Bibelarbeit zur Apostelgeschichte 16, 11-15 - Kirchensite
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<strong>Bibelarbeit</strong> <strong>zur</strong> <strong>Apostelgeschichte</strong> <strong>16</strong>,<strong>11</strong>-<strong>15</strong><br />
Der Herr öffnete ihr das Herz –<br />
Lydia und der Weg zum Glauben<br />
1. Einführung: Lydia<br />
Die Purpur-Händlerin Lydia, weil sie in den neutestamentlichen Schriften einmalig auftritt, können wir<br />
möglicherweise ihre Person und ihre Funktion übersehen. Sie ist aber eine wichtige Figur, die von Gott<br />
selbst erwählt wurde. Mit ihrem festen Glauben unterstützt sie <strong>zur</strong> Ausbreitung des Evangeliums eine<br />
urchristliche Gemeinde und vermutlich leitet sie sie sogar. Der Evangelist Lukas, der Verfasser der<br />
Apostelgeschiche, stellt ihre Berufung in die paulinische Missionsgeschichte. So wird deutlich, in welcher<br />
Art sie Gott dienen will. Die freundliche Zuwendung einer schlichten Frau zeigt uns den Weg zum<br />
Glauben. Mit ihr zusammen gehen wir dem Herrn entgehen.<br />
2. Der Text: <strong>Apostelgeschichte</strong> <strong>16</strong>,<strong>11</strong>-<strong>15</strong> (Einheitsübersetzung)<br />
<strong>11</strong> So brachen wir von Troas auf und fuhren auf dem kürzesten Weg nach Samothrake und am folgenden<br />
Tag nach Neapolis.<br />
12 Von dort gingen wir nach Philippi, in eine Stadt im ersten Bezirk von Mazedonien, eine Kolonie. In<br />
dieser Stadt hielten wir uns einige Tage auf.<br />
13 Am Sabbat gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluß, wo wir eine Gebetsstätte vermuteten.<br />
Wir setzten uns und sprachen zu den Frauen, die sich eingefunden hatten.<br />
14 Eine Frau namens Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; sie war eine Gottesfürchtige,<br />
und der Herr öffnete ihr das Herz, so dass sie den Worten des Paulus aufmerksam lauschte.<br />
<strong>15</strong> Als sie und alle, die zu ihrem Haus gehörten, getauft waren, bat sie: Wenn ihr überzeugt seid, dass<br />
ich fest an den Herrn glaube, kommt in mein Haus, und bleibt da. Und sie drängte uns.<br />
3. Zum Hintergrund<br />
Die zweite Missionsreise<br />
Die <strong>Apostelgeschichte</strong> erzählt von den sog. Missionsreisen des Paulus (Apg 13-14; <strong>15</strong>,36-18,22;<br />
18,23-21,17). Sie stellen sein apostolisches Wirken in der urchristlichen Epoche so intensiv dar, dass er<br />
der Missionar der Heiden genannt werden kann. Paulus bewegte sich nicht nur in den Städten Kleinasiens.<br />
Der geographische Raum seiner Missionsreise erstreckte sich über Makedonien bis nach Grie-
chenland. Die Landstriche, in denen er sein Evangelium verkündete, gehörten zum römischen Reich,<br />
das die Kaiser, deren Titel Imperator Caesar August lautete, regierten. Während der missionarischen<br />
Reisen fasste Paulus seine Briefe ab, die primär auf die Probleme einzelner Gemeinde bezogen waren,<br />
zugleich Tiefe Einblicke in sein theologisches Denken eröffnen.<br />
Nach der ersten Missionsreise trennt Paulus sich von Barnabas wegen eines Konflikts um Johannes<br />
Markus. Darauf folgt die sog. zweite Missionsreise, welche Paulus selbstständig mit seinem neuen Begleiter<br />
Silas unternimmt (Apg <strong>15</strong>,36-41). Zu seinem großen missionarischen Unternehmen nimmt er<br />
nicht nur die Heiden in Kleinasien in den Blick, sondern schaut auch auf Makedonier und Griechen.<br />
Nicht zuletzt das Apostelkonzil (Apg <strong>15</strong>) erzielt eine neue missionarische Wirkung; die bisherige Konzentration<br />
