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Friedrich Küppersbusch über Verbrauchergewerkschaften, die ...

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stadtgespräch:<br />

<strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Küppersbusch</strong><br />

... <strong>über</strong> <strong>die</strong> politische Lage,<br />

<strong>Verbrauchergewerkschaften</strong><br />

und (Tele)Visionen<br />

Interview: Barbara Underberg<br />

Fotos: Frank Rogner<br />

Der bekennende Dortmunder ist heute eher hinter als vor der Kamera<br />

zu finden. <strong>Friedrich</strong> <strong>Küppersbusch</strong>, in den 90er Jahren als gleichermaßen<br />

kluger, ironischer und hartnäckiger Interviewer und Moderator zu<br />

Ansehen gelangt, leitet heute <strong>die</strong> Fernsehproduktionsfirma probono.<br />

Die Sendungen „ZAK“ und „Privatfernsehen“ sind fest mit seinem<br />

Namen verbunden, für ZAK erhielt <strong>Küppersbusch</strong> den Grimme-Preis.<br />

Heute schreibt er unter anderem in der taz. Seine eigene Firma hat<br />

sich mit der Produktion des täglichen Polittalks mit Sandra Maischberger<br />

auf n-tv einen Namen gemacht, aktuell produziert er <strong>die</strong> RTL-<br />

Dokusoap „Raus aus den Schulden“ mit Peter Zwegat. Wir trafen<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Küppersbusch</strong> in einem Café im Dortmunder Kreuzviertel.<br />

8 stadtblatt: 2 | 2008 April - Mai


Sie sind bekannt für kritische Kommentare<br />

und Ihre scharfe Zunge. Dann sagen Sie doch<br />

mal was zur aktuellen Lage in <strong>die</strong>ser Republik.<br />

Die Linkspartei hat <strong>die</strong> politischen Lager ganz<br />

schön aufgemischt, was?<br />

Die haben sich darauf verlassen, dass <strong>die</strong> Linkspartei<br />

im Westen nicht funktioniert. Schröder und<br />

Lafontaine sind alte Hirsche, <strong>die</strong> werden sich noch<br />

auf dem Friedhof von Kiste zu Kiste zurufen „Ich<br />

hab aber den Größeren“. Aber spätestens jetzt<br />

müsste an der SPD-Spitze eine Strategie entwickelt<br />

werden. Ich bin mit der eilfertigen Definition, wir<br />

hätten nun ein Fünfparteiensystem, unzufrieden.<br />

Das erspart allen Beteiligten zu sagen, dass <strong>die</strong> So-<br />

zialdemokratie sich in einer noch größeren Krise<br />

befindet als 1919, wo sie sich schon einmal zerteilt<br />

hat. Vielleicht sollte man als Parteichef lieber<br />

sagen, ich kann’s nicht. Die SPD müsste Strategien<br />

entwickeln, wie sie langfristig mit der Linkspartei<br />

klarkommt, könnte es zum Beispiel im Bundestag<br />

eine Fraktionsgemeinschaft geben.<br />

Wie klaftertief haben <strong>die</strong> nach der Wahl eigentlich<br />

in Sachsen geschlafen? Da war <strong>die</strong> SPD am<br />

Wahlabend unter zehn Prozent – wie man dann<br />

sagen kann, ist ja nur Sachsen, ist ja nur Zweitligadeutschland.<br />

Um mit Willy Brandt zu sprechen:<br />

Es gibt in <strong>die</strong>sem Land eine Mehrheit <strong>die</strong>sseits der<br />

Mitte. Aber <strong>die</strong> drei sich versehentlich für links haltenden<br />

