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Hagen Wolff<br />
HISTORISCHER KRIMI<br />
Kriminalfälle beschäftigen oft nicht nur Kriminologen son<strong>de</strong>rn auch Historiker und<br />
Wissenschaftler. Bestes Beispiel hierfür ist das bis heute ungeklärte Verschwin<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Philipp Christoph Graf Königsmark aus <strong>de</strong>m Jahre 1694 über das im<br />
nachstehen<strong>de</strong>n berichtet wird.<br />
Es war wohl ein warmer regnerischer<br />
Sommerabend, <strong>de</strong>r 01. Juli 1694, <strong>als</strong> Graf<br />
Philipp Christoph Königsmarck sein Haus<br />
in <strong>de</strong>r Osterstrasse in Hannover verließ.<br />
Der 29 jährige wohlhaben<strong>de</strong> Enkel eines<br />
bekannten schwedischen Heerführers trug<br />
eine graue Leinwandhose, ein weißes Kamisol<br />
und einen braunen Regenrock. Und<br />
höchstwahrscheinlich keine Waffen. Wie<br />
sich später zeigen sollte, ein verhängnisvoller<br />
Fehler. Nächtliche Spaziergänger berichteten,<br />
<strong>de</strong>r Graf Königsmarck habe seine<br />
Schritte in Richtung <strong>de</strong>s Leineschlosses in<br />
Hannover gelenkt. Hier verlor sich seine<br />
Spur in <strong>de</strong>r Nacht vom 1. zum 2. Juli 1694.<br />
Erst am 5. Juli wur<strong>de</strong> die Abwesenheit <strong>de</strong>s<br />
Grafen Königsmarck von seinen Dienern<br />
<strong>de</strong>r Obrigkeit gemel<strong>de</strong>t.<br />
Um Licht in die Angelegenheit zu bringen,<br />
muss das Umfeld von Königsmarck<br />
beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Und wie das meist so<br />
ist bei Geschichten die in einer Tragödie<br />
en<strong>de</strong>n steht zu <strong>de</strong>ren Beginn<br />
eine Frau. Die Prinzessin<br />
Sophie Dorothea, 1666 <strong>als</strong><br />
Tochter von Georg Wilhelm<br />
zu Celle geboren und 1682<br />
im Alter von 16 Jahren mit<br />
ihrem sechs Jahre älteren<br />
Vetter Georg Ludwig verheiratet<br />
wor<strong>de</strong>n. Die Ehe,<br />
eine reine Zweckheirat, kriselte<br />
schon nach wenigen<br />
Christoph<br />
Graf Königsmarck<br />
Jahren. 1686 reiste Sophie Dorothea mit<br />
ihrem Schwiegervater zum Karneval nach<br />
Venedig und hier lernte sie <strong>de</strong>n Grafen Philipp<br />
Königsmarck bei einem Maskenball<br />
kennen. Zwischen <strong>de</strong>r Prinzessin und <strong>de</strong>m<br />
Grafen begann eine lei<strong>de</strong>nschaftliche Liaison,<br />
die später tragisch en<strong>de</strong>te.<br />
Da die Lieben<strong>de</strong>n nicht zusammen sein<br />
konnten, und ihre Verbindung geheim halten<br />
mussten, schrieben sie sich zahlreiche<br />
glühen<strong>de</strong> Liebesbriefe. Noch heute sind<br />
über 250 dieser Liebesbriefe erhalten, welche<br />
sich Sophie Dorothea und Graf Königsmarck<br />
während ihrer vierjährigen Zuneigung<br />
schrieben. Hin<strong>de</strong>rlich für die Liebschaft<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n war, neben <strong>de</strong>r Vermäh-<br />
lung Sophies mit Georg Wilhelm, dass aus<br />
dieser Ehe <strong>de</strong>r jungen Prinzessin zwei Kin<strong>de</strong>r<br />
hervorgegangen, Georg<br />
<strong>de</strong>r II und Sophie Dorothea die<br />
jüngere, die von ihrer Mutter<br />
geliebt wur<strong>de</strong>n.<br />
Sophie Dorotheas Mann<br />
Georg Ludwig, <strong>de</strong>r später <strong>als</strong><br />
Georg I. König von Großbritannien<br />
wur<strong>de</strong>, hatte selbst ein<br />
offenes Verhältnis mit seiner<br />
Mätresse Melusine von <strong>de</strong>r<br />
Schulenburg. Diese gebar ihm<br />
1692 und 1693 zwei Töchter,<br />
die unter <strong>de</strong>m Namen Schulenburg<br />
heranwuchsen. Im Zeitalter <strong>de</strong>s<br />
Barock war es an vielen Fürstenhäusern<br />
üblich, dass sich Regenten und Prinzen<br />
Nebenfrauen hielten und auch mit ihnen<br />
Kin<strong>de</strong>rn hatten. Aus erbrechtlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
war ihren Frauen ein ähnlicher Lebenswan<strong>de</strong>l<br />
aber grundsätzlich verboten.<br />
Außer an ein paar heimlichen<br />