der Mission auf Palästina, Syrien und das südöstliche Kleinasien ist durchbrochen. Die<br />
Missionsreise erschließt eine neue Etappe. Sie markiert den Übergang des Evangeliums auf den anderen<br />
europäischen Kontinent. Paulus wurde aufgrund einer nächtlichen Vision nach Makedonien geführt<br />
(Apg <strong>16</strong>,9f.). Von dorther erreicht er auf dem üblichen Schiffweg die Hafenstadt Neapolis (heute: Kavalla)<br />
und dann über die Via Egnatia, die großen Ost-West-Traversale der Römer,das erste Missionsziel<br />
Europas: Philippi (Apg <strong>16</strong>,<strong>11</strong>f.). Dort erhält die paulinische Mission einen ersten europaeischen Stützpunkt.<br />
Der Missionsort, Philippi<br />
Lukas bezeichnet Philippi als "eine Stadt im ersten Bezirk von Mazedonien, eine Kolonie" (Apg<br />
<strong>16</strong>,12). Damit beschreibt er nicht nur ihre Lage, sondern auch ihren Status. Zur Zeit des Paulus war sie<br />
keine griechische Polis mit den Strukturen einer hellenistischen Stadt, sondern eine römische Gründung<br />
des Kaisers Augustus. So hieß sie offiziell damals Colonia Iulia Augusta Philippensis. Sie war<br />
politisch wie auch kulturell durch und durch römisch geprägt. Dort lebten ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen<br />
von alteingesessenen Thrakischen bis hin zu römischen Veteranen, es gab auch<br />
eine jüdische Minderheit. Verschiedene Religionen waren ebenso präsent wie unterschiedliche politische<br />
Interessen und kulturelle Traditionen. Verehrung genossen sowohl die alten italienischen Land-<br />
und Fruchtbarkeitgötter (z.B. Silvanus), wie auch die thraktischen oder die ägyptischen Götter. Im Territorium<br />
Colonia Iulia Augusta Philippensis befand sich also ein weiter religiöse Markt.<br />
Auf der zweiten Missionsreise besuchte Paulus diese römische Provinzstadt im griechischen Makedonien.<br />
Dort hat er die erste christliche Gemeinde Europas gegründet. Der Brief an die Philipper, den er<br />
ca. 5 Jahre später aus dem Gefängnis (in Ephesus oder Rom) geschrieben hat, bestätigt die Gründung<br />
der Gemeinde in Philippi. Für Paulus gilt diese makedonische Gemeinde als seine "Lieblingsgemeinde",<br />
denn mit keiner Gemeinde war er "durch Geben und Nehmen verbunden" außer mit ihr (Phil<br />
4,<strong>15</strong>). Sie war die einzige, von der Paulus ausnahmsweise finanzielle Unterstützung annahm (vgl. 2<br />
Kor <strong>11</strong>,9; Phil 4,10.<strong>16</strong>).<br />
4. Aufbau<br />
Im ersten Teil (Apg <strong>16</strong>,<strong>11</strong>f.) handelt es sich um den Reisebericht von Troas nach Philippi, welcher eine<br />
neue Erzählung von der Bekehrung der Lydia einleitet. Dass Paulus in die römische Kolonie kommt,<br />
ist dem Hilferuf eines Makedoniers geschuldet. Von der Gewissheit über die Berufung Gottes, das<br />
Evangelium zu verkünden, werden Paulus und Silas nach Makedonien geführt (Apg <strong>16</strong>,10).<br />
Der zweite Teil (Apg <strong>16</strong>,13-<strong>15</strong>) spricht von der Mission des Paulus und des Silas in Philippi. Sie konzentriert<br />
sich vor allem auf eine Purpurhändlerin namens Lydia, eine Gottesfürchtige, die auf die Worte<br />
des Paulus aufmerksam und durch die Taufe die erste Christin Europas wird. Im Rahmen des apostolischen<br />
Wirkens in Philippi hat Lydia eine parallele Figur, den Gefängnisaufseher, der ebenfalls aufgrund<br />
der Verkündigung der Missionare zum Glauben an Jesus Christus gelangt und sich taufen lässt<br />
(Apg <strong>16</strong>,25-34).
