein einmaliges Labor zur Untersuchung<br />

physikalischer Gesteinsparameter in situ dar (Emmermann<br />

und Lauterjung 1997). Um Mechanismen des<br />

Fluidtransports zu untersuchen und das Spannungsfeld in<br />

der oberen Kruste zu bestimmen, wurden bereits 1994<br />

(Zoback und Harjes, 1997) und 2000 (Baisch et. al. 2002)<br />

zwei Injektionsversuche über einen Zeitraum von mehreren<br />

Tagen bis Wochen durchgeführt.<br />

Im Anschluss daran wurde 2002 mit einem Langzeit-Pumpversuch<br />

begonnen, der aus zwei Hauptexperimenten bestand.<br />

Im ersten Abschnitt wurden Fluide aus dem prominenten<br />

Reflektor SE2 in einer Tiefe von 4.000 km aus<br />

der Vorbohrung gefördert. Innerhalb eines Jahres produzierte<br />

die Vorbohrung aus diesem Tiefenbereich (120 °C)<br />

22.300 m 3 saline, krustale Wässer mit einer Förderrate von<br />

58 l/min. Nach einer Ruhepause wurde im Juni <strong>2004</strong> das<br />

Experiment umgedreht und über eine Zeitraum von 10 Monaten<br />

84.600 m 3 Wasser im SE2 Reflektor verpresst. Bei<br />

Injektionsraten von 200 l/min wurde ein Kopfdruck um<br />

100 bar aufgebaut.<br />

Im September <strong>2004</strong>, als das Injektionsvolumen in etwa der<br />

im ersten Experiment abgepumpten Flüssigkeitsmenge<br />

entsprach, konnten wir eine zunächst schwache aber<br />

zunehmend mikroseismische Aktivität beobachten. Bereits<br />

sehr kleine positive Porendruckänderungen (kleiner 1 bar<br />

an den Lokationen der Erdbeben) lösten dabei eine beträchtliche<br />

Zunahme der Seismizität aus (Shapiro et. al<br />

2006). Diese induzierte Seismizität wurde mit den Stationen<br />

eines hochempfindlichen, seismischen Online-Überwachungssystems<br />

aufgezeichnet. Das seismische Netz<br />

bestand aus einer Bohrlochsonde, die zwischen Tiefen von<br />

2 km bis 3,5 km in der Hauptbohrung betrieben wurde, und<br />

11 oberflächennahe Stationen in der Umgebung der KTB.<br />

Erdbeben online: GEOFON und die Folgen des<br />

Sumatra Bebens<br />

Mit Hilfe des Erdbeben-Informationssystems GEOFON<br />

wird am <strong>GFZ</strong> die globale Seismizität zeitnah überwacht,<br />

um die entdeckten Ereignisse so genau wie möglich automatisch<br />

zu lokalisieren, zu quantifizieren und über das<br />

Internet zu publizieren. Die seismologischen „Rohdaten“,<br />

kontinuierliche Datenströme von weltweit installierten<br />

Seismometerstationen, werden bisher fast ausschließlich<br />

ebenfalls über das Internet erfasst. Das verwendete seismologische<br />

Netz („GEOFON Extended Virtual Network“<br />

– GEVN) besteht aus fast 50 GEOFON-Stationen des <strong>GFZ</strong><br />

und seiner Partner im GEOFON-Projekt sowie einer großen<br />

Anzahl von Stationen aus Partner-Netzen, die mittels<br />

der am <strong>GFZ</strong> entwickelten SeedLink Software über das<br />

Internet vernetzt sind. In der Nacht vom 25. zum 26.12.<strong>2005</strong><br />

bestand das GEVN aus etwa 120 operationalen Stationen,<br />

Abb. 2.45: Seismologisches Netz an der<br />

KTB zur Überwachung der induzierten<br />

Seismizität während des Langzeitpumpexperiments<br />

2002 bis <strong>2005</strong>. In der<br />

Hauptbohrung (HBR) wurde ein 3d-Geophon<br />

in Tiefen von 2 km bis 3,5km betrieben.<br />

Die Kommunikation im Online-Netz<br />

basierte auf WLAN-Technik. Die weißen<br />

Linien entsprechen den WLAN-Verbindungen,<br />

mit denen die Außenstationen<br />

online eingebunden waren. Die<br />

5 Außenstationen waren zur Reduzierung<br />

der Bodenunruhe in flachen Bohrungen<br />

zwischen 20 m und 40 m Tiefe installiert.<br />

Seismological on-line network at the KTB<br />

location for monitoring induced seismicity<br />

during the long-term injection experiment<br />

between 2002 and <strong>2005</strong>. HBR is the<br />

location of the main hole sonde with a 3dgeophone<br />

operated in depths between<br />

2 km and 3.5 km. The on-line communication<br />

of the net was based on WLAN technique.<br />

White lines indicate WLAN links to<br />

on-line stations operated in shallow bore<br />

holes at depths of 20 m and 40 m.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


überwiegend in Europa und dem Mittelmeerraum. Trotz<br />

dieser global nicht optimalen Stationsverteilung gelang es<br />

dem GEOFON-Erdbeben-Informationssystem bereits nach<br />

12 Minuten eine ziemlich genaue automatische Lösung<br />

ins Internet zu stellen und per Email und SMS-Meldungen<br />

an die zahlreichen Nutzer des Informationsservice zu<br />

verbreiten (Abb. 2.49).<br />

Zu dieser Zeit (26. 12. <strong>2004</strong>, 01:11 UTC), als die primären<br />

seismischen Wellen noch gar nicht bis Mitteleuropa<br />

vorgedrungen waren und sich die Tsunami-Welle noch<br />

weit vor der Küste von Sumatra befand, war dies offenbar<br />

die erste öffentlich zugängliche Information über dieses<br />

Beben. Das erste Bulletin des Pacific Tsunami Warning<br />

Center in Honolulu wurde erst drei Minuten später veröffentlicht.<br />

Dennoch war diese erste Information – wegen<br />

dem nur aus den Primärwellen abgeleiteten und damit für<br />

Starkbeben zu niedrigen Magnitudenwert von 6,9 (m b) –<br />

nicht zur Tsunami-Warnung geeignet. Für eine genauere<br />

Bestimmung des Magnitudenwertes und damit auch der<br />

Abschätzung der Tsunami-Gefahr musste man, nach dem<br />

damaligen Wissensstand, die Ankunft der Oberflächenwellen<br />

abwarten, die von Sumatra nach Europa fast eine<br />

Stunde brauchten.<br />

In der Folge der Tsunami-Tragödie wurden die Bemühungen<br />

für eine globale Erdbebenüberwachung verstärkt.<br />

Das GEVN wurde erheblich erweitert (Abb. 2.50a), u. a.<br />

um öffentlich zugängliche Stationen im Raum des Indi-<br />

Abb. 2.46: Entwicklung der induzierten<br />

Seismizität im Verlauf des Pumpexperiments<br />

<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong>. Anzahl der Ereignisse<br />

pro Tag und kumulative Entwicklung der<br />

Seismizität beobachtet an den Oberflächenstationen<br />

(a) und in der Bohrlochsonde<br />

(b). S-P Laufzeitdifferenzen der<br />

beobachteten Ereignisse mit der Bohrlochsonde<br />

(c). Gleiche Laufzeitdifferenzen<br />

bedeuten gleiche Entfernung der<br />

Ereignisse zum Sensor. Zwischen dem 78.<br />

und 187. Tag war die Bohrlochsonde nur<br />

auf 1.950 m Tiefe installiert. Verpresstes<br />

Volumen und Entwicklung des Kopfdrucks<br />

über den Verlauf des gesamten<br />

Injektionsexperiments (d).<br />

Rate of induced events observed at the<br />

surface stations (a) and the sensor in the<br />

KTB main borehole (b) during the longterm<br />

injection experiment in <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong>.<br />

Traveltime difference between S and P<br />

onsets at the main hole sonde (c). Rate of<br />

well-head pressure and injection volume<br />

(d). Between days 78 and 187, the main<br />

hole sensor was installed in only 1950 m<br />

depth.<br />

schen Ozeans (IRIS-Netz USA, nationale<br />

Netze von Malaysia und Australien).<br />

Zudem wurde neue Software für die Datenverarbeitung<br />

in Nahe-Echtzeit implementiert.<br />

Im Rahmen des German-Indian<br />

Ocean Tsunami Early Warning System – GITEWS – wurden<br />

bereits in <strong>2005</strong> vier neue GEOFON-Stationen mit<br />

Satellitenkommunikation in Indonesien installiert und der<br />

Zugriff auf ca. 20 ebenfalls neu installierte japanische und<br />

indonesische Stationen in Indonesien realisiert. Die Vollständigkeit<br />

und Genauigkeit der Überwachung der globalen<br />

Erdbebentätigkeit mit Hilfe des GEOFON-Erdbeben-<br />

Informationssystems ist damit erheblich verbessert worden<br />

und eine zeitnahe Information vor allem auch für<br />

Beben in Südostasien konnte realisiert werden. Abb. 2.50b<br />

zeigt die automatisch bestimmten Lokationen aller Erdbeben<br />

in der zweiten Jahreshälfte <strong>2005</strong> in Abhängigkeit<br />

von Veröffentlichungszeiten und der Magnitude. Wegen<br />

der großen Stationsdichte sind die Bearbeitungszeiten in<br />

Europa und dem Mittelmeerraum naturgemäß am kleinsten,<br />

bestimmte Gegenden in Indonesien kommen aber<br />

auch schon in den Bereich von weniger als 10 Minuten.<br />

Ein Ableger des GEOFON-Erdbeben-Informationssystems<br />

wurde im Rahmen von GITEWS am Indonesischen<br />

Meteorologischen Dienst in Jakarta installiert und versorgt<br />

Indonesien mit schnellen (< 10 Minuten) Erdbebenmeldungen<br />

aus der Region.<br />

In Folge des Tsunami sind bereits einige Forschungsprojekte<br />

entstanden. Das dringendste zu lösende Problem ist<br />

eine schnelle verlässliche Magnitudenbestimmung. Dabei<br />

muss beachtet werden, dass die Bruchausbreitung viele<br />

Minuten dauern kann (~ 10 Minuten im Falle des Sumatra<br />

Bebens) und nach bisherigen Methoden keine verläss-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

245


246<br />

liche Magnitude vor Ende der Bruchausbreitung oder<br />

sogar vor der Registrierung teleseismischer Oberflächenwellen<br />

bestimmt werden konnte. Bormann und Wylegalla<br />

(<strong>2005</strong>) haben aber eine Methode entwickelt, mit der aus<br />

Breitbanddaten eine schnelle (innerhalb weniger Minuten)<br />

näherungsweise Magnitude, auch bei sehr starken<br />

Beben abgeschätzt werden kann. Diese Methode soll<br />

demnächst implementiert und routinemäßig benutzt werden.<br />

Weiter wurde am <strong>GFZ</strong> von Yuan et al. (<strong>2005</strong>) eine<br />

neue Methode entwickelt, mit der aus seismischen Breitbandregistrierungen<br />

von Küstenstationen eine Tsunamiwelle<br />

direkt registriert werden kann. Die Wasserwelle<br />

führt zu Neigungsänderungen an der Küste, die von den<br />

Horizontalkomponenten der Breitbandstationen registriert<br />

werden können (Abb. 2.52). Damit können aus den<br />

Küsten- und Inselstationen des gut organisierten globalen<br />

seismischen Netzes Real-Time-Informationen über Tsunamis<br />

gewonnen werden.<br />

Ein anderes Forschungsprojekt ist die Echtzeit-Beobachtung<br />

der Bruchausbreitung von Erdbeben, die von großer<br />

Bedeutung für die Abschätzung des Tsunamipotentials des<br />

Abb. 2.47: Lokalisierte Mikroerdbeben<br />

während des Injektionsexperiments<br />

<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong>. Epizentraldarstellung von<br />

146 Mikrobeben mit mehr als 10 beobachteten<br />

P und S Phasen. Die weißen<br />

Dreiecke stellen die online Stationen des<br />

Überwachungsnetzes dar. Der schwarze<br />

Stern kennzeichnet die Position der Vorbohrung<br />

an der Erdoberfläche. Der<br />

Radius des inneren roten Kreises beträgt<br />

500 m. Die Anordnung der Epizentren<br />

liegt parallel zum Streichen der Fränkischen<br />

Linie. In den Hypozentraldarstellungen<br />

kennzeichnet die gelbe Linie die<br />

Lage der Hauptbohrung und der grüne<br />

Stern den Injektionspunkt. Die induzierten<br />

Beben liegen im Bereich des markanten<br />

SE2 Reflektors.<br />

Location of 146 induced microevents in<br />

plane view. Only events with more than<br />

10 observed P and S phases are shown.<br />

White trangles indicate on-line stations.<br />

The black star marks the surface position<br />

of the pilot hole. The radius of the inner<br />

red circle is 500 m. The alignment of the<br />

epicentres is nearly parallel to the Franconian<br />

Lineament. The yellow line in the<br />

hypocenter projections marks the position<br />

of the main hole and the green star<br />

the injection point of the fluids. The induced<br />

seismicity is concentrated within the<br />

prominent SE2 reflector.<br />

Bebens ist. Dazu gibt es eine Methode<br />

von Krüger und Ohrnberger (<strong>2005</strong>), die<br />

teleseismische Stationsarrays nutzt. Wir<br />

bestimmen aus der Polarisation von<br />

lokalen, regionalen und teleseismischen<br />

Stationen die Bruchausbreitung nahezu<br />

in Echtzeit (Abb. 2.53), und beabsichtigen diese Methode<br />

ebenfalls in das Tsunami-Warnsystem zu implementieren.<br />

Eine neue Methode zur Bestimmung der Mächtigkeit<br />

von Lithosphärenplatten<br />

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Definitionen für die<br />

Lithosphäre (Anderson, 1995). Sie war ursprünglich mechanisch<br />

definiert als eine elastische Platte, die sich über<br />

einer viskos-elastischen Asthenosphäre befindet (Barrell,<br />

1914). Die Lithosphären-Asthenosphären-Grenze (LAB)<br />

wird oft als Übergangszone von einer höheren zu einer<br />

niedrigeren seismischen Geschwindigkeit angesehen,<br />

deren Tiefenlage nur grob abgeschätzt werden kann. Die<br />

LAB wird auch als eine thermische Grenzfläche bei einer<br />

Temperatur von ~ 1200 °C oder als eine elektromagnetische<br />

Grenzfläche von niedriger zu hoher Leitfähigkeit<br />

definiert. Eine entscheidende Rolle spielt die Lithosphäre<br />

jedoch in der Plattentektonik. Hier wird angenommen,<br />

dass Lithosphärenplatten sich über tausende von Kilometern<br />

horizontal bewegen können und dadurch letztendlich<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


für alle geologischen Erscheinungsformen der Erdoberfläche<br />

verantwortlich sind. Daher kann der Lithosphäre in<br />

der Plattentektonik eine bedeutend wichtigere Rolle zugesprochen<br />

werden als der Erdkruste.<br />

Abb. 2.49: Links: Ausbreitung der primären seismischen<br />

Wellen beim Sumatra-Beben am 26.12.<strong>2004</strong> nach Bruchbeginn<br />

um 00:58:50 UTC und ihre Registrierung an Stationen<br />

des GEVN (GEOFON Extended Virtual Network).<br />

Rechts: Vergleich der Veröffentlichungszeiten von automatischen<br />

und manuellen Erdbebenmeldungen verschiedener<br />

Institutionen im Internet.<br />

Left: Propagation of primary seismic waves of the Sumatra<br />

Earthquake after the rupture start at 26.12.<strong>2004</strong>,<br />

Abb. 2.48: Foto des KTB Bohrturms (Foto: <strong>GFZ</strong><br />

Asch).<br />

Photo of the KTB drilling derrick.<br />

Direkte seismische Beobachtungen der Lithosphäre mit<br />

hoher Auflösung sind allerdings schwierig. Als Oberkante<br />

einer Zone relativ niedriger Geschwindigkeit (Asthenosphäre)<br />

kann die LAB nur schlecht mit der Weitwinkel-<br />

Technik beobachtet werden, eine sehr erfolgreiche Technik<br />

zur Untersuchung der Kruste-Mantel-Grenze. Gutenberg<br />

(1954) schloss aus der Beobachtung von Raumwellen<br />

auf die Existenz einer Zone erniedrigter Geschwindigkeit<br />

im oberen Erdmantel. Die entsprechende seismische<br />

Diskontinuität wurde nach ihm Gutenberg-Diskontinuität<br />

benannt, die oft mit der LAB gleichgesetzt wird.<br />

Die meisten Beobachtungen der Lithosphäre wurden aber<br />

aus der Dispersion von Oberflächenwellen gewonnen. Wegen<br />

der niedrigen Auflösung der Oberflächenwellen lässt<br />

sich die LAB nur als eine breite Übergangszone abbilden,<br />

und ihre genaue Tiefe ist schwierig zu bestimmen. Ein wesentliches<br />

Ergebnis der Oberflächenwellenstudien ist eine<br />

größere Mächtigkeit der Lithosphäre unter Kontinenten<br />

als unter Ozeanen (Gung et al. 2003). Die Mächtigkeit der<br />

Lithosphäre variiert von wenigen Kilometern an den<br />

mittelozeanischen Rücken bis zu 200 km unter alten kontinentalen<br />

Schilden und beträgt im globalen Mittel etwa<br />

80 bis 100 km.<br />

In den letzten Jahren ist die S Receiver Function (SRF)<br />

Technik entwickelt worden (Farra and Vinnik, 2000; Li<br />

et al., <strong>2004</strong>; Yuan et al., 2006), die benutzt werden kann,<br />

um die LAB mit hoher Auflösung zu beobachten. Die SRF<br />

Technik analysiert S-zu-P konvertierte Wellen, die an den<br />

seismischen Diskontinuitäten unter einer Station erzeugt<br />

werden. Sie wurde aus der bekannten P Receiver Function<br />

(PRF) Methode entwickelt (Langston, 1977; Vinnik, 1977),<br />

Origin Time: 00:58:50 UTC Mw = 9.0<br />

Germany: <strong>GFZ</strong> 01:10:57 +12 min mb = 6.9<br />

Italy: INGV +16 min mb = 6.9<br />

Germany: LED +18 min mb = 7.1<br />

Switzerland: SED +19 min mb = 6.1<br />

Norway: NEWS +20 min mb = 5.5<br />

NOR +22 min mb = 6.3<br />

France: RNS +31 min mb = 6.4<br />

Slovakia: BRA +32 min mb = 6.6<br />

Europe/<br />

ORFEUS: ODC +65 min mb = 7.3<br />

France: LDG +731 min mb = 5.9<br />

International Centres<br />

(Manual Analysis)<br />

USA: NEIC +79 min Ms = 8.5<br />

Europe/EMSC: EMSC +97 min Mw = 8.9<br />

Pacific Tsunami Warning Center<br />

USA: PTWC +15 min Mw = 8.0<br />

00:58:50 UTC and their registration at stations of the GEVN (GEOFON Extended Virtual Network). Right: Comparison<br />

of publication times of automatic and manual earthquake alerts issued by different institutions in the Internet.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

247


248<br />

Abb. 2.50: a) Stationsverteilung des<br />

„GEOFON Extended Virtual Network“<br />

(Stand Ende <strong>2005</strong>: ca. 250 Stationen).<br />

Die roten Dreiecke zeigen die über Internet<br />

mit dem Datenzentrum vernetzten<br />

GEOFON-Stationen, die gelben Kreise<br />

die kompatiblen Stationen der GEVN<br />

Partnernetze. b) Globale Verteilung der in<br />

der zweiten Jahreshälfte <strong>2005</strong> vom GEO-<br />

FON-Erdbebeninformationssystem bestimmten<br />

Erdbeben-Epizentren. Die Farbskala<br />

zeigt die Verzögerungszeiten bis zur<br />

ersten Veröffentlichung der automatisch<br />

bestimmten Erdbebenparameter im Internet.<br />

Die Symbolgröße ist ein Maß für die<br />

Magnitudenwerte.<br />

a) Station distribution of the „GEOFON<br />

Extended Virtual Network“ (status end of<br />

<strong>2005</strong>: almost 250 Stations). The red triangles<br />

show those GEOFON stations,<br />

which are accessible via Internet from the<br />

data center, the yellow circles the compatible<br />

stations of the GEVN partner networks.<br />

b) Global distribution of earthquake<br />

epicenters determined by the<br />

GEOFON earthquake information system<br />

in the second half of <strong>2005</strong>. The colour<br />

code shows the delay times until the first appearance of the automatically determined earthquake parameters in the<br />

Internet. The symbol size is related to the magnitude values.<br />

die mit P-zu-S konvertierten Wellen arbeitet. P-zu-S konvertierte<br />

Wellen von der LAB werden häufig durch multiple<br />

Reflexionen in der Kruste überlagert und sind in<br />

vielen Fällen ungeeignet für LAB Beobachtungen. In den<br />

S Receiver Functions sind die multiplen Reflexionen<br />

jedoch von den Primärkonversionen zeitlich getrennt.<br />

Deshalb ist die SRF Technik für die Untersuchung der<br />

LAB sehr viel versprechend. Das Ziel unserer Arbeiten in<br />

diesem Zusammenhang ist es, die Mächtigkeit der Lithosphäre<br />

global zu kartieren. Davon versprechen wir uns<br />

zahlreiche neue Erkenntnisse über die globale Plattentektonik,<br />

da die Struktur der gesamten Lithosphäre, d. h. bis<br />

zu ihrer Unterkante, bisher kaum bekannt ist. Im Folgenden<br />

zeigen wir einige Beispiele einer solchen hoch auflösenden,<br />

bisher unerreichten Abbildung der Lithosphärenunterkante.<br />

Abb. 2.51a: Links: Geophysikalisches Observatorium in Gunungsitoli auf der Insel Nias vor der Küste Nord-Sumatras.<br />

Rechts: Installation einer neuen GEOFON-Station in Gunungsitoli im Rahmen des Tsunami-Frühwarnsystems<br />

(GITEWS). Die Daten werden über die existierende Satellitenverbindung einer meteorologischen Station ins Datenzentrum<br />

nach Jakarta übertragen (Fotos J. Saul <strong>GFZ</strong>).<br />

Left: Geophysical observatory in Gunungsitoli on Nias island off-shore Northern Sumatra. Right: Installation of a new<br />

GEOFON station in Gunungsitoli in the framework of the German-Indian Ocean Tsunami Early Warning System<br />

(GITEWS). The data are transmitted in real-time to the data center in Jakarta using the existing satellite link of a<br />

co-located meteorological station.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.51b: Sicher ist sicher! Vorsichtige Flussüberquerung<br />

auf der Insel Nias, Indonesien (Foto J. Saul<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

Saftey first! Careful river crossing on Nias island, Indonesia.<br />

Li et al. (<strong>2004</strong>) haben mit der SRF Methode die ozeanische<br />

Lithosphäre unter Hawaii abgebildet. Sie fanden eine<br />

graduelle Verdünnung der Lithosphäre entlang der Inselkette<br />

von der Hauptinsel Hawaii (~ 100 km Mächtigkeit)<br />

bis nach Kauai im Nordwesten (~ 60 km Mächtigkeit).<br />

Diese Beobachtung wird als Verjüngung (Rejuvenation)<br />

der Lithosphäre beim Überfahren des Hawaii Hotspots<br />

durch die pazifische Platte gedeutet.<br />

Kumar et al. (<strong>2005</strong>a) haben die LAB unter Island und<br />

Grönland kartiert (Abb. 2.54). Die Lithosphäre unter dem<br />

größten Teil Islands und großen Teilen Zentralgrönlands<br />

ist ungefähr 80 km mächtig. Diese Beobachtungen in<br />

Island stehen im Widerspruch zur geschätzten Mächtigkeit<br />

der elastischen Lithosphäre aus nacheiszeitlichen<br />

Abb. 2.52: Vergleich eines langperiodisch gefilterten<br />

Beschleunigungsseismogramms mit Wasserpegelmessungen<br />

des Tsunami an einer Messstation auf Diego Garcia<br />

(a) und den Kokos Inseln (b). Die Seismogramme sind in<br />

die Richtung der Maximalamplituden rotiert (N150° O für<br />

DGAR and N60° O für COCO). Die Zeitachse beginnt zur<br />

Herdzeit des Bebens.<br />

Comparison of long-period acceleration seismograms<br />

with tide gauge data at stations on Diego Garcia (a) and<br />

Cocos islands (b), recording the tsunami. The seismograms<br />

are rotated into the direction of the maximum amplitudes<br />

(N150° E for DGAR and N60° E for COCO). The<br />

time axis starts at the origin time of the earthquake.<br />

Abb. 2.53: Konzept für die Bestimmung des Bruchverlaufs des Sumatra Bebens durch Polarisationsanalyse<br />

an Einzelstationen im regionalen Bereich. Die P-Wellen-Seismogramme werden für jede Station (Dreiecke) analysiert,<br />

um die Variation des Backazimuts mit fortschreitender Zeit zu bestimmen (dünner roter Pfeil). Daraus<br />

kann dann die Bruchausbreitung vom Epizentrum aus bestimmt werden (dicker roter Pfeil). Wegen der Kürze der<br />

P-Wellen-Coda (~ 4 min) vor dem Eintreffen der S-Welle konnte nur etwa die Hälfte der Bruchlänge mit regionalen<br />

Daten bestimmt werden. Für eine<br />

Bestimmung der gesamten Länge muss<br />

man weiter entfernte Stationen hinzunehmen.<br />

Concept of determination of rupture propagation<br />

process of the Sumatra earthquake<br />

by polarisation analysis at single<br />

stations at regional distances. P wave<br />

seismograms at each station (triangles)<br />

are analysed to determine the variations<br />

of back-azimuths with increase of time<br />

(indicated by thin red arrows). The rupture<br />

propagation is then determined (red<br />

thick arrow) starting at the epicentre<br />

(star). Only half of the rupture length was<br />

determined because of a short window of<br />

P wave coda (~ 4 min) used prior to the<br />

arrival of S wave. To determine the whole<br />

rupture length we have to use more distant<br />

stations.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

249


250<br />

Abb. 2.54: (a) Karte des NW Atlantik<br />

mit den Regionen, in denen die Tiefe der<br />

Lithosphäre durch S Receiver Functions<br />

ermittelt wurde. Die dünnste Lithosphäre<br />

(40 bis 60 km) wurde bei den Jan Mayen<br />

Inseln gefunden. Entlang der Westküste<br />

Grönlands beträgt die Mächtigkeit der<br />

Lithosphäre 100 bis 120 km in Übereinstimmung<br />

mit früheren Untersuchungen.<br />

In der Region F (Ostgrönland) ist die<br />

Lithosphäre nur 70 km mächtig. Dort wird<br />

die Spur des Island Plumes vermutet (rote<br />

gestrichelte Linie). (b) Ausgewählte S Receiver<br />

Functions entlang der Plume Spur.<br />

Die Buchstaben am oberen Rand korrespondieren<br />

mit den Regionen in (a). Die Verdünnung<br />

der Lithosphäre in Ostgrönland<br />

(Region F) ist sichtbar.<br />

(a) Bathymetric map of the NW Atlantic<br />

with regions marked where the depth of<br />

the lithosphere was obtained by S receiver<br />

functions. The thinnest lithosphere<br />

(40-60 km) is found at Jan Mayen. Most<br />

of Iceland and large parts of Greenland<br />

have an 80 km thick lithosphere. Along the<br />

west coast of Greenland the lithosphere<br />

is 100-120 km thick. The lithosphere is<br />

only 70 km thick in region F in eastern<br />

Greenland, where the track of the Iceland<br />

plume is proposed (red dashed line).<br />

(b) Selected S receiver functions aligned along the plume trace. The characters on the top of the figure mark the regions<br />

described in (a). The thinning of the lithosphere in eastern Greenland (region F) is clearly visible.<br />

Hebungsdaten, die auf 10 bis 20 km Mächtigkeit hindeuten.<br />

Die große Diskrepanz ist zurzeit noch ungeklärt.<br />

Kumar et al. (<strong>2005</strong>b) haben die LAB im Tien Shan und<br />

Westtibet abgebildet (Abb. 2.55). Die Mächtigkeit der<br />

Lithosphäre schwankt zwischen 90 und 120 km unter dem<br />

Tien Shan und erhöht sich auf einen Wert von 160 km unter<br />

dem Tarim Becken. Südlich des Tarim-Beckens kann die<br />

LAB der asiatischen Lithosphäre bis in eine Tiefe von<br />

270 km unter dem zentralen Pamir und Karakorum verfolgt<br />

werden, während die indische Lithosphäre unter dem Karakoram<br />

von 130 km bis 170 km in Richtung Norden abtaucht.<br />

Die Beobachtungen zeigen ein Szenario der kontinentalen<br />

Kollision und Subduktion in Übereinstimmung mit der<br />

Seismizität und der Oberflächenwellen-Tomographie.<br />

Kumar et al. (2006) beobachteten eine dicke tibetanische<br />

Lithosphäre (> 150 km) in Zentral- und Nordtibet und<br />

einen vertikalen Sprung von ~ 50 km zwischen der indischen<br />

und der asiatischen Lithosphäre (Abb. 2.56). Die<br />

Beobachtung einer gut definierten, mächtigen Lithosphäre<br />

unter dem gesamten Plateau stimmt nicht mit Modellen<br />

der Delamination einer verdickten Mantellithosphäre<br />

in Nordtibet überein (z. B. Houseman et al., 1981), die<br />

eine sehr dünne asiatische Lithosphäre voraussagen würden.<br />

Diese Ergebnisse schlagen eine Subduktion der indischen<br />

Lithosphäre in Südtibet und eine relativ geringe<br />

Zunahme der Mächtigkeit der tibetanischen Lithosphäre<br />

nach Süden in Zentral- und Nordtibet durch Subduktion<br />

der asiatischen Lithosphäre vor.<br />

Vom Kern bis ins Weltall:Beobachtung und Untersuchung<br />

des Erdmagnetfelds<br />

Das Ziel der Arbeiten der Sektion 2.3 ist ein besseres Verständnis<br />

der räumlichen und zeitlichen Variabilität des<br />

Erdmagnetfelds und deren Ursachen. Dabei werden die<br />

Untersuchungen anhand von Magnetfeldbeobachtungen<br />

an der Erdoberfläche (Bodenmessungen) und von Satelliten<br />

aus durchgeführt. Das zentrale Problem besteht darin,<br />

dass alle gemessenen Magnetfelddaten Anteile verschiedener<br />

Quellen enthalten:<br />

• des vom Geodynamo im äußeren Erdkern erzeugten<br />

Haupt- oder Kernfelds,<br />

• des auf der permanenten Magnetisierung von Gesteinen<br />

basierenden Krustenfelds,<br />

• der von verschiedenen Stromsystemen in der Ionosphäre<br />

und Magnetosphäre erzeugten Felder, die aufgrund<br />

ihrer außerhalb der Erde liegenden Quellen zusammenfassend<br />

als externe Felder bezeichnet werden, sowie<br />

• der in Erdkruste, Erdmantel und Ozeanen durch Variation<br />

der primären Felder induzierten sekundären Felder.<br />

Eine detaillierte Zusammenfassung des Standes<br />

der Forschung auf diesem Gebiet wurde von Mandea<br />

und Purucker (<strong>2005</strong>) veröffentlicht.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Vor der wissenschaftlichen Modellierung und Interpretation<br />

steht zunächst die Gewinnung weltweiter, qualitativ<br />

hochwertiger Beobachtungen des Erdmagnetfelds, an der<br />

das <strong>GFZ</strong> Potsdam engagiert beteiligt ist.<br />

Beobachtung der Kapriolen des Magnetfelds<br />

Bodenmessungen<br />

Seit der Gründung des <strong>GFZ</strong> Potsdam gehört das Adolf-<br />

Schmidt-Observatorium für Geomagnetismus in Niemegk<br />

zur Sektion 2.3. Das Observatorium konnte <strong>2005</strong><br />

auf sein 75-jähriges Bestehen am Standort Niemegk<br />

zurückblicken, was am 7. September mit einem Festkolloquium<br />

mit Fachvorträgen und internationaler Beteiligung<br />

gewürdigt wurde (Abb. 2.57). Insgesamt, mit den<br />

Vorgängerstationen in Seddin und Potsdam, reicht die fast<br />

ununterbrochene Datenreihe sogar bis 1890 zurück und<br />

Abb. 2.55: (a) Position der seismischen<br />

Stationen (blaue Dreiecke) in der topographischen<br />

Karte von Karakorum und<br />

Tien Shan. Hauptüberschiebungen und<br />

Blattverschiebungen: MPT – Main Pamir<br />

Thrust, MKT – Main Karakoram Thrust,<br />

MMT – Main Mantle Thrust, MBT – Main<br />

Boundary Thrust, TFF – Talasso-Ferghana<br />

Fault, KF – Karakoram Fault and ATF<br />

– Altyn-Tagh Fault. (b) Seismische Sektion<br />

entlang des N-S Profils AB (rote<br />

gestrichelte Linie in a) geplottet über<br />

einer tomographischen Abbildung der<br />

Region (Friederich, 2003). Punkte zeigen<br />

Erdbebenhypozentren (Engdahl et al.,<br />

1998) entlang einer 100 km breiten Zone<br />

um die Linie AB. Im oberen Teil der Abbildung<br />

ist die Topographie entlang des Profils<br />

dargestellt.<br />

(a) Location of seismic stations (inverted<br />

blue triangles) on the topographic map of<br />

Karakoram and Tien Shan. Major thrust<br />

and strike-slip faults: MPT – Main Pamir<br />

Thrust, MKT – Main Karakoram Thrust,<br />

MMT – Main Mantle Thrust, MBT – Main<br />

Boundary Thrust, TFF – Talasso-Ferghana<br />

Fault, KF – Karakoram Fault and ATF<br />

– Altyn-Tagh Fault. (b) Seismic section<br />

along the profile AB extending south to<br />

north (red dashed line in a) overlaid on<br />

the tomographic image (Friederich, 2003)<br />

of the region. Dots are the earthquake<br />

hypocenters (Engdahl et al., 1998) along<br />

the line in a 100 km wide zone. The top<br />

panel indicates the topography along the<br />

profile.<br />

gehört damit zu den längsten weltweit. Lange, kontinuierliche<br />

Zeitreihen von Magnetfelddaten sind von entscheidender<br />

Bedeutung für das Verständnis der langsamen<br />

Säkularvariation des magnetischen Kernfelds. Neben der<br />

Messung und Aufbereitung der an magnetischen Observatorien<br />

üblichen Datenprodukte obliegt dem Observatorium<br />

Niemegk im Auftrag der International Association<br />

of Geomagnetism and Aeronomy (IAGA) die Berechnung<br />

und Veröffentlichung des kp-Index, einer häufig verwendeten<br />

Maßzahl für die magnetische Aktivität.<br />

In den letzten Jahren wurden die Aktivitäten des Observatoriums<br />

Niemegk international ausgeweitet, um eine<br />

bessere globale Verteilung magnetischer Bodendaten zu<br />

erzielen. Die im Folgenden beschriebenen Projekte sind<br />

in Abb. 2.58 zusammenfassend dargestellt. Schon seit 2000<br />

wird das Erdmagnetische Observatorium Wingst, zwischen<br />

Hamburg und Cuxhaven, in Kooperation des <strong>GFZ</strong> Pots-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

251


252<br />

Abb. 2.56: (a) Topographische Karte von Tibet mit seismischen Stationen. Die wichtigsten tektonischen Störungszonen<br />

sind markiert: ZS – Yarlung-Zangbo Suture, BNS – Bangong-Nujiang Suture, JRS – Jinsha River Suture und KF – Kunlun<br />

fault. (b) Summierte S-Receiver Functions entlang der Profile AB, CD und EF in (a). Die linke Ordinate kennzeichnet<br />

die Verzögerungszeit der LAB, die rechte Ordinate die approximierte Tiefenskala. Die Tiefe der Moho-Diskontinuität<br />

schwankt zwischen 60 und 80 km unter Tibet. Die LAB variiert zwischen 150 und 210 km, mit einem Sprung<br />

von ca. 50 km südlich der BNS. (c) Skizze der Kollision der Indischen und Asiatischen Lithosphärenplatten, zusammenfassend<br />

nach Ergebnissen von S Receiver Functions (S-rf) und P Receiver Functions (P-rf) Analysen. Die Beobachtungen<br />

weisen auf eine Subduktion der indischen und der asiatischen Lithosphäre hin. Die Indische Platte taucht südlich<br />

der BNS in den Mantel ab. Die asiatische Lithosphäre scheint in einem früheren, flacheren Zustand der Subduktion<br />

zu sein und trägt vermutlich zum Wachstum des tibetanischen Plateaus bei (Tapponnier, 2001). Die oberen Grenzen<br />

der indischen und asiatischen Mantel-Lithosphäre wurde mit P Receiver Functions (Kosarev et al., 1999; Kind et<br />

al., 2002) ermittelt, während die Unterkante aus S Receiver Functions bestimmt wurde. Die Mohotiefe, bestimmt aus<br />

P und S Receiver Functions, verläuft relativ glatt zwischen 80 und 60 km (Yuan et al., 1997, Kind et al., 2002). Gestrichelte<br />

Linien zeigen eine Zone hoher Scherwellengeschwindigkeit aus einer Tomographiestudie von Griot et al. (1998),<br />

nach Tapponnier et al. (2001).<br />

(a) Topographic map of Tibet with locations of seismic stations. The main tectonic boundaries dividing Tibet into different<br />

terranes are marked, ZS – Yarlung-Zangbo Suture, BNS – Bangong-Nujiang Suture, JRS – Jinsha River Suture and<br />

KF – Kunlun fault. (b) Stacked S-receiver functions along profiles AB, CD and EF in (a). The left ordinate marks the<br />

arrival time, the right ordinate is the approximate depth scale. The Moho depth varies between 60 and 80 km across<br />

Tibet. The LAB depth varies between 150 and 210 km, with a step of about 50 km south of the BNS. (c) Sketch illustrating<br />

the collision of the Indian and Asian lithospheric plates summarizing the results of S receiver function (S-rf) analysis<br />

and earlier P receiver function (P-rf) results. The observations suggest subduction of both the Indian and Asian<br />

lithospheres. The Indian plate is penetrating into the mantle south of the BNS. The Asian subduction appears to be at a<br />

lithospheric scale, probably contributing to the growth of the Tibetan plateau (Tapponnier, 2001). The upper boundaries<br />

of the Indian and Asian lithospheres are constrained by the P receiver functions (Kosarev et al., 1999; Kind et al., 2002),<br />

while the lower boundaries are determined by S receiver functions. The Moho depth, constrained by P and S receiver<br />

functions, varies smoothly between 80 and 60 km (Yuan et al., 1997; Kind et al., 2002). Green dashed lines indicate a<br />

zone of high shear wave velocity from the tomography study of Griot et al. (1998), after Tapponnier et al. (2001).<br />

dam mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie<br />

betrieben. Mit Ausscheiden des dortigen Observators<br />

in den Ruhestand obliegt die Datengewinnung und<br />

-verarbeitung seit <strong>2004</strong> dem Observatorium Niemegk.<br />

Seit 2002 besteht eine Kooperation mit der Universität<br />

Mayor de San Andres, La Paz (Bolivien) zum Betrieb eines<br />

2003 neu eingerichteten Observatoriums Villa Remedios.<br />

Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Problemen mit<br />

den Messgeräten konnte <strong>2005</strong> ein zuverlässiger Betrieb<br />

dieses Observatoriums entsprechend den aktuellen Qualitätsanforderungen<br />

erreicht werden, wozu unter anderem<br />

eine erneute Schulung zweier bolivianischer Kollegen am<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.57: Teilnehmer des Festkolloquiums anlässlich<br />

des 75-jährigen Bestehens des Adolf-Schmidt-<br />

Observatoriums für Geomagnetismus des GeoForschungsZentrums<br />

Potsdam am Standort Niemegk (Foto:<br />

H.-D. Scherz).<br />

Participants of the colloquium celebrating the 75 anniversary<br />

of the Geomagnetic Adolf-Schmidt-Observatory<br />

of <strong>GFZ</strong> Potsdam at the location of Niemegk.<br />

Abb. 2.58: Beiträge des GeoForschungsZentrums Potsdam zu geomagnetischen Bodenmessungen weltweit: Vom Adolf-<br />

Schmidt-Observatorium Niemegk (rot) werden zunehmend weitere Observatorien weltweit in Kooperation mit anderen<br />

Institutionen betrieben (lila). In blau die weiteren am internationalen Datenverbund INTERMAGNET teilnehmenden<br />

Observatorien. Die grauen Linien zeigen die aktuelle Verteilung der magnetischen Deklination in Grad. Zusätzlich führt<br />

das Observatorium Niemegk Säkularpunktmessungen in Deutschland (rot), durch, die seit <strong>2004</strong> in den Rahmen des<br />

europäischen MagNetE-Projekts (grün) fallen, sowie seit <strong>2005</strong> in Kooperation mit dem Hermanus Magnetic Observatory<br />

auch im südlichen Afrika (lila, INKABA ye AFRICA Projekt).<br />

Contributions of <strong>GFZ</strong> Potsdam to global geomagnetic ground measurements: Geomagnetic Adolf-Schmidt-Observatory<br />

in Niemegk (red) is operating an increasing number of observatories worldwide in cooperation with other institutions<br />

(purple). Blue dots are further geomagnetic observatories contributing to the international INTERMAGNET data<br />

exchange and the grey lines show the current distribution of magnetic declination in degrees. Moreover, the Niemegk<br />

observatory carries out repeat station measurements in Germany (red), since <strong>2004</strong> in the framework of the European<br />

MagNetE project (green), and since <strong>2005</strong> also in southern Africa in cooperation with Hermanus Magnetic Observatory<br />

(purple, INKABA ye AFRICA project).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

253


254<br />

Observatorium Niemegk beitrug. Im Jahr <strong>2005</strong> wurde darüber<br />

hinaus das Observatorium Panagjurishte des Geophysikalischen<br />

Instituts der Bulgarischen Akademie der<br />

Wissenschaften vom <strong>GFZ</strong> Potsdam mit modernen Geräten<br />

ausgestattet, damit deren Messwerte den heutigen<br />

Standards entsprechen. In Keetmanshoop, Namibia,<br />

wurde Ende des Jahres <strong>2005</strong> in Kooperation mit dem Hermanus<br />

Magnetic Observatory, Südafrika, ein weiteres geomagnetisches<br />

Observatorium neu errichtet (Abb. 2.59).<br />

Neben magnetischen Observatorien, deren Daten kontinuierlich<br />

und aktuell der Wissenschaft zur Verfügung stehen,<br />

werden in einigen Ländern in definierten Zeitabständen<br />

zusätzliche Bodenmessungen, so genannte Säkularpunktmessungen,<br />

durchgeführt. Sie dienen insbesondere der<br />

regionalen Kartierung der Deklination des Magnetfelds für<br />

praktische Zwecke. Andererseits können sie wertvolle<br />

Informationen zur Struktur der Säkularvariation und damit<br />

über den Geodynamo liefern, wenn sie auf die richtige<br />

Weise durchgeführt werden. Unsere Arbeiten haben gezeigt,<br />

dass globale Magnetfeldmodelle die Säkularvariation in<br />

Europa nicht vollständig beschreiben. Es gibt regionale<br />

Abweichungen, die möglicherweise auf Induktionseffekte<br />

des variierenden Hauptfelds in der Lithosphäre zurückzuführen<br />

sein könnten. Ob solche Effekte die beobachtete<br />

Säkularvariation beeinflussen, konnte bisher weder nachgewiesen<br />

noch widerlegt werden. Ein merklicher Einfluss<br />

solcher Effekte müsste bei der Interpretation der Säkularvariation<br />

im Hinblick auf den Geodynamoprozess berücksichtigt<br />

werden. Eine höhere räumliche Datendichte ist<br />

nötig, um diese Abweichungen zu verstehen.<br />

Europa ist der Kontinent mit der höchsten Dichte an geomagnetischen<br />

Bodenmessungen. Da jedoch Säkularpunktvermessungen<br />

früher unabhängig voneinander in den einzelnen<br />

Ländern durchgeführt wurden, sind die älteren<br />

Daten aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Qualität und<br />

raum-zeitlichen Verteilung kaum zur genaueren Untersuchung<br />

dieser regionalen Strukturen geeignet. Erst 2003<br />

wurden auf einem vom Observatorium Niemegk initiierten<br />

europäischen Workshop Richtlinien zur Vereinheitlichung<br />

dieser Messungen in Europa erarbeitet. <strong>2004</strong> fand<br />

die erste koordinierte Säkularpunkvermessung im Rahmen<br />

dieses MagNetE (Magnetic Network of Europe) Projekts<br />

auf dem neuen europäischen Punktnetz statt, zu dem<br />

das Observatorium Niemegk mit schon früher vermessenen<br />

44 Punkten in Deutschland beiträgt. Folgemessungen<br />

sind in zweijährigem Abstand geplant.<br />

Die stärkste Abnahme des Erdmagnetfelds ist in der<br />

Gegend des südlichen Afrika und Atlantik zu beobachten.<br />

Auch die Richtungsänderung des Magnetfelds unterscheidet<br />

sich dort regional stark. Hier befindet sich ein Gebiet<br />

mit einem dem normalen Dipolfeld gegenläufigen magnetischen<br />

Fluss an der Kern-Mantel-Grenze, eine Beobachtung,<br />

die als mögliches Vorzeichen einer bevorstehenden<br />

Feldumkehr interpretiert wird. Gleichzeitig gibt es in<br />

dieser Region wenig magnetische Observatorien. Die drei<br />

seit längerem bestehenden Observatorien Hermanus,<br />

Hartebeesthook und Tsumeb in Südafrika bzw. Namibia<br />

liegen jeweils mehr als 1.000 km voneinander entfernt. Im<br />

Rahmen des INKABA ye AFRICA-Projekts wurde <strong>2005</strong><br />

in Kooperation mit dem Hermanus Magnetic Observato-<br />

Abb. 2.59: Magnetfeldmessungen im südlichen Afrika. Die oberen Bilder zeigen die Durchführung von Messungen<br />

an Säkularpunkten. Unten ist der Aufbau einer thermisch isolierten Kiste für die kontinuierlich registrierenden<br />

Geräte am neuen Observatorium Keetmanshoop, Namibia, zu sehen (Fotos: M. Mandea, M. Korte und H.-J. Linthe,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

Magnetic field measurements in Southern Africa. The upper photos show two of the repeat stations. In the lower picture<br />

a thermally insulated box for the recording instruments of the new observatory Keetmanshoop, Namibia, is constructed.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


y eine Messkampagne an 40 Säkularpunkten – verteilt<br />

über Südafrika, Namibia und Botswana – durchgeführt,<br />

die als Auftakt zur regelmäßigen Beobachtung der Säkularvariation<br />

an diesen Punkten dienen soll (Abb. 2.59). Die<br />

qualitativ hochwertigen Daten und geplanten Folgemessungen<br />

an den Stationen versprechen wertvolle Informationen<br />

über die detaillierte Säkularvariation und der für<br />

sie ursächlichen Vorgänge tief im Innern der Erde.<br />

Der Satellit CHAMP<br />

Seit dem Start des Satelliten CHAMP am 15.07.2000 verfügt<br />

das <strong>GFZ</strong> über die Möglichkeit, das geomagnetische<br />

Feld auch vom Weltraum aus zu registrieren. Auf seiner<br />

niedrigen, polaren Umlaufbahn ermöglicht der Satellit<br />

Magnetfeldmessungen mit bisher nicht erreichter Auflösung.<br />

Im Juli des letzten Jahres wurde im Rahmen eines<br />

Symposiums am <strong>GFZ</strong> auf die ersten fünf Jahre der erfolgreichen<br />

Mission zurückgeblickt. Mit Blick auf die Orbitentwicklung<br />

und den guten Zustand der Instrumente kann<br />

mit einer Lebensdauer von drei weiteren Jahren gerechnet<br />

werden.<br />

Der erfolgreiche Betrieb des Satelliten und seiner Datenübertragung<br />

beruht zu einem großen Teil auf der Erfahrung<br />

und dem sorgfältigen Betrieb des Raumfahrzeugs<br />

durch das DLR. Die am <strong>GFZ</strong> durchgeführte Datenprozessierung<br />

wurde aus Mitteln des GEOTECHNOLO-<br />

GIEN-Programms unterstützt und kann nach einer Verlängerung<br />

der Förderung für weitere drei Jahre fortgesetzt<br />

werden. Unser Ziel ist es, die CHAMP-Mission zeitlich<br />

so nahe wie möglich an die Nachfolge-Mission Swarm<br />

heran betreiben zu können.<br />

Die ESA-Magnetfeldmission Swarm<br />

Die European Space Agency (ESA) hat<br />

im Mai <strong>2004</strong> die Multi-Satellitenmission<br />

Swarm im Rahmen ihres Erdbeobachtungsprogramms<br />

als „Opportunity Mission“<br />

zur hochgenauen Erforschung des<br />

Erdmagnetfelds ausgewählt. Die Konstellation<br />

umfasst drei Raumfahrzeuge, die<br />

in genau vorgegebener Formation fliegen.<br />

Ein Satellitenpaar wird in 450 km Höhe<br />

auf Kreisbahnen nebeneinander fliegen.<br />

Am Äquator sind sie 150 km getrennt,<br />

und an den Polen überkreuzen sie sich.<br />

Ein weiter Satellit wird in 530 km Höhe,<br />

ebenfalls auf einer polaren Kreisbahn<br />

seine Messungen vornehmen.<br />

Im Rahmen von der ESA finanzierten<br />

Machbarkeitsstudien wurden im Vorfeld<br />

Mess-Szenarien der Multi-Satelliten-<br />

Konfiguration simuliert. Als Ergebnis<br />

dieser Studien, die unter Leitung des<br />

Danish Space Research Institute und mit<br />

signifikanter Beteiligung des <strong>GFZ</strong> durchgeführt<br />

wurden, war die erreichbare Auflösung<br />

der Magnetfeldmessungen bei<br />

Nutzung einer optimalen Satelliten-Konstellation gefragt.<br />

Die äußerst positiven und überzeugenden Ergebnisse der<br />

Studie (Olsen et al., <strong>2004</strong>) haben sicher eine wichtige Rolle<br />

bei der Auswahl der Swarm-Mission aus einem Angebot<br />

von sechs Vorschlägen gespielt. Wesentliche Beiträge des<br />

<strong>GFZ</strong> zu den Vorstudien haben ihren Niederschlag in Veröffentlichungen<br />

gefunden (z. B. Friis-Christensen et al.,<br />

2006; Maus et al., 2006; Olsen et al., 2006).<br />

Abb. 2.60 zeigt schematisch die Verteilung der drei<br />

CHAMP-ähnlichen Satelliten im Orbit. Ende <strong>2005</strong> hat<br />

ESA den Zuschlag für den Bau der Satelliten an ein<br />

Industrieteam unter Leitung von Astrium, Friedrichshafen,<br />

vergeben. Das <strong>GFZ</strong> ist an dem Konsortium beteiligt<br />

und wird mit seinen CHAMP-Erfahrungen wesentlich<br />

zur Qualität der Satelliten beitragen können. Der Start<br />

der drei Raumfahrzeuge ist für 2010 vorgesehen. Daran<br />

schließt sich eine Messphase von mindestens vier Jahren<br />

an. Die Swarm-Mission im Anschluss an Ørsted und<br />

CHAMP ist als Beitrag der Magnetfeldforschung zu der<br />

IUGG Initiative Decade of Geopotential Studies zu<br />

sehen. Damit werden die empfohlenen Magnetfeldregistrierungen<br />

aus dem All über mehr als einen Solarzyklus<br />

realisiert.<br />

In ESA-finanzierten, vorbereitenden Studien wurde nachgewiesen,<br />

dass die Konstellation von mehreren Satelliten<br />

es erstmalig erlaubt, bestimmte Phänomene an Hand ihrer<br />

magnetischen Signaturen nachzuweisen. In zwei Studien,<br />

die während der Phase A vom <strong>GFZ</strong> Potsdam durchgeführt<br />

wurden, konnte gezeigt werden, mit welcher Genauigkeit<br />

sich ionosphärische Ströme und Ozeanzirkulationen mit<br />

der Swarm-Mission nachweisen lassen.<br />

Abb. 2.60: Schematische Darstellung der Bahnkonfiguration der drei<br />

Swarm-Satelliten. Mit einer solchen Konstellation lassen sich die Details<br />

des geomagnetischen Felds besonders gut auflösen.<br />

Sketch of the Swarm three-satellite orbit configuration. This formation is<br />

optimal to resolve the details of the geomagnetic field.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

255


256<br />

Abb. 2.61: Vergleich einer vorgegebenen Stromverteilung mit den aus der Swarm-Konstellation berechneten Stromdichten.<br />

Die Karten zeigen die Verteilung der feld-parallelen Ströme (FACs) in der nördlichen Polarregion. Links:<br />

Modell-Ströme für mittlere magnetische Aktivität, Mitte: aus hypothetischen Swarm-Daten berechnete Stromdichten<br />

für ca. 30 Überflüge, rechts: Differenz zwischen berechneten und vorgegebenen Strömen. Der Vergleich zeigt eine gute<br />

Überseinstimmung. Es ergeben sich keine systematischen Abweichungen.<br />

Comparison of input model currents and current densities derived from the Swarm constellation. The maps show the<br />

distribution of field-aligned currents in the northern polar region. Left: Model current distribution for moderate magnetic<br />

activity, middle: current densities computed from hypothetic Swarm data for about 30 orbits, right: differences<br />

between derived and input currents. The small differences confirm the high quality of the determined currents. There<br />

are no systematic deviations.<br />

Elektrische Ströme, die entlang der magnetischen Feldlinien<br />

fließen, spielen eine entscheidende Rolle bei der<br />

Übertragung von Energie aus dem Sonnenwind in die<br />

Hochatmosphäre polarer Breiten. An magnetisch gestörten<br />

Tagen kann dieser Energieeintrag lokal den der Sonnenstrahlung<br />

übersteigen. Diese feldparallelen Ströme,<br />

kurz FACs genannt, können durch die Mehrpunkt-Messungen<br />

in der Ionosphäre eindeutig quantifiziert werden.<br />

Wie in der ESA-geförderten Studie gezeigt werden konnte,<br />

lassen sich Vektoroperationen mit quasi gleichzeitigen<br />

aber räumlich getrennten Magnetfeldmessungen ausfüh-<br />

ren. Wendet man hierauf das ampèresche Gesetz an, bekommt<br />

man eindeutige Werte für den Strom, der die umspannte<br />

Fläche durchfließt. Die im Abstand von etwa<br />

100 km fliegenden Satelliten A und B nehmen zum Zeitpunkt<br />

t1 gleichzeitig Messdaten auf. Ein weiteres Messpaar,<br />

registriert fünf Sekunden später zur Zeit t2, komplettiert<br />

das erforderliche Quartett. Durch geeignete Auswertung<br />

der Daten lassen sich die FACs, die das Quadrat<br />

durchfließen, eindeutig bestimmen. Die Swarm-Mission<br />

bietet damit erstmalig die Möglichkeit, diese für die Dynamik<br />

der Hochatmosphäre wichtigen Ströme zuverlässig<br />

zu ermitteln. Abb. 2.61 zeigt an einem Beispiel, gewon-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


nen aus Modellrechnungen, mit welcher Präzision sich die<br />

feldparallele Stromdichte reproduzieren lässt (Ritter and<br />

Lühr, 2006).<br />

Das Erdmagnetfeld als Summe komplizierter Prozesse<br />

Neuigkeiten vom Geodynamo<br />

Ein wichtiges Ziel der Arbeit der Sektion 2.3., Erdmagnetfeld,<br />

ist ein besseres Verständnis des Geodynamoprozesses.<br />

Die Änderungen des magnetischen Hauptfelds, genannt<br />

Säkularvariation, liefern wichtige Informationen darüber.<br />

Die Variationen des Geodynamos finden auf einem breiten<br />

Spektrum von Zeitskalen statt, von abrupten Variationen –<br />

so genannten geomagnetischen Jerks – bis hin zu Exkursionen<br />

und Umkehrungen des gesamten Magnetfelds.<br />

Anhand von Satelliten- und Observatoriums- sowie Säku-<br />

larpunktdaten lassen sich die kurzperiodischen Variationen<br />

mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung studieren.<br />

Globale, durch Inversionsverfahren auf den Daten basierende<br />

Magnetfeldmodelle werden entwickelt, um die Geodynamoprozesse<br />

zu beschreiben und zu interpretieren.<br />

Mit dem in den Vorjahren entwickelten besseren Verständnis<br />

der externen und im Ozean induzierten Feldanteile<br />

konnte auch die Beschreibung des Kernfelds aus den<br />

Daten des Satelliten CHAMP entscheidend verbessert werden.<br />

Das „POtsdam Magnetic Model of the Earth“,<br />

POMME (Maus et al., <strong>2005</strong>a) beschreibt das Kernfeld und<br />

insbesondere dessen momentane Säkularvariation mit nie<br />

zuvor erreichter Genauigkeit.<br />

Zu den Arbeiten der Sektion 2.3. gehörten im Rahmen des<br />

DFG-Schwerpunktprogramms „Erdmagnetische Variationen“<br />

durchgeführte detaillierte Untersuchungen der<br />

Abb. 2.62: Radiale Komponente des Magnetfelds an der Kern-Mantel-Grenze für den Zeitraum um 1990. In den blauen<br />

Bereichen weisen die Magnetfeldlinien in den Kern hinein, während sie in den roten Bereichen heraustreten.<br />

Radial component of the magnet field at the core-mantle boundary for the epoch 1990. The field lines are directed<br />

inward in the blue and outward in the red areas respectively.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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258<br />

Säkularvariation des Erdmagnetfelds im Zeitraum 1980<br />

bis 2000. Die beiden Endpunkte des Zeitintervalls sind so<br />

gewählt, dass sie mit den Satellitenmissionen MAGSAT,<br />

1980, und CHAMP, ØRSTED, seit 2000, zusammenfallen.<br />

Die Methode, die bei diesem Vorhaben im Rahmen<br />

einer Doktorarbeit (Wardinski, <strong>2005</strong>) entwickelt wurde,<br />

besteht darin, eine räumlich und zeitlich kontinuierliche<br />

Beschreibung des Erdmagnetfelds aus den Daten von ortsgebundenen<br />

magnetischen Observatorien und Säkularpunkten<br />

abzuleiten. Die Hauptfeldmodelle der Satellitenmissionen<br />

für 1980 und 2000 dienen dabei als Randbedingungen<br />

für das zeitliche Modell des Erdmagnetfelds.<br />

So lassen sich die Informationen aus der hohen räumlichen<br />

Dichte der Satellitendaten und die zeitlich kontinuierlichen,<br />

aber räumlich limitierten Bodendaten zu einer kontinuierlichen<br />

raum-zeitlichen Beschreibung des Hauptfelds<br />

und seiner Säkularvariation der letzten 20 Jahre mit<br />

höchstmöglicher Auflösung vereinen. Abb. 2.62 zeigt die<br />

radiale Komponente des Magnetfelds an der Kern-Mantel-Grenze,<br />

dabei stellt sich das Feld im Wesentlichen als<br />

dipolar dar. Die Kernfragen dieser Untersuchung sind auf<br />

das Verstehen der kurzzeitigen Säkularvariation des Erdmagnetfelds,<br />

insbesondere der Geomagnetischen Jerks,<br />

und der Prozesse, die mit diesen einhergehen, ausgerichtet.<br />

Geomagnetische Jerks sind abrupte Änderungen in der<br />

Säkularvariation, die besonders deutlich in der Ost-Komponente<br />

des Magnetfelds zu beobachten sind. Inwieweit<br />

Jerks ein weltweites Phänomen sind, ist noch nicht geklärt,<br />

da zumindest zeitliche Verschiebungen im Auftreten in<br />

verschiedenen Regionen, insbesondere zwischen der Nordund<br />

Südhalbkugel, beobachtet werden (Chambodut and<br />

Mandea, <strong>2005</strong>) und auch die Darstellung von Jerks an der<br />

Kern-Mantel-Grenze starke regionale Unterschiede aufweist<br />

(Dormy and Mandea, <strong>2005</strong>).<br />

Die beobachtete Säkularvariation ist im Zeitraum 1980 bis<br />

2000 sehr facettenreich. So wurden drei geomagnetische<br />

Jerks beobachtet; einer auf der Südhalbkugel (1983), die<br />

zwei anderen auf der Nordhalbkugel (1991 und 1999). Die<br />

Ursachen dieses Phänomens sind weitgehend unklar, doch<br />

liegt die Vermutung nahe, dass sie entweder mit Prozessen<br />

an der Kern-Mantel-Grenze oder mit den magnetischen<br />

Filtereigenschaften des Mantels zusammenhängen.<br />

Eine Möglichkeit, Prozesse an der Kern-Mantel-Grenze<br />

genauer zu untersuchen, besteht darin, das zeitliche<br />

Modell des Erdmagnetfelds und der Säkularvariation für<br />

die Fluidbewegung des flüssigen Erdkerns an seiner Grenze<br />

zum Mantel zu invertieren. Dabei verwendet man die<br />

Induktionsgleichung unter Vernachlässigung der magnetischen<br />

Diffusion. Das ist die sogenannte Frozen Flux<br />

Hypothese, die im wesentlichen besagt, dass die beobachtete<br />

zeitliche Änderung des Magnetfelds einzig durch<br />

die Advektion der Magnetfeldlinien bestimmt ist, dass die<br />

Magnetfeldlinien im flüssigen Eisen des äußeren Kerns<br />

eingefroren sind. Diese Annahme ist nur für Zeitskalen<br />

kürzer als 100 Jahre gültig. Weitere Annahmen sind erforderlich,<br />

um zu einer robusten Abschätzung der Fluidbewegung<br />

an der Kern-Mantel-Grenze zu gelangen. Eine der<br />

meistverwendeten Annahmen ist, dass die Fluidbewegung<br />

in einer Fläche tangential zum äußeren Kern geostrophisch<br />

ist, d. h. entscheidend für die Fluidbewegung sind<br />

die Druckgradientkraft und die Corioliskraft. Diese Annahme<br />

findet auch Anwendung in der Meterologie bei der<br />

Berechnung der Trajektorien von Tief- und Hochdruckgebieten.<br />

Die vorläufigen Resultate der Analyse der Fluidbewegung<br />

zeigen, dass die Morphologie der Fluidbewegung<br />

sich im Zeitraum 1980 bis 2000 nur wenig ändert<br />

(Abb. 2.63), aber die Morphologie der Beschleunigung,<br />

Abb. 2.63: Fluidbewegung an der Kern-Mantel-Grenze für den Zeitraum um 1990. Die Vektorpfeile stellen Geschwindigkeit<br />

und Richtung der Bewegung dar. Die roten Bereiche markieren Zonen mit abtauchender Bewegung, wohingegen<br />

die blauen Bereiche Zonen mit emporstrebender Bewegung kennzeichnen. Die Struktur des Geschwindigkeitsfelds<br />

ändert sich während des Zeitraums 1980 bis 2000 kaum.<br />

Tangential geostrophic fluid flow for 1990. The vectors describe the velocity and direction of the fluid motion at the<br />

core-mantle boundary. The colour scale shows the intensity of the horizontal divergence, upwelling (blue) and downwelling<br />

(red) of the fluid flow. The pattern of the fluid flow changes only marginally during the period 1980 to 2000.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


kurz bevor geomagnetische Jerks beobachtet werden,<br />

große Änderungen zeigt. Dieses Ergebnis bedarf weiterer<br />

Untersuchung. Aber auch Untersuchungen der Variation<br />

der Tageslänge von Holme und DeViron (<strong>2005</strong>) weisen<br />

darauf hin, das geomagnetische Jerks mit Beschleunigungen<br />

der Bewegung des Erdkerns einhergehen.<br />

Da das gesamte Spektrum der Hauptfeldvariationen Teil<br />

des Geodynamoprozesses ist, ist auch die Untersuchung<br />

der länger periodischen Eigenschaften der Säkularvariation<br />

für ein besseres Verständnis wichtig. Direkte Beobachtungen<br />

des Erdmagnetfelds reichen bis ins 16. Jahrhundert<br />

zurück. Die Magnetfeldstärke konnte allerdings<br />

erst seit 1840 bestimmt werden, als Carl Friedrich Gauß<br />

ein entsprechendes Messverfahren entwickelte. Diese<br />

Beobachtungen decken also nur einen kleinen Teil des<br />

Spektrums der Magnetfeldvariationen ab. Informationen<br />

über länger periodische Variationen können aus archäound<br />

paläomagnetischen Daten gewonnen werden. Gebranntes<br />

archäologisches Material, vulkanisches Gestein und<br />

Sedimente können Magnetfeldrichtung und -stärke zur<br />

Zeit ihrer Entstehung gewissermaßen einfrieren. Die Anzahl<br />

solcher verfügbaren Datensätze von verschiedenen<br />

Orten weltweit steigt ständig. Einzelne, regionale Datensätze<br />

lassen nur begrenzt Rückschlüsse auf die globalen<br />

Prozesse zu. Wir haben die aktuellen Modellierungsmethoden,<br />

wie sie für Observatoriums- und Satellitendaten<br />

verwendet werden, auf global verteilte archäo- und paläomagnetische<br />

Daten der letzten 7.000 Jahre angewandt<br />

(Korte et al., <strong>2005</strong>; Korte and Constable, <strong>2005</strong>a), um<br />

gegenwärtige kontinuierliche Magnetfeldbeschreibungen<br />

zu verlängern und so das Spektrum der global untersuchbaren<br />

Charakteristika der Säkularvariation zu erweitern.<br />

Das Modell CALS7K (model from Continuous Archäoand<br />

Lake Sediment data of the past 7k years) hat aufgrund<br />

der schlechteren globalen Verteilung und größeren Unsicherheiten<br />

der Daten zwangsläufig eine schlechtere Auflösung<br />

als aktuelle Modelle, beschreibt aber zuverlässig<br />

die großräumige Säkularvariation im Periodenbereich von<br />

Jahrhunderten bis Jahrtausenden. Das Modell wird gegenwärtig<br />

verwendet, um die globale Verteilung und eventuell<br />

vorhandene Periodizitäten zu studieren und um Rückschlüsse<br />

über die Flüssigkeitsbewegungen im äußeren<br />

Erdkern zu ziehen. Die äquivalente Modellierungsmethode<br />

ermöglicht den direkten Vergleich mit Resultaten aus<br />

Studien des aktuellen Magnetfelds und der kurzperiodischen<br />

Säkularvariation.<br />

Eines der wichtigsten Ergebnisse, die bisher aus CALS7K<br />

gewonnen wurden, ist die Beschreibung der Entwicklung<br />

des Dipolmoments seit 5.000 v. Chr. mit guter zeitlicher<br />

Auflösung (Abb. 2.64). Da ein einfaches, gegenüber der<br />

Drehachse der Erde leicht geneigtes Dipolfeld über 90 %<br />

des an der Erdoberfläche beobachteten Magnetfelds beschreibt,<br />

ist das Dipolmoment ein Maß für die globale<br />

Stärke des Erdmagnetfelds. Seit dem Beginn der Intensitätsmessungen<br />

1840 hat das Dipolmoment um 10 % abgenommen.<br />

Diese starke Abnahme des Magnetfelds ist beun-<br />

Abb. 2.64: Das geomagnetische Dipolmoment der letzten 7.000 Jahre und seine zeitliche Änderung. Erst die neue<br />

globale Modellierung CALS7K (rote Kurve) hat gezeigt, dass frühere Abschätzungen des Dipolmoments nur aus<br />

Archäo-Intensitätsdaten (VADMs) zu hoch liegen (Symbole). Im vergrößert dargestellten rechten Teil der Abbildung<br />

ist die gute Übereinstimmung mit dem auf historischen und aktuellen Daten basierenden Dipolmoment des GUFM-<br />

Modells (blau, Jackson et al., 2000) zu sehen. Die Abweichung (innerhalb der Fehlergrenzen) zwischen CALS7K und<br />

GUFM ist auf die beschränkte zeitliche Auflösung des CALS7K Modells zurückzuführen. Das Ergebnis der globalen<br />

Modellierung liefert jedoch eine wesentlich bessere zeitliche Auflösung als die früheren, über 500 bis 1.000 Jahre<br />

gemittelten VADM-Abschätzungen. Die<br />

hohe Variabilität des Dipolmoments wird<br />

besonders in den Ab- und Zunahmeraten<br />

(unten) deutlich.<br />

The geomagnetic dipole moment of the<br />

past 7000 years and its temporal change.<br />

The new global model CALS7K (red)<br />

shows that previous VADM results purely<br />

from archaeointensity data (symbols) are<br />

systematically biased high. The expanded<br />

right part of the figure confirms the good<br />

agreement between CALS7K and GUFM,<br />

a model based on historical data (blue,<br />

Jackson et al., 2000). The deviation of the<br />

two models (within the error estimates) is<br />

due to the limited temporal resolution of<br />

CALS7K. However, the temporal resolution<br />

in the global modelling approach is<br />

highly improved compared to VADM estimates,<br />

which are averaged over 500 to<br />

1000 years. The high variability of the<br />

dipole moment becomes most obvious<br />

when looking at rates of change (lower<br />

panel).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

259


260<br />

ruhigend, da das Feld unseren Lebensraum vor dem Einfluss<br />

des Sonnenwinds schützt. Bei starken magnetischen<br />

Stürmen und einer Verstärkung des Sonnenwinds nach<br />

Sonneneruptionen sind schon heute in hohen Breiten Ausfälle<br />

von Satelliten, Stromausfälle und Beeinträchtigungen<br />

des Flugverkehrs durch Probleme im Funkverkehr und<br />

erhöhte Strahlungsdosen zu beobachten. Eine weitere<br />

deutliche Abnahme des Magnetfelds würde in Zukunft<br />

zu einer globalen Zunahme solcher Probleme führen.<br />

Auch gibt es Spekulationen, dass die starke Abnahme der<br />

Beginn einer Feldumkehr sein könnte, wie sie zuletzt vor<br />

780.000 Jahren stattgefunden hat. Die Variationen des<br />

Dipolmoments in der Vergangenheit können Hinweise auf<br />

zu erwartende Änderungen geben. Bisher waren die Änderungen<br />

des Dipolmoments der letzten Jahrtausende nur<br />

aus der Beschreibung durch virtuelle axiale Dipolmomente,<br />

VADMs, bekannt. VADMs werden aus einzelnen<br />

Paläointensitätsmessungen gewonnen, sind gegenüber<br />

dem echten Dipolmoment jedoch als Einzelergebnisse<br />

stark durch Nicht-Dipolanteile des Felds verfälscht. Es<br />

wurde angenommen, dass durch Mittelung über global<br />

verteilte Ergebnisse und einige hundert bis tausend Jahre<br />

diese Einflüsse vernachlässigbar werden und solch ein<br />

gemitteltes VADM die Stärke des Dipolmoments repräsentiert.<br />

Das globale Modell CALS7K hat gezeigt, dass<br />

VADMs das Dipolmoment der letzten Jahrtausende systematisch<br />

überschätzt haben (Korte and Constable, <strong>2005</strong>b).<br />

Damit liegt der derzeitige Wert des Dipolmoments in der<br />

gleichen Größenordnung wie der Mittelwert der letzten<br />

7.000 Jahre. Es hat eine lange Zeit gegeben, in der das<br />

Dipolmoment deutlich schwächer war, und es variiert auch<br />

deutlich stärker als die VADMs erkennen lassen. Die generelle<br />

Abnahme hält seit ca. 2.000 Jahren an. Die mittlere<br />

Abnahmerate über diesen Zeitraum ist mit 1,5 % pro Jahrhundert<br />

jedoch deutlich niedriger als die derzeitige Rate,<br />

die im Vergleich der letzten Jahrtausende ebenfalls nicht<br />

außergewöhnlich stark ist. Eine Feldumkehr schon in<br />

weniger als 2.000 Jahren, wie sie sich durch lineare Extrapolation<br />

der derzeitigen Abnahmerate ergäbe, erscheint<br />

damit unwahrscheinlich.<br />

Das CALS7K Modell und insbesondere die verbesserte<br />

Beschreibung des Dipolmoments sind nicht nur für das<br />

Verständnis des Geodynamoprozesses von Bedeutung.<br />

Abb. 2.65: Verteilung des elektrischen Widerstands im Erdmantel. Das Modell beruht auf einer 1D Inversion von scheinbaren<br />

Widerständen und Phasen, die aus elektromagnetischen Transferfunktionen basierend auf CHAMP-Daten über<br />

4 Jahre gewonnen wurden. Die Anpassung des Modells an die Widerstände und Phasen ist links dargestellt. Das Modell<br />

zeigt, dass der Widerstand in der Tiefe von 410 km auf etwa 20 bis 30 Ωm abfällt. Die zweite Übergangszone liegt in<br />

einer Tiefe von 750 km, wo sich der Widerstand sogar bis auf 1 bis 2 Ωm reduziert.<br />

1D inversion resistivity model for apparent resistivities and phases inferred from CHAMP estimates of induction transfer<br />

functions, based on 4 years of measurements. The fit of the model to resistivities and phases is given by the solid<br />

lines (left). The model shows that at the 410 km boundary the resistivity drops to around 20-30 Ωm. The second transition<br />

zone is at around 750 km where the resistivity is reduced further to about 1-2 Ωm.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Anhand von Archiven kosmogener Nuklide, z. B. 10 Be in<br />

Eisbohrkernen oder 14 C, werden Variabilität der Sonneneinstrahlung<br />

und des Klimas der Vergangenheit untersucht.<br />

Die Produktionsraten solcher Nuklide hängen aber<br />

daneben auch von der Stärke des Erdmagnetfelds ab. Das<br />

Modell wird inzwischen an verschiedenen Instituten verwendet,<br />

um Stärke und Variabilität des Magnetfelds in solchen<br />

Studien zu berücksichtigen.<br />

Die Leitfähigkeit des Erdmantels<br />

Wie einleitend erwähnt, tragen auch in der Erdkruste und<br />

im Mantel induzierte Felder zu dem beobachteten Magnetfeldsignal<br />

bei. Studien der elektromagnetischen Induktion<br />

aus Satelliten- und Bodendaten können Erkenntnisse<br />

über Verteilung und Änderung der elektrischen Leitfähigkeit<br />

des Erdmantels liefern, welche zur Untersuchung von<br />

geodynamischen Prozessen wie dem Abtauchen tektonischer<br />

Platten, dem Aufsteigen von Mantel-Plumes und der<br />

Konvektion anomal heißen Mantelmaterials dienen kann.<br />

Dazu ist die Analyse der schnellen zeitlichen Magnetfeldvariationen<br />

nötig, wobei das Verständnis der Geometrie<br />

der Quellenfelder in der Magnetosphäre von entscheidender<br />

Bedeutung ist. Im Gegensatz zu Observatorien,<br />

die große Teile der Erdoberfläche und insbesondere<br />

die Ozeane nicht abdecken können, liefern Satelliten praktisch<br />

über den ganzen Globus verteilte Daten. Da jedoch<br />

die Anzahl der Magnetfeldsatelliten gering ist, werden<br />

räumlich komplexe externe Stromquellen zu jeder einzelnen<br />

Zeit nur relativ schlecht durch die Satelliten erfasst.<br />

Arbeiten, die im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms<br />

„Erdmagnetische Variationen“ in Sektion 2.3<br />

durchgeführt wurden, zeigten, dass frühere Ergebnisse von<br />

elektromagnetischen Transferfunktionen nur aus CHAMP-<br />

Abb. 2.66: Vorläufige digitale magnetische Anomaliekarte der Erde.<br />

Preliminary digital magnetic anomaly map of the Earth.<br />

Satellitendaten systematische Lokalzeitabhängigkeiten aufweisen,<br />

die auf eine unvollständige Beschreibung der<br />

Quellfeldgeometrie hinweisen (Balasis et al., <strong>2004</strong>). Wiederum<br />

ergänzen sich die reinen und langen Zeitreihen<br />

magnetischer Observatoriendaten und die raum-zeitlich<br />

verteilten Satellitendaten hervorragend, doch stellt auch<br />

hier die gleichzeitige Analyse ein nicht unerhebliches Problem<br />

dar. Die derzeitigen Arbeiten lieferten bereits eine<br />

bessere Beschreibung der magnetosphärischen Quellen<br />

sowie ein erstes, vorläufiges 1D-Modell der Leitfähigkeit<br />

des Erdmantels (Abb. 2.65, Balasis et al., <strong>2004</strong>).<br />

Auf dem Weg zu einer globalen magnetischen Anomaliekarte<br />

Seit eine ausreichende Anzahl an magnetischen Satellitendaten<br />

zur Verfügung steht, wurde in der Sektion 2.3<br />

eine sich stetig verbessernde Reihe von Modellen der<br />

Magnetisierung der Erdkruste entwickelt, die ausschließlich<br />

auf Satellitendaten beruht. Gesucht sind hier die statischen<br />

Feldanteile nach geeigneter Datenauswahl und<br />

weitgehender Elimination der Einflüsse externer Felder in<br />

den Daten. Das neueste dieser Modelle ist MF4 (Maus et<br />

al., <strong>2005</strong>b). Da die Daten vom Satelliten etwa 400 km oberhalb<br />

der Erdoberfläche gewonnen werden, enthalten sie<br />

keine Information über die detaillierte Struktur des Krustenfelds,<br />

d. h. lokale Anomalien mit Ausdehnung von<br />

weniger als etwa 400 km. Diese werden nur durch aeromagnetische<br />

Kartierungen erfasst, die jedoch lediglich für<br />

bestimmte Regionen durchgeführt werden und nur die<br />

Intensität des Erdmagnetfelds beschreiben, nicht aber die<br />

Richtungen. Eine Kombination von Satelliten-, Bodenund<br />

aeromagnetischen Daten ist notwendig, um Informationen<br />

über das kleinräumige Vektorfeld der Krustenmagnetisierung<br />

zu erhalten.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

261


262<br />

Das internationale WDMAM-Projekt (World Digital Magnetic<br />

Anomaly Map) hat die Erstellung einer weltweiten<br />

digitalen Karte der detaillierten Krustenmagnetisierung<br />

zum Ziel. Solch eine Karte wird für die Untersuchung<br />

großräumiger geologischer Strukturen und Prozesse sowie<br />

der tektonischen Entwicklung von Kontinenten und ozeanischen<br />

Gebieten nützlich sein und kann helfen, nationale<br />

Grenzen überschreitende geowissenschaftliche und<br />

politische Aspekte zu klären. Dieses Projekt besteht aus<br />

zwei Hauptaufgaben: Erstens müssen alle aeromagnetischen<br />

Kartierungen zusammengetragen werden, die zum<br />

Teil sehr kleinräumig, oft nicht frei verfügbar und unterschiedlich<br />

in Format und Informationsgehalt sind. Zweitens<br />

müssen geeignete Methoden entwickelt werden, die<br />

verschiedenen Daten vom Erdboden bis zur Satellitenhöhe<br />

mit ihrem unterschiedlichen Informationsgehalt gemeinsam<br />

zu einem Modell zu invertieren. An beiden Aufgaben<br />

war und ist das <strong>GFZ</strong> Potsdam maßgeblich beteiligt.<br />

Seit <strong>2005</strong> werden die Arbeiten auf diesem Gebiet aus dem<br />

GEOTECHNOLOGIEN-Programm unterstützt. Eine<br />

erste, vorläufige digitale Karte, welche die derzeit verfügbaren<br />

aeromagnetischen Datensätze kombiniert, konnte<br />

<strong>2005</strong> vorgestellt werden (Abb. 2.66). Zur gemeinsamen<br />

Invertierung aller Daten wurde eine verbesserte Methode<br />

der regionalen Variante der Kugelfunktionsanalyse, genannt<br />

R-SCHA (Revised Spherical Cap Harmonic Ananlysis),<br />

entwickelt (Thébault et al., <strong>2004</strong>). Mit dieser<br />

Methode lässt sich das detaillierte Krustenfeld für den gesamten<br />

Bereich zwischen Erdoberfläche und Satellitenhöhe<br />

mit einer bodennahen Auflösung von bis zu 30 km<br />

regional beschreiben, wie in Abb. 2.67 für Europa exem-<br />

plarisch dargestellt. Solche einzelnen Karten, mit denen<br />

auch Unterschiede in der räumlichen Auflösung unterschiedlicher<br />

aeromagnetischer Kartierungen optimal berücksichtigt<br />

werden können, sollen später zu einer weltweiten<br />

Karte kombiniert werden.<br />

Magnetische Signaturen ionosphärischer Instabilitäten –<br />

Störzonen für GPS-Navigation<br />

In der Ionosphäre niedriger Breiten kommt es einige Stunden<br />

nach Sonnenuntergang zur Ausbildung von Plasmainstabilitäten.<br />

Durchqueren GPS-Signale diese Gebiete,<br />

kommt es zur starken Degradation oder gar zum Verlust<br />

des Navigationssignals (Basu et al., 2002). Wegen der<br />

zunehmenden Bedeutung der satellitengestützten Navigation<br />

und speziell im Hinblick auf das europäische Galileo-System,<br />

findet das Studium der ionosphärischen Störungen<br />

zunehmendes Interesse.<br />

Mit Hilfe der hochauflösenden CHAMP-Messungen konnte<br />

erstmalig experimentell nachgewiesen werden, dass die<br />

Plasmainstabilitäten, auch Spread-F genannt, magnetische<br />

Signaturen aufweisen (Lühr et al., 2002). In einer<br />

anschließenden, DFG-geförderten statistischen Studie wurden<br />

die hochaufgelösten CHAMP-Magnetfelddaten von<br />

vier Jahren (2001 bis <strong>2004</strong>) nach den Signaturen der Instabilität<br />

systematisch durchforstet. Der daraus hervorgegangene<br />

Ereignis-Datensatz bietet eine exzellente Grundlage<br />

für statistische Analysen des Spread-F-Phänomens (Stolle<br />

et al., 2006). Eine Frage, die sich aufdrängt, ist die Verteilung<br />

von Gebieten, in denen Störungen des GPS-Sig-<br />

Abb.2.67:Vertikalkomponente des magnetischen Krustenfelds in Europa, beschrieben durch ein hochauflösendes regionales<br />

Modell aus der Kombination von aeromagnetischen Daten mit Ergebnissen von Boden- und Satellitenmessungen.<br />

Vertical component of the magnetic crustal field in Europe, described by a high-resolution regional model combining<br />

aeromagnetic, ground and satellite data.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 2.68: Globale Verteilung der in CHAMP-Daten beobachteten magnetischen<br />

Signaturen von Spread-F-Ereignissen zwischen 2001 und <strong>2004</strong>.<br />

Diese ionosphärischen Instabilitäten sind verantwortlich für starke Störungen<br />

des GPS-Signals. Die Instabilitäten treten bevorzugt nördlich und<br />

südlich des geomagnetischen Äquators auf. Eine spezielle Häufung ihres<br />

Vorkommens ist über dem südamerikanischen/atlantischen Gebiet zu erkennen.<br />

Global distribution of all Spread-F related magnetic signatures detected in<br />

CHAMP data between 2001 and <strong>2004</strong> and for geomagnetic quiet periods<br />

with Kp < 3. These ionospheric instabilities are responsible for strong interferences<br />

in the GPS signal. The signatures are detected north and south<br />

along the geomagnetic equator with a high occurrence rate over the South<br />

American/Atlantic sector.<br />

nals häufig zu erwarten sind. Abb. 2.68 zeigt die globale<br />

Verteilung aller von CHAMP registrierten Signaturen der<br />

Instabilität während des oben erwähnten Zeitintervalls.<br />

Darauf ist zu erkennen, dass sich die Störzonen nördlich<br />

und südlich entlang des geomagnetischen Äquators ausbilden.<br />

Eine besondere Häufung findet<br />

man über dem südamerikanischen/atlantischen<br />

Sektor. Weit weniger Ereignisse<br />

wurden über dem indischen Subkontinent<br />

detektiert.<br />

Der umfangreiche Datensatz von etwa<br />

10.000 positiven Detektionen erlaubt es<br />

nach Bedingungen zu suchen, die die Entstehung<br />

der Instabilität begünstigen oder<br />

behindern. Die statistische Analyse hat<br />

eine bisher nicht bekannte starke saisonale<br />

und längenabhängige Variation der<br />

Auftretenswahrscheinlichkeit ergeben.<br />

Abb. 2.69 zeigt, wie sich die Häufigkeitsrate<br />

der Signaturen während eines<br />

Jahres über die geographischen Längen<br />

verteilt. Besonders auffällig sind hierbei<br />

hohe Raten von bis zu 80 % in den Monaten<br />

Dezember und Januar im südamerikanisch/atlantischen<br />

Bereich. Im Gegensatz<br />

dazu wurden in dieser Region in den<br />

Monaten Mai bis August kaum Instabilitäten<br />

beobachtet. Weiterhin hohe Häufigkeitsraten<br />

treten in den Monaten um<br />

die Tag- und Nachtgleichen im afrikanischen<br />

Sektor auf, der wiederum um den<br />

Jahreswechsel nur sehr gering von Spread-<br />

F betroffen ist. Bemerkenswert ist auch<br />

die recht gleichmäßige Verteilung im<br />

September/Oktober über alle Längenbereiche.<br />

Aus all diesen Ergebnissen lassen<br />

sich wichtige Rückschlüsse auf die Empfangsqualitäten<br />

von GPS-Signalen an<br />

bestimmten Orten und zu gewissen Zeiten<br />

ziehen.<br />

Als nächstes ist vorgesehen, die relevanten<br />

elektromagnetischen Prozesse zu<br />

erforschen, um das Vorkommen und die<br />

Entwicklung von störenden ionosphärischen<br />

Instabilitäten besser zu verstehen<br />

und vorhersagen zu können.<br />

Studium der Hochatmosphäre mit dem<br />

Satelliten CHAMP<br />

Mit zunehmender Auflösung der Magnetfeldmessungen<br />

erkennt man, dass das<br />

geomagnetische Feld bisher nicht<br />

bekannte Einflüsse auf eine Reihe von<br />

Prozessen in der Umgebung unseres Planeten<br />

hat. Für ein verbessertes Verständnis<br />

dieser Vorgänge sind daher gleichzeitige<br />

Messungen mehrerer Größen von<br />

entscheidender Bedeutung. Der Satellit<br />

CHAMP bietet derartige Beobachtungssätze. Besonders<br />

großen Einfluss hat das irdische Magnetfeld auf die Bewegung<br />

der geladenen Teilchen in der uns umgebenden Ionosphäre<br />

und der Magnetosphäre und damit auf die Ströme,<br />

die in diesen Gebieten fließen. Für geladene Teilchen, die<br />

Abb.2.69: Längenabhängige Variation der ionosphärischen Instabilitäten<br />

im Verlauf eines Jahres. Besonders hohe Häufigkeitsraten treten um den Jahreswechsel<br />

über dem südamerikanisch/atlantischen Gebiet mit bis zu 80 %<br />

auf. Im Sommer ist dieses Gebiet frei von Störungen. Die Umrisse der Kontinente<br />

sind am oberen Rand zur besseren Orientierung angebracht.<br />

Longitudinal variation of the ionospheric instabilities over the course of a<br />

year. Very high occurrence rates of up to 80 % are observed in the South<br />

American/Atlantic sector around the December solstice. During summer<br />

this region is free of disturbances. The map of continents above the diagram<br />

may help to localise the affected regions.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

263


264<br />

Abb. 2.70: Links: Verteilung der feinskaligen, feld-parallelen Ströme (FACs) in den polaren Gebieten beider Hemisphären.<br />

Die überwiegende Zahl derartiger Ströme wurde von CHAMP auf der Tagseite zu Lokalzeiten zwischen 5 und<br />

18 Uhr beobachtet. Rechts: Differenz der Luftdichte zwischen den Messungen von CHAMP und dem Atmosphärenmodell<br />

MSIS in Prozent. Auffallend sind die beobachteten Dichtemaxima auf der Tagseite an den Orten wo sich auch<br />

die feinskaligen FACs konzentrieren. Diese Art von Strömen bewirkt offensichtlich eine Aufheizung der Hochatmosphäre.<br />

Left: Distribution of small-scale field-aligned currents (FACs) in the polar regions of both hemispheres. The majority<br />

of these FACs are detected by CHAMP on the dayside within the 5 to 18 local time sector. Right: Relative difference<br />

in percent between CHAMP air density measurements and atmospheric model (MSIS) values. Outstanding are the<br />

observed maxima on the dayside at locations that coincide with the concentration of small-scale FACs. These currents<br />

obviously make important contributions in heating the upper atmosphere.<br />

von außen kommen, wie zum Beispiel der Sonnenwind,<br />

wirkt das Magnetfeld wie ein Schutzschild. Trotz dieser<br />

Eigenschaft vermag der Sonnenwind an aktiven Tagen<br />

eine große Menge Energie auf das System Erde zu übertragen.<br />

Diese Energie verteilt sich nicht gleichmäßig über<br />

die Erdoberfläche, sondern wird in Form von Strömen entlang<br />

der Magnetfeldlinien in die Hochatmosphäre hoher<br />

Breiten geleitet und dort in Wärme umgewandelt. Diese<br />

feldparallelen Ströme, kurz FACs genannt, sind auch die<br />

Ursache der herrlichen Polarlichter, die man häufig in<br />

polaren Gebieten antrifft.<br />

Neuere Beobachtungen von CHAMP belegen, dass die<br />

FACs nicht immer als großräumiges, kontinuierliches<br />

Stromband auftreten, sondern sich häufig in viele Stromfilamente<br />

mit typischen Durchmessern von einem Kilometer<br />

aufspalten. Dank der guten zeitlichen Auflösung<br />

von 50 Messungen pro Sekunde kann CHAMP bei seiner<br />

Umlaufgeschwindigkeit von 7,6 km/s derartige Strukturen<br />

noch sicher auflösen. Für die Jahre 2002 und 2003<br />

wurden die CHAMP-Daten systematisch nach intensiven<br />

feinskaligen FACs durchforstet. In etwa 10 % der Umläufe<br />

waren derartige Stromstrukturen zu finden. Wie man<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


der linken Seite der Abb. 2.70 entnehmen<br />

kann, konzentrieren sich diese Ströme in<br />

hohen magnetischen Breiten oberhalb<br />

von 60° ringförmig um die Magnetpole<br />

in beiden Hemisphären. Eine besonders<br />

große Häufigkeit ist auf der Tagseite zwischen<br />

6 und 18 Uhr Lokalzeit zu beobachten.<br />

Auf der Nachtseite findet man<br />

gelegentlich auch derartige Ereignisse,<br />

aber sehr viel seltener.<br />

Bisher konnte nicht zweifelsfrei geklärt<br />

werden, welcher physikalische Prozess<br />

für die Filamentierung der feld-parallelen<br />

Ströme verantwortlich ist. Dennoch sind<br />

die Ströme von erheblicher Bedeutung,<br />

da sie wegen ihrer kurzen Skalenlängen<br />

besonders effektiv ihre elektrische Energie<br />

in Wärme umwandeln und damit die<br />

Hochatmosphäre lokal aufheizen. Wie<br />

von Lühr et al. (<strong>2004</strong>) gezeigt wurde,<br />

geschieht dies bevorzugt im Mittagssektor<br />

in etwa 75° Breite. Eine mögliche<br />

Indikation für die ionosphärische Heizung<br />

ist die Elektronentemperatur. Die<br />

beobachtete, sehr enge Korrelation zwischen<br />

dem Antreffen von feinskaligen<br />

FACs und einer deutlich erhöhten Elektronentemperatur<br />

ist ein Hinweis auf die<br />

Bedeutung der Stromfilamente für den<br />

Energieeintrag.<br />

Mit seinem Akzelerometer hat CHAMP<br />

ein Instrument an Bord, mit dem sich die<br />

Abbremsung des Satelliten und damit die<br />

Dichte der Restatmosphäre bestimmen<br />

lässt. Dieses neuartige Messverfahren<br />

wurde in den zurückliegenden zwei Jahren intensiv genutzt,<br />

um die Eigenschaften der Thermosphäre (100 bis<br />

1.000 km Höhe) genauer zu studieren. Ein Ziel des von<br />

der Humboldt Stiftung geförderten Projekts war die Überprüfung,<br />

inwieweit die gängigen Atmosphärenmodelle,<br />

z. B. MSIS (Mass Spectrometer and Incoherent Scatter)<br />

die realen Gegebenheiten widerspiegeln. Diese Modelle<br />

finden breite Anwendung, unter anderem bei der Vorausberechnung<br />

von Satellitenbahnen. Ihre Zuverlässigkeit ist<br />

daher von erheblicher praktischer Bedeutung.<br />

In einer statistischen Studie haben Liu et al. (<strong>2005</strong>) CHAMP-<br />

Luftdichtemessungen des gesamten Jahres 2002 mit den<br />

Vorhersagen des MSIS-Modells verglichen. Für magnetisch<br />

ruhige Tage und in mittleren Breiten ergab sich eine<br />

befriedigende Übereinstimmung. Dennoch findet man in<br />

gewissen Gebieten auch hier signifikante Unterschiede.<br />

Dies ist ganz anders in hohen Breiten. Die Unterschiede<br />

zwischen Beobachtung und Modell betragen bis zu 30 %<br />

in nord- und südpolaren Bereichen, wie man den Diagrammen<br />

auf der rechten Seite der Abb. 2.70 entnehmen<br />

kann. Besonders auffällig sind starke Dichteerhöhungen<br />

in der Umgebung des Mittagssektors in Breiten zwischen<br />

70° und 80°. Diese Anomalien sind offensichtlich nicht<br />

Abb. 2.71: Schematische Darstellung zur Fokussierung der feld-parallelen<br />

Ströme in der Cusp. Der Scheitelpunkt der geomagnetischen Feldlinien, auch<br />

Cusp-Region genannt, befindet sich in etwa 75° magnetischer Breite im<br />

Mittagssektor. Die einfließenden Ströme bewirken eine Heizung der Hochatmosphäre.<br />

The focussing of the field-aligned currents in the cusp is schematically<br />

shown. The funnel-shaped concentration of geomagnetic field lines, also called<br />

cusp, has its footprint in the ionosphere at about 75° magnetic latitude<br />

in the noon sector. The energy coming in through the FACs is heating the<br />

upper atmosphere.<br />

im Modell enthalten. Eine weitere, aber nicht so ausgeprägte<br />

Unterschätzung der Luftdichte finden wir auf der<br />

Nachtseite der Polarlichtzone. Interessanterweise decken<br />

sich die Gebiete erhöhter Luftdichte recht gut mit der Verteilung<br />

der feinskaligen FACs (linke Seite der Abb.). Auch<br />

die Luftdichtemessungen legen den Schluss nahe, dass die<br />

filamentartigen Ströme die Atmosphäre in ca. 100 km<br />

Höhe aufheizen. Durch die Temperaturerhöhung expandiert<br />

die Atmosphäre, und CHAMP durchquert daher in<br />

diesem Gebieten Luftschichten erhöhter Dichte, die man<br />

sonst nur in geringeren Höhen antrifft. In der so genannten<br />

Cusp-Region laufen die geomagnetischen Feldlinien<br />

trichterförmig zusammen. Wie man der Prinzipskizze in<br />

Abb. 2.71 entnehmen kann, werden hier offensichtlich<br />

Ströme aus weiten Bereichen der Magnetosphäre trichterförmig<br />

auf engem Raum in der Hochatmosphäre konzentriert,<br />

was ein Grund für die lokale Aufheizung sein<br />

könnte.<br />

In niedrigen Breiten finden wir auch eine unerwartete Verteilung<br />

der Luftdichte. Die höchste Dichte trifft man nicht<br />

am subsolaren Punkt an, wie von den Modellen suggeriert,<br />

sondern in Bändern nördlich und südlich des geomagnetischen<br />

Äquators (Liu et al., <strong>2005</strong>). Es gibt offen-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

265


266<br />

sichtlich neben der Sonne noch einen weiteren Mechanismus,<br />

der wesentlich zur Heizung der Atmosphäre beiträgt<br />

und der über das geomagnetische Feld gesteuert wird.<br />

Die Dichtemaxima folgen dem Verlauf des magnetischen<br />

Äquators auf beiden Seiten in einem Abstand von etwa<br />

25° Breite. Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, welcher<br />

Prozess für diese zusätzliche Heizung verantwortlich<br />

ist. Es besteht aber Einvernehmen darüber, dass es sich<br />

hier um eine Wechselwirkung zwischen den geladenen<br />

und neutralen Gasteilchen der Hochatmosphäre handeln<br />

muss.<br />

Die Messungen des Satelliten CHAMP haben erstmalig<br />

die Rolle des Magnetfelds für die Dynamik der Hochatmosphäre<br />

deutlich gezeigt. Diese Art von Effekten ist bisher<br />

in keinem der gängigen Atmosphärenmodelle berücksichtigt.<br />

Die Mehrpunktmessungen der Mission Swarm<br />

werden sicherlich weitere Erkenntnisse liefern.<br />

Literatur:<br />

Anderson, D. L. (1995): Lithosphere, asthenosphere, and perisphere, Rev. Geophys.,<br />

33, 125-149.<br />

Baisch, S., M. Bohnhoff, L. Ceranna, Y. Tu, and H.P. Harjes (2002): Probing<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


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Küstenhebung durch Erdbeben: Herausgehobene Brandungsplattform der Insel Santa Maria, Süd-Chile, wie sie bereits<br />

von Charles Darwin 1835 beobachtet wurden (Foto: Melnick).<br />

Coastal uplift due to earthquakes: Exposed abrasion platforms of the Santa Maria island, southern Chile, as already<br />

observed by Charles Darwin 1835.<br />

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Department 3<br />

Geodynamik<br />

Tektonische Prozesse und Massenverlagerungen aller Art<br />

in der Erdkruste und dem oberen Erdmantel sind unmittelbarer<br />

Ausdruck der Dynamik der Kontinente und damit<br />

bestimmend für den menschlichen Lebensraum. In ähnlicher<br />

Weise gestalten die Klimaentwicklung und die<br />

Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Hydrosphäre<br />

und Lithosphäre die Existenzbedingungen an der Erdoberfläche.<br />

Im Archiv Erdkruste sind die Produkte dieser<br />

geodynamischen und exogenen Prozesse als ähnliche und<br />

wiederkehrende Muster gespeichert. Ziel des Departments<br />

Geodynamik ist ihre Analyse mittels eines breiten<br />

Methodenspektrums. Der Schwerpunkt der Forschung<br />

liegt einerseits auf dem Studium der Entwicklung von<br />

Deformation, Massen- und Stofftransport in und auf der<br />

kontinentalen Kruste. Zum anderen konzentrieren sich die<br />

Arbeiten auf die Auflösung der jüngeren Klimaentwicklung<br />

und ihrer Steuerungsmechanismen.<br />

Seit den 60er-Jahren vollzieht sich in den Geowissenschaften<br />

ein Umbruch von konventionellen, eher beschreibenden<br />

Ansätzen, zu einer quantifizierenden Wissenschaft.<br />

Die wichtigsten Impulse entstammen dabei dem Konzept<br />

der Plattentektonik als vereinheitlichende geowissenschaftliche<br />

Theorie. Begleitet wurde dies durch die Entwicklung<br />

moderner Methoden der hochauflösenden Analytik<br />

auf der atomaren Ebene, Beobachtungen im Feldmaßstab<br />

und mathematische Modelle zur Abbildung und<br />

Simulation der relevanten Prozesse. Die damit quantitativ<br />

stofflich und physikalisch untersuchten Phänomene reichen<br />

von der Lithosphärendeformation, über die Sedimentgeologie<br />

und Klimaforschung, der Entwicklung von<br />

Lagerstätten bis hin zu Fragen der Naturgefahren im<br />

Zusammenhang mit den Bewegungen der Platten.<br />

Konvergente kontinentale Ränder nehmen dabei eine herausragende<br />

Stellung ein: hier konzentriert sich der menschliche<br />

Lebensraum mit der höchsten Bevölkerungsdichte<br />

und den höchsten Wachstumsraten. Zugleich sind sie die<br />

Zonen mit dem höchsten Nutzungs- und Gefährdungspotenzial<br />

für den menschlichen Lebensraum. Geodynamische<br />

Prozesse sind wegen der hohen Raten und Geschwindigkeiten<br />

an konvergenten kontinentalen Rändern wie in<br />

einem natürlichen Labor unmittelbar messbar und der<br />

Analyse zugänglich. Die Kollision ozeanischer Kruste mit<br />

kontinentaler Kruste steuert viele der wichtigsten Prozesse<br />

auf der Erde: die stärkste Erdbebenaktivität, die Entstehung<br />

von Tsunamis, einen vorwiegend explosiven Vulkanismus,<br />

die Bildung bedeutender mineralischer Lagerstätten<br />

sowie die Deformation und Umwandlung kontinentaler<br />

Gesteine. Nahezu alle Teile der kontinentalen<br />

Erdkruste sind hier gebildet oder im Verlauf der Erdgeschichte<br />

umgestaltet worden. Viele der entscheidenden<br />

Prozesse sind jedoch noch nicht ausreichend verstanden.<br />

Gemeinsamer Kernpunkt aller Fragen ist dabei ein voll-<br />

ständiges Verständnis der zugrunde liegenden Massenund<br />

Energietransfers, die offenbar sehr verschiedenen<br />

Mustern unterworfen sein können. Das Erfassen von so<br />

genannten transienten Geoprozessen, die nicht kontinuierlich<br />

ablaufen sondern in diskreten Schritten auf einer<br />

breiten zeitlichen und räumlichen Skala, tritt immer stärker<br />

in den Vordergrund.<br />

Konvergente Plattenränder: Massentransfer und<br />

Deformationsprozesse<br />

Konvergente Plattenränder sind die dynamischsten Regionen<br />

unseres Planeten. An ihnen sind aktive Prozesse der Bildung<br />

von Gebirgen ebenso fokussiert wie über 90 % der<br />

globalen Seismizität. Die Entwicklung von konvergenten<br />

Plattenrändern wird neben magmatischem Materialtransfer<br />

vor allem durch den tektonischen und erosiven Massenfluss<br />

gesteuert. Nach neueren Vermutungen kann dieser Materialfluss<br />

möglicherweise für sehr viele charakteristische<br />

Unterschiede im Verhalten konvergenter Plattenränder bis<br />

hin zu der dort auftretenden Seismizität verantwortlich sein.<br />

Eine Schlüsselrolle kommt dabei den mechanischen Eigenschaften<br />

des Plattenrandes und der Plattengrenzfläche zu,<br />

die die Entwicklung des gesamten Orogens mit beeinflussen.<br />

Daher sind in der Sektion 3.1 alle Elemente von konvergenten<br />

Plattenrändern, von der Deformationsfront am<br />

Tiefseegraben über das Gebirge bis hin zu den Vorlandbecken,<br />

Gegenstand der Forschung. Laufende Studien der<br />

Sektion 3.1 am konvergenten Kontinentrand Südamerikas,<br />

der wegen seiner Variabilität in dieser Hinsicht als herausragendes<br />

natürliches Labor gilt, sollen diese Zusammenhänge<br />

mit einem Spektrum von feldgestützten Vermessungen<br />

sowie analogen und numerischen Experimenten auf<br />

eine quantitative Basis stellen. Ziel ist ein grundsätzliches<br />

Verständnis der Schlüsselprozesse und Steuerfaktoren für<br />

Massentransfer und langfristige Deformation einerseits<br />

sowie für kurzzeitige Prozesse wie Erdbeben und Oberflächendeformation<br />

andererseits.<br />

Aktive Prozesse am Kontinentrand in Chile<br />

In Süd-Chile fand bei 38° 10' S am 22. 05. 1960 das stärkste<br />

historisch aufgezeichnete Erdbeben statt (Mw = 9,5).<br />

Es hatte eine Bruchlänge von ca. 1.000 km und verursachte<br />

einen bis zu 15 m hohen Tsunami, sowie eine koseismische<br />

Verschiebung von 40 m. Mit dem Projekt TIPTEQ<br />

(from The Incoming Plate to mega-Thrust EarthQuake<br />

processes, Abb. 3.1) untersuchen wir die Steuerfaktoren<br />

für Subduktionsbeben und die Prozesse in der seismogenen<br />

Koppelzone konvergenter Plattenränder sowie ihre<br />

Wirkung auf die damit verbundenen Prozesse an der Erdoberfläche<br />

im Bereich dieses Bebens. Dazu verwenden wir<br />

in insgesamt 13 Teilprojekten eine Vielzahl von Methoden,<br />

u. a. Geologie und Neotektonik, Reflexionsseismik,<br />

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Abb. 3.1: Lokationskarte des Projekts<br />

