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Infos zu Hermann Feiling und Sibylle Straub - Social History Portal

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SCffwERVERLETZT 4 1/2 Monate in der GEWALT DES WE STDEUTSCHEN<br />

STAATSSCHUTZES<br />

---- /<br />

Am Freitag, den 23.6.78, explodierte im Zimmer von <strong>Hermann</strong><br />

<strong>Feiling</strong> in Heidelberg Sprengstoff. Er ~rurde bei der Explosion .<br />

schwer verletzt <strong>und</strong> ihm mußten bei einerOperation beide Beine<br />

abgenommen werden, außerdem verlor er sein Augenlicht. Kurz<br />

nach dieser sehr schweren, lebengefährlichen Operation wurde<br />

<strong>Hermann</strong> einer sogen~ten Anhörung der Heidelberger.Staata­<br />

anwaltschaft (Oberstaatsanwalt Wechsung) unterzogen. Eine<br />

/ Anhörung ist kein Verhör, deshalb auch angeblich kein Verstoß<br />

gegen § 136a Stpo, der die Vernehmung lebensgefährlich verlet­<br />

zter Personen verbietet. Rechtlich existiert der Begriff der.<br />

Anhörung überhaupt nicht. Daß diese Anhörung für <strong>Hermann</strong>, der<br />

kurz nach der Operation natürlich noch',)unter dem Einfluß der<br />

Narkose <strong>und</strong> starken schmerzstillenden Medikamenten stand, le­<br />

bensgefährlich war, interessierte Polizei <strong>und</strong> Staatsanwalt­<br />

schaft nicht.<br />

Am 24.6.78 wurde -<strong>Sibylle</strong><br />

StD'aub, <strong>Hermann</strong>s -Fre<strong>und</strong>in, auf offener<br />

Straße verhaftet <strong>und</strong> zwei Tage später nach Stammheim gebracht.<br />

Begründet mit "Aussagen" von <strong>Hermann</strong> wurde gegen sie ein Er­<br />

mittlungsverfal).ren nach § 129a (u:.L:erroristischeVereinigung")<br />

eingeleitet. In Stammheim saß sie neun Monate in (Fast-)Isola­<br />

tion. Am 22.3.79 wurde der Haftbefehl gegen sie außer Voll<strong>zu</strong>g<br />

gesetzt, <strong>und</strong> sie wurde nach Stellung ein Kaution <strong>und</strong> mit Auf­<br />

lagen aus dem Gefängnis entlassen.<br />

Ebenfalls begründet mit "Aussagen" von <strong>Hermann</strong> war 1m September<br />

in Frankfurt Sylvia Herzinger unter § 129a-Verdacht festge­<br />

nommen worden. Sie wurde schon Anfang Februar gegen Stellung<br />

einer Kaution <strong>und</strong> mit Auflagen weider auf freien Fuß gesetzt.<br />

~ermann ~. <strong>Feiling</strong> war vom 23. Juni bis ~nde Oktober in der Gewalt<br />

der Po~zei. Gegen ihn wurde nie ein Haftbefehl verkündet.<br />

Trotzdem war er in verschiedenen Krankenhäusern ~Heldelberg,<br />

r'iünster,Papenburg) <strong>und</strong> in Polizeikasernen (1) in Oldenburg <strong>und</strong><br />

Münster quasi inhaftiert. Diese Vorgehensweise von Polizei<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esanwaltschaft entbehrte natürlich jeglicheu recht­<br />

lichen G»<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> ist bisher einmalig in der BRD.<br />

Nicht einmalig ist allerdings, daß schwerverletzte bzw. haftun­<br />

fähige Menschen in das Isolationsfolterkonzept des b<strong>und</strong>es<br />

republikanischen Staatsschutzes einbezogen werden. Gegen Günter


"18onnenbergz. il., eine;. Gefangenen aus der RAFtder bei<br />

•.. I ~<br />

seiner Verhaftung 1977 einen Xopfschuß erh1e~tt wurde in bewußt-<br />

~osemZustand ein Haftbefehl verkündet. Er ~nlrdemanatel~~ völlig<br />

isoliert in Spezialzellen <strong>und</strong> Spezialtrakten gehalten, er \~de<br />

mehrfach trotz Lebensgefahr verlegt <strong>und</strong> von Krliainalbeamten <strong>und</strong> Be­<br />

