Merkblatt Masern - Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in ...
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<strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>Anthroposophischer</strong> <strong>Ärzte</strong><br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
<strong>Masern</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e hochfieberhafte und<br />
sehr ansteckende K<strong>in</strong>derkrankheit. Auslöser<br />
ist e<strong>in</strong> Virus, das durch Tröpfchen<strong>in</strong>fektion<br />
übertragen wird. Etwa 10<br />
Tage später kommt es erstmals zu<br />
Fieber, Schnupfen, Husten und B<strong>in</strong>dehautentzündung:<br />
Das K<strong>in</strong>d sieht „verrotzt,<br />
verheult und verschwollen“ aus.<br />
Teilweise f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Mundschleimhaut<br />
kle<strong>in</strong>e, weiße Flecken.<br />
Nach etwa 2 Tagen – das Fieber kann<br />
dabei vorübergehend abfallen – steigt<br />
das Fieber oft über 40 °C und es entwikkelt<br />
sich e<strong>in</strong> kräftig roter, mittel- bis<br />
grobfleckiger, manchmal zusammenfließender<br />
Hautausschlag, der sich vom<br />
Hals nach unten bis zu den Gliedmaßen<br />
ausbreitet („herunterregnet“). Er blasst<br />
nach 3-5 Tagen ab, das Fieber s<strong>in</strong>kt und<br />
nach e<strong>in</strong>er Woche ist das K<strong>in</strong>d nicht<br />
mehr ansteckend. Die K<strong>in</strong>der wirken <strong>in</strong><br />
dieser Zeit meist sehr krank, lichtempf<strong>in</strong>dlich,<br />
we<strong>in</strong>erlich, die Gesichtszüge<br />
ersche<strong>in</strong>en weicher, das ganze Gesicht<br />
wie „aufgequollen“. Typisch ist der bellend-harte,<br />
oft quälende und hartnäckige<br />
Husten. Nach Abkl<strong>in</strong>gen des<br />
Fiebers benötigen die K<strong>in</strong>der weiter<br />
Ruhe und e<strong>in</strong>e ausreichende Erholungszeit,<br />
die mehrere Wochen dauern kann.<br />
<strong>Masern</strong> h<strong>in</strong>terlassen e<strong>in</strong>e lebenslange<br />
Immunität.<br />
Die Therapie ist e<strong>in</strong>e begleitende und<br />
dient dem Verh<strong>in</strong>dern von Komplikationen.<br />
Engmaschige ärztliche Kontrollen s<strong>in</strong>d erforderlich.<br />
Das K<strong>in</strong>d braucht maximale Ruhe.<br />
Alle Wärmeprozesse und damit das Fieber<br />
sollten nur gelenkt, aber nicht unterdrückt<br />
werden; „Fieberzäpfchen“ können<br />
den Verlauf verschlechtern. Potenzierte<br />
homöopathische und anthroposophische<br />
Arzneimittel stellen e<strong>in</strong>e wesent liche Säule<br />
der <strong>Masern</strong>behandlung dar. Der Verlauf<br />
von über 1.000 <strong>Masern</strong>fällen <strong>in</strong> Coburg<br />
deutet darauf h<strong>in</strong>, dass Kl<strong>in</strong>ike<strong>in</strong>weisungen<br />
unter dieser Behandlung deutlich seltener<br />
notwendig s<strong>in</strong>d.<br />
Noch <strong>in</strong> den 1990er Jahren waren <strong>Masern</strong><br />
<strong>in</strong> Deutschland häufig, <strong>Ärzte</strong> waren es<br />
gewohnt, sie zu behandeln und Eltern mit<br />
der Krankheit vertraut. Seit der Intensivierung<br />
von Impfkampagnen und der E<strong>in</strong>führung<br />
der Meldepflicht für <strong>Masern</strong> 2001<br />
s<strong>in</strong>d sie drastisch zurückgegangen, sodass<br />
es <strong>in</strong>zwischen K<strong>in</strong>derärzte gibt, die noch<br />
nie <strong>Masern</strong> gesehen haben. Deshalb ist es<br />
wichtig, typische Komplikationen der Erkrankung<br />
zu kennen und von dem<br />
normalen Verlauf zu unterscheiden.<br />
