reportage spitzmarke
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eportage<br />
schen gesteckt und uns eingebläut, vor<br />
od dem Erbrechen rechtzeitig die Atemmaske<br />
auszuziehen; sie hatten uns verboten,<br />
während des Starts und der Landung etwas anzufassen;<br />
sie hatten uns erklärt, was «Eject!<br />
Eject! Eject!» bedeutet: Arme zum Körper, Augen<br />
schliessen, Zähne zusammenbeissen und<br />
kräftig am gelb-schwarzen Stahlhebel zwischen<br />
den Beinen ziehen – der Schleudersitz,<br />
für den Notfall. Am Schluss mussten wir Namen<br />
und Telefonnummern unserer nächsten<br />
Angehörigen aufschreiben. «Das wird ein<br />
Flug, den man nicht buchen kann», hatte Peter<br />
Liander aufmunternd gesagt.<br />
Dann hiess es: Raus in den Kampf um Tapferkeit<br />
und Würde!<br />
«Fighter on two o’clock», flötet eine<br />
charmante Frauenstimme in meinem<br />
Helm. «Die schlechten Nachrichten überbringt<br />
jeweils ein Mann», lacht Tobhias. Die<br />
Dame macht uns darauf aufmerksam, dass<br />
links hinter uns ein anderer Jet fliegt. «Combat»<br />
dreht unvermittelt eine enge Rolle, bei der<br />
sich der Jet um seine eigene Achse dreht. Mein<br />
Körper ist augenblicklich wie gelähmt. Kopf<br />
leer. Wille weg. Sehe, wie Welt sich dreht.<br />
Füge mich.<br />
Atmen!<br />
Dass der da vorne überhaupt noch lenken<br />
kann!<br />
«Hahaha», macht Tobhias.<br />
Nein, das hier ist nicht Meiringen. Hier<br />
stört man keine Bewohner, Touristen, Murmeltiere.<br />
Wir blicken von 10 000 Meter auf<br />
Millionen von Seen und Billionen von Bäumen<br />
in allen erdenklichen Farben. Weit und<br />
breit keine Häuser. Nordschweden ist fast unbewohnt.<br />
Das Trainingsgelände der Staffel sei<br />
gut doppelt so gross wie die Schweiz, weiss<br />
Tobhias. «Ein Paradies für Fighter-Piloten.»<br />
Warum nur sind die schönsten Flecken<br />
Erde immer Militärübungsplätze?<br />
Als Tagesprogramm ist eine kleine Alltagsübung<br />
der Staffel vorgesehen: Wir sollen ein<br />
anderes Flugzeug abfangen, das in «unseren»<br />
Luftraum eingedrungen ist, und es auffordern,<br />
ihn zu verlassen. Mit Tempo Teufel fliegt<br />
«Combat» von hinten an den Jet heran und<br />
drosselt aggressiv sein Triebwerk. Das sei auch<br />
im Ernstfall eine Show, sagt der Pilot. So dass<br />
allen sofort klar ist, wer der Chef des Luftraums<br />
ist. Als wir die Übungspartner wieder<br />
verlassen, beschleunigt Tobhias von 250 auf<br />
550 Knoten – gut 1000 km/h – in 6 Sekunden.<br />
89 Kilo-Newton drücken mich in den Stahlsitz.<br />
Tränen im Gesicht.<br />
Atmen!<br />
Mir kommt der Kaffeeraum der Piloten in<br />
den Sinn, wo eine Plakette der Rocket Chair<br />
Society hängt. Niklas Sandström ist im Jahr<br />
1998 der letzte schwedische Pilot gewesen, der<br />
unsanft aus dem Jet hat aussteigen müssen.<br />
Auf der Plakette sind nur diejenigen verzeichnet,<br />
die den Schleudersitz überlebt haben.<br />
Tote werden nicht Mitglieder in einem Club.<br />
Schon gar nicht in einem so exklusiven.<br />
Jetzt nur diesen stählernen Hebel zwischen<br />
den Beinen nicht berühren!<br />
In der Cafeteria hängt auch ein gut acht<br />
Meter breites Gemälde. Das Panorama zeigt<br />
zwei Jets in romantischer nordischer Land-<br />
DIE HERREN DER LÜFTE<br />
Bei akrobatischen Figuren treten Belastungen<br />
bis zur neunfachen Erdanziehung<br />
auf – Helm und Druckanzug sollen Fluggast<br />
