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Loccum 2012 ? Paper von Cynthia Krell ? Bielefeld, Juli 2012 ...

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<strong>Loccum</strong> <strong>2012</strong> – <strong>Paper</strong> <strong>von</strong> <strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong> – <strong>Bielefeld</strong>, <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong><br />

Curating education? Eine Analyse der Relationen zwischen kuratorischer<br />

Praxis und Kunstvermittlung im Biennale-Kontext 1 vor dem Hintergrund eines<br />

educational turns (Arbeitstitel)<br />

Betrachtet man die letzten fünfzig Jahre, dann lassen sich starke Veränderungen im<br />

Verständnis der Profession des Kurators im Kunstfeld erkennen. Vor allem der<br />

Schweizer Harald Szeemann 2 (1933–2005) und sein amerikanischer Kollege Walter<br />

Hopps (1932–2005) prägten in den 1970er und 1980er Jahren den Kunstbetrieb und<br />

gehörten zu den ersten freien Kuratoren, die der Profession ein verändertes Selbst-<br />

verständnis und Aufgabenprofil gaben. Ihre kuratorischen Arbeitsweisen und innova-<br />

tiven Ausstellungsprojekte haben bis heute Vorbildcharakter für nachfolgende Gene-<br />

rationen <strong>von</strong> Kuratoren. Gemäß Magdalena Ziomek-Beims verstehen sich am An-<br />

fang des 21. Jahrhunderts „Kuratoren eher als diejenigen, die mit den vielschichtigen<br />

Dimensionen des Zeigens hadern, sich um die Stimmigkeit des Kunstwerks in der<br />

Ausstellung sorgen und an der Schnittstelle zwischen dem Kunstwerk, der Ausstel-<br />

lung und dem Rezipienten vermitteln.“ 3 Daher sind, wie auch die Kunstwissenschaft-<br />

lerin Beatrice <strong>von</strong> Bismarck betont, die vermittelnden Aufgaben der Kuratoren <strong>von</strong><br />

zunehmender Bedeutung 4 .<br />

Seit einigen Jahren gibt es im aktuellen Curating-Diskurs eine anhaltende Dis-<br />

kussion über den so genannten educational turn 5 , der eine Einverleibung des Päda-<br />

gogischen durch die kuratorische und künstlerische Praxis umfasst. Erstmalig pro-<br />

klamierte die Kunsttheoretikerin Irit Rogoff 2008 in einem <strong>von</strong> ihr veröffentlichten Ar-<br />

tikel im Kunstmagazin e-Flux einen „educational turn in curating“ 6 . Dort kontextuali-<br />

siert sie die beiden weit gefassten Begriffe turn und education sowohl im Bereich der<br />

kuratorischen Praxis, als auch in der Kunstproduktion anhand <strong>von</strong> zahlreichen Pro-<br />

jekten wie Summit – Non-aligned Initiatives in Education Culture 7 oder<br />

1<br />

Die Auswahl exemplarischer Biennalen steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Zur Geschichte<br />

der wichtigsten Biennalen vgl. Sabine B. Vogel: Biennalen – Kunst im Weltformat. Wien 2010.<br />

2<br />

Vgl. Hans-Joachim Müller: Harald Szeemann. Ausstellungsmacher. Ostfildern-Ruit 2006.<br />

3<br />

Magdalena Ziomek-Beims: Über das Kuratieren im OFF-Bereich. In: Kurt Dröge/Detleff Hoffmann<br />

(Hg.): Museum revisited. Transdisziplinäre Perspektiven auf eine Institution im Wandel. <strong>Bielefeld</strong><br />

2010, S. 317.<br />

4<br />

Beatrice <strong>von</strong> Bismarck: Curating. In: Hubertus Butin (Hg.): DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen<br />

Kunst. Köln 2006, S. 56-58.<br />

5<br />

Vgl. Paul O’Neill/Mick Wilson (Hg.): Curating and the Educational Turn. London <strong>2012</strong>.<br />

6<br />

Irit Rogoff: The Educational Turn in Curating. In: e-flux Journal, Vol.1 Issue 1, 2008. http://www.<br />

e-flux.com/journal/view/18 (abgerufen am: 22. <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong>)<br />

7<br />

http://summit.kein.org/ (abgerufen am: 22. <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong>)<br />

1


<strong>Loccum</strong> <strong>2012</strong> – <strong>Paper</strong> <strong>von</strong> <strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong> – <strong>Bielefeld</strong>, <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong><br />