TIPTEQ in Südchile (TIPTEQ Re-search<br />

Group, in prep.)<br />

Location map of the project TIPTEQ in<br />

southern Chile (TIPTEQ Research<br />

Group, in prep.)<br />

numerische Simulationen von fluidgesteuerten<br />

Prozessen sowie Experimente<br />

mit Analogmaterialien im Labor.<br />

Ein erstes strukturelles Abbild der gesamten<br />

seismogenen Koppelzone im<br />

Untergrund wird die Reflexionsseismik<br />

liefern. Dazu hat <strong>2005</strong> ein großes seismisches<br />

Experiment stattgefunden, das entlang<br />

einer ca. 100 km langen Profillinie<br />

zwischen Küste und Zentraltal künstlich<br />

erzeugte Sprengungen registriert hat.<br />

Erste Auswertungen zeigen sehr deutliche<br />

Strukturen, ähnlich wie im Pilotexperiment<br />

SPOC (Abb. 3.2; Krawczyk &<br />

SPOC Team 2003). Diese Signaturen<br />

werden als aufgestapeltes Material interpretiert,<br />

das von der ozeanischen Platte<br />

unter den Kontinent transportiert und dort<br />

von unten angelagert wurde (Krawczyk et<br />

al., subm.) Die schmale Zone, in welcher<br />

Material zwischen der kontinentalen<br />

Oberplatte und der abtauchenden Unter-<br />

Abb. 3.2: Schematisches Abbild der Subduktionszone in Süd-Chile (oben) und seismischer Profilschnitt (unten) (Krawczyk<br />

et al., subm.)<br />

Schematic image of the subduction zone in southern Chile (above) and seismic profile (Krawczyk et al., subm.)<br />

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Abb. 3.3: Datierung der Spät-Pleistozänen und Holozänen Hebungsprozesse und Landformen der Insel Santa Maria<br />

(Melnick et al., in press; Fotos: D. Melnick, H. Echtler).<br />

Age dating of Late Pleistocene and Holocene uplift processes and morphology of the Santa Maria island, off Chile<br />

(Melnick et al., in press).<br />

platte in große Tiefen transportiert wird, ist der so genannte<br />

Subduktionskanal. Die Existenz eines Subduktionskanals<br />

in Südchile verhindert, dass die Sedimente, die auf<br />

der ozeanischen Platte angeliefert werden, frontal am Kontinent<br />

anlagern, so dass sich kein großer Akkretionskeil<br />

aus Sedimenten am Tiefseegraben bildet.<br />

In Südchile werden die basale Materialanlagerung an die<br />

Oberplatte und die Existenz eines aktiven Subduktionska-<br />

nals außerdem durch die Hebung der Küste angezeigt. Die<br />

Deformation und die Auswirkung des Subduktionsprozesses<br />

in der seismogenen Koppelzone auf die Oberfläche der<br />

Oberplatte wurden auf der Isla Santa Maria exemplarisch<br />

untersucht (Melnick et al., in press). Die Insel zeigt im westlichen<br />

Hauptteil eine nach Osten geneigte und verkippte<br />

Oberfläche, die von Spät-Pleistozänen, ~ 53.000 bis 31.000<br />

Jahre alten küstennahen marinen Sandsteinen sowie verfestigten<br />

Dünensanden unterlagert wird (Abb. 3.3).<br />

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Abb. 3.4: GPS-Messpunkt in Nord-Chile mit GPS-Antenne,<br />

GPS-Empfänger und Solar-Panels (Foto: <strong>GFZ</strong>).<br />

GPS measuring point in Northern Chile with GPS antenna,<br />

GPS receiver and solar panels.<br />

In den tieferen Lagen zeigen die Strandterrassen eine kontinuierliche<br />

Hebung auch über das gesamte Holozän (~ die<br />

letzten 10.000 Jahre). Die genaue Datierung dieser Sequenzen,<br />

in Korrelation mit den Meeresspiegelschwankungen in<br />

diesen Zeiträumen, ergibt eine relativ stete Verkippung und<br />

eine mittlere Hebungsrate von ~ 2 mm/Jahr über die letzten<br />

50.000 Jahre. Dieser Prozess erfolgte über Hebungen von<br />

jeweils bis zu 3 m während einzelner Starkbeben und wird<br />

zudem durch herausgehobene Brandungsplattformen angezeigt,<br />

wie sie bereits von Charles Darwin 1835 während seiner<br />

Anwesenheit auf der Insel beobachtet wurden (Darwin,<br />

1851). Zusammen mit seismischen Daten zeigen diese<br />

Ergebnisse, dass die Deformation der Oberfläche direkt mit<br />

den Prozessen in der Subduktionszone gekoppelt ist.<br />

Modellierung postseismischer Deformation in Chile<br />

mittels GPS-Daten<br />

Ein wesentlicher Steuerfaktor gebirgsbildender Prozesse<br />

an Subduktionszonen ist die Viskosität des oberen Mantels<br />

und der unteren Kruste. Aussagen über die Viskosität<br />

in diesem Bereich können aus postglazialen isostatischen<br />

Ausgleichsbewegungen und visko-elastischen Relaxationsvorgängen<br />

nach großen Subduktionsbeben abgeleitet<br />

werden. Die Bodenbewegungen können mit Satellitengestützten<br />

Messmethoden, z. B. GPS, hochgenau bestimmt<br />

werden.<br />

Das großräumige GPS-Netz SAGA (South American<br />

Geodynamic Activities), welches die zentralen und südlichen<br />

Anden überdeckt, wurde in wichtigen Regionen<br />

verdichtet, so dass insbesondere die andauernde postseismische<br />

Deformation in dieser Region mit einer höheren<br />

räumlichen Auflösung erfasst werden kann. Die angestrebte<br />

räumliche Auflösung liegt bei 50 km. Im Oktober<br />

und November <strong>2005</strong> wurden etwa 130 Punkte des SAGA-<br />

Netzes in Chile und weitere 24 Punkte in Argentinien<br />

erneut erfolgreich ausgemessen (Abb. 3.4).<br />

Die bereits durch frühere Messungen bestimmten postseismischen<br />

Deformationen im Bereich des großen Chile-<br />

Erdbebens von 1960 wurden genutzt, um visko-elastische<br />

Relaxationsvorgänge zu modellieren und rheologische<br />

Parameter der Unterkruste und des oberen Mantels abzuleiten.<br />

Grundsätzlich können diese Deformationen durch<br />

eine postseismische Verschiebung unterhalb der seismogenen<br />

Zone oder durch visko-elastische Ausgleichsprozesse<br />

erklärt werden. Die visko-elastische Relaxation<br />

bezieht sich auf die untere Kruste und den oberen Mantel.<br />

Aseismische Verschiebungen und visko-elastisches Fließen<br />

sind zwei Mechanismen, die in der Tiefe wirken, so<br />

dass es außerordentlich schwierig ist, mit Hilfe von Beobachtungen<br />

an der Erdoberfläche zwischen diesen Mechanismen<br />

zu unterscheiden. Auf der Grundlage der vorliegenden<br />

Daten ist es erstmalig gelungen, zwischen den oben<br />

genannten Mechanismen zu unterscheiden und die Viskosität<br />

unabhängig von bisherigen Modellen abzuschätzen.<br />

Die Modellierungen wurden mit dem komplexen FEM<br />

(Finite Elemente Methode)-Softwarepaket ANSYS durch-<br />

Abb. 3.5: a) Setup des 3D-FEM-Modells zur Abschätzung der Viskosität des oberen Erdmantels und der Unterkruste aus<br />

den gemessenen postseismischen Deformationen nach dem großen Chile-Erdbeben von 1960. b) Das dreidimensionale<br />

FEM-Modell besteht aus 28.500 Elementen und 125.000 Knoten. c) Die Vektoren zeigen die gemessenen postseismischen<br />

Punktverschiebungen (blaue Vektoren) und die modellierten Oberflächendeformationen (rote Vektoren). Das Model<br />

kann bei Einführung einer Viskosität von 4 x 1019 Pa s am besten an die Beobachtungen angepasst werden.<br />

a) Set-up of the 3D FEM model for the assessment of the viscosity of the upper mantle and lower crust from measured<br />

post-seismic deformation after the big Chile earthquake of 1960. b) The three-dimensional FEM model consists of<br />

28 500 elements and 125 000 knots. c) The vectors show the measured post-seismic point displacements (blue vectors)<br />

and the modelled surface deformation (red vectors). Adopting a viscosity of 4 x 1019 Pa s, the model is best adjusted<br />

to the observations.<br />

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geführt. Ausgehend von ‚state of the art‘ 3D-Strukturmodellen<br />

wurden visko-elastische Bereiche eingeführt, in<br />

denen die Viskosität der zu bestimmende Parameter war.<br />

Das Modell bestand aus einer elastischen Kruste und<br />

einem elastischen Slab, unter denen sich eine oder mehrere<br />

Schichten befanden, deren Ausdehnung und Viskosität<br />

bestimmt wurden (Abb. 3.5a und 3.5b. Bei der Vorwärtsmodellierung<br />

wurde sowohl die Viskosität als auch<br />

die Geometrie, die Dicke der kontinentalen und ozeanischen<br />

Kruste, die Rigidität, die koseismische Slipverteilung<br />

sowie andere Parameter variiert. Dabei haben Änderungen<br />

in der Viskosität besonders sensibel auf die Modellergebnisse<br />

reagiert. Die gemessene Deformation konnte<br />

am besten reproduziert werden, wenn in das Modell eine<br />

Viskosität von 4 x 1019 Pa s eingeführt wurde (Abb. 3.5c).<br />

Darüber hinaus konnte der Einfluss der Viskosität auf die<br />

interseismische Deformation abgeschätzt werden; dieser<br />

erreicht nach 100 Jahren bis zu 7 mm. Die Änderung in<br />

der Deformationsrate nimmt mit dem Abstand vom Trench<br />

zu. Die Schwerpunkte für zukünftige und ergänzende Arbeiten<br />

sind die Ableitung und Modellierung der transienten,<br />

im Zusammenhang mit Erdbeben stehenden Deformationsprozesse.<br />

Physikalische Experimente zur Geodynamik konvergenter<br />

Plattenränder<br />

Mit physikalischen Experimenten, die im Geodynamiklabor<br />

des <strong>GFZ</strong> mit einem hoch auflösenden Monitoringsystem<br />

aufgezeichnet werden, lassen sich Deformationsvorgänge<br />

an konvergenten Plattenrändern, die sich in der<br />

Natur in geologischen Zeiträumen abspielen, schnell und<br />

effizient simulieren (Abb. 3.6). Gegenwärtig werden im<br />

Geodynamiklabor geophysikalische Methoden mit der<br />

Analogmodellierung vereint, mit dem Ziel, Strukturen in<br />

den Analogmodellen seismisch abzubilden und die Übertragbarkeit<br />

auf natürliche Systeme zu erforschen. Außerdem<br />

soll die Analyse von Oberflächendeformationsmustern<br />

in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Größenordnungen<br />

(Meter bis 100er Kilometer, Jahre bis Jahrmillionen)<br />

dem Verständnis der Skalenabhängigkeit von<br />

Deformationsmechanismen und -prozessen dienen.<br />

Ein Vergleich von Laborergebnissen mit Beobachtungen<br />

in den Zentralanden soll die Übertragbarkeit auf die Natur<br />

überprüfen. Im Zusammenhang mit dem Projekt TIPTEQ<br />

werden dazu die Massentransferprozesse im Subduktionskanal<br />

und die von Subduktionsbeben hervorgerufene<br />

Deformation in der Oberplatte untersucht. Der Materialtransport<br />

in Subduktionskanälen steuert den Wachstumsmodus<br />

der Oberplatte und kann in der Natur nur indirekt<br />

beobachtet werden. Daher wurden Subduktionsszenarien<br />

mit unterschiedlichen Subduktionskanälen im<br />

Labor simuliert. Subduktionskanäle, die zu einem Materialzuwachs<br />

der Oberplatte führen, sind immer unterhalb<br />

der Oberplatte lokalisiert und geben zeitweise Material an<br />

die Oberplatte ab (Abb. 3.7).<br />

Bei der Subduktionserosion erleidet die Oberplatte einen<br />

Materialverlust, weil Material von ihrer Basis in den Subduktionskanal<br />

inkorporiert wird. Obwohl Zyklizitäten in<br />

Abb. 3.6: Durchführung und Monitoring eines physikalischen<br />

Experiments im Geodynamiklabor (Foto: Lohrmann).<br />

Performance and monitoring of a physical experiment in<br />

the geodynamic laboratory.<br />

Deformation und Massenfluss im Subduktionskanal<br />

beobachtet werden, tritt kein wiederholbares Deformationsmuster<br />

innerhalb einzelner Zyklen auf. Daher besitzen<br />

kurzzeitige Beobachtungen keine Aussagekraft für<br />

den geologisch langzeitigen, permanenten Massenfluss.<br />

Die kurzzeitigen Beobachtungen geben allerdings Aufschluss<br />

über die starke Variabilität und Komplexität des<br />

Materialflusses. Nur mit diesem Prozessverständnis ist es<br />

möglich, die geophysikalischen Abbilder von natürlichen<br />

Systemen zu interpretieren, da sie, abhängig von der Beobachtungsmethode,<br />

Strukturen abbilden, welche in unterschiedlichen<br />

Zeiträumen angelegt wurden.<br />

Am chilenischen Kontinentalrand lassen sich so vor allem<br />

mit Hilfe reflexionsseismischer Profile (Abb. 3.2) in Kombination<br />

mit der Erdbebenaktivität Strukturen identifizieren,<br />

die die Existenz von einem rezent aktiven Subduktionskanal<br />

belegen. Die mechanischen Eigenschaften des<br />

Subduktionskanals haben erhebliche Bedeutung für den<br />

tektonischen Massenfluss, das Krustenwachstum, wie<br />

auch für das Muster der Erdbebenaktivität und das Heben<br />

und Senken der Erdoberfläche.<br />

Die mit den Prozessen in der seismogenen Koppelzone<br />

verbundenen Erdbeben treten meist zyklisch auf. Da diese<br />

Zyklen länger als ein menschliches Leben sind, werden<br />

sie im Labor simuliert und im Zeitraffer untersucht. Dieses<br />

Verfahren ermöglicht außerdem, die tiefen Erdbebenprozesse<br />

mit Deformationen der Oberfläche in Beziehung<br />

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Abb. 3.7: Untersuchung von Subduktionskanalprozessen. Oben: Experimentelles Setup für Sedimentakkretion (links) und<br />

Subduktionserosion (rechts). Mitte: Kurzzeitprozesse im Subduktionskanal. Rote und grüne Farben illustrieren die Magnitude<br />

der Störungsaktivität. Unten: Vergleich des akkretiven und erosiven Subduktionskanals (Lohrmann et al., subm.)<br />

Investigation of subduction channel processes. Top: experimental set-up for sediment accretion (left) and subduction<br />

erosion (right). Middle: short-term processes within the subduction channel. Red and green colours illustrate the magnitude<br />

of fault activity. Bottom: Comparison between accretive and erosive subduction channels (Lohrmann et al., subm.)<br />

Abb. 3.8: Simulation von Subduktionsbeben. Oben: Aus Beobachtungen in der Natur abgeleitete Konzepte zur Oberflächendeformation<br />

im seismischen Zyklus. Mitte: Verschiebungspfade während eines simulierten Subduktionsbebens<br />

im Profil. Die Verschiebungspfade auf der Oberfläche werden in Zukunft durch hochauflösende Kameras entlang einer<br />

virtuellen Umlaufbahn beobachtet, um diese direkt mit Fernerkundungsdaten vergleichen zu können. Unten: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen<br />

von Reis, der zur Simulation von Stick-Slip-Verhalten entlang der Koppelzone<br />

benutzt wird.<br />

Simulation of subduction earthquakes. Top: Concepts of surface deformation during the seismic cycle as derived by<br />

high-resolution observations in nature. Centre: Displacement field during a simulated subduction earthquake in cross<br />

section. The surface displacement field in map view will be monitored by high-resolution cameras arranged along a<br />

virtual orbit to directly compare simulated deformation with remote sensing data from nature. Bottom: SEM images<br />

of rice used to simulate stick-slip behaviour along the coupling zone. ➤<br />

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zu setzen und Vorhersagestrategien für die Risikoverteilung<br />

zu entwickeln. Während die koseismische Deformation<br />

überwiegend elastisch ist, also nicht zur Langzeitdeformation<br />

beiträgt, wird interseismisch sowohl elastische<br />

als auch permanente Deformation in der Oberplatte auf-<br />

genommen. Letztere trägt über mehrere Erdbebenzyklen<br />

hinweg dazu bei, den Kontinentalrand zu formen.<br />

Die Simulation von Subduktionsbeben muss sowohl Reibungseigenschaften<br />

als auch elastische und viskose Mate-<br />

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rialparameter einschließen. Die Reibungseigenschaften<br />

spielen insbesondere entlang der Plattengrenzfläche eine<br />

entscheidende Rolle. Die Deformation innerhalb der Koppelzone<br />

zeichnet sich durch Reibungsinstabilitäten (Stick-<br />

Slip) aus, die Ausdruck einer dynamischen Schwächung<br />

sind. In unseren Experimenten wird z. B. Reis für die<br />

Simulation von Reibungsinstabilitäten verwendet. Je nach<br />

regionaler Temperaturverteilung wird die Koppelzone entlang<br />

der Plattengrenzfläche nach unten durch einen<br />

Bereich stabilen Gleitens oder plastischen Kriechens<br />

begrenzt, der durch dynamische Stärkung gekennzeichnet<br />

ist. Dieser Bereich wird in unseren Modellen entweder<br />

durch granulare Materialien (z. B. Zucker) oder viskoelastische<br />

Materialien (z. B. Silikonöle) simuliert. Der Kontinentrand<br />

besteht in der Simulation neben den in der Koppelzone<br />

benutzten Materialien aus Gummigranulat zur<br />

Erhöhung seiner Elastizität und Lokalisierung der Deformation<br />

in der Oberplatte (Abb. 3.8).<br />

Tektonische Zyklen in Vorlandbecken<br />

Vorlandbecken, wie das Nordalpine Molasse- oder das<br />

Südalpine Pobecken, entstehen durch die Kollision zweier<br />

Kontinente. Die veränderte Auflast während der Kollision<br />

führt zu einem Verbiegen der beteiligten Lithosphärenplatten<br />

und somit zur Beckenbildung. Da solche Vorlandbecken<br />

nach passiven Kontinenträndern das größte Kohlenwasserstoffpotenzial<br />

aufweisen, ist ein besseres Ver-<br />

Abb. 3.9: Oben: Schematisches Profil durch einen Falten- und Überschiebungsgürtel<br />

und die assoziierte Vorsenke. Unten: Basierend auf skalierten<br />

Analogexperimenten, welche die Entwicklung von Kollisionsorogenen simulieren,<br />

wurde die zeitliche Entwicklung der Vorsenkengeometrie berechnet.<br />

Deutlich lassen sich die drei Sedimentationsräume Vorsenke (Foredeep),<br />

Forebulge und Backbulge unterscheiden. Die Schwankungen der Isolinien<br />

spiegeln das zyklische Wachstum des Kollisionsorogens wieder und deuten<br />

somit das Auftreten von Trans- und Regressionen an.<br />

Top: Schematic profile through a fold and thrust belt and the adjacent foreland<br />

basin. Bottom: Based on the evolution of scaled sandbox experiments,<br />

which were aimed at simulating the evolution of collisional orogens, the respective<br />

geometry of the foreland basin was calculated. The resulting map<br />

shows clearly the three depozones, i.e. the foredeep, the forebulge and the<br />

backbulge. The cyclic change of the isolines, which indicate trans- and<br />

regressions, correspond to a likewise change in orogenic growth. Thus, while<br />

analysing the stratigraphic record within foreland basins tectonic activity,<br />

i.e. the initiation of major thrusts should be taken into account.<br />

ständnis ihrer räumlich-zeitlichen Entwicklung von großer<br />

Bedeutung. In früheren Studien zur Entwicklung von<br />

Vorlandbecken wurde jeweils ein kontinuierlich wachsendes<br />

Kollisionsorogen angenommen. Ergebnisse unserer<br />

skalierten physikalischen Experimente sowie analytischen<br />

Flexurmodellierungen zeigen jedoch, dass dieses<br />

kontinuierliche Wachstum durch Phasen erhöhter Wachstumsraten<br />

unterbrochen wird. Letztere gehen auf die Initiierung<br />

orogenweiter Überschiebungen zurück (Abb. 3.9).<br />

Die sich daraus ergebende Auflastveränderung bewirkt<br />

eine Änderung der Vorsenkengeometrie, welche zum Voroder<br />

Rückschreiten der marinen Küstenlinie innerhalb der<br />

Vorsenke führen kann. Diese tektonisch induzierten Meeresspiegelschwankungen<br />

lassen sich momentan nur schwer<br />

von solchen unterscheiden, welche durch Klimaveränderungen<br />

entstanden, so dass hier weiterer Forschungsbedarf<br />

besteht. Insgesamt zeigt sich, dass die räumlich-zeitliche<br />

Entwicklung von Vorlandbecken und ihrer Sedimentationsräume<br />

durch das Zusammenwirken, aber auch durch<br />

Rückkopplungen zwischen weiteren Faktoren, wie der Festigkeit<br />

und der Elastizität der beiden Kontinentplatten,<br />

sowie von Erosion und Sedimentation gesteuert wird.<br />

Scherzonen und Erdbeben<br />

Scherzonen sind lateral eng begrenzte Bereiche verschiedener<br />

Länge, die die Erdkruste in Fragmente variabler<br />

Größe zerlegen. Als ausgedehnte Plattengrenzen reichen<br />

sie bis in den Erdmantel hinein und fokussieren<br />

die seismische Aktivität der Erde.<br />

Die während eines Erdbebenzyklus in<br />

wechselnden Regionen einer Scherzone<br />

ablaufenden physikalischen und chemischen<br />

Prozesse sind noch weitgehend<br />

unbekannt. Bisher wurden weder Vorläuferphänomene<br />

beschrieben, die eine<br />

deterministische Vorhersage von Erdbeben<br />

erlauben, noch gibt es befriedigende<br />

Modelle, die zur vollständigen Beschreibung<br />

der transienten postseismischen<br />

und interseismischen Deformation von<br />

Scherzonen und ihrer Umgebung geeignet<br />

erscheinen.<br />

Herdprozesse von Erdbeben lassen sich<br />

durch eine Verbindung von seismologischen<br />

Beobachtungen, Strukturuntersuchungen<br />

und Laborexperimenten entschlüsseln.<br />

Der Herdmechanismus kann<br />

entweder durch Riss- oder Dislokationsmodelle<br />

oder als instabiler Reibungsprozess<br />

beschrieben werden. Diese Modelle<br />

sagen prinzipiell voraus, dass eine dynamische<br />

Bruchausbreitung erst nach einer<br />

Nukleationsphase erfolgen kann, innerhalb<br />

derer sich der Bruch über eine kritische<br />

Distanz ausbreitet, um sich dann mit<br />

ca. 70 bis 80 % (in Einzelfällen möglicherweise<br />

mit mehr als 100 %) der Scherwellengeschwindigkeit<br />

im Gestein fortzusetzen.<br />

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Bruchentstehung und Bruchausbreitung<br />

In Deformationsexperimenten werden unter hohem Druck<br />

Mikrorisse in Gesteinen erzeugt. Akustische Ereignisse<br />

(AE) während der Rissbildung können geortet werden und<br />

erlauben so eine hochgenaue Bestimmung der Nukleationszone<br />

des Bruches. Die Entstehung und Entwicklung<br />

eines Bruches in intaktem Gestein wurde experimentell<br />

unter verschiedenen Belastungsarten untersucht. Hierzu<br />

wurden mechanische Daten aus Deformationsexperimenten<br />

mit mikrostrukturellen Untersuchungen und fortgeschrittenen<br />

Verfahren zur Analyse der beim Bruch abgestrahlten<br />

akustischen Emissionen miteinander kombiniert.<br />

Aus den Experimenten, die an verschiedenen Gesteinen<br />

(Granit, Sandstein Kalkstein, Steinsalz) durchgeführt<br />

wurden, ergibt sich ein konsistentes Bild der Nukleation<br />

und des Wachstums von Zug- und Scherbrüchen.<br />

Dabei lassen sich schematisch drei Stadien der Bruchentwicklung<br />

unterscheiden (Abb. 3.10): 1. Unter Belastung<br />

entstehen im Gestein zahlreiche und relativ homogen verteilte<br />

Mikrorisse. Bereits vorhandene Risse dehnen sich<br />

aus. In der Mikrostruktur sind Scherrisse kaum nachweisbar.<br />

2. In einem räumlich eng begrenzten Riss-Cluster<br />

(Nuklationszone) kommt es zur Wechselwirkung zwischen<br />

Mikrorissen, lokaler Spannungskonzentration und<br />

zum Versagen von Materialbrücken. Der Scherbruch<br />

wächst ins intakte Gestein und wird von einer Auflockerungszone<br />

(Prozesszone) umgeben. 3. Der Bruch tritt<br />

abrupt ein und wird von einem Spannungsabfall bis auf<br />

den Reibungswiderstand der Bruchfläche begleitet. Dabei<br />

werden in der Scherzone Gesteinsfragmente zerbrochen,<br />

rotiert und kompaktiert. Die Verteilung der Mikrorisse und<br />

der Hypozentren der akustischen Emissionen dokumentiert<br />

eine Konzentration der Verformung beim Übergang<br />

vom Bruch zum Reibungsgleiten.<br />

Die Ergebnisse der Experimente erlauben es, die komplexe<br />

Mikromechanik von Nukleationsprozessen bei Erdbeben,<br />

wie z. B. das Abscheren von Materialbrücken oder<br />

Barrieren in einer Scherzone, besser zu verstehen. Der<br />

dynamische Verlauf von Bruchvorgängen weist auf verschiedenen<br />

räumlichen Skalen strukturelle Parallelen auf.<br />

Zum Beispiel sind unabhängig vom Maßstab in der Prozesszone,<br />

d. h. der Auflockerungszone, die einen Scherbruch<br />

im Gestein umgibt, häufig einzelne eng lokalisierte<br />

Scherbänder nachweisbar, auf die sich diskrete Anteile<br />

der Verschiebung verteilen. Ein Vergleich von im Labor<br />

erzeugten Scherzonen mit Scherzonen mittlerer Größe,<br />

wie sie z. B. in Minen auftreten, und mit Feldbeobachtungen<br />

an Plattengrenzen zeigt, dass die Ausdehnung der<br />

Prozesszone, die kritische Verschiebungslänge und die<br />

Energiefreisetzungsrate vielfach mit der Dimension der<br />

Scherzone korrelieren (Abb. 3.11).<br />

Duktile Bruchprozesse<br />

Auch bei hohen Temperaturen und Drücken können Verformungsprozesse<br />

in der Natur weitgehend transient verlaufen.<br />

Insbesondere kann plastische Verformung über<br />

lange Zeiträume bzw. bei hohen Verformungsbeträgen zu<br />

Instabilitäten führen. Diese duktilen Bruchprozesse sind<br />

möglicherweise eine der Ursachen für die Entstehung von<br />

Pseudotachyliten, die Lokalisierung von Scherbändern und<br />

das Vorkommen seismischer Tremore in der Unterkruste<br />

sowie eventuell auch für die Existenz von Tiefbeben.<br />

Zum Verständnis der mikrophysikalischen Prozesse bei<br />

der Entstehung von Hochtemperaturinstabilitäten wurden<br />

Laboruntersuchungen an feinkörnigen, synthetischen<br />

Feldspataggregaten durchgeführt. Die Versuche erfolgten<br />

bei 400 MPa Umgebungsdruck, Temperaturen von 950 °C<br />

bis 1200 °C und drei verschiedenen Scherverformungsraten<br />

in einer Hochdruck-Hochtemperatur-Torsionsapparatur.<br />

In diesen Experimenten konnte in vielen Fällen<br />

spontanes Scherbruchversagen nach Scherverformungen<br />

von 2,7 bis 4,8 beobachtet werden (Abb. 3.12). Die Deformation<br />

der Proben bis zum Bruch zeigte Newton-viskoses<br />

Verhalten, d. h. eine lineare Spannungsabhängigkeit<br />

von der Verformungsrate (n = 1, Abb. 3.13). Bevor es zur<br />

Bruchbildung kommt, weist die Mikrostruktur des deformierten<br />

Materials intergranulare Hohlräume auf, die<br />

durch Korngrenzgleiten entstehen und wachsen. Die<br />

Geschwindigkeit der plastischen Verformungsprozesse<br />

(z. B. Korngrenzdiffusion) reicht nicht aus, um die Porenräume<br />

selbst bei hohem Umgebungsdruck und hoher Temperatur<br />

zu schließen (Abb. 3.14a bis d). Die Wechselwirkung<br />

und Vereinigung der Hohlräume führt zu Rissstrukturen,<br />

die schließlich zum makroskopischen Bruch führen.<br />

Mit diesen Experimenten gelang erstmalig der Nachweis,<br />

dass duktile Rissbildung auch bei hohen Drücken<br />

und Temperaturen zum makroskopischen Bruch führen<br />

kann. Dies kann u. a. als ein möglicher Mechanismus für<br />

die Entstehung von tiefen Erdbeben an Plattengrenzen<br />

betrachtet werden.<br />

Seismotektonik,Spannungsfeld und Deformation<br />

an Plattengrenzen<br />

Nordanatolische Seitenverschiebung (Türkei)<br />

An der stark segmentierten Nordanatolischen Seitenverschiebung<br />

in der West-Türkei wird die Nachbebentätigkeit<br />

als Folge der großen Erdbeben von Izmit und<br />

Düzce untersucht. Die Nordanatolische Seitenverschiebung<br />

(NAFZ) ist mit mehr als 1.000 km Länge eine der großen<br />

intrakontinentalen Plattenrandstörungen auf der Erde.<br />

Aus geologischen und geodätischen Messungen ergeben<br />

sich an dieser Plattengrenze Relativverschiebungen von<br />

20 bis 25 mm pro Jahr. Diese finden entlang einer schmalen<br />

Naht zwischen dem Anatolischen Block im Süden und<br />

Eurasien im Norden statt. Seit 1939 wurde eine westwärts<br />

gerichtete Abfolge von Starkbeben entlang der NAFZ festgestellt,<br />

in deren Verlauf quasi der gesamte Bereich von Ost-<br />

Anatolien bis kurz vor Istanbul gerissen ist. Die Erdbeben<br />

von Izmit und Düzce im August und November 1999 sind<br />

die bisher letzten starken Erdebeben in diesem Zusammenhang.<br />

Beide weisen eine rechtslaterale Seitenverschiebung<br />

auf, die in Einklang mit dem horizontalen Geschwindigkeitsfeld<br />

an der Erdoberfläche steht. Wir haben die Verteilung<br />

der Herdmechanismen von 446 Nachbeben des Izmit-<br />

Erdbebens untersucht, aus der sich eine Gliederung der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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280<br />

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Abb. 3.10: Oben Mitte: Ummantelte Gesteinsprobe mit akustischen Aufnehmern. Die Risse sind bei Belastungsbeginn<br />

statistisch in der Probe verteilt (oben links) und erst unmittelbar an der Belastungsgrenze entsteht ein Riss-Cluster,<br />

dass sich schließlich zum Scherbruch entwickelt (oben rechts). Unten: Die Last-Zeit-Kurve des Experiments<br />

(schwarz) ist verschiedenen statistischen Parametern (Korrelationskoeffizient c, räumliche Verteilung d, b-Wert, AE<br />

Aktivität) gegenübergestellt, die alle signifikante Veränderungen vor und während des Nukleationsprozesses durchlaufen.<br />

Die Nukleationsphase wird durch ein Maximum des Korrelationskoeffizienten c angezeigt (grauer Pfeil).<br />

Top: sample inside rubber jacket with AE sensors glued to the rock. Top left: AE hypocenters located during initial loading<br />

indicate distributed cracking. Top right: AE hypocenter locations recorded at peak stress indicating nucleation<br />

of a shear fracture. Bottom left and right: Temporal variation of AE parameters during a fracture experiment on a granite<br />

sample. Loading curve (black), correlation coefficient c, fractal dimension d, slope of frequency-amplitude distribution<br />

b and activity of located AE. Nucleation is indicated by a maximum of the correlation coefficient c (grey arrow).<br />

Izmit-Ruptur in vier Segmente ergibt: Im Epizentralbereich<br />

des Bebens und am östlichen Ende der Ruptur – hier fand<br />

drei Monate später das Düzce-Erdbeben statt – dominierten<br />

Seitenverschiebungen und teilweise auch Abschiebungen.<br />

Der dazwischen liegende Bereich hingegen wies einheitlich<br />

Ost-West-gerichtete Abschiebungen auf und deutet<br />

auf die Existenz eines Pull-apart Beckens hin. In der<br />

Abb. 3.12: Ansicht einer tordierten Feldspatprobe (Schersinn<br />

ist rechts-lateral). Dargestellt sind die Orientierungen<br />

der Scherfoliation, des makroskopischen Scherbruchs<br />

sowie der Hauptspannungsrichtungen.<br />

Samples deformed to high strain suddenly failed at a critical<br />

shear strain of about 3 to 5. Final failure occurs by<br />

coalescence and interaction of cavities and fissures. The<br />

fissures and the helidoical macroscopic fracture are oriented<br />

about 30° to the maximum principal stress δ 1. The corresponding<br />

coefficient of internal friction µ is about 0.6,<br />

indicating a shear-type failure mode.<br />

Abb. 3.11: Übersicht über Herdparameter<br />

seismischer Ereignisse, die im Labor,<br />

bei Bohrloch-Injektionen, in Minen und<br />

an großen Plattenrandstörungen (1999<br />

Izmit Erdbeben) bestimmt wurden. Die<br />

Magnitude (M w), das seismische Moment<br />

(M 0), die Energiefreisetzungsrate (G c)<br />

und die kritische Verschiebungsweite (D c)<br />

korrelieren mit der Dimension der Prozesszone<br />

(r c) und der Bruchlänge.<br />

Scale-dependent source parameters of<br />

seismic events from lab experiments,<br />

well-injection tests, deep mines and the<br />

1999 Izmit earthquake. Magnitude (M w),<br />

seismic moment (M 0), energy release rate<br />

and critical slip distance (D c) correlate<br />

with process zone size (r c) and rupture<br />

length.<br />

Bucht von Izmit (Marmara-Meer), dem westlichsten Teil<br />

der Ruptur, ist eine räumliche Aufzweigung der Nachbebenaktivität<br />

zu erkennen, wobei einzelne aktive Segmente<br />

ein hohes Maß an ähnlichen Herdmechanismen aufweisen.<br />

Die aus der Verteilung von Herdmechanismen abgeleitete<br />

Segmentierung entlang der Izmit-Ruptur korreliert mit der<br />

aus koseismischem Versatz bestimmten Unterteilung ent-<br />

Abb. 3.13: Spannungs-Verformungsdaten bei einer Scherverformung<br />

von 3 und bei verschiedenen Temperaturen in<br />

doppelt-logarithmischer Darstellung. Der mittlere Spannungsexponent<br />

ist etwa n = 1, was auf (makroskopisch)<br />

linear viskoses Fließen hindeutet.<br />

Calculation of the macroscopic stress sensitivity yields a<br />

stress exponent of n ~ 1, indicating linear viscous diffusioncontrolled<br />

creep as dominant deformation mechanism.<br />

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281


282<br />

Abb. 3.14: Entwicklung von Hohlräumen durch Korngrenzgleiten bei hoher plastischer Verformung von γ≈4 (T = 1150<br />

°C, P = 400 MPa). Die Verbindung von Porenräumen führt zu konjugierten Rissstrukturen in regelmäßigen Abständen<br />

und schließlich zum Scherbruch. Die eingezeichneten Rechtecke geben die Position der jeweils nächst höheren Vergrößerung<br />

an.<br />

High-temperature fractures growing by coalescence of intergranular cavities. Cavities nucleate preferentially at grain<br />

triple junctions. Shear sense is right lateral.<br />

lang der NAFZ in diesem Bereich (Abb. 3.15, rote Linien):<br />

Gebiete mit hohem Versatz weisen hauptsächlich Seitenverschiebungscharakter<br />

auf, wohingegen Barrieren mit<br />

geringem Versatz zum großen Teil EW-gerichtete Abschiebungen<br />

zeigen.<br />

Aus der Untersuchung des lokalen Spannungsfeldes und<br />

seiner raum-zeitlichen Entwicklung vor und nach dem<br />

Erdbeben von Izmit ergibt sich eine deutliche Rotation der<br />

Hauptspannungsrichtungen im Zusammenhang mit diesem<br />

Ereignis. So ist z. B. im Bereich Izmit-Sapanca die<br />

maximale horizontale Hauptspannungsrichtung nach dem<br />

Erdbeben um 8° gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Am<br />

östlichen Ende der Ruptur hingegen (Karadere-Düzce<br />

Gebiet) sind die Hauptspannungen um mehr als 20° im<br />

Uhrzeigersinn rotiert.<br />

Dead Sea Transform<br />

Die Dead Sea Transform trennt die Arabische Platte von<br />

der Sinai-Mikroplatte und erstreckt sich über 1.000 km<br />

vom Extensionsgebiet im Roten Meer im Süden bis zur<br />

Taurus-Zagros Kollisionszone im Norden (Abb. 3.16).<br />

Seit dem Miozän beträgt der sinistrale Versatz an dieser<br />

Plattengrenze mehr als 100 km. Im Rahmen des DESERT<br />

Projektes wurden drei Segmente der Dead Sea Transform<br />

hinsichtlich ihrer Struktur, Kinematik und Fluid-Gestein-<br />

Wechselwirkung untersucht und miteinander verglichen.<br />

Die strukturellen Untersuchungen belegen ein relativ konstantes<br />

Paläospannungsfeld mit einer NW-SE Kompressions-<br />

und einer NE-SW Dehnungsrichtung für alle untersuchten<br />

Segmente. Die verschiedenen Segmente der Dead<br />

Sea Transform sind hinsichtlich ihres Deformationsalters,<br />

Drücken und Temperaturen (< 250 °C) sehr ähnlich, weisen<br />

aber erhebliche Unterschiede in der Fluidzufuhr und<br />

bei der Verheilung und Zementation von Bruchstrukturen<br />

auf.<br />

Die untersuchten Bruchzonen des südlichen Araba-Segments<br />

(Jordanien) sind locker und ohne erkennbare Bindung<br />

gepackt, während die Bruchzonen der nördlichen<br />

Serghaya und Ghab Segmente (Syrien) durch umfassen-<br />

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Abb. 3.15: Oben: Topographische Karte des Izmit-Segmentes der Nordanatolischen Seitenverschiebung (nach Fielding<br />

et al., 1999). Rote gestrichelte Linien indizieren die simplifizierte Oberflächenruptur des Izmit-Bebens (nach Barka et<br />

al., 2002). Unten: Verteilung der 446 hier untersuchten Herdmechanismen von Izmit-Nachbeben. Die nummerierten<br />

Bereiche markieren Segmente einheitlicher Herdmechanismen entlang der Ruptur des Hauptbebens (Bohnhoff et al.,<br />

in press).<br />

Top: Topographic map of the Izmit segment of the North Anatolian Fault Zone (after Fielding et al., 1999). Red dotted<br />

lines indicate the simplified surface rupture of the Izmit event (after Barka et al., 2002). The bold red dot indicates the<br />

epicenter of the Izmit mainshock. Bottom: Distribution of the 446 focal mechanisms analyzed in this study and segmentation<br />

identified based on special clustering of focal mechanisms (Bohnhoff et al., in press).<br />

de vermutlich rezente (< 1200 Jahre) Verheilungsprozesse<br />

(Zementation) gekennzeichnet sind. Mit Hilfe geochemischer<br />

Gesteinsanalysen konnte gezeigt werden, dass<br />

überwiegend meteorische Wässer für die Zementation der<br />

Bruchzonen verantwortlich sind. Der Zufluss meteorischer<br />

Wässer wird vermutlich durch Unterschiede in der<br />

Morphologie und im Klima (arides Klima und Wüste in<br />

Jordanien; Mittelmeerklima und Berge in Syrien) beeinflusst.<br />

Numerische Modellierung der Deformation an einer Plattengrenze<br />

Am Beispiel des chilenischen Kontinentalrandes wurden<br />

numerische Modellstudien zu schiefer Subduktion durchgeführt,<br />

um grundsätzliche Erkenntnisse über die Mechanismen<br />

und Steuerfaktoren der Deformationsmuster an<br />

aktiven Kontinentalrändern zu erlangen. Am chilenischen<br />

Kontinentalrand erzeugt die Partitionierung (Aufteilung)<br />

der Deformation im Fore-Arc der Oberplatte eine Verschiebungskomponente<br />

parallel zum Plattenrand. Damit<br />

verbunden ist die Aktivität großer Seitenverschiebungen,<br />

wie die Atacama- und West-Fissure-Störungszonen im<br />

Norden Chiles (AFZ bzw. PFZ) und die Liquiñe-Ofqui Störungszone<br />

im Süden (LOFZ). Die senkrecht zum Plattenrand<br />

orientierte Bewegungskomponente führt in vielen<br />

Fällen zu Verkürzungs- und Überschiebungsstrukturen.<br />

Die Ergebnisse der numerischen Modellierungen zeigen,<br />

dass die parallel zum Plattenrand wirkende Komponente<br />

der Deformation tatsächlich in einer großen Scherzone<br />

lokalisiert wird. Diese Scherzone entwickelt sich i. d. R.<br />

über der unteren Begrenzung der Koppelzone zwischen<br />

Ober- und Unterplatte (Abb. 3.17b, c). Dies stimmt mit<br />

Feldbeobachtungen überein. Im Modell entwickelt sich<br />

nur dann eine Scherzone parallel zur Plattengrenze, wenn<br />

der Reibungskoeffizient in der Grenzfläche zwischen<br />

Ober- und Unterplatte am unteren Ende der Koppelzone<br />

(Abb. 3.17a) sprunghaft abnimmt.<br />

Verglichen mit GPS-Messungen ist die senkrecht zum<br />

Plattenrand orientierte Komponente der Deformation in<br />

den numerischen Modellen generell zu klein (Abb. 3.17c,<br />

d). Dies weist darauf hin, dass auch die nach Westen gerichtete<br />

Bewegung der südamerikanischen Platte in der Konvergenzrate<br />

berücksichtigt werden muss. Einen großen<br />

Einfluss auf die Deformation des Fore-Arcs haben die Festigkeit<br />

des Materials der Oberplatte und die Reibungseigenschaften<br />

der Grenzfläche im Bereich der seismischen<br />

Koppelzone zwischen den konvergierenden Platten. Weitere<br />

wichtige Parameter, die eine Partitionierung der Verformung<br />

am Plattenrand maßgeblich beeinflussen, sind<br />

die Schiefe der Plattenkonvergenz, die Konvergenzrate<br />

und der Abtauchwinkel der subduzierten Unterplatte.<br />

Postseismische Deformation und die Viskosität der Unterkruste<br />

– Laborexperimente<br />

Die genaue Kenntnis der Spannungsverhältnisse und der<br />

Verformungsprozesse in der unteren Erdkruste und im<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

283


284<br />

Abb. 3.16: (oben links) Ghab Störungssegment in Syrien. Das römische Aquädukt wurde durch Erdbeben linkslateral<br />

um 13,6 m versetzt; (oben rechts) Serghaya Störung in Syrien. Übergangsbereich zwischen Störungskern und störungsbezogener<br />

Deformationszone; (unten links) Serghaya Störung. Mit Kalzit verheilte Bruchflächen im Bereich der<br />

störungsbezogenen Deformation; (unten rechts) Kathodolumineszenzaufnahme von Verheilungsprozessen in einer<br />

Störungsbrekzie. Kontakt zwischen Matrix und zwei Generationen von Kluftkalziten.<br />

(Top left) Ghab fault segment in Syria. Earthquakes caused a 13.6 m total left-lateral displacement of an ancient Roman<br />

aqueduct (Meghraoui at al. 2003); (top right) Serghaya fault segment. Transition between altered fault core and damage<br />

zone; (bottom left) Fault-related damage zone with calcite cemented fractures; (bottom right) Cathodoluminescence<br />

image of healing processes in a fault breccia. Contact area between matrix and two generations of undeformed vein<br />

cement.<br />

oberen Erdmantel ist zum Verständnis tektonischer Prozesse<br />

wichtig. Die post- und interseismische Spannungsumlagerung<br />

und Deformation an Plattengrenzen und großen<br />

Scherzonen wird entscheidend durch die plastische<br />

Verformung tiefer Krustenstockwerke und des oberen<br />

Mantels beeinflusst. Zur Abschätzung der Viskosität von<br />

Unterkruste und oberem Mantel werden derzeit hauptsächlich<br />

zwei Verfahren benutzt. Zum einen wird die<br />

Deformation in großer Tiefe auf der Grundlage postseismischer<br />

Oberflächenbewegungen modelliert, die mittels<br />

Satelliten-gestützter Messungen (GPS, InSAR) in den<br />

letzten Jahren hochgenau bestimmt werden konnte. Andererseits<br />

können präzise Hochtemperatur-Deformationsmessungen<br />

aus Laborexperimenten genutzt werden, um<br />

Stoffgesetze zu formulieren, die Viskosität und Materialverhalten<br />

der Gesteine beschreiben. Eine Extrapolation<br />

der Labordaten zu natürlichen Bedingungen erlaubt dann<br />

die Berechnung der In-Situ-Viskosität für bestimmte<br />

Krustenzusammensetzungen und thermodynamische<br />

Randbedingungen.<br />

Allgemein hängt das Deformationsverhalten von Gesteinen<br />

neben Chemismus und Gefüge entscheidend von der<br />

Temperatur und dem Wassergehalt sowie in der Erdkruste<br />

untergeordnet auch vom Druck ab. Neuere<br />

Erkenntnisse zeigen, dass schon Spurenanteile von Wasser<br />

die Gesteinsfestigkeit sehr stark vermindern. Diese<br />

Spurenanteile von Wasser sind auch in den nominell wasserfreien<br />

typischen Mineralen der Unterkruste, wie z. B.<br />

Feldspat, vorhanden. Die Viskosität eines Gesteins hängt<br />

dabei in Form eines Potenzgesetzes vom Wasserpartialdruck<br />

bzw. der Wasserfugazität ab. Laborversuche an<br />

synthetischen, feinkörnigen und wassergesättigten Feldspataggregaten<br />

ergaben einen Fugazitätsexponenten von<br />

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Abb. 3.17: (a) Modellaufbau des numerischen 3D-Experimentes zur Untersuchung der Deformationsmuster bei schiefer<br />

Subduktion. Das Modell hat eine NS Ausdehnung von ca. 850 km und eine EW Ausdehnung von ca. 600 km. Für<br />

die Veranschaulichung der Ergebnisse wird nur der mittlere Teil des Modells mit einer Länge von 450 km Länge verwendet.<br />

(b) Horizontale plastische Deformation des Fore-Arc Keils im Norden Chiles, Deformation in NS Richtung zur<br />

Verdeutlichung des Deformationsmusters 25-fach überhöht dargestellt. (c) siehe b, Modell für den südlichen Teil Chiles.<br />

(d, e) Verschiebungsraten parallel und senkrecht zum Plattenrand, Vergleich von numerischem Modell (rote Linie)<br />

mit GPS Daten für (d) Nord-Chile und (e) Süd-Chile.<br />

(a) Model set up of the 3D numerical experiments investigating styles of deformation for oblique subduction. NS extension<br />

of the model is about 850 km and 600 km in EW direction. (b) Horizontal plastic strain of the forearc wedge of<br />

the model for northern Chile, NS shortening 25 times exaggerated. (c) see b, southern model. Displacement rates<br />

parallel and normal to plate-boundary. Model prediction is compared to GPS data for (d) northern Chile (e) southern<br />

Chile.<br />

ca. 1, d. h. die Verformungsrate ist linear mit der Wasserfugazität<br />

korreliert. Thermodynamische Überlegungen<br />

zeigen, dass in Feldspäten die Hydrolyse von Sauerstoffbindungen<br />

als wesentliche Ursache für die Viskositätsreduzierung<br />

in der Anwesenheit von Wasser angesehen<br />

werden kann.<br />

Die Druckabhängigkeit der Gesteinsviskosität wird maßgeblich<br />

durch das Aktivierungsvolumen des vorherr-<br />

schenden Deformationsprozesses bestimmt. Versuche an<br />

trockenen und wasserhaltigen Anorthit-Aggregaten ergaben<br />

Werte von 24 cm 3 mol –1 bzw. 38 cm 3 mol –1 . Die Extrapolation<br />

der Labordaten für Diffusionskriechen zu natürlichen<br />

Bedingungen ist in Abb. 3.18 im Vergleich zu<br />

Ergebnissen an Olivin und Klinopyroxen in Form von<br />

Spannungs-Tiefenprofilen dargestellt. Für wassergesättigte<br />

Bedingungen ist Feldspat deutlich weicher als Pyroxen<br />

und Olivin.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

285


286<br />

Abb. 3.18: Spannungs-Tiefenprofile für die kontinentale Kruste, extrapoliert<br />

aus Fließgesetzen für synthetischen Feldspat (An), Pyroxen (CPx) und Olivin<br />

(Ol). Die Daten sind für Korngrenz-Diffusionskriechen bei einer Verformungsrate<br />

von 10 –12 s –1 und20 µm Korngröße berechnet. Trockene Gesteine<br />

sind wesentlich härter als wassergesättigte Aggregate. Spannungsberechnungen<br />

für Anorthit unter Berücksichtigung der Aktivierungsenergie<br />

und der Wasserfugazitätsabhängikeit (dicke durchgezogene Linien) ergeben<br />

ca. 3-fach größere Werte als ohne (dünne Linien).<br />

Stress-depth profiles for the continental crust from extrapolated flow laws of<br />

synthetic feldspar (An), pyroxene (CPx), and olivine (Ol) rocks. Grain boundary<br />

diffusion creep data are plotted for 20 µm grain size and 10 –12 s –1 strain<br />

rate. The extrapolation indicates the effect of activation volume and water<br />

fugacity on strength. Thick solid lines are based on flow laws for anorthite<br />

aggregates from this study. Thin solid lines represent flow laws for anorthite<br />

from a previous study (Rybacki and Dresen, 2000) that do not include V and<br />

r estimates. Short broken lines represent (Sleaford Bay) clinopyroxenite (Hier-<br />

Majumder et al., <strong>2005</strong>). Data for olivine are taken from Mei and Kohlstedt<br />

(2000a, 2000b) (dash-dot lines) and Karato and Jung (2003) (dash-dot-dot<br />

lines). Temperature calculation corresponds to surface heat flow of 80 mWm –2<br />

(Chapman and Furlong, 1992). Fugacities were determined assuming quartzfayalite-magnetite<br />

(QFM)-buffered conditions in the continental crust. NF, SS,<br />

and TF denote frictional strength of normal faults, strike slip faults, and thrust<br />

faults, respectively, using Byerlee’s law (Byerlee, 1978) for a mean crustal<br />

density of 2.7 gcm –3 and assuming hydrostatic pore pressure.<br />

Gesteinsphysik und Geomechanik<br />

Mechanisches Verhalten Stützmittel führender<br />

und selbstgestützter Risse unter<br />

In-Situ-Bedingungen<br />

Zur Verbesserung der Produktivität von<br />

Fluidlagerstätten werden hydraulische<br />

Stimulationsmaßnahmen durchgeführt,<br />

mit dem Ziel, die Permeabilität der Speichergesteine<br />

zu erhöhen. Hierzu wird ein<br />

hochpermeabler Riss im Reservoir erzeugt,<br />

in den Stützmittel (Proppants)<br />

verpresst werden, die ihn offen halten<br />

(Abb. 3.19). Bei vielen dieser Maßnahmen<br />

bleibt die Verbesserung der Produktivität<br />

hinter den Erwartungen bzw.<br />

Berechnungen zurück. Einen wesentlichen<br />

Einfluss auf die Produktivität hat<br />

der so genannte Fracture Face Skin<br />

(FFS). Der FFS beschreibt die reduzierte<br />

Gesteinspermeabilität in der direkten<br />

Umgebung des Risses senkrecht zur<br />

Rissfläche, die den hydraulischen Widerstand<br />

für das einströmende Fluid erhöht.<br />

Neben anderen Effekten kann die Interaktion<br />

zwischen Proppant und Gesteinsmatrix<br />

zu einem mechanischen FFS führen.<br />

Hierbei verursachen das Verpressen<br />

von Stützmitteln sowie die Zerstörung<br />

von Proppants und Gesteinsmatrix eine<br />

Kompaktion und Produktion von<br />

Feinstmaterial. Durch diese mechanischen<br />

Effekte wird die Permeabilität in<br />

der direkten Umgebung des Risses vermindert.<br />

In einem am <strong>GFZ</strong> entwickelten experimentellen<br />

Aufbau wurde der FFS-Effekt<br />

an Rissen in einer Probe von Bentheimer<br />

Sandstein gemessen. Ein Versuch setzt<br />

sich dabei aus drei Einzeltests zusammen.<br />

Zuerst wird die initiale Permeabilität der<br />

Probe bei ansteigender Differenzspannung<br />

(P Diff) bis 50 MPa bestimmt<br />

(Ummantelungsdruck (P c) = 10 MPa). Im<br />

zweiten Schritt wird ein Zugriss durch<br />

einen 3-Punkt-Biege-Versuch in der Probe<br />

erzeugt. Schließlich wird dieser Riss mit<br />

2 lbs/ft 2 Low Strength Proppants gefüllt.<br />

Die Probe wird erneut bis 50 MPa P Diff<br />

triaxial belastet und die Permeabilität<br />

ermittelt. Die akustischen Emissionen<br />

(AE) werden dabei kontinuierlich registriert<br />

und lokalisiert.<br />

Abb. 3.19: Schnitt durch einen mit Stützmittel<br />

(Proppant) gefüllten Riss in einem<br />

Bohrloch.<br />

View into a proppant filled vertical fracture<br />

in a borehole.<br />

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Abb. 3.20 zeigt die Permeabilität und<br />

die AE-Events bzw. die AE-Dichte<br />

(jeweils als Projektion in die ZY-Ebene)<br />

für vier Belastungsstufen. Die Permeabilitätswerte<br />

(k 1) des Gesteins ohne Riss liegen<br />

im Druckintervall 5 bis 50 MPa um<br />

1250 mD und zeigen im Rahmen des Fehlers<br />

keine Veränderung. Im Gegensatz<br />

dazu liegt die Permeabilität (k 2) von Proben,<br />

die einen mit Proppants gefüllten<br />

Riss enthalten, bei 125 mD bis 105 mD.<br />

Die AE-Aktivität zeigt, dass die Zerstörung<br />

von Gesteinsmatrix und Proppants<br />

bereits bei geringer Belastung P Diff (~ 5<br />

MPa) an den Rissflächen einsetzt. Die<br />

AE-Events konzentrieren sich zuerst auf<br />

den Kontakt der Gesteinsmatrix mit der<br />

Proppant-Füllung, mit steigender Belastung<br />

wandert die Aktivität in die Proppant<br />

Packung. Durch mikroskopische Untersuchungen<br />

nach Testende wurden sowohl<br />

zerstörtes Matrixmaterial als auch zerstörte<br />

Proppants identifiziert.<br />

Bei diesem Bespiel handelt es sich um<br />

einen ersten Test. Für allgemeine Aussagen<br />

müssen weitere modifizierte Versuche<br />

durchgeführt werden. Als wesentliches Zwischenergebnis<br />

zeigt sich, dass es an der Rissfläche bereits bei geringen<br />

Differenzialspannungen zu Zerstörungen kommt und<br />

hierbei Feinstmaterial produziert wird, das die Permeabilität<br />

des Gesteinsmatrix-Proppant-Systems reduziert.<br />

Elastische Wellengeschwindigkeiten und Rissdichte von<br />

Gesteinen<br />

Die elastischen Eigenschaften von Gesteinen, insbesondere<br />

die Ausbreitung elastischer Wellen im Gestein werden<br />

durch die druck- und belastungsabhängige Präsenz<br />

von Brüchen und Mikrorissen entscheidend beeinflusst.<br />

Der Einfluss der Rissporosität auf die elastischen Wellengeschwindigkeiten<br />

wird am Beispiel von Basalt- und Granitproben<br />

untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass mit<br />

ansteigendem isostatischem Druck bis 120 MPa vorhandene<br />

Mikrorisse zunehmend geschlossen werden und die<br />

P-Wellengeschwindigkeiten um mehr als 50 % in den<br />

Basaltproben und um weniger als 20 % in den Granitproben<br />

steigen. Die Analyse der Herdmechanismen von akustischen<br />

Emissionen weist darauf hin, dass die Risse und<br />

Abb. 3.21: Rissdichte in (a) Basalt und (b) Granit invertiert<br />

aus der belastungsabhängigen elastischen P-Wellengeschwindigkeit<br />

mit Hilfe des Models von Soga et al.<br />

(1978). Γ H ist die Rissdichte parallel zur Belastungsrichtung<br />

und zur vertikalen Probenachse, Γ V ist die Rissdichte<br />

senkrecht zur Probenachse.<br />

Crack density inverted from P-wave velocity data using<br />

the model of Soga et al., (1978) for Basalt (a) and Granite<br />

(b). Γ H is the density of cracks oriented parallel to the<br />

vertical sample axis compression direction, Γ V is the density<br />

of cracks oriented normal to the sample axis.<br />

Abb. 3.20: a) Vergleich der initialen Permeabilität (k 1) einer Bentheimer<br />

Sandstein Probe mit der Permeabilität derselben Probe mit einem durch<br />

Proppants verfüllten Riss (k 2) bei 10 MPa Ummantelungsdruck. b) Darstellung<br />

der AE-Events bzw. die AE-Dichte als Projektion in die ZY-Ebene bei<br />

Belastung der Probe mit Proppant gefülltem Riss.<br />

Comparison of initial permeability (k 1) of a) Bentheim sandstone sample<br />

with permeability of the same sample with a propped fracture (k 2) at 10 MPa<br />

confinement b) Plot of AE-Locations and AE-Density projected in the<br />

ZY-plane during loading of the sample with a propped fracture.<br />

andere Poren mit steigendem Druck zunehmend kollabieren.<br />

Die druckabhängigen Rissdichten wurden mit verschiedenen<br />

Modellansätzen aus den veränderlichen Ge-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

287


288<br />

schwindigkeiten und elastischen Parametern ermittelt. Bei<br />

Atmosphärendruck stimmen sie mit Abschätzungen der<br />

Rissdichte aus der Mikrostruktur überein.<br />

Bei triaxialer Belastung der Proben entwickelt sich eine<br />

starke Anisotropie der elastischen Wellenausbreitung, die<br />

mit einer bevorzugten Orientierung der induzierten<br />

Mikrorisse korrespondiert (Abb. 3.21). Mit zunehmender<br />

Rissdichte nehmen die P- und S- Wellengeschwindigkeiten<br />

stark ab. Die Quellmechanismen der bei der Rissbildung<br />

bzw. bei Rissöffnung erzeugten akustischen Emissionen<br />

weisen auf eine komplexe mixed-mode Bruchausbreitung<br />

hin.<br />

Numerische Modellierung des Risswachstums<br />

Die Bruchbildung in Gesteinen ist ein komplexer Prozess,<br />

der von der Nukleation über das Risswachstum bis zum<br />

makroskopischen Bruch führt. Zur vollständigen<br />

Beschreibung dieses Prozesses muss der Wachstumspfad<br />

von Rissen bekannt sein. Um diesen Vorgang besser zu<br />

verstehen, wurden die Ergebnisse von Laborexperimenten<br />

mit numerischen Simulationen verglichen. In triaxialen<br />

Experimenten wurden zunächst Einzelscherrisse in<br />

Granitzylindern erzeugt. Der makroskopische Rissverlauf<br />

Abb. 3.22: Numerische Analyse von Mischrisswachstum in einer Scheibe mit<br />

einem geneigten Einzelriss unter einaxialem Druck: a) Finite Elemente Diskretisierung;<br />

b) Initialer Scherrissverlauf und neue Zugrissfortschrittsrichtung<br />

θ; c) Konturplot der vertikalen Druckspannung σ yy; d) gewichtete<br />

Energiefreisetzungsrate gegen den Ausbreitungswinkel des zukünftigen<br />

Zugrisses.<br />

Numerical analysis of mixed-mode cracking in a plate with a tilted single<br />

crack under uniaxial compressive stress (a) Finite Element mesh (b) initial<br />

shear crack and new potential tensile crack propagation path (angle theta)<br />

(c) contour plot of stress component and (d) weighted energy release rate<br />

versus angle of propagation of the future tensile crack.<br />

in diesen Proben war vom Umgebungsdruck abhängig.<br />

Mit einem neu entwickelten numerischen Simulations-<br />

Tool wurde das beobachtete Risswachstum im Modell<br />

reproduziert. Hierzu wurde zunächst die komplexe Ausbreitung<br />

eines gemischten Zug- und Scherrisses (mixedmode)<br />

mit der Extended Finite Elemente (X-FEM) Methode<br />

untersucht. Bei der Entwicklung des Modells wurde<br />

die in Abb. 3.22a dargestellte Scheibe mit einem schrägen<br />

Einzelriss unter einaxialem Druck betrachtet. Zur<br />

Bestimmung der Rissfortschrittsrichtung wurde das modifizierte<br />

Kriterium der maximalen Energiefreisetzungsrate<br />

(Shen und Stephansson, 1994) in das bestehende 2D-<br />

X-FEM Modell implementiert. Dieses Kriterium berücksichtigt,<br />

dass der kritische Spannungsintensitätsfaktor<br />

für den Scherbruch K IIc normalerweise wesentlich größer<br />

ist als der kritische Spannungsintensitätsfaktor für den<br />

Zugbruch K Ic. In Abb. 3.22b ist der initiale Riss und mögliche<br />

Rissfortschrittsrichtungen schematisch dargestellt.<br />

Abb. 3.22c zeigt den Spannungsverlauf der vertikalen<br />

Druckspannung σ yy am initialen Scherriss. In Abb. 3.22d<br />

ist der Verlauf der gewichteten Energiefreisetzungsrate für<br />

ein Verhältnis K IIc/K Ic = 10 in Abhängigkeit des Rissfortschrittswinkels<br />

θ dargestellt. Der Rissfortschritt erfolgt in<br />

Richtung der maximalen, gewichteten Energiefreisetzungsrate.<br />

Bei dem hier gewählten Beispiel wächst der<br />

neu gebildete Zugriss an den Spitzen des<br />

initialen Scherrisses unter 90°.<br />

Klimadynamik und Sedimente<br />

Am <strong>GFZ</strong> Potsdam werden mit modernen<br />

geowissenschaftlichen Analysemethoden<br />

in der Sektion 3.3 Klimarekonstruktionen<br />

an Sedimenten durchgeführt. Diese ermöglichen<br />

in Kombination mit archäologischen<br />

und historischen Quellen, die<br />

Reaktionen antiker Gesellschaften auf<br />

Veränderungen des Klimas nachzuvollziehen.<br />

Dies ist ein relativ neuer Forschungsansatz,<br />

doch aktuelle, jährlich bis<br />

dekadisch aufgelöste Klimazeitreihen erbrachten<br />

in den letzten Jahren verblüffende<br />

Erkenntnisse. So verraten geochemische<br />

Analysen von Seesedimenten auf<br />

der mexikanischen Yucatan-Halbinsel in<br />

Kombination mit laminierten marinen<br />

Sedimenten vor der Küste Venezuelas,<br />

dass der Untergang der klassischen Maya<br />

Kultur mit einer allgemeinen Trockenheit<br />

in der Region und punktierten, wenige<br />

Jahre andauernden Dürrephasen einherging.<br />

Der Zusammenbruch des Akkadischen<br />

Reiches in Mesopotamien vor<br />

4.200 Jahren, der Niedergang der Mochica-Kultur<br />

an den Küsten Perus vor 1.500<br />

Jahren, das Ende der Tiwanaku-Zivilisation<br />

im Hochland Boliviens und Perus vor<br />

einem Jahrtausend und das Ende chinesischer<br />

Dynastien – all diese Entwicklungen<br />

lassen sich mit lang anhaltenden<br />

Dürren in Verbindung bringen. Mögen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


auch in allen diesen Fällen noch andere Faktoren eine<br />

große Rolle gespielt haben – Kriege, Überbevölkerung,<br />

Umweltzerstörung – so hatte doch stets eine drastische<br />

Klimaänderung entscheidenden Anteil am Untergang früher<br />

Hochkulturen. Im Folgenden wird anhand von Sedimenten<br />

des Roten Meers die Klimaentwicklung der<br />

Region Naher Osten auch im Hinblick auf die kulturelle<br />

Entwicklung diskutiert. Ferner wird das Klimaarchiv des<br />

Sees El'gygytgyn in Nordsibirien vorgestellt, welches im<br />

kommenden Jahr im Rahmen des Schwerpunktprogramms<br />

ICDP erbohrt werden soll, um die Klimageschichte<br />

der sibirischen Arktis während der letzten 3,6<br />

Millionen Jahre zu rekonstruieren.<br />

Sedimente des Roten und Schwarzen Meeres als<br />

Klimaarchive<br />

Multidekadische bis säkulare Klimavariabilität und die<br />

Nordatlantische/Arktische Oszillation<br />

Die Nordatlantische/Arktische Oszillation (NAO/AO)<br />

beschreibt ein überregionales vor allem winterwirksames<br />

Klimaphänomen, das einen signifikanten Anteil an der<br />

interannuellen und dekadischen Klimavariabilität der<br />

mittleren und hohen Breiten der Nordhemisphäre ausmacht.<br />

Auf längeren Zeitskalen ist die Bedeutung dieses<br />

Klimaphänomens jedoch nicht ausreichend untersucht.<br />

Durch instrumentelle Klimadaten ist belegt, dass das Klimageschehen<br />

sowohl in der Region des nördlichen Roten<br />

Meeres als auch im Nordosten Anatoliens durch die<br />

NAO/AO mitbestimmt wird. Während Phasen höherer<br />

Luftdruckunterschiede zwischen dem Islandhoch und<br />

dem Azorentief (positiver NAO) erhält Nordostanatolien<br />

relativ weniger Niederschlag (Turqes und Erlat, 2003),<br />

wohingegen im Bereich des nordöstlichen Roten Meeres<br />

vor allem die Staubsturmaktivität im Winter merklich<br />

nachlässt. Gleichzeitig kommt es im Bereich östliches<br />

Mittelmeer und nördliches Rotes Meer zu verstärkter Luftmassen-Subsidenz<br />

und damit zu erhöhter Verdunstung, die<br />

zu einer Destabilisierung der Wasserschichtung führt<br />

Abb. 3.23: Schematische Darstellung der Meeresoberflächen- und Niederschlagsanomalien<br />

während einer positiven NAO/AO Phase. Arbeitsgebiete<br />

im (1) südwestlichen Schwarzen Meer und (2) dem nördlichen Golf von<br />

Aqaba, Rotes Meer.<br />

Modern sea surface temperature and precipitation anomalies associated with<br />

positive NAO/AO. Area of investigation in (1) the southwestern Black Sea<br />

and (2) the northern Gulf of Aqaba, Red Sea.<br />

(Eshel und Farrell 2000; Zangvil et al. 2003, Abb. 3.23).<br />

Über die Bestimmung geeigneter Umweltkenngrößen an<br />

Sedimentabfolgen aus diesen Bereichen können langfristige<br />

Änderungen dieser Anomalien identifiziert werden.<br />

Das Rote Meer ist ein von Wüste umgebenes Randmeer,<br />

das durch die Straße von Bab el Mandeb (Tiefe 137 m)<br />

vom Indischen Ozean abgetrennt wird. Der Golf von<br />

Aqaba wiederum schließt im Nordosten über eine weitere<br />

Schwelle, der Straße von Tiran, an das nördliche Rote<br />

Meer an. Das im Süden oberflächennah einströmende<br />

Wasser sinkt im Norden durch sehr hohe Verdunstungsraten<br />

und Abkühlung in tiefere Wasserstockwerke ab, fließt<br />

dort zurück und verlässt das Rote Meer als extrem salzhaltiges<br />

Tiefenwasser. Aufgrund der weitgehend isolierten<br />

Lage des Roten Meeres führen Schwankungen des<br />

globalen Meeresspiegels sowie regionale und überregionale<br />

Änderungen der atmosphärischen Zirkulation zu<br />

besonders starken Veränderungen der lokalen Umweltbedingungen.<br />

Dieses und die besondere Qualität der vorhandenen<br />

Sedimentabfolgen machen das nördliche Rote<br />

Meer und im Speziellen den Golf von Aqaba zu einem hervorragenden<br />

Paläoumweltarchiv. Das letzte glaziale Maximum,<br />

vor etwa 19 bis 23.000 Jahren, dokumentiert sich<br />

in den marinen Sedimenten des nördlichen Roten Meeres<br />

in einer so genannten aplanktischen Zone. Durch die<br />

extrem hohen Salzgehalte (> 50 ‰) wurden die Toleranzgrenzen<br />

der meisten marinen Organismengruppen<br />

überschritten (z. B. Arz et al. 2003a). Erst mit dem stufenweisen<br />

Abschmelzen der Eiskappen und dem damit<br />

ansteigenden Meeresspiegel normalisierte sich das Ökosystem<br />

des nördlichen Roten Meeres. Der Beginn unserer<br />

Warmzeit ist im Nahen Osten als länger anhaltende<br />

Feuchtphase dokumentiert (Arz et al. 2003b). Diesem<br />

Langzeittrend sind eine Vielzahl von kürzeren hydroklimatischen<br />

Schwankungen aufgesetzt, die als quasiperiodische<br />

Änderungen (~ 800, ~ 500 und ~ 350 Jahre) z. B.<br />

im äolischen Eintrag und dem Grad der vertikalen Durchmischung<br />

der Wassersäule im nördlichen Golf von Aqaba<br />

zu erkennen sind (Abb. 3.24).<br />

Im Schwarzen Meer äußern sich längerfristige<br />

Verschiebungen im Niederschlagsmuster<br />

in einer deutlichen Änderung<br />

des Sedimenteintrags über die größeren<br />

Flusssysteme wie z. B. dem Sakarya,<br />

der die nordostanatolische Region<br />

zum Schwarze Meer hin entwässert<br />

(Abb. 3.25). Durch besonders starke<br />

Schichtungsverhältnisse im Schwarzen<br />

Meer – oberflächennah ist der Salzgehalt<br />

und damit die Dichte des Wassers<br />

durch den starken Süßwasserzustrom<br />

deutlich geringer als in den durch<br />

Zustrom salzreicheren Wassers aus dem<br />

Mittelmeer gekennzeichneten tieferen<br />

Stockwerken – herrschen hier seit annähernd<br />

8.000 Jahren am Meeresboden<br />

sauerstofffreie, lebensfeindliche Bedingungen,<br />

die eine besonders gute Erhaltung<br />

der Ablagerungen ermöglichen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

289


290<br />

Abb. 3.24: Kurzfristige holozäne Klimaschwankungen während der letzten 7.500 Jahre dokumentiert in Sedimenten<br />

des nördlichen Golfes von Aqaba (Lamy et al. in press). Links: Schwankungen im Eintrag äolischen Materials (gelb)<br />

und Änderungen der Stratifizierung der Wassersäule (rot). Rechts: Kernlokation, Bathymetrie (nach Ehrhardt et al.<br />

<strong>2004</strong>) und schematische Darstellung der Zirkulation des Golfes von Aqaba.<br />

Multicentennial Holocene climate variability for the last 7.500 years reconstructed from the northern Gulf of Aqaba<br />

sediments (Lamy et al. in press). Left panel: Changes in the eolian input (yellow) and water column stratification (red).<br />

Right panel: Core location, bathymetry (after Ehrhardt et al. <strong>2004</strong>), and schematic representation of the Gulf of Aqaba<br />

circulation.<br />

Die analysierten Sedimentkerne zeigen eine deutliche<br />

Feinschichtung, die regelmäßig durch homogene, tonreiche<br />

Lagen unterbrochen werden (Abb. 3.25), welche<br />

während erhöhter Niederschläge im Einzugsgebiet des<br />

Sakaryas eingetragen werden. Änderungen in der Häufigkeit<br />

dieser Tonlagen können als Änderungen im<br />

Niederschlagsregime des Hinterlandes interpretiert werden.<br />

Auch in diesen Klimaarchiven sind, ähnlich wie<br />

Abb. 3.25: Kurzfristige holozäne Klimaschwankungen während der letzten 8.000 Jahre, dokumentiert in Sedimenten des<br />

südwestlichen Schwarzen Meeres (Lamy et al. in press). Rechts: Lage der bearbeiteten Sedimentkerne im südwestlichen<br />

Schwarzen Meer mit Satellitenaufnahmen des Arbeitsgebiets, in dem der Sedimenteintrag des Sakarya als helle Fahne zu<br />

erkennen ist. Links: Helligkeit des laminierten Sediments als Graustufenkurve und Röntgenaufnahme eines Kernausschnitts.<br />

In Blau ist die Variabilität der Tonlagenhäufigkeit während der letzten 8.000 Jahre dargestellt.<br />

Short-term Holocene climate fluctuation during the past 8.000 years reconstructed from sediment cores of the southwestern<br />

Black Sea (Lamy et al. in press). Right panel: Area of investigation with core locations and satellite image showing<br />

the sediment veil of the Sakarya River. Left panel: Sediment lightness as grayscale record and radiograph of a<br />

core section. In blue colors the clay layer frequency for the last 8.000 years is shown.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 3.26: Dokumentation eines Dürreereignisses im Shaban Tief, nördliches Rotes Meer. Links oben: Lokation<br />

des untersuchten Sedimentkerns und die Bathymetrie des Shaban Tiefs mit heutiger Lage der Grenzfläche zwischen<br />

Meerwasser und Sole (rote Linie). Links unten: Radiographie der teils laminierten Sedimente des Shaban Tiefs<br />

mit Alterskontrollpunkten. Rechts: Paläoumweltdaten, die die kurzzeitige Anomalie um 4.200 Jahren v. H. dokumentieren.<br />

Evidence for a drought event from the Shaban Deep, northern Red Sea. Left, upper panel: Sediment core location and<br />

the bathymetry of the Shaban Deep with the present sea-water/brine interface (red line). Left, lower panel: Radiograph<br />

of the partly laminated sediments of the Shaban Deep with age control points. Right: Environmental proxy data indicating<br />

the short-term climate anomaly at around 4.200 years B. P.<br />

in den Daten aus dem nördlichen Roten Meer, eine Vielzahl<br />

von säkularen hydroklimatischen Schwankungen<br />

zu erkennen (Abb. 3.25).<br />

Durch den Vergleich mit anderen Paläoklimadaten aus der<br />

zirkumatlantischen Region werden geographische Muster<br />

erkennbar, die auf eine großskalige Verschiebung der<br />

atmosphärischen Zirkulation und eine Wirksamkeit des<br />

interannuellen Klimaphänomens der Nordatlantischen<br />

Oszillation (NAO) auch auf längeren Zeitskalen hinweisen<br />

(Lamy et al., in press).<br />

Klimaänderungen im nördlichen Roten Meer und der Einbruch<br />

der Hochkulturen im Nahen Osten<br />

Eine Besonderheit stellen die Paläoklimaaufzeichnungen<br />

aus dem nördlichen Roten Meer um 4.200 Jahre v. H. dar.<br />

Archäologische Funde aus dem Zweistromland und dem<br />

alten Ägypten deuten auf ein abruptes Ende der damaligen<br />

Hochkulturen etwa zu diesem Zeitpunkt hin (Weiss et<br />

al. 1993). Untersuchungen an marinen Sedimenten aus<br />

dem Golf von Oman zeigen, dass einer der plausibelsten<br />

Gründe für den Untergang des Akkadischen Imperiums<br />

eine lang anhaltende Dürre gewesen sein könnte (Cullen<br />

et al. 2000).<br />

Sedimente aus dem Shaban Tief, einem jungen, tektonisch<br />

entstandenen Solebecken im zentralen nördlichen<br />

Roten Meer, dokumentieren, dass zu dieser Zeit eine deutliche<br />

Änderung der Umweltbedingungen und Ablagerungsverhältnisse<br />

im Roten Meer stattgefunden hat. Als<br />

relativ kleines untermeerisches Becken von wenigen<br />

Kilometern Durchmesser, ist das Shaban Tief heutzutage<br />

mit einer extrem salzreichen Sole (siebenmal salziger als<br />

das normale Meerwasser) gefüllt. Weitgehend sauerstofffreie<br />

Verhältnisse führen auch hier durch die Abwesenheit<br />

jeglicher Meeresbodenbewohner zu einer<br />

Abb. 3.27: Schematische Darstellung der Zirkulation im<br />

Roten Meer und des Zustandes des Shaban Tiefs (A) vor<br />

dem Dürre-Ereignis um ca. 4.200 Jahren v. H. und (B)<br />

während des Dürre-Ereignisses.<br />

Sketch showing the circulation of the Red Sea and conditions<br />

in the Shaban Deep (A) before the drought event at<br />

about 4200 years B. P. and (B) during the drought event.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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292<br />

besonders guten Erhaltung der Ablagerungen. Unter diesen<br />

so genannten anoxischen Bedingungen entstanden bis<br />

vor etwa 4.200 Jahren laminierte Sedimente. Vor 4.200<br />

Jahren treten jedoch nicht laminierte suboxische Sedimente<br />

auf (Abb. 3.26).<br />

Dieser Wechsel geht mit dem kurzzeitigen Einwandern<br />

benthischer Foraminiferen einher. Auffällig ist aber vor<br />

allem, dass in diesem Zeitintervall die Salinität des Oberflächenwassers<br />

deutlich ansteigt, was auf außergewöhnlich<br />

hohe Verdunstungsraten über dem nördlichen Roten<br />

Meer hinweist. Mit der erhöhten Salinität und damit auch<br />

höheren Dichte des Oberflächenwassers ist wahrscheinlich<br />

eine verstärkte Tiefenwasserbildung einhergegangen.<br />

Reger zirkulierendes Tiefenwasser wiederum führte wahrscheinlich<br />

zu einer Erosion des Solekörpers und zu der<br />

vorübergehenden Aufhebung der anoxischen Verhältnisse<br />

im Shaban Tief (Abb. 3.27). Die Paläoklimadaten aus dem<br />

Shaban Tief belegen somit, dass klimatisch anomale Verhältnisse<br />

in der Region höchstwahrscheinlich zum Kollabieren<br />

einiger Hochkulturen mit beigetragen haben (Arz<br />

et al., in press).<br />

Das paläoklimatische Potenzial der Sedimente<br />

des El’gygytgyn Sees, Nordostsibirien<br />

Der See El’gygytgyn (Tschuktschensprache für: weißer<br />

See, Abb. 3.28), mit einem Durchmesser von etwa 12 km<br />

und einer Wassertiefe von 175 m, liegt auf 67° 30' N, 172°<br />

05' E und 492 m ü. NN, im Inneren eines Impaktkraters<br />

von etwa 18 km Durchmesser (Abb. 3.29). Dieser entstand<br />

vor 3,6 Mio. Jahren durch den Einschlag eines Asteroiden<br />

in ausgedehnte kretazische Vulkanite, vorwiegend Ignimbrite<br />

und Rhyolite. Aufgrund der Lage am nördlichen<br />

Polarkreis liegen die rezenten mittleren Julitemperaturen<br />

bei +4 bis +8 °C, die mittleren Januartemperaturen bei<br />

–32 bis –36 °C. Dies hat zur Folge, dass der See lediglich<br />

in den Sommermonaten von Anfang Juli bis Mitte September<br />

eisfrei ist (Abb. 3.29b), was ihm seinen Namen<br />

gab. Seismische Untersuchungen des Alfred-Wegener-<br />

Instituts im Jahre 2000 haben gezeigt, dass der See eine<br />

Sedimentabfolge von etwa 300 m beinhaltet (Niessen et<br />

al. 2006). 2007 oder 2008 sollen im Rahmen des ICDP<br />

mehrere Kernbohrungen erfolgen, die diese Sedimente bis<br />

in die Impaktbrekzie durchteufen sollen (http://elgygytgyn.icdp-online.org).<br />

1998 und 2003 wurden im Rahmen von Voruntersuchungen<br />

dieses ICDP-Projekts vom Alfred-Wegener-Institut,<br />

der Universität Leipzig, der Universität Amherst, Massa-<br />

chusetts, U.S.A. und dem NEISRI Magadan, Russland,<br />

zwei 13 und 16 m lange Kernprofile (PG1351 und Lz1024)<br />

gewonnen. Des Weiteren wurden auch die im Kraterrand<br />

anstehenden Vulkanite und die Sedimente von Bächen, die<br />

während des Sommers in den See fließen, beprobt. Die<br />

paläo- und gesteinsmagnetischen Untersuchungen dieses<br />

Materials finden vorwiegend am <strong>GFZ</strong>, Sektion 3.3 statt<br />

(Nowaczyk et al. 2002, Nowaczyk et al. 2006). Zur Interpretation<br />

dieser Daten wurden noch Ergebnisse geochemischer<br />

Untersuchungen herangezogen (Melles et al.<br />

2006, Minyuk et al. 2006).<br />

Als wichtigster Parameter wurde bisher an allen Proben<br />

die magnetische Suszeptibilität gemessen. Sie ist ein Maß<br />

für den Gehalt an magnetischen Mineralen. Für die<br />

El’gygytgyn Sedimente konnte gezeigt werden, dass dies<br />

vorwiegend Magnetit (Fe 3O 4) und zu einem geringen Prozentsatz<br />

Hämatit (Fe 2O 3) ist (Nowaczyk et al. 2002). Mit<br />

Hilfe von zwei Messungen der Sättigungsmagnetisierung<br />

bei verschiedenen Feldstärken und Richtungen (S-ratio)<br />

lässt sich das Verhältnis von Magnetit zu Hämatit semiquantitativ<br />

bestimmen. Ein S-ratio von 1 entspricht vereinfacht<br />

100 % Magnetit und 0 % Hämatit, ein S-ratio von<br />

0 entspricht 0 % Magnetit und 100 % Hämatit, wobei die<br />

Umrechnung nicht linear ist. Da Magnetit unter anoxischen<br />

Bedingungen wesentlich leichter löslich ist als<br />

Hämatit, kann das S-ratio im Falle vom El’gygytgyn<br />

auch als redox-sensitiver Parameter interpretiert werden<br />

(Nowaczyk et al. 2006), wobei S-ratios nahe 1 oxische Verhältnisse<br />

repräsentieren und deutlich niedrigere Werte (0,8<br />

bis 0,7) anoxische Verhältnisse.<br />

Die anstehenden Vulkanite sind durch sehr hohe Suszeptibilitäten<br />

von meist 1.000 bis 100.000 x 10 –6 gekennzeichnet<br />

(Abb. 3.30, oben). Niedrigere Werte ergaben sich<br />

vorwiegend für stark verwitterte Handstücke. Auch die<br />

Bachsedimente haben noch relativ hohe Werte von 1.000<br />

bis 10.000 x 10 –6 (Abb. 3.30, Mitte). Man hätte daher auch<br />

für die Seesedimente entsprechend hohe Werte erwarten<br />

müssen. Die gemessenen Suszeptibilitäten, einmal hochauflösend<br />

in 1 mm Schritten direkt an den Kernhälften<br />

bestimmt und zum zweiten anhand der 2 x 2 x 1,5 cm großer<br />

Paläomagnetikproben, liegen jedoch nur zwischen<br />

60 und 4.000 x 10 –6 , wobei ca. 60 % der Sedimente unterhalb<br />

von 800 x 10 –6 liegen (Abb. 3.30, unten). Mit Verdünnung<br />

aufgrund im See gebildeter, biogener Sedimentkomponenten<br />

– im Falle vom El’gygytgyn vorwiegend den<br />

kieselige Überreste von Algen – sowie Sortierungsprozessen,<br />

lassen sich die gemessenen niedrigen Suszeptibilitäten<br />

der Sedimente vom Seeboden allein nicht erklären.<br />

Abb. 3.28: Panorama des El’gygytgyn Sees in Nordostsibirien (Foto S. Quart, Uni Leipzig).<br />

Panorama of the Lake El’gygytgyn in NE Siberia.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 3.29: Lage des El’gygytgyn Impaktkraters und ein Satellitenphoto von Nordostsibirien mit dem noch zugefrorenen<br />

See inmitten der bereits schneefreien arktischen Tundra Ende Juni 2002.<br />

Location map of the El’gygytgyn impact crater and a Satellite image of NE Siberia in late June 2002 showing the icecovered<br />

lake within the Arctic tundra, already free from snow.<br />

Nimmt man alle verfügbaren Daten zusammen, lassen sich<br />

zwei Extremsituationen skizzieren (Abb. 3.31), zwischen<br />

denen sich das limnologische System des El’gygytgyn hin<br />

und her bewegt. Das eine Szenario (Abb. 3.31, links) entspricht<br />

in etwa der gegenwärtigen Situation, dem Holozän,<br />

einem Interglazial. Im Winter, mit völliger Dunkelheit<br />

im Dezember, ist der See komplett zugefroren. Im<br />

Sommer, mit bis zu 24 Stunden Sonnenscheindauer, ist<br />

der See für mehrere Monate völlig eisfrei. Der Wasserkörper<br />

wird durchmischt und es liegen damit oxische Verhältnisse<br />

am Seeboden vor. Dies hat zur Folge, dass organisches<br />

Material, wie das von abgestorbenen Algen, weitgehend<br />

zersetzt wird, was sich in einem relativ geringen<br />

Gehalt an TOC (total organic Carbon) von 0,4 % äußert.<br />

Das silikatische Gerüst von Diatomeen, das aus Opal<br />

(amorphes SiO 2) besteht, bleibt aber erhalten. Der Gehalt<br />

an Opal warmzeitlicher (interglazialer) Sedimente beträgt<br />

Abb. 3.30: Häufigkeitsverteilungen der magnetischen<br />

Suszeptibilität von im El'gygytgyn Kraterbereich anstehenden<br />

Gesteinen (oben), Sedimenten aus Bächen, die in<br />

den See fließen (Mitte) und Seesedimenten der letzten ca.<br />

320.000 Jahre (unten). Seesedimente mit Suszeptibilitäten<br />

von weniger (mehr) als etwa 800 x 10 –6 stammen in der<br />

Regel aus anoxischen (oxischen) Phasen des Sees.<br />

Relative frequencies of magnetic susceptibility values<br />

obtained from hard rocks outcropping within the El'gygytgyn<br />

crater (top), from sediments sampled from creeks<br />

draining into the lake (middle), and from sediments<br />

recovered from the lake floor, covering the last about<br />

320 000 years (bottom). Lake sediments with values less<br />

(more) than about 800 x 10 –6 represent anoxic (oxic) phases<br />

of the lake.<br />

über 20 %. Außerdem begünstigt das sauerstoffreiche<br />

Wasser die Erhaltung von Eisenoxiden wie Magnetit, der<br />

bei hinreichender Konzentration die magnetische Suszeptibilität<br />

von Sedimenten allein bestimmt. Die magnetische<br />

Suszeptibilität der Seesedimente, die unter diesen<br />

(oxischen) Bedingungen abgelagert wurden, ist dem entsprechend<br />

hoch und liegt mit 1.000 bis 3.000 x 10 –6 etwa<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

293


294<br />

Abb. 3.31: Die zwei Extremsituationen des El’gygytgyn Sees in Form von Jahresabläufen (J: Januar bis D: Dezember)<br />

für Interglaziale (links) und Glaziale (rechts). Extremwerte der Juni-Insolation und Alter nach Berger & Loutre (1991):<br />

Holozän = 11.000 Jahre, LGM: letztes glaziales Maximum = 24.000 Jahre; Sauerstoffisotopenstadium 5d = 115.000<br />

Jahre, Eem = 128.000 Jahre.<br />

The two extreme Situations as derived for Lake El’gygytgyn, displayed as annual sequences (J: January to D: December)<br />

for interglacials (left) and galcials (right). Extreme amplitudes and ages of June insolation after Berger &<br />

Loutre (1991): Holocene = 11 000 years, LGM: Last Glacial Maximum = 24 000 years; Oxygen isotope stage 5d =<br />

115 000 years, Eemian = 128 000 years.<br />

in der Schwankungsbreite der Bachsedimente (Abb. 3.30).<br />

Das S-ratio liegt bei 1.<br />

Dem gegenüber muss während der Glaziale mit etwa 15 %<br />

geringerer Sommerinsolation (Abb. 3.31, oben) davon<br />

ausgegangen werden, dass der See im Sommer nicht mehr<br />

vollständig eisfrei war oder nur sehr kurzfristig auftaute<br />

(Abb. 3.31, rechts). Möglicherweise war die Eisdecke<br />

sogar für mehrere Jahre komplett geschlossen. Dies verhindert<br />

jedoch nicht das Wachstum vom Algen, da Eis<br />

lichtdurchlässig ist, insbesondere wenn kein Schnee auf<br />

dem Eis liegt, weil es entweder nur geringen Winterniederschlag<br />

(Schnee) gibt, oder dieser durch starke Winde<br />

fortgeweht wird. Hinzu kommt, dass die Wassertemperatur<br />

unterhalb des Eises unabhängig von der Außentemperatur<br />

immer mindestens 0 °C (oder mehr) beträgt und auch<br />

die Sonnenscheindauer im Sommer nach wie vor bis zu<br />

24 Stunden betrug. So kommt es, dass selbst während der<br />

Hochglaziale relativ viel Algenwachstum möglich war,<br />

was an einem Opalgehalt von immer noch 6 bis 8 % abzulesen<br />

ist. Dies ist noch ein Drittel dessen, was in den<br />

Warmzeiten sedimentiert wurde.<br />

Im Unterschied zum Opalgehalt ist der Gehalt der Seesedimente<br />

an organischem Kohlenstoff wesentlich höher,<br />

nämlich bis zu 2,5 %, also etwa sechsmal soviel wie während<br />

der Warmzeiten. Dieser scheinbare Widerspruch lässt<br />

sich dadurch erklären, dass der Wasserkörper des Sees<br />

durchgehend geschichtet war und sich dadurch anoxische<br />

Verhältnisse am Seeboden ausbilden konnten. Das heißt,<br />

dass die organischen Anteile abgestorbener Algen, die in<br />

den obersten oxischen Schichten des Sees lebten, nach<br />

dem Absinken auf den Seeboden dort nicht zersetzt wurden.<br />

Andererseits werden unter anoxischen Bedingungen<br />

aber Eisenoxide, bevorzugt Magnetit sehr leicht aufgelöst.<br />

Dies wird bestätigt durch die extrem geringen Werte der<br />

magnetischen Suszeptibilität (50 bis 500 x 10 –6 ) von Schichten,<br />

die anoxische Phasen des Sees und damit kalte Klimaphasen<br />

repräsentieren. Das nicht-lineare, redox-sensitive<br />

S-ratio weist ebenfalls auf Magnetitlösung hin, da es<br />

in den anoxischen Schichten auf 0,8 bis 0,7 absinkt. Insgesamt<br />

lässt sich daraus abschätzen, dass während der<br />

anoxischen Phasen kalter Klimate 90 bis 99 % der Magnetitpartikel<br />

gelöst wurden.<br />

Über den Titangehalt (TiO 2), als Indikator lithogenen Eintrags,<br />

kann dies bestätigt werden. Der Titangehalt ist allgemein<br />

mit der Bioproduktivität (Opalgehalt) antikorreliert<br />

(Abb. 3.32), das heißt, der lithogene Eintrag wird<br />

durch biogene Sedimentanteile mehr (Warmzeiten) oder<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


weniger (Kaltzeiten) verdünnt. Da die magnetische Suszeptibilität<br />

an die lithogene Phase gekoppelt ist, sollte sie<br />

also mit der TiO 2-Kurve parallel laufen. Statt dessen ist<br />

sie aber zu dieser antikorreliert, da eben in Kaltphasen des<br />

Klimas der See durchgehend geschichtet und an seinem<br />

Grund anoxisch war, was zu den beschriebenen massiven<br />

Verlusten an Magnetit führte. Letzteres hat vor allem zur<br />

Folge, dass eine paläomagnetische Datierung über Intensitätsvariationen<br />

nicht möglich ist.<br />

Auffallend ist jedoch die Tatsache, dass die magnetische<br />

Suszeptibilität und auch andere Parameter eine deutliche,<br />

langperiodische Periodizität aufweisen. Aus Datierungen<br />

über Infrarot stimulierte Lumineszenz (IRSL)<br />

ergab sich eine klare Korrelation zu Orbitalparametern<br />

der Erde, die die Insolation und damit zumindest die<br />

langfristigen Klimazyklen in der Größenordnung von<br />

20.000 bis 400.000 Jahre steuern. In Abb. 3.32, unten,<br />

ist daher auch die Sommerinsolation (Juni) der Nordhemisphäre<br />

nach Berger & Loutre (1991) dargestellt, mit<br />

der die stratigraphischen Daten der El’gygytgyn Sedi-<br />

mente in Beziehung gesetzt wurden. Dabei wurden, wie<br />

es sich bei diesem Verfahren als realistisch erwiesen hat,<br />

Insolationsmaxima mit dem Beginn der Warmphasen,<br />

gleich der Basis von oxischen Schichtpaketen mit hoher<br />

Suszeptibilität und niedrigem TOC-Gehalt, sowie Insolationsminima<br />

mit dem Beginn der Kaltphasen, gleich<br />

der Basis anoxischer, TOC-reicher Lagen mit niedriger<br />

Suszeptibilität, gleichgesetzt. Das so erhaltene Altersmodell<br />

deckt sich sehr gut mit den IRSL-Datierungen<br />

(Nowaczyk et al. 2006) und ergibt ein Alter von ca.<br />

250.000 Jahren für die Basis des Kernprofils PG1351<br />

(Abb. 3.32). Die aus dem Altersmodell abgeleitete Sedimentationsrate<br />

liegt bei 20 bis 40 mm pro tausend Jahre.<br />

Die langperiodischen Amplitudenvariationen der magnetischen<br />

Suszeptibilität folgen nun in nahezu idealer<br />

Weise der Nordhemisphäreninsolation. Damit ist klar,<br />

dass sich die großen Klimazyklen der Erde in den magnetischen<br />

Eigenschaften der El’gygytgyn Sedimente<br />

mehr oder weniger direkt, als Folge des klimatisch<br />

bedingten Wechsels von oxischen und anoxischen Phasen<br />

des unteren Wasserkörpers abbilden.<br />

Abb. 3.32: Klimatisch-sedimentologische Schlüsselparameter des Kerns PG1351 aus dem El’gygytgyn See sowie die<br />

Nordhemisphären Juni-Insolation als Funktion der Zeit (nach Nowaczyk et al. 2006). Maxima im TOC-Gehalt (total<br />

organic Carbon) parallel zu Minima in der magnetischen Suszeptibilität markieren ausgeprägte anoxische Phasen des<br />

Sees aufgrund eines geschichteten Wasserkörpers während der Glaziale.<br />

Sedimentological parameters from Lake El’gygytgyn core PG1351 that represent climatic key paramters, together with<br />

the northern hemisphere June insolation versus time (after Nowaczyk et al. 2006). Maxima in TOC content (total organic<br />

Carbon) parallel to minima in magnetic susceptibility mark pronounced anoxic phases of the lake during glacials<br />

due to a layered water body.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

295


296<br />

Neben den langperiodischen Klimaphasen sind aber auch<br />

kurzfristige Klimaänderungen wie zum Beispiel die Jüngere<br />

Dryas, eine Wiederabkühlung des Klimas am Ende<br />

der letzten Eiszeit bei etwa 11.000 Jahre vor heute, in der<br />

Variation der Suszeptibilität dokumentiert. Auch lassen<br />

sich bei älteren Wechseln von Glazialen zu Interglazialen<br />

stufenartige Erwärmungen mit sporadischen Rückschlägen<br />

zu kälteren Phasen ableiten. Dies sind interessante<br />

paläoklimatische Aspekte, die noch weiter im Detail zu<br />

untersuchen sind. Die bislang untersuchten Kerne,<br />

PG1351 mit 250.000 Jahre Basisalter (Abb. 3.32) und<br />

Lz1024 (in Arbeit) mit ca. 320.000 Jahre Basisalter, repräsentieren<br />

bereits die längsten Paläoklimaarchive der kontinentalen<br />

Nordhalbkugel. Die im Rahmen der zukünftigen<br />

ICDP-Bohrungen zu erwartenden 3,6 Mio. Jahre langen<br />

Sedimentsequenzen werden daher ein einzigartiges<br />

Klimaarchiv darstellen. Dies ist von besonderer Bedeutung,<br />

da sonst Klimastudien nur basierend auf marinen<br />

ODP-Bohrungen oder den Eiskernen von Grönland und<br />

der Antarktis erarbeitet wurden. Eisschilde als Klimaarchiv<br />

sind zudem dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund der<br />

vorhandenen Fließtektonik ältere Zeitabschnitte mit<br />

abnehmender Zeitauflösung dokumentiert sind und auch<br />

ein Maximalalter nicht überschritten werden kann.<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

297


298<br />

Das Oberkarbon an der Westküste Irlands bei den „Cliffs of Mohar“. Die Untersuchung von Ammoniumgehalten und<br />

Stickstoffisotopen in diesen Sedimentgesteinen sind Bestandteil eines Forschungsvorhabens im DFG-Schwerpunktprojekt<br />

„Dynamik sedimentärer Beckensysteme unter wechselnden Spannungsregimen am Beispiel des zentraleuropäischen<br />

Beckensystems“ (Foto: V. Lüders, <strong>GFZ</strong>).<br />

The upper Carboniferous strata at the „Cliffs of Mohar“, westcoast of Ireland. Studies of ammonia content and nitrogen<br />

isotopic composition in these sedimentary rocks are part of a scinetific project funded by the DFG in the priority program<br />

„Dynamics of sedimentary systems under varying stress conditions by example of the Central European Basin-System“.<br />

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Department 4<br />

Chemie der Erde<br />

Geodynamische Prozesse sind als räumlich begrenzte<br />

Abläufe Antrieb für Deformationsprozesse, Erdbeben und<br />

für alle geogenen Stoffkreisläufe, die den Lebensraum<br />

Erde aufrechterhalten. Stoffkreisläufe sind der Motor für<br />

die Entstehung von Ressourcen, wie mineralische Lagerstätten,<br />

Kohlenwasserstoffvorkommen und Grundwasser.<br />

Um Antrieb und Steuerungsmechanismen von geodynamischen<br />

Prozessen und Stoffkreisläufen zu identifizieren<br />

und deren Risiko- und Ressourcenpotentiale abschätzen<br />

zu können, werden neben geophysikalisch-geodätischen<br />

Messkampagnen in geodynamischen Schlüsselregionen<br />

der Erde – vor allem an aktiven und passiven Kontinenträndern<br />

(„Labor Erde“) – Laborexperimente entwickelt<br />

(„Erde im Labor“). Diese simulieren Prozesse unter Normalbedingungen<br />

bis zu hohen Drücken und Temperaturen<br />

und entschlüsseln Materialeigenschaften, Reaktionen zwischen<br />

Mineralen, Schmelzen und Fluiden, sowie die damit<br />

verbundenen Transportprozesse in allen Skalenbereichen<br />

bis hinunter in den atomaren Maßstab. Der Einsatz mikround<br />

isotopenanalytischer Methoden erlaubt dabei die<br />

Quantifizierung von Stoffumsätzen und die Bestimmung<br />

der Chronologie geodynamischer Prozesse. Numerische<br />

Modellierungen verknüpfen diese Daten ganz unterschiedlicher<br />

Art und Dimension über verschiedene Skalenlängen.<br />

In diesem Kontext ist auch die Neu- und Weiterentwicklung<br />

innovativer Mess- und Auswertetechnologien<br />

von essentieller Bedeutung.<br />

Ein Schlüssel zum Verständnis des Systems Erde ist die<br />

Kenntnis der physikalischen Eigenschaften von Geomaterialien<br />

bei hohen Drücken und Temperaturen. Unter dem<br />

Stichwort „Erde im Labor“ werden am <strong>GFZ</strong> Materialeigenschaften<br />

von Gesteinen und Mineralen bei simulierten<br />

Bedingungen des Erdinneren untersucht. Dabei stehen die<br />

für das Prozessverständnis wichtigen Größen, wie die<br />

Wärmetransporteigenschaften, und die für die Interpretation<br />

der indirekten geophysikalischen Tiefensondierungen<br />

benötigten Größen, wie elastische Eigenschaften, Dichte<br />

und elektrischer Widerstand, im Mittelpunkt. Die am <strong>GFZ</strong><br />

verfügbaren und z. T. selbst entwickelten Apparaturen und<br />

experimentellen Einrichtungen stehen auch externen<br />

Arbeitsgruppen für materialwissenschaftliche Fragestellungen<br />

in Physik, Chemie und bei der Entwicklung von<br />

neuen Materialien zur Verfügung.<br />

Gase und Fluide können eine Schlüsselrolle für das Verständnis<br />

derjenigen Prozesse spielen, die in Verwerfungsund<br />

Störungszonen auftreten. Ungewöhnliche Zusammensetzungen<br />

oberflächennaher Gase und Fluide entlang aktiver<br />

Störungen sind weltweit belegt, doch sind ihr Ursprung,<br />

die Verteilung in der Tiefe und ein möglicher Zusammenhang<br />

z. B. mit seismischer Aktivität bisher wenig verstanden.<br />

Angesichts der Bedeutung, die das Vorhandensein<br />

von Fluiden in Störzonen auf das rheologische Ver-<br />

halten der oberen Kruste, das Erdwärmepotential, die<br />

Natur geophysikalischer Signale und die Grundwasservorräte<br />

hat, sind die Kenntnisse zu thermo-hydro-mechanischen<br />

Kopplungen und nichtlinearen Prozessen im kristallinen<br />

Untergrund auch heute noch sehr dürftig. Um solche<br />

Untersuchungen erfolgreich durchzuführen, beteiligen<br />

wir uns intensiv an wissenschaftlichen Tiefbohrungen<br />

im Rahmen des internationalen kontinentalen Bohrprogramms<br />

(ICDP) und des Integrated Ocean Drilling Program<br />

(IODP).<br />

In den letzen beiden Jahren wurden im Department 4<br />

Aspekte und Phänomene des Kohlenstoffkreislaufs in der<br />

festen Erde intensiv untersucht. Die Menge an Kohlenstoff<br />

in diesem Kreislauf ist zehntausendmal größer als<br />

die aller lebenden Biomasse und Ressourcen an fossilen<br />

Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas, Gashydrate) zusammen.<br />