Egli dafür wappnen. Pilot «Combat» war<br />
gnädig und liess es bei 5g bewenden<br />
schaft. Sie fliegen nach Lapporten, zum<br />
Tor Lapplands. Vor diesem kitschigen<br />
Bild sitzen die Piloten mehrmals am<br />
Tag und trinken Kaffee, «Fika» wie es<br />
auf Schwedisch heisst, blättern in den Zeitschriften<br />
«Air Forces» oder «Combat Aircraft»,<br />
plaudern. Ab und zu bringen sie ihre<br />
Jets auf das Rollfeld, steigen in den Himmel<br />
hinauf. Vorne links in ihrem Cockpit finden<br />
sie einen Kippschalter: «Peace», «War». Er ist<br />
unbenutzt. Die schwedischen «Top Guns»<br />
sind nette Typen.<br />
«Combat» sei der Typ von Mann, dem<br />
man nicht allein im Wald begegnen<br />
wolle, hatte einer gesagt. Tobhias hatte nur<br />
verlegen gelacht. Er ist 36 Jahre alt, Major, Deputy<br />
Squadron Commander und stammt, wie<br />
die meisten Piloten, aus Stockholm. Er ist der<br />
entspannteste Karrierist, den ich je getroffen<br />
habe. Seit 1998 lebt er in der kleinen nordischen<br />
Stadt Luleå, deren Name nur aussprechen<br />
kann, wer besoffen ist – oder einem<br />
Kampfjet entsteigt: Lüüüleo.<br />
«Jetzt machen wir ein paar akrobatische Figuren,<br />
okay?», fragt «Combat». Bevor ich antworte,<br />
setzt er zum Looping an. Schnell ziehen<br />
wir hoch, die Erde verschwindet, wir fliegen<br />
geradewegs in den Himmel. Über 5g, die fünffache<br />
Erdanziehungskraft, wirken nun auf<br />
uns. Der Druckanzug wird prall und hart, damit<br />
nicht alles Blut aus unseren Köpfen<br />
weicht. Der Körper heiss. Alles drückt.<br />
Dann sehen wir die Erde auf dem Kopf<br />
stehen.<br />
Rasen kopfüber wieder auf sie zu.<br />
Alles wendet sich.<br />
Atmen!<br />
Der Flug – ein Wahn. Ein Rausch. Eine Gehirnwäsche.<br />
Am Vorabend hatte ich vor lauter Aufregung<br />
nur Pizza gegessen. Statt Rentier. Jetzt<br />
ist mir kein bisschen schlecht. Langsam beginnt<br />
mir dieser Gripen zu gefallen. Künftig wer-<br />
de ich beim Start einer Linienmaschine<br />
an die Fahrt in einem alten Volvo denken<br />
müssen, beim Airbus-Fliegen an das Busfahren<br />
im Osten.<br />
Der Greif – Gripen – ist ein mythisches<br />
Tier, halb Löwe, halb Adler. Das<br />
wohl aus dem Orient stammende Fabelwesen<br />
taucht in Märchen und Mythologie<br />
zwischen Indien und dem Aargau<br />
auf. Sogar auf der Bundesratskuppel in<br />
Bern sitzt einer. Ob das der schwedischen<br />
Offerte bei der Kampfjet-Evaluation<br />
dient, ist fraglich.<br />
«Cockpit»-Chefredaktor Max Ungricht<br />
ist für den Gripen. Der agile Jet sei wie gemacht<br />
für unser Land, Schweden stelle ähnliche<br />
Anforderungen an seine Luftwaffe wie<br />
die Schweiz. Würde man den Eurofighter als<br />
Rolls-Royce und den französischen Rafale als<br />
Bentley unter den Kampfjets bezeichnen, wäre<br />
der Gripen ein Audi-Kombi: leichter – mehr<br />
Arbeitstier denn Repräsentant. «Ganz einfach<br />
die vernünftigste Lösung», findet Ungricht.<br />
Nach 41 Minuten ist der Höllenritt vorbei.<br />
«Combat» ist in einem Radius von gut 250 Kilometern<br />
über Nordschweden geflogen, hat<br />
3000 Liter Kerosin verbrannt, literweise geschwitzt.<br />
Bei unserer Rückkehr sitzen die Piloten<br />
wieder beim Kaffee. «Hey, how was it?»,<br />
fragen sie. Und antworten selbst: «I can see it<br />
in your face!» Es steht in mein Gesicht<br />
geschrieben. l<br />
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