\'1achernterrorisiert. indem er z. B. mitten in der liacht ge-<br />

\-leckt <strong>und</strong> verhört wurde oder mi1; l'1a.achinenpistolen bedroht wurde.<br />

Inzwischen wurde GUnter Sonnenberg, ein haftun:fä.h.iger<br />

I~t <strong>zu</strong> lebenslanger Haft verurteilt.<br />

Die Einbeziehung Sch\'1nrverletzter in die kriegsmäßige eta.tliche<br />

Bekämpfungder Stadtguerilla hat <strong>zu</strong>meinen den ZweckInforma-<br />

, '4<br />

tionen <strong>zu</strong> erpres3en. DarUber hinaus 1st bezweckt, .' , .. fi:~ PlJyslsch<br />

kranke <strong>und</strong> ps~rchisch zerbroehene Leute der Öffentlichkeit vor<strong>zu</strong>fUhren,<br />

umso die Po1!t1k. derer sie beschuldigt werden, <strong>zu</strong><br />

diffamieren. Woder Versuch der Zerstörung der politischen Identität<br />

nicht erfolgreich istode)r zU werden verspricht, greift<br />

. der Staatsschutz häufig <strong>zu</strong>mI,Uttel der direkten physisohen Vernichtung.<br />

Dies wird deutlich an der Behandlung GUnter Sonnenbergs.<br />

weiter auch an der Erschießung Elisabeth von Dycka <strong>und</strong><br />

W.-P. stolls <strong>und</strong> an der versuchten ErschießUng von Ro1f Heiß1er.<br />

Im f'ol:enden wird als ein Beispiel für die Behandlung Schwerverletzter<br />

die Situation Rermann<strong>Feiling</strong>s bis <strong>zu</strong> ssiner Freilassung<br />

im Oktober beschrieben.<br />

N,achricntensperre in den 1'1edien<strong>und</strong> Isola-tion<br />

Die Ver:f'Ugbarkeitvon <strong>Hermann</strong>war der Gr<strong>und</strong> :für eine äußerst<br />

enge Zusammenarbeitvon Justiz. Polizei <strong>und</strong> Presse. Bezüglich<br />

<strong>Hermann</strong>statsächlichem Bef'inden <strong>und</strong> seiner Situation während<br />

seiner 4 2/2monatigen Gefa.nJ.senschaftherrschte (<strong>und</strong> herrscht )<br />

in den bürgerlichen Medien eine Nachrichtensperre.<br />

In anderer Richtung war manberedter: ZVlei\vochennach der Explosion<br />

sagte Generalb<strong>und</strong>esanwalt Rebmannauf einer Presskon­<br />

.terenz, \


-<br />

der RZ <strong>zu</strong> erreichen, um <strong>zu</strong> Unvorsichtigkeiten <strong>zu</strong> provozieren,<br />

,<br />

die sie dann selbst verraten sollten.<br />

- Weiter ~rurde in den Medien eine propagandistische AusschlachtUD8<br />

von llermaJUls,Verlet<strong>zu</strong>ngen vorgenommen <strong>und</strong> ~e:L."'Itlanns Vorverur­<br />

teilung betrieben.<br />

Das wichtigste Hittel, diese Ziele <strong>zu</strong> erreichen \-{ar<strong>Hermann</strong><br />

selbst. Eine \


4<br />

für Bermann dar, da bereits Leute versucht hätten, <strong>zu</strong>


{<br />

5<br />

wenn man die Augen aufmacht - eine Mögliclikeit. die ~ermann<br />

nicht hat. Reden ~nxrde somit für ihn <strong>zu</strong> einem existenziellen<br />

Bedürfnis, es war die einzige Möglichkeit, Angst, Spannung, das<br />

Gefühl der Bedrohung ab<strong>zu</strong>bauen. Doch um reden <strong>zu</strong> können, war er<br />

voll auf die angewiesen, die ihn in ihrer G-e\"Ialthatten. Das<br />

Antworten auf Fragen ~~de <strong>zu</strong>r Bedingung gesetzt für Reden überhaupt<br />