Beide Teile sind erzählerisch miteinander verbunden, indem Lukas vom mehrtägigen Aufenthalt des<br />
Paulus in Philippi berichtet (Apg <strong>16</strong>,12). Die Mission des Paulus und des Silas endet keineswegs mit<br />
der Taufe der Lydia. Die Verkündigung des Evangeliums ergeht weiter an die Menschen der römischen<br />
Kolonie, vor allem an die wahrsagende Sklavin und den bekehrten Gefängnisaufseher (Apg <strong>16</strong>,<strong>16</strong>-39).<br />
Das missionarische Wirken in Philippi verbindet sich mit dem Abschied von der Gemeinde im Haus<br />
der Lydia (Apg <strong>16</strong>,40).<br />
Eine Begegnung mit der Gottesfürchtigen Lydia<br />
Die erste Verkündigung des Evangeliums in Philippi ergeht am Sabbat. Paulus und Silas begeben sich<br />
<strong>zur</strong> "Gebetsstätte" am Fluss. Dort, wo möglicherweise der im Judentum vorgeschriebene Kult der Reinigung<br />
mit dem fließenden Gewässer begangen wird, finden sie nur einige Frauen, die wahrscheinlich<br />
beten. Die Missionare führen zunächst ein Gespräch mit ihnen (Apg <strong>16</strong>,13). Da Philippi <strong>zur</strong> Zeit des<br />
Paulus nur eine kleine jüdische Bevölkerung hatte, wird man eher an eine jüdische "Gebetsstätte" (proseuche)<br />
unter freiem Himmel als an ein echtes Synagogengebäude zu denken haben. Worüber sie mit<br />
den Frauen sprechen und wie sie dort auf Lydia treffen, erzählt Lukas nicht. Sie aber wird in den Mittelpunkt<br />
der Erzählung gestellt, indem Lukas diese bestimmte Frau aus dem Gebetskreis namentlich<br />
erwähnt und dann über den Vorgang ihrer Bekehrung erzählt.<br />
Der Name Lydia bedeutet "die Lydierin" bzw. "die Lydische". Er deutet ihre Herkunft an, also die<br />
Stadt Thyatira in Lydien (Offb 1,<strong>11</strong>; 2,18-29), wo Textilhandwerk und Purpurfärber damals sehr berühmt<br />
waren. Vermutlich hat eine lydische Frau sich aus geschäftlichen Gründen in Philippi niedergelassen.<br />
Sie war Purpurhändlerin von Beruf, eine wohlhabende und wirtschaftlich unabhängige Frau.<br />
Der Erzähler verzichtet darauf, ihren Familienstand zu klären. Er interessiet sich vielmehr für ihre Religion;<br />
mit "Gottesfürchtige" wird ihr religiöser Status charakterisiert. Lukas stellte zuvor einen frommen<br />
und gottesfürchtigen Hauptmann namens Kornelius in Cäsarea vor, der "dem Volk reichlich Almosen<br />
gab und beständig zu Gott betete" (Apg 10,2). Auch Lydia verehrte den Gott Israels als alleinigen<br />
Gott. Ihre Lebensweise orientierte sich an der jüdischen Religion. Sie nahm das Judentum aber<br />
nicht vollständig an, sondern sympathisierte mit den jüdischen Glaubensinhalten und Lebensregeln.<br />
Weil sie nicht komplett zum Judentum übertrat, wurde sie von Jüdinnen und Juden nicht als vollwertig<br />
angesehen. Diese selbstständige, religiös geprägte Geschäftsfrau, die aus der Stadt Thyatira in Lydien<br />
stammte, nimmt der Herr in sein Herz.<br />
Mit der Geschichte von der Purpurhändlerin Lydia erzählt Lukas nicht zuletzt ihre Berufung, deren Initiative<br />
von Gott ausgeht. Aus dem Hintergrund tritt Er an sie heran, indem er ihr das Herz öffnet (Apg<br />
<strong>16</strong>,14). Deshalb lässt sie sich auf die Worte des Paulus ein. Gott, der sie erwählt, wirkt dadurch, dass<br />
Paulus das Evangelium verkündet: "Lydias Hinwendung zum christlichen Glauben ist nicht eigentlich<br />
ein Erfolg der Beredsamkeit des Paulus, sondern Gottes eigenes Werk." (Eckey, Apg 2, 36 2.). Der<br />
frommen Aufmerksamkeit folgt unmittelbar die Taufe, die sie in die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen<br />
Gott einschließt. Heute befindet sich in Philippi eine kleine Andachtsstätte <strong>zur</strong> Ehre der Lydia, ein<br />
neues Baptisterium am kleinen Fluss, das in historischer Hinsicht unbedeutend ist, jedoch die Gläubigen<br />
<strong>zur</strong> Erinnerung an die Taufe der ersten Christin Europas ruft.<br />
Der Weg der Gottesfürchtigen zum Glauben<br />
Die Bekehrung der Lydia wird sehr summarisch erzählt. Wie die gottesfürchtige Frau das Evangelium<br />