A.C.A.D.E.M.Y. 8 an denen sie ebenfalls beteiligt gewesen sei. Nach Rogoff beinhal-<br />

tet der so bezeichnete Paradigmenwechsel „eine Suche nach widerständigen, auf die<br />

Wirkungsmacht <strong>von</strong> Individuen und Kollektiven setzenden und damit ermächtigenden<br />

Konzepten <strong>von</strong> Selbst-Bildung“ 9 . Der educational turn fragt zufolge der Autorin nach<br />

den Bildungsfunktionen der Künste und behauptet so deren gesellschaftliche Rele-<br />

vanz. Bereits Mitte desselben Jahres hatten Paul O’Neill und Mick Wilson im Rah-<br />

men einer öffentlichen Panel-Diskussion zur Frage „You Talkin' to me? Why art is<br />

turning to education“ im Londoner Institute of Contemporary Arts eingeladen. Sie<br />

veröffentlichten zwei Jahre später die Anthologie „Curating and the Educational<br />

Turn“, die insgesamt 27 Essays <strong>von</strong> Kuratoren, Künstlern und Wissenschaftlern zu<br />

diesem Topic versammelt. In ihrer Einleitung definieren sie das Phänomen mit den<br />

folgenden Worten: „Contemporary curating is marked by a turn to education. Educa-<br />

tional formats, methods, programmes, models, terms, processes and procedures<br />

have become pervasive in the praxes of both curating and the production of contem-<br />

porary art and in their attendant critical frameworks. This is not simply to propose that<br />

curatorial projects have increasingly adopted education as theme; it is rather, to as-<br />

sert that curating increasingliy operates as an expanded educational praxis.“ 10 Diese<br />

Entwicklung manifestiert sich darin, dass Kuratoren und Künstler Vermittlungsforma-<br />

te wie zum Beispiel diskursive Plattformen, temporäre Akademien/Schulen, Ausstel-<br />

lungen als Laboratorien, kollaborative Workshops und Kunstprojekte, Gesprächs-<br />

und Diskussionsreihen, Symposien und Tagungen, Research-based-Archive und<br />

Besucherräume realisieren. 11 Weiter führen die Autoren aus: „This is not only a rein-<br />

statement of the curator as an expert charged with educating a public about the con-<br />

tent of a given collection [or exhibition; Anmerk. d. Verf.], but rather a kind of ‘curato-<br />

rialisation’ of education whereby the educative process often becomes the object of<br />

curatorial production.” 12 Ausgehend <strong>von</strong> dieser Behauptung ließe sich die Frage ab-<br />

leiten, inwiefern der educational turn verstanden als diskursive Praxis dazu beiträgt<br />

das Stigma der Pädagogik im Feld des Curating und der Kunstpraxis zu überwinden<br />

und somit gar zu nobilitieren. Denn die Einverleibung des Pädagogischen durch Ku-<br />

ratoren und Künstler würde somit die hegemonial stets aktualisierte Demarkationsli-<br />

8 Vgl. Angelika Nollert/Irit Rogoff et. al (Hg.): A.C.A.D.E.M.Y. Frankfurt am Main 2006.<br />

9 Carmen Mörsch: Rezension – Nora Sternfeld: Das pädagogische Unverhältnis. In: springerin, Heft<br />

2/09: Modell Labor Tanz. Wien.<br />

10 Paul O’Neill/Mick Wilson (Hg.): Curating and the Educational Turn. London <strong>2012</strong>, S. 12.<br />

11 Ebd. S. 12.<br />

12 Ebd. S. 12-13.<br />

2


<strong>Loccum</strong> <strong>2012</strong> – <strong>Paper</strong> <strong>von</strong> <strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong> – <strong>Bielefeld</strong>, <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong><br />

nie zur pädagogisch motivierten Kunstvermittlung 13 möglicherweise verschieben. Ei-<br />

ne mögliche Fragestellung wäre, die daraus resultierenden Widersprüche, Unmög-<br />

lichkeiten und Paradoxa des Lehrens zu beschreiben und untersuchen. Insgesamt<br />

sollte der hier fragmentarisch vorgestellte Diskurs kritischer betrachtet werden, da<br />

dieser laut Carmen Mörsch „im Grunde 200 Jahre erziehungsphilosophische Debat-<br />

ten und Praktiken ästhetischer Bildung.“ 14 ignoriere und scheinbar versuche ein für<br />

