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Neu: Differentialgleichungen entkoppeln - Kulturserver

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<strong>Differentialgleichungen</strong> <strong>entkoppeln</strong><br />

1 Einleitung<br />

Jens Klein<br />

24. Dezember 2009<br />

In diesem Artikel geht es darum anhand einer Aufgabe der theoretischen Physik das<br />

Entkoppeln von <strong>Differentialgleichungen</strong> zu veranschaulichen. Dabei handelt es meist um<br />

Bewegungsgleichungen für Teilchen, die miteinander verbunden, d.h. gekoppelt, sind und<br />

daher nicht mit den bisher angewandten Standard-Verfahren gelöst werden können. Das<br />

Entkoppeln dient dem Zweck, die Bewegungsgleichungen voneinander unabhängig zu<br />

machen und jeweils für sich betrachten zu können. Die Aufgabe ist folgende:<br />

2 Aufgabe:<br />

Zwei gekoppelte Massepunkte im homogenen Gravitationsfeld<br />

Zwei Massepunkte mit den Massen m1 und m2 und den Koordinaten r1 und r2 sollen<br />

sich im homogenen Gravitationsfeld g = −g ez befinden und durch eine Feder mit der<br />

Federkonstante f und der Ruhelänge l0 gekoppelt sein.<br />

a) Wie lautet das Potential V (r1, r2)? Geben Sie die Newtonschen Bewegungsgleichungen<br />

der Massepunkte an.<br />

b) Führen Sie nun Relativ- und Schwerpunktkoordinaten ein, r = r1 − r2 als Relativkoordinate<br />

und R = m1r1+m2r2 als Schwerpunktkoordinate. Transformieren Sie die Bewe-<br />

m1+m2<br />

gungsgleichungen auf diese Koordinaten. Verwenden Sie die Gesamtmasse M = m1 +m2<br />

und die reduzierte Masse µ = m1m2 . Wie lautet das neue Potential V(R, r)?<br />

m1+m2<br />

c) Wie lauten die allgemeinen Lösungen der transformierten Bewegungsgleichungen?<br />

Hier wird die Entkoppelung also an einem Beispiel zweier durch eine Feder verbundenen<br />

Masseteilchen in einem Kraftfeld gezeigt. Die Länge der Feder soll dabei auch<br />

berücksichtig werden.<br />

1


3 Lösung<br />

Lösung von Aufgabenteil a):<br />

Das Potential setzt sich aus drei Teilen zusammen:<br />

1. Dem Potential von m1, genannt V1<br />

2. Dem Potential von m2, genannt V2<br />

3. Dem Potential, das von der Kopplung von m1 und m2 herrührt, im folgenden V1,2<br />

genannt.<br />

Die Teile will man nun nacheinander konstruieren. Für die Potentiale von m1 und<br />

m2 setzt man wie gewohnt einfach V1(r1) = m1 · g · ez und V2(r2) = m2 · g · ez. Das<br />

sind die potentiellen Energien der Masseteilchen. Schwieriger wird es beim gekoppelten<br />

Federpotential, denn wie gesagt spielt auch die Länge der Feder eine Rolle. So ergibt sich<br />

für die Auslenkung aus der Ruhelage der Term |r1 − r2| − l0, wie geometrisch ersichtlich<br />

ist. Der dritte Term des Potentials ist damit V1,2(|r1 − r2|) = 1<br />

2 ·f ·(|r1 − r2|−l0) 2 . Hier ist<br />

die Energie der Feder beschrieben. Das Potential ist nun die Summe dieser Ergebnisse:<br />

V (r1, r2) = V1(r1) + V2(r2) + V1,2(|r1 − r2|)<br />

= m1gez + m2gez + 1<br />

2 f(|r1 − r2| − l0) 2<br />

Damit ist das Potential gefunden. Ausgehend davon werden nun die Bewegungsgleichungen<br />

aufgestellt. Bisher wissen wir, dass der Zusammenhang zwischen der Kraft und<br />

dem zugehörigen Potential wie folgt aussieht:<br />

Kraft auf Massepunkt 1: F1 = − ∇r1V (r1, r2)<br />

Kraft auf Massepunkt 2: F2 = − ∇r2V (r1, r2)<br />

Das partielle Ableiten (wo nötig, an die innere Ableitung denken) des Potentials<br />

V (r1, r2) liefert also<br />

r1 − r2<br />

−m1gez − f(|r1 − r2| − l0) · r1 − r2<br />

|r1 − r2| = −m1gez − f · (r1 − r2 − l0 ) = m1¨r1<br />

|r1 − r2|<br />

r1 − r2<br />

−m2gez + f(|r1 − r2| − l0) · r1 − r2<br />

|r1 − r2| = −m2gez + f · (r1 − r2 − l0 ) = m2¨r2<br />

|r1 − r2|<br />

Damit ist Aufgabenteil a) gelöst und die Newtonschen Bewegungsgleichungen der<br />

Masseteilchen lauten:<br />

r1 − r2<br />

m1¨r1 = −m1gez − f · (r1 − r2 − l0 ) (1)<br />

|r1 − r2|<br />

r1 − r2<br />

m2¨r2 = −m2gez + f · (r1 − r2 − l0 ) (2)<br />

|r1 − r2|<br />

2


Lösung von Aufgabenteil b): Bei genauerem Hinsehen erkennt man in den aufgestellten<br />