Parteien sind strukturell einflusslos, weil sie<br />

untereinander nicht kompatibel sind. Und wenn<br />

ich dann sage, ich bin Kurt Beck und will eigentlich<br />

Mainzer Oberbürgermeister werden, dann bin ich<br />

am falschen Platz.<br />

Hätte Beck weiter auf Ausgrenzung der Linkspartei<br />

bestanden, hätte der Wähler irgendwann gesagt,<br />

dann wird halt der Wowereit Bundeskanzler.<br />

Wowereit hält zurzeit <strong>die</strong> Füße still und guckt sich<br />

an, wie <strong>die</strong> sich da oben gegenseitig fertig machen.<br />

Und in der Stunde der größten Not wird man<br />

sagen, jetzt haben wir gar keinen anderen mehr.<br />

So wie Merkel.<br />

Würden Sie sich selbst als links bezeichnen?<br />

Inzwischen kriegt man natürlich Angst, mit wem<br />

man dann alles im gleichen Bett liegt. Mich hat der<br />

Niedergang und das Scheitern des realen Sozialismus<br />

nicht zur Revision von Positionen gezwungen,<br />

ich fand <strong>die</strong> DDR schon vorher scheiße. In dem<br />

Sinne war ich den Linken damals wahrscheinlich<br />

nicht links genug und bin es jetzt auch nicht. Mein<br />

Zugang zur Politik war biografisch eher der, dass ich<br />

der letzte lebende Träger <strong>die</strong>ses Namens bin, der<br />

komplette Rest liegt auf irgendwelchen Schlachtfeldern<br />

rum. Meine Tanten haben mir immer eingeimpft,<br />

ich müsse Lokomotivführer werden, weil<br />

man da im Krieg nicht eingezogen wird: „Junge,<br />

dat Schlimmste wattet jibt, is Kriech“.<br />

Ich sehe immer in den Leuten meine Bündnispartner,<br />

<strong>die</strong> von einem pazifistischen Standpunkt aus<br />

agieren. Deswegen kann ich natürlich auch <strong>die</strong><br />

Linkspartei nicht in Acht und Bann stellen. Während<br />

<strong>die</strong> Grünen umgefallen sind und Kriegspolitik<br />

gemacht haben, hat <strong>die</strong> Linkspartei – mit dem<br />

Mund, ich weiß auch nicht wie <strong>die</strong> sich benehmen,<br />

wenn sie regieren – <strong>die</strong> ganze Zeit gesagt, nein,<br />

selbst den Afghanistaneinsatz nicht, auch der ist<br />

völkerrechtswidrig. Ich kann ja nichts dafür, dass<br />

<strong>die</strong> meine Meinung sagen.<br />

Wie beurteilen Sie <strong>die</strong> deutschen Auslandseinsätze?<br />

Die sind für mein Verständnis illegal. Der Bund hat<br />

das Recht, eine Armee zur Verteidigung seiner Landesgrenzen<br />

aufzustellen, und wir verteidigen unsere<br />

Landesgrenzen, bis dass der Hindu kuscht - also<br />

wo sind denn unsere Landesgrenzen? Der letzte<br />

Kanzler, der eine anständige Außenpolitik gemacht<br />

hat, war Kohl. Kohl hat es geschafft, bis zur letzten<br />

Sekunde seiner Amtszeit zu sagen, kein deutscher<br />

Stiefel, da wo schon einmal einer war. Außenpolitisch<br />

war er besser als Schröder oder Merkel.<br />

Ein Lob auf Kohl habe ich lange nicht gehört.<br />

Ich bin sehr froh, dass er uns allen durch sein<br />

mieses Benehmen in der Spendenaffäre <strong>die</strong> Last<br />

abgenommen hat, uns noch tiefer vor ihm zu<br />

vorbeugen.<br />

Die Linkspartei ist ein Zusammenschluss aus<br />

PDS und WASG, <strong>die</strong> sich nicht zuletzt aus den<br />

Gewerkschaften speist. Ein Erfolgsmodell für<br />

moderne Interessenvertretung?<br />

Was mir da in der WASG begegnet, um Gottes willen.<br />

Da muss sich <strong>die</strong> SPD ja den ganzen Tag auf<br />

<strong>die</strong> Schenkel klopfen, dass sie <strong>die</strong> los ist. Das sind<br />

so Gewerkschaftsfundamentalisten. Das sind auch<br />

<strong>die</strong> ersten, <strong>die</strong> sagen, Management Buy-Out wollen<br />

wir nicht, weil das Kapitalismus ist. Aber bei<br />

BenQ oder bei Nokia wäre genau das <strong>die</strong> letzte<br />

Rettung gewesen, dass ein paar Leute, <strong>die</strong> auch<br />

jetzt schon Verantwortung tragen, sagen, okay,<br />

schlimmer als arbeitslos können wir nicht werden,<br />

wir versuchen das. Dann macht man vielleicht<br />

keine Handys mehr, sondern nur noch einen Teil,<br />

den man besonders gut kann.<br />

Die Beispiele Nokia und Opel in Bochum zeigen ja,<br />

wohin <strong>die</strong> Gewerkschaftsmacht ehedem diffun-<br />

<strong>die</strong>rt ist. Wie lange brauchen <strong>die</strong> Gewerkschaften<br />