annimmt, beschreibt Lukas mit knappen Worten. "Es kommt dem Erzähler darauf an, dass es Gott<br />
selbst ist, der in den Worten des Paulus wirkt, indem er ihr ‚das Herz öffnet‘" (Roloff, Apg, 245.). Der<br />
Weg zum Glauben wird in dreifacher Reihung gezeigt.<br />
Erstens: Lydia antwortet auf Gottes Anruf, indem sie zunächst den Worten des Paulus zuhört. Das Hören<br />
erwirkt den Glauben (vgl. Röm 10,17). Sie zögert nicht, auf den Anruf Gottes zu reagieren. So wie<br />
Gott ihr das Herz öffnet, so öffnet sie auch ihm ihr ganzes Herz. In der Kraft des Herrn geht ihr das<br />
Herz auf, damit sie die Botschaft Christi in sich aufnimmt. Aus ihrer hörenden Konzentration auf das
Evangelium ergibt sich unmittelbar das Ereignis ihrer Taufe.<br />
Zweitens: Die Taufe macht Lydia <strong>zur</strong> Christin. Sie ist nicht mehr eine Gottesfürchtige, sondern eine<br />
Glaubende. Aber vom wem (Paulus oder Silas) sie getauft wurde, erzählt Lukas nicht. Man weiß nur,<br />
dass sie mit ihrem Haus, ihrer Familie (und auch den Frauen und Männern, die in ihrem Betrieb mitarbeiten)<br />
zusammen getauft wurde.<br />
Drittens: Aus der Taufe der Lydia wird eine entscheidende Konsequenz gezogen, nämlich Gastfreundschaft.<br />
Ihr Glaube an Jesus Christus wird in der Praxis verwirklicht. Die Erstbekehrte lädt Paulus und<br />
Silas zu sich ein, damit sie Quartier nehmen können. Ihr Haus, das sie ihnen öffnet, ist die erste Hausgemeinde<br />
in der makedonischen Stadt Philippi, die Versammlungsstätte, wo die Christen später beten<br />
werden. Der Akt ihres freien Willens begründet eine hohe Wertschätzung im Urchristentum. Ihre verantwortungsvolle<br />
Führungsrolle für eine urchristliche Gemeinde ist bedeutsam.<br />
Lydia ist eine erzählerische Randfigur. Das bedeutet keineswegs soziale oder ökonomische Randständigkeit.<br />
Sie war eine Frau, die wirtschaftlich erfolgreich und bewusst religiös orientiert, familiär unabhängig<br />
und sozial engagiert war. Lukas charakterisiert sie mit wenigen, aber aussagekräftigen Worten.<br />
Indem er sich vornehmlich auf ihre Person und ihre Geschichte konzentriert, kommt das Zentrum der<br />
Erzählung, der Weg Lydias zum Glauben an Gott, <strong>zur</strong> Geltung. Lydia ist ein Prototyp. Sie lädt alle Leserinnen<br />
und Leser der Erzählung <strong>zur</strong> Identifikation ein. Sie zeigt ihnen, wie sie das Leben in Fülle gewinnen<br />
könne und was eigentlich echter Glaube ist.<br />
5. Anregungen <strong>zur</strong> <strong>Bibelarbeit</strong><br />
1. Lesen Sie den Bibeltext Apg <strong>16</strong>,<strong>11</strong>-<strong>15</strong>. Es hilft, den Inhalt besser zu verstehen, wenn Sie ihn mehrmals<br />
lesen oder die gesamte Missionsgeschichte in Philippi lesen (Apg <strong>16</strong>,<strong>11</strong>-40).<br />
2. Beantworten Sie folgende Fragen; in einer Kleinegruppe können Sie sich austauschen (auf der<br />
Grundlage von Hedwig Lamberty-Zielinski).<br />
• Was spricht mich am Text besonders an?<br />
• Was widerstrebt mir?<br />
• Was verstehe ich nicht?<br />
• Was wird hier alles über Lydia gesagt, und wie wirkt das auf mich?<br />
• Wie empfinde ich Lydias Gastfreundschaft?<br />
• Was heißt für mich, dass "der Herr mein Herz öffnet"?<br />
3. Vergleichen Sie die gottesfürchtige Frau Lydia mit dem gottesfürchtigen Hauptmann Kornelius (Apg<br />
10).<br />
6. Literatur<br />
• Jürgen Roloff, Die <strong>Apostelgeschichte</strong> (NTD 5), Göttingen 192010.<br />
• Wilfried Eckey, Die <strong>Apostelgeschichte</strong>. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom<br />
(Teilbd. 2), Neukirchen-Vluyn 2000.<br />
• Eva Ebel, Lydia und Berenike treffen Paulus. Begegnung mit und ohne Folge, in: Bibel und<br />
Kirche 65,4 (2010), 233-237.
Pfarrer Angelo Chung,<br />
Ruhr-Universität Bochum.<br />
Katholisches Bibelwerk im Bistum Münster<br />
(www.bibelwerk.de)<br />
in Kooperation mit<br />
kirchensite.de - online mit dem Bistum Münster<br />
(kirchensite.de)<br />
Foto: Archiv, Januar 2012<br />
Weitere <strong>Bibelarbeit</strong>en im Internet:<br />
www.kirchensite.de/bibelarbeiten