<strong>Merkblatt</strong> <strong>Masern</strong> | Seite 1<br />
Komplikationen<br />
Die häufigsten Komplikationen s<strong>in</strong>d die<br />
Mittelohrentzündung, die sich durch<br />
Ohrenschmerzen bemerkbar macht, und<br />
die Lungenentzündung. Sie ist daran zu<br />
erkennen, dass das K<strong>in</strong>d Atemnot entwickelt,<br />
die Atmung „anstößt“ und dabei<br />
Husten auslöst und der Allgeme<strong>in</strong>zustand<br />
des K<strong>in</strong>des sich verschlechtert. Bei <strong>Masern</strong>komplikationen<br />
muss immer der Arzt<br />
gerufen werden, bei Lungenentzündung<br />
kann e<strong>in</strong>e Krankenhause<strong>in</strong>weisung notwendig<br />
se<strong>in</strong>. Seltener, aber besonders<br />
ernst zu nehmen ist e<strong>in</strong>e <strong>Masern</strong>-Gehirnentzündung,<br />
die <strong>Masern</strong>-Enzephalitis.<br />
Sie kann ab dem 3. Tag nach Beg<strong>in</strong>n des<br />
Ausschlags, selten auch verzögert noch<br />
nach Wochen auftreten. Bemerkbar wird<br />
die Enzephalitis durch Störungen des Bewusstse<strong>in</strong>s,<br />
Wesensveränderungen, Kopfschmerzen,<br />
Krampfanfälle und Lähmun -<br />
gen. Bei Ableitung der Hirnstromkurven<br />
(EEG) f<strong>in</strong>det der Arzt charakteristische Veränderungen.<br />
Übergangsformen mit EEG-<br />
Veränderungen, Kopfschmerzen und leichten<br />
Wesensveränderungen s<strong>in</strong>d wesentlich<br />
häufiger und verschw<strong>in</strong>den wieder spon -<br />
tan. Man kann annehmen, dass bei dem<br />
Vollbild der <strong>Masern</strong>-Enzephalitis etwa die<br />
Hälfte der Fälle ausheilt, etwa 15 Prozent<br />
der Betroffenen sterben und die anderen<br />
35 Prozent Schädigungen des Nervensystems<br />
erlei den. Die Häufigkeit der <strong>Masern</strong>-<br />
Gehirn ent-zündung nimmt mit steigendem<br />
Alter zu: <strong>in</strong> den ersten 4 Jahren ist sie selten<br />
(1:15.000), bei den über 10-jährigen relativ<br />
häufig (1: 2.500). Insgesamt nimmt die<br />
Häufigkeit und Schwere von <strong>Masern</strong>komplikationen<br />
ab dem 9. Lebensjahr deutlich<br />
zu.<br />
SSPE: Subakut sklerosierende<br />
Panenzephalitis<br />
E<strong>in</strong>e spät auftretende, seltene, aber<br />
immer tödliche Komplikation ist die subakute<br />
sklerosierende Panenzephalitis<br />
(SSPE). Sie führt über seelische Störungen<br />
und langsamen Verlust der erworbenen Fähigkeiten<br />
h<strong>in</strong> zu fortschreitenden Lähmungen<br />
und Demenz. Hier handelt es sich um<br />
e<strong>in</strong>e schleichend verlaufende Entzündung<br />
des Gehirns, die Monate bis 10 Jahre<br />
(Durchschnitt 6–8 Jahre) nach e<strong>in</strong>er <strong>Masern</strong>erkrankung<br />
auftreten kann. Sie ist sehr<br />
selten; man rechnet mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit<br />
von 1:10.000, berechnet auf die Gesamt -<br />
zahl der Erkrankten, was jedoch bedeutet,<br />
dass Säugl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong> deutlich höheres Risiko<br />
tragen.<br />
Besonders gefährdet s<strong>in</strong>d Säugl<strong>in</strong>ge, deren<br />
Mutter ihnen ke<strong>in</strong>en oder nur e<strong>in</strong>en<br />
schwachen Nestschutz vermittelt. Das<br />
betrifft Säugl<strong>in</strong>ge, deren Mutter weder<br />
geimpft ist noch <strong>Masern</strong> durchgemacht<br />
hat, und Säugl<strong>in</strong>ge, deren Mutter<br />
geimpft ist, aber nur e<strong>in</strong>e schwache oder<br />
unzureichende <strong>Masern</strong>immunität erworben<br />
hat. Mütter, die noch „Wild -<br />
masern“ durchgemacht haben, vermitteln<br />
e<strong>in</strong>en stabileren Nestschutz. Die Begeg -<br />