noch um zu kapieren, dass ihre Mitgliedschaft als<br />

Arbeiter und Arbeiterinnen keine Macht mehr hat?<br />

Aber wenn wir alle wegen Brent Spar nicht mehr<br />

bei Shell tanken, dann geht Shell in <strong>die</strong> Knie. So uninteressant<br />

wir als Arbeiter oder als Proletariat werden,<br />

weil wir völlig austauschbar sind – das, was an<br />

uns nicht austauschbar ist, ist unser Geld. Eine linke<br />

Position wäre meiner Meinung nach daher endlich<br />

<strong>Verbrauchergewerkschaften</strong> aufzubauen.<br />

Die frühere Gewerkschaftsmacht hatte ja was<br />

mit gleicher Klassenlage, gleicher Lebenssitu-<br />

„Ich sehe immer in den Leuten meine Bündnispartner,<br />

<strong>die</strong> von einem pazifistischen Standpunkt aus agieren.“<br />

ation vieler zu tun. Die potenzielle Macht von<br />

<strong>Verbrauchergewerkschaften</strong> oder -organisationen<br />

ist dagegen vor allem eine Frage des<br />

Bewusstseins. Ist das im gewerkschaftlichen<br />

Sinne organisierbar?<br />

Der Ökologiebewegung verdankt man einen zentralen<br />

Anstoß. Es ist ihr gelungen, sowohl <strong>die</strong> Herkunft<br />

als auch <strong>die</strong> Produktionsweise zum Produktbestandteil<br />

zu machen. Das war vorher nicht so.<br />

Der Ökologiebewegung ist es gelungen, zu sagen,<br />

<strong>die</strong>ser Apfel sieht im Grunde so aus wie jeder andere<br />

Apfel aber …<br />

… er ist nicht so hübsch …<br />

… und wenn er hübsch wäre, würde ich ihn nicht<br />

nehmen. Die Ökobewegung hat den Verbrauchern<br />

beigebracht, dass es ein paar sichtbare Kriterien<br />

gibt, wie der Apfel riecht, wie er aussieht, wie er<br />

schmeckt – und dann gibt es ein paar unsichtbare<br />

Kriterien, <strong>die</strong> auch wichtig sind. Die Informationsrechte<br />

hier<strong>über</strong> kann man politisch erzwingen.<br />

Damit wurden <strong>die</strong>se eher abstrakten Produktbestandteile<br />

– wo kommt der Apfel her, wie wurde er<br />

behandelt usw. – eben Produktbestandteile. Und<br />

wenn sowas bei Lebensmitteln geht, geht das auf<br />

jedem anderen Feld auch.<br />

Aber wir stehen vor den Werkstoren und sind traurig,<br />

dass <strong>die</strong> Jobs bei Nokia und Opel bedroht sind<br />

oder verloren gehen, und kriegen es nicht hin, dass<br />

ein Nokiahandy publizistisch so übel riecht, dass<br />

denen das richtig leidtut. Wer an unsere Märkte<br />

will, von dem erwarten wir künftig auch <strong>die</strong>se abstrakten<br />

Produktqualitäten. Das klingt vielleicht ein<br />

bisschen naiv oder wie Don Quichotte gegen <strong>die</strong><br />

Windmühle. Dass wir auf dem klassischen Wege<br />

nichts mehr bewegen, ist offenbar. Opel oder General<br />

Motors zu sagen, wir haben echt schlechte<br />

Laune, wenn ihr Bochum zumacht, dann sagen<br />

stadtblatt: 2 | 2008 April - Mai 9


stadtgespräch:<br />

<strong>die</strong>, ja, dann habt ihr eben echt schlechte Laune.<br />

Wir haben hier seit drei Jahren einen Wirtschafts-<br />

aufschwung mit vier Millionen Arbeitslosen.<br />

Verbraucher aller Länder einigt Euch?<br />

Natürlich werden jetzt nicht achtzig Millionen Bun-<br />

desbürger, von denen vielleicht zehn Millionen ein<br />

Nokiahandy haben, neun Millionen Nokiahandys<br />

wegschmeißen. Aber das war ja auch nicht <strong>die</strong> Er-<br />