Bewegungsgleichungen die Struktur von <strong>Differentialgleichungen</strong>, die miteinander<br />

gekoppelt sind. Das bedeutet, dass die Gleichungen nicht nur von einer, sondern<br />

von mehreren Koordinaten abhängen, hier r1 und r2. Um die Bewegung des Systems<br />

sinnvoll beschreiben zu können muss man diese <strong>entkoppeln</strong>. Dabei werden neue Koordinaten,<br />

hier Relativ- und Schwerpunktkoordinaten, eingeführt und damit die Gleichungen<br />

so umgeformt, dass jede Bewegungsgleichung nur die zu ihr gehörige Koordinate enthält.<br />

Nun schreibt man die Gleichungen mit Hilfe der Relativkoordinate r = r1 − r2 um zu:<br />

m1¨r1 =<br />

r<br />

−m1gez − f · (r − l0 )<br />

|r|<br />

(3)<br />

m2¨r2 =<br />

r<br />

−m2gez + f · (r − l0 )<br />

|r|<br />

(4)<br />

In den Gleichungen (3) und (4) erkennt man die Struktur einer einfachen Bewegungsgleichung<br />

bezüglich der Relativkoordinate r = r1 − r2, die schon eingeführt wurde.<br />

Jetzt nimmt man noch eine Schwerpunktskoordinate R =: m1r1+m2r2 , die Gesamtmasse<br />

m1+m2<br />

M = m1 + m2 und die reduzierte Masse µ = m1m2 . Daraus soll das neue Potential<br />

m1+m2<br />

V (R, r) entstehen, das nur von der Schwerpunkts- und Relativkoordinate abhängt. Der<br />

eigentliche Vorgang des Entkoppelns besteht nun aus dem geschickten Addieren und<br />

Subtrahieren der Gleichungen (3) und (4). Geschickt“ heißt, dass man eventuell noch<br />

”<br />

vor den Operationen die Gleichungen mit einem Term, z.b. der Masse, durchmultiplizieren<br />

muss. Im Konkreten Fall werden die Gleichungen addiert und durch die Gesamtmasse<br />

geteilt:<br />

(3) + (4)<br />

M ⇒ M ¨ R = −Mg · ez ⇔ ¨ R = −g · ez (5)<br />

Man erkennt leicht, dass der Schwerpunkt unabhängig vom Federpotential ist, er fällt<br />

also lediglich im Kraftfeld nach unten. Die inneren Kräfte ändern nichts an der Schwerpunktbewegung.<br />

Von der Relativkoordinate erwarten wir, dass diese die Schwingung<br />

beschreibt, ohne das Potential (und damit das vorhandene Kraftfeld) zu beachten. Hier<br />

werden die Gleichungen geschickt durchmultipliziert, subtrahiert und durch die Gesamtmasse<br />

geteilt:<br />

m2 · (3) + m1 · (4)<br />

M<br />

⇒ m1m2<br />

(¨r1 − ¨r2)<br />

M<br />

<br />

=µ<br />

= −m2f r −m1f r<br />

(r − l0 ) − (r − l0<br />

M |r| M |r| )<br />

= − (m1 + m2) r<br />

f(r − l0<br />

M<br />

|r| )<br />

=<br />

r<br />

−f(r − l0 )<br />

|r|<br />

(6)<br />

3


Die Gleichung (5) ist nun die Bewegungsgleichung (zweimaliges integrieren liefert den<br />

Faktor 1<br />

2 t2 , also die bekannte Gleichung des Fallens). Die Gleichung (6) ist umgeformt<br />

r<br />

r<br />

µ¨r = −f(r − l0 ) ⇐⇒ µ¨r + fr − fl0 = 0<br />

|r| |r|<br />

Diese Gleichung hat die Formeiner normalen Schwingungsgleichung, wie wir sie schon<br />

f<br />

kennen mit der Frequenz ω = µ , in der die reduzierte Masse auftaucht. Das lässt sich<br />

lösen wie eine ganz normale Differentialgleichung, ohne dass jetzt noch eine Kopplung<br />

beachtet werden muss.<br />

Die auf diesem Weg gewonnen Gleichungen (5) und (6) bilden das von den Relativund<br />

Schwerpunktkoordinaten abhängige Potential V (R, r):<br />

r<br />

V (R, r) = −Mg · ez − f(r − l0<br />

|r| )<br />

Damit ist das Potential gefunden und Aufgabenteil b) gelöst.<br />

Lösung von Aufgabenteil c): Allgemeine Lösungen der transformierten Bewegungsgleichungen<br />

(d.h. in den neuen Relativ- und Schwerpunktkoordinaten) sind:<br />

R = A + Bt + 1<br />

2 gt2 ez<br />

r = C · e iωt + D · e −iωt<br />

<br />

f<br />

Hier ist die Frequenz ω = µ . A, B, C und D sind durch die Anfangsbedingungen<br />

gegeben und können rechnerisch bestimmt werden.<br />

4

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