nung mit Wildmasern verstärkt die Immunität<br />
der natürlich und der durch Impfung<br />
immunisierten Frauen – sie wird aber<br />
durch die aktuelle <strong>Masern</strong>impfstrategie<br />
zunehmend verh<strong>in</strong>dert, Dadurch wird der<br />
<strong>Masern</strong>-Nestschutz für Säugl<strong>in</strong>ge immer<br />
unsicherer. Säugl<strong>in</strong>ge ohne Nestschutz<br />
können von älteren Geschwistern, die sich<br />
mit <strong>Masern</strong> angesteckt haben, <strong>in</strong>fiziert<br />
werden. Familien mit mehreren K<strong>in</strong>dern, <strong>in</strong><br />
denen die älteren K<strong>in</strong>der nicht geimpft<br />
s<strong>in</strong>d, müssen sich dieses Risikos bewusst<br />
se<strong>in</strong> und sich die Frage stellen, ob sie nicht<br />
zugunsten des Säugl<strong>in</strong>gs die älteren K<strong>in</strong>der<br />
impfen. Gleiches gilt <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derkrippe,<br />
<strong>in</strong> der Säugl<strong>in</strong>ge betreut werden.<br />
Die beobachteten Fälle von SSPE sollten<br />
<strong>in</strong> jedem Fall Anlass se<strong>in</strong>, nicht geschützte<br />
Säugl<strong>in</strong>ge streng von <strong>Masern</strong>kranken<br />
fern zu halten.<br />
Die <strong>Masern</strong>impfung<br />
Die <strong>Masern</strong>impfung als Lebendimpfung<br />
mit abgeschwächten Erregern wird <strong>in</strong><br />
Deutschland seit 1973, heute geme<strong>in</strong>sam<br />
mit der Mumps- und Röteln- (MMR) und<br />
neuerd<strong>in</strong>gs auch der W<strong>in</strong>dpockenimpfung<br />
(MMRV) öffentlich empfohlen. Bis heute<br />
ist neben den Mehrfachimpfstoffen auch<br />
e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelimpfstoff verfügbar. Die Empfehlung<br />
der Ständigen Impfkommission STIKO<br />
lautet: E<strong>in</strong>e Impfung zwischen dem 11. und<br />
vollendeten 14. Lebensmonat, sowie e<strong>in</strong>e<br />
Zweitimpfung e<strong>in</strong>en Monat nach der Erstimpfung.<br />
Nachholimpfungen sollten möglichst<br />
bis zum vollendeten 18. Lebensjahr<br />
erfolgen.<br />
Die erste Impfung schützt <strong>in</strong> über<br />
90 Prozent, mit der zweiten Impfung erreichen<br />
fast alle Geimpften e<strong>in</strong>en <strong>Masern</strong>schutz.<br />
Der Schutz gegen <strong>Masern</strong> kann<br />
vom Arzt durch e<strong>in</strong>e Blutabnahme nachgewiesen<br />
werden. Das bedeutet, dass bei über<br />
90 % der Geimpften e<strong>in</strong>e zweite Impfung<br />
nicht notwendig ist. Ist der Antikörpernachweis<br />
im Blut positiv, kann er vom Arzt<br />
<strong>in</strong> den Impfpass e<strong>in</strong>getragen werden und<br />
wird weltweit als Nachweis ausreichender
<strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>Anthroposophischer</strong> <strong>Ärzte</strong><br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
<strong>Masern</strong>immunisierung akzeptiert. E<strong>in</strong>e<br />
zweite Impfung ist nur bei Nichtansprechen<br />
der ersten Impfung notwendig. Es<br />
gibt allerd<strong>in</strong>gs H<strong>in</strong>weise, dass zwei Impfungen<br />
e<strong>in</strong>en etwas höhere Antikörperspiegel<br />
im Blut bewirken als nur e<strong>in</strong>e Impfung.<br />
Die Dauer des Impfschutzes ist unsicher.<br />
Deshalb empfiehlt es sich <strong>in</strong> jedem<br />
Fall, z.B. vor Reisen <strong>in</strong> Entwicklungsländer<br />
oder vor e<strong>in</strong>er möglichen Schwangerschaft<br />
die <strong>Masern</strong>immunität zu kontrollieren. Ist<br />
ke<strong>in</strong>e Immunität mehr nachweisbar, sollte<br />