wartung als <strong>die</strong> ersten Bauern ökologisch ange-<br />

baut haben. Heute hat jede Lidlbude Bioeier.<br />

Wenn Sie an <strong>die</strong>se BenQ-Geschichte denken, was<br />

Siemens da draufgelegt hat um den Laden loszuwerden,<br />

und was dann nochmal an Sozialplänen<br />

von Siemens gezahlt wurde. Ich bestreite, dass<br />

es bei BenQ im mittleren und oberen Management<br />

nicht zehn Manager gegeben hätte, <strong>die</strong> mit<br />

der ganzen Kohle den Laden noch zehn Jahre am<br />

Markt gehalten hätten. Auch hier komme ich mit<br />

der Gewerkschaftsposition nicht mehr klar, damit,<br />

dass sie den genossenschaftlichen Teil ihrer Geschichte<br />

vollkommen zur Adoption freigegeben<br />

haben.<br />

Also Genossenschaften statt Betriebsräte?<br />

Strukturen wie Genossenschaften und Kooperativen<br />

tauchen ausgerechnet am Ökorand wieder<br />

auf. Wo <strong>die</strong> Gewerkschaft sagt, wir können euch<br />

nicht helfen, wir wollen euch nicht helfen. Ich glaube,<br />

<strong>die</strong> wollen nicht helfen, weil Genossenschaften<br />

und Kooperativen keine Gewerkschaftsvorsitzenden<br />

wählen. Die Gewerkschaft ist darauf fixiert,<br />

ihre eigene Struktur immer neu zu erfinden. Da ist<br />

dann das Wichtigste – und das ist bei McDonald‘s<br />

und Lidl und Schlecker auch richtig – einen Betriebsrat<br />

zu gründen.<br />

Meine Firma hatte schon zwanzig Mitarbeiter und<br />

ich war als Geschäftsführer das letzte Gewerkschaftsmitglied.<br />

Meine Mitarbeiter sagten, hey,<br />

tritt da endlich aus. Meine Mitarbeiter vertreten<br />

ihre Interessen anders, individueller als das früher<br />

üblich war, aber sie könnten meinetwegen gerne<br />

einen Betriebsrat gründen.<br />

Machen sie aber nicht?<br />

Nein, ich laufe doch hinter denen her und will sie<br />

fest anstellen. Das sind junge Leute, <strong>die</strong> elektrisiert<br />

sind von der Höhe des Bruttohonorars. Ich bin ein<br />

bisschen älter, habe Kinder und sage, was meinst<br />

du eigentlich, wie viel Steuern ich zahlen will,<br />

wenn du später keine Rente bekommst? Wenn<br />

du jetzt immer nur deine tollen Bruttohonorare<br />

haben willst, noch ein Chromsofa – in vierzig Jahren<br />

kommst du an, kriegst keine Rente und landest<br />

dann in Sozialhilfe oder Hartz IV oder wie immer es<br />

dann heißen mag. Der Staat wird dann zu mir kom-<br />

10 stadtblatt: 2 | 2008 April - Mai<br />

men und sagen, <strong>Küppersbusch</strong>, zahl mehr Steuern,<br />

denn da ist wieder einer, der keine Rente kriegt.<br />

Also lass dich fest anstellen, dann hast du halt<br />

23 Prozent Abzüge, <strong>die</strong> hab ich auch, <strong>die</strong> muss ich<br />

als Arbeitgeber ja noch obendrauf zahlen. Die jungen<br />

Leute müssen sie von den Errungenschaften<br />

des Sozialstaats immer nochmal von vorne <strong>über</strong>zeugen.<br />

Die sind alle so jeck auf viel Geld.<br />

Sie sind seit einigen Jahren geschäftsführender<br />

Gesellschafter einer Fernsehproduktionsfirma<br />

mit 25 Mitarbeitern. Gibt es bei Ihnen<br />

eine bestimmte Unternehmensphilosophie?<br />

Wie schlägt sich Ihre Haltung in der Unternehmensführung<br />

nieder?<br />

Es gibt zum einen <strong>die</strong> Produktseite. Es gibt bis<br />

heute kein Produkt, für das ich mich schämen<br />

müsste. Das hat etwas damit zu tun, dass wir im<br />