Obwohl äußerst dynamisch, laufen die Prozesse mit<br />

unvorstellbar geringen Geschwindigkeiten ab, wenn man<br />

die menschliche Zeitskala als Vergleich heranzieht. Dieser<br />

globale Kohlenstoffkreislauf umfasst den Kreislauf<br />

des Lebens in Vergangenheit und Gegenwart. Er ist im<br />

Wesentlichen für die Entstehung fossiler Brennstoffe verantwortlich,<br />

die den industriellen Energiebedarf abdecken.<br />

Der Kohlenstoffkreislauf ist sowohl eine Senke für<br />

Kohlendioxid als auch eine Quelle von Treibhausgasen.<br />

Im Rahmen unseres Forschungsprogramms wurden hochmoderne<br />

organisch-geochemische Laboratorien aufgebaut.<br />

Integrierte Lehr- und Forschungsprogramme in Zusammenarbeit<br />

mit der Industrie, der Technischen Universität<br />

Berlin und Institutionen der Forschungsförderung (z. B.<br />

DFG) wurden initiiert.<br />

Bor und Lithium als Monitore von Massentransfer<br />

in Subduktionszonen<br />

Bor und Lithium besitzen jeweils zwei Isotope, 11 B, 10 B<br />

und 7 Li, 6 Li, die in der Natur in einem Verhältnis von etwa<br />

4:1 bzw. 12:1 auftreten. Auf Grund der sehr großen Massenunterschiede<br />

von 10 bzw. 17 % zwischen den beiden<br />

Isotopen gibt es eine große Isotopen-Variation in Gesteinen<br />

und natürlichen Fluiden mit einer Bandbreite von<br />

jeweils über 50 ‰. Die B- und Li-isotopische Zusammensetzung<br />

in Fluiden, Schmelzen und Gesteinen im Bereich<br />

von Subduktionszonen haben somit ein großes Potential<br />

als geochemische Tracer zur Quantifizierung von Massentransferprozessen<br />

im Bereich konvergenter Plattengrenzen.<br />

Die Anreicherung von Bor in Magmen von Inselbögen<br />

(IAB) bis zu 60 ppm im Vergleich zu MORB mit weniger<br />

als 1,5 ppm und auch Mantel mit weniger als 0,1 ppm deutet<br />

darauf hin, dass Bor über die Subduktion von alterierter<br />

ozeanischer Kruste und von Sedimenten, die beide<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

299


300<br />

Abb. 4.1: Schematischer Querschnitt durch eine Subduktionszone mit B- und<br />

Li-Gehalten und δ 11 B- und δ 7 Li-Werten verschiedener Reservoirs (Mantel,<br />

mittelozeanische Rückenbasalte (MORB), Sedimente, Inselbogenbasalte<br />

(IAB), etc.) im Bereich von Subduktionszonen (Zusammenfassung der<br />

Literaturdaten in Wunder et al., <strong>2005</strong>; 2006).<br />

Schematic cross section through a subduction zone with values of B- and Liconcentrations<br />

and δ 11 B- und δ 7 Li-values of various natural reservoirs<br />

(mantle, mid ocean ridge basalts (MORB), sediments, island arc basalts<br />

(IAB), etc.) in the range of subduction zones (summary of literature data in<br />

Wunder et al., <strong>2005</strong>; 2006).<br />

angereichert sind an Bor, in den Mantelkeil transportiert<br />

wird. Dort werden die IAB produziert und Bor somit letztendlich<br />

über diese Schmelzen oder Fluide zurück an die<br />

Erdoberfläche transportiert.<br />

Abb.4.2:Veränderung der Bor-Isotopie für Inselbogenmagmen von vier verschiedenen<br />

Subduktionszonen aufgetragen jeweils mit zunehmender Tiefe<br />

zur Wadadati-Benioffzone oder anders ausgedrückt, mit zunehmender Entfernung<br />

zum Trench. Izu-Bonin: Ishikawa and Nakamura (1994); Kurilen:<br />

Ishikawa and Tera (1997); Ost-Kamchatka: Ishikawa et al. (2001); Zentralanden:<br />

Rosner et al. (2003).<br />

Variation of δ 11 B-values of volcanic arc magmas of four different subduction<br />

zones versus depth of the Wadati-Benioffzone, or differently expressed, with<br />

distance to the trench. Izu-Bonin: Ishikawa and Nakamura (1994); Kuriles:<br />

Ishikawa and Tera (1997); Eastern Kamchatka: Ishikawa et al. (2001); Central<br />

Andes: Rosner et al. (2003).<br />

In IAB wird beobachtet, dass sowohl<br />

Bor-Gehalte als auch δ 11 B-Werte mit<br />

zunehmender Entfernung vom Trench<br />

abnehmen. Diese Änderung spiegelt möglicherweise<br />

Rayleigh-Fraktionierungs-<br />

Prozesse, wie sie zwischen OH-haltigen<br />

Mineralen und Fluid in der abtauchenden<br />

Platte stattfinden, wider. Demnach würden<br />

die verschiedenen δ 11 B-„Cross-arc“-<br />

Trends der einzelnen Subduktionszonen<br />

aus deren unterschiedlichen thermischen<br />

Strukturen resultieren, die wiederum Zeit<br />

und Ort der Entwässerungs- und damit<br />

auch der Fraktionierungsprozesse in einer<br />

Subduktionzone kontrollieren. Die<br />

Veränderung der B-Isotopen-Verhältnisse<br />

über einen Inselbogen zeigen somit<br />

möglicherweise, wie sich die Temperaturen<br />

in einer Subduktionszone mit<br />

der Tiefe verändern. Auch Li zeigt<br />

eine Anreicherung der Gehalte in IAB<br />

im Vergleich zu MORB. Die Li-Isotopen-Werte<br />

unterscheiden sich jedoch<br />

kaum von denen der MORB-Werte und<br />

man findet in der Regel auch keine Variation<br />

der δ 7 Li-Werte über den Inselbogen:<br />

Es fehlt also die typische Slabsignatur,<br />

wie sie für Bor und seine Isotope<br />

sichtbar ist.<br />

Ein quantitatives Verständnis des geochemischen Verhaltens<br />

in Prozessen unter Beteiligung von Fluiden ist notwendig,<br />

um Bor, Lithium und ihre Isotope als geochemische<br />

Tracer benutzen zu können und somit Unterschiede<br />

zu erklären. Es wurden deshalb experimentell<br />

bestimmt (a) die B-isotopische<br />

Fraktionierung zwischen Glimmer, einem<br />

typischen OH-haltigen Slabmineral, und<br />

Fluid bei neutralen und basischen Bedingungen<br />

bei 0,4 und 3,0 GPa und 400 bis<br />

700 °C und (b) die Li-isotopische Fraktionierung<br />

zwischen Klinopyroxen, einem<br />

typischen Mantelmineral, und Fluid bei<br />

3,0 GPa und 500 bis 900 °C.<br />

(a) Zeitabhängige Experimente zur B-<br />

Isotopen Fraktionierung zwischen Glimmer<br />

und Fluid bei nahe neutralen Bedingungen<br />

liefern eine Fraktionierung<br />

∆ 11 B Glimmer-Fluid von –11 ‰ bei 500 °C und<br />

-6,5 ‰ bei 700 °C. Diese Daten korrelieren<br />

sehr gut mit B-Isotopen-Fraktionierungen<br />

zwischen Phasen unterschiedlicher<br />

B-Koordination und sind konsistent<br />

mit dem B-Koordinationswechsel<br />

von [4]-fach in Glimmern nach [3]-fach<br />

in Fluiden. Für Experimente mit basischen<br />

Lösungen sind die Fraktionierungen<br />

signifikant kleiner, nämlich –4,8 ‰<br />

bei 500 und –7,4 ‰ bei 400 °C und korrelieren<br />

mit Tourmalin(B [3] )-Fluid(B [3] )-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb.4.3:Experimentell bestimmte B-Isotopen Fraktionierung zwischen B-Glimmer und Fluiden (bei 3,0 GPa) als Funktion<br />

der Zeit bei 500 °C (a) und 700 °C (b) für etwa neutrale Fluide. Die schwarzen Kreise symbolisieren die isotopischen<br />

Ausgangszusammensetzungen; offene Kreise entsprechen ∆ 11 B (Glimmer-Fluid)-Werte der zeitabhängigen Experimente;<br />

offene Quadrate sind Syntheseexperimente. Die Linien verdeutlichen die zeitabhängige Einstellung von Gleichgewichtswerten<br />

(Wunder et al., <strong>2005</strong>).<br />

Experimentally determined B-isotopic fractionation between B-mica and fluid (at 3,0 GPa )as a function of run duration<br />

at 500 °C (a) and at 700 °C (b) for near neutral fluids. Black circles show the isotopic composition at starting conditions;<br />

open circles denote ∆ 11 B (mica-fluid)-values of time-dependent experiments; open squares are synthesis experiments:<br />

Solid lines approximate time-dependent equilibrium curves (Wunder et al., <strong>2005</strong>).<br />

Daten. Das spricht für identische B-Koordination in Glimmer<br />

und Fluiden in diesen Experimenten und damit, in<br />

Übereinstimmung mit früheren In-Situ-Raman-Untersuchungen<br />

in Diamantzellen an B-haltigen Fluiden, für eine<br />

überwiegend vorherrschende [4]-fache B-Koordination in<br />

den stark basischen Fluiden.<br />

Die Experimente zwischen Klinopyroxen und Fluid zeigen,<br />

dass in Analogie zu Bor, das schwere Li-Isotop 7 Li<br />

bevorzugt ins Fluid fraktioniert und die Fraktionierung Tabhängig<br />

ist, mit Werten zwischen ca. 1 ‰ bei 900 °C und<br />

ca. 4 ‰ bei 500 °C. Die T-Abhängigkeit der Li-Isotopen<br />

Fraktionierung ist allerdings deutlich weniger ausgeprägt<br />

als für Bor.<br />

Unsere Experimente zeigen, das bei allen P-T-Bedingungen<br />

und für unterschiedliche Fluide die schweren Isotope<br />

Abb. 4.4: Experimentell bestimmte B-Isotopen Fraktionierung<br />

zwischen Mineralen, Schmelzen und Fluiden aufgetragen<br />

gegen die inverse Temperatur. Lineare Regression<br />

der Ergebnisse von Experimenten unter Beteiligung<br />

von Phasen unterschiedlicher B-Koordination ergibt die<br />

Gleichung ∆ 11 B = –10,69 * (1000/T[K])+3,88, R 2 = 0,992<br />

(durchgezogene Linie); die gestrichelte Linie stellt die T-<br />

Abhängigkeit der B-Isotopen Fraktionierung zwischen<br />

Phasen gleicher B-Koordination dar (Wunder et al.,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

Experimentally determined B-isotopic fractionation between<br />

mineral, melts and fluids versus reciprocal temperature.<br />

Linear regression of experimental results for phases<br />

of different B-coordination results in ∆ 11 B = –10.69 *<br />

(1000/T[K])+3.88, R 2 = 0.992 (solid line): the dashed line<br />

is the T-dependence of B-isotopic fractionation between<br />

phases of identical B-coordination (Wunder et al., <strong>2005</strong>).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

301


302<br />

Abb. 4.5: Experimentell bestimmte Li-Isotopen Fraktionierung<br />

zwischen Klinopyroxen und Fluiden (LiCl-, und<br />

LiOH-Fluiden) aufgetragen gegen die inverse Temperatur.<br />

Die Größe der Fraktionierung ist gleich bei Verwendung<br />

von schwach basischen und chloridischen Fluiden, was<br />

dafür spricht, dass energetisch ähnliche Li-Wasser-Cluster<br />

in diesen Fluiden bei den experimentellen Bedingungen<br />

vorliegen (Wunder et al., 2006).<br />

Experimentally determined Li-isotopic fractionation between<br />

clinopyroxene and fluid (LiCl-, and LiOH-fluid) versus<br />

the inverse temperature. The value of fractionation is<br />

identical for using the weakly basic and chloridic fluid,<br />

which indicates that energetically not different Li-water<br />

cluster exist in these fluid at the conditions of the experiments<br />

(Wunder et al., 2006).<br />

von Bor und Lithium ins Fluid, die leichten Isotope in die<br />

Festkörper fraktionieren. Zudem nimmt die Stärke der<br />

Fraktionierung mit zunehmender Temperatur ab. Das<br />

bedeutet für die Natur, dass das aus einer subduzierten<br />

Platte freiwerdende Fluid, z. B. durch den kontinuierlichen<br />

Zerfall von Li, B-haltigen Glimmer, an 11 B und 7 Li angereichert<br />

ist. Mit zunehmender Tiefe wird auf Grund von<br />

Rayleigh-Fraktionierung das Fluid, das dem Slab entweicht,<br />

kontinuierlich leichter. Wenn solche Fluide dann<br />

unverändert durch den Mantelkeil bis in Bereiche der<br />

Magmenbildung aufsteigen, erkennt man diese Slab-Signatur<br />

in den Inselbogenmagmen wieder. Da Mantelminerale<br />

das im Fluid gelöste Bor nur in sub-ppm-Mengen aufnehmen,<br />

bleibt die isotopische Slabsignatur (Abnahme der<br />

11 B/ 10 B-Verhältnisse und der absoluten B-Gehalte mit der<br />

Tiefe) beim Aufstieg durch den Mantelkeil erhalten. Im<br />

Gegensatz zu Bor besitzt Lithium auf Grund der nahezu<br />

identischen Ionenradien von Mg und Li eine deutlich<br />

höhere chemische Affinität sich in Mantelminerale wie<br />

Olivin oder Pyroxenen einzubauen. Li-haltiges Fluid, das<br />

aus einem Slab entweicht, wird demnach mit dem Mantelgestein<br />

reagieren und das Fluid wird sich bezüglich der<br />

Li-Isotopie, wie experimentell festgestellt, verändern. Das<br />

führt dazu, dass die typische Slab-Signatur für Li-Isotope<br />

verloren geht. Dieses unterschiedliche Verhalten von Bor<br />

und Lithium führt somit zu einer Entkopplung ihrer chemischen<br />

Kreisläufe.<br />

Die Fraktionierung von Brom, Bor sowie der Borund<br />

Chlor-Isotope zwischen koexistierenden fluiden<br />

Phasen in Hydrothermalsystemen<br />

Geologische Fluide bestehen typischerweise nicht aus reinem<br />

H 2O sondern enthalten signifikante Mengen an gelösten<br />

Stoffen. Neben CO 2, CH 4 und verschiedenen Stickstoff-<br />

und Schwefelspezies bestimmen insbesondere<br />

gelöste Salze wie NaCl oder KCl die physikochemischen<br />

Eigenschaften dieser Fluide. Im reinen H 2O-System ist die<br />

Koexistenz zweier fluider Phasen (Dampf und Flüssigkeit)<br />

und damit eine Fluidentmischung auf Druck- und Temperaturbedingungen<br />

unterhalb des kritischen Punktes von<br />

reinem H 2O beschränkt (22,1 MPa/374 °C). In H 2O-Salz-<br />

Systemen dehnt sich jedoch das 2-Phasenfeld, in dem zwei<br />

fluide Phasen mit unterschiedlichen physikochemischen<br />

Eigenschaften koexistieren, zu deutlich höheren Druckund<br />

Temperaturbedingungen aus. Hohe Temperaturen bei<br />

niedrigen Drücken begünstigen dabei in diesen Systemen<br />

eine Fluidentmischung. Solche Druck-Temperaturbedingungen<br />

sind ganz typisch für Hydrothermalsysteme, wie<br />

sie sich an Mittelozeanischen Rücken, in vulkanischen<br />

Systemen und um flach intrudierte Plutone entwickeln.<br />

Die Hydrothermalsysteme an den Mittelozeanischen<br />

Rücken verzahnen dabei die Chemie der Ozeane mit der<br />

des Mantels und der ozeanischen Kruste während solche<br />

in vulkanischen Systemen, die von meteorischen oder ozeanischen<br />

Fluiden gespeist werden, eine effiziente Kühlung<br />

der vulkanischen Systeme darstellen und ökonomisch<br />

wichtige Geothermalsysteme bilden können. Hydrothermalsysteme<br />

um flach intrudierte Plutone sind maßgeblich<br />

an der Entstehung von Erzlagerstätten wie des Porphyry<br />

Copper oder epithermalen Typs beteiligt. Die Bestimmung<br />

der Herkunft und Zusammensetzung der fluiden Phasen<br />

in geologischen Systemen ist demnach nicht nur von geochemischem<br />

sondern auch ökonomischem Interesse. Da<br />

in diesen Hydrothermalsystemen Fluide ihre physikochemischen<br />

Eigenschaften nicht nur durch Mischung mit<br />

anderen Fluiden oder durch Wechselwirkungen mit den<br />

sie umgebenden Gesteinen verändern können, sondern<br />

auch durch Fluidentmischung, ist es wichtig, das geochemische<br />

Verhalten potentieller geochemischer Fluidtracer<br />

während einer Fluidentmischung zu kennen.<br />

Potentielle Tracer in fluidgesteuerten bzw. fluiddominerten<br />

Prozessen sind Bor mit seinen beiden Isotopen 11 B und<br />

10 B und die Halogene Chlor mit seinen Isotopen 37 Cl und<br />

35 Cl und Brom. Allerdings ist ihr Verhalten in fluidentmischenden<br />

Hydrothermalsystemen nur unzureichend bekannt.<br />

Um dieses Verhalten zu untersuchen, wurde ihre<br />

Fraktionierung zwischen koexistierenden fluiden Phasen<br />

experimentell bestimmt. Die Experimente wurden in einem<br />

großvolumigen Hydrothermalautoklaven entlang von Isothermen<br />

durchgeführt. Dieser Autoklav ermöglicht eine<br />

quasi-isobare Beprobung der koexistierenden fluiden Phasen.<br />

Die Fraktionierung von Bor und seiner Isotope 10 B<br />

und 11 B sowie der Chlor-Isotope 35 Cl und 37 Cl wurde im<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


System H2O-NaCl-B 2O 3 bei 400 °C/23 bis 28 MPa und<br />

450 °C/38 bis 42 MPa untersucht. Die Fraktionierung<br />

von Brom wurde bei 380, 400, 430 und 450 °C und 23 bis<br />

42 MPa im System H 2O-NaCl-NaBr untersucht.<br />

Die Bor Konzentrationen sind in der Flüssigkeit generell<br />

höher als im koexistierenden Dampf und zeigen, dass Bor<br />

bevorzugt in die Flüssigkeit fraktioniert (Abb. 4.6a). Verglichen<br />

mit den extremen Unterschieden in den NaCl-<br />

Gehalten ist die Fraktionierung von Bor zwischen Flüssigkeit<br />

und Dampf jedoch nur sehr klein (Abb. 4.6b).<br />

Berechnete Verteilungskoeffizienten D B Flüssigkeit-Dampf (=<br />

c B Flüssigkeit /cB Dampf ) sind kleiner als 2,5 unter allen experimentellen<br />

Bedingungen. Die Daten zeigen, dass die Bor-Fraktionierung<br />

mit sich öffnendem Solvus, d. h. mit abnehmendem<br />

Druck und zunehmendem Dichtekontrast zwischen<br />

Flüssigkeit und Dampf, zunimmt. Maximale Bor-Fraktionierung<br />

zwischen Flüssigkeit und Dampf erfolgt daher bei<br />

Salzsättigung, also bei Bedingungen mit den größten<br />

physikochemischen Unterschieden zwischen Flüssigkeit<br />

und Dampf. Die Extrapolation der experimentellen<br />

Daten bis zur Salzsättigung<br />

ergibt eine maximale Bor Fraktionierung<br />

von D B Flüssigkeit-Dampf = 1,8 bei 450 °C und<br />

D B Flüssigkeit-Dampf = 2,7 bei 400 °C (Abb. 4.6b).<br />

Wie Bor selbst zeigen auch die Bor-Isotope<br />

eine einheitliche, wenn auch schwache<br />

Fraktionierung zwischen Flüssigkeit<br />

und Dampf, wobei das schwerere Isotop<br />

11 B bevorzugt in den Dampf fraktioniert<br />

(Abb. 4.6c). Die berechnete Bor-<br />

Isotopenfraktionierung ∆ 11 B Dampf-Flüssigkeit<br />

= [( 11 B/ 10 B) Dampf – ( 11 B/ 10 B) Flüssigkeit]/( 11 B/<br />

10 B)Standard}*1.000 reicht von 0,2 (± 0,7)<br />

bis 0,9 (± 0,5) ‰ bei 450 °C und von<br />

0,1 (± 0,6) bis 0,7 (± 0,6) ‰ bei 400 °C<br />

(Abb. 4.6d). Wie beim Bor deuten die<br />

Daten auch bei den Bor-Isotopen eine<br />

zunehmende Fraktionierung mit sich öffnendem<br />

Solvus an. Die Extrapolation der<br />

Daten bis zur Salzsättigung ergibt eine<br />

maximale Bor-Isotopenfraktionierung von<br />

∆ 11 B Dampf-Flüssigkeit = 1,5 (± 0,7) ‰ bei 450 °C<br />

und ∆ 11 B Dampf-Flüssigkeit = 1,3 (± 0,6) ‰ bei<br />

400 °C. Die Bor Isotopenfraktionierung<br />

ist eine Funktion der Bor Speziation (trigonal<br />

versus tetragonal) in den koexistierenden<br />

Phasen. Da im Dampf das Bor trigonal<br />

koordiniert ist, deutet die geringe<br />

Bor-Isotopenfraktionierung darauf hin,<br />

dass in der Flüssigkeit ähnliche trigonale<br />

Bor-Spezies vorliegen.<br />

Um zu untersuchen, wie sich die Bor und<br />

Bor-Isotopensignaturen der fluiden Phasen<br />

in einem fluidentmischenden, ozeanischen<br />

Hydrothermalsystem verändern,<br />

wurde die Fluidentmischung von Meerwasser<br />

entlang zweier adiabatischer Aufstiegswege<br />

(Fluid 1 und Fluid 2) modelliert<br />

(Abb. 4.7a). Fluid 1 ist dampfdomi-<br />

niert und entmischt geringe Mengen Flüssigkeit (Kondensation)<br />

während Fluid 2 flüssigkeitdominiert ist und<br />

geringe Mengen an Dampf entmischt (Kochen). Die<br />

Modellierungen im offenen System (Rayleigh Fraktionierung)<br />

zeigen, dass sich trotz der sehr kleinen Fraktionierung<br />

von Bor und seinen Isotopen zwischen Dampf und<br />

Flüssigkeit die Bor- und Bor-Isotopensignatur in Fluid 1<br />

für hohe Fraktionierungsgrade extrem ändert. Die Borund<br />

Bor-Isotopensignatur in Fluid 2 verändert sich nur<br />

unwesentlich während der Fluidentmischung. Ein Vergleich<br />

der Ergebnisse der Modellierung mit natürlichen Fluiden<br />

aus ozeanischen Hydrothermalsystemen zeigt jedoch,<br />

dass die beobachteten Bor- und Bor-Isotopensignaturen<br />

der natürlichen Fluide nicht mit den modellierten Trends<br />

übereinstimmen (Abb. 4.7b). Dies bedeutet, dass in natürlichen<br />

Systemen andere Prozesse die Bor-Geochemie kontrollieren<br />

müssen.<br />

Im Gegensatz zu den Bor Isotopen zeigen die Chlor-Isotope<br />

keinerlei Fraktionierung zwischen Dampf und Flüs-<br />

Abb. 4.6: (a) Bor Konzentrationen in koexistierendem Dampf und Flüssigkeit<br />

bei 450 und 400 °C. Bor fraktioniert in die Flüssigkeit. (b) Verteilungskoeffizienten<br />

D B Flüssigkeit-Dampf als Funktion der Druckdifferenz zum kritischen<br />

Punkt bei 450 und 400 °C sowie Extrapolation der Daten auf Salzsättigung.<br />

(c) 11 B/ 10 B-Verhältnisse in koexistierendem Dampf und Flüssigkeit<br />

bei 450 und 400 °C. Das schwerere 11 B fraktioniert in den Dampf. (d)<br />

Berechnete Isotopenfraktionierung ∆ 11 B Dampf-Flüssigkeit als Funktion der Druckdifferenz<br />

zum kritischen Punkt bei 450 und 400 °C sowie Extrapolation der<br />

Daten auf Salzsättigung.<br />

(a) Boron concentration in coexisting vapour and liquid at 450 and 400 °C.<br />

Bor fractionates into the liquid. (b) Distribution coefficients D B liquid-vapour as<br />

function of the pressure difference to the critical point at 450 and 400 °C<br />

and extrapolation of the data to salt saturation. (c) 11 B/ 10 B ratios in coexisting<br />

vapour and liquid at 450 and 400 °C. The heavier 11 B fractionates into<br />

the vapour. (d) Calculated isotope fractionation ∆ 11 B vapour-liquid as function of<br />

the pressure difference to the critical point at 450 and 400 °C and extrapolation<br />

of the data to salt saturation.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

303


304<br />

Abb. 4.7: (a) Modellierung des Effekts einer Fluidentmischung auf die Borund<br />

Bor- Isotopensignatur von Meerwasser im Dampf dominierten (Fluid<br />

1) bzw. Flüssigkeit dominierten (Fluid 2) System. (b) Vergleich der Modellierung<br />

mit Bor- und Bor-Isotopensignaturen natürlicher Vent Fluide.<br />

(a) Modelling the effect of fluid phase separation on the boron and boron<br />

isotope signature of seawater in vapour dominated (Fluid 1) and liquid dominated<br />

(Fluid 2) systems. (b) Comparison of the model calculations with boron<br />

and boron isotope signatures of natural vent fluids.<br />

sigkeit (Abb. 4.8a). Die berechnete Chlor-Isotopenfraktionierung<br />

∆ 37 Cl Dampf-Flüssigkeit = δ 37 Cl Dampf – δ 37 Cl Flüssigkeit<br />

schwankt zwischen –0,37 (± 0,24) und 0,27 (± 0,24) ‰<br />

bei 450 °C und –0,16 (± 0,24) und 0,32 (± 0,24) ‰ bei<br />

400 °C (Abb. 4.8b). Die Daten deuten darauf hin, dass sich<br />

die Chlor-Isotope zumindest bei den experimentell untersuchten<br />

Druck-Temperaturbedingungen konservativ verhalten<br />

und als geochemische Tracer in fluidentmischenden<br />

Systemen verwendet werden können.<br />

Wie NaCl zeigt auch NaBr eine extreme Fraktionierung<br />

zwischen Dampf und Flüssigkeit (Abb. 4.9a). Berechnete<br />

Verteilungskoeffizienten D Br Flüssigkeit-Dampf (= cBr Flüssigkeit /<br />

c Br Dampf ) sind generell größer als die entsprechenden<br />

D Cl Flüssigkeit-Dampf Werte und zeigen, dass Brom gegenüber<br />

Chlor in der Flüssigkeit angereichert wird. Die Aus-<br />

Abb. 4.8: (a) δ 37 Cl in koexistierendem Dampf und Flüssigkeit bei 450 und<br />

400 °C. Im Rahmen der analytischen Fehler besitzen Dampf und Flüssigkeit<br />

eine identische Chlor Isotopie. (b) Berechnete Chlor Isotopenfraktionierung<br />

δ 37 Cl Dampf-Flüssigkeit als Funktion der Druckdifferenz zum kritischen<br />

Punkt bei 450 und 400 °C.<br />

(a) δ 37 Cl in coexisting vapour and liquid at 450 and 400 °C. Within analytical<br />

error, vapour and liquid have identical chlorine isotopic composition.<br />

(b) Calculated chlorine isotope fractionation δ 37 Cl vapour-liquid as function of<br />

the pressure difference to the critical point at 450 and 400 °C.<br />

tauschkoeffizienten K D(Br-Cl) Flüssigkeit-Dampf für<br />

die Reaktion Br Dampf + Cl Flüssigkeit = Br Flüssigkeit<br />

+ Cl Dampf liegen zwischen 0,94 ± 0,08 und<br />

1,66 ± 0,14 (Abb. 4.9b). Sie korrelieren<br />

positiv mit D Cl Flüssigkeit-Dampf und deuten darauf<br />

hin, dass die Brom-Chlor Fraktionierung<br />

mit sich öffnendem Solvus zunimmt.<br />

Eine empirische Anpassung der<br />

Form K D(Br-Cl) Flüssigkeit-Dampf = a*ln[b*(DCl Flüs-<br />

sigkeit-Dampf –1) + e 1/a ] an die experimentellen<br />

Daten ergibt a = 0,349 und b = 1,697. Mit<br />

Hilfe dieser Gleichung und D Cl Flüssigkeit-Dampf<br />

aus den bekannten Phasenbeziehungen<br />

im H 2O-NaCl System wurde modelliert,<br />

wie sich die Br/Cl-Signatur eines hydrothermalen<br />

Fluids mit initialer Meerwasser-Zusammensetzung<br />

ändert, welches<br />

im geschlossenen bzw. offenen System<br />

adiabatisch aufsteigt und kontinuierlich<br />

geringe Mengen an Flüssigkeit kondensiert<br />

(Abb. 4.10). Die Modellierungen<br />

zeigen, dass eine Fluidentmischung in<br />

solchen Hydrothermalsystemen die Br/Cl-Signatur der<br />

Fluide extrem verändern kann. Die Ergebnisse stimmen<br />

sehr gut mit den Br/Cl-Signaturen niedrig salinarer Vent-<br />

Fluide vom 9 bis 10° N East Pacific Rise überein. Sie zeigen,<br />

dass die Br/Cl-Signatur von Fluiden a priori nicht als<br />

konservativer Tracer genutzt werden kann.<br />

Der Effekt von Metamiktisierung und Rekristallisation<br />

von Zirkon auf die Elementfreisetzung in<br />

wässrige Fluide<br />

Das akzessorische Mineral Zirkon (ZrSiO 4) ist eine der<br />

wichtigsten Quellen geochronologischer und geochemischer<br />

Informationen zur Entschlüsselung von geologischen<br />

Prozessen in der Lithosphäre. Bei der Kristallisation<br />

von Zirkon können U, Th und andere Spurenelemente<br />

im Gitter eingebaut werden. Für die U-<br />

Pb-Altersdatierung an Gesteinen ist dabei<br />

wesentlich, dass seine Struktur für Pb 2+<br />

inkompatibel und damit der Bleigehalt<br />

natürlicher Zirkone normalerweise radiogen<br />

ist. Weiterhin kommt Zirkon in den<br />

meisten magmatischen, sedimentären<br />

und metamorphen Gesteinen vor und ist<br />

das häufigste Zr-Mineral in der Erdkruste.<br />

Zirkon besitzt zudem eine bemerkenswerte<br />

chemische und mechanische Stabilität<br />

unter vielen geologischen Bedingungen,<br />

so dass viele der ältesten bekannten<br />

Gesteine der Erde mittels dieses Minerals<br />

datiert werden konnten.<br />

Trotzdem verhält sich Zirkon nicht völlig<br />

inert, wobei vor allem Metamiktisierung<br />

zu einer Verringerung der chemischen<br />

und mechanischen Stabilität führt. Metamiktisierung<br />

bezeichnet den Übergang<br />

vom kristallinen zum amorphen Zustand<br />

durch die Entstehung von Gitterdefekten<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.9: (a) Brom-Konzentrationen in koexistierendem Dampf und Flüssigkeit<br />

bei 450, 430, 400 und 380 °C. Wie Chlor fraktioniert Brom sehr stark<br />

in die Flüssigkeit. (b) Berechnete Austauschkoeffizienten K D(Br-Cl) Flüssigkeit-Dampf<br />

für die Reaktion Br Dampf + Cl Flüssigkeit = Br Flüssigkeit + Cl Dampf als Funktion von D Cl Flüs-<br />

sigkeit-Dampf . Berechnete KD(Br-Cl) Flüssigkeit-Dampf sind generell > 1 und belegen bevorzugte<br />

Fraktionierung von Brom gegenüber Chlor in die Flüssigkeit.<br />

(a) Bromine concentration in coexisting vapour and liquid at 450, 430, 400<br />

and 380 °C. Like chlorine, bromine strongly fractionates into the liquid. (b)<br />

Calculated exchange coefficients K D(Br-Cl) liquid-vapour for the reaction Br vapour +<br />

Cl liquid = Br liquid + Cl vapour as function of D Cl liquid-vapour . Calculated KD(Br-Cl) liquid-vapour<br />

are general > 1 and prove preferential fractionation of bromine over chlorine<br />

into the liquid.<br />

infolge des Zerfalls eingebauter radioaktiver Elemente (U,<br />

Th) und deren Tochterisotope. Beispielsweise wurden<br />

weltweit in schwach metamorphen archaischen und paläozoischen<br />

Gesteinen detritische Zirkonkörner gefunden,<br />

die angelöst waren oder kleine aufgewachsene Zirkonkri-<br />

Abb. 4.10: Modellierung der Br/Cl Signatur eines hydrothermalen<br />

Fluids mit initialer Meerwasser-Zusammensetzung<br />

während des adiabatischen Aufstieges im geschlossenen<br />

bzw. offenen System. Fluidentmischung kann die<br />

Br/Cl Signatur von Fluiden extrem verändern. Die Ergebnisse<br />

stimmen mit Br/Cl Signaturen niedrig salinarer Vent<br />

Fluide vom 9 bis 10° N East Pacific Rise überein.<br />

Modelling the Br/Cl signature of a hydrothermal fluid with<br />

initial seawater composition during closed and open system<br />

adiabatic ascent. Fluid phase separation can significantly<br />

alter the Br/Cl signature of fluids. The results agree<br />

with Br/Cl signatures of low-salinity vent fluids from 9 to<br />

10° N East Pacific Rise.<br />

stalle besaßen (Dempster et al., <strong>2004</strong>;<br />

Rasmussen <strong>2005</strong>). Eine mögliche Deutung<br />

dieser auf den ersten Blick überraschenden<br />

erhöhten Zirkonium-Mobilität<br />

bei relativ niedrigen Temperaturen<br />

(< 350 °C) ist die seit langem bekannte<br />

höhere Anfälligkeit metamikter Bereiche<br />

in Zirkonen für die Alteration durch wässrige<br />

Fluide. Die meisten bisherigen experimentellen<br />

Arbeiten zur hydrothermalen<br />

Alteration von Zirkon befassten sich mit<br />

der Charakterisierung der festen Reaktionsprodukte.<br />

Dagegen existieren bisher<br />

nur sehr wenige Daten zu Löslichkeit und<br />

Auflösungskinetik von Zirkon in wässrigen<br />

Fluiden, und die Elementfreisetzung<br />

in Abhängigkeit vom Metamiktisierungsgrad<br />

wurde bisher nicht quantifiziert.<br />

Aus diesem Grund untersuchten wir die<br />

zeitliche Entwicklung der Zr-Konzentration<br />

und, falls messbar, auch der U- und<br />

Pb-Konzentrationen in H 2O-HCl-Fluiden<br />

während der chemischen Wechselwirkung<br />

mit Zirkonen unterschiedlicher<br />

Metamiktisierung. In einigen Experimenten<br />

wurde Quarz zugesetzt, um den Einfluss der SiO 2-<br />

Sättigung des Fluids auf die Elementmobilisierung und<br />

die Kinetik des Rekristallisationsprozesses zu untersuchen.<br />

Für die Versuche wurden von Wissenschaftlern der<br />

Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und der Memorial<br />

University of Newfoundland, St. John’s, Kanada sehr<br />

gut charakterisierte natürliche und synthetische Zirkone<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Abb. 4.11: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus.<br />

Die Bestimmung der Elementgehalte im Fluid<br />

erfolgt in situ mittels modifizierter hydrothermaler Diamantstempelkammer<br />

und Synchrotronstrahlungs-Röntgenfluoreszenz.<br />

Schematic diagram of the experimental configuration. The<br />

element concentrations in the fluid are determined in situ<br />

using a modified hydrothermal diamond-anvil cell and<br />

synchrotron radiation-XRF analyses.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

305


306<br />

Die zeitaufgelösten Messungen der Zr-, U- und Pb-<br />

Konzentrationen im Fluid erfolgten in situ bei Temperaturen<br />

zwischen 200 und 500 °C und Drücken zwischen<br />

2 und 500 MPa mit einer am <strong>GFZ</strong> Potsdam gebauten<br />

speziellen hydrothermalen Diamantstempelkammer<br />

und Synchrotronstrahlungs-Röntgenfluoreszenzanalysen<br />

(SY-RFA) (Abb. 4.11). Die Messungen wurden an der<br />

SY-RFA-Mikrosonde des Hamburger Synchrotronstrahlungslabors<br />

(HASYLAB) am Deutschen Elektronensynchrotron<br />

(DESY) durchgeführt. An der Cornell High<br />

Energy Synchrotron Source, (Ithaca, New York, USA)<br />

wurde speziell für In-Situ-Experimente mit hydrothermalen<br />

Diamantstempelkammern eine Kapillare mit langem<br />

Arbeitsabstand zur Verstärkung der Flussdichte und zur<br />

Fokussierung des Synchrotron-Röntgenstrahls auf 11 µm<br />

Abb. 4.12: Rekristallisation von ursprünglich stark metamiktem<br />

Zirkon (Probe N17) in H 2O+HCl. a) bis c) Probenkammer<br />

(Durchmesser ≈ 300 µm) einer hydrothermalen<br />

Diamantstempelzelle während eines Heizversuchs mit<br />

stark metamiktem Zirkon N17 in 3,8 m HCl. Bei 300 °C<br />

ist im mikroskopischen Bild eine rasche Verfärbung der<br />

ursprünglich fast farblosen und isotropen Zirkonprobe<br />

erkennbar, welche deutlich das Einsetzen massiver Rekristallisation<br />

anzeigt. d) Elektronenbeugungsbild des amorphen<br />

Ausgangsmaterials. e) Elektronenbeugungsbild und<br />

f) TEM-Bild derselben Probe nach Rekristallisation in<br />

7,0 m HCl bei 450 °C. g) Raman-Spektren von Zirkon N17<br />

bei 22 °C vor und nach Rekristallisation in H 2O+HCl im<br />

Vergleich mit dem Raman-Spektrum eines synthetischen<br />

Zirkon-Einkristalls. Zuordnung der Ramanbanden:<br />

v 2(SiO 4) – symmetrische SiO 4-Biegeschwingung, v 3(SiO 4)<br />

– antisymmetrische SiO 4-Streckschwingung. Die Halbwertsbreite<br />

(FWHM) insbesondere der v 3(SiO 4)-Ramanbande<br />

hängt von der Nahordnung ab und wird mit zunehmender<br />

Metamiktisierung größer. Die Bande bei ≈ 425 cm –1<br />

(Pfeil) kann weder Zirkon, monoklinem oder tetragonalem<br />

ZrO 2, noch Quarz zugeordnet werden.<br />

Recrystallisation of initially strongly metamict zircon<br />

(sample N17) in H 2O+HCl. a) to c) Plan view of the sample<br />

chamber (diameter ≈ 300 µm) of a hydrothermal diamond-anvil<br />

cell during heating of zircon N17 in 3.8 m HCl.<br />

Optically, the onset of massive recrystallisation is recognizable<br />

by rapid darkening of the previously almost colorless<br />

and isotropic sample at 300 °C. d) Electron diffraction<br />

pattern of the amorphous starting material, e) Electron<br />

diffraction pattern and f) TEM image of zircon N17<br />

after recrystallisation in 7.0 m HCl at 450 °C. g) Raman<br />

spectra of zircon N17 at 22 °C before and after recrystallisation<br />

in H 2O+HCl. A spectrum of fully crystalline synthetic<br />

zircon is given for reference. Assignment of Raman<br />

bands: v 2(SiO 4) – symmetric SiO 4 bending, v 3(SiO 4) – antisymmetric<br />

SiO 4 stretching. The full width at half maximum<br />

(FWHM) particularly of the v 3(SiO 4) Raman band is a<br />

function of short-range order and increases with metamictisation.<br />

The origin of the shoulder at ≈ 425 cm –1 (thick<br />

arrow) is unknown. It cannot be assigned to zircon, quartz,<br />

and monoclinic or tetragonal ZrO 2.<br />

entwickelt und angefertigt. Damit konnten am SY-RFA-<br />

Messplatz des HASYLAB für solche Versuche die unteren<br />

Nachweisgrenzen für Zr, U und Pb um eine Größenordnung<br />

auf 1 bis 5 ppm gesenkt werden.<br />

Nach den Hydrothermalversuchen wurden der verbleibende<br />

amorphe Anteil und die Korngröße der rekristallisierten<br />

Zirkone mittels Raman-Spektroskopie und Transmissions-Elektronenmikroskopie<br />

bestimmt (Abb. 4.12).<br />

Der ursprünglich fast amorphe Zirkon N17 rekristallisierte<br />

in H 2O-HCl-Fluiden bei etwa 280 bis 300 °C<br />

(Abb. 4.12a-c). Die Rekristallisation bewirkte einen starken<br />

Abfall der Zr-Konzentration im Fluid, wohingegen aus<br />

dem metamikten Zirkon gelöstes U und Pb nicht wieder<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.13: Zr-, U- und Pb-Molalitäten im Fluid vor, während<br />

und nach Rekristallisation von ursprünglich fast<br />

amorphem Zirkon N17 als Funktion der vergangenen Zeit<br />

seit t 0 (Erreichen der ersten angegebenen Temperatur).<br />

Rote Symbole – Experiment mit Zusatz von Quarz (SiO 2gesättigtes<br />

Fluid). Blaue Symbole – Experiment ohne<br />

Zusatz von Quarz.<br />

Temporal evolution of the Zr, U, and Pb molalities in the<br />

fluid before, during, and after recrystallisation of initially<br />

nearly amorphous zircon N17. Red symbols – silicasaturated<br />

fluid (quartz present), blue symbols – quartz<br />

absent. t 0 – time at which the first experimental temperature<br />

was attained.<br />

Abb. 4.14: Zr-Molalität in H 2O-HCl-Fluiden als Funktion<br />

der Temperatur bei Hydrothermalexperimenten mit Zirkoneinkristallen<br />

(orangefarbene Symbole), stark metamiktem<br />

Zirkon N17 (grüne Symbole) und rekristallisierendem<br />

oder rekristallisiertem Zirkon N17 (blaue Symbole).<br />

Q – Experimente mit SiO 2-gesättigten Fluiden.<br />

Zr concentration in H 2O+HCl fluids as a function of temperature<br />

during interaction with fully crystalline zircon<br />

(diamonds), slightly metamict zircon (circles), strongly<br />

radiation-damaged zircon N17 (green squares), and<br />

recrystallising or recrystallized zircon N17 (blue squares).<br />

Q – experiments at silica saturation of the fluid.<br />

in den rekristallisierenden Zirkon eingebaut wurde<br />

(Abb. 4.13). In Anwesenheit eines SiO 2-gesättigten H 2O-<br />

HCl-Fluids setzte die Rekristallisation der Probe N17<br />

jedoch erst bei höheren Temperaturen ein und verlief<br />

wesentlich langsamer. Auch nach Erhöhung der Temperatur<br />

auf 450 °C war der Rekristallisationsprozess nach<br />

zusätzlichen 2,5 h weniger weit fortgeschritten als bei<br />

einem Experiment mit vergleichbarer HCl-Konzentration<br />

ohne Zusatz von Quarz (Abb. 4.13, 4.12 g). Außerdem war<br />

die U-Konzentration im SiO 2-gesättigten Fluid wesentlich<br />

niedriger und sank jeweils nach 2 h weiter ab (Abb. 4.13),<br />

wahrscheinlich infolge Ausfällung als separate Phase oder<br />

infolge des Einbaus als USiO 4-Komponente im Zirkon.<br />

Unterhalb der Rekristallisationstemperatur von Zirkon<br />

N17 war die Zr-Molalität im Fluid etwa zwei Größenordnungen<br />

höher als die aus nicht oder schwach metamikten<br />

Zirkonen freigesetzte Zr-Konzentration bei ähnlicher<br />

HCl-Konzentration (Pfeil in Abb. 4.14). Bei SiO 2-Sättigung<br />

betrug diese Differenz etwa 1,5 Größenordnungen.<br />

Bei höheren Temperaturen, d. h. nach weitgehender<br />

Rekristallisation des amorphen Anteils, war der Unterschied<br />

in der Zr-Konzentration im Fluid wesentlich geringer.<br />

Unsere experimentellen Ergebnisse unterstützen damit<br />

die Hypothese, dass die erhöhte Zr-Mobilität in schwach<br />

metamorphen Gesteinen durch bevorzugte Auflösung<br />

metamikter Partien detritischer Zirkone durch chloridische<br />

Fluide verursacht wird. Die aus metamikten Zirkonen<br />

freigesetzte sehr hohe Zr-Konzentration im Fluid ist<br />

jedoch übersättigt, d. h. nicht im Gleichgewicht mit kristallinem<br />

Zirkon. Damit erscheint ein langer Transportweg<br />

für Zr in diesen Gesteinen unwahrscheinlich.<br />

Spurenelementanalytik von Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüssen<br />

in Mineralen mittels Synchrotronstrahlungs-induzierterRöntgenfluoreszenzanalytik<br />

Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüsse in Mineralen werden<br />

während des Mineralwachstums gebildet. Sofern das<br />

Mineral vom Zeitpunkt der Bildung bis zur Heraushebung<br />

an die Erdoberfläche stabil bleibt, können auf diese Art<br />

die Schmelzen und/oder Lösungen (Fluide) der gesteinsbildenden<br />

Prozesse konserviert werden. Solche Einschlüsse<br />

sind die einzigen direkten Informationsquellen<br />

für Schmelzen und Flüssigkeiten in der Erdkruste. Häufig<br />

sind viele Generationen von Schmelzen oder Fluiden<br />

in einem Mineral eingeschlossen. Die Abfolge der eingeschlossenen<br />

Phasen kann anhand von Wachstumszonen in<br />

Mineralen oder mittels der Homogenisierungstemperatur<br />

der Einschlüsse abgeleitet werden. Die chemische Analyse<br />

einer Abfolge gut charakterisierter Einzeleinschlüsse<br />

ermöglicht die Rekonstruktion der Entwicklung von Krustengesteinen<br />

und eröffnet einen Blick auf Elementanreicherungen<br />

und Elementtransport in der oberen Erdkruste.<br />

Zusätzliche Informationen liefern Tochterkristalle, die<br />

häufig in Einschlüssen auftreten, aber mittels konventioneller<br />

Methoden nur selten identifiziert werden können.<br />

Die chemische Analyse der Tochterkristalle ermöglicht<br />

ihre Identifikation und liefert weitere Informationen<br />

bezüglich des Bildungsmilieus der Einschlüsse.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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308<br />

In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Synchrotronstrahlungslabor<br />

am Deutschen Elektronen-Synchrotron<br />

wurde eine Methode entwickelt, mit der die Zusammensetzung<br />

von Einzeleinschlüssen qualitativ und quantitativ<br />

bestimmbar ist. Dazu wird die Probe mit weißer Synchrotronstrahlung<br />

beleuchtet, die charakteristische Fluoreszenz<br />

der Elemente in der Probe bewirkt. Die so entstandene<br />

Röntgenfluoreszenz wird in einem energiedispersiven<br />

Halbleiterdetektor nachgewiesen. Die Positionen<br />

der Röntgenfluoreszenzlinien in dem aufgenommenen<br />

Spektrum geben Hinweise auf die vorhandenen Elemente<br />

und die Intensität der Fluoreszenzlinie auf die Konzentration<br />

des Elementes innerhalb der Probe. Es wurde ein<br />

Verfahren entwickelt, dass die Berechnung der Konzentrationen<br />

in Einschlüssen mit Hilfe von Monte Carlo<br />

Simulationen ohne die Verwendung von Kalibrationsstandards<br />

ermöglicht (Rickers et al., <strong>2004</strong>). Mit dem ver-<br />

Abb. 4.15: Mikrofotos von Einschlüssen silikatischer Schmelzen und Flüssigkeiten,<br />

die in verschiedenen Stadien der Entwicklungsgeschichte des<br />

Ehrenfriedersdorf-Komplexes in Quarz eingeschlossen wurden. (a) Typ-A<br />

Schmelzeinschluss, der aus Flüssigkeit, Dampf und einer Vielzahl von Tochterkristallen<br />

besteht. (b) Typ-B Schmelzeinschluss. (c) Dampfreicher Flüssigkeitseinschluss<br />

aus Dampf und Flüssigkeit des pegmatitischen Stadiums.<br />

(d) Flüssigkeitseinschluss des frühen hydrothermalen Stadiums. Die perfekte<br />

Negativkristallform von Quarz ist an der Stelle gestört, an der sich<br />

transparente Tochterkristalle von unregelmäßiger Form befinden, die<br />

höchstwahrscheinlich Mischkristalle des Systems Montebrasit-Amblygonit<br />

sind. (e) Großer Flüssigkeitseinschluss des frühen hydrothermalen Stadiums,<br />

der aus Dampf, Flüssigkeit und einem kleinen opaken Kristall von Kassiterit<br />

(Zinnstein) besteht. (f) Hochsalinarer Einschluss des späten hydrothermalen<br />

Stadiums. Dieser Einschluss beinhaltet unter anderem einen<br />

Tochterkristall von Zinkblende.<br />

Microphotographs of silicate melt and fluid inclusions trapped in quartz at<br />

various stages of the evolution of the Ehrenfriedersdorf Complex. (a) Type-<br />

A melt inclusion containing liquid, vapour, and a large number of daughter<br />

crystals. (b) Type-B melt inclusion. (c) Vapour-rich inclusion of the pegmatite<br />

stage containing vapour and liquid. (d) Fluid inclusion of the early hydrothermal<br />

stage. The ideal negative crystal shape of quartz of the inclusion is<br />

disturbed at that part where it hosts a transparent daughter crystal of irregular<br />

shape, possibly montebrasite-amblygonite solid solutions. (e) Big fluid<br />

inclusion of the early hydrothermal stage consisting of vapour, liquid and a<br />

small opaque crystal of cassiterite. (f) Hypersaline fluid inclusion of the<br />

later hydrothermal stage hosting several daughter crystals including sphalerite. <br />

wendeten Experimentaufbau an Strahl L am HASYLAB<br />

in Hamburg, können Elemente einer Ordnungszahl zwischen<br />

17 und 92 simultan nachgewiesen werden, die untere<br />

Nachweisgrenze liegt bei einer minimalen Ortsauflösung<br />

von 10 µm element- und probenabhängig im ppm bis<br />

sub-ppm Bereich. Synchrotronstrahlungs-induzierte Röntgenfluoreszenzanalytik<br />

(SXRF) hat gegenüber herkömmlichen<br />

Analyseverfahren den Vorteil, dass sie zerstörungsfrei<br />

ist und dass durch die hohe Intensität der einfallenden<br />

Strahlung eingeschlossene Volumina (entweder<br />

innerhalb von Mineralen oder innerhalb von Versuchsapparaturen)<br />

untersucht werden können. Die Genauigkeit<br />

der quantitativen Analyse von Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüssen<br />

wurde anhand von synthetisch hergestellten<br />

Flüssigkeitseinschlüssen in Quarz für die Elemente<br />

Sn, Cu, Cs und Rb geprüft und liegt zwischen 10 und<br />

30 %. Hohe Abweichungen von über 20 % wurden ausschließlich<br />

für Konzentrationsbereiche<br />

nahe der unteren Nachweisgrenze festgestellt.<br />

Erste Anwendung fand die entwickelte<br />

Methode bei der Erforschung des variskischen<br />

Ehrenfriedersdorf-Komplexes,<br />

eine granitische Intrusion in die Oberkruste,<br />

die durch das Vorkommen zahlreicher<br />

Pegmatite und hydrothermaler<br />

Zinn-Wolfram-Lagerstätten charakterisiert<br />

ist. Die Pegmatite zeichnen sich<br />

durch vielfältige Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüsse<br />

vom pegmatitischen<br />

zum hydrothermalen Entwicklungsstadium<br />

aus (Thomas, 1982; Thomas et al.,<br />

2000; 2003). Im pegmatitischen Stadium<br />

koexistieren zwei Typen von wasserreichen,<br />

silikatischen Schmelzen, die durch<br />

Entmischung aus einer Schmelze hervorgegangen<br />

sind, sowie mindestens eine fluide<br />

Phase (Abb. 4.15). Mit abnehmender<br />

Temperatur nimmt die Bedeutung der<br />

Flüssigkeitseinschlüsse zu. Es treten Phasenseparationen<br />

auf, die zu einer gasreichen<br />

und einer flüssigkeitsreichen fluiden<br />

Phase führen (Abb. 4.15). Um den vermuteten<br />

genetischen Zusammenhang<br />

zwischen Sn-reichen Graniten, Pegmatiten<br />

und hydrothermalen Zinn-Wolfram-<br />

Lagerstätten nachzuweisen, wurde die<br />

qualitative und quantitative Analytik von<br />

Einzeleinschlüssen durchgeführt.<br />

Elementverteilungsbilder von einzelnen<br />

Flüssigkeitseinschlüssen dokumentieren<br />

die vorhandenen Elemente innerhalb des<br />

Einschlusses und machen zusätzlich<br />

Mikrokristalle sichtbar, die mittels optischer<br />

Mikroskopie nicht zu erkennen sind<br />

(Abb. 4.16a). Dadurch, dass Elemente in<br />

diesen Mikrokristallen konzentriert sind,<br />

werden sie nachweisbar, sofern das Anregungsvolumen<br />

ausreichend klein ist. In<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.16: Spurenelementverteilungsbilder von Flüssigkeitseinschlüssen: (a) Flüssigkeitseinschluss des frühen hydrothermalen<br />

Stadiums. Der Einschluss ist in einem 100 µm dicken Quarz-Träger eingeschlossen. Die Größe der Pixel<br />

beträgt 10 x 10 µm 2 . (b) Flüssigkeitseinschluss des späten hydrothermalen Stadiums. Der Einschluss ist in einem Quarz-<br />

Träger (300 µm dick). Die Größe der Pixel beträgt 5 x 5 µm 2 . Die relative Intensität ist als Farbskala dargestellt, die<br />

von Schwarz (0) nach Weiß (1) changiert. Die SXRF-Spektren auf der rechten Bildseite entsprechen den Punkten, die<br />

durch die Pfeile markiert sind.<br />

Trace element distribution maps of fluid inclusions. (a) Fluid inclusion from the early hydrothermal stage hosted in a<br />

quartz chip of 100 µm in thickness. Pixel size is 10 x 10 µm 2 . (b) Fluid inclusion from the late hydrothermal stage hosted<br />

in a quartz chip of 300 µm in thickness. Pixel size is 5 x 5 µm 2 . Relative intensity is given from 0 (black) to 1 (white)<br />

and not to scale. SXRF spectra at the right refer to analyses at spots indicated by arrows.<br />

den Flüssigkeitseinschlüssen des frühen hydrothermalen<br />

Stadiums konnten in der Flüssigkeit Rb und Cs nachgewiesen<br />

werden. Die Elementverteilungsbilder zeigen darüber<br />

hinaus zwei Tochterkristalle unterschiedlicher<br />

Zusammensetzung (Cu, Fe, Nb, Sn, Ta und W sowie Fe,<br />

Zn, As, Sn und Sb; 4.16a). In einem Flüssigkeitseinschluss<br />

des späten hydrothermalen Stadiums wurden in der<br />

Lösung Mn, Fe, Zn, Br, Rb, Cd und Cs nachgewiesen (Abb.<br />

4.16b). Es konnten drei Tochterkristalle unterschiedlicher<br />

Spurenelementzusammensetzung identifiziert werden<br />

(Sn und As, Ag sowie Sb). Die Elementverteilungsbilder<br />

verdeutlichen außerdem, dass kein Spurenelement in der<br />

Gasphase der Einschlüsse angereichert ist.<br />

Die quantitative Analyse von Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüssen<br />

unterschiedlicher Stadien erlaubt eine Interpretation<br />

hinsichtlich der chemischen Entwicklung des<br />

magmatischen Komplexes. Abb. 4.17 zeigt exemplarisch<br />

das Verhalten der Elemente Sn, Cu und Zn in den Schmelzen<br />

und den fluiden Phasen des Ehrenfriedersdorf-Kom-<br />

plexes. In den pegmatitischen Schmelzen gibt es eine deutliche<br />

Anreicherung von Sn, die mit der Temperatur positiv<br />

korreliert ist. Zink und Cu in den pegmatitischen<br />

Schmelzen sind sehr gering konzentriert. In den fluiden<br />

Phasen gibt es für die drei Elemente unterschiedliche Muster<br />

mit der Temperatur. Dies lässt auf eine teilweise Entkopplung<br />

der Elemente in den Lösungen schließen. Zinn<br />

in Fluiden zeigt zwei Maxima, eines bei Temperaturen im<br />

pegmatitischen Bereich und eines im hydrothermalen bei<br />

450 °C. Das Maximum des hydrothermalen Stadiums ist<br />

mit der maximalen Cu-Anreicherung korreliert. In Einschlüssen<br />

dieses Stadiums konnte W in Tochterkristallen<br />

nachgewiesen werden (Abb. 4.16a). Diese Muster stehen<br />

in Einklang mit einer frühen pegmatitischen Sn-Anreicherung<br />

und einer zweiten, hydrothermalen Sn-W-Cu-<br />

Anreicherung. Zink steigt kontinuierlich mit abnehmender<br />

Temperatur und erreicht bei ca. 380 °C Konzentrationen<br />

über 1.000 ppm in den Lösungen. Dies steht in Einklang<br />

mit späthydrothermal gebildeten Zinkblenden in<br />

Ehrenfriedersdorf.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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310<br />

Abb. 4.17: Temperaturabhängigkeit der Zinn- (a), der Kupfer- (b) und der Zink-Konzentration (c) in Typ-A und Typ-B<br />

Schmelz- und Flüssigkeitseinschlüssen. Der Einsatz in (c) ist eine vergrößernde Darstellung der Zn Konzentrationen<br />

in beiden Schmelztypen bei niedrigen Konzentrationen und zeigt die relative Anreicherung von Zn in Typ-B gegenüber<br />

Typ-A Schmelzen. Daten aus Rickers et al. (2006).<br />

(a) Tin concentrations in type-A and type-B melt and fluid inclusions versus temperature. Arrows tentatively trace the<br />

evolution of both melts types, indicating overall enrichment of Sn in type-B melts. (b) Copper concentrations in melt<br />

and fluid inclusions versus temperature. (c) Zinc concentrations in type-A and type-B melt and fluid inclusions versus<br />

temperature. Inset is a blow-up of Zn concentrations for both melts types at low Zn contents and shows the relative<br />

enrichment of Zn in type-B relative to type-A melts. Data from Rickers et al. (2006).<br />

Anhand der Analytik von gut charakterisierten Einzeleinschlüssen<br />

konnten die Phasen, die zu der Bildung der<br />

Lagerstätten geführt haben, identifiziert und die chemische<br />

Entwicklung des magmatischen Komplexes entschlüsselt<br />

werden. Dadurch konnte das Potential der entwickelten<br />

Analysemethode exemplarisch gezeigt und für<br />

diesen Forschungsbereich etabliert werden.<br />

Auflösungs-Ausfällungsprozesse und Mikroporositäten<br />

in Mineralen<br />

Auflösungs-Ausfällungsprozesse spielen eine wichtige<br />

Rolle bei Fluid-Gesteins-Wechselwirkungen unter hohen<br />

Temperaturen. Dabei wird in Gegenwart von Fluiden als<br />

Transportmittel eine Mineralphase ihre Zusammenset-<br />

zung ändern oder auch gänzlich durch eine neue Phase<br />

ersetzt werden. Als Resultat einer chemischen Reaktion<br />

werden eine oder mehrere energetisch günstigere Phasen<br />

unter den herrschenden P-T-Bedingungen gebildet. Eine<br />

wichtige Eigenschaft dieses Prozesses ist die Ausbildung<br />

einer durchgängigen Mikro- oder Nanoporosität in der<br />

verdrängten Mineralstruktur, die nur mit einem Transmissionselektronenmikroskop<br />

(TEM) identifiziert werden<br />

kann. Dabei werden neue Mikrophasen im veränderten<br />

Wirtsmineral erzeugt, die alle Merkmale der Kristallisation<br />

aus einer fluiden Phase zeigen. Bei diesem Prozess<br />

wird Material sehr schnell innerhalb des Wirtsminerals<br />

transportiert, mit Transportraten, die mindestens zehn<br />

Größenordnungen schneller sind als diejenigen von einfacher<br />

Festkörperdiffusion durch ein Kristallgitter. Solche<br />

Abb. 4.18: Rückstreuelektronen-Aufnahmen von Fluorapatit nach Reaktion mit HCl bei folgenden experimentellen<br />

Bedingungen: (a) AM34 (600 °C, 500 MPa, 3 Wochen, 1 N HCl) und (b) (600 °C, 500 MPa, 9 Wochen, 1 N HCl). Die<br />

dunklen Gebiete reagierten mit der HCl-Lösung und weisen geringere Gehalte an Y, REE, Si, Na, S und Cl auf, d. h.<br />

sie wurden metasomatisiert. Die hellen Körner sind Monazit.<br />

BSE photographs of fluorapatite reacted with HCl including experiments: (a) AM34 (600 °C; 500 MPa; 3 weeks; 1 N<br />

HCl) and (b) AM46 (600 °C; 500 MPa; 9 weeks; 1 N HCl). Dark regions have reacted with the HCl solution and are<br />

depleted in (Y+REE)+Si+Na+S+Cl, i. e. have been metasomatised. Bright grains are monazite.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


durch Fluide produzierten Mikrophasen können durch<br />

Ostwald-Reifung wachsen. Material, das nicht für die Bildung<br />

der Mikrophasen verbraucht wird, wird via Fluid<br />

über die Mikroporosität abgeführt. In gleicher Weise kann<br />

für die Bildung von Mikrophasen Material von außen her<br />

via Fluid herantransportiert werden. Die Ausbildung und<br />

Persistenz solcher Mikroporositäten ist von entscheidender<br />

Bedeutung für den Prozess und für die Interpretation<br />

von Materialtransport in Gesteinen.<br />

Auflösung-Ausfällung über Fluid und die Bildung<br />

von Mikroporosität wird am Beispiel der Bildung von<br />

Monazit [(La,Ce,Nd)PO 4] in einem Apatitwirtskristall<br />

[Ca 10(PO 4) 6(F,Cl)] bei 600 °C und 500 MPa experimentell<br />

gezeigt. 20 mg 20 bis 200 µm große Fluorapatitkristalle<br />

und 5 mg einer 1 normalen HCl-Lösung wurden in Platinkapseln<br />

eingeschweißt und hydrothermal behandelt.<br />

Die Reaktionsprodukte zeigen, dass jedes Apatitkorn mit<br />

dem Fluid partiell reagiert hat (Abb. 4.18a), unter Bildung<br />

eines anders zusammengesetzten Apatitsaums, der relativ<br />

zum unreagierten Apatitkern dunkelgrau erscheint, weil<br />

er die Spurenelemente (Y+REE)+Si+Na+S+Cl während<br />

der Reaktion verloren hat. Der reagierte Teil des Apatits<br />

enthält Mikrokristalle von Monazit (helle Punkte, Größe<br />

~ 1µm), die gehäuft an der Reaktionsfront zwischen neuem<br />

und altem Apatit auftreten. Im Apatitkern erscheinen sie<br />

nicht. Messungen mit der Elektronenstrahlmikrosonde<br />

über die Reaktionsfront zeigen eine sehr scharfe chemische<br />

Grenze zwischen den beiden Apatitgenerationen.<br />

Wenn man die Reaktionszeit von drei auf neun Wochen<br />

verdreifacht, nimmt die Zahl der Monazitkristalle bei<br />

gleichzeitigem Größerwerden ab, wobei das Volumen des<br />

metasomatisch veränderten Apatits annähernd gleich<br />

bleibt.<br />

Mithilfe der Focussed-Ion-Beam Methode wurden 7 x 15<br />

x 0.1 µm große Folien quer zur Reaktionsfront geschnitten<br />

und unter dem TEM untersucht (Abb. 4.19). Diesseits<br />

der Reaktionsfront, im metasomatisch veränderten Apa-<br />

tit, erscheinen charakteristische, parallel orientierte, 5 bis<br />

20 nm breite Nanokanäle (Abb. 4.20a, b) als Spuren der<br />

Transportwege der fluiden Phase. Elektronenbeugungsaufnahmen<br />

über die Reaktionsfront hinweg zeigen identische<br />

Beugungsmuster für den Apatit diesseits und jenseits<br />

der Reaktionsfront. (Abb. 4.20c). Im metasomatisch<br />

veränderten Apatit finden sich Mikrokristalle von Monazit<br />

(Abb. 4.20a) die in Hohlräumen (Mikroporositäten) an<br />

oder direkt hinter der Reaktionsfront kristallisieren. Sie<br />

zeigen keine bevorzugte Orientierung relativ zum Apatitwirt.<br />

Die Mikroporositäten sind zum Teil oder gänzlich<br />

mit amorphem Material gefüllt, das während des Wachstums<br />

der Monazite aus dem Fluid ausgefällt wurde. Die<br />

Zusammensetzung dieses amorphen Materials ist dem des<br />

Apatits sehr ähnlich. Die Monaziteinschlüsse sind immer<br />

von vielen Mikrokanälen umgeben (Abb. 4.20a). Metasomatisierter<br />

Apatit zeigt häufig leicht missorientierte<br />

Gittersegmente (Schnitt Nr. 3 aus Abb. 4.19a; Abb. 4.21a)<br />

die als ausgeheilte Nanokanäle interpretiert werden.<br />

Unreagierter Apatit zeigt dies nicht (Schnitt Nr. 4 aus<br />

Abb. 4.19a; Abb. 4.21b).<br />

Diese Beobachtungen sind wichtig für die Interpretation<br />

von Massentransport in Gesteinen. Es ist allgemein akzeptiert,<br />

dass Fluide entlang von Korngrenzen transportiert<br />

werden. Es wurde hier gezeigt, dass sie Material auf einer<br />

Skala von hunderten von Mikrometern in die Mineralphasen<br />

hinein und aus ihnen heraus transportieren können,<br />

aufgrund der Bildung von Mikroporositäten, die<br />

wiederum aus Auflösungs-Ausfällungsprozessen resultieren.<br />

Die Transportwege für Fluide sind viel größer, als<br />

bisher angenommen, und sehr viel mehr Gesteinsvolumen<br />

wird von Fluid durchströmt, als nur durch Transport entlang<br />

von Korngrenzen. Es ist bisher unklar, wie lange solche<br />

transienten Mikroporositäten in Gesteinen existieren<br />

können. Sie werden jedenfalls solange existieren, wie ein<br />

chemisches Ungleichgewicht zwischen Fluid und Mineral<br />

den Prozess aufrechterhält. Ist das Gleichgewicht<br />

erreicht wird nichts mehr aufgelöst, ausgefällt und trans-<br />

Abb. 4.19: (a) Rückstreuelektronen-Aufnahme eines Fluorapatitkorns von Experiment AM34 mit Kennzeichnung der<br />

Gebiete, aus denen die TEM-Folien 1, 2, 3 und 4 entnommen wurden. (b) Vergrößerter Ausschnitt des Gebiets, aus dem<br />

die TEM-Folie 2 entnommen wurde. Die genaue Position der Folie war zwischen den zwei Kreuzen.<br />

(a) shows a BSE photograph of a fluorapatite grain from experiment AM34 and indicates the exact locations where<br />

TEM foils 1, 2, 3, and 4 were sampled. (b) shows a close-up of the area where TEM foil 2 was cut and later removed.<br />

The exact location of the foil was between the two x marks.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

311


312<br />

Abb. 4.20: (a) Subparallele Nano-Kanäle und Gruppen von Monazitkörnern in einem Hohlraum, der mit amorpher<br />

Substanz gefüllt ist, die beim Abschrecken entstanden ist. Aufnahme eines Bereichs in TEM-Folie 2 (Experiment AM34)<br />

an der Grenze der Reaktionszone zum nicht reagierten Fluorapatit (gestrichelte Linie und Pfeil). (b) Vergrößerte Aufnahme<br />

der Nano-Kanäle. (c) Netzebenenabbildung der Grenzfläche zwischen reagiertem und nicht reagiertem Fluorapatit,<br />

aufgenommen aus dem Bereich innerhalb des gestrichelten Kreises. (d) Vergrößerte Aufnahme des Hohlraums,<br />

welcher mit einer Gruppe von Monazitkörnern und beim Abschrecken entstandener amorpher Substanz gefüllt ist. Der<br />

Hohlraum ist von Nano-Kanälen umgeben. (e) HRTEM-Aufnahme entlang des Hohlraumrandes mit einer unregelmäßigen<br />

Grenzfläche.<br />

(a) Series of sub-parallel nano-channels and group of monazite grains in a cavity filled with an amorphous quenched<br />

material. The photo is taken from a region of TEM foil 2 (AM34) located at the boundary between the reacted and unreacted<br />

fluorapatite (dotted line and arrow) (cf. Figs. 2a and 2b). A close-up of the nano-channels is shown in (b). (c)<br />

Lattice fringe image of the interface between the reacted and the unreacted fluorapatite taken from the region within<br />

the dashed circle. (d) Close-up of the void, which is filled with a quenched amorphous fluid and a cluster of monazite<br />

grains. The void is surrounded by an array of nano-channels. (e) HRTEM image along the void rim with an irregular<br />

interface.<br />

portiert, und die Mikroporosität kann durch Rekristallisation<br />

verschwinden, bis neues Fluid infiltriert. In trockenen<br />

Gesteinen kann sich ein Gleichgewicht nur durch<br />

Volumendiffusion in Festkörpern einstellen – ein sehr viel<br />

langsamerer Prozess.<br />

Bedeutende Fortschritte bei der Bestimmung von<br />

Wasser in Gläsern und Schmelzeinschlüssen mit<br />

der Raman-Spektroskopie<br />

Die Bestimmung von Wasser (H 2O, D 2O) mittels konfokaler<br />

Mikro-Raman-Spektroskopie in natürlichen Gläsern<br />

hat sich durch die Entwicklungsarbeiten am <strong>GFZ</strong> (Thomas,<br />

2000) zu einer etablierten Routinemethode entwickelt<br />

(Thomas, 2002; Thomas et al. <strong>2005</strong>, 2006; Chabiron<br />

et al. <strong>2004</strong>; Zajacz et al. <strong>2005</strong>; Di Muro et al. 2006). Diese<br />

Technik kann für die genaue und schnelle Bestimmung<br />

des gebundenen Gesamt-Wassers (H 2O T) in Gläsern in<br />

einem breiten Konzentrationsbereich von etwa 0,1 bis weit<br />

über 35 Gew.% (~ 50 Mol% H 2O) bei hoher Präzision<br />

(< 10 %) eingesetzt werden, wobei die untere Nachweisgrenze<br />

noch nicht ausgelotet ist. Damit sind auch quantitative<br />

Untersuchungen zur Speziation des Wassers<br />

(H 2O m/OH) (Chabiron et al., <strong>2004</strong>; Di Muro et al. 2006)<br />

und des schweren Wassers D 2O m/OD (Thomas et al, 2006)<br />

möglich. Die laterale Auflösung von etwa 2 µm, die sich<br />

durch die konfokale Technik ergibt, ermöglicht die Untersuchung<br />

von sehr kleinen Objekten, wie wir sie beispielsweise<br />

in Form von Schmelzeinschlüssen in gesteinsbildenden<br />

Mineralen antreffen. Sie erlaubt dadurch auch<br />

die Aufnahme von Konzentrationsprofilen wie z. B. Diffusionsprofile<br />

in Gläsern, H 2O-Verteilung in Einschlüssen,<br />

Änderung des Wassereinbaues in Nadeln von Tiefseeschwämmen.<br />

Der Vorteil der Raman-Spektroskopie<br />

gegenüber der Infrarot-Spektroskopie liegt in der Einfachheit<br />

der Probenpräparation, dem großen Messbereich<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.21: (a) HRTEM-Aufnahme einer Reaktionszone im Fluorapatit von Experiment AM34. (b) HRTEM-Aufnahme<br />

eines nicht reagierten Bereichs im Fluorapatit von Experiment AM34.<br />

(a) HRTEM image of fluorapatite from a reacted region in experiment AM34 whereas (b) shows an HRTEM image of<br />

non-reacted region, i.e. the original fluorapatite, in experiment AM34.<br />

und in der Unabhängigkeit von der Matrix. Auf Schmelzeinschlüsse<br />

angewandt heißt das, es kann der Wassergehalt<br />

von Gläsern bestimmt werden, deren Zusammensetzung<br />

von granitisch bis basaltisch reicht. Kenntnisse über<br />

die Zusammensetzung und Dichte sind keine Voraussetzung<br />

für diese Bestimmungen mehr. Obwohl es bereits mit<br />

der Einführung der Methode im Jahr 2000 klar war, wurde<br />

jedoch von anderen Bearbeitern immer wieder übersehen,<br />

dass das Raman-Signal im Frequenzbereich von 2.800 bis<br />

3.980 cm –1 direkt proportional zur H 2O T-Konzentration ist.<br />

Da die Integralintensität linear mit der Konzentration<br />

ansteigt, ist eine Quantifizierung mit Hilfe des Intensitätsverhältnisses<br />

Σ(H 2O+OH)/(Si-O) nicht erforderlich.<br />

Auf diesen sehr wichtigen Umstand wurde unlängst noch<br />

einmal ausdrücklich hingewiesen (Thomas et al. 2006),<br />

da sich daraus eine sehr einfache, genaue und Matrixunabhängige<br />

Bestimmungsmethode ergibt: die „Komparator-Methode“<br />

zur Bestimmung des Wassers. Für diese<br />

Methode ist eine Kalibrierung nicht mehr notwendig. Es<br />

werden nur noch einige gut untersuchte Referenzproben<br />

für den gesamten Konzentrationsbereich zum Vergleich<br />

gebraucht. Man kommt gegebenenfalls auch nur mit<br />

einem Bezugsglas aus. Damit vereinfacht sich die analytische<br />

Bestimmung des Wassers mittels Raman-Spektroskopie<br />

nochmals drastisch. Die Raman-Technik zur quantitativen<br />

Wasserbestimmung tritt aus ihrem Schattendasein<br />

heraus und wird zur Methode der Wahl.<br />

Ein weiterer Vorteil gegenüber der Infrarot-Spektroskopie<br />

ist, dass mit der konfokalen Raman-Technik der Wassergehalt<br />

von Schmelzeinschlüssen bestimmt werden kann,<br />

die sich im Volumen weit von der Oberfläche entfernt in<br />

einer Mineral-Matrix befinden. Erst dadurch wird es möglich<br />

wasserreiche, instabile Gläser/Einschlussgläser zu<br />

untersuchen, die an der Oberfläche durch die Präparation<br />

(Schleifen, Polieren) oder auch spontan und irreversibel<br />

zerstört werden würden (Thomas et al. 2006).<br />

Abb. 4.22: Die Abbildung zeigt einen volatil-reichen<br />

Schmelzeinschluss im Pegmatitquarz von Zwiesel bei<br />

Bodenmais. Nach der Homogenisierung bei 650 °C unter<br />

einem Druck von 3 kbar zerfällt das homogene, jedoch<br />

metastabile Glas während des Abschreckens in vier Phasen.<br />

Bei Raumtemperatur beobachtet man dann ein peralkalines,<br />

wasserreiches Glas, eine wässrige Lösung sowie<br />

flüssiges und gasförmiges CO 2. Die Phasen sind nach<br />

Dichte sortiert im Einschluss angeordnet.<br />

The figure shows a volatile-rich melt inclusion in pegmatite<br />

quartz from Zwiesel near Bodenmais. After homogenization<br />

at 650 °C and a pressure of 3 kbar the<br />

homogenous, however, metastable glass disintegrates<br />

during quenching into four phases. At room-temperature<br />

we observe a peralkaline water-rich glass, an aqueous<br />

solution as well as liquid and gaseous carbon dioxide.<br />

The phases in the inclusion are arranged according<br />

density.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

313


314<br />

Bei Untersuchungen an extrem wasserreichen Schmelzeinschlüssen<br />

in Pegmatitmineralen (siehe Abb. 4.22), die<br />

erst mit der Entwicklung der Raman-Methode möglich<br />

wurden, fand man Einschlussphasen mit bis zu 70 Gew.%<br />

Wasser. Ihrem physiko-chemischen Verhalten nach können<br />

diese Einschlüsse als Hochtemperatur-Gel-Einschlüsse<br />

interpretiert werden. Die Untersuchung dieser Einschlüsse<br />

öffnet ein neues Fenster in die Kolloid- und<br />

Lagerstättenforschung, da solche Phasen das Potenzial<br />

besitzen, große Mengen an Spurenelementen und lagerstättenrelevanter<br />

Metalle zu extrahieren, zu speichern und<br />

zu transportieren. Außerdem können solche Phasen sehr<br />

effektiv als Ionenaustauschmedien fungieren. Diese neuen<br />

Entwicklungen in der Raman-Spektroskopie zur Bestimmung<br />

des Wassers in Gläsern setzt neue Impulse für die<br />

experimentelle Petrologie: Bisher war der Konzentrationsbereich<br />

bis etwa 10 Gew.% H 2O analytisch beherrschbar<br />

(SIMS, FTIR), nun kann der gesamte Konzentrationsbereich,<br />

der in der Natur von Bedeutung ist, abgedeckt<br />

werden.<br />

Experimentelle Untersuchungen liefern Hinweise<br />

auf mögliche größere Wassergehalte im Erdmantel<br />

Geodynamische Prozesse im konvektiven Erdmantel, wie<br />

beispielsweise das Schmelzverhalten der Mantelgesteine,<br />

die Transporteigenschaften von Materie entlang von Korngrenzen<br />

und die Verformungseigenschaften der Mantelgesteine<br />

können durch Wasser wesentlich beeinflusst werden.<br />

Experimentelle, petrologische und theoretische Studien<br />

zur Speicherfähigkeit von Wasser in Erdmantelmineralen<br />

stehen daher im Brennpunkt aktueller Forschungen.<br />

Petrologisch-geochemische Untersuchungen belegen,<br />

dass Wasser in natürlichen, nominal wasserfreien<br />

Mineralen wie Olivin, Pyroxen und Granat, den hauptsächlichen<br />

Bausteinen des oberen Erdmantels, in Spuren<br />

Abb. 4.23: Polarisierte Infrarot-Spektren von Olivin, aufgenommen parallel<br />

der drei Kristallachsen a, b und c. Die Absorptionsbanden werden<br />

Schwingungen von strukturell eingebauten OH-Gruppen zugeordnet, die im<br />

Zusammenhang mit Kationenleerstellen stehen.<br />

Polarised infrared spectra of olivine, taken parallel to the crystal axes a, b<br />

und c. The bands are assigned to vibrations of structurally bound OH-groups,<br />

which are connected with cation vacancies.<br />

als strukturell gebundenes Hydroxyl eingebaut wird.<br />

Die Gehalte liegen dabei meist im Bereich von 10 bis<br />

3.000 Gew. ppm H 2O. In experimentellen Studien wurde<br />

der in der Natur beobachtete Wassereinbau in Silikate und<br />

Oxide simuliert und bestätigt. Mit steigendem Druck<br />

steigt meist die Löslichkeit von H 2O in den Mineralen.<br />

Experimente, die in Druckbereichen durchgeführt wurden,<br />

die uns „petrologisch“ nicht zugänglich sind, zeigten,<br />

dass im Modelsystem des Erdmantels MgO-SiO 2 bei<br />

Zugabe von H 2O extrem wasserreiche Minerale synthetisiert<br />

werden können und thermodynamisch stabil existieren.<br />

Im Druckbereich von 10 bis 30 GPa (300 bis 900 km<br />

Erdtiefe) und relativ niedrigen Temperaturen können die<br />

Wassergehalte dieser Minerale bis zu 20 Gew.% betragen.<br />

Ob diese Phasen tatsächlich im Erdmantel existieren, ist<br />

bisher nicht bekannt. Wenn ja, könnten sie Wasser entlang<br />

von Subduktionszonen bis in große Tiefen bringen. Der<br />

thermische Abbau dieser Phasen in heißeren Regionen des<br />

Erdmantels könnte sogar die seismologisch beobachteten<br />

Tiefbeben erklären. Für das bessere Verständnis des globalen<br />

Wasserzyklus und seine Auswirkungen auf Erdmantelprozesse<br />

ist es daher erforderlich, sowohl natürlich<br />

vorkommende Minerale als auch synthetische, potentielle<br />

Minerale des Erdmantels zu untersuchen. Die zentralen<br />

Fragen sind dabei: Wieviel Wasser kann in solchen Mineralen<br />

gespeichert werden, wie wird der Wasserstoff in die<br />

Struktur eingebaut und welche Parameter kontrollieren die<br />

H-Konzentrationen.<br />

Nachfolgend werden zwei Studien, die sich mit dieser Problematik<br />

beschäftigen, vorgestellt.<br />

Eine petrologisch-geochemische Untersuchung beschäftigt<br />

sich mit der Quantifizierung und Lokalisierung von<br />

strukturell eingebauten Hydroxylgruppen in natürlichen<br />

Olivinen aus dem an Diamanten reichen Kimberlitschlot<br />

von Udachnaya, Sibierien. Die Olivine<br />

stammen aus 75 bis 150 km Tiefe. Der Einbau<br />

der Hydroxylgruppen wurde mit der<br />

Fourier Transform Infrarot-Spektroskopie<br />

(FTIR) untersucht (Abb. 4.23). In Kombination<br />

mit einem Mikroskop kann man<br />

so bis zu 30 µm kleine Kristalle untersuchen.<br />

Unter Verwendung von Synchrotron-IR-Strahlung<br />

(am Bessy II-Speicherring<br />

in Berlin) konnten wir die lokale Auflösung<br />

sogar auf 8 x 8 µm erhöhen.<br />

Quantifiziert wurde der Wassergehalt mit<br />

der Sekundärionen Massenspektrometrie<br />

(SIMS). Im Vergleich zu Olivinen aus<br />

basaltischen Gesteinen, die nur 1 bis<br />

2 Gew.ppm H 2O eingebaut haben, sind<br />

die Olivine aus dem Kimberlitschlot mit<br />

ca. 400 Gew.ppm H 2O vergleichsweise<br />

wasserreich. Die FTIR-Spektren zeigen,<br />

dass der strukturelle Einbau des Wassers<br />

in das Kristallgitter des Olivins sehr komplex<br />

ist. Typische Infrarot-Spektren dieser<br />

Minerale zeigen an die 20 verschiedene<br />

OH-Banden, deren Intensität zudem<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


stark richtungsabhängig ist. Unsere Studien belegen, dass<br />

der Einbau der Wasserstoffatome an Leerstellen auf dem<br />

M1 Oktaederplatz gekoppelt ist (Abb. 4.24). Experimentelle<br />

Studien lassen vermuten, dass Olivin, der in noch größeren<br />

Tiefen gebildet wurde, das 10- bis 20-fache dieser<br />

Wassergehalte aufweist.<br />

Die zweite Studie beschäftigt sich mit der Synthese, Kristallchemie<br />

und Stabilität von Superhydrous Phase B,<br />

Mg 10Si 3O 14(OH) 4, einer potentielle Phase im tiefen Erdmantel<br />

(Koch-Müller et al., <strong>2005</strong>). Zusammen mit Kollegen<br />

am Geophysical Laboratory der Carnegie Institution of<br />

Washington, D.C. synthetisierten wir Superhydrous Phase<br />

B (shy B) bei 22 GPa und Temperaturen von 1.200 und<br />

1.400 °C. Wir konnten zeigen, dass shy B in zwei verschiedenen<br />

Modifikationen existiert. Bei hohen Temperaturen<br />

(1.400 °C) bildet sich eine ungeordnete Struktur hinsichtlich<br />

der Verteilung der Kationen und Wasserstoff, die bei niedrigeren<br />

Temperaturen (1.200 °C) in eine stark geordnete<br />

Struktur übergeht. Abb. 4.25 zeigt Infrarot-Spektren der<br />

stark geordneten Struktur. Sie belegen, dass Wasserstoff im<br />

Gegensatz zur ungeordneten Struktur in mehr als einem<br />

Strukturplatz eingebaut wird. An Hand der Richtungsabhängigkeit<br />

der Intensität der Absorptionsbanden entwickelten<br />

wir ein Modell für den Einbau von Wasserstoff in diese<br />

Struktur (Abb. 4.25). Der Wassergehalt dieser möglichen<br />

Phase des tieferen Erdmantels beträgt 5 bis 6 Gew.% H 2O.<br />

Es ist nun die Aufgabe der Geomaterialforschung, diese<br />

sehr wasserreiche Phase als mögliche Einschlüsse in Diamanten<br />

oder auch Zirkon in Kimberliten zu finden. Dies<br />

wäre ein sehr wichtiger Schritt hin zum besseren Verständnis<br />

geodynamischer, vom Wassergehalt beeinflusster<br />

Prozesse im Erdmantel.<br />

Datierung alter Krustenwässer mit Edelgasen<br />

Am <strong>GFZ</strong> wurde eine on-line Entgasungsanlage für die<br />

quantitative Extraktion von in Wasserproben gelöster<br />

Edelgase weiterentwickelt und neu aufgebaut.<br />

Mit der anschließenden massenspektrometrischen<br />

Bestimmung der im<br />

Wasser gelösten radiogenen, nukleogenen<br />

und fissiogenen Edelgasisotope 4 He,<br />

20, 21, 22 Ne, 36, 38, 40 Ar, 84, 86 Kr und 129, 132, 134, 136 Xe<br />

Abb. 4.25: Polarisierte Einkristall-Spektren<br />

der OH-Banden in shy B (1.200 °C)<br />

(links). Sie zeigen, dass im Gegensatz zur<br />

ungeordneten Phase, in dieser stark<br />

geordneten Phase Wasserstoff in mehr als<br />

einem Strukturplatz eingebaut ist. Projektionen<br />

der Orientierungen der OH-<br />

Gruppen in der geordneten Phase<br />

(rechts).<br />

Polarised single crystal spectra of the<br />

OH-bands of shy B (1200 °C) showing<br />

that hydrogen is incorporated in more<br />

than one site (left). Projections of the proposed<br />

orientations of the OH groups in<br />

the strongly ordered sample (right).<br />

Abb. 4.24: Teil der Olivinstruktur mit den in dieser Studie<br />

lokalisierten Wasserstoffatomen (schwarze Kugeln). Der<br />

Wasserstoffeinbau steht in Verbindung mit Leerstellen auf<br />

M1 und die Atome können sowohl an O(2) als auch an<br />

O(1) Sauerstoffe gebunden sein.<br />

Part of the olivine structure showing the proposed hydrogen<br />

atoms (black balls) associated with vacant M1 sites<br />

and bonded to O(2) and to O(1) oxygens.<br />

kann z. B. die Verweilzeit der Wässer im Untergrund<br />

bestimmt werden. Der Zeitrahmen dieser Datierungsmethode<br />

erstreckt sich hierbei von ca. tausend bis zu mehreren<br />

Milliarden Jahren. In der Praxis wurden Wässer von<br />

bis zu einigen zehner Millionen Jahren untersucht. Die<br />

zusätzliche Edelgasgehaltsbestimmung in Porenfluiden<br />

frisch erbohrter Gesteine ermöglicht auch den Zugang zu<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

315


316<br />

Abb. 4.26: Beprobung von Fluiden zur Edelgasanalytik in<br />

einer 3,6 km tiefen Goldmine in Südafrika (Foto: J. Lippmann-Pipke).<br />

Noble gas sampling at 3,6 km depth in a South African<br />

gold mine.<br />

immobilen Porenlösungen in nicht wasserleitenden<br />

Gesteinsformationen. Damit können der Wasser- und<br />

Stofftransport bilanziert, Neubildungsraten sowie laterale<br />

Wasserflüsse quantifiziert und die Intensität von Kluftwasserzirkulationen<br />

abgeschätzt werden.<br />

Erste Anwendungen am <strong>GFZ</strong> umfassten die Untersuchung<br />

ultratiefer Kluftwasserzutritte in südafrikanischen Goldminen<br />

(Abb. 4.26), der Wässer aus dem einjährigen Pumptest<br />

an der KTB-Vorbohrung sowie von Mineral- und Geothermalwässern<br />

aus Bursa (Türkei), nahe der nordanatolischen<br />

Störungszone.<br />

Ein übergeordnetes Ziel dieses Forschungsfeldes ist es,<br />

mit Hilfe von Laborexperimenten, Nahfelduntersuchungen<br />

sowie regionalen Informationen die Prozesse der Entgasung<br />

von Gesteinen auf unterschiedlichen zeitlichen<br />

und räumlichen Skalen zu studieren. In Laborexperimenten<br />

werden Gesteinsproben im Grammbereich im Vakuum<br />

zermahlen bzw. bei Temperaturen bis zu 1.750 °C aufgeschmolzen<br />

und die freigesetzten Edelgase massenspektrometrisch<br />

bestimmt. Die regionalen Informationen<br />

stammen aus der Analyse von Kluftwasserzutritten bzw.<br />

krustalen Wässern, die im Verlauf von Tausenden bzw.<br />

Millionen von Jahren die aus Gesteinen freigesetzten<br />

Edelgase akkumuliert haben. Nahfelduntersuchungen zur<br />

Freisetzung von Gasen aufgrund seismischer Ereignisse<br />

sollen im Rahmen des ICDP-DAFSAM-Projektes (Drilling<br />

Active Faults in South African Mines) durchgeführt<br />

werden (Abb. 4.27).<br />

In 3,6 km Tiefe wird zurzeit in einem südafrikanischen<br />

Goldbergwerk eigens ein ca. 40 m langes, quasi horizontales<br />

Bohrloch quer durch eine tektonische Störungszone<br />

gebohrt. An deren Verlauf werden in den nächsten ein bis<br />

drei Jahren durch Bergbautätigkeiten ausgelöste seismische<br />

Ereignisse bis zu einer Stärke von Magnitude 3 erwartet.<br />

Das Bohrloch wird mit einem System von Kapillaren<br />

ausgestattet, durch die kontinuierlich Bohrlochgas abgesaugt<br />

und in Echtzeit mit einem Quadrupol-Massenspektrometer<br />

analysiert wird. Während eines seismischen<br />

Ereignisses erwarten wir Konzentrationsänderungen aufgrund<br />

spontaner Freisetzung von Gasen u. a. aus Flüssigkeitseinschlüssen<br />

oder Gesteinsklüften, die sonst nur während<br />

sehr langer Zeiträume durch Alteration oder Diffusion<br />

entweichen würden. Von Gaskonzentrationsänderungen<br />

gesteuert, sollen zudem automatisch Glasampullen<br />

mit Bohrlochgas für spätere Laboruntersuchungen befüllt<br />

werden.<br />

Die Verknüpfung von Gasanalyse- und Datierungsergebnissen<br />

ultratiefer südafrikanischer Minenwässer mit der<br />

tiefen kontinentalen Biosphäre ist ein wissenschaftlich<br />

sehr spannendes Thema, ähneln die dortigen Umweltbedingungen<br />

vermutlich doch denen der ersten belebten Biosphäre<br />

unseres Planeten.<br />

Abb. 4.27: Untertage in der Tau Tona Goldmine bei Johannesburg<br />

zur Vorbereitung des ICDP-DAFSAM-Bohrprojekts<br />

(Foto: J. Lippmann-Pipke).<br />

Underground in the Tau Tona gold mine near Johannesburg<br />

to prepare the ICDP-DAFSAM drilling project.<br />

Das KTB-Tiefenlabor in Windischeschenbach –<br />

neue geohydraulische Experimente erfolgreich<br />

abgeschlossen<br />

Eine Serie neuartiger hydraulischer Langzeittests in<br />

Deutschlands übertiefen Forschungsbohrungen (KTB) in<br />

Windischeschenbach (Oberpfalz) hatten das Ziel, Energie-<br />

und Fluidtransportprozesse in der oberen kristallinen<br />

Kruste zu untersuchen. Die zwei benachbarten KTB-Tiefbohrungen<br />

(Vorbohrung KTB-VB, 4.000,1 m und Hauptbohrung<br />

KTB-HB, 9.101 m) erlaubten die In-Situ-<br />

Bestimmung hydraulischer Parameter eines ausgedehnten<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.28: KTB-Lokation von einem Leichtflugzeug aus fotografiert. Links<br />

oben ist der noch vorhandene und als Touristenattraktion genutzte Bohrturm<br />

der Hauptbohrung. Rechts oben im Bild befindet sich in 200 m Entfernung<br />

die Vorbohrung (Foto: Emile Kühr, 2003).<br />

Arial view of the KTB-Location. On the left is the drill site of the main hole<br />

with the big drill rig still in place and nowadays used as tourists attraction.<br />

On the right is the drill site of the pilot hole at 200 m distance.<br />

tektonischen Störungssystems (SE2) und erstmalig die<br />

Gewinnung unkontaminierter krustaler Tiefenwässer in<br />

4.000 m Tiefe (Abb. 4.28).<br />

Ein 12-monatiger Produktions/Pumptest brachte in 2002/03<br />

weltweit einmalig viele Millionen Jahre alte Tiefenwässer<br />

(22.300 m 3 ) zutage. Diese Wässer wurden von zahlreichen<br />

Arbeitsgruppen des KTB-VB Science Teams intensiv<br />

untersucht. Die Ergebnisse sind kürzlich in einem Sonderband<br />

von GEOFLUIDS veröffentlicht worden (Erzinger<br />

und Stober, <strong>2005</strong>, siehe auch: <strong>GFZ</strong>-<strong>Zweijahresbericht</strong><br />

2002/03, 319 ff).<br />

In <strong>2004</strong>/05 folgte dann während einer zweiten Versuchsphase<br />

ein massiver Injektionstest, bei dem über 11 Monate<br />

lang 84.600 m 3 Oberflächenwasser mit einer durchschnittlichen<br />

Rate von 200 l/min in die SE2-Störungszone<br />

in ca. 4.000 m Tiefe eingepumpt wurde. Der Druckaufbau<br />

war mit 95 bis 120 bar überraschend gering. Aus<br />

den Injektionsparametern konnte errechnet werden, dass<br />

die Störungszone eine Gesamtpermeabilität von 2 x 10 –15 m 2<br />

aufweist.<br />

Induzierte seismische Erdbebensignale traten nach drei<br />

Monaten Pumpzeit im September <strong>2004</strong> erstmalig auf. Bis<br />

zum Versuchsende wurden über 3.000 seismische Ereignisse<br />

mit einem Bohrlochseismometer in der KTB-HB<br />

registriert. Ein Seismometernetz an der Oberfläche registrierte<br />

etwa 150 eindeutige Ereignisse (Abb. 4.29).<br />

Die seismischen Hypozentren, die durch das Injektionsexperiment<br />

induziert wurden, traten in etwa 1 km Entfernung<br />

um den Injektionsort auf. (Abb. 4.30). Der zeitliche<br />

Versatz mit der die seismischen Ereignisse auftraten, lässt<br />

sich mit dem Einfluss des vorangegangenen<br />

Pumptests erklären. Man könnte<br />

sagen, dass das Störungssystem zunächst<br />

wieder mit Wasser aufgefüllt werden<br />

musste bevor die Porendruckänderungen<br />

ausreichend waren, um Seismizität zu<br />

induzieren. Und tatsächlich entspricht die<br />

eingepresste Wassermenge nach drei Monaten<br />

ziemlich genau derjenigen, die ein<br />

Jahr zuvor entnommen wurde (Abb. 4.29).<br />

Diese Interpretation lässt sich auch mit<br />

der Beobachtung eines Wasserspiegelanstiegs<br />

in der KTB-HB untermauern. Die<br />

beiden Bohrungen sind eindeutig hydraulisch<br />

miteinander verbunden und die<br />

KTB-HB wurde im Oktober <strong>2004</strong> sogar<br />

artesisch, ein Zustand der bis heute (Januar<br />

2006) anhält.<br />

Weitere geophysikalische Untersuchungen<br />

umfassten großräumige Gleichstrommessungen,<br />

oberflächennahe Neigungsmessungen<br />

und aktive seismische Reflexionsmessungen,<br />

um festzustellen, ob die<br />

erzwungenen hydraulischen Druckveränderungen<br />

in 4.000 m Tiefe auch von der<br />

Oberfläche aus abgebildet werden können.<br />

Nach ersten Auswertungen der Daten der zweiten Versuchsphase<br />

durch das Science Team lässt sich vorläufig<br />

festhalten:<br />

• Die aufgetretene Seismizität konnte durch unerwartete<br />

geringe Porendruckänderungen induziert werden.<br />

• Die geringe Reflektivität der Kruste ist positiv mit ihrer<br />

hydraulischen Permeabilität korreliert.<br />

• Die Gesamtpermeabilität des SE2-Reflektors ist unerwartet<br />

und mindestens doppelt so groß wie die seiner<br />

Umgebung.<br />

• Zumindest bis zu Drücken unter 100 bar weist die Störungszone<br />

nichtlineare hydraulische Eigenschaften<br />

auf. Ein Resultat, welches möglicherweise für kontinentale<br />

Störungssysteme allgemein gültig ist.<br />

• Das 4 km tiefe SE2-Störungssystem ist hydraulisch<br />

offen und es scheint mechanisch stabiler zu sein als<br />

die sie umgebenden Gesteinsformationen.<br />

Diese Ergebnisse ermuntern das Science Team in naher<br />

Zukunft auch die noch viel stärker ausgeprägte SE1-Störungszone<br />

in mehr als 7.000 m Tiefe zu studieren. Ein Vorhaben,<br />

welches zurzeit weltweit nur an der KTB-Lokation<br />

möglich ist.<br />

Ein Fenster zur beginnenden kontinentalen Krustengenese:<br />

Zoisitführende Hochdruckpegmatite<br />

trondhjemitischer Zusammensetzung<br />

Die Anatexis von Hochdruckmetabasiten ist der zentrale<br />

Prozess bei der Entstehung der Tonalit-Trondhjemit-Granodiorit-Serien<br />

(TTG), die große Bereiche der kontinentalen<br />

archaischen Kruste einnehmen, und stellt den ersten<br />

Schritt in der Fraktionierung der kontinentalen von der<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

317


318<br />

Abb. 4.29: Mikroseismizität während des KTB <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> Injektionsexperiments (a) aufgenommen mit seismischen<br />

Oberflächenstationen und (b) durch ein Geophon in der KTB-Hauptbohrung (die Angaben in dieser Teilabbildung zeigen<br />

die Tiefe, in welcher das Geophon montiert war). Die wechselnde Einbautiefe des Bohrlochgeophons lässt sich eindeutig<br />

an den unterschiedlichen Ankunftszeiten der S- und P-Wellen erkennen (c). Teilabbildung (d) zeigt den Injektionsdruck<br />

und die kumulative eingepresste Wassermenge.<br />

Microseismicity during the KTB <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> injection experiment (a) as recorded by the surface stations and (b) by the<br />

geophone in the main borehole (the numbers on the plot show depth locations of the geophone). Changes in the locations<br />

of the borehole geophone are clearly seen from the plot of differences of the S and P wave arrival times (c). Plot<br />

(d) gives the injection pressure along with the cumulative volume of the injected water (from Shapiro et al, <strong>2005</strong>).<br />

ozeanischen Kruste dar. Sie ist zudem verantwortlich für<br />

die Bildung adakitischer Schmelzen in der subduzierten<br />

ozeanischen Kruste. Diese adakitischen Schmelzen können<br />

den oberhalb der subduzierten Platte liegenden Mantelkeil<br />

metasomatisch überprägen und so eine wichtige<br />

Rolle bei der Entstehung der typischen subduktionsbezogenen,<br />

kalk-alkalinen Magmen spielen. Die Kenntnis der<br />

geochemischen und petrologischen Charakteristika der<br />

Anatexis von Hochdruckmetabasiten ist somit nicht nur<br />

essentiell für das Verständnis der archaischen kontinentalen<br />

Krustenbildung sondern auch für die Interpretation<br />

rezenter magmenbildender Prozesse in Subduktionszonen.<br />

Hochdruckpegmatite mit tonalitischer bis trondhjemitischer<br />

Zusammensetzung in Eklogiten bieten die einzigartige<br />

Gelegenheit, die Anatexis von Hochdruckmetabasiten<br />

in situ zu studieren und stellen ein natürliches Fenster<br />

zur beginnenden kontinentalen Krustengenese dar. Solche<br />

Hochdruckpegmatite sind von zahlreichen Lokalitäten<br />

bekannt, u. a. Saualpe (Kärnten, Österreich), Zentralmassiv<br />

(Frankreich), Eklogitprovinz (Norwegen), Catalina<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.30: Horizontaler Schnitt einer Tiefenmigration (ISO89-3D) in vier km<br />