das weitere Vorgehen mit dem Arzt besprochen<br />
werden. Im Falle e<strong>in</strong>er Nachimpfung<br />
ist e<strong>in</strong>e Kontrolle des Impferfolgs zu empfehlen.<br />
E<strong>in</strong>e Impfung nicht geschützterPersonen<br />
kann noch <strong>in</strong>nerhalb von 3-4 Tagen<br />
nach Ansteckung durchgeführt<br />
werden. Das schafft die Möglichkeit für<br />
„Riegelungsimpfungen“ bei <strong>Masern</strong>ausbrüchen,<br />
mit denen man Kontaktpersonen<br />
vor Ausbruch der <strong>Masern</strong> schützen und der<br />
Ausbreitung der Erkrankung entgegenarbeiten<br />
kann. Eltern von K<strong>in</strong>dern, die ke<strong>in</strong>e<br />
nachgewiesene <strong>Masern</strong>immunität aufweisen,<br />
müssen mit Ausschlüssen ihrer K<strong>in</strong>der<br />
aus K<strong>in</strong>derkrippen, K<strong>in</strong>dergärten und<br />
Schulen rechnen, wenn dort <strong>Masern</strong> auftreten.<br />
Nebenwirkungen der <strong>Masern</strong>impfung<br />
Im E<strong>in</strong>zelfall ist es schwer, das<br />
Auftreten e<strong>in</strong>er neuen Krankheit e<strong>in</strong>er<br />
Impfung ursächlich zuzuschreiben. Andererseits<br />
wäre es zur Klärung dieser Frage<br />
unbed<strong>in</strong>gt erforderlich, jede Erkrankung <strong>in</strong><br />
zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung<br />
zu melden, was bisher <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />
der Fall ist. Das schwächt die Aussagekraft<br />
der meis ten Statistiken zur Sicherheit der<br />
<strong>Masern</strong>impfung. Die maßgebliche wissenschaftliche<br />
Übersichtsarbeit (Cochrane<br />
Re view) kam 2005 zu der immer<br />
noch aktuellen Aussage, dass es ke<strong>in</strong>e<br />
verläss lichen Studien zur Sicherheit und<br />
Effektivität der <strong>Masern</strong>-Mumps-Röteln<br />
impfung gibt.<br />
Häufigste Folge der <strong>Masern</strong>impfung als<br />
Lebendimpfung s<strong>in</strong>d abgeschwächte <strong>Masern</strong><br />
bei 3–5 % der Geimpften <strong>in</strong> der 2. Woche<br />
nach Impfung. Diese können als Zeichen<br />
e<strong>in</strong>er gesunden Reaktion des Organismus<br />
auf diese Lebendimpfung gesehen<br />
werden. Das Vermeiden außergewöhnlicher<br />
Belastungen des Organismus <strong>in</strong> den<br />
zwei Wochen nach Impfung ersche<strong>in</strong>t bei<br />
<strong>Merkblatt</strong> <strong>Masern</strong> | Seite 2<br />
dieser Lebendimpfung s<strong>in</strong>nvoll, da der<br />
Geimpfte mit dem Impfvirus „angesteckt“<br />
wurde und diese Ansteckung aktiv überw<strong>in</strong>den<br />
muss. Fieberkrämpfe treten bei 500<br />
Geimpften e<strong>in</strong>mal auf, andere zum Teil<br />
schwere Nebenwirkungen relativ selten.<br />
Statistisch werden bei 1 von 200.000 Impfungen<br />
bleibende Schäden, bei 1 von<br />
500.000 Impfungen e<strong>in</strong> Todesfall erwartet.<br />
<strong>Masern</strong> und Globalisierung<br />
Nach wie vor s<strong>in</strong>d <strong>Masern</strong> e<strong>in</strong> gravierendes<br />
gesundheitliches Problem <strong>in</strong> wirtschaftlich<br />
armen Ländern: Weltweit<br />
starben 2003 etwa 530.000 Menschen –<br />
die Mehrzahl K<strong>in</strong>der – an <strong>Masern</strong>, die<br />
Sterblichkeit kann bis zu 25 % und mehr<br />
betragen. In den Industrienationen kann<br />
mit e<strong>in</strong>er <strong>Masern</strong>sterblichkeit <strong>in</strong> der Grössenordnung<br />
zwischen 1: 10.000 bis 1:1.000<br />
gerechnet werden. E<strong>in</strong> relativ höheres<br />
Risiko tragen Säugl<strong>in</strong>ge, Erwachsene und<br />
Patienten mit Immundefekten. Diese<br />