Das Herstellen einer dauernden Streßsituation durch die Erzeugung<br />

von Angst, Unsicherheit, durch De@onstration von ~~cht <strong>und</strong> unmittel­<br />

baren Drohungen, gehört <strong>zu</strong> den wesentlichen Methoden der Folter.<br />

ltermann el.~1nn.ertsich, da~ seine l3ewacher Tag <strong>und</strong> liacht um ihn<br />

waren, ganz <strong>zu</strong> Anfang hörte er die Frage an se~e l'Jlutter,ob sie<br />

auch damit einverstanden sei, ihn in einem Landeskran1cenhaus<br />

unter<strong>zu</strong>bringen" Eine gezielte Drehung, ihn bei nicht genehmen Ver­<br />

halten hinter Psychiutriemauern verschwinden <strong>zu</strong> lassen. Bermanns<br />

Reaktion \-/ar entsprechend, sein Gedanke war: Die hal tan mich<br />

sehen für so verworren, .daß sie mich in die Psychiatrie stecken<br />

wollen. Die unmittelbare Ko~~equenz aus dieser hilflosen Angst<br />

war, alles <strong>zu</strong> verm~ident was ihnen Indizien dafür liefern, ihren<br />

Plan begdnstigen könnte.<br />

Diese Angst, der Zwang, sich in einer annormalen Situation gemäß<br />

ihren I1aßstäben so nOl.1malwie möglich verhalten <strong>zu</strong> ~üssen, tYf~tt<br />

führte <strong>zu</strong> ständiger Selbstbeobachtung - vor allem, wenn seine Bewacher<br />

unmittelbar im Raum waren. Deren dauernde Anwesenheit war<br />

auch die Erfahrung unverhUJ.lter Todesdrohungen. 30 sagte ihm ein<br />

.Beamter der Sonderkommission namens Aicheler (\'{örtlich): er es gibt<br />

ja BO eL."'lige,die Ihn~n hier gern eine Spritze verpassen würden. U<br />

.. \.<br />

Ein anderer redete <strong>zu</strong> ihm von den :.i.:oten in 8tammt,~heim<strong>und</strong> wollte<br />

ihm gegenüber widerlegen, daß sie ermordet worden seien - <strong>Hermann</strong><br />

assozie:cte sofort, daß dieses ua'esprächlf der Vorbereitung seines<br />

eigenen Todes diente. Die Geschickte, zwei seiner Fre<strong>und</strong>e wären<br />

gekommen, um ihn um<strong>zu</strong>bringen, hat <strong>Hermann</strong> nie geglaubt. Er proje­<br />

zierte den Gedanken jedoch voll auf aeineBewacher, womit die<br />

Lüge ihre beabsichtigte Wirkung auch erfüllte.<br />

<strong>Hermann</strong>s ständige Angot. sie wfu:'denihn umbringen (<strong>und</strong> die Er­<br />

fahrung in der ERD zeigt, daß sie nicht unrealistisch ist), das<br />

Gefühl der unmittelbaz'en Lebensbedrohung - noch dadurch verstärkt,<br />

da~ die ~Ülen auch n::whts stli..'t).dig hin- <strong>und</strong> herliefen - konnte<br />

nur dadurch erträglich gemacht werden, daß er sie ansprach. Durch<br />

das Hören der eigenen Stimme versuchte er dich die Angst etwas<br />

;.,;:u nehmen <strong>und</strong> ihnen <strong>zu</strong> zeigen, da.3 er wach sei. Dieser Zwang, den<br />

Drohungen nur seIne Aumerksamke1t entgegensetzen <strong>zu</strong> können,


edeutete für ,l.J..ermann teil'ltleisen0chla.:fent<strong>zu</strong>g.<br />

6<br />

Amnesty International schreibt in dem Buch "Bericht über die<br />

Folter", es sei das er3te Ziel des Folterers, den ausgleichenden<br />

inneren Halt <strong>und</strong> die ge\'lolmheitsmäßigen Al>\iehrliH.-Jchani8llien des<br />

Opfers <strong>zu</strong> 3chvlächen. Weiter \'lirdaU3geführt, daß mit dem körper­<br />

lichen Zusammenbruch (bei Eerma.'1!lbereits vorgegeben) fleine Schä­<br />

digunS all jener Hirnfunktionen erreicht werden soll, die ein<br />

Arzt bei der Untersuchung des 'Geistes<strong>zu</strong>standes' seiner<br />

ratienten norma~ervleise beurteilt. Ein Patient, der dieses Syn-<br />

drom zeigt, kann seinen normalen, ver3chiedenur1;igen,," ,:,..' .:.~;/<br />

Aktivitäten nicht mehr nachgehen, seine tägliche Verantwortung<br />

nicht wieder aufnehmen <strong>und</strong> ist. zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