Treffen konnten<br />
Graf Königsmarck und<br />
Sophie Dorothea nicht<br />
zusammenkommen. Ihre<br />
einzige ständige Verbindung<br />
waren die Liebesbriefe.<br />
Jedoch gelangten<br />
einige dieser Briefe in die<br />
Hän<strong>de</strong> übelmeinen<strong>de</strong>r<br />
Intriganten und am Hannoveraner<br />
Hofe <strong>de</strong>s gehörnten<br />
Gatten wusste man <strong>als</strong>o<br />
bald Bescheid.<br />
An <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Grafen Königsmarck stand<br />
aller Wahrscheinlichkeit die<br />
Gräfin von Platen. Sie selbst<br />
war in <strong>de</strong>n zwanzig Jahre jüngeren<br />
Königsmarck verliebt,<br />
eine Liebe die jedoch in Hass<br />
umschlug, weil er sie schnö<strong>de</strong><br />
verschmähte und keines<br />
Blickes würdigte. Und solches<br />
verzeiht eine Dame nie.<br />
Die Lage <strong>de</strong>r Lieben<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong><br />
immer gefährlicher, bis in<br />
Sophie Dorothea <strong>als</strong> Flora, Lithographie<br />
nach einem Gemäl<strong>de</strong><br />
von Henri Gascar, Venedig 1686<br />
Kurprinz Georg Ludwig, Schabkunstblatt.<br />
Er ließ sich 1694 von<br />
Sophie Dorothea schei<strong>de</strong>n.<br />
Geschichte<br />
<strong>de</strong>r besagten Nacht vom 1. Juli zum 2. Juli<br />
1694 Graf Königsmarck spurlos verschwand.<br />
Auf seine vermeintlichen Mör<strong>de</strong>r<br />
traf er entwe<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Weg zum<br />
Leineschloss, o<strong>de</strong>r im Schloss selbst. Einzelheiten<br />
sind nicht bekannt, die Spur von<br />
Königsmarck verliert sich in dieser Nacht.<br />
Zu seinen vermeintlichen Mör<strong>de</strong>rn können<br />
nur Vermutungen angestellt wer<strong>de</strong>n. Historiker<br />
gehen davon aus, dass vier Personen<br />
an <strong>de</strong>m Verschwin<strong>de</strong>n von Königsmarck<br />
beteiligt waren. Als<br />
Anführer <strong>de</strong>r vier wird <strong>de</strong>r italienische<br />
Geistliche Don Nicolo<br />
Montalban aufgeführt. An<br />
seiner Seite <strong>de</strong>r Oberkammerjunker<br />
Wilken Kleneke aus<br />
Hämelschenburg, weiterhin<br />
<strong>de</strong>r spätere hannoversche<br />
Minister Philipp Adam Eltz<br />
und <strong>de</strong>r Kammerjunker Hans<br />
Christoph von Stubenvol. Ob<br />
<strong>de</strong>r Mord ein Auftragsmord<br />
gewesen ist konnte nie<br />
ermittelt wer<strong>de</strong>n, doch sprechen einige Indizien<br />
dafür. Montalban erhielt vom hannoverschen<br />
Hof eine Belohnung von 10.000<br />
Talern, auch wur<strong>de</strong> alles unternommen um<br />
die Spuren <strong>de</strong>r Tat zu verwischen. Die Leiche<br />
<strong>de</strong>s Grafen Königsmarck ist nie wie<strong>de</strong>r<br />
aufgetaucht. Viele Historiker gehen davon<br />
aus, dass <strong>de</strong>r Leichnam mit Steinen<br />
beschwert in <strong>de</strong>r Leine versenkt wur<strong>de</strong>, aber<br />
auch an<strong>de</strong>re Theorien sind nicht auszuschließen.<br />
So gibt es noch die Vermutung<br />
dass <strong>de</strong>r Leichnam von Königsmarck entwe<strong>de</strong>r<br />
im Schloss Eltz o<strong>de</strong>r im Schloss<br />
Hämelschenburg vergraben wor<strong>de</strong>n sei.<br />
Wenige Monate später, im Januar 1695,<br />
trat ein nur zum Schein zusammengestelltes<br />
Gericht zusammen und verurteilte die<br />
junge Prinzessin Sophie Dorothea „wegen<br />
böswillig beabsichtigter Trennung<br />
ihres Gemahls“. Die Ehe<br />
wur<strong>de</strong> geschie<strong>de</strong>n, ihre bei<strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>r ihr abgenommen<br />
und die Prinzessin in die Verbannung<br />
auf das einsame<br />
Hei<strong>de</strong>schloss Ahl<strong>de</strong>n<br />
geschickt. Die Unglückliche<br />
sollte ihre Kin<strong>de</strong>r nie mehr zu<br />
Gesicht bekommen und auch<br />
nie erfahren was mit ihrer<br />
großen Liebe, <strong>de</strong>m Grafen<br />
Königsmarck geschehen war.<br />
Sophie Dorothea starb im Jahre<br />
1726, einsam und traurig.<br />
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