Tiefe zusammen mit Projektionen der seismischen Hypozentren, die während<br />

des Injektionsexperiments <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> induziert wurden. Die Intensitäten der<br />

seismischen Reflektion sind in blau-weißen Farben dargestellt. Helle Farben<br />

entsprechen hohen Reflexionsintensitäten. Das weiße und das graue Quadrat<br />

stellt die jeweilige Lokation der Vor- und Hauptbohrung dar.<br />

A 4 km depth horizontal slice of the depth migrated ISO89-3D image plotted<br />

along with the projections of the seismic hypocentres induced by the<br />

injection experiment of <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong>. The white and gray squares are the locations<br />

of the main and pilot boreholes, respectively (from Shapiro et al, 2006).<br />

Schist (Kalifornien, USA), Cabo Ortegal (Spanien) und<br />

Münchberger Gneismasse (Bayern, Deutschland). Exemplarisch<br />

wurden die Hochdruckpegmatite der Münchber-<br />

ger Gneismasse geochemisch und petrologisch<br />

untersucht. Die Münchberger<br />

Gneismasse ist Teil der zentralen europäischen<br />

Varisziden und stellt einen invertierten<br />

Deckenstapel dar. Sie wird von<br />

vier großen lithologischen Einheiten aufgebaut<br />

(Abb. 4.31a). Die tektonisch höchste<br />

Einheit, die Hangendserie, besteht aus<br />

Amphiboliten, phengitführenden Gneisen<br />

sowie reliktischen Eklogitkörpern.<br />

Die untersuchten Hochdruckpegmatite<br />

stammen von dem größten dieser Eklogitkörper,<br />

dem Weissenstein-Eklogit<br />

(Abb. 4.31a).<br />

Die Eklogite des Weissenstein besitzen<br />

generell ozeanische Spurenelementsignaturen,<br />

die in der Regel Mittelozeanischen<br />

Rückenbasalten (MORB) entsprechen,<br />

vereinzelt aber auch eine Ähnlichkeit<br />

mit Back-Arc Tholeiiten aufweisen.<br />

Anatexis und Pegmatitbildung in den<br />

Weissenstein-Eklogiten sind somit ein<br />

perfektes Analogon zu Schmelzprozessen<br />

in der subduzierten ozeanischen<br />

Kruste. Die Weissenstein-Eklogite sind<br />

ganz überwiegend „trockene“ Quarz-<br />

Eklogite mit Klinopyroxen, Granat,<br />

Quarz und Rutil, nur vereinzelt kommen<br />

die OH-haltigen Phasen Zoisit und Phengit<br />

vor. Die Hochdruckpegmatite in den<br />

Weissenstein-Eklogiten bilden mehrere<br />

dm- bis m-große, isolierte Körper und<br />

machen modal etwa 1 Vol.% des gesamten<br />

Weissenstein-Eklogitkörpers aus. Ihr<br />

charakteristisches Merkmal sind cm- bis<br />

dm-große, euhedrale prismatische Zoisitkristalle, die<br />

modal etwa 5 bis 20 Vol.% der einzelnen Pegmatitkörper<br />

ausmachen. Sie sind in einer Matrix aus graphischen Pla-<br />

Abb. 4.31: (a) Vereinfachte geologische Karte der Münchberger Gneismasse. Die Proben der Zoisitpegmatite<br />

stammen vom Weissenstein-Eklogitkörper (weißer Kreis). (b) Foto eines Zoisitpegmatit Handstückes. Zoisitkristalle<br />

(Zo) sind in einer Plagioklas-Quarz (Plag-Qz) Matrix eingebettet (Am: Amphibol).<br />

(a) Simplified geological map of the Münchberg Massif, central Germany. The zoisite-pegmatite samples come from<br />

the Weissenstein eclogite body (white circle). (b) Photograph of a zoisite-pegmatite hand specimen. Zoisite crystals (Zo)<br />

are embedded in a plagioclase-quartz (Plag-Qz) matrix (Am: amphibole).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

319


320<br />

gioklas-Quarz-Verwachsungen eingebettet. Diese Matrix<br />

bildet modal den Hauptbestandteil (bis > 90 Vol.%) der<br />

Pegmatite und besitzt ein Plagioklas zu Quarz Verhältnis<br />

von etwa 3 zu 1 (Abb. 4.31b). Nebenbestandteile (< 1<br />

Vol.%) sind Amphibol und Klinozoisit.<br />

Die Zoisitkristalle besitzen einen einheitlichen Wachstumszonarbau,<br />

der drei Stadien der Zoisitkristallisation<br />

sowie der Pegmatitentwicklung widerspiegelt (Abb. 4.32):<br />

In Stadium 1 kristallisiert eisenreicher Zoisit 1 [X Fe Zoisit 1 =<br />

0,17; X Fe = Fe/(Fe+Al-2)], der jedoch nur noch in reliktischen<br />

Kernen zu beobachten ist. In Stadium 2 reagiert Zoisit<br />

1 mit der Schmelze, wird partiell von dieser resorbiert<br />

und ein eisenärmerer Zoisit 2 [X Fe Zoisit 2 = 0,12] kristallisiert.<br />

In Stadium 3 werden sowohl Zoisit 1 als auch Zoisit<br />

2 von der Schmelze partiell resorbiert und eisenarmer<br />

Zoisit 3 [X Fe Zoisit 3 = 0,10] kristallisiert. Während der Stadien<br />

2 und 3 kristallisieren zudem Klinozoisit, albitreicher<br />

Plagioklas und Amphibol. Die Plagioklas-Quarz-Matrix<br />

kristallisiert im Anschluss an Zoisit 3 und stellt den<br />

Schlusspunkt der magmatischen Entwicklung der Pegmatite<br />

dar. Gefüge, Mineralchemie, Phasenbeziehungen<br />

der Pegmatite in Verbindung mit Schmelzbeziehungen im<br />

MORB und Trondhjemit-System sowie den bekannten<br />

metamorphen Druck- und Temperaturbedingungen der<br />

Münchberger Gneismasse erlauben es, die Druck-Temperatur-Entwicklung<br />

der Pegmatite zu rekonstruieren<br />

(Abb. 4.32b): Zoisitabbau im Eklogit bei etwa 2,8 GPa/<br />

750 °C führt zur Bildung geringer Mengen trondhjemitischer<br />

Entwässerungsschmelzen, die sowohl an H 2O als<br />

auch an Zoisit gesättigt sind. Diese Schmelzen sammeln<br />

sich lokal in Schmelztaschen und kristallisieren bei etwa<br />

2,5 GPa/730 °C zu Zoisit 1 als Liquidusphase (Stadium 1).<br />

Bei etwa 1,4 GPa/650 bis 700 °C wird das gesamte System<br />

thermisch gestört, Zoisit 1 resorbiert und Zoisit 2 kristallisiert<br />

(Stadium 2). Kristallisation von Zoisit 3 und der<br />

Plagioklas-Quarz-Matrix erfolgte bei etwa 1,0 GPa/620<br />

bis 650 °C (Stadium 3). Die Daten zeigen, dass die trondhjemitischen<br />

Schmelztaschen während der gesamten Heraushebung<br />

von ~ 2,8 bis 1,0 GPa, also über rund 60 km,<br />

einen stabilen, integralen Bestandteil des Eklogitkörpers<br />

bildeten.<br />

Um die Gesamtchemie der Pegmatite und damit der<br />

ursprünglichen trondhjemitischen Schmelze zu bestimmen,<br />

wurde die Hauptelementchemie der Pegmatitminerale<br />

mit der Mikrosonde gemessen. Die Spurenelementgehalte<br />

der Pegmatitminerale i) Zoisit, ii) Plagioklas und<br />

iii) Amphibol wurden mittels ICP-MS (Inductively Coupled<br />

Plasma Mass Spectrometry) an Mineralseparaten<br />

Abb. 4.32: (a) Schemazeichnung der magmatischen Entwicklung der Zoisite (gezeichnet parallel [010]). Der Eisengehalt<br />

in Zoisit [X Fe = Fe/(Fe+Al- 2)] spiegelt drei Wachstumsstadien wider. Während der Stadien 2 und 3 kristallisiert<br />

zusätzlich Klinozoisit und albitreicher Plagioklas. (b) P-T Entwicklung der Zoisitpegmatite abgeleitet aus den Eisengehalten<br />

der unterschiedlichen Zoisitwachstumsstadien, koexistierenden albitreichem Plagioklas und Klinozoisit während<br />

der Stadien 2 und 3 sowie den Phasenbeziehungen im MORB und Trondhjemit System. Isoplethen (dünne gepunktete<br />

Linien) sind für Eisengehalte in Zoisit von X Fe Zoisit = 0,17, 0,12 und 0,10 entsprechend den Eisengehalten der Zoisitwachstumszone<br />

1 bis 3. Die Linie A-B repräsentiert das Entwässerungsschmelzen von Zoisit. Das Fragezeichen stellt<br />

die Störung des Systems während Stadium 2 dar. Die schwache Aufheizung während Stadium 2, die durch den S-förmigen<br />

P-T Pfad angedeutet wird, ist jedoch spekulativ.<br />

(a) Schematic drawing of the magmatic evolution of zoisite (viewed parallel [010]). Iron content [X Fe = Fe/(Fe+Al- 2)]<br />

in zoisite displays three growth stages. During stages 2 and 3 clinozoisite and albite-rich plagioclase crystallized also.<br />

(b) P-T evolution of the zoisite-pegmatites as derived from the iron content of the different growth stages of zoisite, coprecipitated<br />

albite-rich plagioclase and clinozoisite during stages 2 and 3, and phase relations in MORB and trondhjemite<br />

system. Isopleths (thin stippled lines) are for X Fe zoisite = 0.17, 0.12, and 0.10 as observed in zoisite growth stages<br />

1 to 3. Line A-B is the dehydration melting of zoisite. The question mark indicates the perturbation of the system during<br />

pegmatite stage 2. The slight re-heating during pegmatite stage 2 as suggested by the s-shaped P-T path is, however,<br />

speculative.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


analysiert. Um das Verhalten der Spurenelemente während<br />

der Pegmatitkristallisation zu untersuchen, wurden<br />

zusätzlich die Spurenelementgehalte der Zoisitwachstumszonen<br />

1 bis 3 in situ mittels LA-ICP-MS (Laser Ablation-ICP-MS)<br />

bestimmt.<br />

i) Alle Zoisitseparate zeigen einheitliche Spurenelementmuster,<br />

abgesehen von leicht streuenden Cs, Rb und Ba<br />

Gehalten (Abb. 4.33a). Die Muster sind an den inkompatiblen<br />

Elementen angereichert und besitzen ausgeprägte<br />

negative Nb-Ta- und Zr-Hf-Anomalien sowie schwach<br />

negative bzw. positive Strontium- und Blei-Anomalien.<br />

Die Nb/Ta-Verhältnisse in den Zoisiten sind etwa 1,1 während<br />

die Zr/Hf-Verhältnisse zwischen 18,8 und 22,4 schwanken.<br />

Die Elemente der Seltenen Erden (SEE) in den Zoisiten<br />

zeigen gerade, an den leichten SEE angereicherte<br />

Muster mit Chondrit normierten La/Lu = 24 bis 44, La/Gd<br />

= 1,3 bis 1,8 und Gd/Lu = 19 bis 24. Die in situ bestimmten<br />

Spurenelementgehalte in den Zoisitwachstumsstadien<br />

1 bis 3 zeigen nahezu identische Muster in allen drei<br />

Stadien (Abb. 4.33b), die mit denen der Zoisitseparate<br />

übereinstimmen. Sie sind an den inkompatiblen Elementen<br />

angereichert und zeigen positive Blei- und negative<br />

Strontium- und Hafnium-Anomalien. Die SEE in Zoisit 1<br />

bis 3 zeigen gerade, an den leichten SEE angereicherte<br />

Muster mit Chondrit normierten La/Lu = 43 bis 59, La/Gd<br />

= 1,9 bis 2,0 und Gd/Lu = 22 bis 30. Die nahezu identischen<br />

Spurenelementmuster der Zoisitwachstumsstadien<br />

1 bis 3 zeigen, dass der Spurenelementhaushalt der Pegmatite<br />

während der gesamten Kristallisation unverändert<br />

geblieben sein muss. Sie geben keinen Hinweis auf eine<br />

Infiltration externer Fluide oder Schmelzen in die<br />

Schmelztaschen. Dies belegt, dass die beobachtete Störung<br />

während Stadium 2 nicht chemischer sondern thermischer<br />

Ursache gewesen sein muss.<br />

ii) Die Spurenelementgehalte der Plagioklase zeigen<br />

eine starke Streuung zwischen den einzelnen Proben<br />

(Abb. 4.33c). Abgesehen von dieser Streuung, die am deutlichsten<br />

in den SEE zu sehen ist, charakterisieren generell<br />

positive Barium-, Blei- und Strontium-Anomalien die Plagioklas-Spurenelementmuster.<br />

Die Nb/Ta-Verhältnisse in<br />

Plagioklas sind mit 0,75 bis 0,99 vergleichbar mit denen<br />

in Zoisit. Ihre Zr/Hf-Verhältnisse reichen von 15,4 bis 42,3.<br />

iii) Die Amphibolseparate besitzen nahezu identische,<br />

generell niedrige Spurenelementgehalte (Abb. 4.33d).<br />

Verglichen mit den Zoisitseparaten besitzen die Amphi-<br />

Abb. 4.33: N-MORB normalisiertes Spurenelement- und SEE-Muster der Zoisitseparate (a), Zoisitwachstumsstadien<br />

1 bis 3 (b), Plagioklasseparate (c) und Amphibolseparate (d), bestimmt mit der ICP-MS (a, c, d) und LA-ICP-MS (b).<br />

Unterschiedliche Symbole und Farben in a, c und d beziehen sich auf unterschiedliche Pegmatitproben.<br />

N-MORB normalized trace and rare earth element patterns of zoisite separates (a), zoisite growth stages 1 to 3 (b),<br />

plagioclase separates (c) and amphibole separates (d) as determined by ICP-MS (a, c, d) and LA-ICP-MS (b). Different<br />

symbols and colours in a, c and d refer to different pegmatite samples.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

321


322<br />

bole höhere Cs-, Rb-, Ba-, Nb-, Ta-, Zr- und Hf-Gehalte<br />

und deutlich niedrigere Th- und U-Gehalte. Die Nb/Ta-<br />

Verhältnisse der Amphibole sind mit 17,3 und 21,5 signifikant<br />

höher als in Zoisit und Plagioklas, wohingegen ihre<br />

Zr/Hf-Verhältnisse mit 21,2 und 27,4 vergleichbar mit<br />

denen in Zoisit und Plagioklas sind. Die SEE in den<br />

Amphibolen zeigen gerade, an den schweren SEE angereicherte<br />

Muster mit Chondrit normierten La/Lu = 0,27<br />

und 0,089, La/Gd = 0,49 und 0,13 und Gd/Lu = 0,55 und<br />

0,69.<br />

Ausgehend von den durchschnittlichen Haupt- und Spurenelementgehalten<br />

der Pegmatitminerale sowie ihrer<br />

Modalgehalte wurde die Gesamtzusammensetzung der<br />

Zoisitpegmatite berechnet. Ihre Hauptelementchemie ist<br />

69,3 Gew.% SiO 2, 18,51 Gew.% Al 2O 3, 5,09 Gew.% CaO,<br />

5,95 Gew.% Na 2O und 0,51 Gew.% Fe 2O 3. TiO 2, MgO und<br />

K 2O sind jeweils < 0,15 Gew.%. Die Zoisitpegmatite<br />

unterscheiden sich damit von typischen TTGs und Adakiten<br />

durch deutlich niedrigere TiO 2, Fe 2O 3, MgO and K 2O<br />

Gehalte. Mit mehr als 15 Gew.% Al 2O 3 bei etwa 70 Gew.%<br />

SiO 2 erfüllen sie jedoch das Hauptelementkriterium für<br />

Trondhjemite.<br />

Aufgrund seines hohen Modalgehalts und seiner hohen<br />

Spurenelementgehalte kontrolliert Zoisit die Spurenelementchemie<br />

der Pegmatite und das berechnete Spurenelementmuster<br />

ähnelt dem von Zoisit (Abb. 4.34). Es ist<br />

an den inkompatiblen Elementen angereichert mit positiven<br />

Barium- und Blei-Anomalien und ausgeprägt negativen<br />

Nb-Ta- und Zr-Hf-Anomalien. Die Anreicherung der<br />

inkompatiblen Elemente ist in Übereinstimmung mit typischen<br />

TTGs, allerdings zeigen die Zoisitpegmatite eine<br />

stärkere Anreicherung der mittleren SEE sowie eine stärkere<br />

Verarmung der schweren SEE und eine deutlich ausgeprägtere<br />

negative Nb-Ta Anomalie. In guter Übereinstimmung<br />

mit typischen TTGs besitzen die Zoisitpegmatite<br />

niedrige Nb/Ta-Verhältnisse. Das berechnete Nb/Ta-<br />

Abb. 4.34: Berechnetes N-MORB normalisiertes Spurenelementmuster<br />

für den Gesamtzoisitpegmatit verglichen<br />

mit der Zusammensetzungsspanne typischer TTGs (grauer<br />

Bereich).<br />

Calculated N-MORB normalized trace element pattern of<br />

bulk zoisite-pegmatite compared to compositional range<br />

of typical TTGs (grey area).<br />

Verhältnis ist mit ~ 1,6 allerdings extrem klein. Die berechnete<br />

Spurenelementchemie der Zoisitpegmatite ist generell<br />

konsistent mit den Spurenelementkriterien für Trondhjemite:<br />

Sr > 300 ppm, Y < 20 ppm, Yb < 1,8 ppm und Nb<br />

≤ 10 ppm.<br />

Die geochemischen und petrologischen Untersuchungen<br />

der zoisitführenden Hochdruckpegmatite der Münchberger<br />

Gneismasse erlauben einige wichtige Aussagen zur<br />

Anatexis von Hochdruckmetabasiten und zur Genese von<br />

TTGs und Adakiten: i) Die Bildung der Hochdruckpegmatite<br />

in den Eklogiten der Hangendserie der Münchberger<br />

Gneismasse war ein Fluid konservierender Prozess.<br />

Fluide, die bei dem Abbau von Zoisit freigesetzt wurden,<br />

führten unmittelbar zur Bildung trondhjemitischer Schmelzen<br />

und wurden in diesen Schmelzen gebunden. Die Kristallisation<br />

der Schmelzen setzte diese Fluide wieder frei,<br />

die dann zu einer Amphibolitisierung der Eklogite führten.<br />

Obwohl es klare Anzeichen für eine weitverbreitete<br />

Schmelzbildung in den Eklogiten gibt, gibt es keinerlei<br />

Hinweise auf eine großräumige Migration wässriger Fluide<br />

oder Schmelzen. ii) Der Abbau von Zoisit in Eklogiten<br />

führt zu Entwässerungsschmelzen, die den Haupt- und<br />

Spurenelementkriterien für Trondhjemite entsprechen,<br />

allerdings deutlich geringere Magnesium- und Eisengehalte<br />

aufweisen. Obwohl die zoisitführenden Hochdruckpegmatite<br />

ein exzellentes Model für die Entstehung von<br />

TTGs und Adakiten sind, simulieren sie nur den Beginn<br />

des Schmelzprozesses. Höhere Schmelzgrade würden<br />

mehr Klinopyroxen involvieren und die Magnesium- und<br />

Eisengehalte der Schmelze erhöhen. iii) Die niedrigen<br />

Nb/Ta-Verhältnisse der TTGs werden normalerweise auf<br />

die Anatexis von Amphiboliten zurückgeführt. Die Eklogite<br />

des Weissenstein sind amphibolfrei, dennoch ist<br />

das berechnete Nb/Ta-Verhältnis der trondhjemitischen<br />

Schmelzen sehr klein. Dies bedeutet, dass auch Zoisitabbau<br />

in amphibolfreien, rutilführenden Eklogiten zu<br />

trondhjemitischen Schmelzen mit niedrigen Nb/Ta-Verhältnissen<br />

führen kann.<br />

Mikro- und Nanoeinschlüsse in Diamanten: kleine<br />

Fenster ermöglichen tiefe Einblicke in den Aufbau<br />

des Erdmantels<br />

Diamanten sind nicht nur „a girl’s best friend“, wie es<br />

Marilyn Monroe einmal zum Ausdruck brachte. Bei Geowissenschaftlern<br />

sind Diamanten mindestens ebenso<br />

beliebt. Der Grund hierfür liegt aber nicht in der Reinheit<br />

und der Brillanz der Diamanten, im Gegenteil, es sind die<br />

Einschlüsse, die den Geowissenschaftler begeistern. Einschlüsse<br />

in Diamanten, seien es mineralische Einschlüsse<br />

oder Gas-Flüssigkeitseinschlüsse, erlauben Rückschlüsse<br />

auf die Zusammensetzung des Mantelgesteins, in dem sich<br />

der Diamant gebildet hat und auf die Fluide, aus denen der<br />

Diamant auskristallisiert ist. Die extreme Festigkeit von<br />

Diamant in Verbindung mit seiner geringen Reaktivität in<br />

einer silikatischen Umgebung ermöglichen es den Einschlüssen,<br />

ihre ursprüngliche Zusammensetzung zu behalten,<br />

auch wenn sich die Druck- und Temperaturbedingungen<br />

während des Transports zur Erdoberfläche geändert<br />

haben. Diamanten können mit ihren Einschlüssen einen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


sehr weiten Bereich des Erdmantels beproben. Er reicht<br />

nach bisherigem Stand des Wissens von 150 km bis in<br />

1.700 km Tiefe (Hayman et al.<strong>2005</strong>).<br />

Bislang war man bei der Untersuchung von mineralischen<br />

Einschlüssen in Diamanten auf solche im Mikrometerbereich<br />

angewiesen. Häufig wurden die Diamanten verbrannt<br />

und die Einschlüsse blieben in der Asche zurück.<br />

Diese Einschlüsse konnte man mit der Elektronenstrahlmikrosonde<br />

chemisch untersuchen. Große Einschlüsse<br />

sind aber relativ selten im Gegensatz zu Nanoeinschlüssen.<br />

Für kleinere Einschlüsse liefern IR- und Raman-<br />

Spektroskopie Hinweise auf ihre Zusammensetzung und<br />

Mineralparagenesen. Solche Daten sind häufig aber nicht<br />

eindeutig, da es zu Überlappungen der Signale kommen<br />

kann. Es fehlt die Information über die Mikrostruktur<br />

eines solchen Einschlusses.<br />

Mit Hilfe eines Transmissionselektronenmikroskops (TEM)<br />

ist man heute jedoch in der Lage, die chemischen, kristallographischen<br />

und mikrostrukturellen Informationen,<br />

die ein Mikro- oder Nanoeinschluss enthält, zu entschlüsseln.<br />

Leider war es in der Vergangenheit nahezu<br />

unmöglich, geeignete Diamantproben für TEM-Untersuchungen<br />

zu präparieren. Der extreme Festigkeitskontrast<br />

zwischen Diamant und seinen Einschlüssen führte dazu,<br />

dass die in jedem Fall weicheren Einschlüsse beim Dünnen<br />

der Probe weitgehend zerstört wurden. Diese Schwierigkeit<br />

konnte jedoch mit der Focused Ion Beam FIB Probenpräparation<br />

überwunden werden. Ein solches Gerät<br />

wird seit ca. 3 1/2 Jahren am <strong>GFZ</strong> mit großem Erfolg<br />

betrieben. Mit Hilfe dieser in den Geowissenschaften bislang<br />

einzigen Anlage weltweit, wurden zahlreiche Diamantproben<br />

aus Kasachstan, Sibirien, der Ukraine, Süd-<br />

afrika, Kanada und Brasilien präpariert und am <strong>GFZ</strong><br />

gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Russland, der Ukraine,<br />

Israel, USA und Brasilien mit dem TEM untersucht.<br />

Die Untersuchungen lassen sich in drei Gruppen gliedern:<br />

• Einschlüsse in Mikrodiamanten (Kasachstan, Ukraine),<br />

• Einschlüsse in Diamanten aus Sibirien, Südafrika,<br />

Kanada und Brasilien,<br />

• Carbonados – schwarze Diamanten aus Brasilien.<br />

Fluid-Einschlüsse in Mikrodiamanten aus Kasachstan<br />

Der Mechanismus der Entstehung von Diamanten im Erdmantel<br />

ist noch immer umstritten. Es gibt Argumente, die<br />

für ein Wachstum aus der Schmelze oder ein Wachstum<br />

aus einem Fluid sprechen. Die Entdeckung von Mikrodiamanten<br />

in Ultra-Hochdruckgesteinen der kontinentalen<br />

Erdkruste hat diese Debatte erneut angeheizt. In einer<br />

TEM-Probe eines Mikrodiamanten aus dem Kokchetav<br />

Massiv in Kasachstan beobachteten wir ca. 50 bis 100 nm<br />

große Fluid-Einschlüsse, die noch geschlossen waren.<br />

Solche Einschlüsse kann man dann erhalten, wenn die Diamantproben<br />

für die TEM-Untersuchungen relativ dick<br />

(200 bis 300 nm) präpariert werden. Üblich sind Probendicken<br />

von 100 nm und weniger. Diamanten sind aber<br />

wegen ihrer ausgezeichneten Elektronentransparenz auch<br />

in dicken Schichten noch gut durchstrahlbar. Einen noch<br />

gefüllten Einschluss erkennt man im Elektronenmikroskop<br />

daran, dass es bei fokussiertem Strahl zu Dichtefluktuationen,<br />

verbunden mit Änderungen im Helligkeitskontrast,<br />

kommt. Diese Dichtefluktuationen erzeugen unterschiedlichen<br />

Massenabsorptionskontrast. Der Einschluss<br />

gleicht dann einer lebenden, sich bewegenden Zelle<br />

(Abb. 4.35).<br />

Abb. 4.35: TEM Hellfeld-Aufnahme eines Fluid-Einschlusses in einem Mikrodiamanten aus Kasachstan. a) Noch<br />

geschlossener Fluid-Einschluss erkennbar an Kontrastvariationen, die durch Dichtefluktuationen erzeugt werden. b)<br />

Der gleiche Einschluss nach der Öffnung mit Hilfe des Elektronenstrahls zeigt keine Kontrastvariationen mehr, da das<br />

Fluid in das Vakuum des Systems entwichen ist. Zurück bleibt ein amorpher Rest.<br />

TEM bright field image of a fluid inclusion bubble in a microdiamond from Kasachstan. a) Closed fluid inclusion bubble<br />

with contrast variations due to density fluctuations. b) Same fluid inclusion bubble after perforation of the diamond<br />

container by electron sputtering. The fluid has escaped into the vacuum leaving a quench product in the cavity.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

323


324<br />

Ein Röntgenspektrum der durch den Elektronenstrahl<br />

erzeugten Röntgenfluoreszenzstrahlung aus dem Einschluss<br />

ergibt qualitativ eine Zusammensetzung des Fluids<br />

aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Schwefel, Chlor, Kalium,<br />

Calcium und Eisen. Durch Fokussierung des Elektronenstrahls<br />

auf den Einschluss kann dieser geöffnet werden<br />

und die gasförmigen und flüssigen Komponenten können<br />

in das Vakuum des TEM entweichen. Eine zweite Analyse<br />

unter identischen Bedingungen ergibt dann, dass Sauerstoff,<br />

Schwefel und das Chlor nahezu verschwunden<br />

sind. Aus dem Verlust des Chlor-Anteils wird geschlossen,<br />

dassdas Fluid eine wässrige Komponente gehabt haben<br />

muss, Chlor hat in der Verbindung HCl vorgelegen. Ebenso<br />

kann aus dem Verlust des Schwefels und des Sauerstoffs<br />

nach dem Öffnen des Einschlusses auf die Anwesenheit von<br />

H 2SO 4 im Fluid geschlossen werden. Der Verlust des Sauerstoffs<br />

deutet aber auch auf die Anwesenheit von CO 2 im<br />

Fluid hin. Die Untersuchung zeigt, dass das Fluid, aus dem<br />

der Mikrodiamant gewachsen ist, folgende Zusammensetzung<br />

hatte: C, H, O, Cl, S, Ca, Fe, und K. Damit konnte<br />

nachgewiesen werden, dass diese Mikrodiamanten aus<br />

einem Fluid und nicht aus einer Schmelze entstanden sind.<br />

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurde in Terra Nova<br />

publiziert (Dobrzhinetskaya et al., <strong>2005</strong>).<br />

Nanoeinschlüsse in Diamanten aus Sibirien und Kanada<br />

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit israelischen<br />

Wissenschaftlern wurden Diamanten aus Kanada<br />

und Sibirien untersucht. Diese Diamanten zeichnen sich<br />

dadurch aus, dass sie einen sehr hohen Anteil an Gas-Flüssigkeitseinschlüssen<br />

aufweisen, die zu einer ausgeprägten<br />

Trübung der Diamanten führen. Die Einschlüsse wurden<br />

Abb. 4.36: TEM Hellfeld Aufnahme eines Phlogopit-Einschlusses<br />

in einem Diamanten. Der Phlogopit ist gekennzeichnet<br />

durch dunkle Beugungskontraste. Die hellen Stellen<br />

sind dünnere Bereiche, die mit einem Fluid gefüllt<br />

waren.<br />

TEM bright field image of a phlogopite inclusion in diamond.<br />

Phlogopite is characterized by diffraction contrast.<br />

The bright areas are due to reduced foil thickness, filled<br />

with a fluid prior to the perforation of the inclusion during<br />

specimen preparation.<br />

mit der Mikrosonde, IR-Spektroskopie und TEM untersucht.<br />

Die meisten Mikro- und Nanoeinschlüsse enthalten<br />

danach mehrere feste Phasen wie beispielsweise Karbonate,<br />

Halide, Apatit, Pyroxen und einen Si-reichen<br />

Glimmer (6,8 bis 7,7 Atome pro Formeleinheit) mit einer<br />

Zusammensetzung zwischen Phlogopit und Seladonit<br />

(Abb. 436).<br />

Die TEM Untersuchungen ergeben, zusammen mit den<br />

Mikrosondenmessungen und den IR-spektroskopisch<br />

gemessenen Volatilen, folgendes Resultat: Der Diamant<br />

hat während seines Wachstums in den Mikroeinschlüssen<br />

ein dichtes, superkritisches Fluid einheitlicher Zusammensetzung<br />

eingeschlossen. Aus dem superkritischen Fluid<br />

sind feste Phasen bei der Abkühlung in einem sekundären<br />

Prozess auskristallisiert. Diese sekundären Mineraleinschlüsse<br />

unterscheiden sich wesentlich von den primären,<br />

peridotitischen oder eklogitischen Mineraleinschlüssen<br />

wie zum Beispiel Pyrop, Olivin und Pyroxene. Es sind dies<br />

Karbonate, Phosphate, Halide, Sulfide und Schichtsilikate,<br />

die aus einem primären „high density fluid“ HDF, welches<br />

beim Wachstum der Diamanten unter hohem Druck<br />

eingeschlossen worden ist, mit Wasser und CO 2 auskristallisiert<br />

sind. Es ist angereichert an inkompatiblen Elementen<br />

wie Chlor, Kalium, Phosphor, Barium und Strontium.<br />

Der hohe interne Druck (1,5 bis 2 GPa) bleibt auch<br />

nach dem Aufstieg der Diamanten an die Erdoberfläche<br />

erhalten (Navon, 1999). Es ist dies die erste Beobachtung,<br />

dass Karbonate zusammen mit Haliden in den Mikroeinschlüssen<br />

vorkommen. Diese Beobachtung stützt die<br />

Annahme, dass der Diamant aus einem Fluid, welches<br />

Chlor und Karbonat enthält, entstanden sein muss (Klein-<br />

BenDavid et al. 2006).<br />

Carbonados, schwarze Diamanten<br />

Schwarze Diamanten sind trotz ihrer zum Teil beachtlichen<br />

Größe als Schmucksteine völlig uninteressant. Sie<br />

sind jedoch die besten Schleifmittel, die es gibt. Carbonados<br />

sind polykristalline Diamanten mit hoher Porosität,<br />

die bisher nie in direkter Verbindung mit Kimberliten<br />

gefunden wurden. Sie sind weiterhin gekennzeichnet<br />

durch eine ungewöhnliche Vielfalt an Einschlüssen, wie<br />

zum Beispiel Florenzit (SEE-Phosphat), Orthoklas, Quarz,<br />

Kaolinit und Metalle (Fe, Fe-Ni, Sn, Ag, Cu). Die für kimberlitische<br />

Diamanten charakteristischen Einschlüsse, wie<br />

pyropreicher Granat, Olivin und chromreicher Pyroxen,<br />

wurden bisher jedoch nie in Carbonados gefunden. Die<br />

Entstehung der Carbonados wird noch immer kontrovers<br />

diskutiert. Es wird angenommen, dass wegen der Anreicherung<br />

leichter Kohlenstoff-Isotope (δ 13 C liegt im<br />

Bereich von –23 ‰ bis –30 ‰) organisches Material durch<br />

eine kalte Subduktion in den Mantel verfrachtet wurde.<br />

Aus diesem organischen Material soll dann im Stabilitätsbereich<br />

des Diamants polykristalliner Diamant kristallisiert<br />

sein. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass<br />

eine kohlenstoffhaltige Matrix durch radioaktive Bestrahlung<br />

zu Diamant umgewandelt worden ist. Eine Umwandlung<br />

von organischer Materie in Diamant durch Stoßwellenmetamorphose,<br />

wie sie beim Einschlag eines Meteoriten<br />

zu erwarten wäre, wird ebenfalls als Ursache für die<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.37: Das lichtoptische Bild zeigt einen typischen<br />

Carbonado Polykristall, aufgeklebt auf einen Aluminiumträger.<br />

Optical micrograph of a typical carbonado polycrystal<br />

mounted onto a sample holder.<br />

Entstehung von Carbonados diskutiert. Für keine dieser<br />

Hypothesen wurden bisher schlüssige Beweise erbracht.<br />

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Universidade<br />

Federal de Minas Gerais in Belo Horizonte, Brasilien<br />

wurden alluviale Diamanten (Carbonados) aus Brasilien<br />

am <strong>GFZ</strong> mit dem TEM untersucht. Die Carbonados<br />

stammen aus dem Sao Francisco Kraton (Macaubas River)<br />

in Minas Gerais, Brasilien. Der Kraton enthält die ältesten<br />

Gesteine Südamerikas mit einem Alter von ca. 3,2 Milliarden<br />

Jahren. Ein typischer Carbonado ist in Abb. 4.37 zu<br />

sehen.<br />

Der größte am <strong>GFZ</strong> untersuchte Carbonado wiegt 0,7<br />

Gramm und wurde mit Hilfe eines Lasers von einem Diamantschleifer<br />

in Jerusalem in zwei Teile<br />

geschnitten. Ihm sei an dieser Stelle für<br />

seine kostenlose Unterstützung gedankt.<br />

Eine Schnittfläche wurde dann am <strong>GFZ</strong><br />

mit einer Diamantschleifmaschine anpoliert.<br />

Die optische Untersuchung der<br />

polierten Fläche zeigt, dass der Stein aus<br />

polykristallinen Domänen mit unterschiedlicher<br />

Korngröße aufgebaut ist.<br />

Mittels fokussierender Ionenstrahltechnik<br />

wurden aus dem Zentrum und mehreren<br />

Randbereichen Folien zur Untersuchung<br />

mit dem TEM präpariert. Insgesamt<br />

wurden fünf Steine unterschiedlicher<br />

Größe untersucht, wobei die Proben<br />

entweder aus dem Inneren der Probe<br />

stammen oder von der Oberfläche aus<br />

präpariert wurden. Die TEM-Untersuchungen<br />

lieferten folgende Ergebnisse:<br />

Carbonados sind immer polykristallin mit<br />

Korngrößen in der Regel < 10 Mikrometer.<br />

Sie weisen alle eine hohe Porosität<br />

auf. Die Korngrenzen zeigen einen unge-<br />

wöhnlichen, auffällig gezackten Verlauf (Abb. 4.38). Das<br />

Korngefüge gleicht einem Puzzle. Die Versetzungsdichte<br />

ist uneinheitlich und häufig sind die Versetzungen in<br />

Kleinwinkelkorngrenzen angeordnet, was auf eine Temperung<br />

der Probe bei hohen Temperaturen hindeutet.<br />

In manchen Körnern beobachtet man kleine, plättchenförmige<br />

Strukturen, die meist kleiner sind als 50 nm<br />

(Abb. 3.39). Diese Plättchen sind Anreicherungen von<br />

Stickstoff im Diamant. Sie sind ein Hinweis darauf, dass<br />

der Diamant für lange Zeit bei hohen Temperaturen im<br />

Mantel verweilt haben muss, denn nur dann kommt es zu<br />

einer Aggregation von Stickstoff zu paarweise angeordnetem<br />

Stickstoff über Stickstoff in Tetraeder-Anordnung<br />

zu den Plättchen. Dieser Vorgang verlangt eine zunehmende<br />

Verweildauer des Diamanten bei hohen Temperaturen<br />

im Mantel. Darauf deutet auch die Anwesenheit von<br />

Kleinwinkelkorngrenzen hin.<br />

Generell sind Einschlüsse in Carbonados sehr zahlreich.<br />

Es gibt sehr viele sekundäre Einschlüsse, die keine Mantelbedingungen<br />

repräsentieren, wie zum Beispiel Sulfate<br />

(Ba-Sulfat, Ca-Sulfat), Sulfide (PbS), Quarz, Kaolinit,<br />

Florenzit, Glimmer, Apatit und Fe-Oxide. Diese Einschlüsse<br />

treten ausschließlich in Hohlräumen und Poren,<br />

meist entlang von Korngrenzen auf. Die Poren sind oft<br />

miteinander verbunden. Diese Einschlüsse liefern jedoch<br />

keine Hinweise auf die Genese der Carbonados. Sie haben<br />

sich zusammen mit Fluiden gebildet, die den Stein durchdrungen<br />

haben. Es gibt aber eine zweite Gruppe von viel<br />

kleineren Einschlüssen innerhalb der Körner, die deutliche<br />

Hinweise auf die Bildung der Carbonados liefern.<br />

Diese Einschlüsse kommen isoliert im Kristall vor. Solche<br />

Einschlüsse bestehen jeweils aus festen Phasen und<br />

einer flüssigen oder gasförmigen Phase. Als feste Phasen<br />

wurden beobachtet: Karbonate (Ba-Karbonat, Ca-Karbonat),<br />

Chloride (KCl), Silikate (Ca, Al, K, Fe, Ti) und Sulfide.<br />

Diese Einschlüsse sind in der Regel deutlich kleiner<br />

Abb. 4.38: TEM-Hellfeld-Abbildung eines typischen Korngefüges in Carbonados.<br />

Man beachte die ungewöhnlich gezackten und winkeligen Korngrenzen.<br />

TEM bright field image of characteristic grain texture in Carbonado. Note<br />

the unusual zig-zag arrangement of the grain boundaries.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

325


326<br />

Abb. 4.39: TEM-Hellfeld-Abbildung von plattenförmigen Einschlüssen,<br />

gefüllt mit Stickstoff in Körnern eines Carbonado.<br />

TEM bright field image of N-rich platelets in grains of a Carbonado polycrystal.<br />

als 500 nm und entsprechen in ihrer Paragenese genau<br />

denen aus kimberlitischen Diamanten. Dort beobachtet<br />

man ebenfalls Silikate, Chloride und Karbonate oftmals<br />

zusammen im gleichen Einschluss. Aus dieser Beobachtung<br />

und dem Auftreten von Stickstoff-Plättchen muss<br />

gefolgert werden, dass Carbonados im Erdmantel unter<br />

ähnlichen Bedingungen wie „normale“ Diamanten gebildet<br />

worden sind. Eine Entstehung durch radioaktive<br />

Bestrahlung oder durch einen Impakt kann daher für diese<br />

Carbonados ausgeschlossen werden. Unsere Beobachtung<br />

stützt hingegen die Bildung aus subduziertem, organischen<br />

Material. Die ungewöhnliche Morphologie ihrer<br />

Korngrenzen und die große Porosität sind die wesentlichen<br />

Unterschiede zu kimberlitischen Diamanten. Die<br />

Gründe hierfür sind noch nicht verstanden und sind<br />

Gegenstand weiterer Untersuchungen.<br />

Aus den bisherigen Untersuchungen an Diamanten unterschiedlichster<br />

Herkunft (Sibirien, Südafrika, Kanada,<br />

Brasilien, Ukraine, Kasachstan) und verschiedenster Morphologie<br />

und Größe können einige grundsätzliche Schlussfolgerungen<br />

gezogen werden. Die Mikroeinschlüsse sind<br />

in der Regel die Einschlüsse, die den jeweiligen Ort der<br />

Entstehung des Diamanten im Erdmantel repräsentieren<br />

und charakterisieren (peridotitische Einschlüsse oder<br />

eklogitische Einschlüsse). Die peridotitischen oder eklogitischen<br />

Einschlüsse liefern uns Hinweise auf die Druckund<br />

Temperaturbedingungen, unter denen sich Diamant<br />

gebildet hat. Die Nanoeinschlüsse hingegen, mit ihrem<br />

ausgeprägten silikatischen, sulfidischen, karbonatischen<br />

Charakter, sind aus einem Fluid bei Änderung von Druck<br />

und Temperatur während des Aufstiegs<br />

des Diamanten zur Erdoberfläche auskristallisiert.<br />

Dabei hat der Diamant das<br />

Fluid während seines Wachstums eingeschlossen.<br />

Dieses Fluid stellt somit das<br />

Medium dar, aus dem der Diamant auskristallisierte.<br />

Interessanterweise ist die<br />

Zusammensetzung dieses Mediums für<br />

alle Lokalitäten nahezu identisch. Diese<br />

Erkenntnis soll durch weitere Untersuchungen<br />

in der Zukunft untermauert werden.<br />

In diesem Zusammenhang sind die<br />

Diamanten aus Juina (Mato Grosso, Brasilien),<br />

die uns von Dr. Kaminsky (Kanada)<br />

zur Verfügung gestellt wurden, von<br />

ganz besonderem Interesse.<br />

Akustisches Monitoring von metamorphen<br />

Dehydrationsreaktionen:<br />

Experimente im Modellsystem Diasporit<br />

Wasserreiche Fluide sind wesentlich für<br />

Transport und Umverteilung von Material<br />

in der Erdkruste und spielen eine entscheidende<br />

Rolle bei Reaktions- und<br />

Deformationsprozessen. Die physikalischen<br />

Eigenschaften eines Gesteins werden<br />

durch die Menge und Verteilung von<br />

fluiden Phasen stark beeinflusst. In-Situ-<br />

Messungen zur Änderung petrophysikalischer Eigenschaften<br />

unter transienten P-T-Bedingungen der mittleren<br />

und unteren Kruste sind notwendig, um die Beziehungen<br />

zwischen Fluiddruck, Fluidvernetzung und den Materialparametern<br />

des Gesteins zu untersuchen. Diese Daten werden<br />

für numerische Modellierungen von z. B. Subduktionsprozessen<br />

benötigt und führen zu einer quantitativen<br />

Interpretation geophysikalischer Felddaten.<br />

Während der prograden Gesteinsmetamorphose werden<br />

mit zunehmender Temperatur und Tiefe wasserreiche Fluide<br />

durch den Abbau OH-haltiger Minerale generiert.<br />

Umgekehrt wird bei Abkühlung und Dekompression eines<br />

Gesteines Wasser, sofern verfügbar, wieder von Mineralen<br />

gebunden (retrograde Gesteinsmetamorphose). Reaktionen<br />

dieser Art sind immer gekoppelt mit Porositäts- und<br />

Permeabilitätsänderungen und zeigen eine komplexe<br />

Wechselwirkung mit der Deformation. Das Schließen von<br />

Porenraum kann zu hohen Poren- und lokalen Überdrücken<br />

führen, die beim spontanen Abbau Seismizität induzieren<br />

können. In Scherzonen spielt deswegen das Wechselspiel<br />

zwischen porositätschaffenden, fluidfreisetzenden<br />

Reaktionen und porositätreduzierender Deformation<br />

eine entscheidende Rolle für den seismischen Zyklus.<br />

Die Auswirkungen von fluidfreisetzenden Reaktionen auf<br />

die physikalischen und rheologischen Eigenschaften von<br />

Gesteinen bei P-T-Bedingungen der mittleren und unteren<br />

Kruste werden experimentell untersucht. Hierzu wurde<br />

zunächst ein einfaches Modellsystem, ein Metabauxit<br />

gewählt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.40: (a) Zylindrische Probe eines Metabauxits aus SW-Anatolien, vorwiegend bestehend aus feinkörnigem Diaspor<br />

und Ti-haltigem Hämatit. (b) Gemessene seismische Anisotropie (V P, V S) in Diasporit bei Raumbedingungen.<br />

(a) Cylinder of metabauxite sample from SW-Anatolia (Turkey) mainly consisting of fine-grained diaspore and Ti-hematite.<br />

(b) Seismic anisotropy (V P, V S) measured in diasporite at ambient conditions.<br />

Der verwendete Metabauxit ist ein feinkörniges, dichtes<br />

und rissfreies Gestein und besteht zu ≈ 70 vol.% aus Diaspor<br />

und ≈ 25 vol.% aus Ti-Hämatit (Abb. 4.40a). Es zeigt<br />

während prograder Metamorphose eine diskontinuierliche<br />

Dehydratation bei relativ niedrigen P-<br />

T-Bedingungen (Abb. 4.41), welche für<br />

Subduktionsprozesse in der Kopplungszone<br />

typisch sind. Während der Umwandlung<br />

von Diaspor (α-AlOOH) nach<br />

Korund (α-Al 2O 3) wird im Metabauxit 7<br />

bis 9 Gew.% Wasser freigesetzt. Ein Vorteil<br />

des Diaspor-Korund-Modellsystems<br />

ist seine schnelle Reaktionskinetik im<br />

Vergleich mit der Dehydratisierung von<br />

OH-führenden Fe-Mg-Al-Silikaten wie<br />

Glimmer, Chlorit und Amphibol in weiter<br />

verbreiteten komplexeren metamorphen<br />

Gesteinen.<br />

Mittels mikroanalytischer Methoden<br />

wurde zunächst die Mineralchemie und<br />

Textur des Ausgangsdiasporits charakterisiert.<br />

Messungen der seismischen Geschwindigkeiten<br />

bei Raumbedingungen<br />

Abb. 4.41: Position des Diaspor-Korund-<br />

Gleichgewichtes im P-T-Diagramm berechnet<br />

für eine Wasseraktivität von 1,0<br />

(rote Kurve) und 0,5 (blaue Kurve).<br />

Pressure-temperature diagram showing<br />

the position of the diaspore-corundum<br />

equilibrium for a water activity of 1.0 (red<br />

curve) and 0.5 (blue curve).<br />

im Ultraschallbereich ergaben eine deutliche seismische<br />

Anisotropie, welche für die P-Wellen 7,8 % und die S-<br />

Wellen 8,8 % beträgt (Abb. 4.40b). Dies ist ein unerwartetes<br />

Ergebnis, da die Probe optisch keine deutliche Foli-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

327


328<br />

ation oder Lineation zeigt. Theoretische Arbeiten sagen<br />

jedoch vorher, dass für Diaspor auf Grund seiner orthorhombischen<br />

Kristallstruktur eine starke seismische Anisotropie<br />

zu erwarten wäre. Die gemessene Anisotropie wird<br />

wahrscheinlich durch eine kristallographische Einregelung<br />

der Diaspor-Kristalle verursacht. Dies soll weiter mit<br />

EBSD-Analysen (Electron Backscatter Diffraction) untersucht<br />

werden. Die für die Experimente benutzten zylindrischen<br />

Diasporitproben wurden so angefertigt, dass die<br />

Isotropie-Ebene (Vp = ≈ 8.200 m/s) parallel zur Längsachse<br />

der Zylinder lag (Abb. 4.40).<br />

Die Diasporit-Dehydratisierungs-Experimente wurden in<br />

Zusammenarbeit mit der Gesteinsdeformations-Gruppe<br />

an der ETH Zürich in einer Paterson-Gas-Apparatur bei<br />

hydrostatischem Druck von 200 MPa durchgeführt. Die<br />

Heizrate betrug 1 °C/min bei undrainierten als auch bei<br />

drainierten Experimenten. Beide Serien von Experimenten<br />

ergaben einsetzende akustische Emissionen (AE) bei<br />

Abb. 4.42: Zwei unterschiedliche Typen von „ultrasonic waveforms“,<br />

registriert während der Dehydratisierung von Diasporit bei 470 °C und<br />

200 MPa.<br />

Two different types of waveforms captured during dehydration of diasporite<br />

at ca. 470 °C and 200 MPa.<br />

ca. 400 °C und weitere, mehr ausgeprägte AE bei ca.<br />

470 °C. Da das Diaspor-Korund-Gleichgewicht bei<br />

200 MPa und 400 °C nur sehr gering überschritten wird<br />

(Abb. 4.41), ist unklar, ob die ersten AE bei 400 °C auf<br />

der Dehydratation von Diaspor beruhen. Die charakteristischen<br />

AE bei 470 °C sind sicher auf entwässernden Diaspor<br />

zurückzuführen. Die benötigte thermische Überschreitung<br />

für das Einsetzen der Reaktion ist in guter Übereinstimmung<br />

mit Gleichgewichtsdaten, die wir in Hydrothermal-<br />

und Piston-Zylinder-Apparaturen durchgeführt<br />

haben. Die Diasporit-Entwässerung ist auch am Temperatur-Verlauf<br />

in der Probe erkennbar: bei ca. 430 °C nimmt<br />

die Temperatur kurzfristig ab; eine Folge der endothermen<br />

Gleichgewichtsreaktion.<br />

Es ist nicht eindeutig, welcher Prozess die AEs bei ca.<br />

400 °C induziert. Es kann nicht ausgeschlossen werden,<br />

dass die Entwässerung kleiner Mengen von Diaspor schon<br />

bei 400 °C beginnt, da bei reduzierten H 2O-Aktivitäten<br />

das Stabilitäts-Feld von Diaspor sich<br />

zu niedrigeren Temperaturen verschiebt<br />

(Abb. 4.41). In diesem Fall wäre unterschiedliches<br />

Dehydratisierungsverhalten<br />

bei undrainierten und drainierten Experimenten<br />

zu erwarten, was experimentell<br />

aber nicht festgestellt wurde. Eine weitere<br />

Möglichkeit wäre, dass diese AE mit<br />

Fluid-Freisetzungen durch Phasen gekoppelt<br />

sind, die in sehr untergeordneten<br />

Mengen vorkommen. Kleinste Mengen<br />

von Hellglimmer und Chloritoid sind mit<br />

der Mikrosonde im der Ausgangsdiasporit<br />

detektiert worden. Dass Abbau submikroskopischer<br />

Phasen die AE bei 400 °C<br />

erzeugt, ist wenig wahrscheinlich, da<br />

elektronenmikroskopische Untersuchungen<br />

„saubere“ Korngrenzen zeigen und<br />

Flüssigkeitseinschlüsse nicht vorkommen.<br />

Es wurden zwei unterschiedliche „waveforms“<br />

bei den AE registriert. Der vorherrschende<br />

Typ besteht aus einem kurzen<br />

Ereignis (Abb. 4.42a), das wahrscheinlich<br />

durch die Bildung von kleineren<br />

Rissen verursacht wird. Weniger häufig<br />

wurden viel länger andauernde AE<br />

mit deutlich höherer Energie registriert<br />

(Abb. 4.42b). Diese zeigen stärkere Entwässerungsereignisse<br />

an, wobei signifikante<br />

Mengen von Fluid schlagartig aus<br />

der Probe entweichen konnten.<br />

Mikrososondenuntersuchungen und Aufnahmen<br />

mit rückgestreuten Elektronen<br />

lassen erkennen, dass sich im Anfangsstadium<br />

der Diasporitentwässerung Risse<br />

bilden, erkennbar an einer erhöhten Porosität.<br />

(Abb. 4.43a). Korund wird bevorzugt<br />

in unmittelbarer Nähe dieser Risse<br />

gebildet. Die Korund-Bildung wird hier<br />

begünstigt, weil das freigesetzte Wasser<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.43: Rückgestreute Elektronen<br />

(RSE) Bilder. Die Produkte bestehen<br />

überwiegend aus Korund und Diaspor<br />

(beide grau) und Ti-Hämatit (weiß). Porosität<br />

ist schwarz. (a) Teilweise dehydratisierter<br />

Diasporit mit Bildung von 20 bis<br />

30 µm breiten Rissen, gekennzeichnet<br />

durch erhöhte Porosität und feinkörnige<br />

Korund-Bildung (nicht sichtbar). Drainiertes<br />

Experiment mit einer Heizrate von<br />

1 °C/ min, P = 200 MPa, abgeschlossen<br />

bei T = 540 °C. (b) Größtenteils in Korund<br />

umgewandelter Diasporit mit Bildung einer<br />

durchgehenden Porosität im nichtdrainierten<br />

Experiment. Heizrate = 1 °C/min,<br />

P = 200 MPa, Experiment abgeschlossen<br />

bei T = 590 °C.<br />

BSE pictures of run products of diasporite<br />

dehydration experiments. Products are<br />

composed mainly of corundum and diaspore<br />

(both grey) and Ti-hematite (white).<br />

Porosity is black. (a) Partly dehydrated<br />

diasporite with formation of 20 – 30 µm<br />

wide cracks marked by enhanced porosity<br />

and growth of corundum (not visible).<br />

Drained experiment, heating rate =<br />

1 °C/min, P = 200 MPa, final T = 540 °C.<br />

(b) Diasporite largely tranformed into a<br />

corundum rock with development of pervasive<br />

porisity in undrained experiment.<br />

Heating rate = 1 °C/min; P = 200 MPa;<br />

final T = 590 °C.<br />

besser entweichen kann und die Wasseraktivität<br />

reduziert wird. In drainierten<br />

Experimenten findet bevorzugt Rissbildung<br />

statt. In undrainierten Experimenten<br />

bildet sich typischerweise durchdringende<br />

Porosität (Abb. 4.43b). Dies ist eine<br />

Folge der hohen Fluiddrücke, welche<br />

bewirken, dass bei der Reduzierung des<br />

festen Gesteinsvolumens als Folge der Reaktion (–20 vol.%)<br />

die Porosität erhalten bleibt. Eine ähnliche durchdringende<br />

Porosität wurde auch in Experimenten in der Piston-<br />

Zylinderapparatur beobachtet, wo natürliche Diasporit-<br />

Proben, eingeschlossen in Goldkapseln, P-T-Bedingungen<br />

innerhalb des Korund-Stabilitätsfeldes ausgesetzt<br />

wurden. Eine erhöhte Porosität mit hydraulischer Rissbil-<br />

Abb. 4.44: Metabauxit von der Diaspor-Korund-Übergangszone<br />

von Naxos (Griechenland) mit mehreren Generationen<br />

„Hydrofractures“, die mit Korund gefüllt sind.<br />

Älteste Risse bestehen aus Chloritoid (schwarz). Die<br />

Matrix besteht aus feinkörnigem Diaspor (gelb), Chloritoid<br />

(grün) und Korund (blau).<br />

Metabauxite sample from the diaspore-corundum transition<br />

zone of Naxos (Greece) displaying several generations<br />

of corundum-filled (blue) hydrofractures. Oldest<br />

fractures are filled with chloritoid (black). Matrix is composed<br />

of fine-grained diaspore (yellowish), chloritoid<br />

(green) and corundum (blue).<br />

dung wurde in natürlichen Metabauxiten (Naxos, Griechenland)<br />

während der Diasporit-Korundit-Transformation<br />

beobachtet. In diesen regionalmetamorphen Bauxiten<br />

deuten verschiedene Generationen hydraulischer<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

329


330<br />

Risse auf ein zyklisches Entweichen des gebundenen Wassers<br />

hin, ganz ähnlich wie in den Experimenten reproduziert.<br />

(Abb. 4.44). Die Rissbildung in den natürlichen<br />

Gesteinen wurde höchstwahrscheinlich ebenfalls von<br />

Mikroseismizität begleitet.<br />

Die Experimente zeigen eindeutig, dass Dehydratisierungsreaktionen<br />

Mikrorisse generieren und Mikroseismizität<br />

induzieren können. Bislang wurde nur unter isotroper<br />

Belastung experimentiert; weitere Experimente unter<br />

deviatorischer Belastung sind geplant, um den Einfluss<br />

von Deformation auf die Freisetzung und das Entweichen<br />

von Fluiden zu untersuchen. Bei den akustischen Experimenten<br />

wurde eine Abnahme der seismischen Geschwindigkeit<br />

während des Maximums der Fluidfreisetzung<br />

registriert. Diese Änderung sowie die der elektrischen<br />

Leitfähigkeit während der Fluidfreisetzung durch metamorphe<br />

Reaktionen sollen durch weitere Experimente<br />

quantifiziert werden.<br />

Wärmetransporteigenschaften<br />

Wenn wir die dynamischen Prozesse auf Planeten unseres<br />

Sonnensystems oder in entfernten Galaxien verstehen<br />

wollen, müssen wir die zugrunde liegenden Prozesse identifizieren<br />

und die für die Beschreibung notwendigen Materialeigenschaften<br />

als Funktion der Zusammensetzung,<br />

Temperatur und Druck quantitativ verstehen. Die meisten<br />

plattentektonischen Prozesse werden nach unserem heutigen<br />

Verständnis von Temperaturausgleichsprozessen<br />

im Erdinneren angetrieben.<br />

Trotz des Alters von mehreren<br />

Milliarden Jahren besitzt unser Planet im<br />

Inneren noch eine gewaltige Wärmemenge<br />

aus seiner Entstehungszeit. Durch die<br />

gravitative Trennung des schweren Erdkerns<br />

vom leichteren Material des Erdmantels<br />

wurden große Wärmemengen<br />

freigesetzt. Die wesentlich höhere Radioaktivität<br />

in der Anfangszeit unseres Planeten<br />

hat zu einer großen Wärmefreisetzung<br />

geführt, die z. T. noch in der Erde<br />

gespeichert ist. Reaktionswärme an der<br />

Kern-Mantel-Grenze und Kristallisationsenthalpie<br />

des wachsenden festen<br />

Erdkerns auf Kosten des flüssigen äußeren<br />

Kerns führen zu einer weiteren Temperaturerhöhung<br />

in der sich langsam<br />

abkühlenden Erde. Der resultierende<br />

große Temperaturgradient wird durch<br />

Wärmetransport ausgeglichen. Der über<br />

tausend Kilometer mächtige „isolierende<br />

Mantel“ führt zu einem Hitzestau an der<br />

Kern-Mantelgrenze.<br />

Es ist heute weitgehend unbestritten, dass<br />

Temperaturausgleichsprozesse für den<br />

Antrieb der Plattentektonik verantwortlich<br />

sind, obwohl die näheren Zusammenhänge<br />

noch nicht vollständig verstanden<br />

sind. Deshalb ist die quantitative<br />

Kenntnis der den Wärmetransporteigenschaften zugrunde<br />

liegenden Prozesse und Mechanismen eine wichtige<br />

Voraussetzung, um die dynamischen Vorgänge unseres<br />

Planeten zu verstehen. Gute und verlässliche Daten als<br />

Funktion der Temperatur und des Druckes sind dabei von<br />

fundamentaler Bedeutung – aber kaum bekannt. In den<br />

gesteinsbildenden Mineralen dominieren Phononen (Gitterschwingungen)<br />

und Photonen (Lichtquanten) den Wärmetransport.<br />

Im Wesentlichen sind die mineralphysikalischen<br />

und theoretischen Untersuchungen bisher auf hochreine<br />

Einkristalle – vor allem Elemente – bei tiefen Temperaturen<br />

beschränkt.<br />

Wärmetransport im Erdmantel<br />

In Zusammenarbeit mit der Universität Montpellier und<br />

dem Humboldt-Preisträger Prof. Tom Shankland (Los Alamos<br />

Ntl. Laboratories, USA) wurden Untersuchungen<br />

zum Wärmetransport des Erdmantels durchgeführt. Ein<br />

besonderes Augenmerk wurde dabei auf den Wärmetransport<br />

über Strahlung gelegt. Dazu wurden an Olivinen und<br />

Olivin-dominierten Gesteinen – Duniten – Messungen<br />

zum Wärmetransport als Funktion der Temperatur und<br />

numerische Berechnungen durchgeführt.<br />

In Abb. 4.45 ist die Änderung der Temperaturleitfähigkeit<br />

zweier Dunite mit der Temperatur dargestellt. Dunite sind<br />

Gesteine des Erdmantels und bestehen im Wesentlichen<br />

aus Olivin. Aus den anisotropen (richtungsabhängigen)<br />

Abb.4.45:Wärmetransport in Duniten (Olivingestein) als Funktion der Temperatur<br />

T. Bei niederen Temperaturen wird das Wärmetransportverhalten<br />

durch Gitterschwingungen (Phononen) dominiert und zeigt sich in einer<br />

Abnahme der Temperaturleitfähigkeit (∝ 1/T). Bei höheren Temperaturen<br />

wird zusätzlich ein radiativer Wärmetransport beobachtet, der zu einer<br />

Zunahme der Temperaturleitfähigkeit mit der Temperatur führt (∝ T 3 ).<br />

Heat transfer in dunites (olivine bearing rocks) as a function of temperature<br />

T. At low temperature heat transfer is dominated by a phonon process,<br />

which results in a decrease of thermal diffusivity with increasing temperature<br />

(∝ 1/T). At higher temperature an additional radiative contribution<br />

increases thermal diffusivity (∝ T 3 ). (Gibert et al., <strong>2005</strong>)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb.4.46:Mit zunehmender Probenlänge nimmt bei semitransparenten<br />

Proben wie Olivin der radiative Anteil der<br />

Temperaturleitfähigkeit D zu und nähert sich für große<br />

Probenlängen der Temperaturleitfähigkeit D∞. Bezogen<br />

ist die Probenlänge in dieser Abbildung auf die mittlere<br />

freie Weglänge der Photonen, dem reziproken Wert der<br />

mittleren optischen Absorption. (Gibert et al., <strong>2005</strong>)<br />

With increasing sample length the radiative contribution<br />

of thermal diffusivity D increases. For infinite sample<br />

dimensions the value for radiative thermal diffusivity merges<br />

to D∞. In this diagram the sample length is related to<br />

the mean free path length of photons, the reciprocal of<br />

mean optical absorption. (Gibert et al., <strong>2005</strong>)<br />

Wärmetransporteigenschaften von Olivineinkristallen<br />

wurde der Wärmetransport der Dunite berechnet. Bei<br />

Temperaturen unterhalb ca. 700 K (ca. 427 °C) wird das<br />

Wärmetransportverhalten von Phononen – Gitterschwin-<br />

gungen – dominiert, dies wird in der Abnahme der Temperaturleitfähigkeit<br />

sichtbar. Bei höheren Temperaturen<br />

wird eine Zunahme der Temperaturleitfähigkeit beobachtet<br />

die auf einen Wärmetransport über Strahlung hinweist.<br />

Bei Temperaturen oberhalb 1.000 °C (ca. 1.273 K) findet<br />

20 % des Wärmetransports über Strahlung statt. Die<br />

Ergebnisse zeigen, dass bei der Modellierung von Wärmetransportvorgängen<br />

im Erdmantel der Strahlungswärmetransport<br />

berücksichtigt werden muss, da im Erdmantel<br />

Temperaturen oberhalb 1.000 °C erwartet werden.<br />

Angaben über die Werte für den Wärmetransport über<br />

Strahlung unter anderem bei Olivin variieren in der Literatur<br />

gewaltig. Mit unserer Arbeit (Gibert et al., <strong>2005</strong>)<br />

haben wir für Olivin gezeigt, wie der Wärmetransport über<br />

Strahlung von der Probengeometrie abhängt. In Abb. 4.46<br />

ist ein entsprechendes Diagramm dargestellt. Die unterschiedlichen<br />

Literaturangaben lassen sich im Wesentlichen<br />

auf unterschiedliche Probengeometrien zurückführen.<br />

Mit unserem Datensatz können jetzt, für unterschiedliche<br />

Probegrößen, richtungsabhängig und als Funktion<br />

der Temperatur, die Wärmetransporteigenschaften für Olivin<br />

angegeben werden.<br />

Wärmetransport in Karbonaten<br />

Karbonate gehören zu den häufigsten Mineralen der Erdkruste.<br />

Ihre Wärmetransporteigenschaften sind deshalb<br />

Basisdaten unter anderem für die Modellierung von Reservoiren,<br />

die Geothermie oder die Abkühlgeschichte magmatischer<br />

Intrusionen in Raum und Zeit.<br />

Die Wärmetransporteigenschaften verschiedener Karbonate<br />

wurden als Funktion der Temperatur in verschiede-<br />

Abb. 4.47: Wärmetransporteigenschaften von Karbonaten als Funktion der Temperatur. In dieser Abbildung sind<br />

die aus den richtungsabhängig bestimmten und nach Voigt-Reuss-Hill gemittelten Temperaturleitfähigkeiten dargestellt.<br />

Die Abnahme der Temperaturleitfähigkeit kann auf eine Zunahme von Phononen-Phononen-Wechselwirkungen<br />

zurückgeführt werden. Mit zunehmender Masse des Kations nimmt dabei die Temperaturleitfähigkeit ab<br />

(m Mg < m Ca < m Zn).<br />

Thermal transport properties of carbonates as a function of temperature. From the anisotropic determined thermal diffusivities,<br />

the average diffusivity is calculated according to Voigt-Reuss-Hill averaging scheme. The decrease in thermal<br />

diffusivity with increasing temperature is related to the increase of phonon-phonon-interactions. With increasing<br />

mass of the cation the thermal diffusivity decreases (m Mg < m Ca < m Zn).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

331


332<br />

Abb. 4.48: Temperaturleitfähigkeit im System Kalzit Ca[CO 3]-Magnesit Mg[CO 3]. Die Struktur des Dolomits kann als<br />

eine Wechsellagerung von Kalzit- und Magnesitlagen aufgefasst werden. Ähnlich wie bei der elektrischen Leitfähigkeit<br />

kann senkrecht zur Stapelfolge die Temperaturleitfähigkeit als Serienschaltung (arithmetisches Mittel) und in Richtung<br />

der Stapel als Parallelschaltung (geometrisches Mittel) aufgefasst werden. Darüber hinaus wird beobachtet, dass bereits<br />

geringe Mengen Eisen zu einer deutlichen Verringerung des Wärmetransportvermögens führen.<br />

Thermal diffusivity in the pseudobinary system calcite Ca[CO 3]-magnesite Mg[CO 3]. The structure of dolomite can be<br />

treated as a sequence of sheets of calcite and magnesite. Similar to electrical conductivity, the thermal diffusivity can<br />

be treated as a resistors in parallel (arithmetic mean) or in series (geometric mean), if the sheets are oriented parallel<br />

or perpendicular, respectively. Already a small amount of iron leads to a significant reduction in thermal diffusivity.<br />

Abb. 4.49: Die für die geowissenschaftliche Grundlagenforschung entwickelten Apparaturen werden auch für materialwissenschaftliche<br />

Fragestellungen eingesetzt. Ein Ergebnis aus der Kooperation zwischen der TU Clausthal und dem<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam – „Particle Filled Polymers“, B. Weidenfeller, F. R. Schilling, Institute of Polymer Sciences and Plastic<br />

Processes, Univ. of Clausthal Zellerfeld, <strong>GFZ</strong> Potsdam. Links: Faserverstärkter Kunststoff. Rechts: Talk in Kunststoffmatrix.<br />

Experiments designed for basic reasearch are more and more used for applied sciences. Here is one example from the<br />

collaboration on „Particle Filled Polymers“, B. Weidenfeller, Institute of Polymer Sciences and Plastic Processes, Univ.<br />

of Clausthal Zellerfeld, and F. R. Schilling, <strong>GFZ</strong> Potsdam. Left: fibre reinforced plastic, right: talc in a plastic matrix<br />

to systematically vary the physical properties of the composite. (Knowledge based multifunctional material).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


nen Richtungen bestimmt. In Abb. 4.47 sind die Temperaturleitfähigkeiten<br />

für vier verschiedene Karbonate dargestellt.<br />

Es dominiert ein Phononenmechanismus das<br />

Wärmetransportverhalten im angegeben Temperaturbereich.<br />

Durch die Zunahme der Phononen-Phononen-<br />

Wechselwirkungen mit zunehmender Temperatur nimmt<br />

die Temperaturleitfähigkeit ab. Mit zunehmender Masse<br />

des Kations nimmt die Temperaturleitfähigkeit ab, da bei<br />

Mineralen mit größerer Masse die Phononen stärker<br />

gestreut werden.<br />

Die Temperaturleitfähigkeit im pseudobinären System<br />

Kalzit Ca[CO 3]-Magnesit Mg[CO 3] ist in Abb. 4.48 dargestellt.<br />

Die Eigenschaften des Dolomits lassen sich aus<br />

den Eigenschaften der Endglieder Kalzit und Magnesit<br />

ableiten. Dabei können – ähnlich wie bei elektrischen<br />

Widerständen – die Wärmewiderstände in Serie oder Parallel<br />

geschaltet werden. Durch den größeren Streuquerschnitt<br />

für Phononen von Eisen gegenüber Kalzium und<br />

Magnesium, wird durch geringe Eisenverunreinigungen<br />

(ca. 1 %) die Temperaturleitfähigkeit von Dolomit deutlich<br />

reduziert (Abb. 4.48).<br />

Physikalische Eigenschaften von Mineral/Glas-Kunststoff-Werkstoffen<br />

Am <strong>GFZ</strong> Potsdam wurde in den letzten Jahren eine einzigartige<br />

Kombination geomaterialwissenschaftlicher<br />

Experimente entwickelt und aufgebaut. Dadurch ergeben<br />

sich faszinierende Einblicke in die dynamischen Vorgänge<br />

im Inneren unseres erstaunlich aktiven Planeten. Die<br />

bei diesen Untersuchungen gewonnene Expertise wird in<br />

zunehmendem Maße von der Industrie und im Bereich der<br />

angewandten Forschung arbeitenden Einrichtungen national<br />

und international wahrgenommen und für die gezielte<br />

Entwicklung moderner Werkstoffe eingesetzt.<br />

Die physikalischen Eigenschaften von Mineral/Glas-Kunststoff-Werkstoffen<br />

wurde mit den für die Grundlagenforschung<br />

entwickelten Apparaturen bestimmt und mit<br />

Methoden bearbeitet und interpretiert, die für die<br />

Gesteinsphysik entwickelt wurden. Dadurch<br />

können die physikalischen Eigenschaften<br />

dieser „knowledge based multifunctional<br />

materials“ systematisch variiert<br />

werden und das Verhalten der Composites<br />

vorhergesagt werden.<br />

Messungen von Schallgeschwindigkeiten<br />

im Labor mittels Gigahertz-<br />

Ultraschallinterferometrie<br />

Messungen und Interpretationen der<br />

Laufzeiten seismischer Schallwellen sind<br />

die wichtigsten Methoden zur Entschlüsselung<br />

des Aufbaus des Erdinneren. So<br />

deuten z. B. Geschwindigkeitssprünge<br />

der seismischen Wellen von einigen Prozent<br />

auf abrupte Änderungen der Phasen<br />

und/oder des Chemismus in 410 bzw. 660<br />

km Tiefe hin. Es ist jedoch nicht möglich,<br />

allein aus den seismischen Geschwindigkeitsänderungen<br />

auf die chemische Zusammensetzung und die Phasen der<br />

Minerale im Erdmantel zu schließen. Hierfür müssen<br />

zusätzlich Geschwindigkeitsmessungen an Mantel-relevanten<br />

Mineralen im Labor durchgeführt werden. Das Ziel<br />

ist es, einen genügend großen und verlässlichen Datensatz<br />

von longitudinalen und transversalen Schallwellengeschwindigkeiten<br />

V P und V S, elastischen Konstanten C ij<br />

sowie Kompressions- und Schermoduli K s und G bei<br />

erhöhten Druck- und/oder Temperaturbedingungen zu<br />

erhalten. Diese Ergebnisse können dann benutzt werden,<br />

um Geschwindigkeitsprofile von Mineralgemengen wie<br />

sie etwa im oberen Erdmantel (Olivin und Pyroxen), in der<br />

Übergangszone (Spinelle und Granate) und im unteren<br />

Erdmantel (Perovskit und Magnesiumwüstit) vorkommen,<br />

zu modellieren und mit seismischen Daten zu vergleichen.<br />

Eine Methode, Schallwellengeschwindigkeiten zu messen,<br />

ist die Ultraschall-Interferometrie. Hierbei wird die<br />

Laufzeit eines Schallpulses durch eine Probe gemessen<br />

und daraus die Geschwindigkeit der Schallwellen bestimmt.<br />

Diese Methode bietet folgende Vorteile: 1. Es können dunkle<br />

oder opake Proben, die optischen Methoden wie Brillouin-Streuung<br />

nicht zugänglich sind, untersucht werden.<br />

Dies ist ein besonders wichtiger Punkt, da viele Mantelrelevante<br />

Minerale, wie Magnesiumwüstit (Mg,Fe)O oder<br />

Ringwoodit γ(Mg,Fe) 2SiO 4, Eisen in verschiedenen Wertigkeitsstufen<br />

enthalten und deshalb lichtabsorbierend<br />

sind. 2. Wegen der sehr hohen Frequenzen im GHz-<br />

Bereich ist es möglich, kleinste Proben mit einer Dicke<br />

von ca. 40 µm zu untersuchen. 3. Die GHz-Interferometrie<br />

kann in Diamanthochdruckzellen angewendet werden.<br />

Dies bietet uns die Möglichkeit, die elastischen Eigenschaften<br />

von Mineralen als Funktion des Druckes und der<br />

Temperatur zu bestimmen. In Abb. 4.50 ist das Prinzip dieser<br />

Methode schematisch dargestellt.<br />

Ein ca. 1,5 µm dünner Piezo aus ZnO liefert Ultraschallwellen<br />

im GHz-Bereich. Diese Schallwellen durchlaufen<br />

den Übertragungsstab, den Diamanten und treffen dann<br />

Abb. 4.50: Prinzip der Schallgeschwindigkeitsbestimmung in einer Diamantzelle.<br />

Die Überlagerung der an der Vorder- und Rückseite der Probe<br />

reflektierten Schallwellen (mit 1 und 2 gekennzeichnet) ergibt ein Interferenzmuster<br />

aus der die Laufzeit der Schallwellen durch die Probe berechnet<br />

werden kann.<br />

Principle of GHz-interferometry: Superposition of sound waves reflected at<br />

the front and back end of the sample results in an interference pattern from<br />

which the round trip travel-time can be calculated.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

333


334<br />

Abb. 4.51: (a) Interferenzspektrum von Transversalwellen für Gahnit bei 8 GPa. (b) Bestimmung der Laufzeit.<br />

(a) Interference pattern of transversal sound waves for gahnite at 8 GPa. (b) Determination of round trip travel time<br />

for gahnite at 8 GPa.<br />

auf die Probe. Aus der Überlagerung der an der Vorderund<br />

Rückseite der Probe reflektierten Schallwellen ergibt<br />

sich in Interferenzspektrum, aus dem die Laufzeit der<br />

hochfrequenten Wellen in der Probe berechnet werden<br />

kann. In Abb. 4.51a und b sind eine Interferenzkurve und<br />

die daraus berechnete Laufzeit der Schallwellen für Gahnit<br />

bei 8 GPa dargestellt.<br />

Spinelle<br />

Oxide mit Spinellstruktur bilden einen wichtigen Bestandteil<br />

im oberen Erdmantel sowie im unteren Bereich der<br />

Übergangszone (‚γ-Spinell’). Die Kenntnis der Abhängigkeit<br />

der Schallwellengeschwindigkeit von der chemischen<br />

Zusammensetzung bei Spinellen ist somit entscheidend<br />

für das Verständnis des elastischen Verhaltens<br />

des oberen Erdmantels. Messungen an Granaten und Olivinen<br />

(Chen et al., 1996) oder an Magnesiowüstit (Jacobsen<br />

et al., 2002; Reichmann et al., 2000) zeigten eine deut-<br />

liche Abnahme der Geschwindigkeiten mit zunehmendem<br />

Eisenanteil. Es ist nun von besonderem Interesse, wie sich<br />

das Vorhandensein der Übergangselemente wie Eisen und<br />

Zink auf die elastischen Eigenschaften von Mineralen mit<br />

Spinellstruktur auswirkt. Wir haben deshalb die Schallgeschwindigkeiten<br />

der Spinelle Gahnit (ZnAl 2O 4) (Reichmann<br />

and Jacobsen, <strong>2005</strong>) sowie Franklinit (ZnFe 2O 4)<br />

mittels Gigahertz (GHz)-Ultraschallinterferometrie untersucht.<br />

Im Fall von Gahnit sitzt Zink auf der tetraedrischen<br />

Position während Franklinit Zink und Eisen auf dem<br />

tetraedrischen bzw. oktaedrischen Gitterplatz aufweist.<br />

In Abb. 4.52a und b sind die elastischen Einkristallkonstanten<br />

C 11 = ρ (V P [100] ) 2 , C44 = ρ (V S [100] ) 2 und 1/3(C11 + 4C 44<br />

+ 2C 12) = ρ (V P [111] ) 2 von Gahnit und Franklinit erstmalig<br />

als Funktion des Druckes dargestellt. Es sind ρ Dichte und<br />

V P [100] , VP [111] und VS [100] longitudinale Schallwellengeschwindigkeiten<br />

in [100] und [111] sowie die transversale<br />

Geschwindigkeit in [100] Richtung.<br />

Abb. 4.52: Die elastischen Einkristallkonstanten C ij von Gahnit und Franklinit als Funktion des Druckes.<br />

The elastic single crystal constants C ij of gahnite and franklinite as function of pressure.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb.4.53:Scher- und adiabatisches Kompressionsmodul G und K S von Gahnit,<br />

Franklinit und Magnetit als Funktion des Druckes.<br />

Shear and adiabatic bulk modulus G und K S as a function of pressure of gahnite,<br />

franklinte and magnetite.<br />

In den Abbildungen wird deutlich, dass C 44 von Gahnit<br />

eine (geringe) positive Druckabhängigkeit besitzt, während<br />

dC 44/dP von Franklinit negativ ist. Eine ähnlich negative<br />

Steigung von C 44 wurde bei Magnetit festgestellt.<br />

Diese Befunde deuten darauf hin, dass Gahnit bis zu sehr<br />

hohen Drücken keinen Phasenübergang durchläuft, was<br />

experimentell (Levy et al., 2001) bestätigt wurde. Demgegenüber<br />

lässt die negative C 44-Druckabhängigkeit von<br />

Franklinit eine Phasentransformation bei höheren Drücken<br />

vermuten, ähnlich wie bei Magnetit. Auch dies ist<br />

experimentell nachgewiesen worden (Levy et al., 2000).<br />

Die Auswirkungen von Zink bzw. Eisen auf die Druckabhängigkeit<br />

der Scher- und adiabatischen Kompressionsmoduli<br />

(G bzw. K S) sind in Abb. 4.53 dargestellt<br />

(Scher- und Kompressionsmoduli<br />

sind Volumeneigenschaften, hängen<br />

Abb. 4.54: Die seismische Geschwindigkeit<br />

V Φ = (K S/ρ) 1/2 als Funktion der Dichte<br />

für Minerale mit Spinellstruktur. Minerale<br />

mit zwei Übergangselementen auf<br />

den Kationenplätzen zeigen eine deutliche<br />

stärkere Dichteabhängigkeit als solche<br />

mit nur einem oder keinem Übergangselement.<br />

Die gestrichelte Linie ist<br />

ein linearer Fit an die Datenpunkte von<br />

FeCrO 2, Fe 3O 4, ZnCr 2O 4 und ZnFe 2O 4.<br />

Die durchgezogen Linie ist ein linearer<br />

Fit an die übrigen Datenpunkte.<br />

The seismic velocity as a function of density<br />

for spinel structures. Minerals with<br />

two transition elements on the cation sites<br />

exhibit a significant higher density<br />

dependence than those wit only one or no<br />

transition elements. The dashed line is a<br />

linear fit to the data of FeCrO 2, Fe 3O 4,<br />

ZnCr 2O 4 and ZnFe 2O 4. The solid line is a<br />

linear fit to the remaining data.<br />

Birchs Regel<br />

also nicht von der Orientierung der<br />

Kristalle ab).<br />

Das Mineral Gahnit besitzt ein etwa 22 %<br />

größeres Kompressionsmodul K S und ein<br />

ca. 40 % größeres Schermodul G als Franklinit<br />

und Magnetit. Wie in Abb. 4.53<br />

ersichtlich, sind die Steigungen des Kompressionsmoduls<br />

dK S/dP von Gahnit,<br />

Franklinit und Magnetit etwa gleich groß,<br />

während dG/dP von Magnetit und Franklinit<br />

kleiner ist als das von Gahnit. Das<br />

Vorhandensein von 3-d Elementen auf beiden<br />

Kationenplätzen hat einen ungleich<br />

größeren Einfluss auf das Schermodul als<br />

auf das Kompressionsmodul, was Auswirkungen<br />

auf die seismischen Profile des<br />

Erdmantels haben kann. Dies macht<br />

wiederum deutlich, wie wichtig es ist, die<br />

elastischen Eigenschaften von Mineralen,<br />

die Übergangselemente enthalten, als<br />

Funktion des Druckes zu untersuchen.<br />

Birch (1961a, b) schlug vor, dass die seismische<br />

Geschwindigkeit V Φ = (K S/ρ)1/2 (ρ = Dichte) von Mineralen<br />

mit gleicher Struktur eine negative Dichteabhängigkeit<br />

zeigt. In Abb. 4.54 ist für eine Reihe von Mineralen<br />

mit Spinellstruktur V Φ als Funktion der Dichte aufgetragen.<br />

Die Daten zeigen deutlich, dass Spinelle mit keinem<br />

oder nur einem Übergangselement auf dem Kationenplatz<br />

eine negative lineare Dichteabhängigkeit besitzen. Minerale<br />

mit zwei 3-d Elementen jedoch folgen nicht diesem<br />

Trend, sondern zeigen eine deutlich höhere Dichteabhängigkeit.<br />

Dies liegt zum Teil daran, dass die Coulomb-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

335


336<br />

Wechselwirkung bei den Übergangsmetallen eine geringere<br />

Rolle spielt und stattdessen die kovalente Bindung<br />

mehr zum Tragen kommt.<br />

Die Birch-Systematik zeigt, dass die seismische Geschwindigkeit<br />

von Spinellen mit zwei Übergangselementen<br />

auf den Kationenplätzen im Vergleich zu Spinellen mit<br />

keinem oder nur einem Übergangsmetall erheblich überschätzt<br />

wird. Dies unterstreicht wiederum den starken<br />

Effekt, den Übergangselemente auf das elastische Verhalten<br />

von Mineralen haben können.<br />

ICDP-Bohrung SAFOD (San Andreas Fault<br />

Observatory at Depth) – zur Geochemie von<br />

Gasen in seismisch aktiven Störungszonen<br />

Das grundlegende Verständnis der physikalischen und<br />

chemischen Prozesse, welche entlang von Störungszonen<br />

an aktiven Plattengrenzen auftreten und sich z. B. in Erdbeben<br />

äußern, ist immer noch überraschend gering. Für<br />

Untersuchungen dieser Prozesse am Ort ihres Ursprungs<br />

sind Tiefbohrungen unerlässlich. Daher wurden 2002 und<br />

<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> an dem wohl weltweit bekanntesten aktiven<br />

Verwerfungssystem, der San Andreas Störung (SAF) in<br />

Kalifornien, im Rahmen von ICDP (International Continental<br />

Drilling Program) zwei Bohrungen niedergebracht.<br />

Die 2,2 km tiefe senkrechte Vorbohrung (SAFOD-PH)<br />

sowie die 4,0 km tiefe abgelenkte Hauptbohrung (SAFOD-<br />

MH), welche die Hauptstörung in <strong>2005</strong> durchstieß<br />

(Abb. 4.55).<br />

Während die Vorbohrung unterhalb von 770 m quartärer<br />

und tertiärer Sedimentgesteine bis zur Bohrlochendteufe<br />

von 2.170 m ausschließlich kretazische Granite durchteufte,<br />

traf die Hauptbohrung unterhalb von ca. 1.880 m<br />

Abb. 4.55: Schema der beiden SAFOD Bohrungen (Vorbohrung = PH,<br />

Hauptbohrung = MH), die im Rahmen von ICDP 2002 sowie <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />

nahe der Stadt Parkfield, Kalifornien, abgeteuft wurden.<br />

Sketch of both SAFOD wells (Pilot Hole, Main Hole), drilled in 2002 and<br />

<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> near the town Parkfield California within the frame of ICDP.<br />

erneut auf Sedimente und verblieb in diesen bis zur Endteufe<br />

von 3.990 m. Nach Beendigung der Bohrmaßnahmen<br />

durchgeführte geophysikalische Untersuchungen in<br />

der Hauptbohrung zeigen Deformationen der Bohrlochverrohrung<br />

bei 3.310 m, dem wahrscheinlichen momentan<br />

aktiven Teil der Hauptstörung. Untersuchungen an den<br />

erbohrten Gesteinen lokalisieren den Übergang von der<br />

Pazifischen Platte (SW der SAF) in die Nordamerikanische<br />

Platte (NÖ der SAF) in einem Bereich zwischen ca.<br />

3.100 m und 3.400 m.<br />

Während der Bohrkampagne erfolgte vor Ort ein ausgedehntes<br />

Bohrlochmessprogramm, die Gewinnung von<br />

Bohrkernen, die Probenahme sowie Dokumentation und<br />

Erstuntersuchung von Bohrklein sowie die Echtzeitanalyse<br />

der Spülungsgase mit anschließenden Isotopenuntersuchungen<br />

an Gasproben im <strong>GFZ</strong> Potsdam. Gase und Fluide<br />

könnten eine Schlüsselrolle für das Verständnis der<br />

Prozesse spielen, die an Verwerfungszonen auftreten. Eine<br />

oftmals ungewöhnliche Zusammensetzung von Gasen<br />

und Fluiden entlang aktiver Störungen sind durch Oberflächenuntersuchungen<br />

weltweit belegt, doch ist deren<br />

Ursprung, ihre Verteilung in der Tiefe und ein möglicher<br />

Zusammenhang mit seismischen Aktivitäten kaum verstanden.<br />

Informationen über die Verteilung der Gase in der Tiefe<br />

sowie deren Herkunft bietet die Analyse der in der Bohrspülung<br />

gelösten Gase. Diese werden aus der zirkulierenden<br />

Spülung extrahiert, in einen Messcontainer gepumpt<br />

und kontinuierlich in Echtzeit analysiert (Abb. 4.56).<br />

Die Echtzeitanalyse der Spülungsgase beim Abteufen der<br />

SAFOD-Bohrungen identifizierte im unteren sedimentären<br />

Bohrlochabschnitt der Hauptbohrung zwei Zonen mit<br />

erhöhten Gasgehalten, in 2.700 bis 2.900<br />

m und unterhalb von 3.550 m Tiefe. Als<br />

gasförmige Hauptbestandteile finden sich<br />

in diesen Abschnitten Kohlenwasserstoffe,<br />

H 2 und CO 2, gleichzeitig tritt dort<br />

erhöhte 222 Rn-Aktivität auf. Die Heliumgehalte<br />

sind dagegen vergleichsweise<br />

niedrig. Eine solche Gaszusammensetzung<br />

ist in Sedimenten generell nicht<br />

ungewöhnlich. Die Gase treten als zirkulierende<br />

Tiefenfluide durch permeables<br />

Gestein in das Bohrloch ein, wie es die<br />

erhöhte Radonaktivität in diesen Abschnitten<br />

belegt (Abb. 4.57).<br />

Beide Zonen weisen jedoch eine unterschiedliche<br />

Zusammensetzung der Gase<br />

auf. Die obere Zone hat relativ höhere<br />

Gehalte an H 2, während der untere<br />

Abschnitt an CO 2 und Kohlenwasserstoffen<br />

angereichert ist. Untersuchungen zur<br />

Isotopenzusammensetzung des Heliums<br />

zeigen weiterhin für beide Zonen nur<br />

einen geringen Anteil von Helium mit<br />

„Mantelursprung“. Bis zu einer Tiefe von<br />

~ 3.200 m beträgt der Anteil von Mantel-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.56: Aufbau des Experiments zur Untersuchung der Spülungsgase in Echtzeit.<br />

Setup of the real-time mud gas monitoring experiment.<br />

helium weniger als 5 %, während er unterhalb von ~ 3.420<br />

m auf ~ 10 % anwächst. Der unterschiedliche Anteil an<br />

Helium mit Mantelursprung demonstriert, dass die verschiedene<br />

Gaszusammensetzung in beiden Hauptzutrittszonen<br />

nicht nur auf lithologische Bedingungen zurückzuführen<br />

ist. Die San Andreas Störung fungiert daher zumindest<br />

partiell als Barriere für horizontale Fluidmigration.<br />

Der allgemein geringe Anteil an Mantelhelium zeigt an,<br />

dass der vertikale Aufstieg von Fluiden und Gasen aus großer<br />

Tiefe innerhalb der aktiven Störungszone eher untergeordnet<br />

ist. Im Gegensatz dazu weisen zwei nahegelegene<br />

Öl- bzw. Wasser-Bohrungen deutlich höhere Anteile an<br />

Mantelhelium von bis zu 25 % auf.<br />

Die Radonaktivität in Bereich von ca. 3.100 m bis ca.<br />

3.550 m Tiefe ist gering und liefert somit ebenfalls keinen<br />

deutlichen Hinweis auf eine aktive Fluidzirkulation. Auch<br />

die übrigen Gase treten nur in kleinen Konzentrationen<br />

auf, so dass allgemein die Durchlässigkeit der Gesteine<br />

für Gase und Fluide in diesem Abschnitt als gering angesehen<br />

wird. Erhöhte Gaskonzentrationen finden sich lediglich<br />

zwischen 3.150 m bis 3.200 m sowie in unmittelbarer<br />

Nähe der SAF in 3.340 m Tiefe. Diese Gasansammlungen<br />

bestehen fast ausschließlich aus Kohlenwasserstoffen,<br />

im oberen Abschnitt enthält das Gas zusätzlich<br />

auch CO 2. In diesen Bohrlochabschnitt wurden karbonathaltige<br />

Gesteine durchteuft, so dass CO 2 möglicherweise<br />

durch den Bohrprozess freigesetzt wurde. Die in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft der SAF gefundenen Gas-<br />

ansammlungen, befindet sich in einer relativ porösen<br />

Sandsteinlage, umgeben von gering durchlässigen, tonigen<br />

Lagen. Diese sind zum Teil reich an organischem<br />

Material, welches generell als Quelle der Kohlenwasserstoffe<br />

anzusehen ist. Es handelt sich also vermutlich eher<br />

um eine lithologisch bedingte Gasakkumulation, welche<br />

in keinem direkten Zusammenhang zur SAF steht.<br />

In der überwiegend sedimentären Zone der Hauptbohrung<br />

(von 1.900 m bis 3.995 m) überraschten die ungewöhnlich<br />

hohen Wasserstoffgehalte von bis zu 6 vol.%, die zum<br />

allergrößten Teil natürlichen Ursprungs sein müssen. Es<br />

gibt ältere Beobachtungen, dass in der Bodenluft oberhalb<br />

von aktiven Störungszonen erhöhte Wasserstoffgehalte<br />

auftreten können. Es scheint möglich, dass der Wasserstoff<br />

durch thermisch-chemische Zersetzung von Wasser<br />

an bei Scherprozessen neu gebildeten Mineraloberflächen<br />

(insbesondere Quarz) produziert werden kann. Entsprechende<br />

Laborversuche um diesen Prozess zu überprüfen<br />

sind geplant.<br />

Recycling versus Neubildung von Kruste am aktiven<br />

Kontinentalrand der Zentralen Anden (18 bis<br />

40° S) – isotopengeochemische Indikatoren<br />

Entstehung, Wachstum und stoffliche Differenzierung der<br />

Kontinente aus dem vorgegebenen Stoffbestand des oberen<br />

Erdmantels ist ein zentrales Thema geologischer und<br />

geochemischer Forschung. Speziell die unterschiedlichen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

337


338<br />

Abb. 4.57: Tiefenverteilung der am häufigsten auftretenden nichtatmosphärischen Gase (CO 2, H 2, CH 4) sowie die 222 Rn-<br />

Aktivität an der SAFOD-Hauptbohrung.<br />

Gas distribution vs. depth of the most abundant non-atmospheric gases (CO 2, H 2, CH 4) and 222 Rn activity at the SAFOD-<br />

Main Hole.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Signaturen radiogener Isotope, v. a. von Nd, Sr und Pb, in<br />

Mantel und kontinentaler Kruste, ermöglichen eine Unterscheidung<br />

zwischen „juvenilem“ Krustenmaterial, das aus<br />

Mantelschmelzen neu gebildet wird und Krustenmaterial,<br />

welches aus der Aufarbeitung älterer Kruste entsteht.<br />

Subduktion und Magmenbildung an aktiven Kontinentalrändern<br />

werden als wichtige geodynamische Prozesse<br />

angesehen, bei denen juvenile kontinentale Kruste gebildet<br />

wird. Die zentralen Anden gelten als Paradebeispiel<br />

eines aktiven Kontinentalrands und dort entstand das<br />

zweitgrößte kontinentale Plateau nach Tibet. Jedoch zeigen<br />

unsere umfangreichen Studien zum Krustenaufbau in<br />

den zentralen Anden, dass Neubildung kontinentaler<br />

Kruste seit über einer Milliarde Jahre eine sehr untergeordnete<br />

Rolle gespielt hat (Lucassen et al, <strong>2004</strong>; <strong>2005</strong>).<br />

Die zentralen Anden erlebten seit dem späten Proterozoikum<br />

sehr lange Phasen von subduktionsinduziertem<br />

Magmatismus (Abb. 4.58). Während des Altpaläozoikums<br />

(~ 560 bis 440 Ma) bildete sich dort ein Orogen vom Kordillerentyp<br />

– dem heutigen Andenorogen ähnlich – mit<br />

bedeutender Verdickung der kontinentalen Kruste und<br />

großräumiger Aufschmelzung mittlerer Krustenbereiche.<br />

Letztere wird durch die weite Verbreitung von felsischen<br />

Migmatiten in tiefen Krustenanschnitten (~ 15 bis 20 km)<br />

und Granitintrusionen in den flacheren Anschnitten<br />

des exhumierten Orogens dokumentiert (Lucassen und<br />

Franz, <strong>2005</strong>). Das gegenwärtige, im wesentlichem miozäne<br />

(~ 20 Ma) bis rezente Andenorogen, mit der Ausbildung<br />

des Hochplateaus im Bereich der noch aktiven Vulkanzone<br />

(CVZ, Abb. 4.58), zeigt eine ähnliche thermische<br />

Struktur der Kruste. Aus geophysikalischen Daten und der<br />

chemischen und isotopischen Zusammensetzung felsischer<br />

Ignimbrite (Lindsay et al, 2001; Babeyko et al,<br />

2002), lässt sich eine weiträumige Aufschmelzung mittlerer<br />

Krustenbereiche ableiten. Der Magmatismus in<br />

beiden Orogenen ist in seiner Zusammensetzung<br />

gemischt, mit wenig juvenilem Material und hohen Anteilen<br />

von ~ 2 Milliarden Jahre alter proterozoischer Kruste<br />

(Abb. 4.59), welche zum Teil schon im Altpaläozoikum<br />

aufgearbeitet wurde (Abb. Anden 4.59 und Abb. 4.60).<br />

Bedeutende Volumen juveniler magmatischer Gesteine<br />

sind nur aus dem jurassisch bis kretazischen Magmenbogen<br />

und der känozoischen südlichen Vulkanzone (SVZ;<br />

Abb. 4.58) bekannt. Den Rahmen der mesozoischen bis<br />

rezenten Magmenbögen bildet früh- bis spätpaläozoisches<br />

Basement (Abb. 4.58), welches aber keinen oder nur geringen<br />

Einfluss auf die Zusammensetzung der magmatischen<br />

Gesteine hat (Abb. 4.60). Die juvenilen mesozoischen bis<br />

rezenten Gesteine repräsentieren die Zusammensetzung<br />

eines verarmten „sub-arc“ Mantels (Lucassen et al, 2002),<br />

die über eine große Nord-Süd-Erstreckung und über einen<br />

beachtlichen Zeitraum (~ 200 Ma) einheitlich erscheint<br />

(Abb. 4.60).<br />

Die Dominanz von Recycling, Aufarbeitung vorhandener<br />

Kruste oder stabiler Neubildung von juveniler Kruste<br />

hängt von den jeweiligen tektonischen Rahmenbedingungen<br />

ab. Kompression und Krustenverdickung im magmatischen<br />

Bogen, wie im Altpaläozoikum und Känozoikum<br />

Abb. 4.58: Karte des westlichen Südamerika zwischen<br />

~ 16 bis 40° S mit der Position der Magmenbögen in Jura<br />

und Kreide (grüne Signatur) sowie rezent (gelbe Signatur).<br />

Gegenwärtig aktiv ist die Central Volcanic Zone (CVZ) und<br />

die Southern Volcanic Zone (SVZ). Zwischen der CVZ und<br />

SVZ gibt es zurzeit keine magmatische Aktivität. Die Südgrenze<br />

der CVZ entspricht der südlichen Ausdehnung des<br />

känozoischen Hochplateaus. Die Schraffur zeigt die ungefähre<br />

Verbreitung von paläozoischem Basement an, dass<br />

durch die (Alt)Paläozoische Orogenese geprägt wurde; der<br />

Übergang zum Brasilianischen Schild im Osten (gestrichelte<br />

Linie) ist nicht genau bekannt.<br />

Map of western South America (~ 16° bis 40° S) showing<br />

the locations of the Jurassic and Cretaceous magmatic arc<br />

(green) and the presently active magmatic arc (yellow; CVZ<br />

= Central Volcanic Zone; SVZ = Southern Volcanic Zone).<br />

There is presently no magmatic activity between CVZ and<br />

SVZ. The southern end of the CVZ coincides with the southern<br />

extension of the Cenozoic high plateau. The hatched<br />

area indicates the approximate distribution of Palaeozoic<br />

basement and remnants of the Palaeozoic orogeny. The<br />

transition between the Palaeozoic basement and the Brazilian<br />

Shield (bold, stippled line) is tentatively drawn.<br />

der zentralen Anden, fördern die Hybridisierung von<br />

Schmelzen aus dem Mantel innerhalb der Kruste bzw. die<br />

Entstehung von Krustenschmelzen. Basaltisches Material<br />

aus dem Mantel wird an der Basis der verdickten Kruste<br />

angelagert, als dichter mafischer Eklogit delaminiert<br />

und in den Mantel zurückgeführt. Vulkanische Gesteine<br />

an der Oberfläche sind starker Abtragung ausgesetzt, verursacht<br />

durch den großen topographischen Gradienten in<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

339


340<br />

Abb. 4.59: Nd-Isotopen-Modellalter (TDM in Ga) von Gesteinen der kontinentalen Kruste zeigen das Alter der Extraktion<br />

der krustenbildenden Mantelschmelzen an, bezogen auf die zeitliche Entwicklung der Nd-Isotopie in der Mantelquelle.<br />

Die paläozoischen metamorphen, magmatischen und sedimentären Gesteine (18 bis 40° S) und känozoische<br />

Ignimbrite aus der CVZ zeigen Nd-Modellalter mit einem Maximum zwischen 1,7 und 2 Ga, einer Periode bedeutenden<br />

Wachstums kontinentaler Kruste. Die U-Pb-Alter von Zirkonen aus einen spätkänozoischem Ignimbrit der CVZ<br />

sind ein Beispiel für ererbte, in diesem Fall neoproterozoische Alter. Offensichtlich ist die proterozoische Kruste bedeutender<br />

Materiallieferant für nachfolgende magmatische und sedimentäre Prozesse im altpaläozoischen sowie im känozoischen<br />

Orogen.<br />

Nd model ages (TDM in Ga) indicate the separation of continental crust-forming melts from their mantle source, referring<br />

to the Nd isotopic evolution of the mantle. Many Palaeozoic metamorphic, magmatic, and sedimentary rocks (18°<br />

bis 40° S) and Cenozoic ignimbrite from the CVZ show Nd model ages between 1.7 to 2 Ga, which coincides with the<br />

ages of important growth of the continents. The U-Pb ages on zircon are an example for inherited ages, in this case a<br />

Neoproterozoic age, in late Cenozoic ignimbrite of the CVZ. Proterozoic crust is recycled in magmatic and sedimentary<br />

processes in the early Palaeozoic as well as the Cenozoic orogens.)<br />

einem Gebirge, das heißt, ein großer Teil der im sub-arc<br />

Mantel produzierten Schmelzen trägt nicht zur Krustenbildung<br />

bei. Im Gegensatz dazu fördert Extension und<br />

Transpression im magmatischen Bogen, wie in Jura und<br />

Unterkreide in den zentralen und südlichen Anden vorherrschend,<br />

das Eindringen mantel-derivater Schmelzen<br />

in die Kruste. Hier differenzieren sie als Batholite oder<br />

werden als Vulkanite in extensionalen Becken abgelagert,<br />

das heißt, die Schmelzen tragen zur Krustenneubildung<br />

bei.<br />

Die Wechselbeziehung magmatischer Prozesse<br />

und Riftentwicklung an passiven Kontinenträndern:<br />

Das Fallbeispiel Namibia (Südatlantik)<br />

Die Öffnung des Südatlantiks steht im Zusammenhang mit<br />

dem Aufbrechen des Superkontinents Gondwana und wird<br />

begleitet von sehr intensivem, syntektonischem Magmatismus,<br />

was zur Hypothese des „aktiven Rifting“ geführt<br />

hat. Diese Hypothese sieht die Krustendehnung und den<br />

Aufbruch als dynamische Folge aufsteigender Magmen<br />

aus dem tiefen Erdmantel an. Alternativ erklärt das Modell<br />

des „passiven Riftings“ die Ursache des Aufbrechens von<br />

Kontinenten genau gegensätzlich: Dehnung und Extension<br />

der Kruste führen zur Schmelzbildung im oberen<br />

Mantel durch Druckentlastung. Die Wechselbeziehung<br />

zwischen Magmatismus und Tektonik ist für das Verständnis<br />

der Plattentektonik und des Stoffaustauschs zwi-<br />

schen Erdmantel und Kruste von großer Bedeutung. Sie<br />

hat aber auch ganz entscheidende Konsequenzen für die<br />

thermische Entwicklung neuer Kontinentränder und damit<br />

auch für deren Kohlenwasserstoffpotential. Magmatische<br />

Gangschwärme können Schlüsselinformationen geben<br />

über die Dehnungsrichtung und das Alter krustaler Bruchstrukturen<br />

sowie über den Stoffbestand, die Herkunft und<br />

Bildungsbedingungen der intrudierten Magmen.<br />

In einem gemeinsamen Projekt untersucht das <strong>GFZ</strong> (Sektionen<br />