nicht gewachsen. Während der weiteren Entwidklung'der Symptome<br />

wird er möglicllerweise ruhelos. redselig <strong>und</strong> irre •••• Informa­<br />

tionen aus früheren Erfahrungen verlieren als Handlungsrichtli­<br />

nien an Bedeutung. während Informationen aus der unmittelbaren<br />

Erfahr .:.ngwie Schmerz, Durst, körperliche Beschvlerden oder<br />

Todesdrohungen <strong>zu</strong>nehmend das Bewußtsein bestimmen."<br />

"DER SCHRECKEN HAT SEINE :BEAI1Tilll, GENAU wIE DIE .POST ODER DIE<br />

B.Al·IXEN, mm ER \"IIRD A1W·E~iANDT • \'lEIL ER NÖTIG IST. ES HA.NDELT<br />

JICH NICHT ill1 EnTE V1:~R3CH'iIÖRUNG VON pr:nVEF:SEN"<br />

(E. Galeano in tlDie offenen Adern<br />

Lateinamerikas")<br />

Der psychische Zusammenbruch~ als Reaktion au~ das Erfassen seines<br />

körperlichen Zustan~es - wurde bei <strong>Hermann</strong> bewußt gesteuert,<br />

verstärkt uni. ausgenutzt. Das Vorhalten angeblich gemachter Ausoa­<br />

gen (an die <strong>Hermann</strong> sich nicht erinnern kann) .<strong>und</strong> die gleichzei­<br />

tige Mitteilung, daß sein Verlob~e <strong>Sibylle</strong> aufgrtl~d dieser Aus­<br />

sagen im lGaas~ sitzt, wurden als demoralisierende püttel benutzt,<br />

um seine 3elpstachtung <strong>und</strong> seine Identität vollends <strong>zu</strong> vernich­<br />

ten. Aussprüche wie "In Ihrer körperlichen Situation kann Ihnen<br />

sowieso nur der staat helfen <strong>und</strong> bis jetzt haben Sie ihn ja be­<br />

kämpft" (Raisch, LKA stuttgart <strong>und</strong> Sonderkotnnissionsleiter),<br />

sollten Nacht demonstrieren., die Aussichtslosigkeit seiner Lage­<br />

unterstreichen <strong>und</strong> setzen Loyalität <strong>zu</strong> diesem Staat <strong>zu</strong>r Bedingung<br />

für die Erfüllung elementarster Bedürfnisse, z. B. des Bedürfnis­<br />

ses nach körperlicher Ges<strong>und</strong>ung.<br />

Das .vorhalten nicht erinnerbarer "Aussagenlf zielte auf die Erpres­<br />

sung von weiteren. Iiermanns "An\'/alt'tinformierte ihn dahingehend<br />

nicht richtig, iudem er behauptete, diese ei.rl...maJ. aufgezeichneten


Sätze seien vervlertbar.<br />

7<br />

Amnesty International schreibt: "Tatsächlich ist der gesamte Vor­<br />

gang des Erm·Üngens von Geständnissen (seien sie echt oder falsch)<br />

oder des 'Aufweichens' von politisch Verdächtigen einfach eine<br />

unbarmherzige Lektion: die radikal veränderten Begleiterscheinun­<br />

gen einer Foltersituation erzeugen neue Reaktionen, die entweder<br />

mit dem gewohnheitsmäßigen Verhalten im Wettstreit liegen oder es<br />

stören. Die Belastungen des Zwangs beeinflussen stark die gewohn­<br />

te Art <strong>und</strong> Weise, wie eine Person sich selbst sieht <strong>und</strong> einschätzt.<br />

Sie dienen <strong>zu</strong>m Teil der Erzeugung einer Übererregung~ indem sie das<br />

Gefühl der inneren <strong>und</strong> äußeren Sicherheit <strong>und</strong> Stabilität zerstören<br />