Premiumsegment siedeln. Das hat wiederum zur<br />

Folge, dass wir nicht industriell fertigen. Das muss<br />

mich als Kaufmann eher schon einmal ärgern,<br />

weil man, wenn man einen Hit hat wie zum Beispiel<br />

„Maischberger“, eigentlich noch drei Sendungen<br />

machen müsste, <strong>die</strong> genauso funktionieren.<br />

Aber bei uns ist der nächste Hit dann „Der große<br />

Deutschtest“ mit Hape Kerkeling. Also von einer<br />

minimalistischen täglichen Sendung hin zu ganz<br />

großer Showbühne. Und nachdem das funktioniert<br />

hat, machen wir aber nicht vier Shows, sondern<br />

landen jetzt bei einer Dokusoap „Raus aus<br />

den Schulden“ mit Peter Zwegat. Es ist sehr manufaktürlich.<br />

Und ganz wichtig ist, dass es immer<br />

allen Spaß macht. Insofern sind wir vielleicht eher<br />

Künstler, um das Wort Spielkinder zu vermeiden.<br />

Aber inzwischen auf einem Niveau, wo es <strong>die</strong> Jobs<br />

nicht mehr gefährdet.<br />

Nach innen lege ich großen Wert darauf mit fest angestellten<br />

Mitarbeitern zu arbeiten. Es gibt in dem<br />

Job Koryphäen, <strong>die</strong> sich nicht fest anstellen lassen,<br />

Edelfedern, großartige Autoren, das muss ich dann<br />

hinnehmen, aber es ist <strong>die</strong> Ausnahme. Dazu bilden<br />

wir von Anfang an aus und haben jedem Auszubildenden<br />

immer eine Stelle angeboten.<br />

Was ist wichtiger, <strong>die</strong> Zufriedenheit mit<br />

dem eigenen medialen Produkt oder das<br />

Geldver<strong>die</strong>nen?<br />

In der schizophrenen Hälfte Kaufmann würde ich<br />

mir wünschen, dass es mir öfter ums Geld ver<strong>die</strong>-<br />

nen ginge, aber das klappt bei uns nicht so rich-<br />

tig. Ein großes Wachstumsrisiko in meiner Bran-<br />

che ist, dass sie schnell einen Gesellschafterkreis<br />

oder gar Aktionäre haben und dann jeden Scheiß<br />

machen müssen. Wenn erstmal der Aktionär jede<br />

Woche eine tolle Meldung lesen will, dann machen<br />

Sie „Girls Camp“. Das hält man nicht lange aus.<br />

Mein Aktionär bin ich selber zusammen mit meinem<br />

Partner. Und solange wir uns abstimmen und<br />

sagen, <strong>die</strong>ses Jahr ver<strong>die</strong>nen wir mal nichts … Nun,<br />

es gibt unterschiedliche Formen von Luxus. Man<br />

kann ein tolles Auto fahren oder tolle Reisen machen<br />

oder man kann als Luxus sagen, <strong>die</strong>se Kassette<br />

könnt ihr mir auf den Sarg legen. Ich stehe<br />

eher auf letzteren.<br />

Ihr Bereich in der Firma ist der der Formatentwicklung,<br />

Sie sind also derjenige, der nach<br />

neuen Ideen sucht und sich Fernsehsendungen<br />

ausdenkt. Wie funktioniert das, woher<br />

weiß man, dass ein neues Format erfolgreich<br />

sein kann?<br />

Oh, wenn Sie unsere Bilanz von 2005 lesen, wissen<br />

Sie, dass ich das auch nicht weiß. Es gibt drei Kassetten,<br />

<strong>die</strong> man mir auf den Sarg legen darf, zwei<br />

davon große Misserfolge, weiter sind wir noch<br />

nicht. Wir produzieren oft Sachen, von denen wir<br />

„Das Ruhrgebiet ist sozusagen ein deutsches Stück Irland.“<br />

denken: großartiges Fernsehen. Will leider keiner<br />

haben. Wenn Sie <strong>die</strong> Leute auf der Straße fragen,<br />

wor<strong>über</strong> <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n berichten sollten, dann sagen<br />