Zahlen zeigen, dass die <strong>Masern</strong>sterblichkeit<br />
weltweit <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> Problem der Lebensumstände<br />
<strong>in</strong> den Entwicklungsländern<br />
ist (Unterernährung, enge Wohnverhältnisse,<br />
Tuberkulose usw.)<br />
Während die WHO 1984 die <strong>Masern</strong> bis<br />
zum Jahre 2000 weltweit durch Impfaktionen<br />
elim<strong>in</strong>ieren wollte, musste dieses Ziel<br />
auf 2007, neuerd<strong>in</strong>gs für Europa auf 2010<br />
verschoben werden. Aktuell sche<strong>in</strong>en <strong>Masern</strong><br />
<strong>in</strong> Europa eher wieder zuzunehmen.<br />
Durch die großen und möglicherweise unüberw<strong>in</strong>dlichen<br />
Schwierigkeiten, <strong>Masern</strong> <strong>in</strong><br />
sehr armen Ländern zu elim<strong>in</strong>ieren, verschiebt<br />
sich andererseits für die Bevölkerung<br />
der Industrienationen das Risiko,<br />
durch <strong>in</strong>ternationale Kontakte <strong>Masern</strong> zu<br />
bekommen, <strong>in</strong>s Erwachsenen- und Säugl<strong>in</strong>gsalter.<br />
30 Prozent der <strong>Masern</strong>kranken <strong>in</strong><br />
der EU 2007 waren Erwachsene, 8 Prozent<br />
Säugl<strong>in</strong>ge.<br />
Welchen S<strong>in</strong>n kann es haben, dass e<strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong>d <strong>Masern</strong> bekommt?<br />
Die Frage nach dem möglichen S<strong>in</strong>n<br />
e<strong>in</strong>er Krankheit wird oft nicht gestellt.<br />
Aufmerksame Eltern erleben gerade bei<br />
den <strong>Masern</strong> oft e<strong>in</strong>e tiefgreifende Reifung<br />
ihres K<strong>in</strong>des. Andererseits s<strong>in</strong>d<br />
<strong>Masern</strong> e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derkrankheit: Sie verläuft<br />
ab dem 9. Lebensjahr und <strong>in</strong>sbesondere<br />
ab E<strong>in</strong>setzen der Pubertät wesentlich<br />
risikoreicher. Frauen sollten<br />
nicht ohne <strong>Masern</strong>immunität schwanger<br />
werden und Reisen <strong>in</strong> die 3. Welt ohne<br />
<strong>Masern</strong>schutz stellen für den Reisenden<br />
wie für die dort lebende Bevölkerung e<strong>in</strong>e<br />
hohes Risiko dar.<br />
In e<strong>in</strong>er Praxisstudie wurde bei 886 K<strong>in</strong>dern<br />
der Verlauf von <strong>Masern</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
Fragebogen untersucht. Rund zwei Drittel<br />
der K<strong>in</strong>der wirkten <strong>in</strong> der 4. Krankheitswoche,<br />
als wären sie nie krank gewesen,<br />
40 Prozent der K<strong>in</strong>der waren danach seltener<br />
krank als zuvor, 60 Prozent hatten nach<br />
Angaben der Eltern e<strong>in</strong>en überraschenden<br />
Fortschritt <strong>in</strong> der Entwicklung gemacht.<br />
Neuere Studien zeigen, dass neben<br />
anderen Faktoren das Durchmachen von<br />
<strong>Masern</strong> e<strong>in</strong>e Schutzwirkung im H<strong>in</strong>blick<br />
auf e<strong>in</strong> Allergierisiko haben kann. Umgekehrtes<br />
gilt für fiebersenkende Arzneimittel,<br />
v.a. wenn sie im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>desalter gegeben<br />
werden. Es gibt also H<strong>in</strong>weise darauf,<br />
dass hochfieberhafte Erkrankungen im<br />
frühen K<strong>in</strong>desalter sich für die Reifung des<br />
Immunsystems günstig auswirken können.<br />
E<strong>in</strong>en weiteren Gesichtspunkt zur S<strong>in</strong>nhaftigkeit<br />
e<strong>in</strong>er <strong>Masern</strong>erkrankung gibt die<br />
Anthroposophische Mediz<strong>in</strong>. Sie zieht die<br />