(wodurch der Gefangene für relativ einfache Konditionierungsmög­<br />

lichkei ten empranglich "wird). Das normale Bedürfnis sieh aus<strong>zu</strong>­<br />

sprechen <strong>und</strong> so einen Abbau von Spannungen <strong>zu</strong> erreichen. wird ka­<br />

nalisiert, indem nur bestimmte Formen der Unterhaltung (z. B. Ge­<br />

ständnisse) erlaubt sind <strong>und</strong> daher vom Gefangenen verwendet werden<br />

müssen."<br />

!tas sollte mit den auf diese Weise erpreßten "Aussagen" erreicht<br />

werden?<br />

Die unmittelbare juristisch-polizeiliche Konsequenz war die exem­<br />

plarische Verhaftung z\'/eierFrauen: <strong>Sibylle</strong> <strong>Straub</strong>, <strong>Hermann</strong>s<br />

lfre<strong>und</strong>in <strong>und</strong> Sylvia lierzinger. die über einen Computervergleich '<br />

(die von <strong>Hermann</strong> gemachten Angagen über eine Friederike wurden<br />

mit gespeichdrten Angaben von Personen verglichen) "identifiziert"<br />

wurde. <strong>Sibylle</strong> saß 9 Monate, Sylvia 5 Monate 1m Knast. Ihre Ver­<br />

haftung sollte jeden treffen <strong>und</strong> einschüchtern, der den Gedanken<br />

an Widerstand noch nicht ganz aUfgegeben hat, sollte darUberhinaus<br />

demonstrieren, daß die Polizei - ob mit Folter oder per Computer ­<br />

jeden verfolgt <strong>und</strong> - letztendlich - inhaftiert, den sie mit Wi­<br />

derstand in Verbindung bringen kann. Es wird schon keine Un­<br />

schuldigen t~effen •••••••<br />

Die propagandistische Auswertung von <strong>Hermann</strong>s Aussagen war Aufgabe<br />

de= Medien; <strong>und</strong> sie taten denn auch prompt <strong>und</strong> gerne ihre Pflicht.<br />

NiCht nur. daß sie <strong>Hermann</strong> als eine zentrale Figur der RZ hoch­<br />

stilisierten, nicht nur, daß sie ihn in großangelegten R<strong>und</strong>um­<br />

schlägen in die irnritzigsten Zusammenhänge brachten (vgl. "Spie­<br />

gel" Nr. 34/78: "Vom Knallfrosch bis ,.<strong>zu</strong>mHyjacking" ~. sie ver­<br />

breiteten auch gezielte FalSChmeldungen (vgl. "Heidelberger Tage­<br />

blatt" <strong>und</strong> "Süddeutsche Zeitung" vom 18.11.78: flDer hat komplett<br />

ausgepackt") <strong>und</strong> berichteten von massenhaften Aussagen. ohne je-


mals inhaltlich <strong>zu</strong> werden.<br />

8<br />

Diese Art de2 ~~ipulation soll verunsichern <strong>und</strong> entsolidarisieren,<br />

soll <strong>zu</strong>dem die Aufmerksamkeit von den Verhörmethoden dieses Staates<br />

ablenken. Das geschickte.Nicht-Informieren <strong>und</strong> Andeuten von Aus­<br />

sagen sollte darüber hinaus alle die ansprechen, die bei "Aussagen<br />

gemacht" gleich an "Verrat" denken <strong>und</strong> auf einmal eine revolutionäre<br />

Moral <strong>zu</strong>r Schau stellen, von der sonst äußerst wenig <strong>zu</strong> merken ist.<br />

Dabei ging es in den Propagandaartikeln nicht nur UJj die Person<br />

J.1ermanns, sondern um die Fortführung der seit :Langem geführten<br />

Entsolidarisierungskampagne gegen militante G~ppn, die mittlerwei­<br />

le auch in den linken Medien Eingang ~indet, wie die Hans-Jochen<br />

Klein-Interviews (in Liberation <strong>und</strong> PflaBterstrand) zeigen. Durch<br />

die Verbreitung von Horrorgeschichten soll eine inhaltliche po­<br />

litische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng verhindert werden.<br />