<strong>die</strong> Leute: Frauen, Umwelt, Europa, Geschichte,<br />

Tiere. Wenn Sie eine Sendung machen, <strong>die</strong> Frauen<br />

oder Europa heißt, sind alle weg. Wenn sie eine<br />

Mogelpackung machen, sind auf einmal alle wieder<br />

da. Es ist nicht einmal so, dass <strong>die</strong> Leute keine<br />

Frauen-, Europa- oder Umweltthemen wollen, sie<br />

haben nur so ein Gefühl von Schwarzbrot, wo<br />

außen schon draufsteht „ist gesund“, schmeckt<br />

deswegen nicht.<br />

Mein Briefkasten ist natürlich voll von Riesenvorschlägen.<br />

Und ich muss <strong>die</strong>sem Menschen dann<br />

antworten, der sich viel Mühe gegeben und acht<br />

Seiten voll geschrieben hat, dass das ungefähr soviel<br />

kostet wie der Bundeshaushalt, was er da als<br />

Fernsehsendung machen möchte, oder dass das<br />

schon vor zwanzig Jahren in Belgien keiner sehen<br />

wollte. Das ist ganz schwer. Deswegen machen<br />

wir <strong>die</strong>sen Teil der induktiven Formatentwicklung<br />

– am Tisch sitzen und <strong>über</strong>legen „es müsste doch<br />

mal“ – fast gar nicht. Mit den Sendern, mit denen<br />

wir zusammenarbeiten, sind wir ständig im Gespräch<br />

und fragen, wo tut es denn weh, wo seid<br />

ihr schlecht aufgestellt, in welche Richtung sollen<br />

wir mal nachdenken. Oder man fragt sich, warum


es an jeder Tankstelle zwanzig Special Interest-Zeit-<br />

schriften für Autos gibt, aber das letzte gute Auto-<br />

magazin, das ich gesehen habe, bei der BBC läuft.<br />

So denkt man da nach.<br />

Der Gründer der Firma <strong>Küppersbusch</strong> aus Gelsenkirchen<br />

hieß auch <strong>Friedrich</strong>, haben Sie mit<br />

den <strong>Küppersbusch</strong> was zu tun?<br />

Nein, da lege ich auch Wert drauf. Die waren lange<br />

Zeit lang Hauptsponsor von Schalke. Daran können<br />

Sie schon erkennen, dass ich mit denen nicht<br />

verwandt bin.<br />

Sie sind in Velbert geboren, leben seit Anfang<br />

der achtziger Jahre in Dortmund und arbeiten<br />

in Köln und in Berlin. Wie macht sich das Ruhrgebiet<br />

im Metropolenvergleich?<br />

Ich bin ein großer Freund der Geheimhaltung aller<br />

Vorzüge des Ruhrgebiets. Wenn wir hier weiter so<br />

leben wollen, dann müssen wir uns <strong>die</strong>, <strong>die</strong> heute<br />

in Schwabing und morgen in Potsdam leben, vom<br />

Hals halten. Man kann hier mindestens genauso<br />

gut leben wie in Schwabing und in Potsdam, nur<br />

für ein Drittel des Geldes. Die Irren können sich<br />

gern weiter um Top-Immobilien in Schwabing<br />

prügeln. Daher gebe ich jedem Recht, der mir erzählt,<br />

oh, in Dortmund, da fallen ja <strong>die</strong> Briketts<br />

vom Himmel. Hast du auch schon Staublunge? Ja,<br />

mir geht‘s auch schon scheiße, komm mich besser<br />

nicht besuchen.<br />

2010, im Jahr der Kulturhauptstadt, werden<br />

uns aber ganz viele besuchen kommen. Touristen<br />

im Ruhrgebiet – ist doch eine schöne<br />

Vorstellung oder nicht?<br />

Es wird immer Leute geben, <strong>die</strong> in Essen den Limbecker<br />

Platz abschwenken und sagen, haha, Kulturhauptstadt.<br />

Das wird <strong>die</strong> Leute hier beleben und<br />

hoffentlich eine Menge Geld in <strong>die</strong> Kassen derer<br />

spülen, <strong>die</strong> seit Jahren interessante künstlerische<br />

Sachen machen. Aber wir werden nicht Tourismusziel.<br />

Den Trick gibt es nicht, wie sie aus uns ein<br />

Tourismusziel machen, Gott sei Dank. Selbst der<br />

Regionalverband Ruhr hatte ja schon mehr Namen<br />

als Besucher. Das können <strong>die</strong> gerne weitermachen,<br />

das sichert Beschäftigung für viele ver<strong>die</strong>nte Sozialdemokraten,<br />

da bin ich sehr dafür.<br />

Ich halte das hier wirklich für einen Lebensraum<br />

und in <strong>die</strong>ser Hinsicht auch aus Imagegründen für<br />

weitgehend unzerstörbar. Das ist so ähnlich wie<br />

Urlaub in Irland. Das ist das schönste Land der<br />

Welt, nur da es <strong>die</strong>ses Regenimage hat, sind Sie<br />

dort immer alleine. Und da sie immer alleine sind,<br />

bleibt es auch das schönste Urlaubsland der Welt.<br />

Das Ruhrgebiet ist sozusagen ein deutsches Stück<br />

Irland. <br />

stadtblatt: 2 | 2008 April - Mai 11

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