4.2 und 1.4) zusammen mit dem Geological Survey<br />

von Namibia den „Henties Bay-Outjo Gangschwarm“<br />

(HOD) in Namibia, einen der größten Gangschwärme an<br />

den Kontinenträndern des Südatlantiks (Abb. 4.61). Erst<br />

durch den Einsatz von hochauflösenden Aeromagnetikund<br />

Satellitendaten war es möglich, den HOD-Gangschwarm<br />

im Detail zu kartieren, auch unter einer Abdeckung<br />

von Wüstensand und Vegetation (Abb. 4.62). Für<br />

die fernerkundlichen Arbeiten wurden Daten von Landsat<br />

TM 7 (ETM+) verwendet, die eine räumliche Auflösung<br />

im panchromatischen Kanal von 15 m x 15 m liefern.<br />

Die Bodenauflösung der Aeromagnetikdaten beträgt<br />

ca. 50 m x 50 m. In einem Gebiet von über 100.000 km 2<br />

wurden Richtung, Dichte (Anzahl pro Flächeneinheit)<br />

sowie Länge der magmatischen Gänge erfasst und einer<br />

statistischen Analyse unterworfen (Hahne, <strong>2004</strong>). Die<br />

Auswertung dieser Daten deutet darauf hin, dass im gesamten<br />

Gebiet des HOD ein Spannungszustand der Krus-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.60: Nd (epsilon Nd)- und Sr-Isotopenzusammensetzung<br />

von Gesteinen des<br />

verarmten Mantels (rotes Feld) und typischer<br />

Gesteine der kontinentalen Kruste<br />

(blaues Feld). Das paläozoische Basement<br />

repräsentiert die regionale Krustenzusammensetzung<br />

in den Anden. Die<br />

känozoischen CVZ Andesite sind hybride<br />

Gesteine (Mischungen von verarmtem<br />

Mantel und kontinentaler Kruste. Die<br />

Zusammensetzung der CVZ Ignimbrite<br />

zeigt einen hohen Anteil an proterozoischer<br />

überprägter kontinentalen Kruste.<br />

Dagegen sind die Gesteine des jurassischunterkretazischen<br />

Magmenbogens und<br />

die der känozoische SVZ (rotes Feld) nicht<br />

oder nur schwach durch die kontinentale<br />

Kruste beeinflusst. Sie stellen juvenile<br />

Hinzufügungen zur lokalen Kruste dar.<br />

Nd (in epsilon notation) and Sr isotopic composition of rocks from a depleted mantle (red field) and typical rocks from<br />

the continental crust (blue field). The composition of the Andean crust is represented by the Palaeozoic basement. The<br />

Cenozoic CVZ and sites show a hybrid composition of mixtures between melts from the depleted mantle and the regional<br />

continental crust. The compositions of the CVZ ignimbrite indicate a high proportion of Proterozoic continental<br />

crust in these rocks. The Jurassic to lower Cretaceous magmatic rocks and the Cenozoic SVZ igneous rocks (red field)<br />

are from a depleted sub-arc mantle source. They represent juvenile additions to the local crust.)<br />

te mit Dehnungskomponenten sowohl in SW-NO- als auch<br />

NW-SO-Richtung geherrscht hat. Allerdings änderte sich<br />

das Spannungsfeld vom küstennahen zum küstenfernen<br />

Bereich des Gebietes. Küstennah dominierte dank der Vorzeichnung<br />

des neoproterozoischen Damara-Faltengürtels<br />

die Nordwest-Südost-Richtung (Abb. 4.63). Die Anzahl<br />

und Mächtigkeit der Gänge in diesem Bereich deuten auf<br />

einen Spreizungsbetrag von bis zu drei Prozent hin. Im<br />

Bereich fern der Küste hemmte der Angola Kraton das<br />

weitere Fortschreiten des Riftings, die Anzahl der Gänge<br />

nimmt ab und die Richtungsverteilung wird diffus.<br />

Geochemische Untersuchungen weisen die Gänge des<br />

HOD als überwiegend tholeiitische Basalte aus. Es wurden<br />

übereinstimmende Charakteristika in der Spurenelementverteilung<br />

der HOD-Gänge und der low-Ti Serie der<br />

Etendenka-Paraná-Flutbasalte nachgewiesen. Dadurch<br />

und durch radiometrische Altersbestimmung wird die<br />

Hypothese bestätigt, dass der HOD-Gangschwarm die<br />

Förderkanäle für ein inzwischen erodiertes Flutbasaltplateau<br />

darstellt (Trumbull et al, <strong>2004</strong>). Aus Apatit-Spaltspurdaten<br />

wird eine ehemalige Mächtigkeit dieses Basaltplateaus<br />

von bis zu 4.000 m im Küstenbereich modelliert,<br />

die nach Osten ins Landesinnere abnimmt.<br />

Die Ergebnisse dieser Studien sprechen<br />

für die Magmenbildung und Krustenextension<br />

in NW-Namibia und gegen das<br />

Abb. 4.61: Die regionale Karte zeigt Afrika<br />

und Südamerika vor der Öffnung des<br />

Südatlantiks mit der Lage der Kratone<br />

(rot) und Faltengürtel (grau) auf den Kontinenten<br />

sowie der heutigen Verbreitung<br />

der Paraná- und Etendeka-Flutbasalte<br />

(lila). Der HOD Gangschwarm ist einer<br />

der größten Gangschwärme an den Kontinenträndern<br />

des Südatlantik.<br />

A map of Africa and South America before<br />

opening of the South Atlantic about 130<br />

My ago, showing the division of the continents<br />

into cratons (red) and fold belts<br />

(grey) and the present extent of Paraná-<br />

Etendeka flood basalts (purple). The<br />

HOD swarm is one of the largest along<br />

the margins of the South Atlantic.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

341


342<br />

Abb. 4.62: Ein Teil der Basaltgänge des HOD in vergleichenden Abbildungen der Aeromagnetik- (links) und Satellitendaten<br />

(rechts). Gänge sind wegen Sandbedeckung auf dem Satellitenbild (ETM+, Kanäle 7, 4 & 1 (RGB)) nur teilweise<br />

sichtbar. Auf dem Aeromagnetikbild treten auch die nicht an der Oberfläche exponierten Bereiche der Gänge<br />

deutlich hervor. Damit wird auch das jüngere Relativalter der NO-streichenden gegenüber den NW-streichenden Gängen<br />

sichtbar.<br />

Comparison of aeromagnetic (left) and satellite images (right) of basaltic dikes in a part of the HOD. The dikes are<br />

only partly visible in the satellite image whereas the aeromagnetic map reveals many more.<br />

Abb. 4.63: Beispiel eines Basaltganges der HOD im Gelände. Aus der Richtung<br />

des Ganges können größte (σ1) und kleinste (σ3) Hauptnormalenspannung<br />

abgeleitet werden. Die Spreizung eines Ganges erfolgt parallel zu<br />

σ3, die horizontale Ausbreitung (Längsachse) parallel zu σ1, hier NO-SW<br />

(Foto: <strong>GFZ</strong> Hahne).<br />

Example of a basaltic dike in the field. The orientation of dikes permits identification<br />

of the maximum (σ1) and minimum (σ3) normal stress components.<br />

Dilation of a dike is parallel to (σ3) and the propagation direction<br />

(long axis) is parallel to (σ), in this case NE-SW.<br />

Modell „passives Rifting“. Der aus der Gangdichte abgeleitete<br />

Spreizungsbetrag von < 5 % ist zu gering um einen<br />

Schmelzprozess im oberen Mantel durch Druckentlastung<br />

auszulösen, und die unterschiedliche Verteilung der Gangrichtungen<br />

spricht gegen eine Steuerung durch vorge-<br />

zeichnete Bruchstrukturen in der Kruste.<br />

Argumente für das Modell „aktives Rifting“<br />

sind die sehr großen Mengen geförderter<br />

Magmen sowie geochemische Hinweise<br />

auf eine tiefe Mantelquelle für die<br />

Ringkomplexe im Bereich des HOD<br />

(Trumbull et al, 2003).<br />

Der Glückstadtgraben – ein wichtiges<br />

Strukturelement im Zentraleuropäischen<br />

Becken<br />

Das Zentraleuropäische Beckensystem<br />

wurde in den letzten 100 Jahren insbesondere<br />

durch die Erdöl- und Erdgasindustrie<br />

intensiv erkundet. Es umfasst<br />

neben Norddeutschland Teile der Niederlande,<br />

die Nordsee, das Dänische und Polnische<br />

Becken (Abb. 4.64).<br />

Seit nahezu vier Jahren wird die wissenschaftliche<br />

Untersuchung dieses Raums<br />

durch die DFG im Rahmen des Schwerpunktprogramms<br />

1135 „Sedimentbeckendynamik“<br />

gefördert, das gleichzeitig in<br />

das Förderprogramm „GEOTECHNO-<br />

LOGIEN“ eingebunden ist. Eine ganz<br />

wesentliche Grundlage dafür war die<br />

Bereitschaft der Erdöl- und Erdgasindustrie, über ihre<br />

wissenschaftliche Koordinationsstelle, die DGMK, geologische<br />

und geophysikalische Daten zur wissenschaftlichen<br />

Bearbeitung freizugeben, z. B. Bohrdaten und<br />

seismische Linien.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Das Zentraleuropäische Beckensystem entstand an der<br />

Wende Karbon/Perm vor ca. 280 Mio. Jahren. Seit dieser<br />

Zeit hat sich der Raum immer wieder abgesenkt, so dass<br />

sich bis heute z. T. mehr als 10 km Sedimentfüllung angesammelt<br />

hat, die die gesamte geologische Geschichte in<br />

vielen Details widerspiegelt. Dabei haben in der langen<br />

Geschichte ganz unterschiedliche Prozesse auf den Raum<br />

eingewirkt. So kam es in Teilräumen wiederholt zur erneuten<br />

Dehnung, während andere Teilräume oder Zeiten<br />

durch Einengung, d. h. Inversion, gekennzeichnet waren.<br />

Insofern stellt das Zentraleuropäische Beckensystem eine<br />

der komplexesten Beckenstrukturen dar, die wir kennen.<br />

Insbesondere während der späten Trias, vor etwas mehr<br />

als 200 Mio. Jahren, erfuhr das Gebiet eine erneute Dehnung,<br />

wobei eine Reihe von lokalisierten Dehnungsstrukturen,<br />

Gräben, zwischen Nordsee und Ostdeutschland entstanden.<br />

Abb. 4.64 zeigt die Sedimentmächtigkeiten der<br />

Trias, die weitgehend der ursprünglichen Ausbreitung des<br />

Beckensystems entspricht, zusammen mit den lokal neu<br />

entstandenen, relativ kleinen Grabenstrukturen sowie<br />

Strukturen, die durch Mobilisation permischen Salzes entstanden.<br />

Die Mobilisierung dieses z. T. mehrere tausend<br />

Meter mächtigen permischen Salzes erfolgte zu unterschiedlichen<br />

Zeiten, wobei die mehr oder weniger N-S<br />

ausgerichteten Strukturen parallel der Gräben der Trias<br />

zuzuordnen sind, während die am Südrand mehr O-W ausgerichteten<br />

Strukturen zu einer wesentlich späteren Inversionsphase<br />

des Beckens gehören.<br />

Von den verschiedenen triassischen Grabenstrukturen<br />

wurde insbesondere der Glückstadtgraben in Schleswig-<br />

Holstein untersucht. Hier treten die größten Absenkungsbeträge<br />

und damit Sedimentmächtigkeiten auf und außerdem<br />

lagen hier die besten von der Industrie und der BGR<br />

zur Verfügung gestellten Daten vor. Auf der Grundlage<br />

dieser Daten wurde ein dreidimensionales Modell zur<br />

Geschichte dieses Raums entwickelt, das von der Trias bis<br />

in die jüngste Zeit reicht. Abb. 4.65 zeigt einige Zeitschnitte<br />

aus dieser Entwicklungsgeschichte. In der obersten<br />

Trias (Keuper) kommt es zu einer sehr schnellen<br />

Absenkung des zentralen Glückstadtgrabens, wobei die<br />

Mobilisierung des Salzes eine zentrale Rolle spielt. Es<br />

spricht sehr viel dafür, dass die aufsteigenden Salzstöcke<br />

sogar die Oberfläche durchbrachen und dass das austretende<br />

Salz in den Keupersedimenten neu abgelagert<br />

wurde. Dies zeigt sich in Abb. 4.65 daran, dass das<br />

ursprünglich gleichmäßig verteilte Salz sich in Salzwällen<br />

anreichert, während es aus den dazwischen liegenden<br />

Bereichen praktisch vollständig verschwindet.<br />

Interessanter als diese durchaus spektakuläre initiale<br />

Phase ist jedoch die weitere Entwicklung, nachdem die<br />

Anfangsdehnung abgeklungen ist. Die Salzbewegungen<br />

breiten sich nach Osten und Westen im Lauf der Zeit immer<br />

weiter aus und werden dabei wiederholt durch tektonische<br />

Ereignisse, die im Gesamtrahmen des Beckens ablaufen,<br />

beschleunigt. Insgesamt zeichnet sich jedoch ab, dass die<br />

vor mehr als 200 Mio. Jahren entstandene initiale Störung<br />

Abb. 4.64: Der triassische Subsidenzraum des Zentraleuropäischen Beckens mit zugehörigen kleineren Grabenstrukturen<br />

und den heute vorhandenen Salzstrukturen.<br />

The Triassic subsidence centre of the Central European Basin System including local Graben structures and present<br />

day salt structures. After Van Horn, 1987; Ziegler, 1990; Britze and Japsen, 1991; Vejbaek and Britze, 1994; Lockhorst<br />

et al., 1998; Pharaoh, 1999; Baldschuhn et al., 2001; Bayer et al., 1999, 2002; Evans et al., 2003; Scheck et al., 2003;<br />

Dadlez, 2003; Sliaupa, <strong>2004</strong>; Lamarche and Scheck-Wenderoth, <strong>2005</strong>.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

343


344<br />

sich noch heute auswirkt und sich die Salzbewegung vom<br />

initialen Subsidenzraum in die Nachbarräume ausbreitet.<br />

Tatsächlich ist bekannt, dass z. B. ein Salzstock bei Bad<br />

Segeberg aktuell mit ca. 2 mm pro Jahr aufsteigt.<br />

Der Glückstadtgraben erweist sich als ein Musterbeispiel<br />

oder „natürliches Labor“, an dem der Einfluss einer ererbten<br />

alten Struktur die weitere Entwicklung über lange Zeit<br />

beeinflusst oder sogar maßgeblich bestimmt. Dies betrifft<br />

in erster Linie die Initialisierung und wiederholte Reaktivierung<br />

von Salzbewegungen und damit zusammenhängende<br />

Prozesse wie Änderungen des Reliefs und Grundwasserversalzung,<br />

die noch heute wirksam sind. Hier bie-<br />

tet sich auch für weitere Untersuchungen ein spannender<br />

Bezug zwischen klassischer Geologie und aktuogeologischen<br />

Prozessen.<br />

Die Diagenese triassischer Speichergesteine im<br />

Zentralgraben Nordsee<br />

Im Rahmen des SPP-Projekts „Organische und anorganische<br />

Prozesse und Wechselwirkungen in den Überdruckbereichen<br />

sedimentärer Becken am Beispiel des Zentralgrabens<br />

der Nordsee“ wurden in fünf Bohrungen Reservoirgesteine<br />

untersucht, die bis etwa 4.800 m Tiefe versenkt<br />

wurden. Dabei handelt es sich um triassische Spei-<br />

Abb. 4.65: Zeitliche Entwicklung der Salzmächtigkeit im Glückstadt Graben von der Trias (a) bis heute (b). In den weiß<br />

dargestellten Bereichen ist das Salz vollständig abgewandert. Ausgehend vom ursprünglichen Graben breitete sich dieser<br />

Bereich zunehmend lateral aus, ein Prozess der auch heute noch anhält (Maystrenko, <strong>2005</strong>, Maystrenko et al. <strong>2005</strong>,<br />

in press).<br />

Temporal evolution of salt structures in the Glückstadt area from the Triassic (a) to present (b). In the white areas salt<br />

is almost totally depleted. Starting from the central Graben area, salt movements proceed laterally, a process which<br />

still continues (Maystrenko, <strong>2005</strong>, Maystrenko et al. <strong>2005</strong>, in press).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


chergesteine der Skagerrak-Formation aus dem Zentralgraben<br />

der Nordsee, die aus einer Wechsellagerung von<br />

fluvialen Rinnensanden mit tonigen Schwemmebenensedimenten<br />

im Meterbereich aufgebaut sind. Die Untersuchung<br />

der Sandsteinproben erfolgte mit petrographischen<br />

Methoden, die durch geochemische Untersuchungen<br />

ergänzt wurden. Neben optischer Mikroskopie kamen<br />

Rasterelektronen-Mikroskopie, Elektronenstrahl-Mikrosondenanalytik,<br />

Kathodolumineszenz-Mikroskopie und<br />

Röntgendiffraktometrie zum Einsatz. Die Sandsteine bestehen<br />

überwiegend aus Quarzkomponenten mit wechselnden<br />

Anteilen an Feldspäten und Lithoklasten (Abb. 4.67).<br />

Die untersuchten Explorationsbohrungen wurden in der<br />

Regel auf strukturellen Hochlagen abgeteuft, die erwarten<br />

lassen, dass während der Versenkung der Sedimente<br />

Kohlenwasserstoffe aus den Muttergesteinen in die Speicher<br />

migriert sind.<br />

Wichtige frühdiagenetische Prozesse in den terrestrischen<br />

Ablagerungen der Trias sind die Bildung dünner Tonmineralüberzüge<br />

auf den Oberflächen der Körner und die<br />

Ausfällung von Eisenhydroxiden/Eisenoxiden, ebenfalls<br />

vorwiegend an Kornoberflächen. Im Porenraum der Sandsteine<br />

wurden teilweise eodiagenetische Karbonate und/<br />

oder Sulfate, untergeordnet auch Quarz- und Feldspatzemente<br />

ausgefällt. Mit Abschluss der Gesteine von Einflüssen<br />

durch Oberflächenwässer beginnt die mesodiagenetische<br />

Entwicklung. In den Sandsteinen ist die Mesodiagenese<br />

durch die Lösung von K-Feldspat und/oder frühdiagenetischem<br />

Karbonatzement sowie die Zementation<br />

durch Quarz bestimmt. Untergeordnet wird Albit neu<br />

gebildet. Die Lösung von Feldspat (Abb. 4.68) ist offensichtlich.<br />

Auch wenn texturelle Kriterien zur Bewertung<br />

von Lösungsprozessen nicht immer eindeutig sind, gibt es<br />

doch Hinweise darauf, dass Minerallösung durch aggressive<br />

Fluide eine wichtige Rolle spielen. Die Bildung von<br />

Kohlendioxid und organischer Säuren in Verbindung mit<br />

der Kohlenwasserstoffgenese kann das Lösungspotential<br />

des Porenfluids in Bezug auf Feldspat- und Karbonatlöslichkeit<br />

erhöhen und zu den beobachteten Lösungsprozessen<br />

beigetragen haben. Übergroße Poren, in denen<br />

mesodiagenetische Zemente gewachsen sind, belegen die<br />

Lösung von detritischen Komponenten.<br />

Abb. 4.66: Angelöstes Feldspatkorn.<br />

Partially dissolved feldspar.<br />

Abb. 4.67: Unter Karbonatzement erhaltener Hämatit.<br />

Hematite preserved by carbonate cement.<br />

Abb. 4.68: Chloritisierte Tonmineralüberzüge.<br />

Grain-coating clay minerals transformed to chlorite.<br />

Weiterhin kommt es zur Reduktion von Hämatit (Abb. 4.67)<br />

und wahrscheinlich werden durch die Umverteilung des<br />

Eisens aus dem Hämatit Fe-Karbonate ausgefällt und/oder<br />

eisenreiche Chlorite gebildet (Abb. 4.68). Die Reduktion<br />

von Hämatit steht im Zusammenhang mit der Migration<br />

von Kohlenwasserstoffen oder deren Vorläufer, die wahrscheinlich<br />

über Störungen in die Sandsteine gelangt sind.<br />

In den zwischengelagerten Tonsteinen kommt es während<br />

der Mesodiagenese vor allem zur Illitisierung und untergeordnet<br />

zur Chloritisierung der Tonminerale.<br />

In einem weiteren Schritt wurde mit der Modellierung der<br />

Wechselwirkung zwischen Porenfluid und Mineralen<br />

begonnen, mit dem Ziel, die Prozesse zu quantifizieren<br />

und Zusammenhänge zwischen Mineraldiagenese und<br />

Reifung organischen Materials aufzuzeigen. Aufgrund der<br />

nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden thermodynamischen<br />

Daten ist die Modellierung insbesondere der Tonmineralreaktionen<br />

nur stark vereinfacht möglich. Trotzdem<br />

zeigen die Modellierungen der Umwandlung von<br />

Smektit in Chlorit, dass die Reaktion nur dann ablaufen<br />

kann, wenn reduziertes Eisen als Reaktionspartner zur<br />

Verfügung steht, und dabei ist die Reduktion von Eisen<br />

durch Methan einer der plausibelsten Mechanismen. So<br />

konnte die Umwandlung von Beidelit und Saponit in Ripidolit<br />

modelliert werden (Abb. 4.69).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

345


346<br />

Abb. 4.69: Veränderung der Mineralzusammensetzung infolge von Eisenreduktion<br />

durch in das Gestein hinein migrierendes Methan bei gleichzeitiger<br />

Erwärmung infolge zunehmender Versenkung.<br />

Change in mineral composition resulting from iron reduction caused by<br />

methane migrating into the reservoir rock in combination with heating due<br />

to burial.<br />

Weiterhin zeigen die Modellierungen, dass die in den Proben<br />

beobachtete Lösung von Feldspäten und frühdiagenetischen<br />

Karbonatzementen durch in das Reservoirge-<br />

Abb. 4.70: Lage salinarer Oberflächenaustritte im NE-deutschen Becken<br />

(Schirrmeister, 1996) sowie flacher Salzwasservorkommen (0 bis 300 m)<br />

nach Grube et al. (2000). Die gestrichelte rote Linie kennzeichnet die Lage<br />

des Profils in Abb. 4.71.<br />

Map of saline waters occuring at the surface (Schirmeister, 1996) and near<br />

surface occurence of salt water (0 – 300 m) below surface (Grube et al., 2000).<br />

The dashed red line indicates the position of the cross section in Fig. 4.71.<br />

stein hinein migrierendes Kohlendioxid<br />

stark begünstigt wird. Wird dieser Prozess<br />

nicht bei der Modellierung berücksichtigt,<br />

sind unwahrscheinlich hohe<br />

Porenflussraten notwendig, um die beobachteten<br />

Lösungsprozesse zu erklären.<br />

Die Komplexität der Mineralparagenese<br />

in den triassischen Speichergesteinen<br />

erschwert die Modellierung der Gesteins-<br />

Fluid-Interaktion. Trotzdem zeigen die<br />

Modellierungen, dass organische Reaktionsprodukte<br />

einen wesentlichen Beitrag<br />

zur diagenetischen Veränderung der<br />

Gesteine leisten.<br />

Tiefreichende Grundwasserströmungen<br />

im NE-deutschen Becken<br />

Im Norddeutschen Becken haben Botaniker<br />

schon seit dem 18. Jahrhundert das<br />

Auftreten salzliebender Pflanzen im<br />

Binnenland beobachtet. Die Standorte<br />

dieser Pflanzengemeinschaften erwiesen<br />

sich dabei nicht immer als persistent, sondern<br />

verlagerten sich z. T. über längere<br />

Zeiträume. In Abb. 4.70 sind bekannte<br />

Oberflächenaustritte salinarer Wässer zusammen mit der<br />

Verbreitung flach liegender (0 bis 300 m Tiefe) salinarer<br />

Grundwässer im Ostteil des Norddeutschen Beckens dargestellt.<br />

Das oberflächennahe Auftreten<br />

stark salzhaltiger Wässer hat einerseits<br />

eine ökonomische Bedeutung bezüglich<br />

der Grundwassernutzung, andererseits<br />

stellen sich grundlegende Fragen hinsichtlich<br />

der physikalischen Mechanismen,<br />

Aspekte, die in einem Verbundprojekt<br />

des DFG-SPP 1135 „Becken-Dynamik“<br />

untersucht werden. Beteiligt sind<br />

einerseits die FU-Berlin, die BTU-Cottbus<br />

und das <strong>GFZ</strong> mit Untersuchungen zur<br />

Wasserchemie, andererseits das <strong>GFZ</strong>, das<br />

WIAS und die WASY GmbH (Berlin) mit<br />

der Modellierung der Prozesse.<br />

Chemische und Isotopendaten weisen auf<br />

eine Vermischung von Tiefen- und Oberflächenwässern<br />

hin und unterstützen<br />

damit die hier dargestellten Modellierungsergebnisse.<br />

Die entlang der Elbe und<br />

der Havel großflächig auftretende oberflächennahe<br />

Versalzung des Grundwassers<br />

kann zu einem großen Teil auf den<br />

hydrostatisch, d. h. durch die Geländetopografie,<br />

getriebenen Grundwasserfluss<br />

zurückgeführt werden. Allerdings reicht<br />

diese Erklärung nicht aus, um Details der<br />

Verbreitung salinarer Wässer und insbesondere<br />

die Oberflächenaustritte zu erklären.<br />

Diese werden erst im Rahmen eines<br />

voll gekoppelten Grundwassermodells<br />

verständlich, bei dem neben dem hydro-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.71: Verteilung des Salzgehaltes (g/l) und der Temperatur (°C) entlang einer Profillinie bei vollständig nichtlinear<br />

gekoppeltem Transport. Die Pfeile kennzeichnen das Zirkulationssystem. Überhöhung 10:1.<br />

Distribution of salt content (mg/l) and temperature (°C) in a cross section modelled with a fully coupled non-linear<br />

system. Arrows indicate the circulation system.<br />

statisch getriebenen Fluss auch Dichteänderungen durch<br />

die Temperatur und den Salzgehalt berücksichtigt werden.<br />

Dabei spielen insbesondere auch die im Untergrund vorhandenen<br />

Salzstrukturen eine Rolle, die einerseits das Temperaturfeld<br />

verändern, andererseits durch Salzlösung ebenfalls<br />

die Dichte des Grundwassers beeinflussen. Abb. 4.71<br />

zeigt eine Modellierung entlang eines W-E verlaufenden<br />

Profils (vgl. Abb. 4.70), bei dem infolge der nichtlinearen<br />

Koppelung zwischen den Prozessen eine freie Konvektion<br />

entsteht, die lokal Salzwasser in den Bereich der Oberfläche<br />

transportiert. Analog treten Veränderungen im Temperaturfeld<br />

auf, wobei die Konvektionszellen in diesem<br />

Modell räumlich stabil sind, d. h. sich nicht verlagern.<br />

An diesem Punkt stößt man auf Probleme, die im Rahmen<br />

der nichtlinearen Modellierung immer wieder diskutiert<br />

werden. Die Lösung hängt in starkem Maß von der Wahl<br />

des diskreten Netzes ab. Abb. 4.72 zeigt für einen<br />

beschränkten Ausschnitt der Profillinie ein Momentanbild,<br />

das auf der Basis eines am WIAS erarbeiteten Netzes<br />

für ein FV-Verfahren erarbeitet wurde. In diesem Fall<br />

bewegen sich die Konvektionszellen periodisch unter dem<br />

Einfluss eines E-W gerichteten hydrostatischen Flusses in<br />

der Zeit, was sich in der Abbildung an Hand ihre Asymmetrie<br />

zeigt. Allerdings wurde hier die nichtlineare Koppelung<br />

nicht vollständig in allen Teilen erfüllt, es fehlen<br />

die Temperatur- und Dichteabhängigkeit der Viskosität<br />

des Wassers, die als wichtige Größen in die Permeabilität<br />

der Gesteine eingehen. Fügt man diese Größen in die<br />

Modellierung ein, so wird diese instabil. Erst ein Netz, das<br />

wesentlich strengere Regularitätsanforderungen erfüllt,<br />

führt im Rahmen der FE-Modellierung wieder zu stabi-<br />

Abb. 4.72: Konvektionsregime in einem Teilausschnitt der Abb. 4.70 mit einem modifizierten Netz (s. Text).<br />

Details of convection within part of Fig. 4.70 by use of a modified grid (s. text for discussion).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

347


348<br />

len, qualitativ vergleichbaren Ergebnissen. Dies lässt sich<br />

so erklären, dass die zeitliche Veränderung quasi eine zeitlich<br />

veränderliche Anisotropie in das System einführt und<br />

damit indirekt die Geometrie des Netzes verändert. Es fehlen<br />

aber robuste Regeln, wie eine ganze Reihe von Parametern<br />

aufeinander abzustimmen sind, um wenigstens<br />

eine physikalisch sinnvolle Lösung zu erzielen, von einer<br />

realitätsnahen völlig abgesehen. Für letztere wäre es darüber<br />

hinaus unerlässlich, eine dreidimensionale Modellierung<br />

durchzuführen, die aber unrealistisch ist, solange<br />

die Vernetzungsprobleme in 2-D nicht hinreichend verstanden<br />

sind.<br />

Geochemische Indikatoren für hydrothermale<br />

Alteration in Sedimenten der ICDP-Bohrung<br />

YAX-1 in der Chicxulub Impakt Struktur<br />

Die Einschläge von Großmeteoriten auf der Erde und die<br />

damit verbundene Freisetzung großer Mengen thermischer<br />

Energie können die Ursache für hydrothermale Fluidzirkulation<br />

innerhalb der Kraterstruktur und der sie<br />

umgebenden Gesteine sein. Im Zuge der hydrothermalen<br />

Alteration kommt es lokal zur Bildung wirtschaftlich<br />

bedeutender Lagerstätten. Neben dem Absatz von Alterationsmineralen<br />

können die Einschläge von Großmeteoriten<br />

in Sedimente auch zur Generierung großer Mengen<br />

von Gasen (CO 2, SO 2) führen, die klimatische Veränderungen<br />

hervorgerufen haben können.<br />

Eine der größten Kraterstrukturen ist der Chicxulub Krater<br />

auf der Yucatán-Halbinsel in Mexico mit einem Durchmesser<br />

von ca. 180 km. Der Meteoriteneinschlag erfolgte<br />

vor 65 Millionen Jahren und führte zur Umwandlung<br />

von mehr als 10 5 km 3 kontinentaler Krustengesteine. Darüber<br />

hinaus wird vermutet, dass der Meteoriteneinschlag<br />

auch für das Aussterben von 75 Prozent der damals auf<br />

der Erde lebenden Spezies zu Lande und im Meer verantwortlich<br />

ist. Im Rahmen des ICDP-Tiefbohrprogramms<br />

wurde eine 1.511 m tiefe Bohrung (Yaxcopoil-1) im Rand<br />

der Kraterstruktur abgeteuft. Die abgekernten Gesteine<br />

umfassen überlagernde tertiäre Karbonate sowie tektonisch<br />

beanspruchte kretazische Karbonate und Evaporite<br />

unter einer ca. 100 m mächtigen Bedeckung schmelzeführender<br />

Impaktite. Innerhalb der Plattformkarbonate<br />

und Evaporite treten zahlreiche Klüfte auf, die neben überwiegender<br />

Calcitführung (Abb. 4.73a) lokal auch quarzführend<br />

sind (Abb. 4.73b). Auffällig ist auch das mit<br />

zunehmender Teufe häufige Auftreten organischer Substanz,<br />

die sowohl innerhalb der Sedimente in Zwischenlagen<br />

als auch auf Klüften auftritt (Abb. 4.73c).<br />

Die Gehalte an organischem Kohlenstoff in der organischen<br />

Substanz (TOC) schwanken zwischen 0,16 und<br />

6,8 %. Die organische Petrologie zeigt eine klare Vorherrschaft<br />

aquatischer Mazerale wie Alginit und Lamalginit<br />

an. Wasserstoffindexwerte variieren stark von 14 bis<br />

797 mg HC/g TOC, weisen aber insgesamt auf eine gute<br />

Erhaltung des organischen Materials hin (Abb. 4.74).<br />

Molekulare Parameter (Pristan/Phytan < 1; Dibenzothiophen/Phenanthren<br />

> 1) stehen mit einer Ablagerung unter<br />

reduzierenden Bedingungen in einem Karbonat-System<br />

im Einklang (Abb. 4.74). Die nahezu völlige Abwesenheit<br />

von Diasteranen zeigt tonfreie Sedimente an. Diese Merkmale<br />

unterscheiden sich von denen bekannter Erdölmuttergesteine<br />

in Mexiko. Wie bei Karbonaten häufig beob-<br />

Abb. 4.73: A: Calcitkluft im Plattformkarbonat, YAX-1,<br />

1.0005,27 m. B: Quarzkluft im Plattformkarbonat, YAX-1,<br />

998,27 m. C: Lagen organischer Substanz in Karbonat,<br />

die durch Impakt induzierte Scherzonen versetzt<br />

sind.<br />

A: Fissure in marine carbonate filled with calcite, YAX-1,<br />

10005.27 m. B: A: Fissure in marine carbonate filled with<br />

quartz, YAX-1, 998.27 m. C: Layers rich in organic matter<br />

displaced by impact-related shear zones, YAX-1,<br />

1418.23 m.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.74: Teufenplots ausgewählter organisch-geochemischer Parameter für die ICDP-Bohrung YAX-1. TOC, Gehalt an<br />

organischem Kohlenstoff; HI, Wasserstoffindex aus der Rock-Eval-Pyrolyse; T max, Temperatur der maximalen Pyrolyseausbeute<br />

aus der Rock-Eval-Pyrolyse; Pr/Ph, Pristan/Phytan-Verhältnis; DBT/Phen, Dibenzothiophen/Phenanthren-Verhältnis;<br />

20S/(20S+20R), Hopan-Isomerisierung an C-22; % Rc [MPI], aus dem Methylphenanthrenindex berechnete Vitrinitreflektion.<br />

Depth plots of selected organic geochemical parameters for the ICDP drill hole YAX-1. TOC, total organic carbon; HI,<br />

hydrogen index from Rock-Eval pyrolysis; T max, temperature of maximum pyrolysis yield from Rock-Eval pyrolysis;<br />

Pr/Ph, pristane/phytane ratio; DBT/Phen, dibenzothiophene/phenanthrene ratio; 20S/(20S+20R), hopane isomerisation<br />

at C-20; %Rc [MPI], vitrinite reflectance calculated from the methlyphenanthrene index.<br />

achtet, sind die Mengen an Bitumen relativ hoch und liegen<br />

in der gleichen Größenordnung wie die des Kerogens.<br />

Pyrolyse-Gaschromatographie des Kerogens führte zu<br />

aliphatischen, aromatischen und thiophenischen Strukturelementen.<br />

Hohe Anteile an 1,2,3,4-Tetramethylbenzol<br />

verweisen dabei auf anoxische Bedingungen im lichtführenden<br />

Teil der Wassersäule.<br />

Flüssigkeitseinschlüsse in Kluftcalciten sind entweder<br />

einphasig, d. h. sie beinhalten lediglich eine wässrige Einschlussfüllung<br />

oder zweiphasig, wobei neben einer wässrigen<br />

Phase eine kleine Wasserdampfblase in den Einschlüssen<br />

auftritt. Mikrothermometrische Untersuchungen<br />

ergaben Salinitäten der Einschlussfüllungen zwischen<br />

7,5 und 7,9 Gew.% NaCl Äquivalent. Die mikrothermometrisch<br />

bestimmten Salinitäten liegen deutlich über der<br />

von Meerwasser (ca. 3,2 Gew.% NaCl Äquivalent) und<br />

belegen, dass zirkulierendes Meerwasser, das durch den<br />

Impakt erhitzt wurde, nicht die primäre Quelle der mineralbildenden<br />

Lösungen war. Die Homogenisierungstemperaturen<br />

von Zweiphaseneinschlüssen in Kluftcalciten<br />

und Anhydriten deuten auf Bildungstemperaturen zwischen<br />

75 °C und 110 °C hin, wobei kein teufenabhängiger<br />

Temperaturgradient erkennbar ist. Quarzmineralisa-<br />

tionen im Teufenbereich 990 bis 1.000,53 m beinhalten<br />

Flüssigkeitseinschlüsse, die sich von denen in Calciten<br />

deutlich unterscheiden. Neben 2-phasigen wässrigen Einschlüssen<br />

mit großen Wasserdampfblasen, die zusätzlich<br />

ein Halit-Tochterkristall beinhalten können, treten polyphase<br />

Flüssigkeitseinschlüsse mit einem geringen Anteil<br />

wässriger Phase, einer dunklen Gasphase sowie zumindest<br />

einer festen Phase auf (Abb. 4.75).<br />

Die Salinität wässriger Zweiphaseneinschlüsse beträgt 14<br />

bis 35 Gew.% NaCl Äquivalent. Die Homogenisierungstemperaturen<br />

liegen zwischen 220 °C und 285 °C. Synchrotron-Röntgen-Fluoreszenz-Analysen<br />

der wässrigen<br />

Einschlussfüllungen ergaben ungewöhnlich hohe Konzentrationen<br />

an Metallen wie V, Fe, Ni, Cu, Zn, Cd, Sb und<br />

Pb, deren Herkunft nicht geklärt ist. Polyphase Flüssigkeitseinschlüsse<br />

in Kluftquarzen beinhalten Kohlenwasserstoffe<br />

(Ethane und Propan), die mit Raman-Spektroskopie<br />

nachgewiesen werden konnten.<br />

Die Ergebnisse der mikrothermometrischen Untersuchungen<br />

belegen, dass keine zeitlich einheitliche Fluidmigration<br />

in den kretazischen Sedimenten der Bohrung<br />

YAX-1 erfolgt ist. Die Bildung von Quarzkluftfüllungen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

349


350<br />

Abb. 4.75: A: Primärer Flüssigkeitseinschluss mit einem Halit-Tochterkristall in Quarz, YAX-1, 1.000,53 m. B: Polyphaser,<br />

Kohlenwasserstoff-haltiger Flüssigkeitseinschluss in Quarz, YAX-1, 1.000,53 m.<br />

A: Primary fluid inclusion with a halite daughter crystal in quartz. YAX-1, 1000.53 m. B: Polyphase hydrocarbonsbearing<br />

inclusion in quartz, YAX-1, 1000.53 m.<br />

im Teufenbereich 990 bis 1.000,53 m ist möglicherweise<br />

auf eine frühe, impaktinduzierte Fluidmigration zurückzuführen,<br />

wobei auch eine Freisetzung von Kohlenwasserstoffen<br />

erfolgte, die vermutlich bei der thermischen<br />

Überprägung von organischer Substanz in kretazischen<br />

Sedimenten im inneren der Kraterstruktur freigesetzt worden<br />

sind. Inwieweit eine Freisetzung von Kohlenwasserstoffen<br />

in die Atmosphäre erfolgte und somit möglicherweise<br />

mit zu klimatischen Veränderungen beigetragen hat,<br />

kann zurzeit nicht abgeschätzt werden.<br />

Im Gegensatz dazu steht die Bildung von Kluftcalciten<br />

nicht im Zusammenhang mit einer direkt durch den Impakt<br />

induzierten großräumigen Fluidmigration. Der Absatz<br />

dieser Minerale erfolgte bei deutlich niedrigeren Temperaturen<br />

aus Lösungen mit geringerer Salinität. Die Sauerstoff-<br />

und Kohlenstoffisotopenverhältnisse von Plattformkarbonaten<br />

der Bohrung YAX-1 sind typisch für diagenetische<br />

Karbonate. Die δ 18 O und δ 13 C Werte der Kluftcalcite<br />

sind denen der Plattformkarbonate sehr ähnlich.<br />

Dies lässt darauf schließen, dass sich die Calcit-bildenden<br />

Lösungen mit dem Nebengesteinskarbonaten nahezu<br />

equilibriert haben. Die mikrothermometrisch ermittelten<br />

Bildungstemperaturen der Kluftcalcite belegen, dass der<br />

Mineralabsatz aus Lösungen erfolgte, die auf über 100 °C<br />

erwärmt worden sind. Solch hohe Temperaturen wurden<br />

unter Annahme eines normalen geothermischen Gradienten<br />

von 30 °C/km durch diagenetische Prozesse nicht<br />

erreicht. Es ist daher eher wahrscheinlich, dass der Absatz<br />

der Kluftcalcite aus salinaren Formationswässern erfolgte,<br />

die infolge einer lang anhaltenden konduktiven Wärmeaktivität<br />

nach dem Impakt auf Temperaturen oberhalb<br />

100 °C erwärmt worden sind. Als Folge einer kontinuierlichen<br />

Erwärmung der Plattformkarbonate und Evaporite<br />

kann auch die Migration von Bitumen stattgefunden<br />

haben. Niedrige T max-Werte (Mittelwert 424 °C; n = 25)<br />

scheinen eine relativ geringe thermische Reife des organischen<br />

Materials anzuzeigen (Abb. 4.74). Molekulare<br />

Reifeparameter ergeben kein einheitliches Bild, verweisen<br />

aber insgesamt auf eine höhere Reife. Im Teufenin-<br />

tervall zwischen 1.300 und 1.500 m hat die Hopanisomerisierung<br />

an C-22 den Gleichgewichtswert von 0,6 erreicht<br />

(Abb. 4.74). Die aus dem Methylphenanthrenindex<br />

berechneten Vitrinitreflektionswerte (Abb. 4.74) liegen in<br />

einem ähnlichen Bereich wie die für drei Proben aus 1.085,<br />

1.346 und 1.508 m Teufe direkt gemessen Werte (0,9 und<br />

1 % R o). Insgesamt zeigen die verfügbaren organischen<br />

Reifeparameter eine Vitrinitreflektionsäquivalent von<br />

etwa 0,8 % R an. Bei normaler Absenkung eines Sedimentbeckens<br />

entspricht dies einer Temperatur von 110 bis<br />

120 °C. Das Bitumen ist ungewöhnlich reich an polaren<br />

Verbindungen und Asphaltenen und ähnelt damit eher<br />

hydrothermalen Erdölen als Bitumina und Erdölen, die<br />

durch konventionelle katagetische Prozesse aus Muttergesteinen<br />

gebildet werden. Zusammenfassend lässt sich<br />

feststellen, dass die thermische Reife des organischen<br />

Materials höher ist, als dies im Hinblick auf die Teufe zu<br />

erwarten wäre. Daher ist von einer nennenswerten Impaktbedingten<br />

thermischen Überprägung des organischen<br />

Materials auf Grund konduktiven Wärmeflusses und/oder<br />

hydrothermaler Aktivität auszugehen.<br />

Vorhersage von Erdölphase und Zusammensetzung<br />

Das Phasenverhalten von Erdöl ist abhängig von der<br />

Zusammensetzung sowie den sich während der Migration<br />

vom Entstehungsort zum Reservoir verändernden Druckund<br />

Temperaturbedingungen. Die genaue Vorhersage von<br />

diesen drei Parametern ist von ausschlaggebender Bedeutung<br />

für die Evaluierung der Qualität, des Typs und Volumen<br />

des Fluids in der Lagerstätte mittels der numerischen<br />

Simulation der Entwicklung eines sedimentären Beckens.<br />

In den meisten Explorationsgebieten beruhen solche Voraussagen<br />

der Fluideigenschaften auf konzeptionellen<br />

Modellen und Datenextrapolationen. Um das Risiko eines<br />

Misserfolgs zu minimieren, ist die Richtigkeit dieser Vorhersagen<br />

gerade im Vorfeld größerer Bohrkampagnen,<br />

von enorm hoher Bedeutung. Eine wichtige Möglichkeit,<br />

um das Phasenverhalten zu bestimmen, ist die Anwendung<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


neuester Beckenmodellierungssoftware, in die PVT-<br />

Simulatoren und kompositionelle kinetische Modelle<br />

integriert werden können.<br />

Im Rahmen des Industrie Partnerschaft Programms IPP<br />

wurde innerhalb des Projekts „Vorhersage von Erdölphase<br />

und Zusammensetzung“ die Rolle des Muttergesteins<br />

auf die Kohlenwasserstoffzusammensetzung und das Phasenverhalten<br />

der generierten Fluide untersucht. Von den<br />

beteiligten Industriepartnern ConocoPhillips, ENI, Hydro,<br />

Petrobras, Shell und Statoil wurden zu diesem Zweck<br />

umfangreiche regionale Datensätze zur Verfügung gestellt.<br />

Diese umfassten zum einen unreife Muttergesteine verschiedener<br />

Kerogentypen, die für künstliche Reifeexperimente<br />

gebraucht wurden, zum anderen Fluide einer Reifesequenz,<br />

umfangreiche kompositionelle Datensätze der<br />

Reservoirfluide (sogenannte PVT-Datensätze) sowie regionale<br />

Datensätze für die Beckenmodellierung. Die PVT-<br />

Daten wurden zunächst im regionalen und geologischen<br />

Kontext interpretiert. Bisherige regionale Studien haben<br />

bereits gezeigt, dass solche Daten entscheidende Hinweise<br />

für das Aufsuchen von Erdöl und Erdgas liefern können<br />

(di Primio, 2002).<br />

Die im Rahmen dieser Studie durchgeführten Erdölgeneseexperimente<br />

haben gezeigt, dass nur mittels geschlossener<br />

Pyrolyse, und insbesondere der MSSV-Pyrolysetechnik<br />

(Horsfield et al., 1989), die in der Natur ablau-<br />

fenden Prozesse wirklich sinnvoll rekonstruiert werden<br />

können. Die kompositionelle Information aus diesen Experimenten<br />

musste in von Reservoiringenieuren genutzte<br />

PVT-Datenformate übersetzt und auf die dazugehörigen<br />

natürlichen Erdölfunde geeicht werden. Dabei zeigte sich,<br />

dass für alle untersuchten Studiengebiete eine genaue Vorhersage<br />

des Gas-zu-Öl-Verhältnisses (GOR, Gas to Oil<br />

Ratio) der generierten Fluide direkt aus den experimentellen<br />

Ergebnissen möglich war. Für eine Vorhersage des<br />

Phasenverhaltens dieser Fluide reicht aber diese grobe<br />

Information nicht aus. Die detaillierte Zusammensetzung<br />

der Gasphase sowie eine allgemeine Beschreibung der<br />

Ölphase sind hier, ähnlich wie bei den einfachsten PVT-<br />

Datensätzen, wichtig. Während die Ölzusammensetzung<br />

jeweils direkt aus den Experimenten bestimmt werden<br />

konnte, zeigte sich die Vorhersage der Gaszusammensetzung,<br />

wie erwartet, als problematisch.<br />

Die grundsätzlichen Probleme in der Reproduktion natürlicher<br />

Gaszusammensetzungen mittels Laborexperimenten<br />

an Erdölmuttergesteinen sind mehrfach in der Literatur<br />

berichtet worden (Mango, 1992; Mango, 1996; Mango,<br />

2001). Verschiedene Theorien zur Erklärung dieses Phänomens<br />

sind auch publiziert worden (Michels et al., 2002;<br />

Price & Schoell, 1995; Snowdon, 2001), wobei trotzdem<br />

keine definitive Klärung erzielt worden ist. Die Datensätze,<br />

die dem Projekt zur Verfügung standen, erlaubten einen<br />

direkten Vergleich von im Labor generierten Gaszusam-<br />

Abb. 4.76: Korrelation zwischen Gaszusammensetzung und Gas to Oil Ratio für die verschiedenen natürlichen Probenserien.<br />

Correlation between gas composition and Gas to Oil Ratio of the individual sample series.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

351


352<br />

mensetzungen mit korrespondierenden natürlichen Fluiden<br />

(korreliert anhand des GORs). Dabei zeigte sich, dass<br />

die experimentell generierten Gase im Vergleich zu den<br />

natürlichen Fluiden immer durch erhöhte Anteile an Ethan<br />

und Propan auffielen. Ein solch „nasses“ Gas verändert<br />

das Phasenverhalten von Erdöl in entscheidender Art und<br />

Weise: nasses Gas löst sich sehr gut in Öl, was zu einer<br />

Verringerung des Sättigungsdrucks der fludien Phase<br />

führt. Somit ändert sich auch die Volumetrie der entstehenden<br />

Phasen bei einsetzender Phasentrennung im Zug<br />

der Migration von Bereichen hohen Druckes und Temperatur<br />

(Muttergesteine) zu Zonen niedrigeren Druckes und<br />

Temperatur (Reservoire). Bei gleichen Proportionen von<br />

Gas und Öl in einem gegebenen Erdöl kann die unterschiedliche<br />

Zusammensetzung der Gasphase (trocken,<br />

sprich methanreich oder nass) zu Unterschieden im Sättigungsdruck<br />

von bis zu 200 bar führen.<br />

Aus den experimentellen Ergebnissen konnten wir feststellen,<br />

dass die Gaszusammensetzung der generierten Fluide<br />

sich systematisch mit den experimentellen Aufheizbedingungen<br />

veränderte. Es zeigte sich, dass mit abnehmender<br />

Heizrate das generierte Gas methanreicher („trockener“)<br />

wurde. Demnach ist die generell beobachtete nasse Gaszusammensetzung<br />

von Pyrolyseexperimenten nur ein Artefakt<br />

der Laborbedingungen. Da aber natürliche Heizraten im<br />

Labor nicht reproduziert werden können, bleibt die korrekte<br />

Vorhersage der Gaszusammensetzung ein Problem.<br />

Lösungsansätze erzielten wir unter Verwendung der natürlichen<br />

Probenserien und Daten des Projektes (Abb. 4.76).<br />

Die Gaszusammensetzung der einzelnen Probenserien<br />

zeigte eine exzellente Korrelation zum GOR der Proben<br />

wie in Abb. 4.76 dargestellt. Das Verhältnis von Methan<br />

zur Summe der nassen Gase Ethan bis Pentan zeigte als<br />

Funktion des GORs der Proben Korrelationskoeffizienten,<br />

die in der Regel über 0,98 lagen. Besonders interessant<br />

war die Beobachtung, dass diese Korrelationen für<br />

jedes Explorationsgebiet unterschiedlich waren, wobei<br />

ähnliche Trends für Produkte von Muttergesteinen von<br />

ähnlicher organischer Fazies sichtbar wurden. Da, wie<br />

oben erwähnt, eine Vorhersage des GOR direkt aus den<br />

experimentellen Ergebnissen möglich ist, eröffneten diese<br />

Korrelationen eine Möglichkeit, die fehlerhaften Gaszusammensetzungen<br />

aus dem Labor zu korrigieren. Ein neuronales<br />

Netzwerk wurde trainiert, anhand der verfügbaren<br />

natürlichen und laborgenerierten Datensätze die experimentellen<br />

Gaszusammensetzungen zu korrigieren. Die<br />

so korrigierten Zusammensetzungen wurden verwendet,<br />

um kompositionelle kinetische Modelle, die in 2Dund<br />

3D-Beckenstudien getestet wurden, zu erstellen.<br />

Abb. 4.77 zeigt ein Beispiel einer gelungenen Vorhersage<br />

der Rohöleigenschaften in einem 3D-Model.<br />

Die in diesem Projekt erzielten Ergebnisse erlauben nun<br />

erstmalig die Verwendung experimenteller Ergebnisse für<br />

die kompositionelle Vorhersage von natürlichen Erdölen,<br />

Abb. 4.77: Vergleich von vorhergesagten und beobachteten Rohöleigenschaften in einem der 6 untersuchten Studiengebiete.<br />

In grün werden Akkumulationen gezeigt, rote und grüne Linien zeigen die Migrationsbahnen von jeweils Gas<br />

und Öl.<br />

Comparison between predicted and observed petroleum properties in one of 6 study areas. Predicted accumulations<br />

in green. Red and green lines indicate gas and oil migration pathways respectively.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


sowie die Modellierung des davon abhängigen Phasenverhaltens<br />

(Abb. 4.77). Die Simulationsergebnisse zeigten,<br />

dass eine genaue Vorhersage der zu erwartenden<br />

Erdölzusammensetzung und Qualität vor der Bohrung<br />

möglich ist.<br />

Frühe Gasbildung<br />

Die Suche und Auffindung sauberer Energieträger zur<br />

langfristigen und umweltschonenden Sicherung der weltweiten<br />

Energieversorgung ist eine der vordringlichsten<br />

Aufgaben für zukünftige Forschungs- und Explorationsprojekte.<br />

Die Suche und Förderung von<br />

Gas steht dabei im Vordergrund, da natürliches<br />

Gas von allen fossilen Brennstoffen<br />

am umweltschohnendsten und effizientesten<br />

in Energie umgewandelt werden<br />

kann. Gas kann in der Natur durch die<br />

thermische Umwandlung in relativ großen<br />

Teufen oder durch mikrobielle Aktivitäten<br />

in flachen Sedimenten aus sedimentärem<br />

organischem Material gebildet<br />

werden. Aufgrund der großen Mengen<br />

organischen Materials können die Gasmengen<br />

so groß sein, dass sie Lagerstätten<br />

bilden, die teilweise Jahrzehnte lang<br />

ganze Städte und Länder mit Energie versorgen<br />

können.<br />

Um die Auffindung dieses interessanten<br />

Energieträgers zu verbessern, wird versucht,<br />

die Bildung von Gas in der Natur<br />

mittels numerischer Modelle und ihre<br />

Integration in computergesteuerte Beckenmodelle<br />

für geologische Zeiträume<br />

zu simulieren. Hierfür stehen zum einen<br />

konventionelle reaktionskinetische Modelle<br />

zur Verfügung, von denen man<br />

annimmt, dass sie die Bildung von Gas<br />

aus thermischen Prozessen ausreichend<br />

gut beschreiben. Zum anderen werden<br />

empirische Modelle und Beobachtungen<br />

genutzt, um die Bildung und das Vorkommen<br />

mikrobiellen Gases in einem<br />

Sedimentbecken zu rekonstruieren.<br />

Berücksichtigt man die Modelle zur Bildung<br />

der verschiedenen Gastypen in<br />

Sedimentbecken, wird aber schnell deutlich,<br />

dass es eine Zone gibt, in der die konventionellen<br />

Modelle weder die Bildung<br />

von thermischem Gas noch die Bildung<br />

von mikrobiellem Gas vorhersagen.<br />

Gleicht man diese Vorhersagen mit natürlichen<br />

Gasvorkommen ab, so wird deutlich,<br />

dass in der Natur die Bildung mikrobiellen<br />

Gases in größeren Teufen und die<br />

Bildung thermischen Gases bei niedrigen<br />

Temperaturen dramatisch unterschätzt<br />

werden. So zeigt zum Beispiel der Vergleich<br />

thermischer Gasvorkommen in Se-<br />

dimenten niedriger Reife und die Vorhersage der Gasgenese<br />

unter Anwendung konventioneller reaktionskinetischer<br />

Modelle, dass die Diskrepanz zwischen Natur und<br />

Simulation bei mehr als 1.000 m liegen kann (Abb. 4.78a).<br />

Ähnliches gilt für mikrobielle Gasvorkommen, die in einigen<br />

Gebieten deutlich tiefer liegen, als durch traditionelle<br />

Modelle vorgegeben (Abb. 4.78b).<br />

Die Konsequenz dieser Beobachtungen ist, dass die weltweite<br />

Gasprospektivität in unerforschten oder marginal<br />

erforschten Gebieten, in denen volumetrische Vorhersagen<br />

nur unter Anwendung numerischer Modelle möglich<br />

Abb. 4.78: Vergleich von natürlichen Gasvorkommen und Vorhersagen der<br />

Gasbildung auf der Basis reaktionskinetischer Modelle (a) und die Teufenverteilung<br />

verschiedener Gastypen (thermisch-mikrobiell) (b). Es fällt auf,<br />

dass die Modelle zur Vorhersage der thermischen Gasbildung das thermische<br />

Gas, welches in Sedimenten niedriger Reife gefunden wird, nicht vorhersagen<br />

können (a) und dass mikrobielles Gas sogar in Teufen über 4.000 m<br />

aufgespürt werden kann.<br />

Comparison between natural gas occurrence and predictions based on kinetic<br />

models (a) and the distribution of different gas types with depth (thermal-microbial)<br />

(b). It is obvious that the predictions of thermal gas formation<br />

do not fit to natural gas in low mature sediments (a) and that microbial<br />

gas occurs even at depths greater than 4000 m.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

353


354<br />

sind, dramatisch unterschätzt wird. Aus diesem Grund hat<br />

sich auf Initiative der Sektion 4.3 des <strong>GFZ</strong> Potsdam ein<br />

Konsortium aus acht verschiedenen weltweit führenden<br />

Explorationsunternehmen zusammengeschlossen. Es wurden<br />

zwei Arbeitsgebiete ausgewählt, die als natürliche<br />

Laboratorien der thermischen und mikrobiellen Gasbildung<br />

angesehen werden können. Die Auswahl richtete<br />

sich im Wesentlichen nach der Verfügbarkeit von Probenmaterial<br />

und geologischen Informationen, aber auch<br />

nach der Reife der Gebiete bezüglich der Explorationsaktivitäten.<br />

Insbesondere für die Erforschung mikrobieller<br />

Gasbildungsprozesse musste sichergestellt werden,<br />

dass die Probennahme bestimmten mikrobiologischen<br />

Anforderungen gerecht wurde. Daraus ergab sich, dass<br />

das Mackenzie Delta im Norden Kanadas für die Erforschung<br />

der frühen thermischen Gasbildung und das<br />

Arbeitsgebiet des Projektes DEBITS in Neuseeland für<br />

die Erforschung der tiefen mikrobiellen Gasbildung ausgewählt<br />

wurde.<br />

Es hat sich durch jahrelange Forschung etabliert, dass die<br />

Bildung von Kohlenwasserstoffen durch die Gesetze der<br />

Reaktionskinetik beschrieben werden können. Es wird<br />

davon ausgegangen, dass die Bildung von Kohlenwasserstoffen<br />

im Zuge der Absenkung sedimentären organischen<br />

Materials durch das Aufbrechen chemischer Bindungen<br />

im Kerogen abläuft. Da sedimentäres organisches Material<br />

sehr heterogen ist, kommt es zu Reaktionen an ver-<br />

schiedenartigsten Bindungen, die deutliche Stabilitätsunterschiede<br />

aufweisen. Die Stabilität dieser Bindungen<br />

kann durch zwei wichtige Parameter, die Aktivierungsenergie<br />

und den Frequenzfaktor beschrieben werden.<br />

Diese Parameter beschreiben mathematisch, unter welchen<br />

Zeit- und Temperaturbedingungen die Reaktionen<br />

ablaufen. Die kinetischen Parameter können durch Simulationsexperimente,<br />

bei denen unreife Muttergesteine<br />

unter definierten Zeit-Temperaturbedingungen aufgeheizt<br />

werden, berechnet werden.<br />

Da die Bildung von Kohlenwasserstoffen nicht schlagartig<br />

abläuft, sondern ein mehr oder weniger breites Temperaturintervall<br />

einnimmt, kann davon ausgegangen werden,<br />

dass eine Vielzahl der verschiedenen Bindungen während<br />

der Umwandlungsprozesse aufbricht. Die Stabilität<br />

jeder chemischen Bindung, die in diese Umwandlungsprozesse<br />

eingebunden ist, sollte theoretisch durch ein individuelles<br />

Aktivierungsenergie-Frequenzfaktorpaar beschrieben<br />

werden. Da die Anzahl der verschieden Bindungen<br />

aber unwahrscheinlich groß ist und die einzelnen<br />

Bindungen auch noch gar nicht bekannt sind, stellen die<br />

etablierten kinetischen Modelle eine deutliche Vereinfachung<br />

der tatsächlichen Prozesse dar. So werden die verschiedenen<br />

Reaktionen in eine überschaubare Gruppe von<br />

Pseudoreaktionen unterteilt und aus dem breiten Spektrum<br />

der verschiedenen Frequenzfaktoren ein einzelner durchschnittlicher<br />

Frequenzfaktor bestimmt (Abb. 4.79). Die-<br />

Abb. 4.79: Integration verschiedener kinetischer Modelle in ein computergestütztes Modell zur Beckensimulation. Auf der<br />

Basis konventioneller Modelle setzt die Umwandlung des organischen Materials (blau – orange – rot) erst bei Teufen über<br />

5.000 m ein. Die Anwendung des erweiterten Modells in der unteren Simulation zeigt eine deutliche Verschiebung des<br />

Gasgenesbeginns und stimmt mit den Beobachtungen in der Natur überein (rechte Bildhälfte).<br />

Integration of different kinetic models in numerical basin simulations. Based on conventional models the transformation<br />

of organic matter starts at depths greater than 5000 m. The application of enhanced kinetic models results in an<br />

obvious shift of the gas generation onset and fits to the observations in nature (right hand side).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


ses Modell hat jahrzehntelang Anwendung in der Industrie<br />

gefunden und wurde nach der Beschreibung der<br />

Gesamtkohlenwasserstoffbildung auch auf komplexere<br />

Modelle übertragen. Letztere sollen die kompositionellen<br />

Eigenschaften, wie Öl- und Gas-Bildung rekonstruieren.<br />

Während für Muttergesteine mariner oder lakustriner Herkunft,<br />

also relativ homogenem sedimentärem organischen<br />

Material, die Zuverlässigkeit der Modelle bestätigt werden<br />

konnte, zeigen die schlechten Vorhersagen der Gasbildung<br />

aus Sedimenten terrestrischen Ursprungs, dass sie<br />

nicht ausreichen. Diese Einschränkung, die dramatische<br />

Folgen für die Exploration z. B. in Deltagebieten hat,<br />

kommt insbesondere durch die unzureichenden Vorhersagen<br />

der Gasbildung in der frühen Umwandlungsphase zum<br />

Ausdruck. Weder die Frage ob ein gashöffiges Muttergestein<br />

tief genug abgesenkt worden ist, um Gas zu bilden,<br />

noch die Menge gebildeten Gases kann befriedigend<br />

geklärt werden. Die Vereinfachung des kinetischen Models,<br />

insbesondere die Auswahl nur eines Frequenzfaktors für<br />

alle Reaktionen, impliziert, dass dieser Frequenzfaktor für<br />

einige Bindungen gültig, für andere Bindungen aber völlig<br />

falsch ist. Die Wahl eines durchschnittlichen Frequenzfaktors<br />

resultiert dabei in einer sehr guten Beschreibung<br />

der maximalen Genesephase, führt aber bei der<br />

Bewertung der initialen Phase zu völlig falschen kinetischen<br />

Beschreibungen.<br />

Aus diesem Grund wurde ein neues kinetisches Model für<br />

die Vorhersage der Gasbildung aus heterogenen, terrestrischen<br />

Muttergesteinen entwickelt. Diese Model basiert<br />

auf der individuellen kinetischen Berechnung verschiedener<br />

Umwandlungsstufen und Genesestufen bei der Bildung<br />

gasförmiger Kohlenwasserstoffe. Das Resultat sind<br />

individuelle Paare aus Aktivierungsenergien und Frequenzfaktoren,<br />

welche eine realistische Bewertung der<br />

gesamten Gasbildungsprozesse zulassen (Abb. 4.79b).<br />

Ganz entscheidenden Einfluss hat dieses neue Model auf<br />

die initiale Phase der Gasbildung. Bei der Extrapolation<br />

geologischer Temperaturbedingungen wird deutlich, dass<br />

der Beginn der Gasbildung für wesentlich niedrigere Reifen<br />

und Temperaturen vorhergesagt wird, als durch konventionelle<br />

Modelle. Im Mackenzie Delta bedeutet diese<br />

verbesserte Vorhersage eine Verschiebung des Gas-Fensters<br />

um 2.000 m von 5.000 m auf 3.000 m Teufe. Zum<br />

ersten Mal gelingt es, die natürlichen Gasvorkommen mit<br />

den Vorhersagen aus numerischen Modellen in Einklang<br />

zu bringen (Abb. 4.79).<br />

Die Ergebnisse bezüglich der thermischen Prozesse bringt<br />

diese Form der Gasbildung wesentlich näher an die Zone<br />

der mikrobiellen Prozesse, insbesondere der Zone der<br />

mikrobiellen Gasbildung. Dieses Zusammenrücken der<br />

thermischen und mikrobiellen Umwandlungsprozesse<br />

wird zusätzlich durch neue Konzepte der mikrobiellen<br />

Gasbildung aus anaeroben Prozessen im tiefen Untergrund<br />

unterstützt.<br />

Damit mikrobielle anaerobe Gasbildung im Untergrund<br />

ablaufen kann, müssen Substrate zur Verfügung stehen,<br />

welche von bestimmten Bakterien zu Gas, insbesondere<br />

Methan, umgewandelt werden können. Hierbei unterscheidet<br />

man die Azetat-Fermentation und die CO 2-<br />

Reduktion, Prozesse, bei denen im wesentlichen Azetat<br />

und CO 2 zusammen mit Wasserstoff durch mikrobielle<br />

Aktivitäten umgewandelt werden können. Die konventionellen<br />

Konzepte der mikrobiellen Gasbildung gehen<br />

davon aus, dass die Substrate im Wesentlichen in gelöster<br />

Form im Porenwasser der Sedimente bereitgestellt werden.<br />

Ab einer bestimmten Teufe kann deshalb davon ausgegangen<br />

werden, das diese Substrate, aufgrund der intensiven<br />

Aktivitäten aufgebraucht sind und somit den Bakterien<br />

und der mikrobiellen Gasbildung jegliche Lebensgrundlage<br />

entzogen wird. Zusätzlich sollen die steigenden<br />

Temperaturen im Untergrund den Bakterien so zusetzen,<br />

dass unterhalb einer Teufe von wenigen 100 Metern<br />

davon ausgegangen wird, dass keinerlei mikrobielle Gasbildung<br />

mehr möglich ist.<br />

Relativ neue mikrobiologische Untersuchungen haben<br />

allerdings gezeigt, dass hohe Temperaturen für anaerobe<br />

mikrobielle Aktivitäten kein großes Problem darstellen.<br />

Selbst bei Temperaturen über 110 °C können wärmeliebende<br />

Bakterien organische Moleküle zu Methan umwandeln.<br />

Komplexer ist hingegen die Verfügbarkeit von Substraten.<br />

CO 2 oder Wasserstoff aus biochemischen Prozessen<br />

in flachen Sedimenten können in der Tat nicht mehr<br />

geliefert werden. Es ist aber bekannt, das beide Komponenten,<br />

neben Kohlenwasserstoffen, Abbauprodukte thermischer<br />

Prozesse sind. Während thermisch gebildetes CO 2<br />

in der Natur auch in großen Mengen nachgewiesen werden<br />

kann, sind die Mengen an Wasserstoff aus diesen<br />

Umwandlungsprozessen vergleichbar klein, bzw. sind<br />

nicht in großen Mengen auffindbar.<br />

Auch die Prozesse, die zur Bildung von Wasserstoff aus<br />

der thermischen Umwandlung organischen Materials führen,<br />

sind weitgehend unerforscht. Es wird allerdings davon<br />

ausgegangen, dass Aromatisierungs- und Kondensationsprozesse<br />

eine wichtige Quelle von Wasserstoff sein könnten.<br />

Diese Prozesse sind auch während der Inkohlung<br />

organischen Materials zu beobachten und bilden den<br />

Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten zur tiefen mikrobiellen<br />

Gasbildung in diesem Projekt. Erste Ergebnisse<br />

zeigen in der Tat, dass insbesondere in der frühen<br />

Umwandlungsphase organischen Materials Aromatisierungs-/Kondensationsprozesse<br />

eine Rolle spielen und vor<br />

allem in organischem Material terrestrischer Herkunft<br />

offensichtlich sind.<br />

Ein Beispiel für den starken Einfluss von Aromatisierungprozessen<br />

auf die strukturellen Veränderungen in<br />

organischem Material während der Inkohlung können in<br />

dem Neuseeländischen Kohleband beobachtet werden,<br />

welches in Abb. 4.80 dargestellt ist. Der Anstieg des HI<br />

als Gradmesser für das Kohlenwasserstoffgenesepotential<br />

mit der Inkohlung im Bereich niedriger Reifen, lässt auf<br />

intensive Aromatisierungs-/Kondensationsprozesse zwischen<br />

Kerogen und Bitumen in den Sedimenten schließen.<br />

Als Ergebnis dieser Prozesse kann davon ausgegangen<br />

werden, dass den Bakterien selbst in großen Teufen genug<br />

Substrat und Wasserstoff zur Verfügung steht, um Methan<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

355


356<br />

Abb. 4.80: Neuseeländisches Kohleband. Der HI (mgHC/ gTOC) als Gradmesser des Kohlenwasserstoffgenesepotentials<br />

steigt in Zonen niedriger Reife an und fällt erst bei höherer Inkohlung aufgrund der fortschreitenden Kohlenwasserstoffbildung<br />

ab.<br />

The NewZealand Coalband. The HI (mgHC/gTOC) as an indicator of the hydrocarbon generation potential increases<br />

in zones of low maturity and decreases at higher levels of maturity.<br />

zu generieren. Da diese Prozesse selbst bei Temperaturen<br />

über 80 °C ablaufen können, bedeutet dieses Konzept, dass<br />

es sogar zu einer Überlappung zwischen flachen thermischen<br />

und tiefen mikrobiellen Gasgeneseprozessen kommen<br />

kann.<br />

Südafrikanische Gassysteme<br />

Grosse Mengen organischen Materials sind im Zuge der Erdgeschichte<br />

in sedimentären Becken erhalten geblieben.<br />

Während der Versenkung solcher organisch-reicher Schichten<br />

führt die thermische Belastung zur Entstehung von Kohlenwasserstoffen,<br />

die aus dem Gestein getrieben werden und<br />

zu flacheren Schichten oder sogar bis zur Oberfläche migrieren<br />

können. Somit sind sedimentäre Becken eine wichtige<br />

Quelle von Treibhausgasen, die sowohl in thermischen als<br />

auch biogenen Prozessen entstehen können. Am Meeresboden<br />

sind Indikationen für Gasleckage häufig. Schlammvulkane,<br />

Karbonathügel und sogenannte „pock marks“ (flache,<br />

5 bis 50 m große schalenförmige Krater) sind weltweit beobachtet<br />

worden (Dimitrov, 2002; Kelley et al., 1994; Limonov<br />

et al., 1997). In vielen Fällen sind diese Oberflächenerscheinungen<br />

mit dem Vorkommen von Gashydraten in<br />

Zusammenhang gebracht worden (Kvenvolden, 1993; Milkov,<br />

2000), obwohl noch Unklarheit darüber besteht, ob die<br />

ursprünglichen Quellen des Gases thermogener oder biogener<br />

Natur sind. Auch in seismischen Datensätzen sind oft<br />

typische Anzeichen für Gasleckage zu finden. Obwohl<br />

detaillierte Beobachtungen über das Vorkommen solcher<br />

Indikatoren vielfach publiziert worden sind, fehlt noch eine<br />

genaue Untersuchung ihres Vorkommens im Laufe der Sedi-<br />

mentbeckenentwicklung, ihrer Relation zu Wärmeflussanomalien<br />

oder strukturellen Elementen, sowie zum Zusammenhang<br />

mit den aktiven Erdölsystemen.<br />

Das Orange River Becken wurde als Teil des INKABA ye<br />

AFRICA-Projekts für eine detaillierte Untersuchung der<br />

Dynamik von Gasgenese, -migration und -leckage auf der<br />

Skala eines gesamten sedimentären Beckens ausgesucht<br />

(Abb. 4.81). Das Orange Becken ist durch das Vorkommen<br />

der gesamten Palette von Gasleckageindikatoren<br />

gekennzeichnet. Schlammvulkane und sogar mögliche<br />

Anzeichen des Vorkommens von Gashydraten sind beschrieben<br />

worden (Ben Avraham et al., 2002).<br />

2D-seismische Datensätze und Bohrlochdaten wurden<br />

vom AWI Bremerhaven und der Petroleum Agency South<br />

Africa (PASA) für diese Studie bereitgestellt. An einem<br />

ersten Datensatz aus dem südlichen Teil des Beckens sind<br />

Gasleckageindikatoren detailliert kartiert worden. Dabei<br />

haben wir sowohl Gasschornsteine sowie oberflächennahe<br />

Amplitudeneffekte beobachtet, die auf gasgesättigte<br />

Schichten hindeuten. Zusätzlich ist in einem Fall ein möglicher<br />

fossiler Schlammvulkan identifiziert worden, welcher<br />

eine zeitliche Einordnung aktiver Gasleckage in der<br />

Vergangenheit erlaubt. Basierend auf der Interpretation<br />

der seismischen Daten ist ein Modell der Entwicklung des<br />

Beckens erstellt und die geologische Geschichte numerisch<br />

simuliert worden.<br />

Das Becken entstand als Resultat der Öffnung des Südatlantiks<br />

im Jura. Nach der Riftphase war das Orange<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.81: Lage des Untersuchungsgebietes<br />

und Stratigraphie.<br />

Location and stratigraphy of the study<br />

area.<br />

Becken durch kontinuierliche Subsidenz<br />

gekennzeichnet, die sich durch die<br />

stetige Agradation kretazischer Schichten<br />

bemerkbar macht. An der Wende<br />

Kreide-Tertiär fand landwärts eine<br />

Hebung und damit verbundene Erosion<br />

landnaher Schichten statt, die bis zur<br />

Gegenwart anhält. Diese veränderten<br />

Bedingungen sind als deutliche Progradation<br />

tertiärer Schichten über die kretazische<br />

Schelfkante hinaus sichtbar.<br />

Die Auswirkungen dieser Ablagerungsgeschichte<br />

auf das vorhandene Erdölsystem<br />

wurden durch eine Beckensimulation<br />

untersucht.<br />

Nach Kalibrierung des Modells an vorhandene<br />

Daten (Temperatur und Vitrinitreflexion),<br />

wurden auch die Genese<br />

und Migration von Kohlenwasserstoffen<br />

als Funktion der Wärmeflussgeschichte<br />

simuliert. Hierbei wurden die Eigenschaften<br />

der modellierten Sedimente im<br />

Rahmen der natürlichen Variabilität<br />

variiert, bis eine guten Übereinstimmung<br />

der vorhergesagten Leckage mit<br />

den kartierten Gasleckageindikatoren<br />

erzielt worden war (Abb. 4.82). Die so<br />

modellierten Migrationswege entsprechen<br />

in ihrer räumlichen Verteilung den<br />

beobachteten Gegebenheiten. Der errechnete<br />

gegenwärtige Gasfluss am<br />

Meeresboden des Untersuchungsgebiets<br />

passt sehr gut mit gemessenen Daten aus<br />

beispielsweise dem englischen Schelf<br />

(Judd et al., 1997) zusammen, und deutet<br />

darauf hin, dass eine Bilanzierung der<br />

Gasemissionen aus sedimentären Becken<br />

über geologische Zeiträume möglich<br />

ist.<br />

Modellierung des Norwegischen<br />

Kontinentalrandes und der südwestlichen<br />

Barentssee<br />

Im Rahmen von EUROMARGINS (ein<br />

DFG- und ESF-gefördertes Programm)<br />

untersuchen Wissenschaftler aus mehreren<br />

europäischen Ländern verschiedene<br />

Aspekte der Entwicklung europäischer<br />

Kontinentalränder. Das am <strong>GFZ</strong> durchgeführte<br />

Teilprojekt hat sich die Rekonstruktion<br />

der tektono-sedimentären Entwicklung<br />

im offshore-Bereich von Norwegen<br />

und der dort vorhandenen Kohlenwasserstoffsysteme<br />

zum Ziel gesetzt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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Abb. 4.82: a) Gas-Schornstein, pock mark und Amplitudeneffekt am Meeresboden wie aus der Seismik ersichtlich, b)<br />

kartierte Indikatoren für Gasleckage, c) modellierte Migrationswege der gasförmigen Kohlenwasserstoffe in Trägergesteinen,<br />

und d) modellierter Austritt thermogenen Gases am Meeresboden.<br />

a) Gas chimney, pock mark and amplitude effects as visible in the seismic section, b) mapped gas leakage indications,<br />

c) modelled gas migration pathways in the carrier system, and d) modelled gas leakage at the seafloor.<br />

Abb.4.83:Aktivitäten im Rahmen von EM16: SW Barentssee:<br />

thermische Geschichte, Belastung durch Eis und<br />

Beckeninversion mit Hebung; Vøring Margin: Strukturmodell<br />

mit Bilanzierung der Deformation.<br />

Activities in EM16: SW Barents Sea: Thermal History, Ice<br />

Loading and Inversion of an exhumed basin. Vøring Margin:<br />

3D Structural model, 2D structural restoration.<br />

Die Arbeitsgruppe setzt hierzu zwei Schwerpunkte: Einerseits<br />

wird die geodynamische Entwicklung des passiven<br />

Kontinentalrands Norwegens (Abb. 4.83) untersucht und<br />

andererseits die Wirkung tektonischer Bewegungen auf<br />

die Genese, Migration, Leckage und Sequestrierung von<br />

natürlichen Kohlenwasserstoffen sowie die damit verbundenen<br />

Rückkopplungsprozesse zur Klimaentwicklung.<br />

3D-Modell des Vøring-Beckens am atlantischen Kontinentalrand<br />

Norwegens<br />

Der passive Kontinentalrand Norwegens (Abb. 4.84) wurde<br />

von mehreren Dehnungsphasen erfasst, bevor es zum letztendlichen<br />

Aufbrechen der kontinentalen Kruste mit Bildung<br />

ozeanischer Kruste zwischen Grönland und Norwegen<br />

im frühen Eozän kam. Diese vorangehenden Dehnungsprozesse<br />

führten zur Bildung tiefer Sedimentbecken<br />

auf der kontinentalen Kruste vom Perm bis ins Känozoikum.<br />

Ein Verständnis der Entwicklung dieser Sedimentbecken,<br />

der Verlagerung von Depotzentren mit der Zeit<br />

und der anschließenden Überprägung durch jüngere Deformationsphasen<br />

erlaubt übertragbare Schlussfolgerungen<br />

zur Entwicklung von passiven Kontinentalrändern, ist<br />

jedoch auch essentiell, um die Aussagen zur Entwicklung<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.84: a) 3D Modell des Norwegischen Kontinentalrands, Blick auf die Basis Tertiär. b) Profil quer zum Kontinentalrand,<br />

das die komplexe interne Struktur der Kruste vom kontinentalen zum ozeanischen Bereich veranschaulicht.<br />

a) 3D model of the Norwegian continental margin, view on base Tertiary. b) Profile across the margin imaging the<br />

complex internal structure of the crust from the continental to the oceanic domain.<br />

dort vorkommender Kohlenwasserstoffsysteme machen<br />

zu können.<br />

Insbesondere können Änderungen der Temperatur- und<br />

Druckbedingungen dazu führen, dass Erdöl und Ergas<br />

nicht nur generiert, sondern auch umverteilt bzw. sogar<br />

freigesetzt wird, wodurch sich Rückkopplungsprozesse<br />

zur Klimaentwicklung ergeben können. In Zusammenarbeit<br />

mit den Universitäten von Oslo, Bergen und Amsterdam,<br />

sowie des Norwegischen Petroleum-Direktorats<br />

wurde ein dreidimensionales Strukturmodell einer Schlüsselregion<br />

des norwegischen Kontinentalrands, des Vøring-<br />

Beckens konstruiert. Hierzu waren eine Vielzahl geologischer<br />

und geophysikalischer Daten widerspruchsfrei zu<br />

integrieren, um die Strukturen dieses Kontinentalrands zu<br />

visualisieren. Das Modell ist einerseits die Basis für eine<br />

Strukturanalyse und gleichzeitig die Grundlage für verschiedene<br />

Modellierungansätze zur Rekonstruktion der<br />

Beckengeschichte.<br />

Modellierung der Genese, Migration und Freisetzung von<br />

Kohlenwasserstoffen in der Barentssee<br />

Dieser Aspekt des Projekts untersucht die Auswirkungen<br />

von tektonischer Hebung und postglazialen Ausgleichsbewegungen<br />

auf die Genese, Migration, Leckage und<br />

Sequestrierung von Treibhausgasen und den daraus resultierenden<br />

Einfluss auf das Erdklima im Känozoikum. Das<br />

dafür gewählte Untersuchungsgebiet, das Hammerfest-<br />

Becken in der südwestlichen Barentssee, war besonders<br />

stark von känozoischen Hebungen und damit verbundener<br />

Erosion betroffen, was zu einer Destabilisierung und<br />

möglicherweise Freisetzung von Kohlenwasserstoffen<br />

geführt hat. Die Studie wird somit nicht nur neue Erkenntnisse<br />

für die neuerdings wieder aufgenommene Erdölexploration<br />

in diesen arktischen Gebieten bringen, sondern<br />

auch mögliche Rückkopplungsprozesse zwischen Klimaentwicklung<br />

und der Freisetzung von Treibhausgasen<br />

sowie der Bildung und Freisetzung von Gashydraten aus<br />

fossilen Lagerstätten beleuchten. Erste Ergebnisse weisen<br />

darauf hin, dass die Hebung und damit verbundene Exhumierung<br />

des Hammerfest-Beckens in Zusammenhang mit<br />

den pleistozänen Vereisungen stattgefunden hat. Zurzeit<br />

werden verschiedene Eismodelle berücksichtigt, um die<br />

Druck- und Temperaturentwicklung und die daraus folgenden<br />

Phasenänderungen der Kohlenwasserstoffe des<br />

Snøhvit-Gasfelds zu rekonstruieren.<br />

Leben in „extremen“ Ablagerungsräumen<br />

Aufgrund der Bedeutung des Anteils der „Tiefen Biosphäre“<br />

an der Gesamtbiomasse der Erde, sind die rezenten<br />

mikrobiellen Prozesse von grundlegender Bedeutung<br />

für das Ökosystem Erde. Allerdings ist die Detektion und<br />

Charakterisierung von mikrobiellem Leben in marinen<br />

und terrestrischen tiefliegenden Lebensräumen immer<br />

noch eine Herausforderung. Obwohl in zahlreichen Studien<br />

in mehreren hundert bis tausend Metern Teufe Zellzahlen<br />

von 105 bis 106 Zellen/cm 3 nachgewiesen wurden<br />

(D’Hondt et al., <strong>2004</strong>; Parkes et al., 2000), ist eine genau-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

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360<br />

Abb. 4.85: Untersuchungsgebiet in der SW-Barentssee mit Lage des modellierten Profils und entsprechendes 2D-<br />

Beckenmodell im Hammerfest-Becken. Die modellierte Temperatur und Reifegeschichte dieses Beckens zeigt ein signifikantes<br />

thermisches Ungleichgewicht das vermutlich auf känozoische Erosion während der Eiszeiten zurückzuführen<br />

ist.<br />

Field area, the SW Barents Sea, location of modelled section and 2D Basin Model. Temperature and maturity calibration<br />

of the Hammerfest Basin reveals a significant thermal disequilibrium. That probably results from Cenozoic Ice Age<br />

erosion.<br />

ere Sicht auf die Zusammensetzung dieser mikrobiellen<br />

Gemeinschaften nach wie vor erforderlich. Vor allem<br />

deren Charakterisierung auf molekularer Basis – mit<br />

Schwerpunkt auf intakten Membranlipiden, wie z. B.<br />

Phospholipiden (PL), die als sogenannte „life marker“<br />

angesehen werden können – in unterschiedlichen Ablagerungsräumen<br />

kann zur Klärung der Verteilung lebender<br />

Organismen und insbesondere deren Anpassung und<br />

quantitativer Ausdehnung beitragen (Zink & Mangelsdorf,<br />

<strong>2004</strong>).<br />

Um diese Prozesse zu erforschen, wurden und werden tiefliegende<br />

Sedimente (bis zu mehreren hundert Metern)<br />

aus verschiedensten Ablagerungsräumen untersucht: Nankai<br />

Graben (ODP Leg 190, vor der Küste Japans), Upwelling-Zone<br />

vor Chile/Peru (R/V SONNE Expedition;<br />

Leg 201), Hydrate Ridge (Leg 204, vor der Küste Oregons),<br />

Mallik-Forschungsbohrung durch Permafrost- und<br />

Gashydratzonen, Mackenzie River Delta, Nord-Kanada<br />

und als Vergleichsmaterial lakustrine Sedimente aus dem<br />

Baikalsee, dem Aralsee und aus deutschen Seen. Aktuell<br />

wird eine Sedimentserie aus dem Porcupine-Becken vor<br />

Irland (ODP Leg 307) im Hinblick auf Signale von mikrobiellen<br />

Gemeinschaften untersucht. Insbesondere soll<br />

geklärt werden, ob durch abiotische Prozesse, wie die ther-<br />

mische Umwandlung von abgelagertem organischem<br />

Material oder die Leckage von Kohlenwasserstoffen, Verbindungen<br />

freigesetzt werden, die als Nahrung für die tiefe<br />

Biosphäre dienen können. Dazu werden neben den Lipiden<br />

auch die Isotopensignale der Kohlenwasserstoffgase<br />

analysiert, um deren thermische bzw. biologische Herkunft<br />

zu definieren.<br />

Während die lakustrinen Sedimente hohe Konzentrationen<br />

an bakteriellen, leicht abbaubaren, estergebundenen<br />

Phospholipiden enthalten, liegen die Konzentrationen in<br />

den tiefliegenden Sedimenten oft dicht an der Nachweisgrenze<br />

(ODP, Mallik). PL aus ODP Leg 201 Sedimenten<br />

(Site 1226, 1230) erreichen maximale Konzentrationen<br />

von nur 1,2 µg/gSed, deren Verteilungsmuster sind allerdings<br />

oft vergleichbar mit denen aus Oberflächenproben.<br />

Es hat sich aber gezeigt, dass sowohl die Mallik- als auch<br />

die meisten ODP-Sedimentproben von ethergebundenen<br />

Phospholipiden dominiert werden. Im Baikalsee wiederum<br />

(bis 1.630 m Wassertiefe) wurden Konzentrationen<br />

von bis zu 10,6 µg/gSed verschiedener estergebundener<br />

PL-Gruppen im ersten Meter des Sediments nachgewiesen.<br />

Die Zusammensetzung der PL-Gruppen scheint teilweise<br />

eine an die Umwelt angepasste mikrobielle Gemeinschaft<br />

zu reflektieren, insbesondere die hier häufigen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb.4.86:Modellierte Druck- und Temperaturänderungen während der Heraushebung des Hammerfest-Beckens. Inset:<br />

hochaufgelöste 1D-Absenkungsgeschichte für das Snøhvit-Gasfeld mit Eiszyklen. Eine Vorwärtsmodellierung der Eisbedeckung<br />

ergab ungewöhnliche Druckvariationen sowohl im tiefen Erdölsystem als auch in der flachen Gashydratzone.<br />

Modelled pressure and temperature fluctuations during exhumation for the Hammerfest Basin. Inset, high resolution<br />

burial history for the Snøhvit gas field with ice sheets. Forward modelling of ice sheet loading indicates unusual pressure<br />

fluctuations both in the deep petroleum system regime and near-surface gas hydrate environment. We are currently<br />

investigating these outcomes.<br />

Acylphosphatidylglycerole mit drei statt zwei Fettsäuren<br />

sind nur aus einigen wenigen Bakterien bekannt.<br />

Hohe Umsetzungsraten des organischen Materials in der<br />

Wassersäule und im ersten Zentimeter des Sediments lassen<br />

auf intensiven Abbau auch von Phospholipiden schließen,<br />

so dass die identifizierten PL höchstwahrscheinlich<br />

Bestandteile lebender Bakterien darstellen.<br />

Die über den See verteilten Kerne<br />

weisen deutliche Unterschiede in den PL-<br />

Konzentrationen mit der Teufe auf, so dass<br />

sogar z. T. ein Rückgang von ca. 90 %<br />

innerhalb der ersten 60 cm des Sediments<br />

auftritt. Diese Änderungen lassen sich<br />

entweder auf Änderungen in der bakteriellen<br />

Biomasse oder auf Biodegradation<br />

von PL zurückführen. Ein Vergleich von<br />

PL-Mengen und mikrobiellen Lebendzellzahlen<br />

für zwei Kurzkerne ergibt die<br />

gleiche Größenordnung bezüglich der<br />

lebenden Biomasse.<br />

Außerdem wurden zwei Gruppen mikrobieller<br />

Lipide, vermutlich von Archaeen<br />

stammend, sowohl im Baikal-See als auch<br />

in marinen ODP und den terrestrischen<br />

Mallik-Sedimenten nachgewiesen. Beide<br />

Komponentenserien werden als Etherlipide<br />

mit einer großen Bandbreite an Seitenkettenlängen<br />

interpretiert: eine Grup-<br />

pe wurde als Lysophosphatidylglycerol(LPG)ether identifiziert,<br />

die andere vorläufig als Glykophospholipidether.<br />

Im Gegensatz zu estergebundenen Lipiden, scheinen diese<br />

weniger anfällig gegenüber Abbauprozessen zu sein, vor<br />

allem LPGether sind auch in tieferen Sedimentlagen noch<br />

angereichert. Außerdem spricht deren verbreitetes und<br />

teufenunabhängiges Auftreten im marinen tieferen Unter-<br />

Abb. 4.87: Änderung im Membranlipidmuster des hyperthermophilen<br />

Archaeons Pyrococcus glycovorans (Wachstumstemperatur 95 bis 105 °C)<br />

aufgrund von erhöhtem Druck (Kultivierung durch G. Barbier, Universität<br />

Brest).<br />

Change in membrane lipid pattern of the hyperthermophilic archaeon /Pyrococcus<br />

glycovorans (growth temperature 95-105 °C) as response to enhanced<br />

pressure (cultivation by G. Barbier, University Brest).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

361


362<br />

grund – insbesondere in Leg 201 Sedimenten – für eine<br />

erhöhte Abbauresistenz.<br />

Um diese mikrobiellen Lipidmuster in Sedimenten besser<br />

nachvollziehen zu können, wurde die Anpassung an hohe<br />

Drücke, Temperaturen und Substratwechsel, die sich in der<br />

molekularen Zusammensetzung der mikrobiellen chemischen<br />

Zellkomponenten widerspiegelt, an verschiedenen<br />

Kulturen untersucht. Insgesamt bewirkten all diese Änderungen<br />

der Umgebungsbedingungen deutliche Variationen<br />

in den Kopfgruppen der Phospholipide und z. T. auch<br />

in den Fettsäureseitenketten (Mangelsdorf et al., <strong>2005</strong>).<br />

Diese neuen Erkenntnisse haben verdeutlicht, wie flexibel<br />

Mikroorganismen auf einen Wechsel in ihrem (extremen)<br />

Lebensraum reagieren können (Abb. 4.87).<br />

Die Nahrungsgrundlagen für mikrobielles Leben<br />

in tiefen terrestrischen Systemen<br />

Die in den letzten Jahren gewachsene Erkenntnis, dass<br />

mikrobielles Leben tief unterhalb der Erdoberfläche existiert<br />

(Parkes et al., 2000; Pedersen, 2000), führte zu einer<br />

völlig neuen Sichtweise darauf, wie tief und unter welchen<br />

Bedingungen Leben auf der Erde möglich ist. Eine der<br />

entscheidenden Fragen in diesem relativ neuen Wissenschaftsfeld<br />

ist, wie mikrobielles Leben in solch tiefen und<br />

alten Formationen überleben kann. Es wird angenommen,<br />

dass eine fermentative Umwandlung des in die Sedimente<br />

eingebetteten organischen Materials durch die Mikroben<br />

selbst zur kontinuierlichen Freisetzung von Nährstoffen<br />

führt. Eine weitere Quelle könnte allerdings auch die<br />

thermische Reifung des organischen Materials sein. Denn<br />

es ist bekannt, dass dabei potentielle Substrate – wie Wasserstoff,<br />

Kohlendioxid, Methanol, und Acetat – freigesetzt<br />

werden, was den Ablauf von autotrophen Reaktionen wie<br />

der Methanogenese und der Acetogenese ermöglicht und<br />

damit eine Kopplung zwischen geologischen und biologischen<br />

Prozessen bedeuten würde.<br />

Die DEBITS (Deep Biosphere in Terrestrial Systems)-<br />

Bohrung auf Neuseeland (Abb. 4.88) bietet die Möglichkeit,<br />

derartige Prozesse zu untersuchen. Der erbohrte Kern<br />

umfasst eine Sedimentabfolge von mehreren Lagen, die<br />

reich an organischem Material unterschiedlicher Reife<br />

sind, eingebettet in Ton-, Silt- und Sandschichten. Die an<br />

organischen Stoffen reichen Lagen dienen dabei vermutlich<br />

als potentielle substratliefernde Schichten, während<br />

die grobkörnigeren Ton-, Silt- und Sandschichten potentielle<br />

Lebensräume für die Mikroben darstellen. Darüber<br />

hinaus werden Proben einer vollständigen Reifesequenz<br />

(Torfe bis reife Braunkohlen) aus verschiedenen neuseeländischen<br />

Becken untersucht, um den Einfluss der Fazies<br />

auf die Reife zu untersuchen und um das Substratpotential<br />

dieser Kohlen mit steigender Reife abzuschätzen.<br />

Ziele der DEBITS-Studie sind zum einen die Charakterisierung<br />

des Lebensraums von tiefen mikrobiellen Populationen<br />

vor dem Hintergrund unterschiedlicher Sedimentlithologien<br />

mit variablen Gehalten an organischem<br />

Kohlenstoff (potentielle Substratfreisetzung) und zum<br />

anderen die Entwicklung eines Bohrverfahrens im terres-<br />

trischen Bereich zur Erbohrung von möglichst kontaminationsfreiem<br />

oder zumindest kontaminationskontrolliertem<br />

Kernmaterial für biogeochemische Untersuchungen.<br />

Eine der Grundvoraussetzung biogeochemischer Untersuchungen<br />

ist, dass das Kernmaterial tiefer gelegener<br />

Sedimentabschnitte frei von mikrobieller Oberflächenkontamination<br />

ist. Die angewandten Bohrverfahren im terrestrischen<br />

Bereich (hier das Rotationsbohrverfahren)<br />

stellen dabei eine besondere Herausforderung dar. Um die<br />

Eindringtiefe der Bohrflüssigkeit in das Kernmaterial und<br />

damit die potentielle Kontamination mit Mikroorganismen<br />

von der Oberfläche zu dokumentieren, wurden der<br />

Bohrspülung vor Beginn und kontinuierlich während der<br />

Bohrung fluoreszierende Mikropartikel (in der Größe von<br />

Mikroorganismen 0,5µm) beigefügt. Nach Gewinnung<br />

des Kernmaterials wurden Proben von der äußeren und<br />

inneren Kernsektion genommen und unter dem Fluoreszenzmikroskop<br />

hinsichtlich ihrer Mikropartikelkontamination<br />

untersucht. Die mikroskopischen Untersuchungen<br />

ergaben eine variable Abfolge von kontaminierten und<br />

nicht kontaminierten Kernabschnitten, scheinbar unabhängig<br />

von der Sedimentlithologie. Dennoch ermöglichte<br />

das entwickelte Bohrverfahren die Gewinnung vieler<br />

unkontaminierter Kernabschnitte, die dann für die weiteren<br />

mikrobiologischen und biogeochemischen Untersuchungen<br />

herangezogen werden konnten.<br />

Die molekular organisch-geochemische Analyse der Kohlen<br />

aus der Reifesequenz haben anhand der Biomarkerverteilung<br />

bisher ergeben, dass die verschiedenen Beckenfazies<br />

sehr großen Einfluss auf das organische Ausgangsmaterial<br />

haben und somit auch auf das Substrat-Potential<br />

für Mikroorganismen. Insbesondere der in den neuseeländischen<br />

Kohlen z. T. hohe Anteil an aromatischen Biomarkern<br />

und mit zunehmender Reife an generierten Aromaten<br />

wird als potentielle Wasserstoffquelle für bestimmte<br />

Mikroorganismen interpretiert.<br />

Zur Detektierung von lebenden Mikroorganismen in den<br />

tieferen Zonen der DEBITS-Bohrung werden spezifische<br />

Biomarker, die so genannten Phospholipide verwendet, die<br />

nur in lebenden Organismen über längere Zeiträume stabil<br />

sind. Die Lipiduntersuchung ausgewählter Übergänge von<br />

Lagen, reich an organischem Material, zu grobkörnigeren<br />

Ton-, Silt- und Sandschichten lassen vermuten, dass die<br />

Mikroben das klastische Material nahe der Schichten mit<br />

organischem Material (potentielle Substratlieferanten) als<br />

Lebensraum bevorzugen. Eine Erklärung für diese Beobachtung<br />

könnte der größere Porenraum in diesen Lithologien<br />

sein, der metabolische Austauschprozesse der Mikroorganismen<br />

im Porenwasser erlaubt. Die Nähe zu den<br />

Schichten, die reich an organischem Material sind, weist<br />

dabei auf eine Substratfreisetzung aus diesen Schichten in<br />

die angrenzenden Lagen hin (Beispiel siehe Abb. 4.88).<br />

Mechanismen und Effekte des biologischen Erdölabbaus<br />

Biologischer Abbau von Kohlenwasserstoffen in Erdölund<br />

Erdgaslagerstätten ist ein weit verbreitetes Phänomen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.88: Foto der DEBITS Bohrlokation nahe des Ortes Huntly auf der Nordinsel Neuseelands, Foto eines Kernsegmentes<br />

mit Fragmenten organischen Materials eingebettet in tonige Sedimentschichten und Diagramm der Phospholipidverteilung<br />

als Indikator für lebende Mikroorganismen relativ zur Lithologie und zum TOC-Gehalt. Das Verteilungsmuster<br />

scheint einen Ausgleich zwischen der Umgebung der (substratliefernden) Schicht, die reich an organischem<br />

Material ist, und ausreichendem Porenraum anzudeuten.<br />

Photo of the DEBITS drilling location near the village of Huntly on the North Island of New Zealand, Photo of a subcore<br />

with coaly fragments imbedded into a claystone sequence, and distribution diagram of phospholipids indicating<br />

the presence of viable microorganisms, relative to different lithologies and TOC contents. The distribution pattern points<br />

to a compromise between the vicinity to the organic carbon rich „feeder“ lithology and sufficient pore space.<br />

mit negativen technischen, wirtschaftlichen und ökologischen<br />

Folgen. Es ist seit langem bekannt, dass der biologische<br />

Abbau zu einer Erhöhung der Dichte und der Viskosität<br />

ebenso wie zu einer Erhöhung der Gehalte an<br />

Schwefel, Schwermetallen und organischen Säuren in den<br />

betroffenen Erdölen führt. Wegen des Fehlens von Sauerstoff<br />

in den Lagerstätten müssen die Abbauprozesse unter<br />

anaeroben Bedingungen ablaufen. Aus diesem Grund war<br />

die Aufklärung von Mechanismen des anaeroben biologischen<br />

Kohlenwasserstoffabbaus ein wichtiger Beitrag im<br />

Hinblick auf das Verständnis solcher Prozesse in natürlichen<br />

Ökosystemen, zu denen auch die Erdöl- und Erdgaslagerstätten<br />

gehören (z. B. Wilkes et al., 2003). Einen<br />

Überblick über den Prozess des biologischen Erdölabbaus<br />

in Lagerstätten vermittelt Abb. 4.89.<br />

Generell wird davon ausgegangen, dass die Veränderungen<br />

der Erdölzusammensetzung im Wesentlichen durch die<br />

unterschiedliche Abbaubarkeit verschiedener Erdölbestandteile<br />

zu Stande kommen. Auf der Basis empirischer<br />

Daten wurden Klassifizierungsschemata entwickelt, mit<br />

deren Hilfe Erdöle entsprechend dem Ausmaß der Biodegradation<br />

bewertet werden können (Peters und Moldowan,<br />

1993; Wenger et al., 2001). Unsere Untersuchungen zum<br />

Einfluss der biologischen Abbauprozesse auf die Zusammensetzung<br />

und damit auf die Eigenschaften des Erdöls<br />

haben nun gezeigt, dass solche verallgemeinerten Abbauschemata<br />

nur mit großen Einschränkungen anwendbar sind.<br />

Die detaillierte Analyse biodegradierter Erdöle unterschiedlicher<br />

geographischer Herkunft (Nordsee; Kanada;<br />

Ägypten; Westafrika) zeigt, dass jedes Erdölsystem charakteristische<br />

Muster in der Abfolge des Abbaus verschiedener<br />

Erdölbestandteile aufweist. Besonders wichtig<br />

ist die Erkenntnis, dass der Abbau verschiedener Erdölbestandteile<br />

nicht, wie bislang angenommen, stufenweise<br />

verläuft, sondern dass die verschiedenen Erdölbestandteile<br />

gleichzeitig, aber mit sehr unterschiedlichen Raten<br />

abgebaut werden. Hierfür können im Wesentlichen zwei<br />

Gründe verantwortlich gemacht werden. Es ist bekannt,<br />

dass anaerobe kohlenwasserstoffabbauende Mikroorganismen<br />

ausgesprochene Spezialisten sind, die jeweils nur<br />

ein sehr geringes Spektrum der im Erdöl vorhandenen Einzelverbindungen<br />

verwerten können (Widdel und Rabus,<br />

2001). Daher wird der Verlauf der Abbauprozesse in einem<br />

Erdölsystem von der jeweiligen Zusammensetzung der<br />

mikrobiellen Gemeinschaft abhängen. Über die geologischen<br />

Faktoren, die die Lebensbedingungen in einer<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

363


364<br />

Abb.4.89:Überblick über den Prozess des<br />

biologischen Erdölabbaus: Mikrobielles<br />

Leben in Erdöllagerstätten erfordert<br />

zwingend flüssiges Wasser. Daher finden<br />

biologische Abbauvorgänge bevorzugt an<br />

der Grenze von Öl- und Wasserphase statt,<br />

wodurch es zu vertikalen Gradienten in<br />

der Erdölzusammensetzung kommt. Physikalisch-chemische<br />

Faktoren und Prozesse<br />

(diffusiver Transport, Sorptionseigenschaften,<br />

Verteilungsverhalten, Wasserlöslichkeit)<br />

kontrollieren die unterschiedliche<br />

Bioverfügbarkeit einzelner<br />

Erdölbestandteile. Mikroorganismen passen<br />

ihr Verhalten an die Eigenschaften der<br />

jeweils bevorzugten Substrate an. Sind<br />

diese gut wasserlöslich, treiben ihre Abbauer<br />

frei in der Wasserphase („non-attached<br />

bacteria“), sind sie dagegen schlecht<br />

wasserlöslich, halten sich ihre Abbauer<br />

nahe am Öl-Wasser-Kontakt auf („attached<br />

bacteria“). Für den Verlauf der Abbauvorgänge<br />

sind weitere Faktoren wie<br />

z. B. die Verfügbarkeit von Elektronenakzeptoren<br />

(Sulfat, CO 2) von Bedeutung. Es<br />

wird auf Grund empirischer Befunde allgemein<br />

angenommen, dass 80 bis 90 °C<br />

die Temperaturobergrenze für biologischen<br />

Abbau von Kohlenwasserstoffen<br />

in Lagerstätten darstellt. Der Grund hierfür<br />

ist allerdings unklar, da mikrobielles<br />

Leben bei weit höheren Temperaturen<br />

(>110 °C) möglich ist.<br />

Conceptional overview of petroleum biodegradation. Microbial life in reservoirs is only possible in the presence of<br />

liquid water. Therefore, biodegradation takes mainly place at the oil-water-contact, resulting in vertical gradients of<br />

oil composition. Physicochemical factors and processes (diffusive transport, sorption behaviour, partition behaviour,<br />

water solubility) control the different bioavailability of individual oil constituents. Microorganisms adapt their behaviour<br />

to the properties of preferred substrates. Degraders of highly water soluble substrates thrive in the water phase<br />

(„non-attached bacteria“) while degraders of substrates of low water solubility stay in close vicinity to the oil-watercontact<br />

(„attached bacteria“). With respect to the overall process other factors such as the availability of electron<br />

acceptors (sulphate, CO 2) are also very important. Based on empirical observations it is generally assumed that 80 –<br />