Was .QermaJUlselbst <strong>zu</strong> seiner Lal~e damals <strong>und</strong> heute sa~j;<br />

uIch habe manches aus dem Gedächtnis verloren, die Zeit nach dem<br />

Unfall war nie drin. Es war zeitweise eine Traumwelt, <strong>und</strong> das \1ie­<br />

derfinden eines Be<strong>zu</strong>ges <strong>zu</strong> mir <strong>und</strong> der Umwelt war <strong>zu</strong> erschreckend um<br />

durchgängig <strong>und</strong> klar <strong>zu</strong> sein. Die Erkenntnis mancher Dinge, hat mich<br />

subjektiv wctuell manchmal mehr mitgenommen als die körperliche<br />

Situation. Es gab einfach die BefUrchjung, daß die Ausbeutung meiner<br />

wirren Vertügbarkeit genug Absurdes hervorgebracht hat, - was z. B.<br />

<strong>zu</strong> der Inhaftierung der <strong>Sibylle</strong> .führte - um mich mit mir selbst <strong>zu</strong><br />

schrecken <strong>und</strong> alle Fre<strong>und</strong>e von mir <strong>zu</strong> isloieren. Besuchsverhinderung<br />

war <strong>zu</strong> dieser Isolation nur ein }litteJ..Eigentlich ging es darum.<br />

daß mich auch niemand mehr besuchen ~~ daß ich dies auch glaube<br />

<strong>und</strong> deshalb auch kleinste Änderungen an meinem Objektstatus <strong>und</strong><br />

dem Abhängigkeitsverhältnis <strong>zu</strong> Gegnern nicht <strong>zu</strong>stande bringe.<br />

Diese Strategie hatte manchmal <strong>und</strong> bei manchen Erfolg. Was letzt­<br />

lich die endgUltige Umset<strong>zu</strong>ng der Staatsschutzpläne verhinderte,<br />

war wesentlich eine Solidar1tätsarbeit, die eben nicht von den<br />

in der Presse aufgebauten <strong>und</strong> auch in der Linken o.ft aktzeptierten<br />

'Informationen' <strong>und</strong> Horrorgebilden ausging, nach denen ich z. B~<br />

. damals gleich von irgendeinem Untergr<strong>und</strong> aus bedroht gewesen sein<br />

soll. Solche Horrorgeschichten sind .für Absetzbe'N'egungen natürlich<br />

nützlich.<br />

Nein, genutzt hat eine Solidarität, die auch von Kenntnissen über<br />

mich ausging <strong>und</strong> unabhingig von Gerüchten <strong>und</strong> Pressemeldungen war,<br />

eine Solidarität, die auch nicht irgendwann einfach aufgab. Ab einem<br />

gewissen Zeitpunkt habe ich sie dann auch trotz der Abschottung mit-


9<br />

bekommen, das half mir dann beim ~"iederaufbau von Identität<br />

<strong>und</strong> von einem Gefilllldoch noch irgendwo Subjekt sein <strong>zu</strong> können.<br />

Ein Prozeß, der trotz der vom Staatsschtutz gezogenen Zäune in<br />

Gang kam <strong>und</strong> ohne den auch nur die absolute Tristesse übrig geblie­<br />

ben wäre in einer Welt, die gegen alle meine WUnsche <strong>und</strong> Ziele<br />

eingerichtet ist <strong>und</strong> diese auf höchster Ebene bekämpft.<br />

Nun ja. es hat dann Ende letzten Jahres da<strong>zu</strong> gereicht erst einmal<br />

.aus dem Polizeigewahrsam <strong>zu</strong> kommen, ich bin wieder<br />

unter Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann einiges tun <strong>und</strong> lernen. Ich erkenne sicher<br />

einige Begren<strong>zu</strong>ngen meiner Möglichkeiten, aber_das versöhnt mich<br />

schließlich mit nichts. Ich kann mich jetzt darum kümmern, Be­<br />

wegungsmöglichkeiten <strong>zu</strong> erschließen, Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse<br />

mir an<strong>zu</strong>eignen für die Orientierung in einer neu <strong>zu</strong>sammengeset­<br />

zten <strong>und</strong> erfahrbaren Umwelt. Es gibt Möglichkeiten für mich <strong>zu</strong><br />

leben.<br />

Juristisch läuft ein Ermittlungsverfahren. Aber ich werde nicht so<br />

e~ngehen in einer Kapsel des Staatsschutzes wie es in einer bestimmten<br />

J?lanung vorgesehen \'/ar. tt<br />

Inzwischen hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft dem<br />

d<br />

Oberlanesgericht<br />

,.:dieAnklage - gegen . Bermann, <strong>Sibylle</strong> <strong>und</strong> Sylvia <strong>zu</strong>gelei tet.<br />

Das Gericht muß jetzt entscheiden, ob es tatsächlich einen<br />

~en3chen der blind 1st <strong>und</strong> der keine Beine mehr hat vor Gericht<br />

bringen will.

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