geistig-seelische Individualität des K<strong>in</strong>des<br />
als eigenständige, nicht von den Eltern abstammende<br />
Realität <strong>in</strong> Betracht. Diese<br />
muss und will den von den Eltern ererbten<br />
Leib <strong>in</strong>dividualisieren. Im Rahmen akutentzündlicher,<br />
hochfieberhafter Erkrankungen<br />
kann dies <strong>in</strong> besonderem Maße gel<strong>in</strong>gen,<br />
da es dabei zu e<strong>in</strong>em starken Abbau<br />
und eigenständigen Neuaufbau leiblicher<br />
Strukturen kommt. Im Fieber, <strong>in</strong> der selbst<br />
gebildeten Wärme, ist aus dieser Sicht die<br />
geistig-seelische Individualität des K<strong>in</strong>des<br />
<strong>in</strong> gesteigertem Maße leiblich tätig. Durch<br />
das Fieber überw<strong>in</strong>det das K<strong>in</strong>d nicht nur<br />
die <strong>Masern</strong><strong>in</strong>fektion, sondern <strong>in</strong>dividualisiert<br />
dabei se<strong>in</strong>en Organismus. So kann die<br />
Regulation des Immunsystems dabei ausreifen,<br />
die jeder Mensch <strong>in</strong>dividuell er -<br />
lernen und erwerben muss. Mit der Ab -<br />
heilung des Ausschlags, der B<strong>in</strong>dehautund<br />
Atemwegsentzündung bildet das K<strong>in</strong>d<br />
neue, stabilere Leibesgrenzen aus. – Allergien<br />
entstehen, wenn der k<strong>in</strong>dliche Lernprozess<br />
des Immunsystems ungenügend<br />
erfolgt oder gestört wird. Sie verlaufen typisch<br />
ohne Fieber und gehen mit chronisch-entzündlichen<br />
Hautausschlägen oder<br />
Entzündungen der Schleimhäute e<strong>in</strong>her.<br />
Allergien werden dort häufiger, wo akut<br />
entzündliche Erkrankungen stärker unterdrückt<br />
und zurückgedrängt werden.<br />
Es gibt also Gesichtspunkte, die e<strong>in</strong>en<br />
freien, <strong>in</strong>dividuellen Impfentscheid
<strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>Anthroposophischer</strong> <strong>Ärzte</strong><br />
<strong>in</strong> Deutschland<br />
recht fertigen. Rechtlich können Eltern<br />
<strong>in</strong> Deutschland selbst entscheiden, ob<br />
und wann sie ihr K<strong>in</strong>d (ggf. auch sich<br />
selbst) gegen <strong>Masern</strong> impfen lassen.<br />
Verantwortliche Autoren:<br />
Dr.med.Rene Madeleyn, K<strong>in</strong>derarzt,<br />
Stuttgart-Filderstadt<br />
Dr.med. Alfred Längler, K<strong>in</strong>derarzt,<br />
Herdecke<br />
Dr.med. Stefan Schmidt-Troschke,<br />
K<strong>in</strong>derarzt, Herdecke<br />
Dr.med. Bernhard W<strong>in</strong>geier, K<strong>in</strong>derarzt,<br />
Arlesheim/Schweiz<br />
Dr.med.Karl-Re<strong>in</strong>hard Kummer, K<strong>in</strong>derarzt,<br />
Karlsruhe<br />
Georg Soldner, K<strong>in</strong>derarzt, München<br />
Weiterführende Literaturempfehlung:<br />
Leitl<strong>in</strong>ie <strong>Masern</strong> und <strong>Masern</strong>-Impfung,<br />
Der Merkurstab 61 (2008) , 601-605 mit<br />
ausführlichen Literaturnachweisen.<br />
Herausgeber:<br />
GAÄD | <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Anthroposophischer</strong><br />
<strong>Ärzte</strong> <strong>in</strong> Deutschland e.V.<br />
Roggenstr. 82, 70794 Filderstadt,<br />
Tel. (0711) 77 99 7-11, Fax -12<br />
www.gaed.de, <strong>in</strong>fo@gaed.de<br />
Stand September 2011<br />
Dieses <strong>Merkblatt</strong> und weitere Informationen<br />
stehen als Download unter<br />
www.gaed.de zur Verfügung oder können<br />
bei der GAÄD-Geschäftsstelle gegen e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>ge Schutzgebühr bestellt werden.<br />
<strong>Merkblatt</strong> <strong>Masern</strong> | Seite 3