90 °C represent the upper temperature limit for biodegradation of hydrocarbons in reservoirs. The reason for this, however,<br />

is not clear since microbial life is possible at significantly higher temperatures (> 110 °C).<br />

Lagerstätte und damit die Zusammensetzung der Mikroflora<br />

steuern, ist bislang allerdings nur sehr wenig bekannt.<br />

Hieraus ergibt sich erheblicher Forschungsbedarf für zukünftige<br />

Untersuchungen. Der zweite wichtige Faktor ist<br />

die Bioverfügbarkeit einzelner Erdölbestandteile. Da kohlenwasserstoffabbauende<br />

Mikroorganismen in der Wasserphase<br />

einer Lagerstätte leben, können sie nur solche<br />

Ölbestandteile verwerten, die in gelöster Form im Wasser<br />

vorliegen (Abb. 4.89). Alle physikalisch-chemischen Prozesse,<br />

die den Transport in die Wasserphase und die Konzentration<br />

dort bestimmen, haben daher einen Einfluss auf<br />

die Bioverfügbarkeit und somit auch auf die Abbauraten.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen haben wir<br />

eine Methode entwickelt, mit der erstmals die relativen<br />

Abbauraten individueller Erdölbestandteile für einzelne<br />

Lagerstätten ermittelt werden können. Abb. 4.90 erläutert<br />

dies am Beispiel der n-Alkane.<br />

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse zur Wirkung biologischer<br />

Abbauprozesse auf die Änderung der Erdölzusammensetzung<br />

können neue konzeptionelle Modelle zur besseren<br />

Vorhersage von Erdöleigenschaften entwickelt werden.<br />

Häufig verwendete molekulare Indikatoren für die<br />

Abbauprozesse und wichtige Kenngrößen zur Charakterisierung<br />

der Erdölqualität sind oft widersprüchlich. Eine<br />

der wichtigsten Kenngrößen ist die so genannte API-Dichte<br />

(genauere Erläuterungen finden sich in der Legende zu<br />

Abb. 4.91), deren Werte mit fortschreitender Biodegradation<br />

sinken. Als molekulare Indikatoren finden vornehmlich<br />

die Konzentrationsverhältnisse ausgewählter Erdölbestandteile<br />

Verwendung. Unsere Untersuchungen zeigen,<br />

dass widersprüchliche Ergebnisse eine Folge inadäquater<br />

molekularer Parameter sind. Daher haben wir einen<br />

neuen molekularen Parameter entwickelt, der auf der<br />

Quantifizierung von mehr als 50 Erdölbestandteilen<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.90: Abhängigkeit der relativen Abbauraten von n-Alkanen von der<br />

Kettenlänge. Der diffusive Transport und die Wasserlöslichkeit von n-Alkanen<br />

nehmen mit zunehmender Kettenlänge ab, so dass die Bioverfügbarkeit<br />

sinkt. Die Abb. vergleicht Ergebnisse für Erdölsysteme im West-Shetland-<br />

Becken und im Mackenzie-Delta. In beiden Fällen nimmt die relative Abbaurate<br />

mit der Kettenlänge ab. Es wird jedoch auch deutlich, dass in den<br />

beiden Erdölsystemen unterschiedliche Kettenlängenbereiche besonders<br />

schnell abgebaut werden.<br />

Dependence of relative degradation rates of n-alkanes on chain length.<br />

Diffusive transport and water solubility of n-alkanes decrease with increasing<br />

chain length resulting in reduced bioavailability. The graph compares<br />

results for petroleum systems in the West Shetland Basin and in<br />

the Mackenzie Delta. In both cases, relative degradation rates decrease<br />

with increasing chain length. It can also be seen, that the chain length<br />

range of most rapidly degraded n-alkanes differs in the two petroleum<br />

systems.<br />

basiert. Abb. 4.91 zeigt, dass mit diesem<br />

Parameter die Erdölqualität (API-Dichte)<br />

auf der Basis chemischer Analysen ausgezeichnet<br />

vorhergesagt werden kann.<br />

Anwendung substanzspezifischer<br />

Isotopenverhältnisse in geochemischen<br />

Fragestellungen<br />

Mit der technischen Entwicklung von<br />

GC-IRMS-Systemen ist es seit einigen<br />

Jahren möglich, die Kohlenstoff- und<br />

Wasserstoffisotopenverhältnisse für einzelne<br />

Verbindungen in komplexen Stoffgemischen<br />

zu bestimmen. Die Bestimmung<br />

der substanzspezifischen Kohlenstoffisotopenverhältnisse<br />

umfasst die<br />

gaschromatographische Trennung der<br />

komplexen Gemische, die anschließende<br />

Oxidation der einzelnen Verbindungen zu<br />

CO 2 und H 2O und die massenspezifische<br />

Detektion des CO 2 sowie Berechnung des<br />

δ 13 C-Wertes im Verhältnis zum international<br />

definierten Standard PeeDee<br />

Belemnit (Abb. 4.92).<br />

Die Isotopenverhältnisse organischer<br />

Substanzen sind abhängig von der Herkunft<br />

des Materials sowie von der Art und<br />

der Intensität biochemischer Prozesse.<br />

An der Lokation eines aktiven Gasaustritts<br />

im Forearc-Becken des Sunda-<br />

Bogens südlich von Java konnten anhand<br />

Abb. 4.91: Vergleich der vorhergesagten und gemessenen API-Dichten für Erdöle unterschiedlicher geographischer<br />

Herkunft. Die API-Dichte berechnet sich aus der gemessenen Dichte gemäß der Formel: API-Dichte = (141,5/spezifische<br />

Dichte) – 131,5. Die untersuchten<br />

Erdöle sind in unterschiedlichem Ausmaß<br />

von biologischen Abbauprozessen beeinflusst.<br />

Das Bestimmtheitsmaß (R 2 = 0,96)<br />

dokumentiert die Qualität der vorhergesagten<br />

Werte. Die mittlere Abweichung<br />

der vorhergesagten von der gemessen<br />

API-Dichte ist 1,2 und damit weit besser<br />

als bei bisherigen Methoden zur Vorhersage<br />

der Ölqualität.<br />

Comparison of predicted and measured<br />

API gravities for crude oils of different<br />

geographical origin. The API gravity is<br />

calculated from the measured gravity<br />

according to the formula: API gravity =<br />

(141.5/specific gravity) – 131.5. The<br />

investigated oils have been degraded to<br />

different extents. The coefficient of correlation<br />

(R 2 = 0.96) documents the high<br />

quality of the predicted values. The<br />

mean deviation of the predicted from the<br />

measured API gravity is 1.2 and hence<br />

much better than for previously reported<br />

methods for the prediction of oil<br />

quality.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

365


366<br />

Abb. 4.92: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines GC-IRMS-Systems zur Bestimmung substanzspezifischer<br />

Kohlenstoffisotopenverhältnisse. Die Trennung des komplexen Stoffgemisches erfolgt gaschromatographisch. Bei<br />

einer Temperatur von 940 °C werden die getrennten Substanzen katalytisch zu CO 2 und H 2O oxidiert. Der Reduktionsreaktor<br />

dient der Eliminierung von Stickoxiden, in der Wasserfalle werden Wassermoleküle über eine Nafion ® -<br />

Membran aus dem Trägergas entfernt. Das verbleibende CO 2 wird nach der Ionisierung massenspezifisch detektiert<br />

und aus dem Verhältnis von 44 CO 2 zu 45 CO 2 kann der δ 13 C Wert berechnet werden.<br />

Schematic view of a GC-IRMS-system for compound-specific isotope analysis. The separation of complex mixtures is<br />

done by gas chromatography. At a temperature of 940 °C separated compounds are oxidized to CO 2 and H 2O catalytically.<br />

The reduction interface eliminates nitrogen oxides and the water is separated from the carrier gas by a Nafion ®<br />

membrane in the water removal device. The remaining CO 2 is ionized and detected in the mass spectrometer. From the<br />

ratio of 44 CO 2 to 45 CO 2 the δ 13 C value can be calculated.<br />

geochemischer und isotopenchemischer Untersuchungen<br />

die wesentlichen geobiochemischen Prozesse identifiziert<br />

werden. Die beprobten Sedimente waren stark mit Methan<br />

angereichert, dessen Isotopenverhältnis von –71 ‰ PDB<br />

auf einen bakteriellen Ursprung hinweist (Wiedicke et al.,<br />

2002). Mit der Abnahme der Methankonzentration in der<br />

Wassersäule zeigt sich eine Anreicherung des Methans bis<br />

zu –59 ‰ PDB, was auf anaerobe Oxidation des Methans<br />

schließen lässt. Bestätigt wird die anaerobe Methanoxidation<br />

durch die Anwesenheit und isotopische Zusammen-<br />

Abb. 4.93: Gaschromatogramm der aus den authigenen<br />

Carbonaten vom Sunda-Bogen extrahierten Aliphatenfraktion.<br />

Die Biomarker Crocetan und PMI sind markiert<br />

und die mittels GC-IRMS bestimmten δ 13 C-Werte hinzugefügt.<br />

Gas chromatographic results from the aliphatic fraction<br />

that was extracted from the authigenic carbonates from<br />

the Sunda Arc. The biomarkers crocetane and PMI are<br />

marked in red and the δ 13 C values that were detected by<br />

GC-IRMS, are also given.<br />

setzung der authigenen Carbonate am Standort. In den<br />

Carbonaten konnten wir Crocetan (2,6,11,15-Tetramethylhexadecan)<br />

und PMI (2,6,10,15,19-Pentamethylicosan)<br />

nachweisen und deren isotopische Zusammensetzung<br />

bestimmen (Abb. 4.93). Beide Substanzen sind typische<br />

Biomarker für Archaeen, die Mikroorganismen, die an der<br />

anaeroben Methanoxidation beteiligt sind. Die leichte Isotopensignatur<br />

beider Substanzen zeigt eindeutig die Herkunft<br />

aus dem leichten Methan am Standort.<br />

Aktuelle Untersuchungen beschäftigen sich mit der Quantifizierung<br />

des biologischen Abbaus von Erdölbestandteilen<br />

in verschiedenen Lagerstätten. Durch die Biodegradation<br />

des Erdöls in Lagerstätten ändert sich die Zusammensetzung<br />

des Erdöls und verringert sich der ökonomische<br />

Wert. Der biologische Abbau von Kohlenwasserstoffen<br />

ist mit einer Änderung der Isotopenverhältnisse<br />

(Isotopenfraktionierung) des Substrats verbunden. Die<br />

leichten Isotopomere werden bevorzugt umgesetzt und die<br />

schweren Isotopomere reichern sich im Residuum an (Isotopenfraktionierung).<br />

Aus der Intensität der gemessenen<br />

Fraktionierung kann auf das Ausmaß des biologischen<br />

Abbaus geschlossen werden. Dieses Konzept wurde<br />

erfolgreich angewendet zur Bestimmung der Intensität des<br />

biologischen Abbaus leichtflüchtiger Kohlenwasserstoffe<br />

im Gullfaks-Ölfeld in der norwegischen Nordsee (Vieth<br />

und Wilkes, <strong>2005</strong>). Für die n-Alkane von n-C 4 bis n-C 7<br />

zeigt sich ein Rückgang der Isotopenfraktionierung mit<br />

zunehmender Anzahl von Kohlenstoffatomen im Molekül,<br />

was einerseits als Abnahme der Abbauintensität mit<br />

zunehmender Kettenlänge, andererseits aber auch als so<br />

genannter Verdünnungseffekt beurteilt werden kann. Da<br />

die Reaktion, die zur Isotopenfraktionierung führt, nur an<br />

einem Kohlenstoffatom wirksam ist, wird der Isotopeneffekt<br />

für das gesamte Molekül mit zunehmender Anzahl an<br />

Kohlenstoffatomen geringer. Toluol zeigt in den Proben<br />

des Gullfaks-Ölfeldes keine Isotopenfraktionierung, wird<br />

also nicht abgebaut. Dies überrascht insofern, als zahlrei-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 4.94: Lage der Bohrungen im Gullfaks-Ölfeld in der norwegischen Nordsee; der biologische Effekt auf die Ölzusammensetzung<br />

nimmt nach Westen zu. Der Rückgang der Konzentration korreliert mit dem Anstieg der δ 13 C-Werte für<br />

n-Hexan. Aus den δ 13 C-Werten und einem Fraktionierungsfaktor, der in einem Laborversuch für n-Hexan bestimmt<br />

wurde, kann der prozentuale biologische Abbau berechnet werden (Rayleigh-Gleichung).<br />

Location of the boreholes within the Gullfaks oil field, offshore Norway; the effect of biodegradation increases to the<br />

west. The decrease in concentration is correlated to an enrichment in 13C of the residual n-hexane. Using the δ 13 C<br />

values and the laboratory-derived isotope fractionation factor, the percentage of biodegradation can be calculated<br />

(Rayleigh equation).<br />

che Studien den sehr guten Abbau von Toluol unter anaeroben<br />

Bedingungen beschreiben, doch scheinen diese<br />

Mikroorganismen in der Biozönose des Gullfaks-Ölfelds<br />

zu fehlen. Eine Quantifizierung des biologischen Abbaus<br />

einzelner Komponenten ist möglich anhand der Änderung<br />

der Isotopenverhältnisse und unter Berücksichtigung<br />

eines im Laborversuch bestimmten Fraktionierungsfaktors<br />

für die Einzelkomponente. Die Ergebnisse der Quantifizierung<br />

des biologischen Abbaus von n-Hexan zeigt<br />

Abb. 4.94.<br />

Seismisch getriggerte mikrobielle Methanbildung<br />

– ein Hinweis auf dynamische Prozesse innerhalb<br />

der Tiefen Biosphäre<br />

Die Untersuchung mikrobieller Lebensgemeinschaften<br />

im Bereich von ozeanischen Hydrothermalsystemen und<br />

sedimentären Beckenbereichen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung<br />

und Dynamik ist ein seit mehreren Jahrzehnten<br />

intensiv beforschter Themenkomplex der Biogeochemie.<br />

Ähnlich ausgerichtete Untersuchungen in kristallinen<br />

Grundgebirgsbereichen von Kontinenten wurden<br />

international erst vor ca. 10 Jahren begonnen.<br />

Der Nachweis seismisch getriggerter mikrobieller Methanbildung<br />

im freien Quellgas der Wettinquelle, Bad<br />

Brambach (Bräuer et al., <strong>2005</strong>) ist ein erster Befund dafür,<br />

dass mit dynamischen Prozessen innerhalb der tiefen kontinentalen<br />

Biosphäre zu rechnen ist.<br />

Grundlage dieser Aussage ist eine über mehrere Jahre<br />

angelegte Messreihe. Das Untersuchungsgebiet liegt im<br />

Grenzbereich zwischen der Tschechischen Republik<br />

(NW-Böhmen) und der Bundesrepublik Deutschland<br />

(Vogtland, Fichtelgebirge) und ist sowohl seismisch als<br />

auch hydrothermal aktiv. Die Ortslage Bad Brambach<br />

befindet sich im Bereich des Fichtelgebirge/Smirciny-<br />

Granitmassivs (spätvariszisch). Das Wasser der Wettinquelle<br />

wird für therapeutische Zwecke genutzt. Es handelt<br />

sich um einen Radon-führenden Na-Ca-HCO 3-SO 4 Säuerling.<br />

Das freie Quellgas enthält hauptsächlich Kohlendioxid<br />

(99,7 vol.%). Außerdem sind u. a. Spuren von Stickstoff<br />

(0,3 vol.%), Sauerstoff (≈ 150 ppmv), Argon (≈ 100<br />

ppmv), Helium (≈ 2,5 ppmv), Wasserstoff (≈ 1 ppmv) und<br />

Methan (≈ 35 ppmv) nachweisbar. Die Analyse der Spurenkomponenten<br />

war nur deshalb möglich, weil das CO 2<br />

vor der Messung mit KOH entfernt wurde, was zur Anreichung<br />

der Spurenkomponenten im Restgas führte. Die<br />

Schüttung der Mineralquelle schwankt zwischen 100 und<br />

270 l/h.<br />

Das gas- und isotopengeochemische Monitoring startete<br />

Anfang Mai 2000 und lief bis Oktober 2003. Es wurde<br />

u. a. die Gaszusammensetzung gemessen sowie die δ 13 C-<br />

Werte des Methans analysiert. Am 28. 08. 2000, also knapp<br />

vier Monate nach Beginn, setzte eine über vier Monate<br />

andauernde Schwarmbebenserie im Epizentralgebiet<br />

Novy Kostel ein. Das Zentrum des Bebengebiets liegt ca.<br />

10 km östlich von der Wettinquelle. Es wurden mehr als<br />

10.000 Beben im Magnitudenbereich > 0 (Maximalmagnitude<br />

3,3) registriert. Die seismische Aktivität lief in neun<br />

Perioden ab, wobei die Hypozentren in Tiefen zwischen<br />

7,5 und 10,5 km wanderten. Schwarmbeben unterscheidet<br />

man von tektonischen Beben vor allem dadurch, dass<br />

eine Vielzahl von Beben unterschiedlicher Magnituden<br />

auftreten, ohne dass ein Hauptbeben erkennbar ist. Dieser<br />

Typ von Seismizität ist weltweit vor allem in Vulkan- und<br />

Hydrothermalgebieten verbreitet.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

367


368<br />

Abb. 4.95: Zeitreihe der Methankonzentration und der assoziierten Kohlenstoffisotopenverhältnisse von Methan von<br />

der Wettinquelle, Bad Brambach im Zeitraum Mai 2000 bis Oktober 2003. Der grau gefärbte Bereich kennzeichnet den<br />

Zeitraum der NW-Böhmen Schwarmperiode 2000 (vgl. auch eingefügte Abbildung).<br />

Time series of methane concentrations and the associated methane δ 13 C values of the Wettinquelle, Bad Brambach between<br />

May 2000 and October 2003. The grey-signed range marks the period of seism city of the NW Bohemia swarm<br />

2000 that can be seen in the inlet picture in more detail.<br />

Beginnend ca. 60 Tage nach dem Einsetzen der seismisch<br />

aktiven Periode 2000 wurde an der Wettinquelle ein deutlicher<br />

Anstieg der Methankonzentration (von ≈ 40 auf<br />

≈ 250 ppmv) beobachtet. Gleichzeitig mit dem Anstieg<br />

der Methankonzentration fielen die δ 13 C CH4-Werte von<br />

≈ –50 ‰ auf ≈ –70 ‰ ab (Abb. 4.95). Das ist ein Beleg<br />

dafür, dass mikrobiell gebildetes Methan zugeführt wird.<br />

Zirka zwei Jahre lang wurde wiederholt ein Anstieg der<br />

Methankonzentration bei gleichzeitigem Abfall der<br />

δ 13 C CH4-Werte nachgewiesen.<br />

Pedersen (1997) wies die Existenz von Mikroorganismen<br />

(autotrope Methanogene) in tiefen granitischen Aquiferen<br />

in Südschweden nach. Die Organismen nutzen Wasserstoff<br />

als Elektronenquelle und produzieren Methan aus H 2<br />

und CO 2. Die Schlüsselfrage zum weiteren Verständnis<br />

dieser mikrobiologischen Aktivität ist die Verfügbarkeit<br />

von Wasserstoff im kristallinen Gestein. Granite haben<br />

meist überdurchschnittlich hohe U-, Th- und K-Gehalte,<br />

die zu einer erhöhten natürlichen Radioaktivität führen.<br />

Diese Energiequelle nutzend, kann Wasserstoff durch<br />

Radiolyse von Wasser produziert werden. Die acht<br />

Wochen nach Beginn der Schwarmbeben einsetzende<br />

Zunahme der Methankonzentration ist, wie die gleichzeitig<br />

nachgewiesene Abnahme der δ 13 C CH4-Werte belegt,<br />

durch Zumischung von mikrobiell gebildetem Methan<br />

verursacht. Dabei wird der infolge seismisch bedingter<br />

Änderungen des lokalen Spannungsfeldes aus dem Granit<br />

freigesetzte Wasserstoff zur mikrobiellen Reduktion<br />

von CO 2 verwendet und somit weitgehend verbraucht.<br />

Unklar ist zurzeit u. a. noch in welcher Tiefe die Prozesse<br />

ablaufen und wie das Methan produzierende Ökosystem<br />

von Mikroorganismen zusammengesetzt ist.<br />

Interaktionen zwischen seismischen Prozessen, Fluiden<br />

und mikrobiologischer Aktivität sind ein international<br />

weitgehend neues Gebiet. Unabhängig von ihrem Wert für<br />

die Seismologie dürfte diese Forschungsrichtung zukünftig<br />

eine große Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis<br />

dynamischer Prozesse im Bereich der tiefen Biosphäre<br />

in kontinentalen Grundgebirgseinheiten bekommen.<br />

Folgeuntersuchungen, die eine weitere Klärung bringen<br />

sollen, sind angelaufen. Die Arbeiten werden in<br />

Zusammenarbeit von mehreren Einrichtungen durchge-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


führt. Neben dem <strong>GFZ</strong> Potsdam, Sektion Organische Geochemie,<br />

sind daran das UFZ Leipzig-Halle, Department<br />

Hydrogeologie, die TU Bergakademie Freiberg, Arbeitsgruppe<br />

Mikrobiologie, die BGR Hannover und die Sächsische<br />

Akademie der Wissenschaften beteiligt.<br />

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<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

371


372<br />

Zusammenbau des Bohrlochkopfes für das moderate Injektionsexperiment im Dezember <strong>2004</strong> in der Geothermie-Forschungsbohrung<br />

Groß Schönebeck 3/90 (Foto: M. Poser, <strong>GFZ</strong>).<br />

Setup of the well head to be used for the injection experiment in the research borehole Groß Schönebeck 3/90.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Department 5<br />

Geoengineering<br />

Die Arbeiten des Departments 5 „Geoengineering“ tragen<br />

zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Lebensraum<br />

Erde bei. Dies betrifft besonders die Themenfelder Gestaltung,<br />

Sicherung und Nutzung der Erdoberfläche und<br />

des Untergrundes als Verkehrs- und Wirtschaftsraum (Sektion<br />

5.1 „Umweltgeotechnik“), die Gewinnung erneuerbarer<br />

Energien aus Erdwärme (Sektion 5.2 „Geothermie“)<br />

sowie die Vorsorge vor Georisiken (Sektion 5.3 „Ingenieurseismologie“und<br />

Sektion 5.4 „Ingenieurhydrologie“).<br />

Umweltgeotechnik<br />

In der Sektion „Umweltgeotechnik“ werden Forschungsarbeiten<br />

zu Entwicklung und Einsatz von Monitortechnologien<br />

und Sicherheitsmethoden für das Geo- und Reservoir-Engineering<br />

durchgeführt. Diese konzentrierten sich<br />

in der Berichtsperiode <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> auf die geologische<br />

Speicherung von Kohlendioxid (CO 2), auf die unterirdische<br />

seismische Vorauserkundung beim Tunnelbau sowie<br />

auf das ingenieur-geophysikalische Monitoring von Deichen<br />

bei Hochwasser.<br />

Geologische Speicherung von CO 2<br />

In Deutschland decken Öl, Gas und Kohle heute fast 85 %<br />

des Energiebedarfs. Hierbei werden jährlich ca. 850 Millionen<br />

Tonnen CO 2 durch die Verbrennung fossiler Energierohstoffe<br />

in die Atmosphäre emittiert. Eine erfolgversprechende<br />

Möglichkeit zur Reduktion dieser Emissionen<br />

ist CCS Carbon Capture and Storage, die Abtrennung des<br />

CO 2 vor oder nach der Verbrennung und seine Einlagerung<br />

in tiefe Grundwasserspeicher (saline Aquifere) oder<br />

ausgeförderte Öl- und Gaslagerstätten (Borm, G. und Förster,<br />

A., <strong>2005</strong>).<br />

Mehrere Gemeinschaftsprojekte wurden von der EU europaweit<br />

und in Deutschland sowohl vom Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Technologie BMWi als auch vom<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF<br />

gestartet, um die Abtrennung des CO 2 aus Verbrennungsprozessen<br />

und die Möglichkeit seiner Rückführung in den<br />

geologischen Untergrund zu erforschen.<br />

Integriertes EU-Projekt CO 2SINK<br />

In ihrem 6. Forschungsrahmenprogramm fördert die Europäische<br />

Union das integrierte Projekt CO 2SINK (CO 2 Storage<br />

by Injection Into the Natural Reservoir Ketzin,<br />

http://www.co2sink.org), das vom GeoForschungsZentrum<br />

Potsdam koordiniert wird. Europaweit ist es das erste<br />

Projekt auf dem Festland zur umfassenden Erforschung<br />

der geologischen Speicherung von CO 2. Im Zentrum der<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen stehen die Erschließung<br />

des Speichers, die Einbringung des CO 2 und die<br />

Beobachtung und Kontrolle der chemischen und physikalischen<br />

Prozesse im unterirdischen Reservoir. Weitere<br />

Ziele sind Erstellung und Test numerischer Modelle, Entwicklung<br />

von Risikobewertungsstrategien und öffentliche<br />

Akzeptanz.<br />

CO 2SINK startete am 01. 04. <strong>2004</strong> und hat eine Laufzeit<br />

von fünf Jahren. Darin wird eine Pilotanlage zur unterirdischen<br />

Speicherung von CO 2 in einem tiefen salinen<br />

Aquifer im brandenburgischen Ketzin (Abb. 5.1) vorbereitet.<br />

Der Speicherhorizont befindet sich in über 700 m<br />

Tiefe und ist nach oben durch undurchlässigen Tonstein<br />

abgedichtet. In Kooperation mit 15 universitären und industriellen<br />

Partnern aus 8 Ländern wurden geologische,<br />

geochemische und geophysikalische Voruntersuchungen<br />

des geplanten Speicherstandortes durchgeführt (CO 2SINK,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

Der geplante Geospeicher liegt nahe der Stadt Ketzin im<br />

Havelland, etwa 30 Kilometer westlich von Berlin. Der<br />

Injektionsort ist die Obertageanlage des ehemaligen Erdgasspeichers<br />

der Verbundnetz Gas AG in Ketzin. Dieser<br />

hat gegenüber anderen Lokationen erhebliche Vorteile:<br />

Die vorhandene Infrastruktur an der Erdoberfläche kann<br />

für das Projekt genutzt werden und reduziert so die Entwicklungskosten<br />

für den Speicherplatz. Die Geologie der<br />

Struktur ist gut bekannt und repräsentativ für weite Teile<br />

Europas, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse wesentlich<br />

erleichtert. Die lokale Politik unterstützt das Projekt,<br />

und die Genehmigungsbehörden sind direkt in die Projektvorbereitung<br />

eingebunden (Abb. 5.2).<br />

Die Speicherung von CO 2 soll auf dem östlichen Strukturteil<br />

der aufgewölbten Doppelstruktur (Doppelantiklinale)<br />

Roskow-Ketzin erfolgen (Abb. 5.3). Darin strömt<br />

das Gas durch Auftrieb in Richtung Kuppe und reichert<br />

sich dort an. Durch die Gasinjektion wird ein Teil des<br />

Porenwassers im Gestein verdrängt. Längerfristig wird<br />

Abb. 5.1: CO 2SINK-Projekt, Speicherstandort Ketzin<br />

(Foto: VNG).<br />

Project CO 2SINK, aerial view of the Ketzin site.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

373


374<br />

Abb. 5.2: Bohrturm an der Lokation Ketzin (Foto: L. Wohlgemuth,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

Drill rig at the Ketzin site.<br />

Abb. 5.3: Karte der Roskow-Ketzin-Doppelstruktur mit Detailkarte Topbereich<br />

Ketzin-Antiklinale. Dargestellt sind die Tiefenlage des seismischen<br />

Reflektors K2 (etwa 80 m oberhalb der Stuttgart-Formation) und die Lage<br />

des CO 2SINK-Bohrplatzes (gelber Punkt). Die Detailkarte zeigt die Erstreckung<br />

der 3D-Seismik und die Oberflächenmessstationen zur Erfassung der<br />

natürlichen CO 2-Flusses (grüne Dreiecke).<br />

Map of the Roskow-Ketzin double anticline with detail of the top of the Ketzin<br />

Anticline. The location of the CO 2SINK drill-site (yellow dot) and the<br />

isobaths of the seismic reflector K2 are shown (about 80 m above the Stuttgart<br />

formation). The detail map depicts the area of the 3D-seismic survey<br />

as well as the surface stations to monitor the natural CO 2 flux (green triangles).<br />

sich ein Teil des CO 2 im Wasser lösen. Zur Abschätzung<br />

der Ausbreitungsgeschwindigkeit und der räumlichen<br />

Ausdehnung des CO 2 werden auch numerische Modelle<br />

entwickelt, die zur Optimierung des Injektionsprozesses,<br />

des Monitoringkonzeptes und zur Prognose des Langzeitverhaltens<br />

eingesetzt werden. Die Kalibrierung und<br />

Verifizierung der Modelle erfolgt mit Hilfe von Laboruntersuchungen<br />

und In-Situ-Messungen im Untergrund.<br />

Sie bilden die Basis für die Abschätzung des Risikos einer<br />

Leckage.<br />

Um die Ausbreitung des CO 2 im Untergrund zu beobachten,<br />

werden neben einer Injektionsbohrung zwei Beobachtungsbohrungen<br />

niedergebracht, die für geochemische<br />

Untersuchungen, seismische Durchschallungs-Messungen<br />

und zur Durchführung geoelektrischer Tomographie<br />

genutzt werden. Die Messungen werden vor, während und<br />

nach der Injektion in Zeitabständen wiederholt, die methodenabhängig<br />

sind (sogenannte time-lapse-Messungen).<br />

Die Kombination seismischer und elektrischer time-lapse-<br />

Methoden ermöglicht die Erfassung von zeitlichen Entwicklungen<br />

des Reservoirs – z. B. der Verteilung der CO 2-<br />

Sättigung – auf verschiedenen Zeit- und Längenskalen.<br />

Seit April <strong>2004</strong> werden am Standort kontinuierliche Oberflächenmessungen<br />

zur Erfassung des natürlichen CO 2-<br />

Flusses oberhalb des vorgesehenen Untergrundspeichers<br />

durchgeführt. Um die Ausgangssituation vor Beginn der<br />

CO 2-Injektion zu erfassen und zusätzliche Informationen<br />

über die Struktur des Untergrundes zu<br />

erhalten, wurde im Herbst <strong>2005</strong> eine seismische<br />

3D-Erkundung (Abb. 5.4) durchgeführt<br />

(„baseline“), die derzeit ausgewertet<br />

wird.<br />

Bei der Evaluierung des ersten Projektjahres<br />

am 01. 06. <strong>2005</strong> bestätigten die Gutachter<br />

der EU, dass CO 2SINK seine Ziele<br />

im gesetzten Zeit- und Kostenrahmen<br />

erfüllen kann und ohne Abstriche weiter<br />

gefördert werden soll.<br />

CO 2SINK ist auch ein CSLF-Projekt<br />

(„International Carbon Sequestration<br />

Leadership Forum“, http://www.cslforum.org).<br />

Das Testgelände in der Nähe der<br />

Hauptstadt Berlin bietet die einzigartige<br />

Möglichkeit, ein Pilotprojekt zur Speicherung<br />

von CO 2 mitten in Europa zu entwickeln.<br />

Es soll dazu beitragen, die öffentliche<br />

Akzeptanz für eine geologische<br />

Speicherung von CO 2 als Option für den<br />

Klimaschutz zu gewinnen und zu stärken.<br />

Am 29./30. Sept. <strong>2005</strong> fand am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

der „1st International Workshop on<br />

CSLF Pilot Projects“ des Internationalen<br />

„Carbon Sequestration Leadership<br />

Forum CSLF“ statt, an dem 150 Wissenschaftler<br />

aus 20 Nationen teilnahmen<br />

(Abb. 5.5).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.4: Anregung seismischer Impulse durch Fallgewicht<br />

(Foto: S. Lüth, <strong>GFZ</strong> ).<br />

Excitation of seismic pulses by weight-drop.<br />

Verbundprojekt CO 2SINK-CORTIS im BMWi-Programm<br />

COORETEC<br />

CO 2SINK ist der Kern eines umfassenden Forschungsprogramms<br />

zur Untersuchung der vollständigen Verfahrenskette<br />

von der Quelle bis zur Senke des CO 2. Für eine<br />

realitätsnahe Untersuchung der CO 2-Speicherung werden<br />

ca. 60.000 Tonnen CO 2 für zunächst zwei Jahre benötigt.<br />

Diese soll das vom <strong>GFZ</strong> Potsdam koordinierte Teilprojekt<br />

CO 2SINK-CORTIS (CO 2 Recovery, Transportation, and<br />

Intermediate Storage) im BMWi-Programm COORETEC<br />

(http://www.cooretec.de) sicherstellen. Es wird vom<br />

BMWi und der Industrie gefördert, startete am 01. 12. <strong>2005</strong><br />

und hat eine Laufzeit von drei Jahren.<br />

CO 2SINK-CORTIS soll sich auf die übertägigen Aspekte<br />

der CO 2-Injektion und auf die Bereitstellung von<br />

60.000 Tonnen CO 2 für 24 Monate ab Ende 2006 konzentrieren.<br />

Hierzu gehören Abtrennung und Transport des<br />

Gases zum Injektionsort, Ermittlung des optimalen Injektionszustands<br />

(Druck, Temperatur, Gasqualität), Auswahl,<br />

Planung und Beschaffung der Anlagenkomponenten sowie<br />

Vorbereitung und Durchführung des Injektionsbetriebs.<br />

Abb. 5.5: Teilnehmer am „1st International Workshop on CSLF Pilot Projects“,<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam, Sept. 29, <strong>2005</strong> (Foto: E. Gantz, <strong>GFZ</strong>).<br />

Participants of the „1st International Workshop on CSLF Pilot Projects“,<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam, Sept. 29, <strong>2005</strong>.<br />

Zahlreiche Optionen zur CO 2-Bereitstellung wurden untersucht<br />

und hinsichtlich des technischen und finanziellen<br />

Aufwands sowie einer termingerechten Realisierbarkeit<br />

bewertet. Weitere Vorarbeiten wurden zur Klärung des<br />

Injektionsregimes durchgeführt, speziell zur Frage, mit<br />

welchem Druck und welcher Temperatur das CO 2 in den<br />

Speicher einzubringen ist. Das CO 2 soll in Ketzin gasförmig<br />

mit einem Druck von 66 bis 74 bar und einer Temperatur<br />

von 29 bis 45 °C injiziert werden. Da es als Flüssigkeit<br />

(bei 12 bar, –35 °C) angeliefert wird, müssen Druck<br />

und Temperatur für die Injektion unter technischen und<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimiert werden.<br />

Verbundprojekt COSMOS im BMBF/DFG-Programm<br />

GEOTECHNOLOGIEN<br />

Unter Koordination des <strong>GFZ</strong> Potsdam wurde ein Antrag<br />

an das BMBF im Sonderprogramm „GEOTECHNOLO-<br />

GIEN“ (http://www.geotechnologien.de/forschung/<br />

untergrund.pdf) entwickelt, mit dem das Projekt „COS-<br />

MOS – CO 2 Speicherung, Monitoring und Sicherheitstechnologie“<br />

eingeworben werden konnte. Hieran sind<br />

neben dem <strong>GFZ</strong> die Universitäten Karlsruhe und Freiberg<br />

sowie zwei Energiekonzerne beteiligt. Das Projekt startete<br />

am 01. 04. <strong>2005</strong> und hat eine Laufzeit von drei Jahren.<br />

Ein wesentliches Ziel ist die Entwicklung von CO 2 -Injektionsbohrungskomponenten<br />

und CO 2-resistenten Zementen<br />

sowie Untersuchungen zur Integrität der abdichtenden<br />

Schichten bei Einwirkung von CO 2. Außerdem sollen In-<br />

Situ-Bohrlochmessungen durchgeführt werden, um technische<br />

Standards für eine optimale Injektion sowie zur<br />

Diagnose und Lösung der dabei anfallenden Probleme zu<br />

entwickeln, Speicherstrategien zu verbessern und Simulationsmodelle<br />

zu verifizieren. Hierbei wird ein neues<br />

Konzept für eine sogenannte intelligente Bohrung (smart<br />

casing) realisiert, bei dem permanente elektrische Sensoren<br />

– Elektroden und Sonden – hinter der Verrohrung in<br />

die Zementierung der Injektions- und Beobachtungsbohrungen<br />

eingebracht werden (Abb. 5.6).<br />

Diese Sensoren dienen sowohl der Überwachung<br />

der Bohrlochintegrität als auch<br />

dem Monitoring der CO 2-Ausbreitung im<br />

Untergrund. Neben der Bestimmung der<br />

Temperaturänderung sind die Erfassung<br />

mikroseismischer Ereignisse und elektrischer<br />

Reservoireigenschaften geplant.<br />

Außerdem soll während der CO 2-Injektion<br />

eine kontinuierliche Erfassung des<br />

Injektiondrucks in situ erfolgen. Die Auswirkungen<br />

des CO 2 auf die Verrohrung<br />

und Zementierung sind zu untersuchen.<br />

Das Konzept für die Ausführung der Bohrungen<br />

ist mit dem brandenburgischen<br />

Landesamt für Geologie und Bergbau<br />

abgestimmt, das Genehmigungsverfahren<br />

ist eingeleitet. Das Projekt kooperiert<br />

mit CO 2SINK und profitiert von dessen<br />

starker industrieller und wissenschaftlicher<br />

Beteiligung. CO 2SINK bietet für<br />

COSMOS den Zugang zum Testfeld mit<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

375


376<br />

Abb. 5.6: Schematische Darstellung des Smart-Casing-Konzepts mit den Details eines mikroseismischen Moduls (triaxialer<br />

Empfänger).<br />

Schematic of the smart-casing concept with details of a microseismic triple axis sensor.<br />

Infrastruktur, Bohrlöchern usw., und die Forschungs- und<br />

Entwicklungsziele von COSMOS ergänzen die von<br />

CO 2SINK sinnvoll.<br />

CO 2 Capture Programme CCP<br />

Das CO 2 Capture Project CCP (http://www.co2captureproject.org)<br />

wird von der EU, dem US Department of<br />

Energy und dem Norwegian Research Council KLIMA-<br />

TEK-Programm, zusammen mit acht internationalen Ölkonzernen<br />

gefördert. In diesem Programm unternahm das<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam umfangreiche triaxiale Hochdrucktests mit<br />

Fluiddurchströmung im Labor zur Untersuchung des Einflusses<br />

der Injektion von CO 2 auf die physikalischen<br />

Eigenschaften von Speichergesteinen aus tiefen salinen<br />

Aquiferen. Die Experimente wurden an verschiedenen<br />

Gesteinsproben unter simulierten In-Situ-Druck- und<br />

Temperaturbedingungen durchgeführt. Die Messungen<br />

der physikalischen und chemischen Effekte, die aus der<br />

Wechselwirkung der Gesteine mit Salzlösung und superkritischem<br />

CO 2 resultieren, erfolgten in einer triaxialen<br />

Hochdruckzelle und in Autoklaven. Auch wurden Experimente<br />

zu Fluid/Gesteins-Wechselwirkungen an gemahlenem<br />

Gesteinsmaterial zur Homogenisierung der Proben<br />

und zur Erhöhung der den Fluiden ausgesetzten Proben-<br />

oberflächen und damit der Reaktionsgeschwindigkeiten<br />

durchgeführt (Schütt et al., <strong>2005</strong>).<br />

Tunnelseismische Vorauserkundung<br />

Weltweit befindet sich der Untertagebau im Aufwind. In<br />

stark bevölkerten Gebieten bleibt als letzter verfügbarer<br />

Raum für Infrastrukturen vielfach nur noch der Untergrund.<br />

In den Städten erzwingen restriktive Randbedingungen<br />

infolge Flächenknappheit, immer stärkeren Lärmund<br />

Umweltschutzauflagen sowie mangelnder Akzeptanzbereitschaft<br />

der Bevölkerung gegenüber Baubelästigungen<br />

das Ausweichen in die Tiefe durch den Bau von<br />

U-Bahnen, Straßentunneln, Rohrleitungen, Parkkavernen<br />

und sogar ganzen Bahnhöfen.<br />

Auch die Basistunnel der neuen transeuropäischen Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken<br />

durch die Alpen sind<br />

technische Herausforderungen ersten Ranges mit ihren<br />

großen Längen, hohen Gebirgsüberlagerungen, den damit<br />

verbundenen hohen Temperaturen und Spannungen, und<br />

besonders komplexen geotechnischen Bauvorgängen.<br />

Anforderungen dieses Umfangs wurden bisher noch nirgendwo<br />

auf der Erde bewältigt und lösen richtungsweisende<br />

Impulse in der Grundlagen- und angewandten For-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


davor liegt die sog. Piora-Mulde, die sich<br />

durch hohen Wassergehalt und geringe<br />

mechanische Stabilität ausprägt. Die<br />

Messungen sollten zeigen, ob sich der<br />

Übergang vom Lukmanier-Gneiss zur<br />

Piora-Mulde seismisch nachweisen lässt.<br />

Zur Anregung wurden für das TSP-System<br />

20 Sprengladungen zu je 100 g in ca.<br />

2 m tiefen Bohrlöchern verwendet. Für<br />

das ISIS-System wurden Anregungen mit<br />

dem am <strong>GFZ</strong> entwickelten pneumati-<br />

Abb.5.7:Geologisch-geotechnisches Profil am Piora-Sondierstollen des Gottschen Impakthammer erzeugt. Für die<br />

hard-Basistunnels mit Positionierung der seismischen Auslage.<br />

Registrierung kamen jeweils zwei Geo-<br />

Geological-geotechnical profile of the Piora adit of the Gotthard base tunphonanker des <strong>GFZ</strong> Potsdam und zwei<br />

nel with positioning of the seismic layout.<br />

Piezo-Akzelerometer von AMT zum Einsatz.<br />

Die Abb. 5.9 zeigt ein „receiver gather“<br />

eines der Empfänger nach der Datenbearbeitung mit<br />

dem Software-Modul von ISIS. Die Datenbearbeitung<br />

bestand aus einer Entfernung direkter P-, S- und Rayleigh-<br />

Wellen mittels eines Medianfilters, eines Bandpassfilters<br />

und einer laufzeitabhängigen Amplitudenkorrektur.<br />

Abb. 5.8: Seismische Messungen im Piora-Sondierstollen<br />

(Foto: S. Mielitz, <strong>GFZ</strong>).<br />

Seismic measurements in the Piora adit.<br />

schung aus wie z. B. die hochauflösende<br />

seismische Vorauserkundung während<br />

eines Tunnelvortriebs.<br />

Integriertes Seismisches Imaging System<br />

ISIS für den Tunnelbau<br />

Für Erkundung und Monitoring untertage<br />

führte das <strong>GFZ</strong> beim Bau des Gotthard-Basistunnels<br />

in den Schweizer Zentralalpen<br />

hochauflösende seismische<br />

Messungen zur Vorhersage geologischer<br />

Störungszonen durch (Giese et al, <strong>2005</strong>).<br />

Damit konnte das vom <strong>GFZ</strong> entwickelte<br />

Integrierte Seismische Imaging System<br />

ISIS in der Praxis erfolgreich erprobt werden<br />

(Borm, G. und Giese, R., <strong>2004</strong>).<br />

Im Piora-Sondierstollen der Baustelle<br />

zum Gotthard-Basistunnel Süd (Abb. 5.7,<br />

5.8) wurden im März <strong>2005</strong> reflexionsseismische<br />

Messungen in Zusammenarbeit<br />

mit der Firma Amberg Messtechnik<br />

AG (AMT) und dem GGA-Institut Hannover<br />

durchgeführt.<br />

Die Messungen erfolgten an der Ortsbrust<br />

des Sondierstollens; 30 bis 40 m<br />

Die bearbeiteten Daten zeigen von der Ortsbrust des<br />

Tunnels reflektierte Tunneloberflächenwellen (Pfeil 1 in<br />

Abb. 5.9) und Rayleigh-Wellen, die an der Ortsbrust zu<br />

Scherungswellen konvertiert sind, weiter in Tunnelvortriebsrichtung<br />

gelaufen sind, reflektiert wurden und<br />

dann als rekonvertierte Oberflächenwellen wieder an<br />

der Tunnelwand zurückkommen. Diese Einsätze haben<br />

eine negative Scheingeschwindigkeit, und ihre Laufzeit<br />

wird mit zunehmendem Abstand von Quelle und Empfänger<br />

kleiner (Pfeil 2 in Abb. 5.9). Die seismische<br />

Abb. 5.9: Seismogramme der Hammerschläge nach der Datenbearbeitung.<br />

Receiver gather von RCV-ISIS, Z-Komponente.<br />

Seismograms of the hammer impacts after processing, receiver gather of<br />

RCV-ISIS, Z (vertical) component.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

377


378<br />

Abb. 5.10: Migration der Seismogramme. a) Kirchhoff SS Migration von Empfänger 2 und Schuss 1 bis 36. Für die<br />

Migration wurde ein homogenes Geschwindigkeitsmodell (V s = 2.900 km/S) verwendet. b) Kirchhoff SS Migration von<br />

Empfänger 1 und Schuss 42 bis 76. Außerdem sind zwei Erkundungsbohrungen eingezeichnet, entlang derer der RQD-<br />

Wert (Rock Quality Designation) codiert ist. Violette Bereiche bedeuten niedrige RQD-Werte (hohe Kernverluste, Bruchzonen),<br />

rote Bereiche hohe RQD-Werte (relativ geringe Kernverluste, kompaktes Gebirge.<br />

Migrated sections of the seismograms. a) Kirchhoff SS migration of receiver 2 and shots 1 through 36. A homogeneous<br />

velocity model (v s = 2900 km/s) was used. b) Kirchhoff SS migration of receiver 1 and shots 42 through 76. Two exploratory<br />

wells are shown along which the RQD value is indicated (RQD: Rock Quality Designation). Magenta indicates<br />

low RQD values (high core losses, fault zones), red indicates high RQD values (relatively low losses of drillcore, stable<br />

rock mass).<br />

Abbildung dieser Reflektionen mit Hilfe einer Kirchhoff<br />

Migration ergibt eine Reflektivitätsverteilung vor<br />

der Ortsbrust, in der markante Diskontinuitäten, wie in<br />

diesem Fall die Piora-Mulde, deutlich erkannt werden<br />

können (Abb. 5.10).<br />

Beim Wissenschaftssommer im September <strong>2004</strong> in Stuttgart<br />

wurde das Seismische Imaging Systems ISIS der<br />

Öffentlichkeit vorgestellt (Abb. 5.11).<br />

Abb. 5.11: Antransport eines Kalksteins am Stuttgarter<br />

Schloss zur Demonstration von ISIS beim Wissenschaftssommer<br />

<strong>2004</strong> (mit freundlicher Unterstützung der Ed.<br />

Züblin AG).<br />

Delivery of a limestone at the Stuttgart Castle for the<br />

demonstration of ISIS during the Science Summer <strong>2004</strong><br />

(kindly supported by Ed. Züblin AG).<br />

Das BMBF/DFG-Sonderprogramm GEOTECHNOLO-<br />

GIEN, die GeoUnion und das Konsortium Deutsche Meeresforschung<br />

luden zu einem Parlamentarischen Abend<br />

am 24. 11. <strong>2004</strong> im Haus der Bundespressekonferenz ein.<br />

Auch hier war das <strong>GFZ</strong> Potsdam mit einem Ausstellungsstand<br />

zu ISIS „Verkehrsplanung mit Weitblick – Tunnelbau<br />

mit modernen Vorauserkundungsmethoden“ vertreten.<br />

Geophysikalisches Monitoring von Deichen bei<br />

Hochwasser<br />

In Kooperation mit der Universität Karlsruhe wurden im<br />

Rahmen des BMBF-Projekts „Versagen von Deichen und<br />

Dämmen auf und mit Lehmzonen bei Hochwasser“ neue<br />

Methoden der hochauflösenden seismischen Messung zur<br />

Abbildung der Durchfeuchtung eines Lehmdeiches bei<br />

Hochwasser entwickelt, um die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

des Deiches bei verschiedenen Flutszenarien ermitteln<br />

zu können. Die Durchfeuchtungsprozesse in Deichen<br />

wurden an idealisierten Modelldeichen untersucht. Dazu<br />

sollten die Strukturen im Inneren des Deichkörpers hinsichtlich<br />

ihrer Materialzusammensetzung sowie Wassergehalt<br />

und Lagerungsdichte bestimmt werden. Um eine<br />

möglichst hohe Auflösung zu erhalten, wurde als seismische<br />

Quelle ein magnetostriktiver Minivibrator verwendet,<br />

der Frequenzen bis zu 6 kHz anregen kann.<br />

Zur Vorbereitung wurde am <strong>GFZ</strong> Potsdam an einem<br />

Versuchsdeich (Abb. 5.12) das seismische System getestet<br />

und hinsichtlich der Versuchsbedingungen optimiert.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.12: Versuchsdeich mit seismischer Quelle und Empfängern<br />

am GeoForschungsZentrum Potsdam (Länge 5 m,<br />

Breite 0,3 m, Höhe 1,2 m; Foto: K. Jaksch, <strong>GFZ</strong>).<br />

Model dike with the seismic source and receivers at the<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam (length 0.3 m, width 5 m, height 1.2 m).<br />

Der Versuchsdeich wurde mit einem annähernd homogenen<br />

Lehmmaterial verfüllt und auf einer Seite abgeschlossen,<br />

um das Fluten mit Wasser zu ermöglichen.<br />

Vor den Messungen wurden Tests der seismischen Sweep-<br />

Quelle durchgeführt, um einen möglichst hohen Energieeintrag<br />

in den gewünschten Frequenzbereichen zu erreichen<br />

und Oberflächenwellen zu unterdrücken. Das obere<br />

Diagramm in Abb. 5.13 zeigt ein Sweep-Signal, mit dem<br />

der Vibrator angeregt wird, mit Frequenzen von 100 bis<br />

6.100 Hz und konstanten Amplituden. Im unteren Diagramm<br />

erkennt man aus dem Kopfsignal, das direkt an<br />

der Ankopplungsfläche aufgezeichnet<br />

wurde, wie sich die Amplituden des<br />

Sweeps durch die Materialeigenschaften<br />

des Deiches und die Übertragungseigenschaften<br />

des Vibrators ändern.<br />

Ein langfristiger Durchfeuchtungsversuch<br />

mit einem konstanten Wasserstand<br />

von einem Meter (Abb. 5.12) wurde<br />

begonnen. Anfangs in Stunden- und später<br />

in Tagesabständen wurden seismische<br />

Messungen durchgeführt, um den zeitlichen<br />

Durchfeuchtungsverlauf zu erfassen.<br />

Die Untersuchungen haben gezeigt,<br />

dass die fortschreitende Durchfeuchtung<br />

des Versuchsdeiches sich in deutlichen<br />

Veränderungen der Amplituden des<br />

Sweep-Signals auswirkt. Ein wesentliches<br />

Ziel der Untersuchungen ist die Herleitung<br />

von Beziehungen zwischen den<br />

seismischen Messgrößen (z. B. Geschwindigkeiten<br />

und Dämpfungen) und<br />

den bodenmechanischen Parametern. An<br />

Modelldeichen des Instituts für Wasser<br />

und Gewässerentwicklung (IWG), Bereich<br />

Wasserwirtschaft und Kulturtechnik,<br />

der Universität Karlsruhe mit Wasserstandssteuerung<br />

zur Simulation von<br />

Hochwasserszenarien wurden geotechnische, hydraulische<br />

und seismische Untersuchungen durchgeführt. Dazu<br />

wurden vier Deiche aufgebaut, bei denen das Bodenmaterial,<br />

die Böschungen und die Hochwasserszenarien variiert<br />

wurden. Das Schuss- und Empfänger-Array bestand<br />

aus drei parallelen Messlinien mit 3-Komponenten-Geophonen.<br />

Abb. 5.14 zeigt die Messkonfiguration.<br />

Bis Ende April <strong>2005</strong> wurden die seismischen Messungen<br />

an den großmaßstäblichen Modelldeichen im Theodor-<br />

Rehbock-Laboratorium des IWG der Universität Karlsruhe<br />

durchgeführt. Soweit möglich, wurden die verschiedenen<br />

Hochwasserszenarien begleitend gemessen.<br />

Dazu wurde an zwei Modelldeichen mit unterschiedlicher<br />

Materialzusammensetzung gemessen. Über die gesamte<br />

Messzeit bewährte sich die vom <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelte<br />

Messtechnik, wie z. B. die speicherprogrammierbare<br />

Steuerung des Positionierungswagens und die<br />

Anpressvorrichtung der Quelle unter Dauerbelastung<br />

(Abb. 5.15).<br />

Für die Signalaufzeichnung wurden vier 24-kanalige und<br />

bis zu 55 zweikanalige Summit Aufzeichnungsgeräte eingesetzt.<br />

In Tests während der Trockenphase des Modelldeiches<br />

vor dem ersten Einstau wurde das für die Messungen<br />

benutzte Sweep-Signal festgelegt: Sweep-Dauer<br />

0,5 s, Frequenzband 300 bis 6.300 Hz. Eine softwaregesteuerte<br />

Regelung des Sweep begrenzt die auftretenden<br />

Beschleunigungswerte und verteilt die eingebrachte Energie<br />

gleichmäßig über das Frequenzband.<br />

Die Dauer eines Messdurchlaufs für 54 Quellpunkte betrug<br />

bis zu drei Stunden. Mit zunehmender Durchfeuchtung des<br />

Abb. 5.13: Anwendung des Echzeit-Regelungssystems auf einen linearen<br />

Sweep (Frequenzband 100 bis 6.100 Hz). Alle Sweepfrequenzen des geregelten<br />

Sweeps (grüner Graph) werden mit ungefähr gleichen Amplituden<br />

angeregt. Beim ungeregelten Sweep (blauer Graph) sind hingegen die Resonanzfrequenzen<br />

deutlich zu erkennen.<br />

Application of the real-time control system at the linear sweep (here 100 to<br />

6100 Hz) leads to the regulated sweep signal (green graph). All frequencies<br />

were stimulated nearly with the same amplitudes, whereas at the unregulated<br />

sweep (blue graph) the resonant frequencies are clearly seen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

379


380<br />

Deiches und größeren Stauhöhen verringerten sich die<br />

Anzahl der Quellpunkte und die Messdauer. Die Auswertungen<br />

der Messungen zeigten eine gute Qualität der seismischen<br />

Daten. Die Messungen im trockenen Zustand<br />

zeigten ein komplexes Wellenfeld, das von direkten Kompressionswellen,<br />

Oberflächenwellen sowie<br />

reflektierten und refraktierten Wellen<br />

der Deichmodellbegrenzungen dominiert<br />

wird. Im Nahbereich der Quelle wird das<br />

gesamte angeregte Frequenzspektrum in<br />

den Boden eingetragen. Im Verlauf einer<br />

Hochwasserperiode kann man darin eine<br />

Zunahme der Dämpfung und Abnahme<br />

der seismischen Wellengeschwindigkeiten<br />

mit zunehmender Durchfeuchtung des<br />

Deiches erkennen.<br />

Die Förderung dieses Projektes durch das<br />

BMBF lief planmäßig zum 31. 12. <strong>2005</strong><br />

aus. Am <strong>GFZ</strong> Potsdam wird es im Rahmen<br />

einer Dissertation bearbeitet, die in<br />

den kommenden Monaten fertiggestellt<br />

werden soll.<br />

Geothermie<br />

Explorationsgeologie im Geoengineering<br />

Die Anwendung und Weiterentwicklung<br />

von Methoden zur Auffindung, Charakterisierung<br />

und Nutzbarmachung unterirdischer<br />

Ressourcen ist ein wesentlicher<br />

Schwerpunkt geowissenschaftlicher Forschung<br />

in der Sektion Geothermie. Re-<br />

Abb. 5.14: Messanordnungen der Quell- und 3-Komponenten-Geophonpunkgionalspezifischeexplorationsgeologite für die Modelldeichversuche am IWG der Universität Karlsruhe. sche Arbeiten erfolgen sowohl im For-<br />

Seismic survey consisting of source points and 3-component-geophoschungsthema „Geoengineering“, das<br />

nes for the model dikes at the test facility at the IWG, Universtität Karls- sich u. a. mit der geologischen Speicheruhe.rung<br />

von CO2 befasst, als auch im Forschungsthema<br />

„Geothermische Technologieentwicklung“,<br />

das den Ausbau des In-Situ-Geothermielabors<br />

Groß Schönebeck zu einer geothermischen<br />

Anlage für die Stromgewinnung vorsieht.<br />

Abb.5.15: Der automatische Messwagen mit Sweep-Quelle<br />

im Einsatz auf dem IWG-Deichmodell der Universität<br />

Karlsruhe (Foto: K. Jaksch, <strong>GFZ</strong>).<br />

The monitoring car with the seismic source in use at the<br />

test facility at the Theodor-Rehbock-Laboratory (IWG,<br />

Universtität Karlsruhe).<br />

In Abb. 5.16 sind explorationsgeologische Themenfelder,<br />

die in der Sektion Geothermie bearbeitet wurden, dargestellt.<br />

Die Erfassung und Interpretation geologischer<br />

Strukturen, die Charakterisierung von Reservoiren und<br />

Caprocks standen neben der Erarbeitung von regionalen<br />

und lokalen thermischen Beckenmodellen sowie von<br />

hydrogeologischen Modellen des flachen Untergrundes<br />

im Zentrum der Forschung. Die wissenschaftliche Bearbeitung<br />

dieser Themen erfordert die Interpretation von<br />

Bohrlochmessungen und den Aufbau und die Nutzung von<br />

Datenbanken und Geoinformationssystemen.<br />

Geographisch war ein Großteil der Arbeiten im Gebiet des<br />

Nordostdeutschen Beckens nördlich von Berlin angesiedelt<br />

und vor allem auf Bohraufschlüsse konzentriert. So<br />

wurde z. B. der terrestrische Wärmestrom, der einen wichtigen<br />

Parameter für die Charakterisierung des geothermischen<br />

Potentials eines Gebietes darstellt und ein wesentlicher<br />

Bestandteil der geothermischen Exploration ist, an<br />

zwölf Bohrlokationen neu bestimmt (Abb. 5.17).<br />

Die Forschung zum Wärmestrom im Norddeutschen Becken<br />

umfasste Labormessungen der Wärmeleitfähigkeit<br />

Abb. 5.16: Schwerpunkte der Explorationsgeologie.<br />

Main issues of exploration geology.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.17: Verteilung von Salzstrukturen im Nordostdeutschen<br />

Becken (nach Lokhorst, 1998) und Bohrungen, von<br />

denen neue Werte des terrestrischen Wärmestrom vorliegen<br />

(aus Lotz, <strong>2004</strong>). Die Lokation Ketzin ist der Standort für<br />

die CO 2-Speicherung im CO 2SINK-Projekt. Die Lokation<br />

Groß Schönebeck ist der Standort für die <strong>GFZ</strong>-Geothermiebohrung<br />

Gt GrSk 4/05, die 2006 zur Entwicklung eines<br />

„Enhanced Geothermal Systems“ abgeteuft wird.<br />

Size and distribution of salt structures in the area of the<br />

Northeast German Basin (after Lokhorst, 1998). Boreholes,<br />

in which heat-flow density was determined (Lotz,<br />

<strong>2004</strong>) are shown. The Ketzin site (storage site of<br />

CO 2SINK) and the Groß Schönebeck site (site of the geothermal<br />

borehole Gt GrSk 4/05 for developing an Enhanced<br />

Geothermal System) are also shown.<br />

von Gesteinen des Prä-Perm und des Perm (Rotliegend-<br />

Sedimente und Vulkanite), die durch Bohrungen aufgeschlossen<br />

sind, die Bestimmung der Gesteinsporosität<br />

sowie die Bestimmung der Gehalte an U, Th und K im Labor<br />

und durch Bohrlochmessungen der natürlichen Radioaktivität.<br />

Daraus wurde die radiogene Wärmeproduktion von<br />

Gesteinen des Devons bis Quartärs abgeleitet. Da in vielen<br />

Bohrungen die Messungen der natürlichen Radioaktivität<br />

in Gamma-Einheiten vorliegen, war es notwendig, eine<br />

empirische Beziehung zur Umrechnung dieser Einheiten in<br />

moderne API-Einheiten (Abb. 5.18) zu entwickeln.<br />

Mit Hilfe der empirischen Gleichung aus Abb. 5.18 können<br />

ältere, in der Erdöl-Erdgas-Exploration gemessene<br />

Logs in explorative Arbeiten quantitativ einbezogen werden.<br />

Für das Nordostdeutsche Becken wurde basierend auf<br />

Gamma-Logs eine Bilanzierung des Anteils der Wärmestromdichte<br />

in der sedimentären Beckenfüllung vorgenommen.<br />

Diese kann bis zu 7 mW/m 2 betragen.<br />

Werte der Wärmeleitfähigkeit von über 300 Proben liefern<br />

auf der Basis gut dokumentierter Messungen eine<br />

neue Datengrundlage für die Bestimmung der Wärmestromdichte,<br />

für thermische Beckenmodellierungen und<br />

für Modellierungen von regionalen Wärmetransportprozessen.<br />

Dabei zeigt sich vor allem für die intensiv beprobten<br />

Rotliegend-Sedimente ein enger Zusammenhang von<br />

Wärmeleitfähigkeit und Fazies bzw. Diagenese/Zementation<br />

der Gesteine. Die Wärmeleitfähigkeiten derselben<br />

stratigraphischen und lithologischen Einheit können dabei<br />

um mehr als 2 W/m/K variieren.<br />

Im Nordostdeutschen Becken sind die strukturgeologischen<br />

Verhältnisse durch Salzdome und Salzkissen modifiziert.<br />

Auf Grund von großen Kontrasten in der Wärmeleitfähigkeit<br />

zwischen Salz und Umgebungsgestein bilden<br />

diese Strukturen thermische Anomalien, die sich auch in<br />

der Höhe der Wärmestromdichte widerspiegeln. Die Reichweite<br />

dieser Störungen im thermischen Feld wurde erstmalig<br />

durch Modellrechnungen umfassend quantifiziert<br />

(Abb. 5.19). Auf der Basis dieser Modelle war eine Kor-<br />

Abb. 5.18: Beispiel für eine aus der Bohrlochmessung der<br />

natürlichen Radioaktivität (in Gamma-Einheiten, blaue<br />

Kurve) bestimmte Wärmeproduktion (rote Kurve). Die<br />

Berechnung erfolgte nach der empirischen Formel A<br />

[µW/m 3 ] = 0,0783 (GR[GEc]-5,66). Punkte zeigen Wärmeproduktionsraten<br />

aus Labormessungen (aus Norden &<br />

Förster, im Druck).<br />

Borehole example of radiogenic heat production (red<br />

curve) determined from a gamma-ray log (measured in<br />

gamma units, blue curve) using the empirical equation A<br />

[µW/m 3 ] = 0.0783 (GR[GEc]-5.66) (from Norden & Förster,<br />

in press).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

381


382<br />

Abb. 5.19: Beispiel eines lokalen thermischen Modells (Salzstruktur Gransee). A) Darstellung der 60 mW/m 2 -Wärmestromdichte-Isofläche<br />

im Bereich von 1 bis 11 km Tiefe mit dem Gitternetz der Modellierung, B) Profilschnitt parallel<br />

von x durch die Salzstruktur (aus Lotz, <strong>2004</strong>).<br />

Example of a local-scale thermal model (salt structure Gransee). A) 3D plot of the 60 mW/m 2 heat flow surface in the<br />

depth range of 1 to 11 km. Grid of the modeling is shown. B) Cross section in x direction showing the heat-flow distribution<br />

in z direction (from Lotz, <strong>2004</strong>).<br />

rektur der in der Nähe dieser Strukturen gemessenen Wärmestromdichte<br />

auf „Normal“-Bedingungen möglich.<br />

Um das regionale thermische Tiefenfeld zu quantifizieren<br />

und die Sensitivität des Wärmestroms in Hinsicht auf Parameteränderungen<br />

zu untersuchen, wurden verschiedene<br />

Szenarien des Krustenaufbaus und der Lithosphärenmächtigkeit<br />

entlang eines 2D-Profils (Abb. 5.20) thermisch<br />

berechnet. Es konnte unter anderem gezeigt werden,<br />

dass die bis zu 2.000 m mächtigen Vulkanit-Komplexe<br />

mit ihrer teilweise hohen Wärmeproduktion (3 bis<br />

6 µW/m 3 ) einen signifikanten Einfluss auf die Wärmestromdichte-Verteilung<br />

ausüben.<br />

Das Norddeutsche Becken bietet neben den günstigen<br />

Bedingungen für die Nutzung der Erdwärme auch ein geeignetes<br />

geologisches Umfeld für die Speicherung von CO 2. Im<br />

Frühjahr <strong>2004</strong> starteten die Vorbereitungsarbeiten für eine<br />

in 2006 geplante Injektion von CO 2 in die Struktur Ketzin<br />

(vgl. Abb. 5.17). Diese Arbeiten sind Bestandteil des vom<br />

6. Forschungsrahmenprogramm (FP6) der Europäischen<br />

Union und der Industrie geförderten CO 2SINK-Projekts.<br />

In der Struktur Ketzin wurde früher Erdgas der Verbundnetz<br />

Gas AG Leipzig in einer Sandsteinschicht in einer<br />

Tiefe von 250 bis 400 m gelagert. Die CO 2-Speicherung<br />

im Rahmen des CO 2SINK-Projekts soll jedoch in einer<br />

tieferen Sandsteinschicht, in der Stuttgart-Formation, die<br />

ca. 80 m mächtig ist, erfolgen. Ein dreidimensionales geologisches<br />

Strukturmodell wurde für die Roskow-Ketzin-<br />

Doppelantiklinale erarbeitet, das auf 2D-seismischen Daten<br />

sowie Daten aus zahlreichen Explorationsbohrungen, die<br />

im Rahmen vorangegangener industrieller Erkundungen<br />

abgeteuft wurden, basiert. Als Teil des Modells wurden<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.20: Geologischer Schnitt durch das Nordostdeutsche Becken und angrenzende Gebiete, für den thermische<br />

Modelle berechnet wurden. Gezeigt werden verschiedene Szenarien der Tiefenlage der Lithosphäre/Asthenosphäre-<br />

Grenze (LAB). Nummeriert und farbkodiert sind geologische Einheiten, die sich in Bezug auf Zusammensetzung und<br />

thermische Eigenschaften unterscheiden (aus Lotz, <strong>2004</strong>).<br />

Cross section of the Northeast German Basin and adjacent areas used as conceptual model for thermal modelling. Different<br />

scenarios of the lithosphere/asthenosphere boundary depth (LAB) are shown. Numbered circles denote geological<br />

units (colorcoded) of different composition and thermal properties (from Lotz, <strong>2004</strong>).<br />

für die geplanten CO 2SINK-Bohrungen (Abb. 5.21) geologische<br />

Vorprofile erstellt.<br />

Der CO 2SINK-Speicher (die Stuttgart-Formation) ist eine<br />

geologische Einheit von ausgeprägter Heterogenität. Klastische<br />

Sedimentgesteine, die in Überflutungsgebieten<br />

(Überflutungsfazies) abgelagert wurden, wechseln mit Ablagerungen,<br />

die in Rinnen sedimentiert sind (sandige Rinnenfazies).<br />

Diese Sandsteine vom Grauwacken-Typ bilden<br />

auf Grund sehr guter hydraulischer Eigenschaften die<br />

eigentlichen Reservoirzonen für die CO 2-Speicherung.<br />

Um die Heterogenität der Stuttgart-Formation quantitativ<br />

zu erfassen, wurde zur Reservoircharakterisierung eine<br />

geostatistische Modellierung der möglichen Rinnensandsteingeometrien<br />

(Abb. 5.22) in Zusammenarbeit mit dem<br />

Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS)<br />

durchgeführt.<br />

Die Charakterisierung von Reservoir- und Caprock-Gesteinen<br />

ist für das Verständnis einer sicheren CO 2-Speicherung<br />

notwendig. Erste mineralogische und geochemische<br />

Analysen der Caprock-Gesteine in Ketzin (Abb. 5.23)<br />

zeigten typische Tonsteingefüge in diesen Gesteinen.<br />

Mehr oder weniger gerundete Quarze sind in eine dichte,<br />

oft blättchenförmige Grundmasse aus Ton- und Glimmermineralen<br />

eingebettet. Große und durchgängige Porenräume<br />

sind nicht zu erkennen. Oft ist eine deutliche<br />

Schichtung von rein sandigen und tonigen Partien zu beobachten.<br />

Durchgängige Porenräume sind in diesen dichten<br />

tonigen Partien nicht zu erwarten, was sie zu idealen Abdecker-Gesteinen<br />

für Reservoire macht.<br />

Gesteinsphysikalische Parameter für das Engineering von<br />

Tiefenreservoiren<br />

Die Injektion von CO 2-haltigen Wässern in tiefe Gesteinsformationen,<br />

das Einbringen von Stützmitteln in hydraulisch<br />

frisch aufgebrochene Reservoire, die Infiltration von<br />

Bohrspülungen in Reservoirgestein und das Langzeitdurchströmen<br />

eines geothermischen Reservoirs mit Tiefenwässern<br />

beeinflussen die physikalischen Gesteinseigenschaften.<br />

Diese Änderungen können auch experimentell<br />

im Labor bestimmt werden.<br />

Mit der triaxialen Hochdruckpresse wurden am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

mechanische Parameter des Bentheimer Sandsteins<br />

bestimmt. Ein Schwerpunkt war die Bestimmung des<br />

Skempton-Koeffizienten (Änderung des Porendrucks<br />

dividiert durch die Änderung des äußeren Umschließungsdrucks).<br />

Die Experimente zeigen, dass der Skempton-Koeffizient<br />

einer Probe bei Veränderungen des äußeren<br />

Stressfeldes nicht konstant ist. Bei Erhöhung des<br />

Umschließungsdruckes sinkt der Skempton-Koeffizient.<br />

Durch die Vorbelastung der Probe werden die Einflüsse<br />

von bleibenden Deformationen minimiert. Das Modell<br />

zeigt, dass gerade die Porenraumgeometrie (runde Poren<br />

bis irreguläre Poren) in direktem Zusammenhang mit<br />

deren Deformationsverhalten steht.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

383


384<br />

Abb. 5.21: Karte der Roskow-Ketzin-Doppelstruktur mit der CO 2SINK-Bohrlokation (gefülltes Quadrat) sowie der Lage<br />

von Altbohrungen (Punkte). Tiefenlage des seismischen K2-Reflektors in Metern (verändert nach Förster et al., im<br />

Druck).<br />

Map of the Roskow-Ketzin double structure with the location of the CO 2SINK drill site (filled square) and previous<br />

wells (dots). Depth of the K2 seismic reflector in meters (adapted from Förster et al., in press).<br />

Mit der triaxialen Hochdruckpresse wurden auch geophysikalische<br />

und geochemische Vorgänge in Sandsteinen<br />

untersucht, wenn diese im Kontakt mit Salzlösungen und<br />

mit CO 2 stehen. Es erfolgt eine kontinuierliche geophysikalische<br />

und geomechanische Datenaufnahme in Form<br />

Abb. 5.22: Modell-Geometrie der Stuttgart-Formation am Standort Ketzin<br />

für einen Block von 10 km x 10 km x 80 m Größe. Hochpermeable Sandsteinstränge<br />

wechseln mit gering-permeabler, tonig-siltiger Überflutungsfazies<br />

(blau) (aus Förster et al., im Druck).<br />

Architecture of the Stuttgart Formation at Ketzin, modelled in a 10 km x 10<br />

km x 80 m block. Sandstone channels of high permeability alternate with floodplain<br />

facies mudstones and siltstones (blue) (from Förster et al., in press).<br />

von seismischen Geschwindigkeiten, spezifischem elektrischen<br />

Widerstand und Deformation. Fluidproben, die<br />

mit dem Gestein in Wechselwirkung standen, wurden zur<br />

chemischen Analyse genommen. Signifikante Änderungen<br />

petrophysikalischer Eigenschaften konnten zusammen<br />

mit Patch-Versuchen zur Charakterisierung<br />

der Fluid-Gestein-Wechselwirkung<br />

interpretiert werden (Schütt et a.,<br />

<strong>2005</strong>).<br />

Solche Untersuchungen finden auch Eingang<br />

in die Entwicklung einer Apparatur<br />

zur Durchführung von Langzeitdurchströmungsversuchen<br />

zur Einschätzung<br />

des Langzeitverhaltens geothermischer<br />

Reservoire. Ziel ist die Ableitung einer<br />

wissenschaftlich begründeten Aussage<br />

über die zeitliche Entwicklung der Produktivität<br />

des betreffenden Reservoirgesteins.<br />

Hierzu wurden zwei identische<br />

Messapparaturen konzipiert, welche die<br />

simultane Messung der physikalischen<br />

Gesteinsparameter Permeabilität, elektrische<br />

Leitfähigkeit, Kompressions- und<br />

Scherwellengeschwindigkeit sowie fluidchemische<br />

Untersuchungen unter relevanten<br />

Druck- und Temperaturbedingungen<br />

ermöglichen.<br />

Zur Errichtung einer geothermischen<br />

Nutzungsanlage hat die Schaffung künst-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.23: Bohrkerne aus der Weser-Formation, dem unmittelbaren Caprock für den CO 2-Speicher in Ketzin. Untere<br />

Reihe: Sekundärelektronenbilder.<br />

Drill core samples from the Weser Formation, which is the immediate cap rock of the CO 2-injection formation at Ketzin.<br />

Lower row: Secondary-electron images.<br />

Abb. 5.24: Skempton-Koeffizient (Änderung des Porendrucks<br />

Pp dividiert durch Änderung des äußeren Umschließungsdrucks<br />

Pc) einer Probe des Bentheimer Sandsteins<br />

(Blöcher et al., pers. Mitt.) Die Druckänderung<br />

beträgt 0,1 MPa/min. Dargestellt sind gleitende Mittel<br />

über 10 Minuten. Messung bei Druckbelastung: up; Druckentlastung:<br />

down)<br />

Skempton-coefficient (change of pore pressure divided by<br />

change of confining pressure) of a Bentheim sandstone<br />

sample (Blöcher et al., pers. comm.) Pressure change is<br />

0.1MPa/min. Shown are 10-minute-running averages.<br />

Measurements during pressure increase are marked with<br />

„up“; measurements during pressure decrease are marked<br />

with „down“.<br />

licher Risse eine besondere Bedeutung. In der Konzeption<br />

ist das Einbringen von Mitteln zur Abstützung der Rissoberfläche<br />

nach Druckentlastung eine wichtige Option.<br />

Daher wurde die Schädigung einer künstlichen Rissoberfläche<br />

einer Rotliegend-Sandsteinprobe durch ungleichmäßige<br />

Stützmittelverteilung untersucht. Im Fokus der<br />

Untersuchungen standen die mechanischen Auswirkungen<br />

einer geringen Konzentration von Stützmitteln im<br />

Riss. Die Simulation der Spannungs-Bedingungen für eine<br />

Tiefe von 4 km an einer Rotliegendprobe aus Flechtingen<br />

ergab, dass deutliche Schädigungen der Rissoberfläche<br />

durch Eindringen der Stützmittel in die Gesteinsmatrix,<br />

Produktion von Feinmaterial am Kontakt und die Zerstörung<br />

des Stützmittels selbst beobachtet wurden. Der Vergleich<br />

mit dem Standard-Test (nach API) für das verwendete<br />

Stützmittel ergab, dass der prozentuale Anteil des<br />

erzeugten Feinmaterials etwa gleich groß, die effektive<br />

Spannung im API-Test aber doppelt so groß ist. Die Zerstörungen<br />

waren umso stärker, je geringer die Stützmittelkonzentration<br />

(kleiner als geschlossen einlagig) war. Die<br />

Mobilisierung und Transport von Feinmaterial beschränkte<br />

sich auf die Stützmittellage, weil aus technischen Gründen<br />

nur der Riss durchströmt werden konnte. Bei einer<br />

Strömung aus der Gesteinsmatrix in den Riss ist eine<br />

Mobilisierung der Gesteinsbruchstücke wahrscheinlich.<br />

In einer separaten Versuchsanlage wurde die einaxiale<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

385


386<br />

Abb. 5.25: Dünnschliffe eines Bentheimer Sandsteins 1,25 x 1,25 mm 2 . Links: Korngerüst und Druckverteilung in den<br />

Poren farbig hinterlegt. Rechts: die durch das numerische Modell ermittelten Porendrücke und Stressverteilung im<br />

Korngerüst (Blöcher et al., pers. Mitt.).<br />

Thin section of Bentheim sandstone 1,25 x 1,25 mm 2 . Left: grain structure and pressure distribution in pores. Right:<br />

Responding pore pressure and mean stress in a numerical simulation (Blöcher et al., pers. comm.).<br />

Abb.5.26:K-Feldspat vor Einwirkung (links) bzw. nach Einwirkung (rechts)<br />

CO 2-beladener Wässer.<br />

K-feldspar before treatment (left) and after treatment (right) with CO 2-bearing<br />

water.<br />

Bruchfestigkeit von Stützmittel-Einzelkörnern bestimmt<br />

und damit eine Datenbasis für keramische Stützmittel<br />

geschaffen.<br />

Um die Einsatzfähigkeit von Spülungen für die Geothermie-Bohrung<br />

in Großschönebeck beurteilen zu können,<br />

wurde in Kooperation mit der Bergakademie Freiberg ein<br />

Untersuchungsprogramm gestartet. Als Basisdaten wurden<br />

im <strong>GFZ</strong> Potsdam an Rotliegend-Bohrkernen die Dichte,<br />

Porosität, Permeabilität und deren Druckabhängigkeit<br />

bestimmt. Die Aufgabe einer speicherschonenden Spülung<br />

ist der Aufbau eines sogenannten Filterkuchens an<br />

der Bohrlochwand, der weitere Infiltrationen während des<br />

Bohrvorgangs verhindern soll. Das Programm wird mit<br />

High-Tech-Spülungssystemen aus der Industrie (Baroid,<br />

MI Swaco) durchgeführt.<br />

Gashydrat-Projekt in Mallik, Kanada<br />

Im Rahmen des Mallik-2002-Forschungsbohrprogramms<br />

wurden drei Bohrungen, die ein kontinentales Gashydratvorkommen<br />

unter Permafrost im Nordwesten Kanadas<br />

durchteufen, vom <strong>GFZ</strong> Potsdam mit faseroptischen Messkabeln<br />

zur ortsverteilten Temperaturmessung ausgestat-<br />

tet. Hierbei ist es von besonderem Interesse,<br />

die In-Situ-Wärmeleitfähigkeit zu<br />

bestimmen. Da bei der Bildung und der<br />

Zersetzung von Gashydraten latente<br />

Wärme umgesetzt wird, sind diese Prozesse<br />

immer mit dem Transport von<br />

Wärme verbunden. Um solche Bildungsund<br />

Zersetzungsprozesse in der Natur<br />

quantifizieren zu können, ist eine detaillierte<br />

Kenntnis der thermischen Eigenschaften<br />

von gashydratführenden Gesteinen<br />

notwendig. Da der Einfluss von<br />

Hydratvorkommen auf die thermischen<br />

Eigenschaften poröser Gesteine bisher<br />

weitgehend unbekannt ist, wurde der Einfluss<br />

von Methanhydrat auf den Wärmetransport untersucht.<br />

Die In-Situ-Wärmeleitfähigkeit wurde mit zwei unterschiedlichen<br />

Methoden aus den vorliegenden Bohrlochmessdaten<br />

hergeleitet: Einerseits wurden Wärmeleitfähigkeitsprofile<br />

aus den gemessenen geothermischen Gradienten<br />

und der lokalen Wärmeflussdichte auf der Grundlage<br />

der Fourier’schen Wärmeleitungsgleichung berechnet.<br />

Andererseits wurde die Gesteinszusammensetzung<br />

anhand von Bohrlochmessdaten bestimmt und die effektive<br />

Wärmeleitfähigkeit der hydratführenden Sedimente<br />

durch Anwendung von Mischungsgesetzmodellen berechnet.<br />

Die Ergebnisse des geometrischen Modells stimmen am<br />

besten mit den Wärmeleitfähigkeitsprofilen überein, die<br />

aus geothermischen Daten abgeleitet wurden. Daher kann<br />

das geometrische Modell zur Abschätzung der Wärmeleitfähigkeit<br />

von gashydratführenden Sedimenten des Mallik-Typs<br />

angewendet werden. Die erbohrten Sedimente<br />

zeigen geringe Wärmeleitfähigkeitskontraste zwischen<br />

der Porenfüllung und der Gesteinsmatrix und enthalten<br />

fein verteilt auftretendes Gashydrat mit Sättigungen bis<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.27: Schema einer „Fracture-Face-Zone“ (Rissoberfläche nach Stützmitteleinwirkung, Legarth et al., <strong>2005</strong>).<br />

Scheme of a fracture face zone (Legarth et al., <strong>2005</strong>).<br />

Abb. 5.29: Bohrturm an der Lokation Mallik, NW-Kanada<br />

(Foto: <strong>GFZ</strong> Potsdam).<br />

Drill rig at the Mallik site, NW-Canada.<br />

Abb. 5.28: Filterkuchen auf einer Rotliegend-Sandstein-Oberfläche<br />

nach Einwirkung einer High-Tec-Bohrspülung<br />

(Raab et al., pers. Mitt.)<br />

Filtercake on the surface of a Rotliegend sandstone after<br />

infiltration of a high-tec borefluid (Raab et al., pers. comm.)<br />

zu 90 %. Mittlere Werte der Wärmeleitfähigkeit der hydratführenden<br />

Intervalle liegen zwischen 2,35 W/m/K und<br />

2,77 W/m/K. Die Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen<br />

der Wärmeleitfähigkeit wesentlich durch lithologische<br />

Wechsel verursacht werden und der Einfluss der Hydratsättigung<br />

auf die effektive Wärmeleitfähigkeit des<br />

Gesteins nur von untergeordneter Bedeutung ist. Die verbesserte<br />

Kenntnis der Wärmeleitfähigkeit gashydratführender<br />

Sedimente ermöglicht die Berechnung der dynamischen<br />

Wärmetransportprozesse bei Bildung und Zerfall<br />

von Gashydraten.<br />

Ingenieurseismologie<br />

Die Forschungsarbeiten der Sektion 5.3 „Ingenieurseismologie“<br />

konzentrieren sich auf ingenieurtechnisch umsetzbare,<br />

angewandte seismologische Forschungsthemen<br />

wie z. B. probabilistische Einschätzungen der Erdbebengefährdung,<br />

deren Überführung in Regelwerke zum erdbebengerechten<br />

Konstruktionsentwurf sowie in Erdbebenrisikoaussagen<br />

als Grundlage für ein Risikomanagement.<br />

Hinzu kommen seismologische und ingenieurseismologische<br />

Grundlagenuntersuchungen, wie die Bereitstellung<br />

geeigneter Ausgangsdaten, z. B. von Dämpfungsbeziehungen<br />

von potentiell schadenverursachenden Er-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

387


388<br />

Abb. 5.30: Vergleich von Wärmeleitfähigkeitsprofilen, die aus Mischungsgesetzmodellen<br />

und geothermischen Daten (Mallik 5L-38-Bohrung, September<br />

2003) berechnet wurden, zusammen mit den 95 % Konfidenzintervallen.<br />

Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Daten als 5-Meter-Mittelwerte<br />

dargestellt. Verändert nach Henninges et al. (<strong>2005</strong>).<br />

Comparison of thermal-conductivity profiles calculated from mixing-law<br />

models and 5-m average temperature gradients (Mallik 5L-38 well, September<br />

2003), together with 95% confidence interval limits. For better<br />

comparability, the mixing law conductivities are correspondingly displayed<br />

as 5-m arithmetic average values. Modified from Henninges et al.<br />

(<strong>2005</strong>).<br />

schütterungsparametern, der Vulnerabilitätsanalyse<br />

von Bauten, numerischen<br />

Modellierungen zum Bebengenerierungspotential<br />

von geologischen Bruchstörungen<br />

sowie Analysen zum bebenauslösenden<br />

Spannungsfeld in der Erdkruste.<br />

Seismische Risikokartierung Deutschlands<br />

Im gemeinsam von <strong>GFZ</strong> Potsdam und der<br />

Universität Karlsruhe betriebenen virtuellen<br />

Institut CEDIM (Centre for Disaster<br />

Management and Risk Reduction<br />

Technology) wurde im Projekt „Risikokartierung<br />

Deutschland“ das Erdbebenrisiko<br />

landesweit berechnet und kartenmäßig<br />

dargestellt (vgl. dazu auch die Arbeit<br />

„Risikokarten für Deutschland“ in diesem<br />

Bericht). Verschiedene der seismisch<br />

aktivsten Zonen in Europa nördlich der<br />

Alpen befinden sich in Deutschland<br />

und im Grenzgebiet zu Deutschland<br />

(Abb. 5.31). Dort traten in historischer<br />

Zeit Momentmagnituden von M W > 6 und<br />

bis M W = 6,9 auf, denen Erschütterungsintensitäten<br />

von VIII-IX und IX entsprechen.<br />

Da verschiedene dieser aktiven<br />

Seismizitätszonen eine hohe Bevölkerungsdichte<br />

und einen hohen Grad der<br />

Industrialisierung aufweisen und damit<br />

die Erdbebengefährdung mit einer hohen<br />

Konzentration von Werten zusammentrifft,<br />

ist die Analyse der Einflüsse von<br />

Erdbeben auf eine derart exponierte<br />

Infrastruktur sehr wichtig.<br />

Eine Methodik zur Berechnung des seismischen<br />

Risikos geht aus von intensitätsbasierten<br />

probabilistischen seismischen<br />

Gefährdungseinschätzungen, Vulnerabilitätsmodellen<br />

auf der Grundlage der<br />

räumlichen Verteilung von Wohngebäuden<br />

unterschiedlichster Bauweisen bzw.<br />

Abb. 5.31: Zeitgenössischer Kupferstich,<br />

der die Wirkungen des Bielefeld-Bebens<br />

von 1612 zeigt: verängstigte Bürger<br />

(Mitte), herunterfallendes Zinngeschirr<br />

(links) und (rechts) beschädigte Bauten,<br />

wie ein Stadttorturm und das Bielefelder<br />

Franziskaner-Kloster, die erhebliche<br />

Mauerrisse aufweisen (vgl. Grünthal,<br />

<strong>2004</strong>).<br />

Contemporary engraving showing the<br />

effects of the 1612 Bielefeld earthquake:<br />

frightened people (middle), falling pewter<br />

wave (left) and (right) damaged buildings<br />

like a city gate tower and the Bielefeld<br />

Franciscans monastery, both evidencing<br />

considerable fissures in the walls (cf.<br />

Grünthal, <strong>2004</strong>).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.32: Epizentren katalogisierter Erdbeben (Grünthal & Wahlström,<br />

2003).<br />

Epicentres of catalogued earthquakes (Grünthal & Wahlström, 2003).<br />

-typen sowie den Wiederherstellungskosten solcher Wohngebäude<br />

spezifiziert für alle kommunalen Strukturen. Die<br />

grenzüberschreitenden Erdbebendaten in Form einer europäischen<br />

Datenbasis (Abb. 5.32) wurden am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

von Grünthal und Wahlström (2003) erarbeitet. Ebenso<br />

wurden die Erdbebengefährdungsdaten von früheren Analysen<br />

am <strong>GFZ</strong> verwendet, die für den Erschütterungsparameter<br />

der makroseismischen Intensität kalibriert und für<br />

eine Nichtüberschreitenswahrscheinlichkeit von 90 % in<br />

50 Jahren berechnet sind (Abb. 5.33). Die Erdbebengefährdungsdaten,<br />

die primär für einen Gitterpunktabstand<br />

von 0,1° x 0,1° vorliegen, werden anhand von Interpolationen<br />

jeder der 13.490 separaten administrativen Kommunen<br />

in Deutschland zugeordnet.<br />

Für die Abschätzung der Häufigkeitsverteilung von<br />

Gebäuden bestimmter Verletzbarkeitsklassen wurde eine<br />

repräsentative Methodik entwickelt. Verschiedene Prototyp-Kommunen,<br />

die unterschiedlichen Klassen von Kommunen<br />

bezüglich ihrer Einwohnerzahl entsprechen, wurden<br />

anhand von Vor-Ort-Analysen im Hinblick auf ihre<br />

Vulnerabilitätsstruktur untersucht. Fünf Einwohnerklassen<br />

umfassen Orte mit weniger als 300 Einwohnern, 300<br />

bis 3.000, 3.000 bis 30.000, 30.000 bis 300.000 und mehr<br />

als 300.000. Zusatzinformationen konnten aus veröffentlichtem<br />

Material und der nationalen INFAS-Datenbank<br />

entnommen werden.<br />

Zur notwendigen Unterteilung von Verletzbarkeiten wurden<br />

die im Rahmen der Europäischen Makroseismischen<br />

Skala (EMS-98; Grünthal, 1998) erarbeiteten<br />

und international bewährten Vulnerabilitätsklassen<br />

zugrunde gelegt und<br />

deren repräsentative Häufigkeitsverteilungen<br />

in den fünf Kommunenklassen<br />

ermittelt.<br />

Schadenswahrscheinlichkeitsmatrizen<br />

wurden erarbeitet, die den erwarteten<br />

Schaden in Prozent der Zerstörung für<br />

verschiedene Kombinationen von Vulnerabilitätsklassen<br />

und makroseismische<br />

Intensitäten angeben. Diese sind in Abb.<br />

5.34 als Vulnerabilitäts- bzw. Fragilitätskurven<br />

dargestellt. Die Vulnerabilitätsklassenverteilung<br />

in Verbindung mit den<br />

Schadensmatrizen ergibt typische Schadenskurven<br />

für die Kommunengrößenklassen<br />

(Abb. 5.35). In einem nächsten<br />

Arbeitsschritt werden die makroseismischen<br />

Intensitäten für das betrachtete<br />

Gefährdungsniveau (bzw. Eintreffenswahrscheinlichkeit)<br />

mit den zugehörigen<br />

Werten der Fragilitätskurven kombiniert.<br />

Werden diese ortsbezogenen Daten<br />

wiederum mit den Wiederherstellungskosten<br />

verknüpft, folgt als Resultat die<br />

Erdbebenrisikokarte in Form von monetären<br />

Verlustaussagen (Abb. 5.36). Bisher<br />

wurden nur Wohnhäuser in die Analysen<br />

einbezogen. Die Angaben zum Werteinventar<br />

(Asset) in den einzelnen Kommunen sind von der<br />

Asset-Gruppe in CEDIM bereitgestellt worden.<br />

Den relativ geringen Schadenserwartungen für größere<br />

Städte (diese weisen infolge massiver Kriegseinwirkungen<br />

in stärkerem Ausmaß resistentere neuere Bauten auf als die<br />

Mehrzahl kleinerer Städte) stehen i. d. R. dennoch erhöhte<br />

Risikowerte gegenüber, die durch die im Gegensatz zu kleineren<br />

Kommunen erhöhten Wertekonzentrationen bedingt<br />

sind. Für die bevölkerungsreicheren Kommunen ist damit<br />

deren relativ zur Umgebung erniedrigte Vulnerabilität überkompensiert<br />

durch deren höhere totale Wertekonzentration.<br />

Für das gewählte Wahrscheinlichkeitsniveau von 10 %<br />

Überschreitenswahrscheinlichkeit in 50 Jahren ergeben<br />

sich damit erwartete Verlust von mehreren Hundert Millionen<br />

Euro in den am meisten gefährdeten größeren Kommunen.<br />

Die 15 Kommunen mit dem größten erwarteten<br />

Erdbebenrisiko sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />

Dieses methodische Vorgehen zur Abschätzung des seismischen<br />

Risikos wurde anhand beobachteter Schadenswerte<br />

von Beben der letzten 30 Jahre in Deutschland und<br />

im grenznahen benachbarten Ausland kalibriert. Obwohl<br />

nur Wohnbauten betrachtet wurden und keine sonstigen,<br />

gegenüber Erdbeben verletzbaren Objekte, gibt die vorliegende<br />

Risikokarte bereits einen guten Eindruck vom<br />

insgesamt zu erwartenden Erdbebenrisiko, zumal Wohngebäude,<br />

sowohl seitens ihres Werteinventars als auch vom<br />

sozialen Standpunkt aus betrachtet, in ihrer Summe die<br />

größte gesamtgesellschaftliche Bedeutung besitzen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

389


390<br />

Abb. 5.33: Erdbebengefährdung in Deutschland in Form berechneter Intensitätswerte für eine Nichtüberschreitenswahrscheinlichkeit<br />

von 90 % in 50 Jahren; mit Karte der Epizentren tektonischer Erdbeben (Grünthal et al., 1998).<br />

Earthquake hazard in Germany in terms of European Macroseismic Scale intensities for a non-exceedence probability<br />

of 90 % in 50 years; epicentres of tectonic earthquakes (Grünthal et al., 1998).<br />

Vergleichende Bewertung des Naturgefahrenrisikos für<br />

die Stadt Köln – Erdbeben, Hochwasser und Stürme<br />

Die am <strong>GFZ</strong> vorgenommenen Untersuchungen zur Abschätzung<br />

der Erdbebengefährdung finden ihre Umsetzung<br />

in die Praxis (1) in Form der Bereitstellung von Erdbebenzonierungskarten<br />

und von seismischen Lastannah-<br />

men für erdbebengerechte Baunormen, wie der zum<br />

01. 04. <strong>2005</strong> eingeführten Neufassung der DIN 4149 und<br />

(2) in Form von Überführungen der Erdbebengefährdungsaussagen<br />

in Risikoaussagen, d. h. der Berechnung<br />

zu erwartender monetärer Verluste für verschiedene Eintreffenswahrscheinlichkeiten.<br />

Diese bilden die Grundlage<br />

für ein möglichst realistisches langfristig orientiertes Risi-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.35: Vulnerabilitäts-(Schadens-)kurven für die repräsentativen Kommunengrößenklassen.<br />

Vulnerability (damage) curves for the representative community classes.<br />

Abb. 5.34: Vulnerabilitätskurven für die<br />

Vulnerabilitätsklassen A bis D der EMS-<br />

98 (Grünthal, 1998).<br />

Vulnerability curves for the EMS-98 vulnerability<br />

classes A to D (Grünthal, 1998).<br />

komanagement. Besonders nützlich stellen<br />

sich quantitative Vergleiche des Risikos<br />

durch verschiedene Naturgefahren dar.<br />

Im Rahmen des Deutschen Forschungsnetzes<br />

Naturgefahren (DFNK) wurden<br />

die Risiken durch Erdbeben, Hochwasser<br />

und Stürme für den Raum Köln untersucht.<br />

Nach Vorliegen der DFNK-Resultate<br />

wurde unter Koordinierung der Sektion<br />

5.3 ein quantitativer Vergleich der<br />

Risiken für die Stadt Köln vorgenommen.<br />

Hierbei galt es, die Arbeiten zur Risikoabschätzung<br />

zu Erdbeben, Hochwasser<br />

und Stürmen so zu gestalten, dass die<br />

Ergebnisse einen direkten Vergleich erlauben<br />

und dieser Vergleich für einen<br />

möglichst weiten Bereich betrachteter<br />

Eintreffenswahrscheinlichkeiten möglich<br />

ist, wie diese typischerweise für die Erdbebengefährdung<br />

angegeben werden. Die<br />

hier vorgestellten Ergebnisse sind das<br />

Produkt einer engen Zusammenarbeit des<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam mit der Bauhaus-Universität<br />

Weimar, wo die wesentlichen Komponenten<br />

der Quantifizierung des Erdbebenrisikos<br />

untersucht wurden, sowie mit<br />

der Universität Leipzig, an der das Sturmrisiko<br />

abgeschätzt wurde. Innerhalb des<br />

<strong>GFZ</strong> erfolgte eine Zusammenarbeit mit<br />

der Sektion 5.4, wo das Hochwasser-<br />

Tab. 1: Liste von Kommunen mit den höchsten Risikowerten; erwartete Verluste durch mögliche Schäden an Wohnbauten<br />

für eine Nichteintreffenswahrscheinlichkeit von 90 % in 50 Jahren.<br />

List of the 15 communities with the highest risk values; estimated losses due to probable damage to the residential<br />

building stock for a 90 % non-exceedance probability in 50 years.<br />

Community Location Federal state Population Seismic risk<br />

(thousand) (million euro)<br />

Köln 50°56'N 6°55'E North Rhine-Westphalia 968 790<br />

Aachen 50°46'N, 6°05'E North Rhine-Westphalia 246 560<br />

Tübingen 48°31'N, 9°03'E Baden-Württemberg 82 470<br />

Mönchengladbach 51°11'N, 6°26'E North Rhine-Westphalia 263 440<br />

Reutlingen 48°29'N, 9°12'E Baden-Württemberg 111 430<br />

Stuttgart 48°47'N, 9°11'E Baden-Württemberg 587 400<br />

Albstadt 48°13'N, 9°00'E Baden-Württemberg 47 375<br />

Düren 50°48'N, 6°28'E North Rhine-Westphalia 92 330<br />

Freiburg im Breisgau 47°59'N, 7°50'E Baden-Württemberg 208 290<br />

Konstanz 47°40'N, 9°10'E Baden-Württemberg 79 280<br />

Karlsruhe 49°00'N, 8°23'E Baden-Württemberg 280 255<br />

Lörrach 47°37'N, 7°39'E Baden-Württemberg 46 220<br />

Balingen 48°16'N, 8°51'E Baden-Württemberg 34 210<br />

Frankfurt am Main 50°08'N, 8°40'E Hessen 641 200<br />

Kerpen 50°52'N, 6°41'E North Rhine-Westphalia 64 195<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

391


392<br />

Abb. 5.36: Erwartete Verteilung des seismischen Risikos (Millionen Euro) in deutschen Kommunen für eine Nichteintreffenswahrscheinlichkeit<br />

von 90 % in 50 Jahren (Tyagunov et al., 2006, submitted).<br />

Estimated distribution of seismic risk (millions of euro) in communities of Germany for a non-exceedence probability<br />

of 90 % in 50 years (Tyagunov et al., 2006, submitted).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


isiko und wesentliche Teile zum Werteinventar<br />

untersucht wurden.<br />

Als Zielgebiet für diese Multirisiko-Studie<br />

wurde Köln ausgewählt, da hier eine<br />

Millionenstadt mit einer hohen Wertekonzentration<br />

sowie einem bedeutenden<br />

Industrie- und Dienstleistungssektor zusammentreffen<br />

mit den drei behandelten<br />

Naturgefahren: Erdbeben, Sturm und<br />

Hochwasser. Stürme nehmen eine Spitzenposition<br />

in der jährlichen Schadensstatistik<br />

ein; z. B. übersteigen die Sturmschäden<br />

im Jahr 1999 landesweit zehn<br />

Milliarden Euro. Auch Überschwemmungsereignisse<br />

können ein großes Ausmaß<br />

annehmen wie bei der Elbe-Flut<br />

2002 mit mehr als neun Milliarden Euro.<br />

Bei der Rhein-Überschwemmung im<br />

Jahre 1995 erreichten die Schäden in<br />

Köln 33 Millionen Euro.<br />

Während Bedrohungen durch Stürme<br />

und Hochwasser der Bevölkerung sehr<br />

bewusst sind, trifft dies auf die ungleich<br />

selteneren Erdbeben nicht zu. So ist z. B.<br />

das Roermond-Beben von 1992 (M W =<br />

5,3), bei dem 7.200 Gebäude beschädigt<br />

wurden und Schäden von 150 Millionen<br />

Euro auftraten, nur den Betroffenen noch<br />

gegenwärtig. Jedoch kann mit weitaus<br />

stärkeren Beben gerechnet werden. Die<br />

größten historischen Beben im Raum Köln i. w. S. erreichten<br />

M L = 6,1 bzw. M W = 5,8, paläoseismologisch nachgewiesene<br />

Beben in der Region sogar M W von 6,7.<br />

Um die Ergebnisse der drei Naturgefahrenarten vergleichen<br />

zu können, wurde eine unter den einzelnen Bearbeiterteams<br />

abgestimmte Vorgehensweise mit folgenden<br />

Analyseschritten beschritten:<br />

1. Gefährdungseinschätzungen in Form der Wahrscheinlichkeit<br />

des Auftretens potentieller Schadenereignisse,<br />

wobei, entgegen der üblichen Vorgehensweise, auch<br />

für Stürme und Hochwasser ein möglichst breiter<br />

Bereich zu überdeckender Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />

zu fordern ist<br />

2. Abschätzung des Werteninventars<br />

3. Vulnerabilitätsabschätzungen, die sehr unterschiedlich<br />

für die betrachteten Gefahrenarten ausfallen; so<br />

ist z. B. bei Stürmen der Fassaden- und Dachbereich<br />

vulnerabilitätsbestimmend, dagegen bei Hochwasser<br />

die Ausbildung der untersten Teile von Gebäuden<br />

4. Verlustabschätzung durch Überlagerung der Werteverteilung<br />

mit den Vulnerabilitäten sowie den zugehörigen<br />

Szenarien von Ereigniswahrscheinlichkeiten<br />

5. Synthese der Verlustzuweisungen für die drei Gefahrenarten<br />

Die Gefährdungsabschätzungen für die drei betrachteten<br />

Gefahrenarten basieren auf sehr unterschiedlich langen<br />

Abb. 5.37: Gefährdungsabschätzungen für Köln (Grünthal et al., <strong>2004</strong>).<br />

Seismic hazard assessment for the area of Cologne (Grünthal et al., <strong>2004</strong>).<br />

Beobachtungsreihen. Während für das Sturmrisiko eine<br />

nur 30-jährige Beobachtung der stündlichen Windgeschwindigkeiten<br />

(1971 bis 2000) zur Verfügung stand, sind<br />

es für Hochwasser 120-jährige Abflussmessreihen am Pegel<br />

Köln. Für Erdbeben können die Katalogdaten der letzten<br />

1.000 Jahre für ein zu nutzendes Untersuchungsgebiet von<br />

mehr als 300 km um die Stadt Köln herangezogen werden,<br />

die hinsichtlich der Intensitäten von 8 ab ca. 1.250<br />

hinreichend vollständig sind. Paläoseismologische Daten<br />

überdecken ca. 15.000 Jahre. Grünthal et al. (<strong>2004</strong>) ermittelten<br />

das Werteinventar für Köln und die Abschätzung<br />

der Vulnerabilitätsverteilungen der Gebäudestruktur für<br />

die Gefahren durch Sturm, Hochwasser und Erdbeben.<br />

Die Abb. 5.37 zeigt die Erdbebengefährdungskurve für<br />

das Zentrum von Köln, kalibriert für den Erschütterungsparameter<br />

„makroseismische Intensität“. Zusätzlich sind<br />

drei Szenarien der räumlichen Intensitätsverteilung für<br />

unterschiedliche Eintreffenswahrscheinlichkeiten dargestellt.<br />

Die Synopsis der monetären Verluste durch Sturm,<br />

Hochwasser und Erdbeben ist in Abb. 5.38 dargestellt. In<br />

der Risikobewertung dominiert für große Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />

von 10 –1 bis etwa 5 . 10 –3 p. a. das Risiko<br />

durch Überschwemmungen und Stürme.<br />

Aufgrund der exponierten Lage Kölns am regelmäßig<br />

Hochwasser führenden Rhein dominiert das Hochwasserrisiko.<br />

Hinsichtlich der Windexposition der Stadt ist diese<br />

eher als geschützt zu bewerten. Schadenbeben spielen für<br />

Köln bis zum Wahrscheinlichkeitsniveau von 5 . 10 –3 p. a.,<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