Kuratoren und Künstler randständiges Thema neu zu erfinden.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen sollen im Rahmen meiner Arbeit die Re-<br />

lationen zwischen kuratorischer und künstlerischer Praxis und Kunstvermittlung im<br />

Biennale-Kontext untersucht werden. So hat sich die Biennale gerade in den letzten<br />

zwei Jahrzehnten zum weltweit erfolgreichsten wie umstrittenen Ausstellungsmodell<br />

entwickelt, das mit wechselnder Autorschaft und Programmatik kuratiert wird. Die<br />

künstlerische Leitung einer Biennale obliegt in der Regel kuratierenden Einzelperso-<br />

nen oder einem Team, die teilweise aus anderen kulturellen Kontexten stammen.<br />

Viele der Biennalen haben eine thematische Ausrichtung gemeinsam, verfügen über<br />

eine sehr hohe Anzahl <strong>von</strong> neu produzierten Kunstwerken und durch die Künstler<br />

vertretene Nationen, bewegen sich im Spannungsfeld <strong>von</strong> Kulturpolitik und Marke-<br />

ting, verbinden lokale und globale Kunstproduktion miteinander, adressieren an ein<br />

Fach- wie Laienpublikum. Zwar gibt es eine thematisch breite Diskussion und For-<br />

schung über kuratorische Ansätze, Geschichte und Funktionen der Biennale, oder<br />

aber auch kulturpolitische Fragestellungen 15 , bisher fehlt jedoch eine grundlegende<br />

Auseinandersetzung mit Fragen der Vermittelbarkeit <strong>von</strong> Kunst im (globalen) Bienna-<br />

le-Kontext und den dahinter liegenden Konzepten.<br />

Diese Fragestellung möchte meine Arbeit problematisieren und diskutieren.<br />

Ziel meiner Arbeit ist es, am Beispiel <strong>von</strong> konkreten Projekten aus geografisch unter-<br />

schiedlichen Biennalen, die Wechselwirkungen zwischen kuratorischer Praxis, künst-<br />

lerischen Projekten und Kunstvermittlung im Hinblick auf ihr dahinter liegendes pä-<br />

dagogisches (Lehr-)Verständnis kriterienorientiert zu beschreiben und analysieren.<br />

Die dabei relevanten unterschiedlichen Perspektiven, Rollenverständnisse und<br />

13 Vgl. Karl-Josef Pazzini: Vermittlung ist Anwendung – oder Das Lasso als Bildung. In: Josef Seiter<br />

(Hg.): Auf dem Weg. Von der Museumspädagogik zur Kunst- und Kulturvermittlung, Schulheft<br />

11/2003, S. 64-77.<br />

14 Carmen Mörsch: Rezension – Nora Sternfeld: Das pädagogische Unverhältnis. In: springerin, Heft<br />

2/09: Modell Labor Tanz. Wien.<br />

15 Vgl. Elena Filipovic/Solveig Ovstebo/Marieke van Hal (Hg.): The Biennial Reader. Ostfildern 2010.<br />

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<strong>Loccum</strong> <strong>2012</strong> – <strong>Paper</strong> <strong>von</strong> <strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong> – <strong>Bielefeld</strong>, <strong>Juli</strong> <strong>2012</strong><br />

Handlungspraktiken der Kulturproduzenten sollen aufeinander bezogen werden.<br />

Letztlich sollen wesentliche Strukturmomente und Rahmenbedingungen für eine an-<br />

gewandte Kunst der Vermittlung im Biennale-Kontext heraus gearbeitet werden, die<br />

auch die damit verbundenen Widersprüche, Unmöglichkeiten und Paradoxa in sich<br />

trägt. Die Frage einer angemessenen Kunstvermittlung berührt die Disziplinen der<br />

Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik ebenso wie die Bereiche der Kunstphiloso-<br />

phie und Erziehungswissenschaft.<br />

<strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong><br />

Biografische Notiz: <strong>Cynthia</strong> <strong>Krell</strong> (*1978) ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

im Fachbereich Ästhetische Bildung an der Universität Hamburg. Zuvor absolvierte<br />

sie das Referendariat an einem Detmolder Gymnasium, führte 2009 ein Kunstver-<br />

mittlungsprojekt für Jugendliche am <strong>Bielefeld</strong>er Kunstverein durch und war in der<br />

Kunst Halle Sankt Gallen und Galerie Peter Kilchmann beschäftigt. Seit 2008 Über-<br />

nahme <strong>von</strong> Lehraufträgen an Hochschulen in der Schweiz und Deutschland.<br />

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