393


394<br />

Abb.5.38:Risikokurven für Hochwasser, Erdbeben und Sturm für Köln unter<br />

Berücksichtigung der Schäden an Gebäuden und in den Bereichen Privathaushalte,<br />

Handel und Industrie (Grünthal et al., <strong>2004</strong>).<br />

Risk curves of the hazards due to windstorms, floods and earthquakes for<br />

the city of Cologne considering losses at buildings and in the sectors private<br />

housing, commerce and industry (Grünthal et al., <strong>2004</strong>).<br />

dem eine mittlere Wiederholungsperiode T von 200 Jahren<br />

entspricht, keine Rolle. Für Laien unerwartet, dominieren<br />

für mittlere Wiederholungsperioden T von 200 Jahren<br />

und größer die Erdbeben das Risikopotential durch<br />

Naturgefahren. Zumindest scheint das Erdbebenrisiko für<br />

derartige Werte von T etwa gleich groß ausgebildet zu sein<br />

wie für Hochwasser.<br />

Die Studie zeigte, dass Multirisikoabschätzungen für städtische<br />

Räume, die große Bereiche von Eintreffenswahrscheinlichkeiten<br />

überdecken, möglich sind. Die vorgelegten<br />

Ergebnisse der Eintreffenswahrscheinlichkeiten monetärer<br />

Verluste sind ein wesentlich besserer Indikator für<br />

das Risikomanagement als die bisher üblicherweise angegebenen<br />

mittleren erwarteten jährlichen Schäden, die von<br />

häufigen Ereignissen ohne katastrophale Ausmaße domi-<br />

niert werden, während für das Risikomanagement<br />

quantifizierte vergleichende<br />

Aussagen zu Katastrophenlagen entscheidend<br />

sind.<br />

Konstante Zeitintervalle zwischen Starkbeben?<br />

– Numerische Modellrechnungen<br />

an Transform-Störungen<br />

In der Analyse der seismischen Gefährdung<br />

wird in zunehmendem Maß die Zeitabhängigkeit<br />

des Auftretens von Starkbeben<br />

berücksichtigt. In diesem Zusammenhang<br />

interessiert insbesondere die<br />

Frage, wie die Zeitintervalle zwischen<br />

diesen Starkbeben charakterisiert werden<br />

können.<br />

Basierend auf einem numerischen Modell<br />

einer nicht-planaren Transform-Störung<br />

wurden numerische Simulationen<br />

durchgeführt, die zu wiederholten Bruchprozessen<br />

unterschiedlicher Stärke auf<br />

dieser Störung führen. Die Geometrie<br />

und Belastung der Störung im Modell<br />

wurde so gewählt, dass die verschiedenen Störungssegmente<br />

entweder eine Transpressions- oder ein Transtensionsregime<br />

zeigen. Zur Beschreibung der Festigkeit der<br />

Störung wurde ein Mohr-Coulomb-Kriterium verwendet.<br />

Wesentliche Vorraussetzung für den wiederholten Bruch<br />

ist eine Heilung des Festigkeitsverlustes der Störung nach<br />

einem singulären Bruchprozess, so dass ein erneuter<br />

Bruch mit Festigkeitsverlust möglich ist. Die numerischen<br />

Simulationen wurden mit dem Distinct-Element-Programm<br />

3DEC durchgeführt.<br />

Die Analyse der simulierten Bruchereignisse liefert folgende<br />

Ergebnisse:<br />

• Die Verteilungen der Magnitudenhäufigkeiten zeigt in<br />

einem signifikanten Magnitudenbereich ein log-line-<br />

Abb. 5.39: Magnituden Häufigkeiten für verschiedene Modellparameter in den numerischen Rechnungen (a bis e):<br />

●-Störungssegment mit Transpression, ◆-Segment mit Transtension und ■-Häufigkeit für alle Beben (Schelle et al.,<br />

2006, submitted).<br />

Magnitude-frequency curves for different parameter sets in the numerical simulation (a-e): ●-transpressional segment,<br />

◆-transtensional segment and ■-total number of events (Schelle et al., 2006, submitted).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


ares Verhalten in Übereinstimmung mit dem Gutenberg-Richter-Gesetz<br />

(logN = a – bM).<br />

• Der Abfall der Magnitudenhäufigkeit, der b-Wert,<br />

hängt stark von den verwendeten elastischen Parametern<br />

ab (Abb. 5.39).<br />

• In einem steiferen Modell sind die zugehörigen b-<br />

Werte eher klein (~ 0,5), so dass die Deformationsenergie<br />

bevorzugt durch wenige, aber starke Bruchereignisse<br />

freigesetzt wird.<br />

• Wenn die Elastizitätsparameter reduziert werden, steigt<br />

der b-Wert bis auf ca. 2 an und die Energie wird durch<br />

häufigere, aber weniger starke Ereignisse freigesetzt.<br />

• Der Einfluss des Deformationsregimes – Transpression<br />

oder Transtension – ist auf den b-Wert relativ<br />

gering im Gegensatz zu den Elastizitätsparametern.<br />

• Eine Verifizierung des seismischen Zyklus durch die<br />

Analyse der verschiedenen Zeitintervalle zwischen<br />

Abb. 5.40: Häufigkeit des Auftretens verschiedener<br />

Zeitintervalle zwischen Starkbeben:<br />

(a) extrapolierte Verteilungen für<br />

verschiedene Belastungsraten in den<br />

Modellrechnungen und (b) Vergleich<br />

der gemittelten Modellverteilung mit<br />

einer angepassten Log-Normalverteilung<br />

(Schelle et al., 2006, submitted).<br />

Temporal distributions of inter-event<br />

times for main events only: (a) extrapolated<br />

distributions for different loading<br />

rates applied in the numerical simulations<br />

and (b) comparison between the<br />

averaged inter-event time distribution<br />

with a least squares log-normal approximation<br />

(Schelle et al., 2006, submitted).<br />

starken Bruchereignissen auf einem Störungssegment<br />

zeigt, dass diese nicht konstant sind, sondern eine breite<br />

Verteilung haben (Abb. 5.40a), die mit einer Log-<br />

Normalverteilung sehr gut beschrieben werden kann<br />

(Abb. 5.40b).<br />

• Die Analyse der Korrelation zwischen starken Bruchereignissen<br />

benachbarter Segmente liefert ebenfalls<br />

keine eindeutig definierten Zeitintervalle zwischen<br />

den Beben auf verschiedenen Segmenten.<br />

Untersuchung von Strain-Textur-Wechselwirkungen an<br />

geologischen Proben mittels Neutronen-Flugzeit-Diffraktion<br />

Im Berichtszeitraum wurde die Ausstattung des Diffraktometers<br />

Epsilon-Mds am Flugzeitkanal 7A des IBR-2<br />

(JINR Dubna) mit Detektoren weiter vervollständigt. In<br />

Abb. 5.41: Multidetektordiffraktometer Epsilon-Mds, eingeschlossen<br />

in eine Isolierkammer zur Wärmestabilisierung<br />

während Langzeitexperimenten (Foto: C. Scheffzük,<br />

<strong>GFZ</strong>).<br />

The multidetector-diffractometer Epsilon-Mds, locked into<br />

a cabin to assure continues temperature conditions, first<br />

of all for long-time experiments.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

395


396<br />

diesem Zusammenhang ist neben der notwendigen Anpassung<br />

der Elektronik zur Datenaufnahme auch ein kompletter<br />

Austausch der Hochspannungsversorgung für die<br />

Detektoren erfolgt. Vorbereitet wurde die weitere Ausgestaltung<br />

der in situ operierenden Zusatzgeräte mit der<br />

Installation eines Systems zur Aufnahme und Ortung<br />

akustischer Emissionen während der Deformationsexperimente<br />

(Ultraschallmessung).<br />

Damit besteht die Experimentumgebung des Multidektorendiffraktometers<br />

Epsilon-Mds aus einer (einaxialen)<br />

Deformationseinrichtung (Exstress), einer berührungsfreien<br />

Makro(Proben)Strain-Messeinrichtung (Laser-Extensometer)<br />

und einem System zur Messung von Schallwellengeschwindigkeiten<br />

mit der Möglichkeit, akustische<br />

Emissionen während der Deformationsprozesse aufzunehmen<br />

und zu lokalisieren.<br />

Die aus Experimenten mit dem Diffraktometer Epsilon-<br />

Mds zu verschiedenen Jahreszeiten gewonnenen Datensätze<br />

waren in der Vergangenheit durch Temperaturschwankungen<br />

in der Versuchshalle untereinander nur<br />

begrenzt vergleichbar und die Ergebnisse von Langzeitexperimenten<br />

waren bisher nur bedingt sinnvoll. Zur Temperaturstabilisierung<br />

wurde das Diffraktometer deshalb<br />

vollständig in eine isolierende Hülle eingeschlossen. Die<br />

Temperatur wird automatisch gemessen und gesteuert.<br />

Die Einrichtung gestattet unter noch nicht voll ausgeschöpften<br />

Möglichkeiten des Betriebs eine Temperaturstabilisierung<br />

im Bereich von +0,2 °C (Abb. 5.41).<br />

Die Haltbarkeit von Natursteinen als Werkstein (z. B. für<br />

Täfelungen an Gebäuden) wird von residuellem Strain und<br />

Textureigenschaften wesentlich mitbestimmt. Die Einstellung<br />

eines residuellen Straingleichgewichts und die<br />

Textureigenschaften sind neben anderen Faktoren wichtige<br />

Einflussgrößen, die zu Deformationen führen und in<br />

der Folge oft das Ab- bzw. Zerfallen von Bauteilen bewirken.<br />

Zum besseren Verständnis der ablaufenden Deformationsvorgänge<br />

wurden Strain- und Texturmessungen an<br />

Proben durchgeführt, die verschiedene Entwicklungsstadien<br />

zwischen undeformierten, texturierten, frisch in<br />

Steinbrüchen entnommenen Proben bis hin zu verschiedenen<br />

Stadien der Nutzungsdauer als Werkstein und experimentell<br />

verformten Natursteinen repräsentieren.<br />

Ausgewertet wurden fünf Kalzit-Bragg-Reflexe (011 _ 2),<br />

(101 _ 4), (0006), (112 _ 0) und (112 _ 3). Für die f-Flächen<br />

(011 _ 2) einer stark deformierten Paneelplatte ergab sich ein<br />

positiver Strain (Dilatation) von = (150 + 90) . 10 –6 , während<br />

sowohl eine frisch gebrochene Probe als auch eine<br />

vergleichsweise noch gut erhaltene Fassadenplatte negativen<br />

Strain (Kompression) von = –(120 + 80) . 10 –6 bzw.<br />

= –(180 + 70) . 10 –6 zeigten. Negativer Reststrain von<br />

= –(397 + 117) . 10 –6 wurde auch für den (101 _ 4)-Bragg-<br />

Reflex einer stark deformierten Fassadenplatte bestimmt,<br />

während sich ein nahezu strainfreier Zustand sowohl für<br />

eine kürzlich gebrochene als auch gut erhaltene Fassadenplatte<br />

ergab. Peakverbreiterungen (FWHM) z. B. für<br />

den [112 _ 0]-Reflex (a-Achse) von 21,8 + 1,0 Zeitkanälen<br />

für eine stark deformierte Probe gegenüber 17,8 + 0,3<br />

Zeitkanälen für eine gebrochene bzw. auch eine gut erhaltene<br />

Fassadenplatte verweisen zusätzlich auf die Existenz<br />

von Mikrospannungen (Spannungen 2. Art). Kristallographische<br />

Vorzugsorientierung und Kornformanisotropie<br />

werden als Ursache für die ermittelten, z. T. beträchtlichen<br />

Unterschiede der richtungsabhängigen Reststrainwerte<br />

gesehen.<br />

Unter der Bezeichnung „Zuckerdolomit“ ist ein aufgrund<br />

seiner speziellen Eigenschaften, vor allem im Zusammenhang<br />

mit bergbaulichen Tätigkeiten, gefürchtetes Gestein<br />

bekannt. Eine solche Dolomit-Anhydrit-Probe aus der<br />

Piora-Mulde, entnommen aus dem Kernmaterial einer der<br />

Erkundungsbohrungen zum Gotthard-Basistunnel, wurde<br />

phasenspezifisch hinsichtlich ihrer Textur- und Reststrain-<br />

Eigenschaften untersucht, um den Einfluss von Textur/<br />

Reststrain-Wechselwirkungen auf das spezifische geomechanische<br />

Verhalten des Gesteins zu prüfen. Solche<br />

Gesteine treten betont in Zonen hoher Deformations- und<br />

Metamorphosegrade auf. Die untersuchte Probe zeigte<br />

mikrostrukturell deutliche Deformationsanzeichen am<br />

Anhydrit und Dolomit, aber auch frischen, nicht vergipsten<br />

Anhydrit.<br />

Die Texturen der Anhydrit- (35 %) und Dolomitkomponente<br />

(55 %) des Gesteins sind hinsichtlich Regelungstyp<br />

und -intensität verschieden (Abb. 5.42). Zweifache Klein-<br />

Abb. 5.42: Polfiguren für Dolomit (3) und Anhydrit (1) mit<br />

den ermittelten Strainwerten für sieben Richtungen (2 bis<br />

8) an sieben Probenpositionen (a bis g).<br />

Pole figures for the components dolomite (3) and anhydrite<br />

(1) in a metamorphic rock, combined with strain<br />

values due to seven sample's directions (2 to 8) at seven<br />

positions on the sample (a to g).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


kreisregelung um Kegelachsen im Winkel von ca. 45° zur<br />

Foliation (s x) charakterisieren die Dolomittextur, eine Gürtelregelung<br />

etwa um die Foliationsfläche (s x) die Anhydrittextur.<br />

Die mit Epsilon-Mds geschaffenen Experimentiermöglichkeiten<br />

gestatten die gleichzeitige Bestimmung von<br />

Reststraindaten für sieben Probenrichtungen (Kollimatorpositionen<br />

2 ... 8). Damit lässt sich durch definierte Probenbewegungen<br />

jeder beliebigen Position einer Texturpolfigur<br />

ein Strainwert zuordnen. Für Darstellungen kristallographischer<br />

Vorzugsorientierungen von Netzebenen<br />

eines Minerals (Polfiguren) in einem mehrphasigen Gestein<br />

lassen sich so für beliebige Orientierungen Strainwerte<br />

bestimmen. Die Abb. 5.43 zeigt ein Beispiel für die<br />

Gesteinstextur des untersuchten Zuckerdolomits. Für drei<br />

Netzebenen des Dolomits und eine Anhydritnetzebene<br />

sind die Strainwerte für sieben Positionen (2 ... 8) der<br />

Gesteinstextur (identisch mit Richtungen bezogen auf das<br />

Probenkoordinatensystem [x,y,z]) gezeigt. Die Bestimmungen<br />

sind an sieben Messpunkten (a bis g) im Abstand<br />

von je 7 mm entlang eines Profils senkrecht zur Foliation<br />

(ss/s x) des Gesteins erfolgt.<br />

Diese Ergebnisse und die beträchtlichen Unterschiede der<br />

mechanischen Eigenschaften beider am Aufbau des Gesteins<br />

beteiligten Minerale, wie sie ihren Ausdruck in verschiedenen<br />

Tensorkomponenten finden (Verhältnis 1:2<br />

und höher), lassen erwarten, dass Reststrain in Verbindung<br />

mit den deutlich unterschiedlichen Textureigenschaften<br />

des Gesteins sein typisches mechanisches Verhalten weitgehend<br />

mitbestimmen. Das würde bedeuten, dass weniger<br />

die stofflichen Besonderheiten mit der Hydratisierung<br />

des Anhydrits als die Richtung der mechanischen Einwirkung<br />

den Festigkeitsverlust des Gesteins mitbestimmt.<br />

Ingenieurhydrologie<br />

Der hydrologische Kreislauf ist durch eine außerordentlich<br />

hohe raum-zeitliche Variabilität gekennzeichnet.<br />

Große Fortschritte bei der Quantifizierung des hydrologischen<br />

Kreislaufs werden durch die Kombination von<br />

Abb. 5.43: Grafische Darstellung der Experimentergebnisse: überwiegend gegenläufige Reststrainbeziehungen für die<br />

untersuchten Anhydrit- und Dolomitnetzebenen.<br />

Graphical presentation of test results: mostly opposite behaviour of residual strain values for the dolomite component<br />

as compared to that of anhydrite.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

397


398<br />

räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Beobachtungen<br />

mit hydrologischen Modellen erwartet.<br />

Globale Hydrologie und Satellitenmission GRACE<br />

Zeitliche Änderungen der Wasserspeicherung auf den Kontinenten<br />

stellen eine wesentliche Komponente im Wasserkreislauf<br />

der Erde dar. Speicheränderungen tragen z. B.<br />

über den Gerinneabfluss in die Ozeane zu Meeresspiegelschwankungen<br />

bei. Basierend auf den zeitvariablen<br />

Schwerefeldern der Satellitenmission GRACE (Gravity<br />

Recovery and Climate Experiment) ist es nun erstmals<br />

möglich, die Variationen der Wasserspeicherung für große<br />

Flusseinzugsgebiete und für Kontinente zu bestimmen.<br />

Die globale Hydrologie ist somit ein wichtiger Anwendungsbereich<br />

der vom <strong>GFZ</strong> Potsdam geleiteten GRACE-<br />

Mission und ein zentraler Baustein im Helmholtz-Programm<br />

„Geosystem: Erde im Wandel“.<br />

In der Sektion 5.4 Ingenieurhydrologie wurde das an der<br />

Universität Kassel entwickelte globale hydrologische<br />

Modell WGHM zur Simulation des kontinentalen Wasserkreislaufs<br />

der Erde und aller Speicherkomponenten<br />

(Grundwasser, Bodenwasser, Schnee, Oberflächengewässer)<br />

eingerichtet. Die Modellergebnisse zeigen z. B. starke<br />

saisonale Variationen der Wasserspeicherung in tropischen<br />

Regionen, insbesondere entlang der großen Ströme<br />

und ihrer Überschwemmungsgebiete, sowie in Gebieten<br />

der hohen Breiten mit einer starken Schneeakkumulation<br />

im Winter (Abb. 5.44).<br />

Der Vergleich der Modellergebnisse mit den Wasserspeicheränderungen,<br />

die aus zeitvariablen Schwerefeldern von<br />

GRACE abgeleitet wurden, zeigt eine überwiegend gute<br />

Übereinstimmung der räumlichen und zeitlichen Muster<br />

auf der globalen Skala und für große Einzugsgebiete<br />

(Abb. 5.45). Die GRACE-Daten ermöglichen es aber<br />

auch, Defizite in den hydrologischen Modellen zu identifizieren.<br />

So weist das verfrühte Auftreten des jährlichen<br />

Speichermaximums im Modell (Abb. 5.45) auf eine unzureichend<br />

simulierte Retention des Abflusses in Überschwemmungsgebieten<br />

oder Seen hin. Arbeitsschwerpunkte<br />

in künftigen Projekten im Rahmen des BMBF/<br />

DFG-Sonderprogramms „Geotechnologien: Erfassung<br />

des Systems Erde aus dem Weltraum“ sowie des DFG-<br />

Schwerpunktprogramms „Mass Transport and Mass Distribution<br />

in the Earth System“ sind die verbesserte Separation<br />

hydrologischer Signale aus GRACE-Daten sowie<br />

die Weiterentwicklung der globalen hydrologischen Modellierung<br />

unter Nutzung von GRACE-Daten und anderen<br />

globalen Datensätzen.<br />

Modellierung und Monitoring für kleine Einzugsgebiete<br />

Im DFG-geförderten Antragsbündel „Abflussbildung und<br />

Einzugsgebietsmodellierung“ analysierte die Sektion 5.4<br />

die hydrologischen Prozesse im Löhnersbach in den Salzburger<br />

Alpen (Abb. 5.46). Ziel der Arbeiten war es, die<br />

dominanten Abflussbildungsprozesse im Feld zu identifizieren<br />

und darauf aufbauend ein prozessnahes hydrologisches<br />

Simulationsmodell zu erstellen. Zur Identifizierung<br />

Abb. 5.44: Saisonale Variation der Wasserspeicherung (Differenz zwischen den Monaten mit dem größten und geringsten<br />

Speicherinhalt eines jeden Jahres), berechnet mit dem globalen hydrologischen Modell WGHM für den Zeitraum<br />

1961 bis1995 (in Millimeter Wassersäule).<br />

Seasonal variations of continental water storage (difference between the months with maximum and minimum water<br />

storage in each year), simulated with the global hydrological model WGHM for the period 1961 to1995 (in equivalent<br />

water height [mm]).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.45: Beispiele für die zeitliche Variation der Wasserspeicherung in großen Einzugsgebieten gemäß GRACE und<br />

den globalen hydrologischen Modellen WGHM und LaD (Variationen um den Mittelwert für 18 Monate in 2003 und<br />

<strong>2004</strong>, in mm Wassersäule).<br />

Examples for temporal variations of water storage in large river basins, derived from GRACE time-variable gravity<br />

fields and from the global hydrological models WGHM and LaD (variations around the mean of 18 months in 2003<br />

and <strong>2004</strong>, in equivalent water height [mm]).<br />

Abb. 5.46: Blick auf das hydrologische Versuchseinzugsgebiet Löhnersbach<br />

in den Salzburger Alpen (Foto: Ulli Drabek).<br />

View of the hydrological experimental basin Löhnersbach, Salzburger Alps.<br />

der maßgebenden Prozesse wurden in ausgewählten Testflächen<br />

hydrometrische, tracerhydrologische und hydrochemische<br />

Methoden sowie geophysikalische Verfahren<br />

eingesetzt. Damit konnten die dominanten Prozesse, nämlich<br />

Sättigungsflächenabfluss (Abb. 5.47) und schneller<br />

Zwischenabfluss sowie schneller und langsamer Grund-<br />

Abb. 5.47: Die gesättigten Flächen sind einer der dominanten<br />

Abflussbildungsprozesse im Löhnersbach und<br />

bestimmen zu einem erheblichen Teil die Reaktion des<br />

Einzugsgebiets auf Niederschlag (Foto: Mariella Zapletal).<br />

Saturated overland flow is a dominant runoff generation<br />

process in the Löhnersbach catchment. Saturated areas<br />

largely determine the runoff response of the basin.<br />

wasserabfluss erfasst werden. Darüber<br />

hinaus konnten die jeweiligen Entstehungsräume<br />

sowie die meteorologischen<br />

Bedingungen, unter denen diese Prozesse<br />

auftreten, bestimmt werden.<br />

Ziel der modelltechnischen Arbeiten war<br />

es, basierend auf den identifizierten Prozessen<br />

ein Simulationsmodell zu erstellen,<br />

das die dominanten Abflussbildungsprozesse<br />

abbildet. Dabei sollte die<br />

Komplexität des Modells die im Feld<br />

gewonnene Prozesskenntnis nicht übersteigen. Für die<br />

dominanten Abflussbildungsprozesse mit den entsprechenden<br />

Raumeinheiten wurden Simulationsmodule entwickelt<br />

und anhand der Daten der Testflächen plausibilisiert.<br />

Diese Module sowie die an den Abflussprozessen<br />

orientierte Raumgliederung sind die Grundlage für die<br />

hydrologische Simulation im übergeordneten Einzugsgebiet<br />

Löhnersbach. Dieses mesoskalige Modell wurde mit<br />

Hilfe einer „multi-site“-Validierung, also einem Vergleich<br />

von Abflussmessungen an mehreren Stellen im Einzugsgebiet,<br />

bewertet (Abb. 5.48). Hieraus lässt sich folgern,<br />

dass das Modell nicht nur die Abflüsse am Gebietsauslass,<br />

sondern auch die einzugsgebietsinternen Abflussprozesse<br />

adäquat beschreibt.<br />

Gefährdung und Risiko durch Hochwasser<br />

Neben Erdbeben ist Hochwasser ein Schwerpunkt des<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam im Programmthema „Naturkatastrophen<br />

und Vorsorgestrategien“. Dieses Thema hat durch die<br />

Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre in Mitteleuropa<br />

eine neue Aktualität bekommen. So finanziert das<br />

BMBF seit Januar <strong>2005</strong> das Forschungsprogramm „Risikomanagement<br />

extremer Hochwasserereignisse“, das<br />

35 Verbundprojekte umfasst. Aufgrund der vielfältigen<br />

Akteure und Interessenlagen (Wasserwirtschaft, Umwelt,<br />

Versicherungswirtschaft, Katastrophenschutz etc.) hat das<br />

BMBF neben der Projektträgerschaft eine inhaltliche<br />

Koordinierung des gesamten Förderprogramms als not-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

399


400<br />

Abb. 5.48: Vergleich von simulierten und gemessenen Abflüssen am Pegel Rammern sowie an verschiedenen Zubringern<br />

im Löhnersbachgebiet.<br />

Comparison of simulated and observed runoff at gauge Rammern and at different tributaries of the Löhnersbach catchment.<br />

wendig erachtet. Diese Aufgabe hat das <strong>GFZ</strong> übernommen.<br />

Im Juni <strong>2005</strong> fand am <strong>GFZ</strong> das Kick-off Meeting<br />

der Fördermaßnahme mit fast 200 Teilnehmern statt,<br />

woran auch Vertreter der operationellen Katastrophenvorsorge<br />

teilnahmen. Die enge Verknüpfung von Wissenschaft<br />

und Katastrophenvorsorge soll die Implementierung<br />

der wissenschaftlichen Ergebnisse in der Praxis<br />

sichern.<br />

Methoden zur Abschätzung des Hochwasserrisikos<br />

Die Sektion Ingenierhydrologie entwickelt Methoden zur<br />

Analyse des Hochwasserrisikos in Flusseinzugsgebieten.<br />

Ein Schwerpunkt dieser Arbeiten ist die Ableitung von<br />

Extremszenarien, also Ereignissen, die sehr selten sind<br />

und große gesellschaftliche Auswirkungen haben. Für solche<br />

Ereignisse können die Ansätze, die zur Berechnung<br />

häufigerer Ereignisse entwickelt wurden, nicht angewendet<br />

werden: Die Extrapolation versagt für seltene Ereignisse.<br />

Am <strong>GFZ</strong> wurde ein Ansatz entwickelt, der es erlaubt, entlang<br />

von Flüssen extreme Hochwasserszenarien einschließlich<br />

einer Angabe der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

abzuleiten. Dabei werden Simulationsmodelle, z. B. zur<br />

Berechnung der hydraulischen Prozesse im Fluss, mit<br />

wahrscheinlichkeitstheoretischen Ansätzen zu einem probabilistischen<br />

Modell gekoppelt. Die Abb. 5.49 und 5.50<br />

zeigen die Anwendung dieses Ansatzes auf den Niederrhein<br />

von Köln bis zur deutsch-niederländischen Grenze.<br />

Mögliche Deichbrüche, die Zuflüsse in das System sowie<br />

die Überlagerung der Hochwasserwellen des Rheins bei<br />

Köln und der beiden Nebenflüsse Lippe und Ruhr werden<br />

mit probabilistischen Ansätzen beschrieben.<br />

Abb. 5.50 vergleicht diesen Ansatz mit der statistischen<br />

Extrapolation auf Basis beobachteter Abflussdaten am<br />

Beispiel des Pegels Rees an der deutsch-niederländischen<br />

Grenze. Für Ereignisse mit Wiederkehrintervallen bis ca.<br />

60 Jahre stimmen die Extremwertstatistik und das probabilistische<br />

Modell mit den Beobachtungsdaten überein.<br />

Ab Jährlichkeiten von ca. 300 Jahren weicht die Kurve des<br />

probabilistischen Modells von den beiden extremwertsta-<br />

tistischen Funktionen ab. Dies ist dadurch zu erklären, dass<br />

bei sehr hohen Abflüssen Deichbrüche eintreten können.<br />

Das Wasser strömt durch die Deichbreschen ins Hinterland,<br />

wodurch die Hochwasserwelle unterhalb des Deichbruchs<br />

reduziert wird. Die Berücksichtigung von Deichbrüchen<br />

resultiert in geringeren Abflüssen am Pegel Rees.<br />

Abb. 5.49: Anwendung des probabilistischen Modells zur<br />

Abschätzung von Hochwasserrisiken am Niederrhein.<br />

Das Modell berücksichtigt den Zufallscharakter (a) der<br />

Zuflusswellen in das System (Hochwasserwellen Rhein bei<br />

Köln, Lippe, Ruhr), (b) der zeitlichen Überlagerung der<br />

Zuflusswellen und (c) des Auftretens von Deichbrüchen.<br />

Application of the probabilistic model for flood risk<br />

assessments. The model takes into account the probabilistic<br />

nature of (a) the type of the flood waves at the boundaries<br />

of the system (flood waves of the Rhine at Cologne,<br />

the tributaries Lippe and Ruhr), (b) the temporal coincidence<br />

of flood peaks at the main river and tributaries<br />

and (c) levee breaches.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb.5.50:Hochwasserwahrscheinlichkeitskurven für den Pegel Rhein/Rees.<br />

Die Extremwertstatistik überschätzt die Abflüsse für Wiederkehrintervalle<br />

größer ca. 300 Jahre. Bei solchen Ereignissen treten oberhalb von Rees<br />

Deichbrüche auf, so dass die Hochwasserwellen deutlich reduziert werden.<br />

Das am <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelte probabilistische Modell berücksichtigt<br />

diesen Effekt.<br />

Flood frequency curves for the gauge Rees at the river Rhine. The extreme<br />

value distributions overestimate discharges that exceed a return period of<br />

about 300 years. During such events levee breaches will probably occur<br />

upstream of Rees so that the flood wave will be considerably reduced. The<br />

probabilistic model developed at <strong>GFZ</strong> Potsdam takes this effect into account.<br />

Das Abflussgeschehen im extremen Bereich wird somit<br />

von einem Prozess (Deichbruch und Ausbreitung der Hochwasserwelle<br />

im Hinterland) dominiert, der bei weniger<br />

extremen Ereignissen nicht eintritt. Da keine Beobachtungsdaten<br />

zu Hochwasserereignissen mit Deichbrüchen<br />

vorliegen, basiert die Extremwertstatistik auf falschen<br />

Annahmen. Erst die Integration von Prozesswissen<br />

und wahrscheinlichkeitstheoretischen<br />

Ansätzen macht die Extrapolation<br />

in den extremen Bereich möglich.<br />

Momentan wird diese Konzeption der<br />

Kopplung von Prozesssimulation und probabilistischen<br />

Ansätzen auf zusätzliche<br />

Prozesse erweitert. Dies betrifft insbesondere<br />

die hydrologischen Prozesse der<br />

Hochwasserentstehung in den Flusseinzugsgebieten.<br />

In diesen Zusammenhang<br />

Abb. 5.51: Räumliche Verteilung der<br />

befragten Privathaushalte, die vom<br />

Hochwasser 2002 betroffen waren. Eingefärbt<br />

sind die zugehörigen Postleitzahlenzonen.<br />

Insgesamt wurden 1.697 Haushalte<br />

interviewt, davon befinden sich 449<br />

im Donau-Einzugsgebiet, 1.248 im Elbe-<br />

Einzugsgebiet.<br />

Spatial distribution of interviewed private<br />

households, affected by the 2002 flood.<br />

ZIP-code areas are marked in colour. All<br />

together, 1697 private households were<br />

interviewed of which 449 are located in<br />

the Danube catchment and 1248 in the<br />

Elbe catchment.<br />

ordnet sich auch die Helmholtz-Nachwuchswissenschaftlergruppe<br />

„Integration<br />

von Informations- und Modellierungssystemen<br />

zur Verbesserung des Managements<br />

von großräumigen Hochwassersituationen“<br />

ein – eine gemeinsame Aktivität mit<br />

der Universität Karlsruhe im Rahmen von<br />

CEDIM. Die Gruppe, finanziert durch den<br />

Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft,<br />

entwickelt ein übertragbares<br />

Modellierungssystem, das die<br />

Quantifizierung des Hochwasserrisikos in<br />

großen Flusseinzugsgebieten erlaubt. Darüber<br />

hinaus kann dieses System zur Wirksamkeitsanalyse<br />

von übergeordneten Hochwasserschutzstrategien<br />

eingesetzt werden.<br />

Besonderes Merkmal dieses Systems ist<br />

die Verwendung einer Software-Plattform<br />

zur Modellkopplung, so dass das Modellsystem<br />

schnell auf verschiedene Fragestellungen<br />

und Flusseinzugsgebiete angepasst<br />

werden kann. Dadurch wird es sehr<br />

einfach möglich, unterschiedliche Modellierungsansätze,<br />

Prozessbeschreibungen,<br />

Modelldiskretisierungen etc. vorzunehmen.<br />

Ein weiteres Forschungsfeld ist die Abschätzung von<br />

Hochwasserschäden. Da neuerdings Entscheidung über<br />

Hochwasserschutzmaßnahmen durch Kosten-Nutzen-Analysen<br />

untersetzt werden müssen, besteht ein großer Bedarf<br />

nach fundierten Aussagen über die zu erwartenden Schäden<br />

im Falle von Hochwasserereignissen. Eine Analyse<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

401


402<br />

des <strong>GFZ</strong> der in Deutschland verwendeten Daten und<br />

Methoden zu Hochwasserschäden zeigte, dass zurzeit nur<br />

sehr unsichere Aussagen über Hochwasserschäden möglich<br />

sind. Aus diesem Grund hat das <strong>GFZ</strong> zusammen mit<br />

der Deutschen Rückversicherung AG nach dem Hochwasser<br />

2002 an Elbe und Donau eigene Datensätze erhoben.<br />

Insgesamt 1.697 von der Augustflut 2002 betroffene<br />

Privathaushalte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern<br />

sowie 417 betroffene Unternehmen in Sachsen wurden<br />

durch computergestützte Telefoninterviews befragt.<br />

Abb. 5.51 zeigt das Untersuchungsgebiet der Privathaushaltsbefragung.<br />

Die per Zufallsstichprobe ausgewählten<br />

Haushalte und Unternehmen wurden zu verschiedensten<br />

Aspekten interviewt. Beispiele sind:<br />

• Hydrologische Ereigniskenngrößen (Wasserstand,<br />

Überflutungsdauer etc.)<br />

• Frühwarnung und durchgeführte Notmaßnahmen<br />

• Hochwassererfahrung der Haushalte und Unternehmen<br />

• Langfristige Vorsorgemaßnahmen<br />

• Größe und Qualität von Wohnung, Hausrat und Gebäude<br />

Zu jedem Schadenfall wurde somit eine Vielzahl an<br />

Zusatzinformationen erfasst, die weder aus der Schadenkompensation<br />

durch die Behörden oder die Versicherungswirtschaft<br />

noch aus anderen in Deutschland vorliegenden<br />

Schadendatenbanken hervorgehen. Damit eröffnet<br />

der Datensatz neue Möglichkeiten zur Analyse der Einflüsse<br />

auf Hochwasserschäden. Es lässt sich beispielsweise<br />

prüfen, inwieweit Aspekte wie Hochwassererfahrung<br />

oder Frühwarnung tatsächlich Hochwasserschäden<br />

Abb. 5.52: Schadenserhöhende Wirkung von Kontaminationen<br />

auf Hochwasserschäden am Hausrat von Privathaushalten.<br />

Die Säulen stellen die Mittelwerte der Vergleichsgruppen,<br />

die Punkte die Mediane und die Linien<br />

den Interquartilsbereich dar. Eine Kontamination durch<br />

Abwasser, Chemikalien oder Öl verursacht eine 35 bis<br />

45 %ige Erhöhung des Hausratsschadens.<br />

Damage increasing effect of contamination shown for<br />

flood damage ratios of household contents. The columns<br />

represent the means, the dots the medians and the lines<br />

the 25 to 75 % percentiles of the sub-samples. Contaminations<br />

by sewage, chemicals, or oil cause an increase of<br />

35 to 45 % of the contents damage ratio.<br />

reduzieren. Der Datensatz wurde hinsichtlich einzelner<br />

Einflussfaktoren ausgewertet. Dabei zeigte sich beispielsweise<br />

die schadenserhöhende Wirkung von Kontaminationen,<br />

insbesondere von Verunreinigungen durch Öl<br />

(Abb. 5.52), aber auch der mindernde Effekt von baulichen<br />

Vorsorgemaßnahmen.<br />

Großräumige Hochwasserszenarien<br />

Ein Aspekt der Hochwasserforschung, der in der Sektion<br />

Ingenieurhydrologie verstärkt bearbeitet wird, ist die Analyse<br />

von großräumigen Hochwasserereignissen. Hochwasserstudien<br />

beschränken sich in den meisten Fällen auf<br />

lokale und regionale Analysen. So gibt es bis heute keine<br />

wissenschaftlich abgesicherten Methoden zur Prognose<br />

von großräumigen Hochwassersituationen. Solche Prognosen<br />

werden aber für das Katastrophenmanagement von<br />

großräumigen Hochwassergefahrenlagen benötigt, die<br />

Länder- und/oder Einzugsgebietsgrenzen überschreiten.<br />

Auch die Rückversicherungsindustrie braucht zur Gestaltung<br />

ihrer Versicherungspolicen solche Aussagen. Das<br />

<strong>GFZ</strong> untersucht gezielt die Frage, wie großräumige Schadenlagen<br />

prognostiziert werden können. Hierbei gibt es<br />

zwei Hauptprobleme zu lösen: (a) die Generierung großräumiger<br />

Überschwemmungsszenarien, und (b) die skalenadäquate<br />

Analyse auf Basis der großräumig verfügbaren<br />

Datensätze.<br />

Großräumige Überschwemmungsszenarien müssen realitätsnah<br />

sein, d. h. sie müssen prinzipiell auch eintreten<br />

können. Die heute vorliegenden großräumigen Szenarien,<br />

wie z. B. der länderübergreifende Rheinatlas, zeigen Überschwemmungsflächen<br />

mit einheitlichen Wiederkehrintervallen<br />

im gesamten Flusseinzugsgebiet. Solche Szenarien<br />

sind für große Flussgebiete unrealistisch und überschätzen<br />

das Hochwasserrisiko. Eine Analyse von Hochwasserereignissen<br />

am Rhein zeigt, wie unterschiedlich die<br />

Wiederkehrintervalle verteilt sind (Abb. 5.53). Während<br />

das Rheinhochwasser im März 1988 vor allem den Mittelrhein<br />

getroffen hat, waren die Ereignisse 1993 und 1995<br />

am Niederrhein am schlimmsten; 1999 war nur der Oberrhein<br />

betroffen. In einem von Aon Rück finanzierten Projekt<br />

erarbeitet das <strong>GFZ</strong> momentan eine Methode, mit der<br />

realistische räumliche Verteilungen der Hochwasserbetroffenheit<br />

in großen Flussgebieten generiert werden können.<br />

Das zweite Problem betrifft die Ableitung von flächendeckenden<br />

Aussagen auf Basis verfügbarer Datensätze. So<br />

sind beispielsweise für eine Vulnerabilitätsanalyse großer<br />

Gebiete keine detaillierten Landnutzungsdaten verfügbar,<br />

welche die Anordnung einzelner Gebäude zeigen. Daher<br />

muss auf gröbere Datensätze, z. B. auf den europaweit verfügbaren<br />

CORINE-Datensatz, zurückgegriffen werden.<br />

Statistische Daten zu Werten (Gebäude, Infrastruktur,<br />

Kapitalstock etc.) liegen ebenfalls stark aggregiert vor,<br />

z. B. als Summenwerte pro Gemeinde, Kreis oder Bundesland.<br />

Für eine Hochwasserrisikoanalyse sind diese aggregierten<br />

Daten räumlich zu verteilen. Abb. 5.54 zeigt Verteilungen<br />

von Wohngebäudewerten in Baden-Württemberg,<br />

und zwar aggregiert auf Gemeindeebene und räum-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 5.53: Jährlichkeiten der Rheinhochwasser vom März 1988, Dezember 1993, Januar 1995 und Mai 1999 an den<br />

Rheinpegeln Maxau (Oberrhein), Kaub (Mittelrhein) und Köln (Niederrhein). Es zeigt sich die große räumliche Heterogenität<br />

von Hochwasserereignissen im Rheingebiet.<br />

Return periods of flood events that occured along the river Rhine at the gauges Maxau (Upper Rhine), Kaub (Middle<br />

Rhine) and Cologne (Lower Rhine) in March 1988, December 1993, January 1995 and May 1999. The data reveal the<br />

enormous spatial heterogeneity of flood events in the Rhine catchment area.<br />

lich disaggregiert mit Hilfe der CORINE-Landnutzungen<br />

und entsprechenden Bevölkerungsdichten. Der Informationsgewinn<br />

durch die Disaggregierung ist deutlich zu<br />

sehen. Diese Abschätzungen werden gemeinsam mit einer<br />

interdisziplinären Arbeitsgruppe im Rahmen von CEDIM<br />

erarbeitet.<br />

Katastrophenmanagement<br />

Die Sektion Ingenieurhydrologie beteiligt sich an den Arbeiten<br />

zum Thema Katastrophenmanagement des Helmholtz-<br />

Foschungsnetzwerks EOS (Earth Observing System), das<br />

gemeinsam von den Helmholtz-Zentren AWI, DLR, <strong>GFZ</strong><br />

und GKSS getragen wird. Im Rahmen von EOS koordiniert<br />

die Sektion Ingenieurhydrologie seit Anfang <strong>2005</strong> zusammen<br />

mit dem DLR das Projekt Vernetzungsplattform Naturkatastrophen<br />

(NaDiNe – Natural Disasters Networking Platform).<br />

Die Aufgabe der Vernetzungsplattform besteht in der<br />

Bündelung von Expertise aus den verschiedenen Helmholtz-<br />

Einrichtungen und der Bereitstellung einer gemeinsamen<br />

Infrastruktur und Datenbasis (Abb. 5.55).<br />

Zunächst fördert die Plattform NaDiNe die Vernetzung<br />

von Wissenschaftlern der vier EOS-Zentren im Hinblick<br />

auf die Naturkatastrophen Hochwasser, Erdbeben, Tsunami,<br />

Stürme und Sturmfluten sowie Ölunfälle. Zu einem<br />

späteren Zeitpunkt ist es geplant, die Plattform für eine<br />

thematische Erweiterung sowie die Mitarbeit von anderen<br />

Helmholtz-Zentren zu öffnen. Mit dem Konzept des Internetportals,<br />

einem Kernstück der Vernetzungsplattform,<br />

wird die Möglichkeit gegeben, wissenschaftliche Informationen<br />

einer breiten Öffentlichkeit und einem interessierten<br />

Fachpublikum zu präsentieren. Zu jedem der<br />

genannten Themen haben sich Expertenteams gebildet,<br />

die zur jeweiligen Naturgefahr allgemeine und im Katastrophenfall<br />

spezielle Informationen zu dem Ereignis einbringen.<br />

In den einzelnen Expertenteams sind jeweils Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler aus verschiedenen<br />

Zentren vertreten, die über die Plattform eine Möglichkeit<br />

der Kommunikation und Kooperation erhalten. Der Austausch<br />

von Daten wird durch eine dienstebasierte Infrastruktur<br />

unterstützt. Im Fall einer eintretenden Naturkatastrophe<br />

wird bei Erfüllung festgelegter Kriterien das<br />

Expertenteam aktiv, d. h. zu dem Ereignis werden spezielle<br />

wissenschaftliche Einschätzungen erarbeitet und bereitgestellt.<br />

Darüber hinaus wird im Rahmen der Vernetzungsplattform<br />

eine Zusammenarbeit mit den Akteuren des Katastrophenmanagements<br />

angestrebt. Um die Anforderungen öffentlicher<br />

Bedarfsträger zu ermitteln, fand im Juni <strong>2005</strong> der<br />

Workshop „Informationsbedarf in Krisenfällen“ am <strong>GFZ</strong><br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

403


404<br />

Abb. 5.54: Auf Gemeindeebene aggregiertes (links) und mit CORINE-Landnutzungsdaten disaggregiertes Einheitswohnvermögen<br />

(flächennormiert) [€/m 2 ] (rechts) in Baden-Württemberg. Die Werte des Wohnvermögens wurden auf<br />

Basis von Normalherstellungskosten und von statistischen Daten über Anzahl und Beschaffenheit der Gebäude deutschlandweit<br />

abgeschätzt.<br />

Unit asset values of residential buildings in Baden-Wuerttemberg (standardised by the area; values are given in €/m 2 )<br />

aggregated at the community level (left) and disaggregated by means of CORINE land cover data (right). The asset<br />

values were derived for the whole of Germany on the basis of standardised construction costs and census data about<br />

the number and types of buildings per community.<br />

statt. Der Workshop ermöglichte eine intensive Diskussion<br />

zwischen Vertretern der im Krisenfall agierenden Institutionen<br />

und Wissenschaftlern der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

über den Bedarf an Informationen und die vorhandene wissenschaftliche<br />

Expertise. Es zeigte sich, dass ein erheblicher<br />

Bedarf an Beratung und Information durch wissenschaftliche<br />

Experten, sowohl bei den Praktikern des Katastrophenmanagements<br />

als auch bei der Öffentlichkeit besteht.<br />

Der Unterstützung des Katastrophenmanagements durch<br />

moderne Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

widmet sich auch das Graduiertenkolleg „Modellbasierte<br />

Entwicklung von Technologien für selbstorganisierende<br />

Informationssysteme – zur Anwendung im Katastrophenmanagement“,<br />

das in Kooperation von Humboldt-Universität<br />

Berlin und <strong>GFZ</strong> beantragt und im Januar 2006 von<br />

der DFG genehmigt wurde.<br />

Literatur:<br />

Abb. 5.55: Screenshot des Webportals zu<br />

NaDiNe, der Vernetzungsplattform Naturkatastrophen<br />

im Rahmen des Helmholtz-<br />

Forschungsnetzwerks EOS.<br />

Screenshot of the web portal of NaDiNe,<br />

the Natural Disaster Networking Platform<br />

in the framework of the Helmholtz Research<br />

Network Integrated Earth Observing<br />

System.<br />

Förster, A., Norden, B., Zinck-Jørgensen, K., Frykman, P., Kulenkampff, J., Spangenberg,<br />

E., Erzinger, J., Zimmer, M., Kopp, J., Borm, G., Juhlin, C., Cosma, C.,<br />

Hurter, S. 8 (2006): Baseline characterization of the CO 2SINK geological storage<br />

site at Ketzin, Germany, Environmental Geosciences, in press.<br />

Grünthal, G. (ed.) (1998): European Macroseismic Scale 1998 (EMS-98). Cahiers<br />

du Centre Européen de Géodynamique et de Séismologie 15, Centre Européen de<br />

Géodynamique et de Séismologie, Luxembourg, 99 pp.<br />

Grünthal, G. and Wahlström, R. (2003): An M w based earthquake catalogue for<br />

central, northern and northwestern Europe using a hierarchy of magnitude conversions.<br />

Journal of Seismology 7 (4), 507-531.<br />

Grünthal, G., Mayer-Rosa, D. and Lenhardt, W. (1998): Abschätzung der Erdbebengefährdung<br />

für die D-A-CH-Staaten – Deutschland, Österreich, Schweiz. Bautechnik<br />

75 (10), 753-767.<br />

Grünthal, G., Thieken, A. H., Schwarz, J., Radtke, K. S., Smolka, A. and Merz, B.<br />

(<strong>2004</strong>): Comparative risk assessments for the city of Cologne – storms, floods,<br />

earthquakes. In: Merz, B. and Apel, H. (eds.): Risiken durch Naturgefahren in<br />

Deutschland: Abschlussbericht des BMBF-Verbundprojektes Deutsches For-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


schungsnetz Naturkatastrophen (DFNK), Scientific Technical Report 04/01, Geo-<br />

ForschungsZentrum Potsdam, Potsdam, 286-305.<br />

Henninges, J.; Huenges, E.; Burkhardt, H. (<strong>2005</strong>): In situ thermal conductivity of<br />

gas-hydrate-bearing sediments of the Mallik 5L-38 well, Journal Geophysical Research,<br />

110, B11206.<br />

Legarth, B. A.; Huenges, E.; Zimmermann, G. (<strong>2005</strong>): Hydraulic fracturing in a<br />

sedimentary geothermal reservoir: Results and implications, International Journal<br />

of Rock Mechanics and Mining Sciences, 42, 7-8, 1028-1041.<br />

Lokhorst, A., ed. (1998): NW European gas atlas: Haarlem, Nederlands Institute<br />

voor Toegepaste Geowetenschappen TNO, CD-ROM.<br />

Lotz, B. (200):, Neubewertung des rezenten Wärmestroms im Nordostdeutschen<br />

Becken: Scientific Technical Report STR04/04, GeoForschungsZentrum Potsdam,<br />

Potsdam, 225 S.<br />

Norden, B., Förster, A. (2006): Thermal conductivity and radiogenic heat production<br />

of sedimentary and magmatic rocks in the Northeast German Basin, AAPG<br />

Bull., in press.<br />

Schelle, H., Grünthal, G. and Stromeyer, D. <strong>2005</strong>): Numerical simulation of repeated<br />

rupture processes at a bended strike-slip fault – magnitude frequencies and<br />

aspects of the spatio-temporal distribution of main events. Geophys. J. Int., subm.<br />

12/<strong>2005</strong>.<br />

Schütt, H., Wigand, M., Spangenberg, E. (<strong>2005</strong>): Geophysical and geochemical<br />

effects of supercritical CO 2 on sandstones, in: D. C. Thomas, and S. Benson (eds.),<br />

Carbon Dioxide Capture for Storage in Deep Geologic Formations – Results from<br />

the CO 2 Capture Project, 2, Amsterdam, Elsevier, 767-786.<br />

Tyagunov, S., Grünthal, G., Wahlström, R., Stempniewski, L. and Zschau, J. (2006):<br />

Seismic risk mapping for Germany. NHESS, subm.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

405


406<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Das <strong>GFZ</strong> Potsdam auf einen Blick<br />

Name: GeoForschungsZentrum Potsdam (<strong>GFZ</strong>)<br />

Stiftung des öffentlichen Rechts<br />

Zugehörigkeit: Das <strong>GFZ</strong> Potsdam ist Mitglied der Helmholtz-<br />

Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren<br />

Träger: • Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) (90 %)<br />

• Ministerium für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kultur des Landes Brandenburg<br />

(MWFK) (10 %)<br />

Beschäftigte: 654, davon 314 Wissenschaftler (Oktober <strong>2005</strong>),<br />

17 Professoren<br />

Jahresetat: 38 Mio. € Institutionelle Förderung (<strong>2005</strong>)<br />

24 Mio. € Drittmittel (<strong>2005</strong>)<br />

Gremien: • Kuratorium<br />

• Wissenschaftlicher Beirat<br />

• Vorstand<br />

• Wissenschaftlicher Rat<br />

Wissenschaftliche Infrastruktur: Geoforschungssatelliten CHAMP und<br />

GRACE, Gerätepool Geodäsie,<br />

Laserteleskop, Gerätepool Geophysik,<br />

Geomagnetische Observatorien Niemegk<br />

und Wingst, Geodynamisches Observarorium<br />

Sutherland/RSA, KTB-Tiefenlaboratorium<br />

Windischeschenbach, Laboratorien für chemische<br />

Analytik, Reinstluftlabors für Isotopen-<br />

Geochemie, Ionensonde, Hochdruck-Hochtemperatur-Experimentieranlagen,Rasterund<br />

Transmissions-Elektronenmikroskopie,<br />

Hochleistungsrechner mit Archivroboter,<br />

Zentralbibliothek, Werkstatt<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

407


408<br />

Organigramm des <strong>GFZ</strong> Potsdam, Stand 31.12.<strong>2005</strong><br />

Organizational structure of the <strong>GFZ</strong> Potsdam, 31.12.<strong>2005</strong><br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Gremien des GeoForschungsZentrums<br />

Potsdam<br />

Das GeoForschungsZentrum Potsdam wurde am 1. Januar<br />

1992 als Stiftung des öffentlichen Rechts des Landes<br />

Brandenburg mit Sitz in Potsdam gegründet.<br />

Den Finanzbedarf des <strong>GFZ</strong> Potsdam deckt zu 90 % der<br />

Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung (BMBF), und zu 10 % das Land Brandenburg,<br />

vertreten durch das Ministerium für Wissenschaft,<br />

Forschung und Kultur (MWFK).<br />

Kuratorium<br />

Das Kuratorium ist das Aufsichtsgremium des GeoForschungsZentrums<br />

Potsdam. Es entscheidet unter Berücksichtigung<br />

der Stellungnahmen des Wissenschaftlichen<br />

Beirats über die allgemeinen und finanziellen Angelegenheiten<br />

der Stiftung und überwacht die Rechtmäßigkeit,<br />

Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Führung der<br />

Stiftungsgeschäfte. Das Kuratorium stellt die jährlichen<br />

Haushalts- und die mehrjährigen Finanzpläne einschließlich<br />

der Ausbau- und Investitionsprogramme fest. Es prüft<br />

den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluss und Geschäftsbericht.<br />

Das Kuratorium beschließt die vom Vorstand<br />

vorzulegenden und mit einer Stellungnahme des<br />

Wissenschaftlichen Beirats versehenen Forschungsprogramme<br />

der Stiftung einschließlich der geplanten Zusammenarbeit<br />

mit nationalen und internationalen Einrichtungen.<br />

Mitglieder (Stand 31. 12. <strong>2005</strong>):<br />

Ministerialdirektor Reinhard Junker (Vorsitzender),<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

Staatssekretär Prof. Dr. Markus Karp (stellvertretender<br />

Vorsitzender), Ministerium für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kultur des Landes Brandenburg<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Egon Althaus, Mineralogisches Institut<br />

der Universität Karlsruhe<br />

Prof. Dr.-Ing. Kurt Häge, Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft<br />

Prof.Dr.Hans-Gert Kahle, Inst. für Geodäsie und Photogrammetrie,<br />

ETH-Hönggerberg, Zürich<br />

Prof. Dr. Karin Labitzke, Freie Universität Berlin, Institut<br />

für Meteorologie<br />

Prof. Dr. Dominique Lattard, Universität Heidelberg,<br />

Mineralogisches Institut<br />

Prof. Dr. Evelies Mayer, Technische Universität Darmstadt,<br />

Institut für Soziologie<br />

Dr. Karl-Ulrich Müller, Auswärtiges Amt<br />

RegDir Hans-Ulrich Weber, Bundesministerium der<br />

Finanzen<br />

Wissenschaftlicher Beirat<br />

Der Wissenschaftliche Beirat berät das Kuratorium und<br />

den Vorstand auf allen Gebieten von Forschung und Entwicklung.<br />

Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf<br />

• das Forschungs- und Entwicklungsprogramm<br />

• die Ergebnisbewertung<br />

• die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen<br />

Einrichtungen<br />

• Berufungsangelegenheiten<br />

Mitglieder (Stand 31.12.<strong>2005</strong>):<br />

Prof. Dr. Hans-Gert Kahle (Vorsitzender), Inst. für<br />

Geodäsie und Photogrammetrie, ETH-Hönggerberg,<br />

Zürich<br />

Prof. Dr. Hans-Peter Harjes (stell. Vorsitzender), Inst. f.<br />

Geologie, Mineralogie und Geophysik, Universität Bochum<br />

Prof. Dr. Hans-Peter Bunge, Department für Geo- und<br />

Umweltwissenschaften, Universität München<br />

Prof. Dr. Karl-Heinz Ilk, Institut für Theoretische Geodäsie,<br />

Astron.-Phys. & Math. Geodäsie, Unversität Bonn<br />

Prof. Dr.Angelika Kalt, Institut de Géologie, Université<br />

Neuchatel<br />

Prof. Dr. Judith A. McKenzie, Geologisches Institut,<br />

ETH Zürich<br />

Prof. Dr. Volker Mosbrugger, Inst. für Geologie und<br />

Paläontologie, Universität Tübingen<br />

Prof. Dr. Adrian Pfiffner, Institut für Geologie, Universität<br />

Bern<br />

Prof. Dr. Monika Sester, Institut für Kartographie und<br />

Geoinformatik, Universität Hannover<br />

Dr. Silke Sheppard, Schlumberger Technical Services<br />

Prof. Dr. Peter Ulmer, Institut für Mineralogie u. Petrographie,<br />

ETH-Zentrum, Zürich<br />

Prof. Dr. Friedemann Wenzel, Geophysikalisches Institut<br />

der Universität Karlsruhe<br />

Wissenschaftlicher Rat<br />

Der Wissenschaftliche Rat berät den Vorstand in Angelegenheiten<br />

von grundsätzlicher wissenschaftlicher Bedeutung.<br />

Ihm gehören alle Direktoren der Aufgabenbereiche<br />

sowie drei gewählte Mitglieder (*) an.<br />

Mitglieder (Stand 31.12.<strong>2005</strong>):<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

409


410<br />

Prof. Dr. Jochen Zschau, Vorsitzender<br />

Prof. Dr. Günter Borm<br />

Prof. Dr. Wilhelm Heinrich<br />

Prof. Dr. Onno Oncken<br />

Prof. Dr. Markus Rothacher<br />

Dr. Charlotte Krawczyk (*)<br />

Dr. Robert Ondrak (*)<br />

Dr. Albrecht Schulze (*)<br />

Vorstand<br />

Der Vorstand führt die Geschäfte der Stiftung.<br />

Mitglieder:<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Emmermann, Wissenschaftlicher<br />

Vorstand und Sprecher<br />

Dr. Bernhard Raiser, Administrativer Vorstand<br />

Organisation, Administration,<br />

Zentrale Dienste<br />

Personal- und Sozialwesen<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam beschäftigte zum Stichtag 31.12.<strong>2005</strong><br />

insgesamt 654 Mitarbeiter, von denen aufgrund der fortgesetzten<br />

erfolgreichen Drittmitteleinwerbung 204 über<br />

eingeworbene Projekte finanziert wurden. Die Entwicklung<br />

01.01.<strong>2004</strong> 31.12.<strong>2005</strong><br />

grundfinanziertes Personal 461 450<br />

– Wissenschaftler 183 179<br />

– sonst. Mitarbeiter (Techniker,<br />

Werkstätten, Verwaltung etc.) 278 271<br />

drittmittelfinanziertes Personal 146 204<br />

– Wissenschaftler 101 125<br />

– sonst. Mitarbeiter (Techniker,<br />

Werkstätten, Verwaltung etc.) 45 79<br />

Gesamtzahl 607 654<br />

Tab. 1: Personalentwicklung und -verteilung <strong>2004</strong>/05.<br />

Development and distribution of staff in <strong>2004</strong>/05.<br />

Abb. 1: Ausländische Wissenschaftler am <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Scientists from abroad with <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Abb.2:Eröffnung der Kindertagesstätte Geolino, Nov. <strong>2004</strong><br />

(Foto: <strong>GFZ</strong>)<br />

Inauguration of the Geolino-kindergarten, November <strong>2004</strong><br />

und Verteilung der Personalzahlen ergibt sich aus Tab. 1.<br />

Die Umsetzung der Programmorientierten Förderung ist<br />

weiter vorangeschritten. Die seitens der Zuwendungsgeber<br />

als Nachfolger des alten Stellenplans zur Steuerung<br />

des Personals eingeführten Personalausgaben- und Strukturquoten<br />

werden sämtlich eingehalten. Die Bewirtschaftung<br />

des Personals ist durch dieses Flexibilisierungsinstrument<br />

sehr bedarfsnah möglich.<br />

Auch die Zahl der am <strong>GFZ</strong> Potsdam beschäftigen ausländischen<br />

Wissenschaftler ist weiter angestiegen (84 Wissenschaftler<br />

≈ 30 %). Dieser internationale Austausch wird<br />

sehr begrüßt. Eine Aufteilung nach Hei-<br />

matländern ergibt sich aus Abb. 1.<br />

Das GeoForschungsZentrum versucht<br />

auf vielfältige Weise, die Karriere von<br />

Frauen in der Wissenschaft zu fördern.<br />

Am 01.11.<strong>2004</strong> wurde eine Betriebskindertagesstätte,<br />

die KiTa Geolino, auf dem<br />

Gelände des Wissenschaftsparks Albert<br />

Einstein eröffnet. Sie bietet Platz für zehn<br />

Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren. Dieses<br />

Angebot stößt auf regen Zuspruch, so<br />

dass bereits über eine Erweiterung der<br />

Kapazitäten nachgedacht wird. Auch darüber<br />

hinaus beteiligt sich das <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

intensiv an dem 5-Punkte-Chancengleichheitsprogramm<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

„Fair ist mehr“. So sind schon<br />

drei so genannte Wiedereinstiegsstellen<br />

von der Helmholtz-Gemeinschaft kofinanziert<br />

worden; auch das auf höchstem<br />

Niveau angesiedelte Mentoring-Programm<br />

wurde gut angenommen. Flexible Arbeitszeiten<br />

gibt es im <strong>GFZ</strong> Potsdam angepasst<br />

an den individuellen Bedarf schon<br />

seit langer Zeit.<br />

Das <strong>GFZ</strong> hat insgesamt 17 gemeinsame<br />

Berufungen mit 7 Universitäten (Universität<br />

Potsdam, alle drei Berliner Universitäten,<br />

Universität Giessen, TU Braun-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 3: Entwicklung der Ausbildungsplätze am <strong>GFZ</strong> Potsdam 1993 bis <strong>2005</strong>.<br />

Increase of apprenticeship at <strong>GFZ</strong> Potsdam from 1993 from <strong>2005</strong>.<br />

schweig und Universität Stuttgart), drei weitere gemeinsame<br />

Berufungen sind in Vorbereitung. Ende <strong>2004</strong> wurde<br />

die Stelle des Direktors des Departments 1 mit Herrn Prof.<br />

Rothacher neu besetzt. Darüber hinaus konnten zwei Professorinnen<br />

(Frau Prof. Mandea und Frau Prof. Dransch)<br />

gewonnen werden.<br />

Weiterhin setzt sich das GeoForschungs-<br />

Zentrum ganz besonders für das Thema<br />

Berufsausbildung ein. Am 31.12.<strong>2005</strong><br />

waren 35 Auszubildende am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

beschäftigt. Damit liegt die Ausbildungsquote<br />

bei 7,05 %. Die Entwicklung<br />

der Ausbildung im <strong>GFZ</strong> ergibt sich aus<br />

Abb. 3 In den Jahren <strong>2004</strong> und <strong>2005</strong> hat<br />

das <strong>GFZ</strong> Potsdam insgesamt 77 bzw. 90<br />

Schülerpraktikanten betreut. Dabei liegt<br />

der Anteil der Mädchen bei rund 45 %.<br />

Haushalt und Finanzen<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam wird im Rahmen seiner<br />

institutionellen Förderung durch Zuschüsse<br />

des Bundes (90 %) sowie des Landes<br />

Brandenburg (10 %) finanziert. Die Förderung<br />

erfolgt seit 2003 auf Programmebene<br />

aufgrund strategischer Begutachtung<br />

im Rahmen der Programmorientierten<br />

Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft.<br />

Dabei ist das GeoForschungsZentrum<br />

innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

im Forschungsbereich „Erde und<br />

Umwelt“ in den Programmen „Geosystem:<br />

Erde im Wandel“ und „Atmosphäre<br />

und Klima“ sowie im Forschungsbereich<br />

„Energie“ mit dem Programm „Erneuerbare<br />

Energien“ beteiligt.<br />

Des Weiteren finanziert sich das <strong>GFZ</strong> aus<br />

Drittmittelzuschüssen. Diese werden<br />

dem <strong>GFZ</strong> Potsdam in erster Linie aus<br />

dem Forschungshaushalt des Bundes,<br />

durch Fördermittel der EU, der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />

sowie durch den Impuls- und Vernetzungsfonds<br />

des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

nach erfolgreicher<br />

Begutachtung der gestellten Drittmittelanträge<br />

bereitgestellt. Darüber hinaus<br />

erzielt das GeoForschungsZentrum ne-<br />

ben eigenen Erträgen auch Erträge aus<br />

der Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

im Rahmen der sogenannten<br />

Auftragsforschung.<br />

In Abb. 4 wird die Gesamtfinanzierung<br />

des <strong>GFZ</strong> Potsdam in den Jahren 2001 bis<br />

<strong>2005</strong> gezeigt. In den Jahren <strong>2004</strong> und<br />

<strong>2005</strong> hat es bei nahezu allen Finanzierungsarten<br />

einen Zuwachs gegeben. Der<br />

Gesamtanstieg von <strong>2004</strong> nach <strong>2005</strong><br />

macht allein 41 % aus. Die erfolgreiche Begutachtung<br />

im Rahmen der Programmorientierten Förderung spiegelt<br />

sich im Anstieg der Institutionellen Förderung wider.<br />

Verstärkt wird dieser Trend noch durch zusätzliche<br />

Zuschüsse für Neubaumaßnahmen und Großinvestitionen.<br />

Abb. 4: Gesamtfinanzierung des GeoForschungsZentrums Potsdam.<br />

Financing of the <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Abb. 5: Verteilung der Drittmittel.<br />

Distribution of Third Party Funding.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

411


412<br />

Abb. 5 stellt die Verteilung der Drittmittelerlöse auf die<br />

einzelnen Geldgeber dar. Die erfolgreiche Einwerbung<br />

von Drittmitteln des Bundes ist insbesondere in <strong>2005</strong><br />

erkennbar. Daneben zeigt sich ein starkes Wachstum bei<br />

den von der EU finanzierten Projekten. Nach Einführung<br />

des Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

im Jahr 2003 hat sich diese Finanzierungsquelle<br />

zu einer eigenständigen Säule innerhalb des Drittmittelaufkommens<br />

des <strong>GFZ</strong> Potsdam entwickelt.<br />

<strong>Bibliothek</strong> des Wissenschaftsparks Albert Einstein<br />

Die <strong>Bibliothek</strong> des Wissenschaftsparks Albert Einstein versteht<br />

sich als Serviceeinrichtung für die wissenschaftliche<br />

Arbeit auf dem Telegrafenberg. Sie stellt zu diesem Zweck<br />

gedruckte und elektronische Medien sowie Informationen<br />

bereit, die für die aktuelle Forschung benötigt werden.<br />

Seit 2001 fungiert sie als Zentralbibliothek für den Campus<br />

Telegrafenberg und versorgt über das GeoForschungsZentrum<br />

Potsdam hinaus auch das Potsdam Institut<br />

für Klimafolgenforschung und die Forschungsstelle<br />

Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.<br />

Die von der <strong>Bibliothek</strong> bereitgestellte und vermittelte<br />

Information ist nach Möglichkeit direkt am Arbeitsplatz<br />

des Wissenschaftlers abrufbar. Elektronische Zeitschriften,<br />

das breite Angebot an Datenbanken und Alertdiensten<br />

Abb. 6: Blick in die Historische <strong>Bibliothek</strong> des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

(Foto: B. Stöcker, <strong>GFZ</strong>).<br />

View into the Historical Library of the <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

und zahlreiche elektronische Nachschlagewerke stehen<br />

exemplarisch hierfür. Weiterentwickelt wurde in den letzten<br />

zwei Jahren vor allen die Vernetzung der elektronischen<br />

Dienste untereinander. Darüber hinaus betreut die <strong>Bibliothek</strong><br />

beispielsweise die elektronischen Publikationen des<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam und hat die Veröffentlichungsdatenbank als<br />

Plattform für Open Access-Publikationen ausgebaut.<br />

Ergänzt wird die aktuelle Sammlung, die für Mitarbeiter<br />

rund um die Uhr zugänglich ist, durch einen breiten<br />

Bestand aus der Geschichte des Telegrafenberges (u. a. die<br />

Bestände des Königlich Preussischen Geodätischen Instituts,<br />

des Geomagnetischen Instituts und des Meteorologischen<br />

Observatoriums). Insgesamt stehen weit über<br />

100.000 Bände zur Verfügung.<br />

Die Fachkräfte in der <strong>Bibliothek</strong> engagieren sich in der<br />

Ausbildung von zwei Fachangestellten für Medien- und<br />

Informationsdienste, sowie von Praktikanten aus informationswissenschaftlichen<br />

Studiengängen.<br />

Weitere Aktivitäten:<br />

• Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Open Access der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft, die ein Konzept zur Umsetzung<br />

des offenen Zugangs zu wissenschaftlicher Information<br />

erarbeitet hat.<br />

• Seit Ende <strong>2005</strong> ist eine Stelle zur Koordination und<br />

Förderung von Open Access in der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

bei der <strong>Bibliothek</strong> angesiedelt. Diese Stelle<br />

wird finanziert aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds<br />

des Präsidenten.<br />

Zusammen mit dem Datenzentrum und in Kooperation mit<br />

externen Partnern war die <strong>Bibliothek</strong> in zwei Projekte der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft involviert: „Publikation<br />

und Zitierfähigkeit wissenschaftlicher Primärdaten“<br />

und „GIN-Net, Geoscience Information Network“.<br />

Daten- und Informationsmanagement im<br />

GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

Das Ziel der modernen Geowissenschaften ist das ganzheitliche<br />

Verständnis des Systems Erde und seiner Veränderungen.<br />

Im Rahmen der Daseinsvorsorge sollen daraus<br />

Antworten auf globale Herausforderungen, z. B. Klimaveränderung,<br />

Verschmutzung der Umwelt, Reduktion von<br />

Desasterschäden oder Energie- und Rohstoffversorgung<br />

abgeleitet werden. Wegen seiner Komplexität und Vielschichtigkeit<br />

kann dieses Ziel nur im fachübergreifenden<br />

Verbund der geowissenschaftlichen Disziplinen, der Geologie,<br />

Mineralogie, Geochemie, Geophysik und Geodäsie,<br />

mit anderen Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie in<br />

enger Kooperation mit nationalen und internationalen<br />

Partnern realisiert werden.<br />

Geowissenschaften und eScience<br />

Zum Verständnis des Systems Erde werden relevante<br />

Objekte und Prozesse im Untergrund und an der Erd-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


oberfläche, in den Meeren und in der Atmosphäre wissenschaftlich<br />

untersucht. Die Ergebnisse liegen in Form<br />

von Datensätzen vor, die sich durch große Datenvolumina<br />

und eine hohe Komplexität auszeichnen. Große Datenvolumina<br />

werden vor allem durch die satellitengestützte<br />

Erdbeobachtung gewonnen. Komplexe, heterogene Datensätze<br />

entstehen durch Detailuntersuchungen einer fachübergreifenden<br />

Problemstellung. Die Kosten der Datenerfassung<br />

sind hoch. Allein in der außeruniversitären<br />

Forschung werden in Deutschland jährlich mindestens<br />

400 Millionen € in die Erhebung von Geodaten investiert.<br />

In anderen Ländern zeigt der Aufbau von neuen Wissenschafts-Infrastrukturen<br />

bereits klare Strukturen. Im anglosächsischen<br />

Sprachraum wurde dafür der Begriff eScience<br />

für enhanced science geprägt. Ziel von eScience ist die<br />

Lösung komplexer wissenschaftlicher Probleme in internationaler<br />

Zusammenarbeit unter Verwendung einer neuen,<br />

digitalen Informations- und Kommunikationsplattform. Ein<br />

Netzwerk von eScience-Centern ist für den Betrieb dieser<br />

Plattform verantwortlich. In Deutschland hat sich eScience<br />

zu einem strategischen Thema für die Wissenschaft entwickelt.<br />

Der Aufbau von eScience-Infrastrukturen in verschiedenen<br />

Wissenschaftsdisziplinen wird bereits gefördert.<br />

Der Aufbau einer neuen Generation von Infrastrukturen<br />

auf Basis der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

ist ein Schlüsselfaktor, um die herausfordernden<br />

Ziele der modernen Geowissenschaften zu<br />

erreichen. Diese Rahmenbedingungen machen gerade die<br />

Erforschung des Systems Erde zu einem sinnvollen Einsatzbereich<br />

für Aufbau und Einsatz einer eScience-Infrastruktur.<br />

Die Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

stellt die Werkzeuge zur Verfügung, deren Einsatz<br />

• das Management, die Nutzung und die langfristige<br />

Sicherung der komplexen, extrem umfangreichen<br />

Daten über das System Erde wesentlich verbessert,<br />

• eine Plattform für die Organisation von Projekten in<br />

der Grundlagenforschung und der Anwendungsentwicklung<br />

bietet und<br />

• einen Zugang zu anderen relevanten Informationsquellen,<br />

z. B. Geodaten der öffentlichen Hand, Wirtschafts-<br />

und Patentinformationen öffnet.<br />

eScience-Plattform im GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

Ein spezifisches Dienstleistungsangebot ist erforderlich,<br />

damit Forschungsprojekten die Verfahren der Informatik<br />

und Geoinformatik in geeigneter Weise zur Verfügung<br />

gestellt werden können. Die Qualität und Gewichtung dieser<br />

Dienstleistungen spiegelt sich im Organisationsmodell<br />

für das Daten- und Rechenzentrum wieder. Das Modell<br />

beinhaltet neben den projektspezifischen Dienstleistungen,<br />

z. B. den Entwurf und die Implementierung von Informationssystemen,<br />

den operativen Betrieb von Informationssystemen<br />

und Anwendungsmodulen sowie die Weiterentwicklung<br />

und Pflege der technischen Basisdienste.<br />

Der Aufbau einer eScience-Plattform ist aber auch mit entsprechenden,<br />

abgestimmten Investitionen in Hard- und<br />

Software verbunden. Seit <strong>2004</strong> werden am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Anstrengungen zum Aufbau einer eScience-Plattform<br />

unternommen. In diesem Rahmen werden das Netzwerk<br />

und das Massendatenmanagement grundlegend umstrukturiert<br />

und der Compute-Server erheblich erweitert. Die<br />

Nutzung soll über ein Portal-Framework erfolgen, das<br />

zusätzlich Dienste für die Verwaltung und den Zugriff auf<br />

Daten beinhaltet.<br />

eScience im Daten- und Informationsmanagement<br />

des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Im Rahmen des Programms „Geosystem: Erde im Wandel“<br />

soll die Funktionsweise der Erde als System global<br />

wie regional analysiert werden. Leistungsfähige Instrumente<br />

und hoch auflösende Messtechniken sowie die<br />

Informationstechnologie erlauben es heute, komplexe<br />

Strukturen und Geoprozesse in mehreren zeitlichen und<br />

räumlichen Skalenbereichen zu erfassen und numerisch<br />

zu modellieren. Das eingesetzte Spektrum an Methoden<br />

und Techniken reicht von satelliten- und flugzeuggestützten<br />

Mess-Systemen über die geophysikalische Tiefensondierung<br />

und wissenschaftliche Bohrungen bis hin zu<br />

Laborexperimenten.<br />

Die Datenerfassung wird meist in einer Vielzahl von unabhängigen<br />

Projekten durchgeführt. Die Ergebnisse werden<br />

durch Publikationen und Daten dokumentiert. Die integrierende<br />

Modellierung dieser Daten und Fakten wird oft<br />

Jahre nach ihrer Erfassung durchgeführt. Die Qualität von<br />

Modellen ist davon abhängig, dass eine möglichst breite<br />

Datengrundlage verfügbar ist, welche auch die Daten anderer<br />

Forschungseinrichtungen und die umfangreichen<br />

Datenbestände der öffentlichen Hand beinhalten. Neben<br />

der Verfügbarkeit von hochwertigen Daten spielen leistungsfähige<br />

Werkzeuge für die Erschließung, Prozessierung,<br />

Modellierung und Visualisierung eine wichtige Rolle.<br />

Ziel von eScience in den Geowissenschaften ist der Aufbau<br />

einer leistungsfähigen Infrastruktur, die das Daten-,<br />

Informations- und Wissensmanagement unterstützt und<br />

die Verfügbarkeit relevanter Daten und deren Nutzung<br />

durch interoperable Werkzeuge sicherstellt. Es entsteht<br />

eine lückenlose Wertschöpfungskette von der Datenakquisition<br />

und Prozessierung über die Dissemination von<br />

Ergebnissen bis hin zur Datenintegration, Modellierung<br />

und Simulation. Es werden damit Rahmenbedingungen<br />

geschaffen, welche eine zeitgemäße Bearbeitung und Lösung<br />

der wissenschaftlichen Herausforderungen ermöglichen.<br />

Beim Aufbau der eScience-Infrastruktur für die Geowissenschaften<br />

stehen folgende strategische Ziele im Vordergrund:<br />

• Durch den verbesserten Zugriff auf eine hochwertige<br />

Datenbasis ist eine deutliche Qualitätsverbesserung<br />

von Forschungsergebnissen zu erwarten.<br />

• Die interdisziplinäre Vernetzung und die multiple Nutzung<br />

von Daten über die Fachgrenzen hinaus werden<br />

gestärkt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

413


414<br />

• Die Entwicklung einer neuen Generation von digitalen<br />

Werkzeugen zur Prozessierung, Speicherung, Verbreitung,<br />

Analyse und Visualisierung von Geoinformationen<br />

wird stimuliert.<br />

• Wissenschaftliche Daten können für vielfältige Informations-<br />

und Entscheidungsprozesse in Politik, Wissenschaft,<br />

Wirtschaft und Verwaltung aufbereitet und<br />

genutzt werden.<br />

• Die Entstehung von Innovationsnetzwerken und der<br />

Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung<br />

werden gefördert.<br />

• Die Zusammenarbeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

kann wesentlich verbessert werden.<br />

• Die Integration der Infrastruktur in europäische und<br />

globale Netzwerke fördert internationale Kooperationen.<br />

Die unmittelbare Verfügbarkeit und Nachnutzbarkeit<br />

hochwertiger wissenschaftlicher Daten zur Bewältigung<br />

der Fragestellungen ist die Wertschöpfung, die durch den<br />

Aufbau einer leistungsfähigen eScience-Infrastruktur und<br />

ein hochwertiges Daten- und Informationsmanagement<br />

erreicht wird. Wesentlich ist ein übergreifender konzeptioneller<br />

und organisatorischer Ansatz, der eine lückenlose<br />

Wertschöpfungskette von der Datenerfassung bis hin<br />

zur Modellierung ermöglicht. Bereits durch die Art und<br />

Weise der Datenerfassung werden die Möglichkeiten der<br />

Nachnutzung bestimmt.<br />

Die Wertschöpfungskette (Abb. 7) beinhaltet folgende<br />

Elemente:<br />

1. Datenerfassung: Die Erfassung von Daten steht am<br />

Beginn der Wertschöpfungskette. Generell lassen sich<br />

zwei Verfahren der Datenerfassung unterscheiden: die<br />

Messung mit Hilfe von Instrumenten und die Dokumentation<br />

von Beobachtungen. Beispiele für die Dokumentation<br />

von Beobachtungen sind die geologische<br />

Kartierung oder eine Profilbeschreibung. Bei den<br />

Messungen lassen sich kontinuierliche Messreihen,<br />

z. B. in der Fernerkundung oder Seismologie von diskreten<br />

Einzelmessungen z. B. in der Geochemie unterscheiden.<br />

Die Qualität der Datenerfassung und die<br />

Dokumentation der Rahmenbedingungen der Daten-<br />

Abb. 7: Wertschöpfungskette Daten- und Informationsmanagement<br />

Value-added chain of an integrated data and information management<br />

erfassung in den Metadaten bestimmen die spätere<br />

Nachnutzbarkeit.<br />

2. Verarbeitung: Bei diesem Schritt geht es um die Aufbereitung<br />

von Mess- und Beobachtungsdaten zu aussagekräftigen,<br />

interpretierbaren Daten (Informationen),<br />

welche für die Lösung von wissenschaftlichen<br />

Problemen einen Beitrag leisten können. In der Geodäsie<br />

oder Geophysik werden z. T. sehr aufwendige<br />

Berechnungen durchgeführt. Beim Bohrungsdatenmanagement<br />

z. B. steht dagegen die Zusammenführung<br />

von Detailbeobachtungen zu einem schlüssigen<br />

Gesamtprofil im Vordergrund.<br />

3. Archivierung:Datenarchive werden für die mittel- bis<br />

langfristige Datenhaltung eingesetzt. Bei einer systematischen<br />

Archivierung von Datenbeständen spielt die<br />

Datendokumentation durch Metadaten eine zentrale<br />

Rolle. Metadaten liefern Informationen über die Eignung<br />

von Daten für spezifische, neue Anwendungsfelder<br />

(fitness for use) und schaffen so die Voraussetzungen<br />

für die interdisziplinäre Nachnutzung von<br />

Daten. Während für projektbezogene Daten, wie durch<br />

die Regeln der „Guten wissenschaftlichen Praxis“ vorgesehen,<br />

ein Zugriff für einen Zeitraum von 10 Jahren<br />

sichergestellt werden soll, müssen andere Datensätze,<br />

z. B. Monitoringdaten, über längere Zeiträume archiviert<br />

werden. Es laufen derzeit Bestrebungen, das Einpflegen<br />

von Daten in Langzeitarchive vergleichbar mit<br />

einer klassischen wissenschaftlichen Publikation zu<br />

gestalten.<br />

4. Dissemination:Die wirkungsvolle Dissemination von<br />

Daten ist ein wichtiger Schritt zur Förderung einer projektunabhängigen<br />

Nachnutzung von Daten. Vergleichbar<br />

mit Literatur-Katalogen als Zugang zu <strong>Bibliothek</strong>en<br />

werden Daten über Datenkataloge zugänglich<br />

gemacht, die auf Basis von Metadaten arbeiten (Metainformationssysteme).<br />

Datenkataloge werden in der<br />

Regel zusammen mit anderen Projekt- oder Rahmeninformationen<br />

über Portale erschlossen.<br />

5. Harmonisierung: Die Harmonisierung und Integration<br />

von Daten aus unterschiedlichen Quellen für die<br />

Modellierung von komplexen Systemen ist ein zeitaufwendiger<br />

und kostenintensiver Prozess.<br />

Dabei sind Probleme der semantischen<br />

und skalenbezogenen Abstimmung<br />

von Daten zu bewältigen. Auch die einheitliche<br />

Georeferenzierung unterschiedlicher<br />

Datenquellen kann sich zu einer<br />

komplexen Aufgabe entwickeln. Sowohl<br />

die zugrunde liegenden Konzepte als auch<br />

die notwendigen technologischen Lösungen<br />

sind auch heute noch ein Feld für<br />

Grundlagenforschung. Von besonderer<br />

Bedeutung ist eine systematische Befassung<br />

mit dem Thema Datenqualität. Es<br />

besteht eine direkte Beziehung zwischen<br />

der Qualität der Primärdatenerfassung<br />

und den Kosten der Harmonisierung.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


6. Modellierung: Die Modellierung komplexer, übergreifender<br />

Prozesse steht am Abschluss der Wertschöpfungskette<br />

des Daten- und Informationsmanagements.<br />

Die Verfügbarkeit von hochwertigen Daten für die Validierung<br />

von empirischen Modellen oder Simulationsergebnissen<br />

steht jetzt in direkter Beziehung zur Qualität<br />

und Aussagekraft der wissenschaftlichen Ergebnisse.<br />

Die Schritte 1 und 2 der Wertschöpfungskette – Erfassung<br />

und Verarbeitung von Daten – können unter dem Begriff<br />

Primärdaten-Management zusammengefasst werden. Die<br />

Schritte 3 und 4 Archivierung und Dissemination haben<br />

das Ziel, die Nachnutzung von wissenschaftlichen Daten<br />

in einem interdisziplinären projektübergreifenden Kontext<br />

zu unterstützen. Die Abschnitte 5 und 6 der Wertschöpfungskette<br />

widmen sich der Harmonisierung, Modellierung<br />

und Simulation.<br />

Die Durchgängigkeit und Lückenlosigkeit der Wertschöpfungskette<br />

wird dadurch erreicht, dass bereits bei der<br />

Erfassung von Daten Standards für Daten- und Metadaten<br />

berücksichtigt werden. Durch den Aufbau von projektbezogenen<br />

Informationssystemen und durch die langfristige<br />

Speicherung und Sicherung der Daten in Langzeitarchiven<br />

kann der langfristige Zugang auch nach dem<br />

Ende von Projekten sichergestellt werden. Auf diese Weise<br />

werden die Grundlagen geschaffen, welche die Entwicklung<br />

und Validierung von komplexen Modellen in einem<br />

großen Umfang erst ermöglichen.<br />

eScience-Plattform<br />

Der systematische Aufbau einer eScience-Plattform<br />

schafft die Voraussetzungen, um die oben dargestellten<br />

Wertschöpfungspotenziale zu erschließen. Ein Schwerpunkt<br />

liegt dabei in der Integration und Vernetzung von<br />

Forschungsprojekten durch eine gemeinsame Plattform,<br />

welche neben Möglichkeiten zur schnellen Verarbeitung<br />

von Daten auch ausreichende Kapazitäten zur Speicherung<br />

und langfristigen Sicherung von Rohdaten und ausgewerteten<br />

Daten bereitstellt. Ein weiterer Schwerpunkt<br />

ist die Realisierung eines zentralen Portals, das als<br />

zentraler Einstieg zu allen relevanten Daten und Informationen<br />

dient. Für den Aufbau der<br />

eScience-Plattform ist aber auch die<br />

Unterstützung der integrierten Auswertung,<br />

Modellierung und Simu-lation<br />

von Bedeutung. Die geplante eScience-<br />

Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam ist Teil einer<br />

übergeordneten eScience-Infrastruktur<br />

für die Erd- und Umweltwissenschaften.<br />

Diese Anforderungen spiegeln sich in der<br />

übergeordneten Architektur der geplanten<br />

eScience-Plattform wider, die so den<br />

konzeptionellen Rahmen, den Aufbau<br />

der Infrastruktur und die Entwicklung<br />

und Integration von Werkzeugen und<br />

Diensten bildet. In Anlehnung an das<br />

Programm „Geosystem: Erde im Wandel“<br />

wird eine Architektur für die eScien-<br />

ce-Plattform vorgeschlagen (Abb. 8). Das Kernelement<br />

bildet die Modular Earth Science Information Infrastructure<br />

(MESII) Auf MESII aufbauend eröffnet das Portal<br />

Geowissenschaften (GESIS) einen zentralen Zugang<br />

zu relevanten Daten und Informationen der Erd- und<br />

Umweltforschung. Das Geoscientific Modelling Environment<br />

(GeoMODE) unterstützt besonders die Integration<br />

und Harmonisierung von Daten sowie die Berechnung<br />

und Visualisierung von komplexen Modellen:<br />

MESII – Modular Earth Science Information Infrastructure<br />

MESII ist eine eScience-konforme Dienstplattform und<br />

unterstützt das Daten- und Informationsmanagement von<br />

der projektbezogenen Erfassung über die Verarbeitung<br />

und Speicherung bis hin zur interdisziplinären Erschließung.<br />

Durch die Abstimmung und Standardisierung<br />

sowohl von Daten- und Metadaten als auch Datenkatalogen<br />

und Archiven werden die Voraussetzungen für eine<br />

übergreifende Nutzung von Daten geschaffen. Portal-Frameworks<br />

gestatten die Integration von projekt- und nutzerspezifischen<br />

Anwendungen, die einen Zugriff sowohl<br />

auf Katalogdienste als auch Modellierungs- und Visualisierungswerkzeuge<br />

gestattet.<br />

Die Datenerfassung ist in der Regel direkt auf das Projekt<br />

zugeschnitten. Zum Beispiel im Rahmen von Satelliten-<br />

Missionen wie CHAMP oder GRACE werden kontinuierlich<br />

sehr große Datenmengen erzeugt. Der Schwerpunkt<br />

liegt auf einer schnellen Prozessierung und einer hohen<br />

Zuverlässigkeit der Systeme, mit denen Sensormessungen<br />

in relevante Informationsprodukte aufbereitet werden. Für<br />

die Erfassung von Bohrungsdaten, die sich durch ein vergleichbar<br />

geringes Datenvolumen und eine hohe Komplexität<br />

auszeichnen, werden speziell angepasste Bohrungs-<br />

Informationssysteme eingesetzt. Eine besondere Rolle<br />

kommt den Langzeitarchiven zu. Diese haben die Aufgabe<br />

Monitoringdaten oder publizierte Datensätze langfristig zu<br />

sichern und einen effizienten Zugriff zu ermöglichen.<br />

MESII schafft die technologische Basis für die Integration<br />

von Geodateninfrastrukturen, GRIDs und <strong>Bibliothek</strong>en.<br />

Grundlage ist die Virtualisierung von Komponenten.<br />

Abb. 8: Bausteine der eScience-Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Components of the <strong>GFZ</strong> eScience Plattform<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

415


416<br />

Abb. 9: Aufbau des Daten- und Rechenzentrums<br />

Structure of the Data and Computer Centre<br />

MESII erreicht auf diese Weise eine Homogenisierung<br />

heterogener Ressourcen zur Gewährleistung eines transparenten,<br />

skalierbaren und hochverfügbaren Zugriffs.<br />

Dieses vereinfacht die Integration heterogener Komponenten<br />

und ermöglicht flexible Architekturen sowie verteilungstransparente<br />

Kommunikation von Prozessen. Die<br />

Ressourcen, bspw. Datenbanken oder Applikationen, haben<br />

keine feste Bindung untereinander, sondern werden<br />

lose über einheitliche Schnittstellen gekoppelt und sind so<br />

je nach Bedarf effizient einsetzbar.<br />

GESIS – Portal Geowissenschaften<br />

Das Global Earth Science Information System (GESIS)<br />

soll Wissenschaftlern relevante Daten, Informationen und<br />

Ergebnisse aus laufenden oder abgeschlossenen Projekten,<br />

Programmen oder Missionen zugänglich machen. Von<br />

besonderem Interesse sind Daten aus anderen wissenschaftlichen<br />

Datenzentren aber auch Daten der öffentlichen<br />

Hand, z. B. der Kataster-, Vermessungsämter und<br />

der Umweltbehörden. Für GESIS wurde ein übergreifendes<br />

Rahmenkonzept entwickelt, das in enger Zusammenarbeit<br />

mit anderen Datenzentren und den geowissenschaftlichen<br />

<strong>Bibliothek</strong>en realisiert werden soll. Mehrwertdienste<br />

für die intelligente, themenorientierte Suche<br />

nach Daten und Publikationen sind Teil des Portals. Auch<br />

aktuelle Themen, wie die Publikation und Zertifizierung<br />

von Daten und Open Access werden aufgegriffen. Zusätzlich<br />

sollen Informationen über relevante Forschungsthemen<br />

und laufende Projekte über Forscher und deren Kompetenzprofile<br />

verfügbar gemacht werden.<br />

Geoscientific Modelling Environment – GeoMODE<br />

Die Modellierung von globalen, mehrskaligen Geoprozessen<br />

ist eine wichtige Aufgabe des Programms „Geosystem:<br />

Erde im Wandel“. GeoMODE ist eine Plattform<br />

für die interaktive Modellierung und Kommunikation bei<br />

der Bearbeitung geowissenschaftlicher Fragestellungen.<br />

Die Nutzung von Daten des Untergrundes (z. B. Bohrungsdaten,<br />

Strukturdaten, Parameter eines Epizentrums,<br />

seismische Modelle, Lagerstätten) in<br />

einer kollaborativen Arbeitsumgebung<br />

erfordert die Entwicklung von neuen<br />

Diensten zur Visualisierung von Objekten<br />

des Erduntergrundes und deren Verknüpfung<br />

mit den zugehörigen Datenbeständen<br />

und weiterführenden Informationen<br />

in der Literatur. Diese Dienste sollen<br />

sich an den bereits verfügbaren Komponenten<br />

der 2D-Geodateninfrastruktur<br />

orientieren und sie um die dritte Dimension<br />

erweitern.<br />

Das Daten- und Rechenzentrum<br />

Das Daten- und Rechenzentrum des Geo-<br />

ForschungsZentrums Potsdam ist eine<br />

wissenschaftliche Infrastruktur-Abteilung,<br />

die sowohl für die Betreuung von zentralen<br />

Diensten, wie Netzwerk, Massenspeicher<br />

und Compute-Server, als auch für das Daten-<br />

und Informationsmanagement in wissenschaftlichen Projekten<br />

verantwortlich ist. Dezentrale Teile der IT-Infrastruktur<br />

werden von den Sektionen in eigener Regie verwaltet.<br />

Bedingt durch die Entwicklung der Informationstechnologie<br />

und der Geoinformatik hat die Bedeutung der wissenschaftlichen<br />

Daten kontinuierlich zugenommen. In<br />

Forschungsprojekten wird die Verfügbarkeit einer gemeinsamen<br />

Datenbasis für die Verbesserung eigener<br />

Ergebnisse immer wichtiger. Die Internet-Darstellung von<br />

Projekten entwickelt sich zu einem zentralen Einstiegspunkt<br />

und wird für die externe Kommunikation zu einem<br />

wichtigen Dreh- und Angelpunkt. Das Daten- und Rechenzentrum<br />

hat auf diese Entwicklung mit einem angepassten<br />

Dienstleistungsangebot reagiert. Die Entwicklung<br />

von projektspezifischen Informationssystemen für die<br />

sichere Speicherung und einfache Nutzung von großen<br />

Datenmengen spielt dabei eine wichtige Rolle.<br />

Aufgaben<br />

Das Daten- und Rechenzentrum hat das Ziel, eine zeitgemäße<br />

eScience-Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam aufzubauen,<br />

die richtungsweisende Entwicklungen im Bereich eScience<br />

und Geodaten-Infrastrukturen sowie wichtige Trends<br />

in der Hard- und Software aufgreift und einbezieht. Die<br />

Elemente der Wertschöpfungskette und die Gesamtarchitektur<br />

der eScience-Plattform bilden den konzeptionellen<br />

Rahmen für das Leistungsangebot des Daten- und Rechenzentrums.<br />

Daraus lassen sich folgende konkrete, operative<br />

Ziele ableiten:<br />

• Entwicklung eines zeitgemäßen, wertschöpfenden<br />

Dienstleistungsangebots für das wissenschaftliche<br />

Daten- und Informationsmanagement,<br />

• Aufbau und Weiterentwicklung einer leistungsfähigen<br />

Diensteplattform (MESII),<br />

• Weitereinwicklung der technischen Basisdienste, wie<br />

Netzwerk, Massenspeicher und Compute-Server,<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


• Einrichtung eines ICSU-Weltdatenzentrums mit der<br />

Bezeichnung WDC TERRA für Lithosphärendaten als<br />

Beitrag zum Portal Geowissenschaften (GESIS),<br />

• Konzeption, Einführung und Verbreitung von Verfahren<br />

zur Publikation von Daten,<br />

• Sicherung des operativen Betriebs der eScience-Plattform,<br />

• Beteiligung beim Aufbau von Geodaten-Infrastrukturen,<br />

eScience-Initiativen und Standardisierungsgremien,<br />

• Förderung des Transfers von Ergebnissen der Grundlagenforschung<br />

in die Anwendung.<br />

In der Organisation der Abläufe lassen sich bei der Umsetzung<br />

der Aufgaben des Daten- und Rechenzentrums das<br />

IT-Projektmanagement, das System-Operating und die IT-<br />

Basisdienste unterscheiden (Abb. 9), die nachfolgend<br />

erläutert werden. Der Aufwand für das System-Operating,<br />

speziell der Betrieb von Informationssystemen, hat in den<br />

letzten Jahren stark zugenommen.<br />

IT-Projektmanagement<br />

Das DRZ ist in einer Reihe von wissenschaftlichen Projekten<br />

für das IT-Projektmanagement zuständig. Ausgehend<br />

von den projektspezifischen Anforderungen und<br />

Informationsflüssen werden im Rahmen des IT-Projektmanagements<br />

Projekte vorbereitet, Informationssysteme<br />

entworfen, implementiert und weiterentwickelt. Thematisch<br />

umfassen diese Projekte ein breites Spektrum von<br />

Satelliten-Missionen über Bohrungs-Projekte bis hin zum<br />

Desaster-Management. Das Projekt SaDIN (Sahel Doukala<br />

Information Network) stellt in diesem Zusammenhang<br />

eine Besonderheit dar. SaDIN ist ein gemeinsames<br />

EU-Projekt mit der Universität El Jadida, Marokko, in dem<br />

Kapazitäten für ein leistungsfähiges Daten- und Informationsmanagement<br />

aufgebaut werden sollen.<br />

System-Operating<br />

Durch das System-Operating werden technologische und<br />

organisatorische Rahmenbedingungen für eine effiziente<br />

Entwicklung und einen wirtschaftlichen Betrieb von Informationssystemen<br />

geschaffen. Auf Vereinbarung werden<br />

aber auch Dritt-Systeme gepflegt, die nicht im DRZ<br />

entwickelt wurden. Zu den im Rahmen des System-Operating<br />

erbrachten Leistungen gehören der Betrieb einer<br />

Entwicklungsumgebung, der Betrieb einer Produktionsplattform,<br />

die Bereitstellung von Software-Komponenten<br />

und eines Portal-Frameworks/CMS, die Pflege eines<br />

<strong>Bibliothek</strong>ssystems und der Arbeitsplatzrechner in der<br />

<strong>Bibliothek</strong> sowie Beratungsfunktionen im Bereich Geoinformationssysteme<br />

(GIS).<br />

Basisdienste<br />

Die Basisdienste stellen die essentiellen, technologischen<br />

Grundlagen und Funktionen für die IT-Infrastruktur des<br />

<strong>GFZ</strong> Potsdam zur Verfügung. Dazu gehören das Massendatenmanagement,<br />

die Bereitstellung von Backup-Kapazitäten,<br />

der Betrieb von Compute-Server-Leistungen und<br />

Datenbankservern sowie das Netzwerk und Netzwerkdienste.<br />

Qualifikationsprofile<br />

Die Unterstützung des gesamten Lebenszyklus von wissenschaftlichen<br />

Daten und der Aufbau und Betrieb einer<br />

eScience-Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam als Teil einer Informations-Infrastruktur<br />

für die Erd- und Umweltwissenschaften<br />

setzt ein breites Kompetenzprofil voraus, das nur<br />

von einer gut ausgebildeten, intensiv vernetzten Gruppe<br />

erbracht werden kann. Die Gruppe setzt sich aus Geowissenschaftlern,<br />

Informatikern und Ingenieuren zusammen.<br />

Für diese Aufgaben sind eine hochwertige Ausbildung und<br />

eine langjährige Berufserfahrung notwendig.<br />

Grundlagen für die Arbeit des Daten- und Rechenzentrums<br />

bilden die Methoden der Informatik. Diese liefern<br />

Werkzeuge und Verfahren für den Entwurf, die Darstellung<br />

und die Implementierung von komplexen Informationssystemen.<br />

Diese Verfahren werden im Rahmen von<br />

Vorgehensmodellen aufeinander abgestimmt. Standardisierte<br />

Software-Entwicklungsprozesse, z. B. nach dem V-<br />

Modell oder dem Rational Unified Process, spielen hier<br />

eine besondere Rolle, die in einer, der Projektkomplexität<br />

angemessenen Form eingesetzt werden. Die Informatik<br />

liefert außerdem die Grundlagen zum Betrieb, zur Überwachung<br />

und zur Sicherheit von Netzwerken, Rechnern<br />

und Speichereinheiten. Besonderes durch die Entwicklung<br />

des Internets wurde eine Vielzahl von neuen Konzepten<br />

und Standards entwickelt und eingeführt.<br />

Eine besondere Bedeutung für die Arbeit des Daten- und<br />

Rechenzentrums hat auch die Geoinformatik. Durch die<br />

Aktivität von Initiativen und Standardisierungseinrichtungen,<br />

z. B. des Open Geospatial Consortiums (OGC),<br />

der ISO oder des W3C wurden wichtige Grundlagen für<br />

offene Geodaten-Infrastrukturen geschaffen. Von besonderer<br />

Bedeutung sind Standards und Anwendungsprofile<br />

für geowissenschaftliche Daten und Metadaten. Durch die<br />

Aktivitäten des OGC wurden Spezifikationen für Services<br />

in offenen Geodaten-Infrastrukturen vorangetrieben.<br />

Diese beschreiben die Schnittstellen und die Protokolle,<br />

mit denen sich Informationssysteme in Geodaten-Infrastrukturen<br />

integrieren und die Art und Weise wie Daten/<br />

Informationen von diesen Systemen abgerufen werden<br />

können. Auf Basis dieser Spezifikationen stehen immer<br />

mehr Software-Bausteine für Geoinformationssysteme als<br />

kommerzielle Produkte, als Open Source oder Public<br />

Domain Bausteine zur Verfügung. Die Kosten für die Entwicklung<br />

und den Betrieb von Informationssystemen<br />

sowie die Betriebssicherheit können so ganz wesentlich<br />

verbessert werden.<br />

Aufbau der eScience-Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Im Rahmen des Aufbaus einer eScience-Plattform im<br />

GeoForschungsZentrum werden seit <strong>2004</strong> alle größeren<br />

Investitionsvorhaben in Basisdienste und System-Operating<br />

gebündelt. Ziel der Maßnahmen ist die Konzeption<br />

und Implementierung einer Netzwerk-, Rechner- und<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

417


418<br />

Abb. 10: Architektur der eScience-Plattform. Eine Service-<br />

Plattform stellt standardisierte Dienste für projekt- und<br />

anwendungsspezifische Portale zur Verfügung.<br />

Architecture of the eScience Platform. A service platform<br />

is offering standardised services for project and application<br />

specific portals.<br />

Speicherarchitektur, die über eine zeitgemäße Dienstplattform<br />

zugänglich sind. Die Maßnahmen werden dazu<br />

beitragen, die Potentiale von eScience für geowissenschaftliche<br />

Anwendungsfelder zu erschließen (Abb. 10).<br />

Die entstehende eScience-Plattform unterstützt:<br />

• die Prozessierung von Messdaten aus den vielfältigen<br />

Forschungsprojekten mit dem Schwerpunkt Satellitenmissionen<br />

und globale Experimente,<br />

• die Modellierung von komplexen geowissenschaftlichen<br />

Prozessen,<br />

• die Ausführung von zeitkritischen Simulationen, z. B.<br />

im Rahmen der Frühwarnung bei unmittelbar drohenden<br />

Naturkatastrophen,<br />

• die Suche von und Zugang zu Messdaten, prozessierten<br />

Daten und hochwertigen Informationsprodukten<br />

und<br />

• die langfristige Sicherung und Verfügbarkeit wichtiger,<br />

hochvolumiger, wissenschaftlicher Daten, z. B.<br />

Monitoring-Daten.<br />

Die Funktionen der Plattform sollen dem<br />

Anwender als Dienste einer Service-<br />

Orientierten Architektur (SOA) über<br />

anwendungsspezifische Portale angeboten<br />

werden. Auf diese Weise können verfügbare<br />

Ressourcen wesentlich flexibler<br />

im Rahmen unterschiedlicher Aufgabenstellungen<br />

und Anwendungen kombiniert<br />

und genutzt werden. Für die Intensivierung<br />

der Vernetzung mit Hochschulen, anderen<br />

Forschungsinstituten und der Wirtschaft<br />

ergeben sich signifikante Impulse.<br />

Der Aufbau der eScience-Plattform beinhaltet<br />

sowohl eine wesentliche Verstär-<br />

kung der Computing-Ressourcen als auch den Ausbau der<br />

Kapazitäten für die Speicherung und Archivierung von<br />

Daten. Durch bereits durchgeführte Umfragen und Studien<br />

liegen konkrete Vorstellungen über die Gestaltung der<br />

Plattform vor. Darüber hinaus soll die Nutzung dieser<br />

Angebote durch leistungsfähige aber kostengünstige Projekt-<br />

und/oder Anwendungsportale gefördert werden. Der<br />

Aufbau der eScience-Plattform im <strong>GFZ</strong> Potsdam beinhaltet<br />

folgende, konkrete Maßnahmen:<br />

Breitbandausbau Netzwerk: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

sind die Leitungs- und Vermittlungsinfrastrukturen<br />

auf dem Telegraphenberg überwiegend auf einen Durchsatz<br />

von maximal 100 Mbit/s ausgelegt. Die Anbindung<br />

einzelner Gebäude und Einheiten erfolgt allerdings noch<br />

mit Kapazitäten von 10 Mbit/s. Durch den Ausbau des<br />

Netzwerks (Gbit/s) auf dem Telegrafenberg wird es möglich,<br />

nicht nur den Zugriff auf und den Datentransfer zwischen<br />

Diensten zu verbessern, sondern auch die Möglichkeiten<br />

des Massendatenmanagements zu erweitern.<br />

Erweiterung des High Performance Cluster (HPC): Der Aufbau<br />

des Compute-Services mit mindesten 256 Knoten<br />

basiert auf dem Einsatz von Standard-Cluster-Technologien.<br />

Damit steht eine ausreichende Rechnerleistung für die Prozessierung,<br />

Modellrechnungen, Simulationen und verteilte<br />

Applikationen zur Verfügung (Abb. 11). Eine optimale Performance<br />

kann durch High-Speed-Connections (Infini-<br />

Band) erreicht werden, die den Datenfluss zwischen den einzelnen<br />

Knoten optimieren, die Latenzzeiten verringern und<br />

die nutzbare Bandbreite zur Datenübertragung erhöhen. Die<br />

Steuerung des HPC erfolgt über eine Managementsoftware,<br />

mit der das System konfi-guriert, die Lastverteilung überwacht<br />

und die Nutzer-Accounts verwaltet werden. Beim<br />

Transfer existierender Anwendungen auf das HPC ist ein<br />

entsprechender Support für die effiziente Parallelisierung<br />

und die detaillierte Code-Optimierung erforderlich.<br />

Redesign Massendatenmanagement: Im August <strong>2004</strong><br />

wurde im Rahmen einer externen Studie eine Situationsanalyse<br />

zum Massendatenmanagement im <strong>GFZ</strong> durchgeführt.<br />

Diese zeigte, dass die wachsenden Anforderungen<br />

nicht länger durch einen rein quantitativen Ausbau der<br />

Speichersysteme erreicht werden können. Vielmehr schlägt<br />

Abb. 11: Entwicklung des Rechenzeitbedarfs von 2000 bis 2010<br />

Development of computing demand from 2000 to 2010<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 12: Entwicklung des Massendatenmanagements im <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

Development of mass data management in the <strong>GFZ</strong><br />

die Studie eine Neustrukturierung des Massendatenmanagements<br />

und einen qualitativen Umbau der Speicherarchitekturen<br />

vor, um die steigenden Anforderungen bzgl.<br />

Datensicherheit, Verfügbarkeit und Zugriffsgeschwindigkeit<br />

zu befriedigen.<br />

Die Bedarfsanalyse und Auslastungsplanung entstand durch<br />

die Auswertung von Interviews mit den Projektverantwortlichen<br />

und auf Basis langjähriger Erfahrung in der<br />

Archivierung von wissenschaftlichen Daten. Externe<br />

Anforderung an die Datenhaltung, z. B. die Regeln der<br />

„Guten Wissenschaftlichen Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft,<br />

wurden ebenfalls berücksichtigt.<br />

Wie in anderen Forschungseinrichtungen ebenfalls beobachtet,<br />

zeigt sich im <strong>GFZ</strong> Potsdam ein kontinuierlicher,<br />

fast exponentiell verlaufender Aufwärtstrend im Datenumfang<br />

(Abb. 12). Zusätzlich wird es immer wichtiger,<br />

der Wissenschaft eine hohe Qualität der Datenbereitstellung<br />

zu gewährleisten. Diese Anforderungen können nur<br />

durch neue, flexible Speicherarchitekturen umgesetzt werden.<br />

Diese Architekturen erlauben es den Anwendern,<br />

Datensätze transparent zwischen verschiedenen Speichersystemen,<br />

z. B. Band oder Festplatte zu verschieben<br />

oder zu replizieren. Dabei lassen sich sechs Klassen von<br />

Speichersysteme HSM Disk, HSM Tape, Backup Disk,<br />

Backup Tape, SAN und NAS unterscheiden.<br />

Ziel ist der Aufbau einer virtualisierten Speicher-Infrastruktur.<br />

Ein schnelles Festplattenspeicher-Netzwerk auf<br />

Fiber Channel Basis schafft die Grundlage für den parallelen<br />

Zugriff auf Daten und gewährleistet die zeitkritische<br />

Verfügbarkeit von Original-Daten und abgeleiteten Modellen.<br />

Das Festplatten-Netzwerk soll von 30 auf 100 TB Speicherkapazität<br />

erweitert werden. Die Speicher-Infrastruktur<br />

verwendet außerdem ein bandgestütztes Archivsystem, das<br />

dann über eine Kapazität von ca. 400 TB (aktuell ca.<br />

100 TB) verfügt. Die Verwaltung des Gesamtsystems erfolgt<br />

durch eine spezielle Management-Software. Die Inhalte des<br />

Archivs werden über Katalogdienste erschlossen.<br />

Aufbau Diensteplattform<br />

Der Zugang zur Rechen- und Speicherinfrastruktur soll<br />

über die Implementierung einer Diensteplattform reali-<br />

siert werden, deren Architektur in Abb. 10<br />

dargestellt ist. Hier bietet sich eine nutzerfreundliche<br />

Lösung als Portal-Anwendung<br />

an, die, eingebettet in Projekt- oder<br />

anwendungsspezifische Inhalte, den<br />

Zugriff auf Datenkataloge und Computing-Ressourcen<br />

gestattet. Besonders<br />

ergänzende Angebote zum Datenmanagement<br />

und zur Modellierung, aber<br />

auch die verbesserte Nutzungsplanung<br />

sichern eine maximale Auslastung des<br />

Systems.<br />

Die heutige Nutzung von Infrastruktur-<br />

Diensten, z. B. Da-tenarchiven oder Projekt-Portalen<br />

im <strong>GFZ</strong> Potsdam ist durch<br />

eine Vielzahl von Software-Lösungen<br />

und Gestaltungskonzepten gekennzeichnet, die in der<br />

Regel individuell für Projekte entwickelt wurden. Die<br />

Kosten, die durch diese Heterogenität entstehen, sind hoch<br />

und schlagen sich sowohl bei der Entwicklung von neuen<br />

Systemen als auch bei der Wartung nieder. Abgesehen von<br />

großen Projekten kann das Datenmanagement deswegen<br />

häufig nicht in einer angemessenen Form realisiert werden.<br />

Als Folge sind relevante Daten bereits zur Projektlaufzeit<br />

nur eingeschränkt verfügbar. Nach Projektende ist<br />

ein Zugang zu vielen wertvollen Daten in der Regel nicht<br />

mehr möglich.<br />

Dabei stehen heute ausgereifte Lösungen zur Verfügung,<br />

um durch eine Standardisierung des Dienstleistungsangebots<br />

eine deutliche Qualitätsverbesserung und Kostenreduktion<br />

bei der Verfügbarkeit von Daten und Diensten<br />

zu erreichen. So ist zum Beispiel beim Betrieb von Portalen<br />

und bei der Verwaltung von Inhalten der Konsolidierungsprozess<br />

weit fortgeschritten. Ein Portal ist nicht<br />

länger eine einfache Homepage, sondern gestattet vielmehr<br />

einen Zugang zu allen relevanten Daten, Informationen<br />

und Werkzeugen eines Projekts oder einer Einrichtung.<br />

Die Eingabe, Pflege und Gestaltung der projektspezifischen<br />

Inhalte erfolgt über ein Content-<br />

Management-System (CMS), das mit dem Portal-Framework<br />

verzahnt wird.<br />

Das Portal bildet darüber hinaus einen Rahmen für die Einbindung<br />

verschiedener Anwendungen und Dienste, z. B.<br />

über Portlet-Schnittstellen. Dienste können mit geringem<br />

Aufwand in Projektportale eingebunden werden und stehen<br />

den Anwendern mit ausgereiften Funktionsangeboten<br />

zur Verfügung. Moderne Portal-Frameworks bieten eine<br />

Reihe von vorgefertigten Modulen, wie z. B. Terminplanung<br />

und andere Kommunikationsmöglichkeiten (Email)<br />

oder Diskussionsforen. Auch die Standardisierung von<br />

spezifischen Geodatendiensten ist durch die Entwicklung<br />

und Einführung von Geodaten-Infrastrukturen weit fortgeschritten.<br />

Hier bietet sich eine Einbindung von Katalogdiensten,<br />

Up- und Download-Funktionen oder von<br />

Map-Servern als Portlets an. Wichtige wissenschaftliche<br />

Forschungsergebnisse können so in Datenkataloge eingespeist<br />

und so anderen Projektmitgliedern zugänglich gemacht<br />

werden.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

419


420<br />

Zur Implementierung und Validierung der Diensteplattform<br />

wurden mehrere existierende Anwendungen mit<br />

definiertem Funktionsumfang ausgewählt, an Hand derer<br />

die Plattform inkrementell entstehen soll. Diese sind:<br />

• Weltdatenzentrum „Terra“. Zu realisierende Funktionen<br />

sind: Pflege von Inhalten z. B. Nutzungsbedingungen,<br />

Langzeitdatenarchiv mit Katalogdienst, Upund<br />

Download von Daten und Verweissicherung.<br />

• Muster-Projekt-Portal. Zu realisierende Funktionen<br />

sind: Pflege von Inhalten des Projekts, Katalogisierung,<br />

Speicherung und Archivierung von Daten, Kollaboration<br />

von Wissenschaftlern.<br />

• Datenmanagement Services. Zu realisierende Funktionen<br />

sind: Portal mit Nutzungsangeboten, Verzeichnissen,<br />

Statistiken.<br />

• Computing Services. Zu realisierende Funktionen<br />

sind: Portal mit Nutzungsangeboten, Software-Modulen,<br />

Nutzungsstatistiken.<br />

Die Realisierung der eScience-Plattform beinhaltet die<br />

Auswahl und Einführung eines Portal-Frameworks, über<br />

das Dienste und Projektportale unter einer einheitlichen<br />

Bedienoberfläche integriert werden. Für den Aufbau und<br />

die Pflege von Inhalten wird ein CMS installiert. Zur Verwaltung<br />

von textuellen Inhalten und strukturierten Daten<br />

dient ein Datenbankmanagementsystem (DBMS), das<br />

über Features zum Umgang mit Geodaten verfügt. Ein<br />

weiterer Schwerpunkt liegt darin, Standardservices z. B.<br />

Map- und Katalogserver als Portlets verfügbar zu machen.<br />

Die Einführung der Software-Pakete Portal Server, CMS,<br />

Datenbankmanagement soll im Rahmen der oben genannten,<br />

konkreten Anwendungen erfolgen. Auf diese Weise<br />

wird ein Pool von Kompetenzen und von Software-Modulen<br />

erschlossen, der die nachhaltige Nutzung der entwickelten<br />

eScience-Plattform für ein zukunftsorientiertes<br />

Daten-, Informations- und Wissensmanagement sicherstellt.<br />

OSG-ICDP<br />

Seit 1998 werden geowissenschaftliche<br />

Forschungsprojekte sowohl finanziell als<br />

auch operativ vom Internationalen Forschungsbohrprogramm<br />

ICDP (International<br />

Continental Scientific Drilling Program)<br />

unterstützt und durchgeführt.<br />

Dabei ist das <strong>GFZ</strong> Potsdam die zentrale<br />

Schaltstelle dieses Programms, da es<br />

sowohl als Exekutiv-Agentur des ICDP<br />

agiert als auch durch die OSG (Operational<br />

Support Group) am <strong>GFZ</strong> die Bohrprojekte<br />

maßgeblich mitgestaltet. Die<br />

OSG führt wissenschaftlich-technische<br />

Planungen, Schulungen und Operationen<br />

durch, für die sie auch einen inzwischen<br />

umfangreichen Pool von bohrungsbegleitenden<br />

geophysikalischen Geräten<br />

und technischen Ausrüstungen einsetzt<br />

beziehungsweise zur Verfügung stellt. In<br />

den Jahren <strong>2004</strong> und <strong>2005</strong> wurde die bisher größte Anzahl<br />

von Projekten mit Unterstützung der OSG durchgeführt.<br />

Dazu gehören:<br />

• SAFOD Main Hole Phase 1 und 2, Kalifornien, USA<br />

• Lake Bosumtwi, Ghana<br />

• Chesapeake Bay, Virginia, USA<br />

• Lake Qinghai, China<br />

• Donghai CCSD, China<br />

• Iceland Deep Drilling Project, Island<br />

• Hawaii HSDP-2b, USA<br />

• Lake Malawi, Malawi, Ostafrika<br />

• Chelungpu Fault, Taiwan<br />

• Unzen Volcano, Japan<br />

• Mallik Gas Hydrate Research Well, Kanada<br />

• Lake Peten-Itza, Guatemala<br />

Für jede Bohrung wird die technische Durchführung<br />

zusammen mit begleitenden wissenschaftlichen Arbeiten<br />

im Bohrinformationssystem der OSG dokumentiert und<br />

weltweit per Internet zur Verfügung gestellt. Im Folgenden<br />

werden ausgewählte Projekte kurz vorgestellt.<br />

Ein Observatorium in der San Andreas-Störungszone:<br />

„San Andreas Fault Observatory at<br />

Depth“, SAFOD, USA<br />

Die Beobachtung von natürlichen Erdbebenwellen und<br />

Laborexperimente lassen es nur begrenzt zu, die prinzipiellen<br />

Vorgänge bei Brüchen in der Erdkruste zu verstehen<br />

Das SAFOD-Programm zielt daher darauf ab, physikalische<br />

und chemische Prozesse direkt in der Erdbebenzone<br />

in großen Störungszonen an Plattenrändern zu beobachten.<br />

Dazu wird durch die San Andreas-Störungszone,<br />

ein bekanntes Musterbeispiel einer vertikalen Bruchzone<br />

und Plattengrenze, eine abgelenkte Bohrung abgeteuft<br />

und instrumentiert. Damit sollen Erdbebenentstehung, Rissausbreitung,<br />

Spannungsänderungen, Deformation und die<br />

Rolle von Gasen und Tiefenwässern direkt in der Bruch-<br />

Abb. 13: Die Startseite des neuen ICDP Webauftritts (www.icdp-online.org,<br />

screenshot: ICDP)<br />

The homepage of the new ICDP Web site (www.icdp-online.org)<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


zone untersucht werden. Im Jahr 2002 wurde vorbereitend<br />

eine 2,2 km tiefe Pilotbohrung gebohrt und zur genauen<br />

Lokalisierung von Mikrobeben unterhalb von 3 km Tiefe<br />

mit einer Seismometerkette bestückt. Die an der Oberfläche<br />

und unter Tage gewonnenen seismischen Daten wurden<br />

genutzt, um die <strong>2004</strong> begonnene und <strong>2005</strong> fortgesetzte<br />

Hauptbohrung genau in einen Bereich zu lenken, in dem<br />

ständig kleine, sich wiederholende Erdbeben auftreten.<br />

Die Bohrlokation liegt westlich der vertikal verlaufenden<br />

San Andreas-Störungszone in einem Abschnitt, der sowohl<br />

durch aseismisches Kriechen als auch durch die<br />

wiederkehrenden Kleinbeben deformiert wird. Er grenzt<br />

direkt an einen Bereich weiter südlich, in dem sich etwa<br />

alle 25 Jahre Erdbeben der Magnitude Mw = 6 wiederholen.<br />

Zur Beobachtung dieser Beben wurde das Gebiet mit<br />

einem sehr dichten geophysikalischen Messnetz ausgerüstet,<br />

dessen Daten zur hochgenauen Lokalisierung von<br />

SAFOD dienten und für das SAFOD-Experiment genutzt<br />

werden können. Während der Bohrungsphasen wurden die<br />

erbohrten Gesteine kontinuierlich beprobt, gelegentlich in<br />

wichtigen Bereichen Bohrkerne gezogen, sowie ein sehr<br />

ausführliches geophysikalisches Messprogramm im Bohrloch<br />

durchgeführt. Gesteinsproben und gewonnene Fluide<br />

werden detailliert in den beteiligten Labors untersucht.<br />

Das Durchteufen der San Andreas Verwerfung erfolgte in<br />

zwei Phasen.<br />

<strong>2004</strong>, Phase 1:<br />

• Vertikales Abteufen der Bohrung im 17 1/2"- Bohrdurchmesser<br />

bis zur Teufe 1.445 m<br />

• Sichern dieses Abschnittes durch einen 13 3/8"-Rohreinbau<br />

und Zementation<br />

• Ablenken der Bohrung im 12 1/4"-Bohrdurchmesser<br />

in Richtung San Andreas Verwerfung mit Neigungsaufbau<br />

bis 55°<br />

• Sichern des gesamten Bohrlochs durch den Einbau und<br />

die Zementation einer 9 5/8"-Verrohrung<br />

• Beendigung der Bohrarbeiten im 8 1/2"-Bohrdurchmesser<br />

in <strong>2004</strong> in Teufe 3.068 m<br />

• Kerne wurden erbohrt in den Teufenbereichen 1.462<br />

bis 1.470 m sowie 3.056 bis 3.068 m.<br />

• Die Bohrung wurde im vertikalen Abschnitt der 9 5/8"-<br />

Verrohrung mit spezieller Sensorik (Glasfasertechnik)<br />

zur Beobachtung und Messung von Verformungen der<br />

Verrohrung ausgestattet. Gleichzeitig wurden nach<br />

Ende der Bohrarbeiten <strong>2004</strong> eine Vielzahl von Messeinsätzen<br />

in Vorbereitung der geplanten Weiterführung<br />

der Arbeiten <strong>2005</strong> durchgeführt.<br />

<strong>2005</strong>, Phase 2:<br />

Abb.14:Schnitt durch die SAFOD-Hauptund<br />

Pilotbohrung und die San Andreas-<br />

Störungszone. Im Jahr <strong>2004</strong> wurde die im<br />

unteren Bereich abgelenkte Hauptbohrung<br />

3.068 m tief abgeteuft; <strong>2005</strong> wurde<br />

sie auf 3.997 m vertieft. Die Farben im<br />

Hintergrund zeigen die elektrische Leitfähigkeit.<br />

Section across the SAFOD Pilot and Main<br />

well and the San Andreas Fault Zone. The<br />

deviated main well was drilled in the year<br />

<strong>2004</strong> down to 3068 m depth and deepend<br />

in <strong>2005</strong> to 3997 m depth. The background<br />

colors depict the electrical conductivity<br />

along the section.<br />

• Herausbohren aus der Verrohrung im 8 1/2"-Bohrdurchmesser<br />

und Fortführung der Bohrarbeiten in<br />

Richtung der San Andreas Verwerfung mittels Richtbohrtechnik<br />

unter Beibehaltung der Bohrlochneigung<br />

von ca. 55°<br />

• Durchbohren der Bereiche der San Andreas-Verwerfung<br />

unter Anwendung spezieller bohrtechnologischer<br />

Abläufe und Techniken zur Beherrschung der gebirgsbedingten<br />

Schwierigkeiten wie Instabilitäten, massive<br />

Bohrlochrandausbrüche, Bohrkleinaustragsprobleme,<br />

Festwerden des Bohrstrangs usw.<br />

• Für das Durchbohren der San Andreas-Verwerfung<br />

war der kontinuierliche Einsatz von LWD (Logging<br />

While Drilling)-Messtechnik im Bohrstrang vorgesehen,<br />

der jedoch aus Sicherheitsgründen und zur Risikominimierung<br />

nur temporär durchgeführt wurde.<br />

• Ende der Bohrarbeiten bei 3.997 m Teufe<br />

• Sichern des gesamten Bohrlochbereiches durch den<br />

Einbau und die Zementation einer 7"-Verrohrung<br />

• Kerne wurden erbohrt im Teufenbereich 3.989 bis<br />

3.997 m.<br />

• Abschlussarbeiten, Sichern der Bohrung (Fußzementation<br />

bis 3.927 m Teufe) und Vorbereitungen für die<br />

geplante Weiterführung der Arbeiten 2007<br />

Die Projektphasen 1 und 2 des SAFOD-Projekts konnten<br />

erfolgreich und mit Erfüllung der wissenschaftlich-technischen<br />

sowie finanziellen Vorgaben abgeschlossen werden.<br />

Die Operational Support Group (OSG) am <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

hat dabei folgende wichtige Aufgaben ausgeführt und mit<br />

ihrer Tätigkeit wesentlich zum Gelingen des Projekts beigetragen:<br />

• Operative Aufsicht und Controlling der bohrtechnischen<br />

Arbeiten<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

421


422<br />

Abb. 15: SAFOD-Bohranlage (Foto: L. Wohlgemuth,<br />

<strong>GFZ</strong>)<br />

Drill Rig of the SAFOD-Project<br />

• Installation und Betrieb des Datenmanagementsystems<br />

DIS<br />

• Durchführung von Bohrlochmessungen <strong>2004</strong><br />

• Planung und Koordinierung aller Aktivitäten zur Entwicklung<br />

und zum Einsatz der Ausrüstungen für geophysikalische<br />

und geowissenschaftliche Langzeitmessungen<br />

in der Bohrung<br />

2007 werden bis zu vier einige hundert Meter lange Kernbohrstrecken<br />

in verschiedenen Teufenbereichen aus der<br />

Hauptbohrung heraus durch den Bereich der Bruchzonen<br />

gebohrt, ausführlich vermessen und schließlich mit einem<br />

Dauerbeobachtungsmessstrang ausgerüstet. Dazu ist es<br />

erforderlich, die Verrohrung der Bohrung von innen heraus<br />

aufzufräsen um anschließend durch diese „Fenster“<br />

(Window Cutting) mit spezieller Bohrtechnik Kerne zu<br />

gewinnen.<br />

Für einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren sollen dann<br />

erstmals kontinuierliche Messungen in dieser aktiven Bruchzone,<br />

genau am Ort der Erdbeben neue Aufschlüsse über<br />

ihre Entstehung und Wiederholung durchgeführt werden.<br />

Das Lake Bosumtwi Drilling Project<br />

Der Bosumtwi-Krater in Ghana ist eine etwa 11 km großer<br />

kesselförmige Impaktstruktur, die nahezu komplett<br />

vom bis zu 70 m tiefen Bosumtwi-See gefüllt ist. Der Krater<br />

ist durch den Einschlag eines Meteoriten vor 1,07 Mio.<br />

Jahren entstanden und wird seitdem kontinuierlich mit<br />

Sedimenten aufgefüllt. Er ist einer der jüngsten und sehr<br />

Abb.16:Bohrarbeiten: 26"-Meiselwechsel (Foto: L. Wohlgemuth,<br />

<strong>GFZ</strong>)<br />

Drilling: 26"-Bit change<br />

gut erhaltenen Krater mit zentraler Aufwölbung. Das Ziel<br />

der im Sommer <strong>2004</strong> durchgeführten Forschungsbohrungen<br />

in diesem See war zum einen die Erforschung des<br />

Impaktkraters, seiner Gesteinseinheiten, Strukturen und<br />

Alterationen und zum anderen die durchgängige Beprobung<br />

der Seesedimente, die die tropische Klimavariabilität<br />

der letzten eine Million Jahre enthalten. Der See liegt<br />

innerhalb des jahreszeitlichen Pfades der innertropischen<br />

Konvergenzzone. Während des Sommers wandert diese<br />

Zone nach Norden und bringt starken Monsunregen mit<br />

Südostwinden vom Atlantik. Im Winter wandert diese<br />

Zone nach Süden und bringt trockene, staubreiche Saharaluft.<br />

Der hohe Kraterrand schließt den See vom Umfeld<br />

ab, dadurch enthält das See-Sediment ein sehr sensitives<br />

Archiv der Niederschläge und der Verdunstung.<br />

Von Juli bis Oktober <strong>2004</strong> wurden 16 Bohrlöcher an 6 Lokationen<br />

abgeteuft, die einen Gesamtkerngewinn von<br />

2,2 km Länge erbrachten. Die Impaktstruktur wurde mit<br />

einem 450 m und einem 540 m tiefen Bohrloch beprobt<br />

und sowohl mit seismischen Experimenten als auch mit<br />

geophysikalischen Bohrlochmessungen (siehe unten)<br />

untersucht. Impaktgesteine, überprägte Brekzien und das<br />

präkambrische, stark gestörte Grundgebirge konnten aus<br />

den Bohrlöchern gewonnen werden. Die Daten werden<br />

genutzt, um zum Beispiel die dreidimensionale Struktur,<br />

die Magnetisierung, oder die thermische Überprägung zu<br />

modellieren.<br />

Die 14 Sedimentbohrungen ermöglichten die komplette<br />

Beprobung der bis zu 300 m mächtigen Ablagerungen bis<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


zu Impaktgläsern im Bohrlochtiefsten.<br />

Die untersten Sedimente enthalten bereits<br />

bioturbate, hellgraue Tonschlämme, die<br />

eine frühe Bildung eines Sees implizieren.<br />

Aus dem Bereich darüber wurden<br />

überwiegend stark laminierte graubraune<br />

Tone sowie gelegentlich Sandlagen aus<br />

ehemals ufernahen Bereichen gewonnen,<br />

die eine starke Seespiegelschwankungen<br />

über lange Zeiten dokumentieren.<br />

Die OSG-Aktivitäten umfassten neben der<br />

Unterstützung der operativen Planung und<br />

Durchführung der Bohrungsarbeiten unter<br />

anderem auch geophysikalische Bohrlochmessungen<br />

und die Organisation eines<br />

Trainingsprogramms vor Ort in Ghana und eines praktischen<br />

Trainings anhand des Kernmaterials am <strong>GFZ</strong> Potsdam.<br />

Unter dem Generalthema „Die Tiefbohrung als geologischer<br />

Aufschluss“ bietet die Operational Support Group<br />

des ICDP ein Trainingsprogramm an, in dem alle Belange<br />

eines wissenschaftlichen Bohrprojekts von der Planung<br />

und Strukturierung, dem Projektmanagement und der<br />

technischen Realisierung bis hin zur Probenbearbeitung<br />

und wissenschaftlichen Auswertung behandelt werden.<br />

Das Training richtet sich an Wissenschaftler und Techniker,<br />

welche an der Planung oder Durchführung von wissenschaftlichen<br />

Bohrungen beteiligt sind.<br />

Das Standard-Trainingsprogramm umfasst zurzeit folgende<br />

10 Kurse:<br />

• Planning and Managing of a Scientific Drilling Project<br />

• Information and Data Management<br />

• Fundamentals of Drilling Technology<br />

• The Principles of Drilling Fluid Technology<br />

• Borehole Stability<br />

• Hydraulic Testing/Fluid Sampling<br />

• Wellsite Geology<br />

• Petrophysical Investigation of Cores and Cuttings<br />

• Basic Borehole Logging and Interpretation<br />

• Log Interpretation in the Non-Hydrocarbon Environment<br />

Durch Hinzuziehung von Fachleuten aus Industrie und<br />

Wissenschaft ist die OSG bemüht, die Trainingsprogramme<br />

den Besonderheiten der jeweiligen aktuellen Bohrprojekte<br />

anzupassen. In den Jahren <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> war das<br />

Bosumtwi Crater Drilling Project (BCDP) der Themenschwerpunkt<br />

für verschiedene Trainingsveranstaltungen<br />

der OSG. Zunächst fand im September <strong>2004</strong> ein einwöchiger<br />

Trainingskurs in Ghana am Lake Bosumtwi statt.<br />

Hierzu wurde das generelle Programm um zusätzliche<br />

Themenpunkte erweitert:<br />

• Technical Planning and Initiating a Lake Drilling Project<br />

• Handling of Cores in Particular Lake Sediment Cores<br />

• Excursion to the Drilling Barge GLAD 800<br />

Abb. 17: Blick in das Auditorium (Foto: J. Kück, <strong>GFZ</strong>)<br />

A view in the auditorium<br />

Insgesamt 35 Teilnehmer aus 8 Ländern nahmen an diesem<br />

Kurs teil, darunter 14 Wissenschaftler und Studenten<br />

aus Ghana. Ein besonderes Interesse fanden die Inhalte<br />

dieses Trainings bei den Kollegen aus den Planungsgruppen<br />

des Lake Qinghai-, wie auch des Lake Peten-Itza-<br />

Bohrprojekts. Beide Projekte befanden sich zu der Zeit in<br />

der „heissen“ Planungs- und Vorbereitungsphase. Da bei<br />

beiden Projekten die wissenschaftlichen Fragestellungen<br />

denen des Bosumtwi Projekts ähnelten und somit alle drei<br />

Projekte ein ähnliches technisches Konzept verfolgten,<br />

führte dieses Training zu einem intensiven Informationsaustausch.<br />

Als zweite Trainingsveranstaltung wurde für die exakte<br />

wissenschaftliche Erstbearbeitung ein praktisches Training<br />

als „On-site Core Handling and Analysis; Logging<br />

and Scanning of Drill Cores“ vom 18. 11. bis 19. 12. <strong>2004</strong><br />

im Bosumtwi-Kernlager am <strong>GFZ</strong> Potsdam durchgeführt.<br />

Sieben Wissenschaftler vom laufenden Bosumtwi-Projekt,<br />

von der Planungsgruppe des Lake Qinghai- und Lake<br />

Peten-Itza-Projekts nahmen daran teil und wurden in die<br />

Erstbearbeitung von Bohrkernen, wie sie üblicherweise an<br />

der Bohrlokation stattfindet, eingewiesen. Geologische<br />

Erstbeschreibung von Bohrkernen, Inventarisierung, Kernfotografie<br />

und Kernscannen, sowie die physikalische Vermessung<br />

der Bohrkerne mit dem Multi-Sensor-Core-Logger<br />

der Firma GEOTEK waren die Themen dieses Kurses.<br />

Abb. 18: Exkursion auf die Bohranlage GLAD800 (Foto:<br />

Th. Wöhrl, <strong>GFZ</strong>)<br />

Excursion to the drilling rig GLAD800<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

423


424<br />

Abb. 19: Einführung in die Arbeit mit dem Multi-Sensor<br />

Core Logger (Foto: R. Conze, <strong>GFZ</strong>)<br />

Introduction in the function of the Multi-Sensor Core<br />

Logger<br />

Abb. 20: Scannen der Bohrkerne (Foto: Ch. Köberl, Uni<br />

Wien)<br />

Scanning of the drill cores<br />

Für die von der OSG zusätzlich organisierte<br />

Probenparty im Januar <strong>2005</strong> wurden<br />

mehr als 500 m Kerne in Proben- und<br />

Archivhälften halbiert und zur Bemusterung<br />

ausgelegt. Mehr als 640 Probenwünsche<br />

wurden registriert, abgeglichen<br />

und alle angeforderten Proben an die<br />

jeweiligen Wissenschaftler unmittelbar<br />

danach verschickt. An-schließend wurden<br />

die Kerne am <strong>GFZ</strong> Potsdam eingelagert<br />

und stehen nun dem Bosumtwi-Team<br />

zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung.<br />

Die OSG plante und führte im Bosumtwi-See<br />

erstmalig ein umfangreiches<br />

Programm von Bohrlochmessungen in<br />

einem See von einer Barke aus durch. Die<br />

Ergebnisse der Messungen dienten sowohl<br />

der Teufenzuordnung des erbohrten<br />

Kernmaterials als auch insbesondere dem<br />

kontinuierlichen Gewinn einer anderwei-<br />

Abb. 21: Probenparty im Kellerflur des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

(Foto: ICDP)<br />

Sampling party in the corridor of the <strong>GFZ</strong> basement<br />

tig nicht erhältlichen Datenreihe und damit auch der Überbrückung<br />

von Kernverlusten. Für die Messungen wurde<br />

die komplette für kleine Bohrungen geeignete Ausrüstung<br />

der OSG inklusive einer Winde mit Kabel nach Ghana verschifft<br />

und eingesetzt.<br />

Die gewonnenen Loggingdaten wurden im <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

einem Quality-Check, einer Tiefenkorrektur und einem<br />

Pre-Processing (Sonic Velocity Picking, Image Enhancement<br />

& Structure Picking, DIP-Berechnung) unterzo-<br />

Abb. 22: Bosumtwi-Kernlager im <strong>GFZ</strong> Potsdam (Foto: Th. Wöhrl)<br />

Bosumtwi core storage at <strong>GFZ</strong><br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


gen. Die OSG verwendete hierzu sowohl die Software<br />

‚Geobase‘ des Sondenherstellers Antares, Stuhr, als auch<br />

die Software ‚WellCAD‘ (Fa. ALT, Luxemburg), welche<br />

im Flachbohrungsbereich weit verbreitet ist. Anschließend<br />

wurden alle bearbeiteten Daten den beauftragenden<br />

Wissenschaftlern des Projekts im ASCII-Format<br />

übergeben oder, bei multidimensionalen Daten (Sonic<br />

Waveforms, Images) im loggingüblichen LIS-Format. In<br />

letzter Zeit wurden zusätzlich auch die WellCAD Graphik-Files<br />

herausgegeben, da sie sich als Standard für<br />

eine schnelle Durchsicht der Loggingdaten hervorragend<br />

bewährt haben. Neben der direkten Übergabe werden die<br />

Daten auch im jeweiligen Projekt-Drilling Information<br />

System (via ICDP-Web-Page) allen am Projekt beteiligten<br />

Wissenschaftlern passwortgeschützt zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

Abb. 23: Resultate der Bohrlochmessungen in der Meteoritenkrater-Bohrung BCDP8, Lake Bosumtwi, Ghana, im<br />

Abschnitt 255 bis 305 m. C1&C2: Bohrlochkaliber, DEVI/AZIM: Bohrlochneigung & -azimut, GRS: total Gammaaktivität,<br />

Vp/Vs: seism. P- & S-Wellengeschwindigkeit, Sus: magnet. Suszeptibilität, Ftot: magnetische. Totalintensität,<br />

Televiewer: akustisches Abbild der Bohrlochwand, Structures: Dip und Dip-Richtung von im Televiewerbild gepickten<br />

Sinusstrukturen, Th, K, U: Gehalt an Thorium, Kalium & Uran.<br />

Composite downhole log from the impact borehole BCDP8, Lake Bosumtwi, Ghana, section 255 to 305 m. C1&C2:<br />

borehole calipers, DEVI/AZIM: borehole deviation & azimuth, GRS: total gamma activity, Vp/Vs: seismic P- & S-wave<br />

velocities, Sus: magnetic susceptibility, Ftot: magnetic field total intensity, Televiewer: acoustic image of the borehole<br />

wall, Structures: dip & dip direction of sinus structures picked from the televiewer image, Th, K, U: content of Thorium,<br />

Kalium & Uran.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

425


426<br />

Tab. 2: Technische Spezifikation der speziellen Slimhole Logging Ausrüstung der ICDP Operational Support Group<br />

im <strong>GFZ</strong> Potsdam (Details unter http://www.icdp-online.org).<br />

Technical specifications of the slimhole logging equipment used by the ICDP Operational Support Group at <strong>GFZ</strong><br />

Potsdam.<br />

Sondenname Spezifikationen:<br />

Messparameter Tmax/Pmax/Ø/Länge/Gewicht<br />

TS<br />

Telemetrie, total GR, Bewegungssensor 150 °C/80 MPa/43 mm/1,4 m/7 kg<br />

DLL<br />

elektrische Resistivität: deep & shallow 150 °C/80 MPa/43 mm/2,3 m/13 kg<br />

BS<br />

Full Waveforms, Vp, Vs 150 °C/80 MPa/52 mm/4,50 m/32 kg<br />

SGR<br />

GR Spektrum: U, Th, K, total GR 150 °C/80 MPa/52 mm/1,4 m/15 kg<br />

MS<br />

magnetische Suszeptibilität 150 °C/80 MPa/52 mm/1,9 m/8 kg<br />

DIP<br />

Bohrlochgeometrie: Kaliber, Neigung & Azimuth,<br />

Magnetfeld, Strukturlog 150 °C/80 MPa/52 mm/3,0 m/13 kg<br />

FAC40<br />

akustisches Bohrlochwandabbild 70 °C/16 MPa/40 mm/ 2,3 m/12 kg<br />

FS<br />

In-Situ Fluidprobennahme, 600 cm 3 ,<br />

Positive Displacement Typ 180 °C/100MPa/43 mm/3,9 m/30 kg<br />

MW2000 1,2 x 1,3 x 0,8 m, 600 kg, Leistung 1,5 kW, 220 V<br />

Logging Winde: 2.000 m 3/16" Geschwindigkeitsbereich: 0,8 bis 45 m/min<br />

4-Ader Kabel, GO4 Kabelkopf<br />

Das ICDP Datenmanagementsystem DIS in Ozeanbohrungen<br />

Von August bis November <strong>2004</strong> wurde auf der Arctic<br />

Coring Expedition (ACEX) am Lomonosov-Rücken im<br />

Arktischen Ozean das neu entwickelte Offshore Drilling<br />

Information System (OffshoreDIS) erstmals eingesetzt<br />

(Conze et al., <strong>2004</strong>). ACEX war die erste Mission Specific<br />

Platform (MSP)-Expedition des Integrated Ocean Dril-<br />

Abb. 24: Die vollständige, transportbereite Slimhole-<br />

Sondenausrüstung: geringes Gewicht und Volumen bei<br />

hoher Leistungsfähigkeit. (Foto: J. Kück)<br />

The complete slimhole equipment ready for shipping: low<br />

weight and volume, high efficiency.<br />

ling Program (IODP), die von dem European Consortium<br />

for Ocean Research Drilling (ECORD) finanziert wurde.<br />

Der British Geological Survey bildet dabei mit der Universität<br />

Bremen und dem European Petrophysics Consortium<br />

den ECORD Science Operator (ESO) – vergleichbar<br />

mit der Operational Support Group ICDP.<br />

Die MSP Expeditionen des IODP haben sehr ähnliche<br />

Anforderungen an das Datenmanagement und bewegen<br />

Abb. 25: Logging Winde MW2000 speziell für Slimhole-<br />

Sondeneinsätze bis in mittlere Tiefen (2000 m 4-adriges<br />

Kabel 3/16") beim Einsatz auf der Drilling Barge<br />

GLAD800 auf dem Lake Bosumtwi, Ghana. (Foto: J.<br />

Kück)<br />

Logging winch MW2000 for slimhole logging operations<br />

to medium depths (2000 m 4-conductor cable 3/16") on<br />

drilling barge GLAD800 on Ghana.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


sich dabei in sehr ähnlichem Umfeld wie die Seebohrungen,<br />

die von dem International Continental Scientific Drilling<br />

Program (ICDP) durchgeführt werden. Beide Organisationen<br />

benötigen ein mobiles und flexibles System zur<br />

Datenerfassung und -verwaltung. Dieses System muss<br />

schnell auf klein- bis mittelgroßen Bohrplattformen für<br />

die Datenerfassung an Bord installiert werden. Anschließend<br />

wird es an Land in Kernlagern und Laboratorien für<br />

die Erfassung der wissenschaftlichen Auswertung und<br />

Beprobung verwendet. Aus diesen Gründen hat sich ESO<br />

entschlossen, das existierende Drilling Information System<br />

(DIS) des ICDP für ihre Belange anpassen bzw. erweitern<br />

zu lassen. Diese Aufgabe wurde federführend von<br />

dem OSG Daten- und Informations-Management über-<br />

Abb.26:Der Flottenverband – das Bohrschiff Vidar Viking,<br />

das Laborschiff Oden und der Eisbrecher Sovetskiy Soyuz<br />

(alle Bilder: IODP)<br />

The fleet convoi – the drill ship Vidar Viking, the lab ship<br />

Oden and the icebreaker Sovetskiy Soyuz<br />

nommen, die Firma smartcube GmbH Berlin hat dabei als<br />

Subcontractor das Software Engineering übernommen.<br />

Die Offshore Phase<br />

Entsprechend der ACEX-Bohrplattform und dem Arbeitsablauf<br />

an Bord wurde das ACEX-OffshoreDIS für den<br />

Einsatz in der Arktik konfiguriert. Mit einem Verband von<br />

drei Eisbrechern (Vidar Viking, Oden und Sovetskiy Soyuz,<br />

Abb. 26) wurden mehrere Lokationen entlang der Lomonosov<br />

Ridge im arktischen Ozean erbohrt. Auf dem Bohrschiff<br />

Vidar Viking wurden die Bohrkerne dokumentiert<br />

(Abb. 27) und mit dem GeoTek MultiSensor CoreLogger<br />

petrophysikalisch vermessen. Einige Proben und die Core<br />

Catcher-Kerne wurden auf das Laborschiff Oden gebracht,<br />

wo diese lithologisch beschrieben und biostratigraphisch<br />

untersucht wurden.<br />

Das OffshoreDIS-Netzwerk verband dabei die beiden<br />

Schiffe. Auf den Schiffen war jeweils ein lokales, teilweise<br />

verkabeltes Netzwerk installiert worden. Zwischen den<br />

Schiffen lief der Datentransfer über Wireless LAN (WLAN).<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

427


428<br />

Abb. 27: Der Datenkurator im Kernlabor der Vidar Viking<br />

(Bild: IODP)<br />

The data curator in the core curation laboratory of the<br />

Vidar Viking<br />

Sowohl auf der Vidar Viking als auch auf der Oden waren<br />

jeweils identische DIS-Server installiert, die über die<br />

WLAN-Verbindung ständig synchronisiert und repliziert<br />

wurden.<br />

Die Onshore Phase<br />

Wissenschaftler aus zehn Ländern kamen im November<br />

<strong>2004</strong> im Bremer Core Repository (BCR) zusammen. Dort<br />

Abb. 28: Bearbeitung und Beprobung der ACEX-Kerne im<br />

Bremer Core Repository. (Bild: ICDP)<br />

Documentation and sampling of ACEX cores at the Bremen<br />

Core Repository<br />

bearbeiteten sie die 340 Meter Kerne. Die Kerne wurden<br />

längs in zwei Hälften gespalten, daran wurden ausgewählte<br />

Messungen durchgeführt (lithologische Beschreibung,<br />

digitale Scans, Farbreflektion, petrophysikalische<br />

Eigenschaften und Biostratigraphie) und annähernd 8.000<br />

Proben genommen (Abb. 28).<br />

Entsprechend wurde das ACEX OnshoreDIS erweitert:<br />

Erfassung großer Mengen an Proben und Probenserien,<br />

Import von Kernübersichtsaufnahmen und der digitalen<br />

Linescanbilder, die visuellen Kernbeschreibungen, zusätzliche<br />

Datenpumpen und Druckreports.<br />

Tahiti Sea-Level Expedition <strong>2005</strong> (IODP)<br />

Nach Auswertung der gesammelten Erfahrungen wurde<br />

umgehend die zweite MSP-Expedition nach Tahiti vorbereitet.<br />

Von September bis November <strong>2005</strong> wurden mit der<br />

zum Bohrschiff umgebauten Deep Hunter (Abb. 29) rund<br />

um Tahiti an 22 Lokationen 37 Löcher gebohrt und insgesamt<br />

632 m Kerne von Korallenriffen gewonnen und<br />

mit dem OffshoreDIS erfasst.<br />

Abb. 29: Das Bohrschiff Deep Hunter vor der Küste Tahitis.<br />

(Bild: IODP)<br />

The drill ship Deep Hunter off Tahiti's coast (Fig: IODP)<br />

Weitere Entwicklungen<br />

Diese Zusammenarbeit mit IODP hat dazu geführt, dass<br />

zum einen die künftigen MSP-Expeditionen des IODP und<br />

die Probenverwaltung im Bremer Core Repository mit<br />

dem Off/OnshoreDIS dokumentiert werden. Zum anderen<br />

wird das gleiche OffshoreDIS nun auch bei ICDP-<br />

Bohrungen eingesetzt, das heißt, dass IODP und ICDP<br />

Projekte den gleichen Datenstandard verwenden. Dadurch<br />

ist die wichtigste Voraussetzung für die Integration von<br />

ICDP-Daten- und Probenarchiven geschaffen. In naher<br />

Zukunft wird es ein allgemeines Datenportal Scientific<br />

Earth Drilling Services SEDIS (Miville and Soeding,<br />

2006) geben, das einen nutzerfreundlichen Zugang zu<br />

IODP und ICDP Daten bereitstellen wird (Abb. 30). Das<br />

Offshore Datenmanagement wird daher von dauerhaften<br />

Vorteil für IODP und ICDP sein, es wird bei künftigen<br />

gemeinsamen IODP-ICDP Projekten, wie dem New Jersey<br />

Coastal Plain Drilling Project im Sommer 2006 zum<br />

Einsatz kommen.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Abb. 30: Schematische Ansicht des IODP-Daten-Management. Die Daten werden durch die IODP Implementing Organizations<br />

gesammelt und unter einem gemeinsamen Portal vereint. Unter diesem Portal können dann auch ICDP-Daten<br />

aufgefunden werden. (Abb. IODP)<br />

Schematic view of IODP data management. Data are collected by the IODP Implementing Organizations and integrated<br />

into a common portal. Lateron ICDP data can be found beneath the same portal.<br />

Langzeitbeobachtung – neue Verfahren für die Datengewinnung<br />

in wissenschaftlichen Bohrungen<br />

Die Langzeitbeobachtung von aktiven geologischen Prozessen<br />

ist ein Schwerpunkt bei wissenschaftlichen Bohrprojekten.<br />

Der dafür erforderliche Langzeiteinsatz von<br />

Messgeräten unter erschwerten Betriebsbedingungen stellt<br />

eine neue Herausforderung für deren Betrieb und Entwicklung<br />

dar. Geeignete Systeme stehen der Wissenschaft<br />

heute noch nicht am Markt serienreif zur Verfügung. Im<br />

Rahmen des ICDP werden zurzeit mehrere wissenschaftliche<br />

Projekte verfolgt, die das Erbohren und In-Situ-<br />

Beobachtungen von physikalischen und chemischen Prozessen<br />

vor, während und nach dem Eintreten von seismischen<br />

Aktivitäten zum Ziel haben. Am Beispiel des<br />

SAFOD-Projekts (San Andreas Observatory at Depth) in<br />

Parkfield/USA hat die Planungsphase für die Entwicklung<br />

entsprechender Monitoring Arrays begonnen und wird<br />

unter Federführung und Projektleitung seitens der OSG<br />

am <strong>GFZ</strong> Potsdam bis 2007 mit der Fertigstellung und dem<br />

Einbau eines fünfstufigen permanenten Monitoringstrangs<br />

abgeschlossen sein.<br />

Stand der Technik<br />

Der Betrieb von Langzeit-Tiefenobservatorien über mehrere<br />

Jahre in Bohrlöchern stellt eine Herausforderung an<br />

Entwicklungsingenieure und Herstellerindustrie von elektronischen<br />

Komponenten gleichermaßen dar und ist in keinem<br />

Fall vergleichbar mit der heutigen Technologie aus<br />

der Kabelmesstechnik bei Öl- und Gasbohrungen. In eine<br />

Bohrung am Kabel eingefahrene, klassische Logging-<br />

Messgeräte verbleiben üblicherweise sehr kurz oder nur<br />

für wenige Stunden unter den extremen Bedingungen und<br />

können danach sofort wieder gewartet und kalibriert werden.<br />

Permanente Monitoring Systeme verbleiben im Bohrloch<br />

und müssen daher auf lebenslange Standzeiten konstruiert<br />

und ausgelegt werden. Hauptaugenmerk bei der Entwicklung<br />

von derartigen Messsystemen liegt auf elektrischer<br />

und mechanischer Robustheit (Reliability), Wiederholbarkeit<br />

der Messergebnisse (Repeatability) und System-Doppelgleisigkeit<br />

(Redundancy); Kriterien die man<br />

auch aus der Reaktor-, Luft- und Raumfahrttechnik kennt.<br />

Im Gegensatz zu den bemerkenswerten Technologiesprüngen<br />

der letzten Jahre auf dem Gebiet der Bohr- und<br />

Kabelmesstechnik, wurden vergleichsweise wenige Innovationen<br />

auf dem Gebiet des Langzeit-Monitorings erzielt.<br />

Sogar in der Öl- und Gasindustrie wurden nach erfolgreicher<br />

Einführung von Horizontalbohrtechnik und intelligenten<br />

Förderverfahren wenig auf dem Gebiet der Langzeit-Beobachtungen<br />

geforscht und entwickelt. Erste Konzepte<br />

von instrumentierten Futterrohren und „Smart Wells“<br />

kamen nicht über ihre Experimentalstufe hinaus und wurden<br />

letztlich aus technischen und folglich wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht weiter verfolgt. Einzige Ausnahme war die<br />

obertägige 4D-Seismik, auch Time-Lapse-Seismics genannt,<br />

mit dem Ziel der Beobachtung dynamischen Entölungsverhaltens<br />

von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten.<br />

Bis heute waren Beobachtungen aus tiefen Bohrlöchern der<br />

Wissenschaft lediglich über einige wenige, einfache Messverfahren<br />

zugänglich, wie Druck und Temperatur, Probenahmen<br />

und Seismometer-Aufzeichnungen über analoge<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

429


430<br />

Abb. 31: Messung der Temperaturprofil-Verteilung – DTS<br />

über Glasfaserkabel hinter dem Casing an der Mallik-<br />

Gashydrat-Bohrlokation in Kanada (http://mallik.icdponline.org,<br />

Foto Jan Henninges, <strong>GFZ</strong>)<br />

Measurement of the temperature profile – DTS fiber optic<br />

cable behind casing in the mallik gas hydrate drilling<br />

location<br />

elektrische Kabel. Der begrenzte Messbereich und die<br />

Anfälligkeit derartiger Meßsysteme inspirierten die Ingenieurwissenschaften<br />

zu einem Messverfahren, das in der<br />

Bau- und Luftfahrtindustrie schon seit Jahren mit Erfolg<br />

eingesetzt wird: analoge Sensorik aus Glasfasermaterialien.<br />

Heute können Glasfaserkabel neben Temperatur und<br />

Druck bereits Spannungszustände und Beschleunigungen<br />

unter Bedingungen von T > 200 °C und mehreren Tausend<br />

Bar über einen sehr langen Zeitraum ohne erkennbare<br />

Minderung der Messwertstabilität erfassen.<br />

Einige ICDP-Projekte benutzen schon seit Jahren mit großem<br />

Erfolg die „behind casing“-Messtechnologie, z. B.<br />

das Hawaii-Vulkanbohrprojekt, das Mallik-Gashydratprojekt<br />

und das Störungszonen-Bohrprojekt am Golf von<br />

Korinth. Die Sensorik lieferte auch nach Jahren eine<br />

zuverlässige Datenerfassung aus dem Bohrloch.<br />

Neue Entwicklungen besonders für Störungszonen-Bohrprojekte<br />

Die Entwicklung hochgenauer Monitoring Mess-Sensoren<br />

werden zurzeit verstärkt im Hinblick auf die besonders<br />

unwirtlichen Betriebsbedingungen in CO2-Speicherpro-<br />

Abb. 32: Schematische Darstellung einer Skizze von zementierten<br />

Casing-Rohrtouren (teilweise aus Illustrationsgründen<br />

transparent gezeichnet). Der innere Casing ist außen<br />

mit permanenten Sensoren vom Typ-1 bestückt. Glasfaserkabel<br />

sind rot, elektrische Kabel gelb und Hydraulikleitungen<br />

weiß gehalten. Innerhalb dieses letzten zementierten<br />

und instrumentierten Casing befindet sich das am Kabel<br />

oder Gestänge eingefahrene Monitoring Meßsystem vom<br />

Type-2, bestehend beispielsweise aus Neigungs- und Spannungsmesssensoren,<br />

Druck- und Temperaturgeber, elektrokinetische<br />

Sensoren oder auch Seismometer der klassischen<br />

Bauart. Das Messkabel oder Gestängestrang ist ziehbar aus<br />

Gründen des Ausbaus des Observatoriums um Kalibrierungen,<br />

Reparaturen oder Nachrüsten des Mess-Sensorik durchführen zu können. Perforationen am Aussen-Casing<br />

ermöglichen auch die Beobachtung von Fluidmigrationen und Probenahmen nach Obertage.<br />

Conceptual design of the casing scheme with permanently installed type-1 sensors (casing is partially drawn transparent).<br />

Lines indicate Fiber optic: red, Electrical: yellow, Hydraulic: white. Inside the casing is a retrievable type-2 sensor<br />

package.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


jekten und tiefen Erdbebenbeobachtungsbohrungen<br />

vorangetrieben. Die Langzeit-<br />

Beobachtungen von In-Situ-Gebirgsspannungen,<br />

Plattenbewegungen und Fluidmigrationen<br />

in den Störungszonen ist im<br />

besonderen ein Schwerpunkt des ICDPgeförderten<br />

SAFOD-Projekts und des<br />

Chelungpu-Projekts in Taiwan.<br />

Die typischen Entwicklungswege von<br />

Systemen für derartige Anforderungen<br />

kann man in zwei modularen und sich<br />

ergänzenden Strategien zusammenfassen.<br />

Typ-1 sind permanent hinter dem Casing<br />

installierte und in Zement eingebettete,<br />

passive Messsensoren. Sie sind üblicherweise<br />

von einfachster Bauweise, um ihr<br />

Überleben während des Einbaus der<br />

Rohre zu gewährleisten und bestehen deshalb<br />

vornehmlich aus Materialien wie Glasfaser, oder analogen<br />

elektrischen Kabeln oder ggf. auch aus Hydraulikleitungen<br />

nach Übertage. Ihre hervorragende Langzeitstabilität<br />

erkauft man jedoch in der Regel mit einer limitierten<br />

Messauflösung und manchmal mit einer Einbusse<br />

an Messwertstabilität.<br />

Typ-2 sind halb-permanente, innerhalb des letzten Casings<br />

installierte Beobachtungsgeräte die ggf. auch aus dem<br />

letzten Casing ein kurzes Stück in eine offene Bohrlochsektion<br />

hineinragen können. Diese meist Hochpräzisionssysteme<br />

sind für einige Jahre im Tiefeneinsatz ausgelegt<br />

und werden entweder am Kabel, Coil Tubing oder<br />

am Gestängestrang in das Bohrloch eingefahren und auf<br />

gleichem Weg am Ende des Messeinsatzes wieder ausgebaut.<br />

Derartige Observatorien können von Obertage stets<br />

mit Energie versorgt werden und dadurch digital mit sehr<br />

viel höherer Auflösung Messbeobachtungen durchführen<br />

und in Echtzeit die Daten nach Obertage übermitteln. Die<br />

Nabelschnur nach Obertage erlaubt auch, das Mess-<br />

Observatorium im Bohrloch jederzeit neu zu positionieren,<br />

um so eine räumlich höhere Auflösung der Geosphäre<br />

zu ermöglichen.<br />

Das Permanente Tiefenobservatorium in der SAFOD-<br />

Hauptbohrung<br />

Das San Andreas Fault Zone Obervatory at Depth in Parkfield/USA<br />

besteht aus einer 2002 abgeteuften Pilotbohrung<br />

und einer im Sommer <strong>2005</strong> abgeteuften Hauptbohrung.<br />

Diese durchstieß im Sommer <strong>2005</strong> mit einer Neigung<br />

vom 55° die San Andreas Störung in einer Teufe von<br />

ca. 3.000 m in West-Ost Richtung.<br />

Nach der geplanten dritten Bohrphase im Sommer 2007,<br />

in der eine Reihe von 4 bis 5 aus dem Hauptloch abgelenkte<br />

Kernstrecken den Entstehungsort von Erdbeben<br />

anfahren und einen Kern zutage bringen sollen, wird ein<br />

permanentes fünfstufiges Beobachtungsobservatorium<br />

vom Typ-2 am Gestänge installiert, bestehend aus jeweils<br />

3C-Geophonen und 3C-Accelerometer und einem Tilt-<br />

Abb. 33: Permanentes Monitoring Array für die SAFOD-Hauptbohrung mit<br />

5 Messstationen und mechanisch ausfahrbaren Ankerarmen zur Positionierung<br />

im Bohrloch sowie einem 7" Casing Packer.<br />

Permanent monitoring array of the SAFOD-mainhole including 5 sensor<br />

levels with mechanical anchoring arm and a 7 inch casing packer.<br />

meter pro Etage (Abb. 33). Der unterste Teil dieses Arrays,<br />

ausgestattet mit hochempfindlichen Druck- und Temperatursensoren,<br />

soll über einen Casing-Packer isolierend<br />

zum Hauptloch in eine der offenen Kernbohrstrecken hineinragen.<br />

Die einzelnen Messetagen werden durch 75 m<br />

Gestängerohre mit Kabeldurchführung voneinander entfernt<br />

sein. Ihre Verankerung zur Bohrlochwand soll über<br />

mechanisch ausfahrbare Ankerarme gewährleistet werden.<br />

Die Ankopplung der Messsensoren and das Gebirge<br />

wird vornehmlich durch das Eigengewicht des Arrays bei<br />

bis zu 60° Bohrlochneigung hergestellt. Die Entwicklungsarbeiten<br />

werden unter Federführung der ICDP-OSG<br />

am <strong>GFZ</strong> Potsdam in Zusammenarbeit mit vornehmlich<br />

US-amerikanischen Spezialfirmen bis zum Sommer 2007<br />

abgeschlossen sein.<br />

Das „Einstein-Jahr“ <strong>2005</strong> in Potsdam<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam hat sich bisher an allen „Jahren der Wissenschaft“<br />

beteiligt, die von Wissenschaft im Dialog (WiD,<br />

dem Zusammenschluss der großen deutschen Forschungsorganisationen<br />

zur Förderung der Wissenchaftskommunikation)<br />

und dem Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung (BMBF) durchgeführt wurden. Das Jahr <strong>2005</strong><br />

war Albert Einstein gewidmet. Potsdam mit Caputh als<br />

zeitweiligem Lebensort Einsteins und dem Einsteinturm<br />

kam in der Organisation des Einstein-Jahres zentrale<br />

Bedeutung zu, da für die Hauptveranstaltung des Wissenschaftsjahres,<br />

dem Wissenschaftssommer, Potsdam und<br />

Berlin als Haupt-Spielstätten dienten.<br />

Das <strong>GFZ</strong> Potsdam war daher von Beginn an den Planungen<br />

für das Einsteinjahr und für den Veranstaltungsort<br />

Potsdam beteiligt. In enger Zusammenarbeit mit dem<br />

BMBF, WiD und den beteiligten Wissenschaftseinrichtungen<br />

in der Stadt wurde ein Konzept für den Wissenschaftssommer<br />

Potsdam (11. bis 26. Juni <strong>2005</strong>) entwickelt.<br />

An den beiden Standort Lustgarten („Jahrmarkt der<br />

Wissenschaften“, 11. bis 16. Juni) und Telegrafenberg<br />

(„Rund um den Einsteinturm“, 17. bis 26. Juni) wurde<br />

mit einem vielfältigen Programm die Relevanz der Ein-<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

431


432<br />

Abb. 34: Uraufführung des Einstein-Puppentheaterstücks<br />

„In ferner Zukunft“, Dr. Pohls Puppenbühne im <strong>GFZ</strong> Potsdam,<br />

Juni <strong>2005</strong> (Foto: S. Richter, <strong>GFZ</strong>).<br />

Premiere of the glove puppet theatre play „In a far-away<br />

future“, Dr. Pohl’s Glove Puppet Theatre at the <strong>GFZ</strong> Potsdam,<br />

June <strong>2005</strong> (photo: S. Richter, <strong>GFZ</strong>).<br />

steinschen Entdeckungen für die Forschung, aber auch<br />

für das Alltagsleben einem breiten Publikum nahe<br />

gebracht. Höhepunkte waren dabei die Veranstaltungen<br />

auf dem Telegrafenberg: der Wiedereinbau des Großen<br />

Refraktor-Teleskops, das nächtliche Wandelkonzert<br />

„Sternenmusik – Klingender Kosmos“, die „Lange Nacht<br />

der Wissenschaften Berlin-Potsdam“ sowie die beiden<br />

Sonntagsmatinees. Die vom VDI und vom BMBF entwickelte<br />

Wanderausstellung „Faszination Licht“ wurde mit<br />

Unterstützung des <strong>GFZ</strong> Potsdam für die zweite Woche<br />

des Wissenschaftssommers auf dem Telegrafenberg<br />

gezeigt. Insgesamt besuchten zwischen 130.000 und<br />

150.000 Menschen die verschiedenen Veranstaltungen in<br />

Potsdam.<br />

Die Premiere des Puppentheaterstücks zum Einsteinjahr<br />

„In ferner Zukunft“ fand im <strong>GFZ</strong> Potsdam am 25. Mai<br />

<strong>2005</strong> statt (Abb. 34).<br />

Über seine Aktivitäten zum Einsteinjahr in Potsdam hinaus<br />

stellte das GeoForschungsZentrum ein großes Modell<br />

des Geoids („Potsdamer Schwerekartoffel“) als Exponat<br />

auf dem „Einsteinschiff“ zur Verfügung. Mit einer 500 m 2<br />

großen Ausstellung zu „Albert Einstein – Das Jahrhundertgenie<br />

und sein Erbe“ lief das Motorschiff unter dem<br />

Namen MS Einstein 37 Städte entlang deutscher Flüsse<br />

Abb.35:Exponat des <strong>GFZ</strong> Potsdam auf der „MS Einstein“:<br />

ein Modell des <strong>GFZ</strong>-Geoids, die sog. „Potsdamer Schwere-Kartoffel“,<br />

das in enger Zusammenarbeit mit <strong>GFZ</strong>-<br />

Dept. 1 erstellt wurde (Foto: F. Ossing, <strong>GFZ</strong>).<br />

<strong>GFZ</strong> exhibit on the vessel „MS Einstein“: a model of the<br />

<strong>GFZ</strong> geoid, the so-called „Potsdam gravity potato“ which<br />

was provided by close operation with <strong>GFZ</strong>-Dept. 1 (photo:<br />

F. Ossing, <strong>GFZ</strong>).<br />

an. An 106 Ausstellungstagen haben über 100.000 Erwachsene<br />

und Kinder das Schiff besucht (Abb. 35)<br />

Im Rahmen der Aktivitäten der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

zum Einsteinjahr („Schülerlabore und Einstein“, Berlin,<br />

Bebelplatz) trat im Auftrag des <strong>GFZ</strong> Potsdam das Puppentheater<br />

J. Pohl mit dem Geotheaterstück „Zeitreise“<br />

auf. Diese Aktion richtete sich insbesondere an Kinder im<br />

Vor- und Grundschulalter.<br />

Auszeichnungen und Ehrungen<br />

<strong>2005</strong><br />

Prof. Dr. Dr.h.c. Rolf Emmermann, Wissenschaftlicher<br />

Vorstand des <strong>GFZ</strong> Potsdam, wurde im Juni <strong>2005</strong> der Brandenburgische<br />

Verdienstorden verliehen.<br />

Prof. Dr. Dr.h.c. Rolf Emmermann, Wissenschaftlicher<br />

Vorstand des <strong>GFZ</strong> Potsdam, wurde zum korrespondierenden<br />

Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften<br />

gewählt.<br />

Prof. Dr. Günter Borm, Direktor des Dep. 5, wurde zum<br />

Review Editor, Special Report on Carbon Dioxide Capture<br />

and Storage (SRCCS), Intergovernmental Panel on<br />

Climate Change IPCC, World Meteorological Organisation<br />

(WMO) and United Nations Environmental Protection<br />

(UNEP) ernannt.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Prof. Dr. Günter Borm, Direktor des Dep. 5, wurde zum<br />

Mitglied des Beirats von COORETEC, CO2 Reduktionstechnologien<br />

Programm, Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Arbeit (BMWA) ernannt.<br />

Prof. Dr. Markus Rothacher, Direktor des Dep. 1, wurde<br />

zum Chair des Global Geodetic Observing System<br />

(GGOS) der International Association of Geodesy (IAG)<br />

gewählt.<br />

Prof. Dr. Brian Horsfield, Leiter der Sekt. 4.3, wurde<br />

zum Guest Professor, Curtin University of Technology,<br />

Perth, Australia, ernannt.<br />

Prof. Dr. Brian Horsfield, Leiter der Sekt. 4.3, wurde als<br />

Member of Advisory and Scientific Boards, Eurobasin,<br />

Marie Curie European Doctoral Training Center for Sedimentary<br />

Basin Studies aufgenommen.<br />

Dr.-Ing. Bruno Merz, Leiter der Sekt. 5.4, wurde zum<br />

Obmann des Fachausschusses Hochwasservorsorge der<br />

DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser<br />

und Abfall) ernannt.<br />

Prof. Dr. Doris Dransch, Sekt. 5.4, wurde zur Vizepräsidentin<br />

der Deutschen Gesellschaft für Kartographie<br />

mit der Funktion „Internationale Angelegenheiten“<br />

gewählt.<br />

Dr. Rolando di Primio, Sekt. 4.3, Associate Editor, Organic<br />

Geochemistry, und External project reviewer for the<br />

Norwegian Research Foundation<br />

<strong>2004</strong><br />

Prof. Dr. Rainer Kind, Leiter der Sekt. 2.4, erhielt das<br />

Jack E. Oliver Honorary Professorship at Cornell, Ithaca,<br />

New York.<br />

Prof. Dr. Rainer Kind, Leiter der Sekt. 2.4, wurde zum<br />

Member of US Array Advisory Committee<br />

Raik Bachmann, Sekt. 3.1, erhielt den Bernd-Rendel-<br />

Preis der DFG.<br />

Prof. Dr. Hermann Lühr, Sekt. 2.3, wurde auf der<br />

173. Generalversammlung in Budapest zum Ehrenmitglied<br />

der Ungarischen Akademie der Wissenschaften ernannt.<br />

Prof. Dr. Hermann Lühr, Sekt. 2.3, erhielt den NASA<br />

Group Achievement Award as member of the Cluster<br />

Science Team, Washington, D.C.<br />

Dr. Hans-Ulrich Wetzel, Sekt. 1.5, erhielt die Abraham-<br />

Gottlob-Werner-Medaille der Deutschen Gesellswchaft<br />

für Geowissenschaften DGG.<br />

Dr. Ute Weckmann, Sekt. 2.2, erhielt für den Zeitraum<br />

März <strong>2004</strong> bis Februar 2006 ein Emmy Noether Stipendium<br />

(DFG) an der Dublin Institute for Advanced Studies,<br />

Ireland.<br />

Habilitationen<br />

Dr. Bruno Merz, „Abschätzung von Hochwasserrisiken:<br />

Methoden, Grenzen und Möglichkeiten“. Universität Potsdam,<br />

Oktober <strong>2005</strong>.<br />

Dr. Norbert R. Nowaczyk, „Magnetostratigraphie als<br />

Werkzeug zur Rekonstruktion geomagnetischer Feldvariationen<br />

und paläoklimatischer Prozesse“. Universität Potsdam,<br />

Juli <strong>2004</strong>.<br />

Dr. Oliver Ritter, „Die Abbildung von Bewegungsbahnen<br />

in Deformationszonen der Erde mit elektrischen<br />

Methoden“. Freie Universität Berlin, Mai <strong>2005</strong>.<br />

Dr. Christian Schmidt, „Eigenschaften wässriger Stoffsysteme<br />

unter den Druck- und Temperaturbedingungen<br />

der Lithosphäre“. Technische Universität Berlin, Februar<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Dr. Heinz Wilkes, „Geochemische und biologische Kontrollfaktoren<br />

der Erdölbildung“. Technische Universität<br />

Berlin, Juli <strong>2004</strong>.<br />

Promotionen<br />

Dipl.-Chem. Antje Armstroff, „Geochemical Significance<br />

of Biomarkers in Paleozoic Coals“. Technische Universität<br />

Berlin, Juli <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Ing.Tobias Backers, „Fracture Toughness Determination<br />

and Micromechanics of Rock under Mode I<br />

and Mode II Loading“. Universität Potsdam, Februar<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Min. Viola Bartsch, „Magmengenese der obertriassischen<br />

bis unterkretazischen Vulkanite der mesozoischen<br />

Vulkanzone in der Küstenkordillere von Nord-Chile<br />

zwischen 24° und 27°S: Petrographie, Mineralchemie,<br />

Geochemie und Isotopie“. Freie Universität Berlin, Juli<br />

<strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Mirjam Bohm, „3-D Lokalbebentomographie<br />

der südlichen Anden zwischen 36° und 40° S“.<br />

Freie Universität Berlin, Februar <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. François Demory, „Paleomagnetic dating<br />

of climatic events in Late Quaternary sediments of Lake<br />

Baikal (Siberia)“. Universität Potsdam, November <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Chem. Thomas Fischer, „Biomarker Lipid Biomarkers<br />

in Lacustrine Sedimentary Archives – An Inventory<br />

and Evaluation as Proxies for Environmental and Climatic<br />

Change“. Technische Universität Berlin, November<br />

2003.<br />

Dipl.-Min. Benoit Gibert, „Etude expérimentale de la diffusion<br />

thermique dans les monocristaux d'olivine et dans<br />

les roches du manteau supérieur“. Université Mont Pellier<br />

II, Dezember 2003.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

433


434<br />

Dipl.-Geol. Kai Hahne, „Detektion eines mesozoischen<br />

Gangschwarms in NW Namibia und Rekonstruktion<br />

regionaler Spannungszustände während der Südatlantiköffnung“.<br />

Freie Universität Berlin, November <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geoökol. Uta Heiden, „Ökologische Charakterisierung<br />

von Stadtbiotoptypen mit hyperspektralen Flugzeugdaten“.<br />

Technische Universität Berlin, Dezember 2003.<br />

Dipl.-Geol. Birgit Heim, „Entwicklung und Umsetzung<br />

von Konzepten zur Auswertung von multi- und hyperspektralen<br />

Fernerkundungsdaten für die quantitative<br />

Analyse von Wasserinhaltsstoffen“. Universität Potsdam,<br />

Oktober <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Jan Henninges, „Thermal Properties of Gas-<br />

Hydrate-Bearing Sediments and Effects of Phase Transitions<br />

on the Transport of Heat Deduced from Temperature<br />

Logging at Mallik, NWT, Canada“. Freie Universität<br />

Berlin, April <strong>2005</strong>.<br />

M. Sc. Silvan Hoth, „Erosion, deformation and natural<br />

resources in continental collision zones. Implications from<br />

analogue simulations“. Freie Universität Berlin, Oktober<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Dagmar Kesten, „Structural Observations<br />

at the Southern Dead Sea Transform from Seismic<br />

Reflection Data and ASTER Satellite Images“. Universität<br />

Potsdam, November <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Volker Klemann, „Ebene kompressible<br />

viskoelastische Erdmodelle: Anwendungen auf glazialisostatische<br />

Deformationen der Lithosphäre“. Westfälische<br />

Wilhelms-Universität Münster, Dezember 2003.<br />

Dipl.-Geoinf.Anja Klisch, „Entwicklungen eines operationellen<br />

Modells zur Bereitstellung von Vegetations- und<br />

Niederschlagsparametern für die Erosionsproblematik“.<br />

Universität Potsdam, Juni <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Silke Köhler, „Geothermisch angetriebene<br />

Dampfkraftprozesse – Analyse und Prozessvergleich binärer<br />

Kraftwerke“. Technische Universität Berlin, August<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Phys. Fabien Magri, „Feasibility of thermohaline<br />

convection in the North East German Basin (NEGB)“.<br />

Freie Universität Berlin, Juni <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Yuriy Maystrenko, „Structure and evolution<br />

of the Glueckstadt Graben (north-western Germany)<br />

based on 3-D structural modelling and interpretation<br />

of the seismic reflection profiles“. Freie Universität Berlin,<br />

Juni <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Inga Moeck, „Hydrotektonik von Grundwasserleitern:<br />

Rekonstruktion von Spannungsfeldern und<br />

3D-Modellierung einer geologischen Karte der Zentral-<br />

Algarve (Südportugal)“. Technische Universität Berlin,<br />

Juni <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Ben Lotz, „Neubewertung des rezenten Wärmestroms<br />

im Norddeutschen Becken“. Freie Universität<br />

Berlin, Februar <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Nils Maercklin, „Seismic Structure of<br />

the Arava Fault, Dead Sea Transform“. Universität Potsdam,<br />

Juli <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Ing. Alexander Neidhardt, „Verbesserung des<br />

Datenmanagements in inhomogenen Rechnernetzen geodätischer<br />

Messeinrichtungen auf der Basis von Middelware<br />

und Dateisystemen am Beispiel der Fundamentalstation<br />

Wettzell“. Technische Universität Muenchen, Juli<br />

<strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Chem. Thomas Oldenburg, „Organische Heterokomponenten<br />

als Umwandlungs- und Transportindikatoren<br />

in Nordseesedimentbecken“. Universität Oldenburg,<br />

Februar <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Matthias Rosenau, „Tectonics of the Southern<br />

Andean intra-arc zone (38°-42° S), Chile“. Freie<br />

Universität Berlin, Juli <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Martin Schodlok, „Quantifizierung des Modalbestandes<br />

magmatischer Gesteine mittels thermaler<br />

Reflexionsspektroskopie“. Universität Potsdam, Juni <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Meteo. Thomas Schröder, „Fernerkundung von<br />

Wasserinhaltsstoffen in Küstengewässern mit MERIS<br />

unter Anwendung expliziter und impliziter Atmosphärenkorrekturverfahren“.<br />

Freie Universität Berlin, März <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Phys. Judith Schwarte, „Modelling the Earth's<br />

magnetic field of magnetospheric origin from CHAMP<br />

data“. Technische Universität Braunschweig, März <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Monika Sobiesiak, „Fault plane structure<br />

of the 1995 Antofagasta- earthquake (Chile)-Derived<br />

from local seismological parameters“. Universität Potsdam,<br />

Januar <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Forough Sodoudi, „Lithospheric structure<br />

of the Aegean obtained from P and S receiver functions“.<br />

Freie Universität Berlin, Juni <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geol.Anke Tetzlaff, „Coal fire quantification using<br />

ASTER, ETM and BIRD satellite instrument data“. LMU<br />

München, Dezember <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Ute Trautwein, „Poroplastische Verformung<br />

und petrophysikalische Eigenschaften von Rotliegend Sandsteinen“.<br />

Technische Universität Berlin, September <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Phys. Ingo Wardinski, „Core surface flow models<br />

from decadal and subdecadal secular variation of the main<br />

geomagnetic field“. Freie Universität Berlin, Februar <strong>2005</strong>.<br />

Dipl.-Geol. Susann Wienecke, „Analytical solution for<br />

computation of flexural rigidity: its significance and application“.<br />

Freie Universität Berlin, Oktober <strong>2005</strong>.<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Dipl.-Min. Marcus Wigand, „Geochemie und Geochronologie<br />

des Erongo-Komplexes, Namibia“. Universität<br />

Potsdam, April <strong>2004</strong>.<br />

Dipl.-Geophys. Ingo Wölbern, „Spuren des Plumes und<br />

Strukturen des oberen Mantels unter Hawaii abgeleitet aus<br />

konvertierten Wellen“. Freie Universität Berlin, Dezember<br />

2003.<br />

Dipl.-Ing. Tinglu Zhang, „Retrieval of Oceanic Constituents<br />

with Artificial Neural Network based on Radiative<br />

Transfer Simulation Techniques“. Freie Universität Berlin,<br />

Oktober 2003.<br />

Ausgewählte Publikationen <strong>2004</strong> – <strong>2005</strong><br />

Abart, R., Milke, R., Heinrich, W. & Sperb, R. (<strong>2004</strong>): Silicon<br />

and oxygen self-diffusion in enstatite polycrystals:<br />

the Milke et al. (2001) rim growth experiments revisited.<br />

– Contributions to Mineralogy and Petrology, 147,<br />

633-646.<br />

Adam, J., Klaeschen, D., Kukowski, N. & Flueh, E. (<strong>2004</strong>):<br />

Upward delamination of Cascadia Basin sediment<br />

infill with landward frontal accretion thrusting caused<br />

by rapid glacial age material flux. – Tectonics, 23,<br />

TC3009, 1-21, 10.1029/2002TC001475.<br />

Alinaghi, A., Bock, G., Kind, R., Hanka, W., Wylegalla,<br />

K., TOR & SVEKALAPKO Groups (2003): Receiver<br />

function analysis of the crust and upper mantle from<br />

the North German Basin to the Archean Baltic Shield.<br />

– Geophys. J. Int., 155, 641-652.<br />

Apel, H., Thieken, A., Merz, B. & Blöschl, G. (<strong>2004</strong>):<br />

Flood risk assessment and associated uncertainty. –<br />

Natural Hazards and Earth System Sciences (NHESS),<br />

4, 295-308.<br />

Armbruster, T. & Feenstra, A. (<strong>2004</strong>): Lithium in nigerite-group<br />

minerals. – European Journal of Mineralogy,<br />

16, 247-254.<br />

Backers, T., Fardin, N., Dresen, G. & Stephansson,<br />

O. (2003): Effect of Loading Rate on Mode I Fracture<br />

Toughness, Roughness and Micromechanics<br />

of Sandstone. – Int. J. Rock Mech. Min. Sci., 40,<br />

425-433.<br />

Badanina, E. V., Veksler, I. V., Thomas, R., Syritso, L. F.<br />

& Trumbull, R.. B. (<strong>2004</strong>): Magmatic evolution of Li-<br />

F, rare-metal granites: a case study of melt inclusions<br />

in the Khangilay complex, Eastern Transbaikalia (Russia).<br />

– Chemical Geology, 210, 113-133. doi: 10.1016/j.<br />

chemgeo.<strong>2004</strong>.06.006.<br />

Bahr, A., Lamy, F., Arz, H. W., Kuhlmann, H., Wefer, G.<br />

(<strong>2005</strong>): Late glacial to Holocene climate and sedimentation<br />

history in the NW Black Sea. Marine Geology,<br />

214, 4, 309-322.<br />

Baier, J., Lücke, A., Negendank, J. F. W., Schleser, G. H.<br />

& Zolitschka, B. (<strong>2004</strong>): Diatom and geochemical evidence<br />

of mid – to late Holocene climatic changes at<br />

Lake Holzmaar, West-Eifel (Germany). – Quaternary<br />

International, 113, 81-96.<br />

Balasis, G., Egbert, G.D. & Maus, S. (<strong>2004</strong>): Local time<br />

effects in satellite estimates of electromagnetic induction<br />

transfer functions. – Geophys. Res. Lett., 31,<br />

L16610, 1-4, doi: 10.1029/<strong>2004</strong>GL020147.<br />

Bau, M., Alexander, B., Chesley, J. T., Dulski, P. & Brantley,<br />

S. L. (<strong>2004</strong>): Mineral dissolution in the Cape Cod<br />

aquifer, Massachusetts, USA: I. Reaction stoichiometry<br />

and impact of accessory feldspar and glauconite on<br />

strontium isotopes, solute concentrations, and REY<br />

distribution. – Geochimica et Cosmochimica Acta, 68,<br />

1199-1216.<br />

Bauer, K., Haberland, Ch., Pratt, R. G., Hou, F., Medioli,<br />

B. E. and Weber, M. (<strong>2005</strong>): Ray-based cross-well<br />

tomography for P-wave velocity, anisotropy, and attenuation<br />

structure around the JAPEX/JNOC/GSC et al.<br />

Mallik 5L-38 gas hydrate production research well. –<br />

in Scientific Results from Mallik 2002 Gas Hydrate<br />

Production Research Well Program, Mackenzie Delta,<br />

Northwest Territories, Canada, (ed.) S.R. Dallimore,<br />

and T.S. Collett. Geol. Surv. Canada, Bull. 585, 21 p.<br />

Bauer, K., Trumbull, R. B. & Vietor, T. (2003): Geophysical<br />

images and a crustal model of intrusive structures<br />

beneath the Messum ring complex, Namibia. –<br />

Earth and Planetary Science Letters, 216, 65-80,<br />

10.1016/S0012-821X(03)00486-2 2003.<br />

Bauer, K., Trumbull, R. B., Vietor, T. (<strong>2004</strong>): Geophysical<br />

images and a crustal model of intrusive structures<br />

beneath the Messum ring complex, Namibia.Earth<br />

and Planetary Science letters, 216, 1-2, doi:<br />

10.1016/S0012821X(03)00486-2.<br />

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Thybo, H., Janik, T., Omelchenko, V.D., Grad, M., Garetsky,<br />

R. G., Belinsky, A. A., Karatayev, G. I., Zlotski, G.,<br />

Knudsen, M. E., Sand, R., Yliniemi, J., Tiira, T., Luosto,<br />

U., Komminaho, K., Giese, R., Guterch, A., Lund,<br />

C.-E., Kharitonov, O. M., Ilchenko. T., Lysynchuk, D.<br />

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and Y between immiscible silicate and fluoride<br />

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western Altiplano plateau – evidence from the Precordillera<br />

between 20° and 21°S (northern Chile). – Tectonics,<br />

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Vietor, T. Oncken, O. (<strong>2005</strong>): Controls on the shape and<br />

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Wang, D. Y.; von Clarmann, T.; Fischer, H.; Funke, B.; Gil-<br />

López, S.; Glatthor, N.; Grabowski, U.; Höpfner, M.;<br />

Kaufmann, M.; Kellmann, S.; Kiefer, M.; Koukouli,<br />

M. E.; Linden, A.; López-Puertas, M.; Mengistu Tsidu,<br />

G.; Milz, M.; Steck, T.; Stiller, G. P.; Simmons, A. J.;<br />

Dethof, A.; Swinbank, R.; Marquardt, C.; Jiang, J. H.;<br />

Romans, L. J.; Wickert, J.; Schmidt, T.; Russell, J., III;<br />

Remsberg, E. (<strong>2005</strong>): Validation of stratospheric temperatures<br />

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Passive Atmospheric Sounding (MIPAS) on Envisat<br />

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Wang, D.Y., Stiller, G.P., Clarmann, v. T., Fischer, H.,<br />

Lopez-Puertas, M., Funke, B., Gil-Lopez, S., Glatthor,<br />

N., Höpfner, M., Kellmann, S., Tsidu, G.M., Milz, M.,<br />

Steck, T., Jiang, J.H., Ao, C.O., Manney, G., Hocke,<br />

K., Wu, D.L., Romans, L.J., Wickert, J., Schmidt, T.<br />

(<strong>2004</strong>): Cross-Validation of MIPAS/ENVISAT and<br />

GPS-RO/CHAMP temperature profiles. Journal of<br />

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10.1029/<strong>2004</strong>JD004963.<br />

Wang, H., H. Lühr und S.-Y. Ma (<strong>2005</strong>):. Solar zenith<br />

angle and merging electric field control of fieldaligned<br />

currents: A statistical study of the southern<br />

hemisphere. J. Geophys. Res., 110, A03306,<br />

doi:10.1029/<strong>2004</strong>JA010530.<br />

Wang, R. & Kümpel, H.-J. (2003): Poroelasticity, efficient<br />

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Modeling of hydrogeochemical anomalies induced by<br />

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Wang, R., Woith, H., Milkereit, C., Zschau, J.<br />

(<strong>2004</strong>): Modelling of hydrogeochemical anomalies<br />

induced by distant earthquakes. Geophysical Journal<br />

International, 157,2, 717-726, 10.1111/j.1365-<br />

246X.<strong>2004</strong>.02240.x.<br />

Wang, R., Xia, Y., Grosser, H., Wetzel, H.-U., Kaufmann,<br />

H. & Zschau, J. (<strong>2004</strong>): The 2003 Bam (SE Iran) earthquake:<br />

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Wang, R., Xia, Y., Grosser, H., Wetzel, H.-U., Zschau, J.,<br />

Kaufmann, H. (<strong>2004</strong>): The 2003 Bam (SE Iran) earthquake:<br />

precise source parameters from satellite radar<br />

Interferometry. – Geophysical Journal International,<br />

159, 3, 917-922, 10.1111/j.1365-246X.<strong>2004</strong>.02476.x.<br />

Weber, M., F. Zetsche, T. Ryberg, A. Schulze, E. Spangenberg,<br />

and E. Huenges (<strong>2005</strong>): Detection limits of<br />

small, deep, man-made reflectors – A test at a geothermal<br />

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Society of America, 95, 3, 1567-1573.<br />

Weckmann, U., Ritter, O. & Haak, V. (2003): A magnetotelluric<br />

study of the Damara Belt in Namibia 2. MT<br />

phases over 90° reveal the internal structure of<br />

the Waterberg Fault/Omaruru Lineament. – Phys.<br />

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Wickert, J., Galas, R., Beyerle, G., Reigber, Ch., Förste,<br />

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with CHAMP: GPS ground station data<br />

for occultation processing. – Physics and Chemistry<br />

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447


448<br />

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Wickert, J., Schmidt, T., Beyerle, G., König, R., Reigber,<br />

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Experiment aboard CHAMP: Operational Data Analysis<br />

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Wigand, M., Schmitt, A. K., Trumbull, R. B., Villa, I. W.<br />

& Emmermann, R. (<strong>2004</strong>): Short-lived magmatic activity<br />

in an anorogenic subvolcanic complex: 40 Ar/ 39 Ar<br />

and ion microprobe U-Pb zircon dating of the Erongo,<br />

Damaraland Province, Namibia. – Journal of Volcanology<br />

and Geothermal Research, 130, 285-305, doi:<br />

10.1016/S0377-0273(03)00310X.<br />

Willner, A.P., Glodny, J., Gerya, T.V., Godoy, E. & Massonne,<br />

H.-J. (<strong>2004</strong>): A counterclockwise PTt path of highpressure/low-temperature<br />

rocks from the Coastal Cordillera<br />

accretionary complex of south-central Chiel:<br />

Constraints for the earliest stage of subduction mass flow.<br />

– Lithos, 75, 283-310, 10.1016/j.lithos.<strong>2004</strong>.03.002.<br />

Woith, H., Zschau, J., Maiwald, U., Pekdeger, A. & Wang,<br />

R. (2003): Heterogeneous response of hydrogeological<br />

systems to the Izmit and Düzce (Turkey) earthquakes<br />

of 1999. – Hydrogeology Jounal, 11, 113-121.<br />

Wookey, J., Kendall, J.-M. and Rümpker, G. (<strong>2005</strong>):<br />

Lowermost mantle anisotropy beneath the north<br />

Pacific from differential S-ScS splitting. Geophys.<br />

Journ. Int., 161, 3, 829-838, doi: 10.1111/j.1365-<br />

246X.<strong>2005</strong>.02623.x.<br />

Wulf, S., Kraml, M., Brauer, A., Keller, J. &Negendank,<br />

J. F. W. (<strong>2004</strong>): Tephrochronology of the 100 ka lacustrine<br />

sediment record of Lago Grande di Monticchio<br />

(southern Italy). – Quaternary International, 122, 7-30.<br />

Xia, Y., Michel, G.W., Reigber, C., Klotz, J. & Kaufmann,<br />

H. (2003): Seismic unloading and loading in Northern<br />

Central Chile as observed by D-INSAR and GPS.-<br />

International Journal of Remote Sensing, 24, 4375-<br />

4391.<br />

Zhu, S. Y., Massmann, F.-H., Yu, Y. & Reigber, Ch. (2003):<br />

Satellite antenna phase center offsets and scale errors<br />

in GPS solutions. – J. of Geodesy, 76, 668-672, DOI<br />

10.1007/s00190-002-0294-1.<br />

Zhu, S., Reigber, Ch. & König, R. (<strong>2004</strong>): Integrated adjustment<br />

of CHAMP, GRACE, and GPS data. J. of Geodesy,<br />

78, 103-108, DOI 10.107/s00190-004-0379-0.<br />

Patente <strong>2004</strong> – <strong>2005</strong><br />

Borm, G. & Otto, P. (<strong>2004</strong>): Vorrichtung zur Erzeugung<br />

mechanischer Schwingungen in einem festen Material.<br />

Europäische Patentanmeldung: 02018934.6; Japanische<br />

Patentanmeldung 2002-243206; Deutsches<br />

Patent erteilt am 15.07.<strong>2004</strong>: DE 101 41 518.<br />

Borm, G., Giese, R., Schmidt-Hattenberger, C., Selke, Ch.<br />

(<strong>2004</strong>): Verankerungseinrichtung mit seismischem<br />

Sensor. DE 198 52 455.2; Japanische Patentanmeldung:<br />

HEI 11-322268; Europäisches Patent erteilt am<br />

15.09.<strong>2004</strong>: 1 001 134.<br />

Borm, G.,Giese, R., Otto, P. & Polom, U. (<strong>2004</strong>): Seismische<br />

Quelle und Verfahren zur Erzeugung seismischer<br />

Schwingungen. Deutsche Patentanmeldung<br />

vom 25.03.<strong>2004</strong>: 10 <strong>2004</strong> 014 722.1.<br />

Borm, G., Giese, R., Jurczyk, A., Otto, P., Polom, U.<br />

(<strong>2005</strong>): Seismische Quelle und Verfahren zur Erzeugung<br />

seismischer Scherwellen; Deutsche Patentanmeldung<br />

vom 27.05.<strong>2005</strong>: 10 <strong>2005</strong> 024 367.3.<br />

Groh, M., Krüger, K., Giese R. (<strong>2005</strong>): Erkundungsvorrichtung<br />

und Verfahren zur Registrierung seismischer<br />

Schwingungen. Deutsche Patentanmeldung<br />

vom 02.02.<strong>2005</strong>: 10 <strong>2005</strong> 004 869.2.<br />

Eine vollständige Liste der Publikationen des <strong>GFZ</strong> Potsdam<br />

findet sich elektronisch unter:<br />

http://bib.gfz-potsdam.de/edoc/<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam


Glossar<br />

AAM Atmospheric Angular Momentum<br />

AE Akustische Emissionen<br />

AF Arava Fault<br />

AGMASCO Airborne Geoid Mapping System for Coastal Oceanography<br />

AGU American Geological Union<br />

AMS Acceleration Mass Spectrometry<br />

ALDP Asian Lake Drilling Programme<br />

ALVZ Altiplano Low Velocity Zone<br />

ANCORP Andean Continental Research Project<br />

ANGEL Airborne Navigation and Gravity Ensemble & Laboratory<br />

APVC Altiplano Puna Volcanic Complex<br />

ARES Airborne Reflectice Emisive Spectrometre<br />

ARM Anhysterese Remanente Magnetisierung<br />

ASAR Advanced Synthetic Aperture Radar<br />

ASG Airborne-Superconducting Gravimetersystem<br />

AWI Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung<br />

BABEL Baltic And Bothnian Echoes from the Lithosphere<br />

BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

BGS British Geological Survey<br />

BMA Beattie Magnetic Anomaly<br />

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung<br />

BNS Banggong-Nujiang-Sutur<br />

BP Before Present<br />

BRGM Bureau de recherches géologiques et minières<br />

BSR Bottom Simulating Reflector<br />

CASI Compact Airborne Spectrographic Imager<br />

CCSDP Chinese Continental Scientific Drilling Program<br />

CDF Kaledonische Deformationsfront<br />

CDG Carl Duisberg-Gesellschaft<br />

CEDIM Centers for Disaster Management and Risk Reduction<br />

Technology<br />

CHAMP Challenging Mini Satellite for Geoscientific Research<br />

and Application<br />

ChRM Chemoremanente Magnetisierung<br />

CIDA Canadian International Development Agency<br />

CINCA95 Crustal Investigations Off- and Onshore Nazca/<br />

Central Andes<br />

CIR Colour Infrared<br />

CMP Common Mid Point<br />

CO2SINK CO 2 Storage by Injection Into the Natural Reservoir<br />

Ketzin<br />

COSMIC Constellation Observing System for Meteorology,<br />

Ionosphere and Climate<br />

COST European Cooperation in the Field of Scientific and<br />

Technical Research<br />

CSB China Seismological Bureau<br />

CSLF International Carbon Sequestration Leadership Forum<br />

CSIC Consejo Superior de Investigationes Cientificas<br />

CVZ Central Volcanic Zone<br />

D-InSAR Differential SAR Interferometry<br />

DAIS Digital Airborne Imaging Spectrometer<br />

DEM Distinkte-Elemente-Methode<br />

DESERT Dead Sea Rift Transect<br />

DESY Deutsches Elektronensynchrotron<br />

DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

DFNK Deutsches Forschungsnetz Naturkatastrophen<br />

DHA Department of Humanitarian Affairs<br />

DIS Online Drilling Information System<br />

DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />

DOE US Department of Energy<br />

DRVID Differenced Range versus Integrated Doppler<br />

DST Dead Sea Transform<br />

DTS Distributed Temperature Sensing<br />

DUGW Deutsche Union für geologische Wissenschaften<br />

DWD Deutscher Wetterdienst<br />

EELS Electron Energy-Loss Spectroscopy<br />

ELDP European Lake Drilling Programme<br />

EMS Europäische Makroseismische Skala, Elektronenstrahl-<br />

Mikrosonde<br />

EMSC European Mediterranean Seismological Center<br />

ENGINE Enhanced Geothermal Innovative Network for Europe<br />

EnMAP Environmental Mapping and Analysis Program<br />

ENSO El Niño/Southern Oscillation<br />

ERS European Remote Sensing Satellite<br />

ESA European Space Agency<br />

ESC Europäische Seismologische Kommission<br />

ESSP Earth System Science Pathfinder<br />

FDR Frequency Domain Reflectometry<br />

FDSN Federation of Digital Seismic Networks<br />

FEM Finite Elemente Methode<br />

FIB Focused Ion Beam<br />

FIM Feldionenmikroskop<br />

FMI Formation-Micro-Imager<br />

FOS faseroptische Sensoren<br />

FZWG Fault zone guided waves<br />

GCM Global Circulation Model<br />

GEDEPTH German Depth Profiling of Tibet and the Himalayas<br />

Geofon Geoforschungsnetz<br />

GEOMAR Forschungszentrum für Marine Geowissenschaften,<br />

Kiel<br />

GIF German-Israeli Foundation<br />

GIN Geomagnetic Information Nodes<br />

GITEWS German Indian Ocean Tsunami Early Warning System<br />

GLONASS GLObales NAvigations-Satelliten-System<br />

GNSS Global Navigation Satellite System<br />

GOCE Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation<br />

Explorer<br />

GPS Global Positioning System<br />

GRACE Gravity Recovery and Climate Experiment<br />

GRIM4 <strong>GFZ</strong> GRGS Global Gravity Model<br />

GRIP Greenland Icecore Project<br />

GRSN German Regional Seismic Networks<br />

GSD Ground Sampling Distance<br />

GSC Geological Surv of Canada<br />

GSN Global Seismic Network<br />

GSHASP Global Seismic Hazard Assessment Program<br />

GSJ Geological Survey of Japan<br />

GSSP Global Stratotype Section and Point<br />

GTZ Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit<br />

HASYLAB Hamburger Synchroton-Strahlungslabor<br />

HDCA hydrothermale Diamantstempelkammer<br />

HOD Hentiesbaai-Outjo-Gangschwarm (Na-mibia)<br />

HRTEM High Resolution Transmission Electron Microscope<br />

HSDP Hawaii Scientific Drilling Program<br />

IAGA Internationale Assoziation für Geomagnetismus und<br />

Aeronomie<br />

IAGOD International Association on the Genesis of Ore Deposits<br />

IASPEI International Association of Seismology and Physics<br />

of the Earth’s Interior<br />

IAVCEI International Association of Volcanology and Chemistry<br />

of the Earth’s Interior<br />

ICDP International Continental Scientific Drilling Programme<br />

IDNDR International Decade for Natural Disaster Reduction<br />

IERS International Earth Rotation Service<br />

IfM-Geomar Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel<br />

IGBP International Geosphere/Biosphere Programme<br />

IGCP International Geological Correlation Programme<br />

I-GET Integrated Geophysical Exploration Technologies<br />

IGRF Internationales Geomagnetisches Referenzfeld<br />

IIEES International Institute of Earthquake Engineering and<br />

Seismology<br />

IMAGE International Monitor for Aureal and Geomagnetic<br />

Effects<br />

INDEPTH International Deep Profiling of Tibet and the Himalaya<br />

INSAR Interferometric Synthetic Aperture Radar<br />

INSPIRE Infrastructure for Spatial Information in Europe<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam<br />

449


450<br />

IODP Integrated Ocean Drilling Program<br />

IRIS Incorporated Research Institutions for Seismology<br />

IRM Isothermale Remanente Magnetisierung<br />

ISIS Integrated Seismic Imaging System<br />

ISRM International Society for Rock Mechanics<br />

ITCZ Innertropical Convergenze Zone<br />

IUGG International Union of Geodesy und Geophysics<br />

IUGS International Union of Geological Sciences<br />

JEODI Joint European Ocean Drilling Initiative<br />

JMA Japanese Meteorological Agency<br />

JNOC Japanese National Oil Corporation<br />

KDM Konsortium Deutscher Meeresforschung<br />

KIHZ Natürliche Klimavariationen in historischen Zeiten<br />

(KIHZ) bis 10.000 Jahre vor heute<br />

KMG Kern-Mantel-Grenze<br />

KTB Kontinentales Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

LARSE Los Angeles Basin Refraction Seismic Experiment<br />

LEO Low Earth Orbiter<br />

LGM Last Glacial Maximum<br />

LOD, lod Length of Day<br />

LOS Line of Sight – Sichtachse<br />

LTA Long Term Average<br />

LVZ Low Velocity Zone<br />

MAST-III EU Marine Science and Technology Programme<br />

MEREDIAN Mediterranean-European Rapid Earthquake Data Information<br />

and Archiving Network<br />

MEDNET Mediterranean Network<br />

MNF Minimum Noise Fraction<br />

Moho Mohorovicic-Diskontinuität<br />

MORB Mittelozeanische Rückenbasalte<br />

MPNG Ministry of Petroleum and Natural Gas, India<br />

MPZS Magnetische Polaritäts-Zeitskala<br />

MUF Main Uralian Fault<br />

MUMM Management Unit of the North Sea Mathematical<br />

Models<br />

MWFK Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur<br />

des Landes Brandenburg<br />

MT Magnetotellurik<br />

NCEP U.S. National Center for Environmental Prediction<br />

NDVI Normalized Difference Vegetation Index<br />

NEGB North-East German Basin (= NODB)<br />

NMSOP IASPEI New Manual of Seismological Observatory<br />

Practice<br />

NODB Nordostdeutsches Becken (= NEGB)<br />

NOAA National Oceanic and Atmospheric Administration<br />

NRM Natürlich Remanente Magnetisierung<br />

OBH Ocean Bottom Hydrophone<br />

OET Osteuropäische Tafel<br />

ONERA Office National d’Etudes et de Recherches Aérospatiales<br />

OSG ICDP Operational Support Group<br />

PACE Palaeozoic Amalgamation of Central Europe<br />

PAGES Past Global Changes<br />

PDAS Portable Data Acquisition System<br />

POCM Parallel Ocean Climate Model<br />

POMME POtsdam Magnetic Model of the Earth<br />

PRARE Precise Rate and Range Rate Equipment<br />

PISCO'94 Proyecto de Investigación Sismológica de la Cordillera<br />

Occidental<br />

PUNA Plateau-Untersuchungen in Nordwest-Argentinien<br />

PSV Paläosäkularvariation<br />

RAE Resistive Anode Encoder<br />

RCMG Renard Centre of Marine Geology, Ghent, Belgien<br />

READINESS RealTime Data Information Network in Earth ScienceS<br />

REM Raster-Elektronenmikroskop<br />

RF Receiver Functions<br />

RFA Röntgenfluoreszenz-Analyse<br />

RTS Relaxationszeitenspektrum<br />

SaDIN Sahel Doukala Information Network<br />

SAFOD San Andreas Fault Observatory at Depth<br />

SAFZ San Andreas Fault Zone<br />

SAG ICDP Science Advisory Group<br />

SAGA South American Geodynamic Activities<br />

SALT South-American Lithospheric Transect<br />

SAPOS Satellitenpositionierungsdienst der deutschen Landesvermessung<br />

SAR Synthetic Aperture Radar<br />

SCCB Southern Cape Conductive Belt<br />

SE Sekundärelektronen<br />

SHRIMP Sensitive High Resolution Ion Microprobe<br />

SIMS Secondary Ion Mass Spectrometry<br />

SISZ Südisländische Seismizitätszone<br />

SIRMS Saturation Isothermal Remanent Magnetization<br />

SLR Satellite Laser Ranging<br />

SNR Signal/Noise Ratio<br />

SPOC Subduction Processes Off Chile<br />

SQUID Superconducting Quantum Interference Device<br />

STA Short Term Average<br />

STZ Sorgenfrei-Tornquist Zone<br />

SWIR Short-Wave Infrared<br />

TanDEM-X TerraSAR-X add-on for Digital Elevation Measurement<br />

TEDESE Terremotos y Deformacion Cortical en el Sur de<br />

Espana<br />

TEC Total Electron Content<br />

TEF Transeuropäische Störungszone<br />

TEM Transmissionselektronenmikroskop<br />

TESZ Trans-European Sutur Zone<br />

TIC Total Inorganic Carbon<br />

TIGA GPS Tide Gauge Benchmark Monitoring Project<br />

TICOSECT95 Trans-Isthmus Costa Rica Scientific Exploration of a<br />

Crustal Transect<br />

TOC Total Organic Carbon<br />

TOMS Total Ozone Mapping Spectrometer<br />

TSP Tunnel Seismic Prediction<br />

TTZ Tornquist-Teisseyre-Zone<br />

UNCCD UN Convention to Combat Desertification<br />

UNU United Nations University<br />

URSEIS95 Urals Reflection Seismic Experiment and Integrated<br />

Studies<br />

USGS United States Geological Survey<br />

USNMC U.S. National Meteorological Center<br />

UTC Universal Time Coordinated<br />

VCL Vegetation Canopy Lidar<br />

VDI Verein Deutscher Ingenieure<br />

VNIR Visible and Near-Infrared<br />

VSI Volcanological Survey of Indonesia<br />

VSP Vertikalseismisches Profil<br />

<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam

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